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Page 1: Cytostatika-Konzentrationen in Organen und Tumoren: Vergleich nach intravenöser und intratumoraler Injektion

J. Cancer Res. Clin. Oncol. 95, 147 157 (1979) Joumar of

~Cancer Research Clinical Oncology @ Springer-Verlag 1979

Cytostatika-Konzentrationen in Organen und Tumoren: Vergleich nach intraven6ser und intratumoraler Injektion

M. WenzeP, M. Schneider ~, J. Bier 2, P. Benders 2 und G. Schachschneider ~

1 Pharrnazeutisches Institut, Biol. Chem. Abt. Freie Universit~it Berlin, K6nigin-Luise-Str. 24, D-1000 Berlin 33 2 Klinikum Steglitz, Kiefer-Chir. Abt., D-1000 Berlin 45

Concentrations of Cytostatic Drugs in Organs and Tumors Comparison After Intravenous and Intratumoral Injection

Summary. The cytostatic drugs Chlorambucil and Bleomycin were labeled with 131i and with STCo, respectively; Ruthenocenealdehyde-(N-methyl-N-fl- chlorethyl)-hydrazone and Ruthencoene-3-phenyl-prop. 1-en-3-one were label- led with the y-emitter ~~ In tumor-bearing mice the elimination and organ distribution of these radioac- tive substances were tested after intravenous (i.v.) and intratumoral (i.t.) injec- tion of the drugs. The organ load showed lower values after i.t. than after i.v. application, while the radioactivity concentrations in the tumor were consider- ably increased after i.t. injection. The integrals of the concentration-time curves showed 10-80 times higher concentrations in the tumor after i.t. compared to i.v. injection of the drugs.

Key words: Chlorambucil - Bleomycin - Metallocene - Cytostatika - Intratu- moral

Zusammenfassuug. Die Cytostatika Chlorambucil und Bleomycin wurden mit 131j bzw. s7Co markiert, Ruthenocenaldehyd-(N-methyl-N /~-chlorfithyl)-hy- drazo und Ruthenocen-3-phenyl-prop-l-en-3-on mit dem 7-Strahler l~ Diese radioaktiven Modell-Substanzen wurden Tumor-tragenden M~iusen intraven6s und intratumoral injiziert und anschliel3end Exkretion und Organ- Verteilung gemessen. Nach intratumoraler (i.t.) Injektion war die Konzentrat ion im Tumor langan- haltend h6her und in den fibrigen Organen niedriger als nach i.v.-Injektion. Die im Zeitraum 1-24 Std post inj. dem Tumorgebiet zur Verffigung stehenden Do- sen (Integration der Konzentrat ions-Zeit-Kurven) sind bei i.t.-Injektion 10-80 real h/Sher als nach i.v. Gabe.

Schliisselw~rter: Chlorambucil - Bleomycin - Metallocen - Cytostatica - intra- tumoral

Sonderdruckanfragen: Prof. Dr. M. Wenzel (Adresse s. oben)

O171-5216/79/0095/0147/$ 2.20

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148 M. Wenzel et al.

Verschiedene Autoren (Takahashi et al., 1976; Bast et al., 1976; Lemarinier u. Ja- quet, 1976) berichten fiber eine verstiirkte Inhibierung des Tumor-Wachstums durch Cytostatika nach intratumoraler Injektion im Vergleich zur intraven6sen In- jektion. Ein Vergleich der Cytostatika-Konzentration im Tumor und in den Orga- nen nach den verschiedenen Injektions-Arten wurde dagegen bisher nicht durchge- ffihrt; in Sonderheit fehlen Vergleiche zur Zeitabhfingigkeit der Cytostatika-Kon- zentration. Wir haben daher in der folgenden Arbeit untersucht, inwieweit die in- tratumorale Applikation zu einer ver~inderten Ausscheidung und Organ-Vertei- lung fiihrt. Dabei interessierten auch Unterschiede im Verhalten der hydrophilen und lipophilen Substanzen.

