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Page 1: Die chemischen Veränderungen des Roggens und Weizens beim Schimmeln und Auswachsen

550 IL S c h e r p e , Veriinderungen des Roggens u. Weizens. [Zeil'sehr. f Untersnclmng [_d. l g a h r . - 1.1. G e m l s s m l t t e l .

Es er t tb r ig t nur noeh, die Ges t a l tung des E m b r y o s zu un te r suehen . Aueh an

d iesem lassen sich cha rak t e r i s t i s ehe Un te r seh i ede e rkennen . Der Ke im dcs

Bourbonkaf fees (Fig. 34, V, C) ist ~tusserlich dem des a r a b i s c he n Kaffces sehr

~ihnlich, das k e u l i g v e r l a u f e n d c W a r z e l c h e n tri~gt zwci herzfSrmige , fest anein-

a n d e r sch l i e ssende Ko ty l edonen . Bci Coffea a r a b i c a bes i t zen d ie le tz te ren einen

s t a r k e n Mittel- u n d zwci schwlichere Se i t enne rven ; ich habe mich in n c u e r l i c h e r

U n t e r s u c h u n g d a v o n f iberzcugt , dass d iescs V e r h a l t e n das n o r m a l e ist ; in d iesem

Sinne ist d a h e r die A n g a b e in m c i n e r , ,En twick lungsgesch ich te d c r Fr f ich te und

des Samens des a r ab i s chen Kaffecs"~) zu be r ich t igen . Beim Bourbonkaf fce da-

g e g e n zwc igen yon dem Mi t te lnerv sehr za r te N e b e n n e r v e n ab, so dass d ie f ieder-

nc rv ige B i ldung deu t l i ch a u s g c s p r o c h e n ist. Am k l a r s t e n k a n n man dicses an

Qucrschn i t t cn dc r K o t y l c d o n e n beobach ten . F ig . 34, V, A zcigt den K o t y l e d o n a r -

que r schn i t t an Coffea a r a b i c a ; g i s t de r Mit te lnerv , g~ dc r nu r um wen iges

schw~tchere Se i t enne rv ; in B, dem Querschn i t t de r K o t y l e d o n c n yon Bourbon-

kaffce, schen wir nu r den Mi t t e lne rv s t a rk en twicke l t , d ie Se i t enne rven d a g e g e n

sehwaeh angedeu te t . Sehr seh(Sn k a n n die N e r v a t u r an mi t J o d b e h a n d e l t e n

O b j e k t e n gesehen werden . Der Ke im VOlU Bourbonkaf fee ist sehr re ich an

St~irke, und an den in J o d ge t auch t en K o t y l e d o n e n t re ten im d u n k l e n Blat t -

g e w e b e d ic he l l en N c r v e n deu t l i eh hervor .

Aus dem Mitge the i l ten dt i r f te e rs ieh t l ieh sein, dass de r Bourbonkaf fee

n iemals be ru fen sein wird , als Ersa tz des a r ab i sehen Kaffee ' s d ienen zu k6nnen ,

es w~ire denn, dass er in be t r t i ge r i sche r Abs ieh t v e r w e n d e t wird. Wie F r o e h n e r

mi t the i l t , haben F r a p p i e r und L e H 6 r y e ine K r e u z u n g zwisehen Coffea a r a b i e a L.

und Coffea m a u r i t i a n a Lain. beobaeh te t , de reu Same dem des e rs te ren ent-

sp reehen soll. W a s au f J a v a als Coffea m a u r i t i a n a k u l t i v i r t wird, seheiut n u r

eine Sp ie la r t d e r Coffea a r a b i e a zu sein.

Die chemischen Veriinderungen des Roggens und Weizens beim Schimmeln und Auswachsen.

Won

])r. R. Sche rpe .

3 i i t the i lu l~g aus dcm c h e m i s c h c n Lab( ) r ; t to r ium des K a i s c r l i c h e n G e s u n d h e i t s a m t c s .

Das S e h i m m e l n ~) und das A u s w a c h s e n s ind b e k a n n t l i c h die gewOhn-

l ichen Ar ten des V e r d e r b e n s yon Ge t re ide ; ers teres kanu bci f ch le rha f t e r Aufbe -

w a h r u n g e in t re ten , l e tz te res wi rd d u t c h ungt ins t ige E r u t e w i t t e r u n g he rvorge ru fen .

