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Berlin Art ProjectsBerl in 2012

Le Città Invisibil iClaudia Virginia Vitari

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Elisa Teodoro: Die unsichtbaren Städte – Claudia Virginia Vitari ................................................................................................... 02

MariakCristina Strati: Wenn die Seele an die Glastüren klopft. Der Dialog mit der Psyche im Werk von Claudia Virginia Vitari ...................................................................................................... 03

Claudia Virginia Vitari: Statement ................................................................................................................................................. 04

Werke ............................................................................................................................................................................................ 05

Le città invisibili: Die Masken, Installation, 2010/ 2011 ................................................................................................................ 06

Le città invisibili: Nikosia, Installation, 2008/ 2009 ....................................................................................................................... 20

Entstehungsprozess ..................................................................................................................................................................... 30

Martín Correa-Urquiza: Radio „Nikosia“ – Die Bewohnbarkeit der Grenze .................................................................................. 32

Márcio Mariath Belloc und Károl Veiga Cabral: Die unsichtbaren Städte ...................................................................................... 35 Biografie ........................................................................................................................................................................................ 36

Übersetzung der Bildunterschriften ............................................................................................................................................. 37

Impressum .................................................................................................................................................................................... 38

Inhalt

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02 Making OfElisa Teodoro

DIE UNSICHTBAREN STÄDTE – CLAUDIA VIRGINIA VITARI

›› Claudia Virginia Vitari stellt durch den Dialog mit dem Publikum das Verhältnis zwischen dem Menschen und der Gesellschaft in den Mittelpunkt ihrer Untersuchung. Sie sich als Fürsprecherin eines persönlichen Analyseverfahrens des Individuums und der menschlichen Seele vor.

› Das Projekt dieser jungen Künstlerin beginnt im Jahre 2007 mit einer wissenschaftlichen Untersuchung und Doku-mentation, die auf einer Studie über totale Institutionen und insbesondere auf dem Verhältnis zwischen Individuum und in-stitutionellen Einrichtungen basiert.

› Ab diesem Zeitpunkt beginnt Claudia Virginia Vitari sich mit den Lebensgeschichten der Personen, die in Einrichtungen wie Gefängnissen, psychiatrischen Anstalten und Kliniken zur Behandlung psychischer Störungen leben, zu beschäftigen.

› Die Künstlerin trifft die Protagonisten dieses Projektes, lernt sie kennen und interagiert mit ihnen auf eine natürliche und spontane Art und Weise. Sie dokumentiert dies anhand niedergeschriebener Texte, Gedichte und Gedanken der Pro-tagonisten, während sie gleichzeitig Entwürfe, Porträts und Zeichnungen realisiert, die ihren persönlichen, emotionalen Erfahrungen freien Raum lassen. › So entsteht eine sorgfältige wissenschaftliche Analyse, die sich eines innerlichen und emotionalen Übergangs bedient, dessen Weg von Licht und Transparenz gesäumt wird und sich schließlich in Form von leuchtenden Modulen oder light bo-xes aus Harz, Glas und Eisen manifestiert. Diese Materialien werden mit den Zeichnungen, den gesammelten Texten der Erzählungen und den Zitaten aus wissenschaftlichen und li-terarischen Werken durch einen Siebdruck zusammengefügt. Unter anderem verwendet Vitari Texte von Foucault, Goffman, Kafka und Günter Grass, die den Zuschauer durch Fragmente innerlichen Lebens und erzählter sowie gelebter Geschichten mittels einer intimen Erfahrung führen.

› Die Transparenz des Harzes und des Glases ermög-licht es, die Seele der Protagonisten zu entdecken; wie durch eine Linse untersucht die Künstlerin das Seelenleben,

„kristallisiert“ Bilder und Gedanken heraus und schafft da-durch eine kollektive Phantasie. Die Eisenstruktur der light boxes, kühl und steif, erinnert an die totalen Institutionen und widerspricht dem flüssigen und klaren Harz, das das wahre Innerste der Menschen frei von einer klinischen Diagnose ent-hüllt Der erste Teil dieses Werkes konkretisierte sich bereits im Jahre 2008 mit dem Projekt „Percorsogalera“ und im Jahre 2009 mit Nikosia, das in Turin anlässlich der Gruppenausstel-lung „Do not cross the Line“ vorgestellt wurde.

› Die Ausstellung „Die unsichtbaren Städte“, die zwischen Barcelona und Turin verwirklicht wurde, erzählt persönliche Lebensgeschichten von Personen mit psychischen Störungen, die außerhalb der Institutionen leben. Dabei wird eine ande-re Sichtweise auf Institutionen vorgeschlagen. Sie dient dem Zweck, die Individualität der Menschen zu zeigen und eine po-etische Spielart der Kommunikation zu ermöglichen.

› Das Ziel dieses Projektes ist, den Zuschauer dazu zu ver-leiten, sich selbst in den Protagonisten zu erkennen und sich mit den Gefühlen und Erlebnissen jedes Einzelnen ausein-anderzusetzen. Eine weitere Ebene ist die Möglichkeit, Ähn-lichkeiten festzustellen. Die Künstlerin hebt die Unterschiede zwischen den Individuen hervor und lädt damit zum Nachden-ken und zur Selbstreflexion ein.

› Claudia Virginia Vitari schlägt einen ganz neuen Blickwin-kel auf die Psychiatrie vor. Sie nutzt hierzu aktuelle und wahre Lebensgeschichten und stellt damit die Begegnung zwischen Kunst und Wissenschaft auf eine neue Ebene.

› Die Kunstinstallationen ermöglichen dem Zuschauer, mit den porträtierten Personen auf eine vertraute und direkte Weise ins Gespräch zu kommen und dabei die Diagnose einer psychischen Krankheit zu vergessen. Die Künstlerin betont, dass die Psyche und die menschliche Erfahrung über die fest-gelegten Grenzen der scheinbaren „Normalität“ und der ko-difizierten geistigen Barrieren hinausgehen und schafft eine alternative Kommunikationsform.

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Making OfMaria Crist ina Strati

Wenn die Seele an Glastüren klopft. Der Dialog mit der Psyche im Werk von Claudia Virginia Vitari

›› Seelen, die an Glastüren klopfen, die aus der Tiefe des Unbewussten auftauchen und zum Licht drängen, um die Klischees und gesellschaftlichen Konditionierungen, in denen sie gefangen sind, zu überwinden. Dies ist das erste Bild, das einem in den Sinn kommt, um die Werke von Claudia Virginia Vitari zu interpretieren, die mit Zärtlichkeit und großer Sorgfalt das Thema psychischen Erkrankungen untersucht.