Alle Untersuchungen wurden mit Verbindungen durchgefiihrt, die mit 7-Strah- lern markiert waren. Die Anwendung von 7-Strahlern zur Markierung der Cyto- statika hat den Vorteil, dab Ausscheidung und OrgansVerteilung nach friiher be- schriebenen Methoden (Wenzel et al., 1977 a, b) sehr zuverl~issig bestimmt werden k6nnen.

Material und Methoden Versuchstiere

Die CF1 Mfiuse (25-30 g) wurden yon der Fa. Hagemann (4923 Extertal, Deutschland) bezogen. Weib- liche C 57 B1 6 M/iuse erhielten wir yon der Fa. Winkelmann, Paderborn, Deutschland.

Tumoren

Ffir die Versuche mit Chlorambucil, Ruthenocenaldehyd-hydrazon und Ruthenocen-phenylpropenon verwendeten wir CF1 Mguse mit einem Ehrlich Carcinom.

Dazu erhielten die M/iuse subcutan ca. 5.104 Zellen eines Ehrlich-Ascites-Carcinomes. Nach 8-10 Tagen war an der Injektionsstelle (Nacken oder hinterer Oberschenkel) ein Tumor yon 400-1000 mg Gewicht entstanden.

Fiir die Versuche mit Bleomycin verwendeten wir C 57 B1 6 M~iuse mit EL 4 Tumoren (Institut fiir Med. Mikrobiologie, Univ. Mainz, Deutschland). Nach Passage in Ascites-Form wurden 1.107 Zellen in die rechte Hinterpfote injiziert.

Trotz aller Vorsichtsmagnahmen ist bei intratumoraler Injektion die Zuverlgssigkeit der Injektion geringer als bei einer i.v. Injektion. W~ihrend sich der Ort der Injektion (Tumor-Peripherie oder -Mitte) nicht immer kontrollieren liel3, waren Abweichungen bei der Injektions-Menge durch die in-vivo-Mes- sung der Radioaktivitgt sofort nach der Injektion leicht feststellbar.

Radioaktive Substanzen

[~tJ]-Jod-Chlorambucil wurde durch Reaktion von 4-[Bis(2-chlor/ithyl)amino]-benzolbutters/iure mit '31J-Jodid in Oleum (20% SO3) bei Raumtemperatur erhalten (Jarman et al., 1974). Mit diesem Verfah- ren erreicht man eine Markierung am Benzolring.[~TCo]-Bleomycin wurde aus Bleomycin und 57COC12 hergestellt (Krohn et al., 1977; Bier et al., 1979).

Die Synthese yon CH 3 . /

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Die radiochemische Reinheit der radioaktiven Substanzen wurde durch Diinnschicht-Chromato- graphie mit anschlieBender Direkt-Messung mit dem ,Dfinnschicht-Scanner" (Fa. Berthold, 7547 Wildbad, Deutschland) kontrolliert (Simon et al., 1974).

Herstellung yon L6sungen

Ffir die Injektion in L6sung wurden die Substanzen in Propylenglykol (Rc-Hydrazon, Rc-Phenylpro- penon) bzw. physiologischer KochsalzlOsung (Chlorambucil, Bleomycin) gel6st.

Die Injektions-Volumina betrugen 50-100 gl.

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Cytostatika-Konzentrationen in Organen und Tumoren 149

Messung der Ausscheidung und Organ-Affinitgit

Die Verfahren sind bereits ausffihrlich beschrieben (Wenzel et al., 1977a, b; Taylor u. Wenzel, 1978), sie werden daher nut kurz skizziert:

Der Gehalt der M/iuse an den y-Strahlern J~ ]J~J und 57Co konnte in vivo durch Ganzk6rper- Messung in dem Bohrloch eines 3' • 3' grol3en NaJ-Kristalls bestimmt werden.

Die Radioaktivit~its-Messung der den get6teten Tieren entnommenen und gewogenen Organe er- folgte in einem ~-Probenwechsler (Fa. Berthold, 7547 Wildbad, Deutschland). Beide Mel3gerhte wurden mit bekannten Radioaktivit~its-Mengen geeicht,

Alle Radioaktivit/its-Messungen sind von dem verwendeten Rechenprogramm entsprechend der Halbwertszeit der Radioisotope korrigiert worden.