1) Zeitschr. Nahrungsnl.-Untcr~uc|mng, Ilygicnc, Waarenk. lS95, 9, 293--298, 309--311 und 325--3'-)8.

:) d. h. die Eutwickhmg yon Penicillinm glaucum. Gewbhnlich werden diescn Pilz andere Parasiten auf dem Getreide bcgleilen, (lie sich jedoch weniger attsbreiten uls dcr erstere und auf dic r Umwandluugen im Korn nur einen ianbcdcutenden Einfluss ausiiben werden.

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Jahrgangjuli. 1899" l l~. Scherpe, Yeranderungen des Roggens u. Weizens. 551

Die bisher ausgeitihrten Untersuchungen tiber die Veranderungen, welche Roggen und Weizen beim Schimmeln und Auswaehsen erfahren, erstreeken sich nur auf die Umwandlung einzelner Bestandtileile; sic betreffen z. B. den Am- moniakgehalt , den Gehalt an wasserl0slichen Kohlenhydraten, die Siturebildung, Eine eingehendere Behandlung der bezeichneten Frage erseheint indessen aus dem Grunde nicht tibertitissig, wcil das Vcrsci~immeln und Auswaehsen, wie vorauszusehen, einen Verlust an wesentlichen Bestandtheilen herbeiffihren, dessen Kenntniss namentlich dann wichtig erseheint, wenn das vom Schimmel befallene oder ausgewachsene Getreide noeh als mensehlichcs Nahrungsmittel oder Vieh- futter verwendbar gemaeht werden kann, was bei geeigneter Behandlung (Trocknen oder DSrren bei verschimmeltem Getreide) oft gelingt.

Die Untersnehungen lassen sich noch in anderer Hinsicht verwerthen. Zur Priifung der Mehle auf Gebrauchsfahigkei t (Backfithigkeit) sind neben dem als sieherstcs Verfahrcn geltenden Backversueh aueh rein chemische Verfahren zur Anwcndung gelangt, welche darauf beruhen, dass eine Verminderung der Baekf}thigkeit gewOhnlich yon chemisehen Umwandlungen im Mehl begleitet ist. Da indesscn die Zuverliissigkeit dieser chemischen Untersuehungsverfahren (Be- s t immung der Acidit,'tt, des Ammoniakgebaltcs) noch nicht als erwiesen geltcn kann, so "bietet sich als wcitere Aufgabe, eine systematisch an mchreren Roggen-

�9 und Weizensorten durehgeftihrte Untersuchung tiber die Beziehungen zwischen dem Grade des Verderbens (Schimmelns und Auswachsens) und den hierdurch hervorgerufenen chemischen Umwandlungsvorg}ingen anzustellen.

Es ist daher versucht wordcn, an einer Anzahl Roggen- und Weizensorten und zwar an

Norddeutschem Roggen aus Wriezen a. O., mit dem Stickstoffgehalt 1,369 ~ Amerikanischem Stidrussischem

Weissem norddcutschem (rheinisehem)Weizen - Sttdrussisehem Argentinisehem

die nachstehcnden Aufgaben zu 15sen:

1,ss5 % 2,174% 1,svo % 2,20s % 2,264 ~

1. Den beim Schimmeln und Auswaehscn yon Roggen und Weizen ein- tretenden Stoffverlust fiberhaupt, sowie den Verlust an N~thrstoffen zu ermitteln. Bei dieser Untersuehung ist sehwi~eheres und st~trkeres Verderben in Betracht zu ziehen.

2. Die im Roggen und Weizen bei schwachem und bei st~trkerem Sehimmeln, sowie bei sehwachem und st~trkerem Auswachsen stattfindenden chemisehen Umwandlungen m6glichst vielseitig an mehreren Sorten zu untersuchen, ins- besondere festzustellen, welehe Bestandtheile bezw. ehemische Konstanten auch bei sehwaehem Verderben sich in erheblichem Grade ver~ndern.