› Wohlbekannt ist, wie der berühmte Carl Gustav Jung die ersten Gedanken zur Tiefenpsychologie entwickelte, ausgehend von der Analyse schizophrener Patienten. Durch die psycho-analytische Beobachtung ihrer Wahnvorstellungen kam Jung zur Ausformulierung einiger seiner Grundtheorien; vorrangig und damals revolutionär, der Begriff der Seele. Diese Idee von der Seele, ausgehend vom Neoplatonismus, weiterentwickelt in der Renaissance und in den späten Theorien des Augustin, wurde im Laufe der Zeit ein zentrales Thema für viele Forscher der menschlichen Psyche, wie Marie Louise von Franz, Claris-sa Pinkola Estès – um nur einige Persönlichkeiten zu nennen – und nicht zuletzt den vor kurzem verstorbenen James Hill-man.

› Im Gegensatz zu seinen Vorgängern personalisiert Jung erstmals den Begriff der Seele: Die Seele ist jetzt Psyche, tief und wunderschön, welche die geistigen und imaginären Sei-ten der Menschen berücksichtigt, wie nie zuvor im Bereich der Psychoanalyse.

› Man würde sagen, dass diese Auffassung der „Seele“ die Hauptrolle in Claudia Virginia Vitaris Projekt spielt. In diesen Werken, die aus einer fachlichen Beschäftigung mit dem Thema und einer intensiven Auseinansetzung vor Ort entstanden sind, wird das Thema der psychischen Erkrankung aus künstlerisch-akademischer bzw. technischer Perspektive und zugleich auf eine sehr direkte und menschliche Weise untersucht. Schwei-fend zwischen Zitaten von Foucault bis Goffman, sind die aus-gestellten Werke gleichzeitig schön im Aussehen und tief in ihren Bedeutungen. Es gelingt ihnen, viele unterschiedliche

Facetten durch ästhetisch angenehme, doch nie ausschließlich ästhetisierende Formen zu übermitteln. Genau deshalb stehen sie in perfekter Übereinstimmung mit der Natur der Psyche.

› Vitaris Werk ist auch deshalb so aktuell, weil Phänome-ne wie Depression, Panikattacken, Hypochondrie und andere Störungen heutzutage stark verbreitet sind. Beinahe scheint es, als würde durch diese Störungen die wahre Psyche einen Anspruch auf ein Zusammenleben mit uns und in unserem gesellschaftlichen Alltag erheben. Sie verweigert es, sich zu annullieren und sich passiv an von uns angenommene Sozial-strukturen, leblos wie tote und obsolete Metaphern, anzuglei-chen.

› In diesem Sinn untersucht Vitari in ihrem Werk die hauch-dünne und labile Grenze zwischen psychischer Krankheit und Gesundheit, zwischen sozialer Maske und Seele. Sie lässt die Seele zu Wort kommen. Vitari schafft einen vielschichtigen Kosmos voller Reflexionen und Zusammenhänge, Gesichter und Blicke. Eine Welt, die weit über die engen Grenzen der to-talen Institutionen hinaus viel zu sagen und zu bezeugen hat.

› Jedes Werk ist ein kleiner offener Riss, ein Durchgang, eine Brücke oder eine Vision, die Persönlichkeit eines jeden Menschen hervorhebt, seinen individuellen, tiefen seelischen „Baustein“, jenseits jeder festgesetzten Form und Definition.

› Die Gesichter, in schweren Metallkästen gerahmt, drän-gen mit geschlossenen Augen aus ihren gläsernen Abgründen nach oben. Sie übermitteln die Idee, dass es sinnlos ist, die Seele einer Diagnose zu unterziehen, die lediglich der Klassi-fizierung und Wiedererkennung dient, die Seele selbst jedoch zum Schweigen bringt. Vielmehr lohnt es sich, den Dialog auf-zunehmen und sich aus der Intuition der menschlichen Psyche heraus und jenseits jedes Vorurteils zu verständigen. Dadurch schließlich können die Reichtümer der Psyche, die Wahr-heit und Schönheit, die sie seit jeher wie in einem heimlichen Schrein in sich birgt, verstanden werden.

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CLAUDIA VITARI – Le città invisibil i

›› Kunst ist für mich ein Medium, Unsichtba-res sichtbar zu machen. Ich arbeite an Situationen, scheinbar Randerscheinungen, die jedoch unerlässlich sind für das Ver-ständnis der Gesellschaft, in der wir leben.

› Schon seit dem Studium an der Universität Burg Giebi-chenstein in Halle an der Saale habe ich meine künstlerische Recherche auf die Untersuchung des Verhältnisses zwischen dem Individuum und der Gesellschaft durch die Analyse menschlicher Gefühle in extremen oder sozial fernen Situati-onen fokussiert. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bette ich ein in den Kontext verlassener bzw. alter, historischer Ge-bäuden, um ihnen eine umfassendere Wirkung zu geben.

› Ich suche nach Lebensgeschichten Persönlichkeiten, die am Rande unserer Gesellschaft stehen, und gebe ihnen eine Stimme. Im Laufe von Monaten, manchmal Jahren, samm-le ich verschiedenartiges Material: Interviews, Zeichnungen, Mitschriften von Gesprächen, Zitate. Mein jeweiliges Thema beleuchte ich unter unterschiedlichen Gesichtspunkten, wobei an erster und zentraler Stelle der Dialog mit den Betroffenen selbst steht, ergänzt um das Hinzuziehen von Fachliteratur ebenso wie themenverwandter Filme und Belletristik. Dieses Vorgehen ist sehr wichtig für mein eigenes tiefer gehendes Verständnis sowie für die Schlagen einer Brücke zum Betrach-ter.

› Anschließend dokumentiere ich die Geschichte jedes Einzelnen. Ich interviewe die Personen, bitte sie um eine Be-schreibung ihrer selbst und beschreibe sie gleichzeitig durch Porträts. Der Schaffensprozess wird zu einem Kommunikati-onsmittel, um Einzelheiten zum Ausdruck zu bringen.