Die Organ-Konzentration wurde berechnet als Prozent der injizierten Dosis in der Gewebemenge, die I ~ des K6rpergewichtes entspricht (~o Dosis/~ KG). Mit dieser Gr613e k6nnen auch bei verschieden grol3en Tieren die Organ-Konzentrationen verglichen werden, was bei der oft gebrauchlichen Dimen- sion (~o der inj. Dosis/g Gewebe) nicht der Fall ist.

Ergebnisse

Auswahl der cytostatischen Verbindungen

Die untersuchten Cytostatika wurden auf Grund ihrer hydrophilen bzw. lipophilen Eigenschaften ausgew~ihlt und der M6glichkeit, sie auf einfache Weise mit 7-Strah- lern zu markieren. Vergleiche das Formelschema.

Ausgangs-Substanz

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M. Wenzel et al.

Abb. 1. Vergleich der Exkretion von Ruthenocenal- dehyd-Hydrazon nach i.v.- und i.t.-Injektion. Mit l~ markiertes Hydrazon wurde Gruppen von je 7 M~iusen in einer Dosis yon 0,8 pMol/kg (0,t gCi l~ i.v. und i.t. injiziert. L6sungsmitteh Propylenglykol. Zu den angegebenen Zeitpunkten wurde die Radioaktivit~it der Tiere gemessen und auf die Radioaktivit~it zur Zeit 0 (=100%) bezogen. ~Z+~ (n=7); Signifikanz des Unterschiedes i.v./i.t.: pN0,05; f~ir ~=24 und 48 h

Die untersuchten Verbindungen umfassen 2 hydrophile, in der Klinik verwen- dete Cytostatika: Chlorambucil (Substitution am Benzolring mit ,3q) und Bleomycin (Markierung mit 57Co).

AuBerdem wurden 2 lipophile Modell-Substanzen ausgew~hlt, die auf Grund ihrer Metallocen-Struktur sich leicht mit ~~ markieren lassen: Ruthenocenaldehyd-Hydrazon des N-Methyl-N-/~-chlor~ithyl-hydrazins und Ruthenocenyl-3-phenyl-propen- 1-on-3.

Vom 57Co markierten Bleomycin (Kono et al., 1977) und yon l~ markierten Ruthenocen-Derivaten (Wenzel et al., 1977 a; Taylor u. Wenzel, 1978) ist bekannt, dab das Radio-Nuklid vom Grundmolekfil in vivo nicht abgetrennt wurde. Die Konzentration des jeweiligen ?-Strahlers im Gewebe ist demnach ein MaB fiir die Konzentration des Cytostatikums bzw. dessen Metaboliten.

Mit dem ~31j markierten Chlorambucil wurden entsprechende Stoffwechsel-Studien bisher nicht durchgeffihrt. Jedoch zeigten Versuche zur Organ-Verteilung bis zu 24 Std nach Injektion fast keine Ra- dioaktivitfit in der Schilddrfise der Versuchstiere, was gegen eine rasche Abspaltung yon Jodid spricht.

EinfluJ3 der Applikations-Art auf die Exkretion

Mit den oben beschriebenen Cytostatika wurde die Exkretion bei M~iusen bei un- terschiedlicher Applikations-Weise untersucht. Abbildung 1 vergleicht das Aus- scheidungsverhalten nach intratumoraler Injektion und nach i.v.-Injektion beim Ruthenocenaldehyd-Hydrazon. Danach ist bei intratumoraler Gabe des Cytosta- tikums die Ausscheidung deutlich verz6gert.

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152 M. Wenzel et al.

Der EinfluB der unterschiedlichen Injektions-Arten auf die Exkretion war bei den anderen Cytostatika fihnlich.