Eine ausftihrliche Darstellung der Versuche wird demn~ehst in den ,,Ar- beiten aus dem Kaiserliehen Gesundheitsamt" verSffentlicht werden. Einzcl- heiten in Betreff Methodik, die Zahlcnergebnisse nebst deren Bespreehung sind

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552 R. Scherpe, Ve~nderungen des Roggens u. Weizens. [Zoltsehr. f. lhltersuchuug , k d . N a h r . - u . Genussmitte l .

dort naehzulesen, wahrend hier nur kurze Angaben fiber die Art der Unter- suchung und die wesentlichen Ergebnisse gemaeht werden sollcn.

Bei der Aufstellung des Versuchsplanes sind die in neuester Zeit yon J. K 6 n i g t) und E. S c h u l z e -~) gemaehten Vorsehlage zur Verbesserung der Untersuehungsmethoden fttr pflanzliehe Nahrungs- und Futtermittel berfiek- siehtigt worden; es sei besonders bemerkt , dass aueh die Bestimmung der Pento- sane, welehe man, den Ausfiihrungen yon J. K 6 n i g folgend, jetzt wohl als wesentliche Bestandtheile pflanzlicher Nahrungsmittel ansehen kann, in die analytisehen Untersuehungen mit aufgenommen worden ist.

Die Untersuchungen fiber den Substanzver]ust beim Schimmeln und Aus- waehsen wurden in der Weise gefahrt , dass

1. die Ver~tnderungen des Gewichtes der Trockensubstanz, o. die Gewiehtsveranderungen der wesentlichen Bestandtheile:

a) des Stickstoffs, b ) d e r St~irke nebst den wasserlOs]ichen Kohlen-

hydra ten (diastase-16sliche Kohlenhydrate) , c) der Pentosane, d) des Zellstoffs, e) des Fettes und der Aetherextraktivstoffe

festgestellt wurden.

Die Untersuehungen fiber die ehemisehen Umwandlungen erstreekten sich auf

a) die Aciditat, b) das Ammoniak, e) die wasser]6sliche Substanz, deren Stiekstoff- und Aschengehalt , d) die wasserl6sliehen Kohlenhydrate,

e) den Rein-Protein-Stiekstoff, f) Fett und Aetherextrakt . Soweit angangig, sind bei den analytischen Best immungen, die in den

, ,Vereinbarungen zur einheitliehen Untersuehung yon Nahrungs- und Genuss- mitteln" angegebenen al lgemeinen Untersuchimgsverfahren zur Anwendung ge- kommen; in mehreren Fallen mussten jedoeh, der Natur des Untersuchungs- stoffes zufo]ge, die zweckmassigsten Verfahren erst festgestellt werden.

Untersuchungsverfahren.

A. Untersuehungen iiber den Stoffverlust .

1. B e s t i m m u n g d e r S t a r k e . - - Entspreehend denl Vorsehlage yon E. S ch ul z e 3), welcher in den yon Wi le y*) und seinen Mitarbeitcrn ausgeffihrten zahlreichen vergleiehenden Untersuehungen der Starkebest immungsverfahren eine Stfitze gefunden hat, wurde die St~rke mittels Diastase (Dyastase-Glycerin) aufgesehlossen und nach Ucberffihrung in Glukose gewichtsanalytisch bestimmt.

~) J. K6nig: Die Notln~endigkeit derUmgestaltung der jetzigen Fuller-und Nahrungs- mittelanalyse. Landw. Ver6.-St'm 1897. 48, 81.

'2) E. Sehulze, Die Umgestaltung der Futter- und Nahrungsnfittehnlalyse. Ebenda 1898, 49, 419.

3) I. e. S. 434. 4) W. \Viley and W. Krug, Comparison of t.he st'mdard methods for the e~timation

of starch. -- Jaurn. Amerie. Chem. Soe. 1898, 20, 253.

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,~'ahrgang 1899.'] [~. Scherpe , Ver/~nderungea des Roggens u. Wcizens. 553 ,Tuli. .J

2. Die P e n t o s a n e wurden nach dem Verfahren yon T o l l c n s t) un ter A n w e n d u n g yon Phloroglucin,

3. der Zellstoff nach dem yon J. K S n i g :) angegebenen Verfahren (Er-

hitzen mit schwefels~turehaltigem Glycerin) bestimmt.