› Das, woran sich die Menschen auf historischer, soziologi-scher und wissenschaftlicher Ebene normalerweise erinnern, ist eine bestimmte Art des Allgemeinwissens. Doch mein An-liegen ist es, über das Unsichtbare zu sprechen: Individuelle Erinnerungen und persönliche Lebenserfahrungen, die einer umfassenderen Geschichte unserer Gesellschaft angehören. Es geht dabei um Geschichten, die sich innerhalb unserer Städ-te verstecken. Es sind gleichzeitig Realitäten, die als Produkt der Gesellschaft, die wir selbst geschaffen haben, existieren.

› Seit 2008 befasse ich mich mit dem Thema der “totalen Institutionen” frei nach dem Werk „Asyle“ von Erwing Goffman. Darüber hinaus stellen Werke von Kafka, Foucault oder epi-sche Werke wie des Gilgamesh-Epos Inspirationsquellen für mich dar. Meine ersten eigenen Arbeiten zu diesem Thema

(MELANCHOLIE und PERCORSOGALERA) behandeln institu-tionelle Strukturen, wie beispielsweise das psychiatrische Krankenhaus in Halle an der Saale in Deutschland und die landesgerichtliche Strafanstalt “Lorusso e Cotugno” in Turin.

› Das Projekt “Die unsichtbaren Städte” wurde realisiert in Zusammenarbeit von Radio Nikosia. Eine nicht-institutionelle Realität, in der jedoch das Thema der Institution und der psy-chiatrischen Diagnose allgegenwärtig ist. Alle Mitarbeiter von Radio Nikosia kennen das Leben in „totalen Institutionen“ aus eigener Erfahrung. Sie organisieren und gestalten den Radio-sender und können durch diese Tätigkeit ihre Identität zeigen.

› Die Zusammenarbeit mit den “Nikosianern” war sehr spontan und bereichernd. Ich wurde vom ersten Tag an sehr herzlich und hilfsbereit empfangen. Innerhalb des Senders Ra-dios gibt es keine Hierarchien, was eine offenere und direktere Kommunikation ermöglichte. Es gab nie eine Selektion derer, die mit mir arbeiten sollten. Vielmehr war das Kennenlernen sehr natürlich und unkompliziert. Das Porträt ist ein wunder-bares und einzigartiges Kommunikationsmittel, so dass fast jeder Mitarbeiter bereit war, am Projekt teilzunehmen.

› Technisch gesehen finde ich die Kombination aus Zeich-nung, Bildhauerei und Installation sehr reizvoll. Sie ermöglicht eine Vielfalt von Stimmungen, Tönen sowie zwei- und dreidi-mensionalen Elementen. Ich verarbeite durchsichtige Materi-alien wie Harz oder Glas und benutze grafische Techniken wie Siebdruck, geschachtelt in Strukturen aus Eisen. Die Transpa-renz verleiht der Installation die Funktion einer Linse: In den kristallisierten Lebensgeschichten ist die Realität zu sehen. Harz und Glas sind flüssige diaphane Materialien, die sich von Eisen stark unterscheiden. Das Eisen als unbeugsames und kaltes Element ist eine Metapher für die starren Strukturen der Einrichtungen. Ein Riss oder ein Bruch im Glas oder Harz stellen eine freie Bewegung oder den Versuch eines Ausbruchs dar. Die zerfließenden und zum Teil deformierten Zeichnun-gen und Texte bieten die Möglichkeit, eine andere Perspektive einzunehmen. Darüber hinaus erinnern die Blasen an einen Atemzug, an etwas Lebendiges und in der Entstehung Begrif-fenes. Die irreführende Klassifizierung der Menschen wird durch die natürliche Zufälligkeit des künstlichen Ausdrucks abgelöst.

› So entsteht eine behutsame Betrachtung über den Einzelnen und die Gesellschaft, über das Verhältnis zwischen Gesellschaft und Institution, über die Psychologie selbst und vor allem über das Thema Psychiatrie aus der Sicht der Betroffenen.

Claudia Virginia Vitari04

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Werke

Le città invisibili: Die Masken, 2010/ 2011, Glas, Gips, Eisen, Serigrafie, 14 Leuchtkästen, je 50 x 50 x 50 cmLe città invisibili: Nikosia, 2008/ 2009, Resin, Eisen, Serigrafie, 3 Leuchtkästen, je 224 x 70 x 25 cm

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Non lo nego: sono ricoverato in un manicomio; il mio infermiere mi osser-va di continuo, quasi non mi toglie gli occhi di dosso perchè nella porta c’è uno spioncino, e lo sguardo del mio infermiere non può penetrarmi poichè lui ha gli occhi bruni, mentre i miei sono celesti.Il mio infermiere non può dunque essermi nemico. Ho preso a volergli bene, a questo controllore appostato dietro lo spioncino: Appena mi en-tra nella stanza, gli racconto vicende della mia vita; così, nonostante lo spioncino che gli è d’ostacolo, impara a conoscermi. Il brav’uomo sem-bra apprezzare i miei racconti, perchè, appena gli ho raccontato qualche fandonia, per mostrarmi la sua gratitudine mi fa vedere la sua ultima composizione di nodi. Non vorrei affrontare il problema di stabilire se sia un artista. Una mostra delle sue creazioni sarebbe però accolta con favore dalla stampa, e attirerebbe anche qualche compratore.

GÜNTER GRASS, I l tamburo di latta 06

Page 8: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

Si en la antropología se ha producido un interés por el síntoma a partir de las orientaciones interpretativas, en la psiquiatria el trayecto teórico que se ha desarrollado en los últimos años ha sido muy diferente.Tras una histórica confrontación entre planteamientos biológicos, psicoló-gicos, psicodinamicos, fenomenógicos, psicosiciales e incluso económico-políticos, la psiquiatría se ha decantado por una orientación biológica que le permita adquirir un estatuto de especialidad dentro de las ciencias médicas.Como resultado, el síntoma ha sido observado como una manifestación positiva (en su sentido etimológico de positum o presente ante los senti-dos), como una disfuncionalidad o anormalidad de tipo orgánico.

A. MARTINEZ HERNANDEZ, Colaboraciones-Antropología versus psiquiatria07

Page 9: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

Me miroy no me veono me reconozco entre la nieblaestado perpetuo conciencia amordazadacelula que muerde las manoscaricatura grotesca de mirada borrosainfértil descuidadaAnimal extinto en los arrabales de mi cordura.No me queda ya ninguna dudamasno puedo dejar de dudar.