Organ- Verteilung

Die Organ-Verteilung der untersuchten Cytostatika 6 Std nach i.v. bzw. intratu- rnoraler Injektion ist in Tabelle 1 dargestellt. Da die Cytostatika verschiedenen Verbindungsklassen angeh6ren und sich in ihrer Wasser-L6slichkeit stark unter- scheiden (vergleiche den Verteilungskoeffizent im Schema), ist die unterschiedliche Organ-Verteilung nicht verwunderlich.

Nach i.v. Gabe von Chlorambucil und yon Ruthenocenphenylpropenon ent- h/ilt die Leber die h6chste Organ-Konzentration. Bleomycin reichert sich am st/irk- sten in der Niere an. Die h6chste hier erhaltene Radioaktivitfits-Konzentration in einem Organ wird mit Ruthenocenaldehyd-Hydrazon in der Lunge (6,3~ der inj. Dos is / l~ K6rpergewicht) erreicht. Diese selektive Lungen-Affinit/it mit Aktivi- t~ts-Quotienten Lunge/Muskel bis zu 500:1 wird an anderer Stelle n~iher beschrie- ben (Wenzel et al., 1979).

Das h6chste Konzentrations-VerhNtnis Tumor/Muskel nach i.v. Injektion er- h/ilt man mit Bleomycin (Quotient 19:1); dieser Quotient entspricht den Angaben der Literatur (Krohn et al., 1977; Kono et al., 1977).

Nach intratumoraler Injektion ist - trotz der unterschiedlichen Organ-Vertei- lung - bei allen Substanzen die Konzentration im Tumor (nach 6 Std) immer noch signifikant h6her als nach i.v.-Gabe; entsprechend hoch liegen die Quotienten der Radioaktivitfits-Konzentrationen Tumor/Muskel. Sie unterscheiden sich bei allen 4 untersuchten Substanzen yon den nach i.v.-Injektion gefundenen Quotienten mit einer Signifikanz-Schranke yon p ____ 0,05.

Dieser Unterschied ist 6 Std nach intratumoraler Injektion bei den Metallocen-Deri~zaten erkl~ir- bar, da diese lipophilen Substanzen relativ schlecht wasserl6slich sind und somit vom Blutstrom schwerer abtransportiert werden. Entsprechend muB das hydrophile Bleomycin schneller yon der Injek- tionsstelle abtransportiert werden; der Unterschied der Tumor-Konzentration nach i.v.- bzw. i.t.-Gabe ist auch entsprechend geringer.

Angesichts dieser Befunde war die Frage nach der Zeitabhiingigkeit der Organ- bzw. Tumor-Affinit~it nach intratumoraler Injektion yon besonderem Interesse. Als Beispiele werden die Verh~iltnisse beim hydrophilen Bleomycin (Vergleich der Tumor- und Nieren-Konzentration in Abb. 2) und beim lipophilen Ruthe- nocenaldehyd-Hydrazon (Abb. 3) dargestellt.

Danach ist sowohl beim Bleomycin als auch beim Ruthenocenaldehyd-Hydra- zon noch 24 Std nach intratumoraler Injektion die Tumor-Konzentration h6her als nach i.v.-Injektion. Beim Hydrazon bleibt dieser Unterschied fiber 48 h erhalten. Andererseits ist die Konzentration in den anderen Organen nach intratumoraler Gabe im Vergleich zur i.v.-Injektion erniedrigt, was sich beim Bleomycin in der Niere zeigt (Ab. 2). In noch stfirkerem Ausmal3 tritt dieser Effekt beim Ruthenoce- naldehyd-Hydrazon in der Lunge auf (Abb. 3). Die gleiche Tendenz 1/iBt sich aus der verminderten Radioaktivithts-Konzentration im Muskelgewebe nach intratu- moraler Injektion ableiten (siehe Tabelle 1).

Da bei der Chemotherapie die Cytostatika-Konzentration nicht nur im Tumor- gebiet, sondern auch in den region/iren Lymphknoten von Interesse ist, wurden

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Abb. 2, Zeitabh~ingigkeit der Bleomycin- Konzentration in Tumor und Niere nach i.v.- und i.t.-Injektion. Dosis: 0,01 gMol/ kg (0,2~Ci 57Co/Tier); x+G (n=7). Signifikanz der Untersclaiede i.v./i.t.: p<0,01. Die Unterschiede der Nieren- Werte nach l Std sind nicht signifikant

beim 57Co markierten N e o m y c i n die Radioaktivitfits-Konzentrationen in den ent- sprechenden Lymphknoten gemessen.