B. Untersuehungen fiber die ehemisehen Umwandlungen.

1. Die Bcs t immung der Acidit=At wurde nach dem yon P r i o r ftir Bier- un tc r suchungen a nge ge bc nc n Ver fahrcn 3) ausgcffihrt.

2. Zur Bes t immung der w a s s e r l 6 s l i c h e n S u b s t a n z wurde das ge- mahlcne Korn li~ngere Zeit mit eiskaltein Wasscr behandel t , die Fliissigkeit

filtrirt und ein al iquoter Theil der L6sung zur Bes t immung der G e s a m m t - m c n g e d e r w a s s e r l S s l i c h e n S u b s t a n z , des S t i c k s t o f f g e h a l t e s und der A s c h e verwendet .

3. Um die w a s s e r l 0 s l i c h e n K o h l e n h y d r a t e zu best immen, wurde ein al iquoter Theil des wie angegeben berei teten Auszuges mit Salzs/~ure erhitzt,

wobei die in L6sung befindlichen Koh lenhydra t e in Monosacchar ide t ibergingen. Lctz tere wurdcn dann gewichtsanaly t i sch best immt und nach der Tabel le yon W e i n als St/trkc berechnet .

4. Zur Bes t immung des R e i n - P r o t e i n - S t i c k s t o f f s wurde das Verfahren yon A. S t u t z e r 4) angewendet . - - Es ergab sich aus einer Reihe yon Vorver-

suchen, dass es, um t ibereinst immende Werthe zu erhal ten, no thwendig war,

die F~l lung mittels K u p f e r h y d r o x y d (nach vorher igem Zusatz yon A laun , um die Phosphors~ure unschadl ich zu machen) in v611ig neut ra ler L6sung und jedes

Mal mit genau der gleichen Menge vorzunehmcn. Bei Anwendung" eines Ueber- schusses yon K u p f e r h y d r o x y d fallen die Wer the ffir Rein-ProteYn-Stickstoff zu hoch aus, was wahrscheinl ich dadurch veranlass t wird, dass gewisse, nicht den

wahren Protc'/nstoffen angeh6rcnde Bestandtheile, wie die Albumosen (und Pep- tone?), durch fiberschiissiges K u p f e r h y d r o x y d z. Th. gefi~llt werdenS). Fo lgendc

Zahlen lassen erkennen, wie der Wer th fiir den Rcin-ProteYn-Stickstoff yon dcr

Menge des zur Fti l lung ve rwendc ten K u p f e r h y d r o x y d s abhangt .

l~ein-P rote~n-Stickstoff mIt 0~35 g Kupfer- mt t e iner grSsseren

Menge Kupfer- hydroxyd gef'~llt hydroxyd gefallt

Norddeutscher Roggen, verschimmelt , 1. Stadium 1,152 (~/o, 1,184 ~ , 1,388 % Stidrussischer ausgewachsen, - 1,668 - 1,667 - 2,199 -

1) Zeit.schr. angew. Chem. 1896, 41. ~) Diese Zeitschrift 1898, 1, 3. �9 ~) Bayr. Braueljourmd 1892, 387. 4) j. K5 nig, Chemic tier menschl. N~hrungs- und Genussmittel, 3. Aufl., Berlin, J ul i u s

Spr inger , 1893, 2, 15. ~) Vergl. E. Weiske, Landw. Vcrs.-Stat. 1886, 83, 147; L a s z c z y n s k i , Zeitschr. ges.

Br'mwes(,n ]899, 22, 123.

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554 R. Scherpe, Verfinderungen des Roggens u. Weizens. [-Zeltschr. f. Untersuchung [d. b:ahr.- u. Oenus smi t t e l .

B e r e i t u n g des U n t e r s u c h u n g s m & t e r l a l s .