ALMUDENA, Radio Nikosia08

Page 10: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

(...) allora sembrò a K. che fossero stati troncati tutti i rapporti con lui e che egli ora fosse certamente più libero di quanto non fosse mai stato e potesse attendere finchè voleva in quel luogo un tempo a lui proibito e avesse conquistato lottando tale libertà come quasi nessun altro avrebbe saputo fare e a nessuno fosse lecito toccarlo o scacciarlo, forse neppure rivolgergli la parola, ma (questa convinzione era almeno altrettanto forte) che al tempo stesso nulla fosse più assurdo, più disperato di questa liber-tà, di questa attesa, di questa invulnerabilità.

FRANZ KAFKA, I l castello09

Page 11: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

Yo voy a cumplir 51 años y soy un niño del franquismo. Nada mas empezar la escuela yo no llegué a saber dividir y cuando terminé la escuela aún seguia sin saber dividir; copiaba de los compañeros, hacia trampas en los examenes. Yo creo que lo maestros se dieron cuenta de que yo tenia pro-blemas...

XAVI, Radio Nikosia10

Page 12: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

...y en las ciudades subieron a cotas altas los índices de des-contami-nación, la gente se cruzaba y cruzaba ya sin mirarse; se des-mezclaban, se desarmaban del puzzle que forman los unos con los otros. Entonces todos se perdieron. Fue ahí que Nazareno empezó a mirar muy a los ojos. Con mirada de encuentro. Mirada de café con leche, de vermouth de los viejitos, mirada de reunión. De todos los que se cruzaban con él, algu-nos lo esquivaban vergonzosos, otros sospechaban un ataque inminente, otros se giraban pensándose perseguidos. Pero algunos, sólo algunos, sonreían. Y devolvían el gesto.

MARTIN, Radio Nikosia11

Page 13: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

Yo, no veo másQue lo que tu hoy me dasUna sonrisa

Siempre le falto un segundo nombre para formar parte de un culebrón, pero no por eso de ser insoportable.

PAOLA, Radio Nikosia 12

Page 14: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

Buenas tardes,Yo voy a empezar como cada miercoles diciendo como siempre: buenas tardes quieridos radioyentes e internautas!El tema de hoy es la juventud y la salud mental.Lo voy a enfocar desde el punto de vista que me hubiese gustado a mi que me dijeran o como me hubiese gustado que me trataran cundo tuve pro-blemas en mi juventud (...)

DOLORS, Radio Nikosia 13

Page 15: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

Palabras. Tiempo. Colores no leídos, silencio. Piedra, Coral. Augurio. Camino pisado en la tierra, remolino de noche.Cachivaches variopintos, anaranjado, puntillas, lentejuelas, fucsia terrible, deme algo!Materiales suaves, ayudando a armar. Sueños. Comunidad que persis-te. Haciendo, apretando los dientes. Palabras materiales. Eso que no se calla, no hace silencio. Sale Encuentra llama, busca, hace camino, hace que sea. Ahí. Está y va a estar. Sale.Comienzos.

LUCIA, Radio Nikosia14

Page 16: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

Ma la città non dice il suo passato, lo contiene come le linee d’una mano, scritto negli spigoli delle vie, nelle griglie delle finestre , negli scorrima-no delle scale, nelle antenne dei parafulmini, nelle aste delle bandiere, ogni segmento rigato a sua volta di graffi, seghettature, intagli, svirgole.

ITALO CALVINO, Le città invisibil i15

Page 17: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

Quando setembro de 2007 já começava a despedirse com suas tardes luminosas, e os últimos calores de verão mediterrâneo cediam passo á entrada do outono, cheguei a uma cidade chamada Nikosia.

MARCIO, Radio Nikosia 16

Page 18: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

Mi cabeza o mejor dicho...mi cabezon es como el de una persona cualqui-era, salvo una cicatriz y un bulto que tengo debajo de ella, debido a una proteccion de silicona que me pusieron el 15 de octubre de 2007 cuando me implantaron un electrodo en el cerebro, unido a un cable que va por debajo de mi piel.Cuando me interese en que Claudia me hiciera un molde de mi cabeza pense que despues de haber pasado por una operacion donde te dejan el cerebro al descubierto estando despierto, ya nada te puede dar miedo. Fue una tarde divertida y me muero de ganas de repetir y poner otra cara un poco mas divertida.

OSCAR, Radio Nikosia17

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Un’espressione del proprio comportamento (personalmente scelto) – antagonismo, affetto, indifferenza – è simbolo del proprio modo perso-nale di autodeterminarsi. Questa prova della propria autonomia viene indebolita da certi obblighi specifici, come il dover scrivere una lettera alla settimana a casa, o il doversi trattenere dall’esprimere tristezza. Inoltre essa viene indebolita quando questo settore del comportamento sia usato come l’evidenza della propria posizione psichiatrica, religiosa e politica.

ERWING GOFFMANN, Asylums18

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Per quanto il quadro iniziale possa essere sia psicologico che organico, la malattia riguarderebbe in ogni caso la situazione globale dell’individuo nel mondo; non è una essenza fisiologica o psicologica, ma una reazione generale dell’individuo considerato nella sua totalità psicologica e fisio-logica. In tutte queste forme recenti di analisi medica è dunque possibile leggere un significato unico: quanto più si considera l’unità dell’essere umano come un tutto, tanto più si dissipa la realtà di una malattia intesa come unità specifica; e tanto più si impone inoltre, a sostituire l’analisi delle forme naturali della malattia, la descrizione dell’individuo che rea-gisce alla situazione in maniera patologica.

MICHEL FOUCAULT, Malatt ia mentale e psicologia19

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Il ricoverato è escluso, in particolare, dalla possibilità di conoscere le decisioni prese nei riguardi del suo destino.(...) Questa esclusione pone lo staff ad un particolare punto di distanza dagli internati, conservando una possibilità di controllo su di loro.Queste limitazioni di rapporto è probabile contribuiscano a mantenere gli stereotipi di tipo antagonistico. Due mondi sociali e culturali diversi procedono fianco a fianco urtandosi l‘un l‘altro con qualche punto di contatto di carattere ufficiale, ma con ben poche possibilità di penetrazi-one reciproca.

ERWING GOFFMAN, Asylums20

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La medicación psiquiátrica no puede ser considerada como si formara parte de los mediacamentos a los que estamos acostumbrados, no se trata de nada que funcione de manera semejante a un antibiótico o un antihistamínico. Para empezar, los psicofármacos no curan.