Bei dieser Versuchsserie war den Tieren der EL4-Tumor in den FuB transplantiert worden. Da- durch liegen sich die ipsolateralen und contralateralen region/iren Lmyphknoten gut pr/iparieren.

Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind in Abb. 4 dargestellt. W/ihrend bei den contralateralen Lymphknoten sich nach i.t.-Injektion - entsprechend den Er- gebnissen bei den fibrigen Organen - eine verminderte Cytostatika-Konzentration im Vergleich zur i.v.-Injektion zeigt, ist das Bild bei den Lymphknoten im AbfluB- bereich des Tumors nicht einheitlich.

Vergleich der Fliichen unter den Konz./Zeit-Kurven

U m trotz unterschiedlicher Ausscheidung und Organ-Verteilung den EinfluB der verschiedenen Applikations-Arten auf die Cytostatika-Konzentration im Tumor-

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Abb. 3. Zeitabh~ingigkeit der Rutheno- cenaldehyd-Hydrazon-Konzentration in Tumor und Lunge nach i.v.- und i.t.-Injektion. Dosis: 0,8 gMol/kg (0,1 gCi l~ )z+a (n=5). Signifikanz der Unterschiede i.v./i.t.: p < 0,025. Die Unterschiede der Lungen-Werte nach 24 Std sind nicht signifikant

Gebiet bei den 4 verschiedenen Verbindungen vergleichen zu k6nnen, wurde bei den verschiedenen Konzentrations-Zeitkurven der F1/icheninhalt unter der Kurve integriert. Man erh/ilt damit Aussagen fiber das Verhfiltnis der Dosen, die dem Ge- saint-Tier bzw. den einzelnen Organen in der betreffenden Zeitperiode zur Verffi- gung stehen. Diese durch Integration 1 (yon 1-24 Std) erhaltenen Resultate sind in Tabelle 2 zusammengefaBt. Danach enth/ilt das Tumorgebiet nach einmaliger in- tratumoraler Injektion - je nach Substanz - eine 10--20 real h6here Dosis als nach i.v.-Injektion. Beim Ruthenocenaldehyd-Hydrazon ist die Tumor-Dosis nach in- tratumoraler Injektion sogar 80 mal h6her als nach i.v.-Injektion. In Leber, Lunge und Niere ist die Wirkstoff-Dosis nach intratumoraler Injektion im Vergleich zur i.v.-Applikation bei allen Verbindungen mehr oder weniger vermindert.

Diskussion

Die Arbeit bestfitigt die Tumor-Affinitfit yon sTCo-Bleomycin (Krohn et al., 1977; Kono et al., 1977) sowie - wenn auch in geringem AusmaB - von l~ cen-phenylpropenon (Wenzel, 1978).

1 Fiir alle Integrationen wurde abweichend yon Abb. 1-3 ftir die Radioaktivit~its-Konzentration (Ordinate) ein linearer MaBstab gew~ihlt

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Cytostatika-Konzentrationen in Organen und Tumoren 155

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Tabelle 2. Vergleich der verftigbaren Wirkstoff-Dosis bei verschiedenen Applikations-Wegen. Die Konz./Zeit-Kurven fiir die Cytostat ika-Konzentrat ion im Gesamttier (Ordinate: % inj. Dosis) und in den verschiedenen Organen (Ordinate: % inj. Dosis/% K6rpergewicht) wurden ftir die angegebene Zeitperiode integriert. Alle anderen Daten wie in Tabelle 1. F = F a k t o r e n bezogen auf das Integral i. v.