Die Bereitung des v e r s e h i m m el t en Getreides gesehah in der Weise, dass

alas Getreide (4 kg), welches sieh in einer hSlzernen, kubisehen, zu 2/3 gefttllten

Kiste befand, naeh Einsaat yon Schimmelsporen (yon Penieillium glaucum) in einem m~issig feuchten Zustande erhalten wurde, indem zugleieh dureh h~tufiges

Misehen fiir geniigende Luftzufuhr gesorgt wurde. Eine zu starke Benetzung des Getreides musste sorgf~tltig vermieden werden, da anderenfalls leicht die Entwieklung anderer Sehimmelpilze (besonders Mucor) und eine sehnell ver- laufende Zerst6rung des Gctreides eintreten konnte. Die ~tusserlieh wahrnehm-

baren VerSnderungen w~hrcnd des Schimmelns wa.ren, in zeitlieher Aufeinander-

~blge: das Auftreten des bckannten mulstrigen Geruehes, wonaeh sich alsbald die Schimmelentwieklung bemerkbar maehte, endlieh eine vorfibergehende

Steigerung der Temperatur, welehe gew6hnlieh 32--34 ~ erreiehte. Diese Beob- aehtungen bereits maehten es wahrseheinlieh, dass im sehimmelnden Getreide

die Athmung sehr gesteigert ist; ferner war anzunehmen, dass in Folge tier

Befeuehtung das diastatisehe Ferment des Getreides in Wirksamkeit u'itt. In

der That liessen aueh die KSrner, namentlieh die aus den minder verdorbenen Proben, einen deutlieh malzartigen Geruch erkennen.

Zur Untersuehung gelangten yon jeder Getreidesorte: eine in geringem Grade versehimmelte Probe, die vor dem Eintreten der starken Temperatur-

steigerung entnommen war; eine stSrker verschimmelte, deren K6rner in Folge starker Athmung vorfibergehend eine Temperatursteigerung bis 30 o und darttber erfahren batten.

Die Proben yon in g e r i n g e m G r a d e v e r s e h i m m e l t e m G e t r c i d e unter- schieden sieh, obwohl auf ihnen im frischen Zustande dcutlieh Schimmel wahr-

gcnommen werdcn konnte, nach dcm Trockncn 5usscrlich yon gesundem Ge-

treide nieht; nur war an ihnen ein sehwaeher, malzartiger Geruch zu bcmcrken.

Aueh gemahlen war solches Getreide, yon dem Geruche abgesehen, yon gleieher Besehaffenheit, wie gcsundes, also augenscheinlich noch als menschliches Nah- rungsmittel verwendbar.

Die Proben yon s t ' , t rker v e r d o r b e n e m G c t r e i d e zeigten gemahlen eine

hellbraunliche Farbe; der Geruch war auch nach dem Trocknen unangenehm.

Bei diesen Probcn war das Verdcrben so welt vorgeschritten, dass nur eine Vcrwendung als Viehfutter mSglieh erschien.

Die Bereitung des a u s g e w a e h s e n e n Getreides wurde in ganz fiachen hSlzernen K~isten vorgenommen und dabei in dcr Wcisc verfahren, dass das

Auswachsen unter den auf dem Felde obwaltenden Vcrh~tltnissen vor sich ging.

Es wurde dahcr ffir mSglichste Durchlfiftung, gleichmSssige Feuchtigkeit und

hinreichcnde Belichtung Sorge getragen, obendrein die Bereitung im Sommer vorgenommen.

Aueh yon dem ausgewaehscnen Getreide wurden je 2 Proben, welchc ver- sehicdene Stadien des Auswaehsens darstellten, untersueht. Die erstc Probe be-

stand aus K~rncrn mit 3--4 mm langem Keim und durehschnittlich 5 mm langen

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J'ahrgangjuli. 1899.] 1{. Scherpe, Verrmderungen des Roggcns u. Weizens. 555

Wurzelfasern, war also etwa von gleicher Beschaffenheit, wie das in geringer Beimischung auch in Handelswaare zul~tssigc ausgewachsene Getreide. Die

zweite Probe bestand aus K6rnern Init 5 mm ]angem Keim und 1--2 cm langcn Wurzelfasern.

Die zur Untersuchung bestimmten Getreideproben wurden an der Luft langere Zeit getrocknet, sodann durch Auslesen yon dcn Verunrcinigungen be- frcit (bei den Versuchen fiber den Substanzverlust musstc auch die Menge der

Vcrunreinigungen bestimmt werden) und mittels einer Handmfihlc yon G r u s o n so rein als mOglich gemahlen, was selbst bci stark versehimmeltem und aus- gewachsenem Getreide ohnc Schwierigkeit gelang.

lErgebnisse. A. Untersuchungen iiber den Substanzverlust und den Verlust an

Nithrstoffen beim Schimmeln und Auswachsen.