PSIQUIATRIZADXS EN LUCHA, Palabras, reflexiones y alaridos contra el TAI21

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33 Making OfMartín Correa-Urquiza

Radio “Nikosia”: Die Bewohnbarkeit der Grenze

›› Laut Alberto «ist die Verrücktheit wie eine winzige Kugel eines seltsamen Flippers, der die Banden eines„Billardtisches des Verstands“ trifft». Zumindest – sagt er – musste ich lernen, mit diesem Gefühl im Laufe der Jahre umzugehen. Es ist, als ob diese kleine Kugel ein ungewisses Pendel wäre, das in dem menschlichen Gehirn wühlt. Dadurch intensiviert das Gehirn die Angst vor sich selbst, die in eine tie-fe Sorge umschlägt und manchmal viel zu spät verschwindet.Die Verrücktheit ist für ihn «ein offener Nerv, konstant und rastlos», mit dem er gelernt hat zu leben und sich zu einigen. «Die Schizophrenie – sagt er – ist wie eine zu bändigende Stute: Zunächst steigst du auf und versuchst sie zu reiten und – zack! - sie schmettert dich nieder, du steigst wieder darauf und – zack! - noch einmal bist du am Boden, bis du weißt, wie du sie vernünftig reiten sollst.

› Nach und nach versteht man, welche Wege man am bes-ten nicht einschlägt, welche Paranoia man am besten vermei-det, um den negativen Gefühlen nicht nachzugeben. Ich glaube, dass man lernen kann, die Schizophrenie zu bändigen und nicht von ihr gebändigt zu werden». Für Alberto ist die Verrücktheit eine Sache, derer man sich nicht schämen sollte. «Wenn es bedeutet verrückt zu sein, dieses Funkeln von Genialität zu haben, das dir neue Wege eröffnet, dann verteidige ich meine Verrücktheit von diesem Standpunkt». «Für mich – bekräftigt er – ist es wie ein tiefer Schlaf, aus dem es sehr schwer ist, zu erwachen, oder anders herum von dem man aufwacht, wäh-rend die anderen weiterschlafen». Alberto redet mit der Ge-schwindigkeit eines Stummfilmes, als ob eine Menschenmasse auf der Suche nach ihm wäre, um ihn zum Schweigen zu brin-gen. Er spricht, als ob er die Notwendigkeit hätte, alles, was er sagen kann, in der Zeit zu sagen, in der er kann. Gleichzeitig rollt er sich seine Serie von konischen Zigaretten.

› Der Filter ist ein Teil von einer Pik Sieben: Er hat immer ein Kartenspiel dabei, um aus ihnen Filter für die Zigaretten zu machen. Deswegen gibt es Tage, in den er „Pik“, „Karo“ oder „Kreuz“ raucht.

› Alberto gehört zu Radio Nikosia; er ist eine der 35 Stim-men, die sich einmal pro Woche der Tagesprogrammgestal-tung von Radio „Contrabanda“ auf der Plaza Real in Barcelona bemächtigen. Es sind 35 Personen, manchmal mehr, die sich treffen, um mit der Stimme derjenigen über die Verrücktheit zu sprechen, die darunter leiden. Sie treffen sich, um sich auf

die Möglichkeit einzulassen „Untergrund-Politik“ zu machen. Eine Militanz aus den Randgebieten, die sich hier in einer Art Katharsis wiedererfindet, die neue Türen öffnet.

› Radio Nikosia stellt die Verrücktheit unter Anklage, es verhört sie, sucht Trost in ihr, lehnt sie ab, definiert sie erneut, tauscht den Platz mit der Normalität, umarmt sie, lebt mit ihr und mit ihren Schwankungen; es toleriert sie. Radio Nikosia ist eine Querschnittradiosendung, die vollständig von Personen mit unterschiedlichen psychischen Problemen realisiert wird. Personen, die versuchen, mit Anderen bzw. miteinander zu kommunizieren, mit dem Ziel, die Fundamente ihres Leidens zu demontieren.

› Nikosia ist das Verlangen nach einem Dialog, der über die einseitige Rigidität der Biomedizin hinausgeht. Dieses Verlan-gen gestaltet sich selbst Tag für Tag durch normalisierte Prak-tiken sozialer Interaktionen, die unabhängig von einer Therapie sind.

› Man könnte denken, dass sich diesem Projekt während eines Wimpernschlags ein Weg geöffnet hat, als die über-wachenden Augen der bestehenden Dynamiken unfreiwillig geschlossen waren. Langsam hat es sich in den Rissen, in der Bewohnbarkeit, in den Grenzen, die ein Wimpernschlag zulässt, konsolidiert, bis es sich in eine politische, aktionäre Bewegung verwandelt, in dem Sinn, dass es sich innerhalb der Struktur der Polis bewegt, jedoch mit dem Streben nach einer anderen Form der Organisation. Das haben wir in einem 2008 erschie-nen Artikel gesagt.

› «Durch die Bewohnbarkeit der Grenze generiert man den Unterschied, man kann sich andere neue Ordnungen und Durcheinander vorstellen, man kann ein paralleles Universum neu definieren. Für die Nikosianer stellt die Bewohnbarkeit dieser Grenze die Möglichkeit dar, nicht außerhalb der vorde-finierten Grenzen stehen zu müssen, um eine neue Erkenntnis über seine Verrücktheit durch die Analyse ihrer Ausbrüche zu gewinnen. Eine Erkenntnis, die ihnen bei der Neubestimmung ihrer Welt und ihrer selbst hilft, um dann die Grenze erneut zu überschreiten, nachdem sie sich neue Erkenntnisse, neue Rhetoriken und neue Auslegungen aufgebürdet haben. Niko-sia, wer weiß, stellt vielleicht den Aufstand der Stultifera navis dar». ( Correa-Urquiza et al, 2008:64).

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34 Making OfMárcio Mariath Belloc e Károl Veiga Cabral

Die unsichtbaren Städte

›› Glas, Eisen, Harz, Siebdruckplatten, Porträts, Masken, Texte und Würfel: das sind die verschiedenartigen Ma-terialien, die im Rahmen dieser Ausstellung das Universum der künstlerischen Arbeit von Claudia Vitari bilden. Es gibt jedoch einen Faktor, vielleicht der Wichtigste, den man nicht auf An-hieb erfassen kann: Die von der Künstlerin inszenierte Zusam-menfügung dieser poetisch miteinander verwobenen Elemen-te, die zu einer Begegnung mit etwas Unsichtbarem führt.