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Integral der Konz./Zeit-Kurven [(% Dosis/% K6rpergewicht). hi

Tumor Leber Lunge Niere

Chlorambucil 1 2 4 F F F F i.v. 482 1,3 1 10,6 1 1,7 1 7,9 1 i.t. 815 15,7 12 8,5 0,8 1,3 0,8 5,8 0,7 Bleomycin : 1-24 i.v. 461 6,3 1 2,9 1 1,1 1 17,5 I i.t. 488 54 8,6 1,5 0,5 0,5 0,4 9,1 0,5

Rc-Hydrazon: 2-24 i.v. 862 1,2 1 24 1 128 1 33 1 i.t. 881 96 80 21 0,9 82 0,6 33 1

Rc-Phenylprop.: 2-24 i.v. 1565 8,6 1 114 1 29 1 ~ 1,2 1 i.t . 1883 181 21 16 0,t 3,5 0,1 3,4 0,3

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Obwohl die hier untersuchten Verbindungen sehr unterschiedlichen Substanz- Klassen angeh6ren, erh~ilt man in bezug auf die Auswirkungen yon i.v.- bzw. i.t.-Injektionen ein einheitliches Ergebnis:

Die intraturnorale Injektion f f ihr t - fiber einen lfingeren Zeitraum - zu einer we- sentlich erh6hten Wirkstoff-Konzentration im Tumor und bei gleichzeitiger Re- duktion der Cytostat ika-Konzentrat ion in den iibrigen Organen im Vergleich zur i.v.-Injektion. Vergleich Abb. 2 und 3 und die 1)bersicht in Tabelle 2. Dabei mug often bleiben, ob die erh6hte Cytostat ika-Konzentrat ion nur an der Injektions- Stelle vorhanden ist oder ob das Cytostat ikum sich langsam im gesamten Tumor- gebiet verteilt.

Die erh6hte Wirkstoff-Konzentration im Tumor erklfirt die verstfirkte Hem- mung des Tumor-Wachstums nach intratumoraler Injektion yon Cytostatika (Bast et al., 1976). Die korrespondierende Konzentrations-Erniedrigung in den fibrigen Organen scheint ebenfalls von nicht geringer praktischer Bedeutung fiir eine Cyto- statika-Therapie. Sie ffihrt naturgemfil3 zu reduzierter Toxizit~it in Leber, Milz, Dtinndarrn, Niere, Knochenmark usw. bei einer bestimrnten Cytostatika-Dosis im Vergleich zur i.v.-Injektion.

Aus diesen Untersuchungen kann man ffir die Chemotherapie solider Tumoren in der Klinik die Konsequenz ableiten, die verwendeten Cytostatika ebenfalls in- t ratumoral zu injizieren (Fettig et al., 1971).

Jedoch gilt diese Uberlegung nur fiir Substanzen, die ihre cytostatische Wir- kung direkt ausiiben. Substanzen, die erst in der Leber zu dem wirksamen Agens aktiviert werden miissen, wfiren bei intratumoraler Injektion wirkungslos.

Die m6glichen Vorteile einer intratumoralen Injektion mfissen allerdings gegen die erh6hten Gefahren einer h~irnatogenen oder lyrnphogenen Metastasierung ab- gewogen werden, da der durch die Injektion erh6hte Binnendruck im Tumor even- tuell ein Ausschwemmen von Tumorzellen begiinstigt. Die bisherigen Ergebnisse (vgl. Abb. 4) lassen keinen eindeutigen SchluB darfiber zu, ob diese m6glichen Ge- fahren der intraturnoralen Injektion durch eine erh6hte Cytostat ika-Konzentra- tion in den region~iren Lymphknoten kompensiert werden.

Weitere Versuche zu diesem Therna - in Sonderheit zur Technik der intratumo- raler Injektion - sind daher noch erforderlich.

Danksagung. Wir danken Herrn Kamann, Frau Briiggener und Frau Scholl fiir fleil3ige Mitarbeit bei den Experimenten und dem Bundes-Ministerium f'tir Forschung und Technologie ffir finanzielle F6rderung.

Literatur

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Cytostatika-Konzentrationen in Organen und Tumoren 157

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Eingegangen 25. September 1978/Angenommen am 31. Juli 1979


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