1. S u b s t a n z v e r l u s t u n d V e r l u s t an N~ th r s to f f en be im S c h i m m e l n .

Der S u b s t a n z v e r l u s t bei schwachem Vcrschimmeln, welches die Ge- br~tuehsfiihigkcit des Getreidcs und des Mehles noch nicht wcsentlich bcein- trltchtigt, betrltgt wenige Proeente. Im Mindestfalle wurde er zu etwa 3 ~ im H0chstfalle zu 6,6 ~ gcfunden.

Starkes Verschimmeln bedingt cinch bedeutenden Substanzverlust. Die

3 Roggensortcn erlitten bei starkem Verschimmeln unter sonst gleichen Ver- hi~ltnissen einen durchschnittlichen Verlust yon 45 ~ , die 3 Weizcnsorten eincn

Verlust yon 32 ~ , ohne dass hiermit cin v611iges Verderben des Kornes, wo- durch es werthlos geworden ware, verbunden war.

Ein Verlust an d i a s t a s e - 1 6 s l i c h ~ n K o h l e n h y d r a t e n war bei schwach

verschimmeltem Getreide nicht nachzuweisen. Bei starkem Verschimmein cr- leiden allc wesentlichen Bcstandtheile des Getreides in ziemlich gleichem Maasse

Gewichtsverminderung. Nur der Stickstoff und der Zellstoff zcigen ein ab- weichendes Verhalten. Eine verhi~ltnissm~sig grosse Menge S t i c k s t o f f geht

schon bei schwachcm Versehimmeln verloren; ffir Roggen betr~tgt der Verlust

durchschnittlich 6')/o, fttr Weizen, und zwar ftir den stickstoffarmeren nord- deutschen etwa 4~ , ftir die stickstoffreicheren Sorten, sttdrussischen und argen-

tinischen Weizen etwa 0,7 % . Der Verlust stark verSchilnmelten Roggens wurde zu 7--17 O/o , eben solchcn WeizcIlS zu 2 ,5--10% gefunden.

Die Et'kl~trung des Stickstoffverlustes bietet einige Schwierigkeiten. Ob cin nennenswerther Verlust an Stickstoff dureh die Schimmclentwicklung selbst veranlasst werden kann, liisst sich nicht cntscheiden. Theilweise wird dieser

Verlust auf Auswaschung durch das Benetzungswasser, welches vielfach mit

den W~tndcn des h01zcrnen Bchalters ill Beriihrung kommt, in diese eindringt und gewiss oft stickstoffhaltige Bcstandtheile der K0rner mit sich ftihrt, zurttck-

zuffthren sein. Ein Thcil des Stickstoffs wird auch durch Verst~tuben der Schimmelsporcn beim Durchmischen der Gctreidemassen in Verlust gehen.

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556 1~. Scherpe, Ver~inderungen des Roggens u. Weizens. [Zoltsehr. f. Untersnchung Ld. Nahr . - u. G e m t s s m i t t e l .

Unter den gewOhnlichen Verh~tltnissen der Gctreideaufbewahrung dtirfte der Verlust an Stickstoff wcsentlich geringer sein.

Der Z e l l s t o f f erf~thrt eine bedeuteude Vermehrung dutch Anreicherung in Folge Verschwindens von St~trke und Bildung yon Schinlmelmycel, das in

den stark versehimmelten K6rncrn oft ein diehtes, an Zellstoff reiches Ge- flecht bildet.

Das Vcrschimmeln des Getreides l~isst sich mit den gemeinhin ,Verwesung"

genannten Zersetzungsvorgangen vergleichen. Der starke Verlust an Kohlen-

hydratcn, die Erw~irmung, die dunkle Farbe, wie sic dem stark verschimmelten Getreide und dessen w~isserigen Ausztigen eigen ist, lassen sich auch bei der Verwesung pflanzlicher Stoffe beobachten, insbesondere bei der Hulnusbildung, welche sieh ja unter Mitwirkung yon Schimmelpilzen vollzieht.