› Genau genommen geht es dabei um die ästhetische Kar-tografie einer unsichtbaren Stadt. Diese Kartografie geht über die Grenzen und Küsten, die Sprachen und Sitten der Menschen hinaus und wird mit der Tinte des Miteinanders gezeichnet. Das Kernelement des ganzen Werkes bildet eben diese Darstellung des Miteinanders. Diese unsichtbare Stadt heißt „Nikosia“. Zur gleichnamigen Hauptstadt Zyperns, die die Künstlerin gemäch-lichen Schrittes erkundet hat, hält unsere dargestellte Stadt lediglich ein metaphorisches Verhältnis aufrecht: Die Mauern voller Vorurteile, die die Unterschiede voneinander trennen; in diesem Fall die Verrücktheit von der angenommenen Normali-tät.

› Nikosia als eine metaphorische Stadt, vielleicht so mär-chenhaft wie die von Italo Calvino beschriebenen unsichtbaren Städte.

› Nikosia als Stadt der Begegnungen, in der die Gebäude mittels zwischenmenschlicher Beziehungen gebaut werden. Personen, die sich vereinen, um für die Menschenrechte zu kämpfen. Städte, deren Straßen, Boulevards und Alleen aus Steinen des Miteinanders gebaut wurden und sich wie Schall-wellen auf der ständigen Suche nach einem Horizont von Viel-falt und Freiheit verbreiten.

› Nikosia als Stadt der Wörter, deren Ausübung von Reflek-tionen, Erzählungen, Debatten und Austausch von Erfahrungen das einfachste Wort in ein Mittel zum Bruch mit dem Bestehen-den verwandelt und eine gegenwärtige Agora der Kommunika-tion und der Kunst erschafft.

› Claudia Vitari ist es wie wenigen Anderen, gelungen, den Geist dieser Stadt-Metapher-Begegnung-Wort zu verstehen und zu übermitteln. Beginnend mit der graphischen Dokumen-tation ihrer Werke lässt die Künstlerin uns in eine visuelle

Erzählung eintauchen, bei der ein sensibler, fast taktiler Blick auf die Fragmente und Skizzen von Lebensgeschichten und Porträts geboten wird, die von den Pfaden in Nikosias Straßen zeugen. In ihrem ästhetischen Spiel erwirkt das Konzept von Klassifizierung das Fehlende, d.h. die Details des alltäglichen Lebens dieser Menschen. Ebenso wie ihr Modell das Kurzlebige sichtbar werden lässt und gleichzeitig einen neuen Blickwinkel auf die psychiatrischen Diagnoseverfahren aufzeigt. Zu Beginn richtet sich dieser Blick auf die Gruppe der Modelle, die für die Arbeit abgebildet wurden und erreicht dann das Publikum, das während der Begehung des Ausstellungsraumes selbst ein Teil des Werkes wird. Wenn das Kernelement das Miteinander ist, so ist es unmöglich, die Einladung, Nikosianer zu werden, ab-zulehnen.

› Die Transparenz und Fragilität des Glases stehen im Kon-trast zur Undurchsichtigkeit und Beständigkeit des Eisens. Je-doch können beide Materialien unter hohen Temperaturen den gleichen Grad an Verformbarkeit erreichen. Die nahezu liquide Flexibilität des gegenwärtigen Lebens mit seinen Eigentüm-lichkeiten und Besonderheiten, machen es so anders und ka-leidoskopisch.

› Der Versuch, Lebensgeschichten zu erfassen oder zu mo-dellieren bedeutet, etwas darzustellen, das versucht zu ent-rinnen, immer ein Entwurf bleibt und niemals vollendet wird. Claudia Vitari stellt sich diesem Risiko und hebt es auf eine künstlerische Stufe. Durch ihre Ansichten trägt sie zum Aufbau dieser heterogenen Stadt bei. Ihr Werk vollendet, beeinflusst und modifiziert die Stadt.

› Trotz der scheinbar fertigen Zeichnungen, Schreiben und Gesichtsabdrücke bietet die Künstlerin dem Zuschauer die Möglichkeit, in ihr Werk einzugreifen, wobei der Zuschauer das Kunstwerk jeweils durch seine eigene Vorstellungskraft und die Schaffung neuer Geschichten und Figuren erlebt.

› Demnach durchbricht das künstlerische Werk das wis-senschaftliche Modell der Klassifizierung und schafft die ästhetische Möglichkeit zur Darbietung eines neuen, einzig-artigen Werkes gegenüber jedem neuen Zuschauer, der die Zusammensetzung dieses künstlerischen Universums in sich aufnimmt.

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35 Making OfBiografie

MOSTRE PERSONALI

2009- PERCORSOGALERA, Museo del Carcere “Le Nuove”, Tori-

no. Curatore Luca Vona. Evento realizzato in collaborazione con “Associazione Papier”, con la sovvenzione di “Regione Piemonte” ed inserito nel circuito “Contemporary Arts Torino Piemonte”

2008- Percorsogalera, riflessioni. Installazione realizzata all’interno

della Casa Circondariale “Lorusso e Cutugno”. Progetto nato in collaborazione con l’istituto penitenziario e l’Associazione culturale “Papier” ed inserito nel circuito “Contemporary Arts Torino Piemonte”.

2004- VICE-VERSA, Villa Engelmann, Halle/Saale, Germania.

PRINCIPALI MOSTRE COLLETTIVE

2011- Open weekend, Berlin Art Projects, Berlin- La leggerezza dell’essere, AV art Gallerie, Torino

2010- Grenzenlos.Vielfältig.Eins, Berlin Art Projects Art Gallery,

Berlin

2009- Do not cross the line, Paratissima LDT, Stazione Porta Nuova.

Un progetto di “Grandi Stazioni” e “Gruppo Para”. Curatore Luca Vona

- Cerka’l festival, Barcelona

2007- DISFORIE 007, Palafuksas, Piazza della Repubblica, Torino.

Performance/installazione con il gruppo “Beyond”. Curatore Elisa Lenhard

2006- Remake, galleria “En plain Air”, Pinerolo (TO). Installazione

realizzata con il gruppo “Beyond”. Evento organizzato dallo SCIFT nell’ambito del “Progetto Maionese”.

- All’ombra del limone, progetto”Emersioni”, Fonderie Teatrali Limone, Torino

2005- Epi Oinopa Ponton/Quel Mare Purpureo, Galleria Allegretti

Contemporanea, Torino. Curatore Luca Vona

2004- Ars Hallensis, Villa Engelmann, Halle Saale, Germania.

2003- Vorbild-Nachbild, Hommage à Lukas Cranach, Wittenberg,

Germania.

2002- Jahresausstellung, Hermes, Halle/Saale, Germania. Presen-

tazione del progetto “Melancholie” nato dalla collaborazione con l’ospedale psichiatrico di Neustadt, Halle an der Saale.

2000- Begegnungen – Japanische Ode an Goethe, Castello Neuen-

burg, Naumburg, Germania- Rundgang, Wittekindbad, Halle/Saale, Germania

* Claudia Virginia Vitari è nata in Italia, a Torino nel 1978.

- Si è laureata nel 2004 ad Halle an der Saale, in Germania, presso l’Università di Arte e Design Burg Giebichenstein in pittura e grafica con il Prof. Ulrich Reimkasten.

- Successimamente ha seguito vari workshop sulla lavorazione del vetro in Germania, Spagna e Norvegia.

- Il suo lavoro si incentra sullo studio della relazione tra l’individuo e la società e, in particolare, i suoi ultimi progetti si basano su un’analisi artistica delle istituzioni totalitarie attra-verso una documentazione grafica che invita ad un confronto tra singole storie personali ed analisi delle istituzioni, viste come parte integrante e specchio della società.

- PERCORSOGALERA (2007-2009) è stato realizzato a Torino in collaborazione con l’ Istituto penitenziario Lorusso e Cutu-gno. Le città invisibili (2009-2011) è invece nato a Barcellona in collaborazione con l’ Associazione Culturale Radio Nikosia.

- Entrambi i progetti hanno ricevuto il contributo di Regione Piemonte.

- L’artista è rappresentata dalla galleria Berlin Art Projects con sede a Berlino e Istanbul.

- Attualmente vive a Barcellona e opera tra Torino, Barcellona e Berlino.

Page 37: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

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Zugegeben: Ich bin Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt, mein Pfleger beobachtet mich, lässt mich kaum aus dem Auge; denn in der Tür ist ein Guckloch, und meines Pflegers Auge ist von jenem Braun, welches mich, den Blauäugigen, nicht durchschauen kann. Mein Pfleger kann also gar nicht mein Feind sein. Liebgewonnen habe ich ihn, erzähle dem Gucker hinter der Tür, sobald er mein Zimmer betritt, Begebenheiten aus meinem Leben, damit er mich trotz des ihn hindernden Gucklochs kennenlernt. Der Gute scheint meine Erzählungen zu schätzen, denn sobald ich ihm etwas vorgelogen habe, zeigt er mir, um sich erkenntlich zu geben, sein neuestes Knotengebilde. Ob er ein Künstler ist, bleibe dahingestellt. Eine Ausstellung seiner Kreationen würde jedoch von der Presse gut aufgenommen werden, auch einige Käufer herbeilocken.

Günter Grass: Die Blechtrommel, München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 2002, S. 11

Während sich in der Anthropologie ein Interesse für das Symptom unter interpretativer Ausrichtung herausgebildet hat, hat sich in der Psychiatrie der theoretische Weg in den letzten Jahren anders entwickelt.

Nach der historischen Gegenüberstellung von biologischen, psychologischen, psychodynamischen, phänomenologischen, psychosozialen und selbst ökonomisch-politische Gesichtspunkten, tendiert die Psychiatrie nun zu einer biologischen Denkart, die es erlaubt, sich als eigene Fachrichtung innerhalb der Medizinwissenschaft zu etablieren.Im Ergebnis wird das Symptom als eine positive Äußerung betrachtet (im etymologischen Sinn des „positum“ = das Tatsächliche, das Sinngebende), als eine organische Funktionsstörung oder Anormalität.

A. Martinez HernandezColaboraciones - antropologia versus psiquiatria

Ich schaue mich anUnd ich sehe mich nichtIch erkenne mich nicht im Nebel Lebenslanger ZustandGeknebeltes BewusstseinEine Zelle, die Hände zersetztEine groteske Karikatur mit trübem Blick Unfruchtbar, vernachlässigt Ein ausgestorbenes Tier in den Vororten meines Verstandes Mir bleiben schon keine Zweifel mehr Ich kann nicht aufhören zu zweifeln

Almudena (Radio Nikosia)

…und da schien es K. als habe man nun alle Verbindung mit ihm abgebrochen und als sei er nun freilich freier als jemals und können hier auf dem ihm sonst verbotenen Ort warten solange er wolle und habe sich diese Freiheit erkämpft wie kaum ein anderer es könnte und niemand dürfe ihn anrühren oder vertreiben, ja kaum ansprechen, aber – diese Überzeugung war zumindest ebenso stark – als gäbe es gleichzeitig nichts Sinnloseres, nichts Verzweifelteres als diese Freiheit, dieses Warten, die Unverletzlichkeit.

Franz Kafka: Das Schloss, Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 1994, S. 132 f.

Ich werde 51 Jahre alt und bin ein Kind des Franquismus. Als ich in die Schule kam, schaffte ich es nicht, dividieren zu lernen und als ich mit der Schule fertig war, konnte ich es immer noch nicht. Ich schrieb bei meinen Mitschülern ab, in den Prüfungen habe ich betrogen. Ich glaube die Lehrer haben bemerkt, dass ich Probleme hatte....

Xavi (Radio Nikosia)

...und in die Städten stiegen die Anzeichen der Dekontamination stark in die Höhe, die Leute liefen ständig aneinander vorbei, liefen aneinander vorbei ohne sich anzusehen; sie vermischten sich nicht, sie zerlegten das Puzzle, vom dem jeder Einzelne ein Teil war. Dann verschwanden alle. Erst jetzt fing Nazareno aufzublicken und direkt in die Augen zu schauen. Mit einem Blick des Begegnens. Ein Blick von Café con Leche, vom Vermouth der Alten, ein Blick des Beisammenseins. Unter allen, deren Blicke sich mit seinem trafen, mieden ihn einige verschämt, andere befürchteten angegriffen zu werden, wieder andere fühlten sich verfolgt und wichen aus. Aber einige, nur einige, lächelten. Sie erwiderten seine Geste.

Martin (Radio Nikosia)

Ich sehe nichts mehrAußer dem, was du mir gibstEin Lächeln

Ihr fehlte immer ein zweiter Name um Teil einer Seifenoper zu werden, aber deswegen war sie nicht unerträglich.

Paola (Radio Nikosia)

Guten Nachmittag!Ich werde beginnen wie jeden Mittwoch, indem ich wie immer sage: Guten Nachmittag liebe Zuhörer und Internetsurfer! Heute ist unser Thema Judentum und psychische Gesundheit.Ich werde dieses Thema so behandeln wie ich es gemocht hätte als ich jung war und Probleme hatte (...)

Dolors (Radio Nikosia)

Worte. Zeit. Nicht gelesene Farben, Stille. Stein, Koralle. Vorzeichen.Spuren auf dem Weg, Strudel der Nacht.Buntes Gerümpel, orangefarben, Spitzen, Pailletten, schreckliche Fuchsia, gib mir etwas!Zarte Materialien, hilfreich beim Zusammenbauen. Träume. Eine Gemeinschaft, die bleibt. Es schaffen und die Zähne zusammenbeißen. Materielle Worte. Was nicht schweigt, verursacht keine Stille. Brecht auf, findet, ruft, sucht, macht den Weg, bewirkt etwas. Dorthin. Es ist und wird sein. Brecht auf. Anfänge.

Lucia (Radio Nikosia)

Aber die Stadt erzählt ihre Vergangenheit nicht, sie enthält sie wie die Linien einer Hand, eingeschrieben in die Ränder der Straßen, die Gitter der Fenster, die Handläufe der Treppengeländer, die Antennen der Blitzableiter, die Masten der Fahnen, jedes Segment seinerseits schraffiert von Kratzern, Sägespuren, Kerben und Schlägen.

Italo Calvino, Die unsichtbaren Städte, S. 18 f.

Als sich der September 2007 mit seinen letzten hellen Abenden verabschiedete und die letzte Wärme des Sommers am Mitteleer den Eintritt des Herbstes erlaubte, kam ich in einer Stadt namens Nikosia an.

Marcio (Radio Nikosia)

An meinem Kopf oder besser gesagt: Meinem Dickkopf – ist nichts anders als an den Köpfen anderer Menschen, abgesehen von einer Narbe und einer Schwellung durch eine Silikonabdeckung, die sie mir am 15. Oktober 2007 implantiert haben, als sie mir eine Elektrode im Gehirn eingesetzt haben, verbunden mit einem Kabel unter meiner Haut. Als ich erfuhr, dass Claudia einen Abguss von meinem Kopf machen wollte, dachte ich, dass mir, nachdem ich so eine Operation am offenen Gehirn erlebt hatte, nichts mehr Angst machen konnte. Es war ein lustiger Nachmittag mit Claudia und ich würde ihn so gern wiederholen, um das nächste Mal ein anderes, lustigeres Gesicht zu machen.

Oscar (Radio Nikosia)

Zu den äußeren Zeichen der Selbstbestimmung gehört ein gewisser Spielraum selbst gewählten Ausdrucksverhaltens – sei es in Form von Ablehnung, Zuneigung oder Gleichgültigkeit. Dieser Beweis der eigenen Autonomie wird abgeschwächt durch bestimmte Auflagen, wie etwa den wöchentlichen Brief nach Hause oder den Verzicht auf Missfallensäußerungen. Eine zusätzliche Schwächung liegt dort vor, wo dieser Verhaltensspielraum als Zeugnis für den psychischen, religiösen oder politischen Bewusstseinszustand eines Menschen gewertet wird.

Erving Goffman: Asyle. Über die soziale Situation psychiatrischer Patienten und anderer Insassen.

Aus dem Amerikanischen von Nils Lindquist. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag, 1. Auflage 1973, S. 50

Ob nun aber ihre ersten Anzeichen psychologische oder organische seien, die Krankheit betreffe in jedem Fall die Gesamtsituation des Individuums in der Welt; statt physiologische oder psychologische Essenz zu sein, ist sie eine allgemeine Reaktion des Individuums in seiner psychologischen und physiologischen Totalität. An allen jüngeren Formen der medizinischen Analyse lässt sich also diese eine Bedeutung ablesen: je mehr die Einheit des Menschen als ein Ganzes aufgefasst wird, desto mehr verflüchtigt sich die Wirklichkeit der Krankheit als einer spezifischen Entität; und um so vordringlicher wird anstelle der Analyse die Beschreibung des Individuums in seinen pathologischen Reaktionen auf seine Situation.

Michel Foucault: Psychologie und Geisteskrankheit. Aus dem Französischen von Anneliese Botond. Frankfurt am Main:

Suhrkamp Verlag, 1. Auflage 1968, S: 20 f.

Die psychiatrische Medikation kann nicht betrachtet werden als ob sie aus gewöhnlichen Medikamenten besteht: Diese Mittel sind mit Antibiotika oder Antihistaminen in keiner Weise zu vergleichen. Psychopharmaka haben – um damit zu beginnen – keine heilende Wirkung.

Psiquiatrizadxs en lucha(Palabres, reflexiones y alaridos contra el TAI)

Bildunterschriften

Page 38: Claudia Virgini Vitari | Le città invisibili

Dieser Katalog erscheint anlässlich der Ausstellung „Le città invisibili“

unter der Schirmherrschaft der Italienischen Botschaft.

Berlin Art Project Juni – Juli 2012

Berlin Art Projects GmbH & Co. KG

Mehringdamm 33

10961 Berlin

Eine italienische Version des Katalogs erschien zur gleichnamigen Ausstellung

im Museo Regionale die Scienze Naturali, Turin 16. Februar – 25. März 2012

Das Projekt wurde realisiert mit freundlicher Unterstützung der Region Piemont.

Die Fertigung von Teilen der Arbeiten in Glas wurde gefördert und durchgeführt von

Derix Glas Studios, Taunusstein.

Die Herstellung der Rahmen für die Serigrafi en wurde gefördert und durchgeführt von

D’AD Daniele Dell’Accio, Settimo Torinese.

Technischer Support Glasarbeiten, Barcelona

Daniel Orquin / Beatriz Bloch / David Gibernau / Tallar Aleph

Texte

Associazione Culturale Papier

Márcio Mariath Belloc / Károl Veiga Cabral Mariak

Cristina Strati, Elisa Teodoro

Martín Correa-Urquiza

Claudia Virginia Vitari

Gestaltung

Christine Gehrke

Redaktion

Anna von Bodungen

Fotos

Janine Mapurunga (Werke; Cover)

Martín Correa-Urquiza (Radio Nikosia)

© Berlin Art Projects | Claudia Vitari

Impressum


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