2. S u b s t a n z v e r l u s t u n d V e r l u s t an N ~ t h r s t o f f e n b e i m A u s w a c h s e n .

Sehwaches Auswachsen des Getreides bis zu einem Grade, dass die KOrner noch als zul~tssige Beimischung zu Handelswaare gelten kOnnen, hat einen

Substanzverlust zur Folge, der beim Roggen 4 - - 5 % , beim Weizen, und zwar dem stickstoffiirmeren norddeutschen etwa 5%, dem stickstoffreieheren stid- russischen und argentinischen etwa 1 o~,: betr~tgt. Der Substanzverlust steigt

bei weitergehendem Auswachsen und wurde ftir stark ausgewaehsenen Roggen

zu 8--12 ~ ffir den stickstoffreicheren sitdrussischen und argentinischen Weizen zu etwa 3 ~ gefunden.

Die Bestandtheile des Getreides crfahren, abgesehen yon dem Zcllstofl, dessert Menge sich um ein Geringes zu vermehren scheint, eine ziemlich gleieh- m~issige Gewichtsverminderung, die nicht ausschlicsslich durch die Athmung

bedingt, sondern theilweise auf Auswaschung durch das Sprengwasscr zurtick- zuftihren sein wird.

Der beobachtete S t i e k s t o f f v e r l u s t betrug ffir schwach ausgewaehsenen Roggen bereits 5,5--9~ ftir stark ausgewachsenen 7 - - 1 0 ~ beim Weizen da- gegen fiel er sehr ungleich aus. Der stickstofi~Armere norddeutsche Weizen

verlor bereits im 1. Stadium des Auswachsens 8 ~ w~ihrend die stickstoffreicheren,

siidrussischen und argentinischen Weizensorten auch bei starkem Auswachsen nur eine geringftigige Einbusse an Stickstoff erlitten (etwa 1"/o).

Der Stiekstoffverlust l~isst sich nur auf Auswaschung zurttckfiihren.

B. Untersuclmngen iiber die clmmisclmn Umwandhmgen des Getreides beim

Schimmeln und Auswachsen.

1. C h e m i s c h e U m w a n d l u n g ' e n b e i m S e h i m n l e l n .

a) Die Acidi t i~t wird in dem Verhi~ltniss, wie sich die Beschaffenheit des Mehles verschlechtert, erhOht und ist bereits bei g'eringem, an ~tusseren Merk-

malen nicht leicht erkennbarem Grade des Verderbens yon derjenigen guten Mehles wescntlich verschieden.

b) Der A m m o n i a k g e h a l t ist erst in stark verschimmeltem Getreide er- heblieh hOher als in gesundem.

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J&hrgangjuli. 1899,] R: Scherpe, VerY~ndcrungen des Roggens u. Weizeus. 557

e) Die Veranderungen im Gehalt an w a s s e r l S s l i c h e n S t o f f e n sind un-

bedeutend. - - Die w a s s e r l 0 s l i e h e S t i e k s t o f f s u b s t a n z vermehrt sieh im Allgemeinen nur beim Weizen. - - Der A s e h e n g e h a l t der wasserlSsliehen

Substanz nimmt nut unwesentlieh zu. d) Der Gehalt art w a s s e r l 0 s l i e h e n K o h l e n h y d r a t e n erhSht sich beim

R o g g e n im erstcn Stadium des Versehimmelns, geht aber spater bedeutend

zuriick, wahrend beim W e i z e n nur eine sehwaehe Zunahme bemerkt wurde. e) Die a u f R e i n - P r o t e ' , ' n e n t f a l l e n d e M e n g e des G e s a m m t s t i c k s t o f f s

vermehrt sich gewOhnlich zunttchst, wohl in Folge yon Assimilation der amid- artigen Stoffe durch das sich entwickelnde Schimmelmyeel, verringert sieh aber

bei starkerem Sehimmeln, was auf Zerfall yon I'rote~nstoffen schliessen lasst. Es erschien mSglieh, dass die Umwandlungen der Stickstoffsubstanz beim

Versehimmeln deutlicher erkennbar wtirden, wenn man die Untersuehungen anstatt am Getreide an einem hieraus hergestellten feineren Mehl ausfiihrte;

nur musste, was bisher nicht sieher festgestellt worden ist, der Rein-ProteYn- gehalt in der Kleie yon dem im Mehl wesentlich versehieden sein. Daher

wurden einige Bestimmungen des Rein-Protei'n-Stickstoffs an Meblen ausgefiihrt,

die beim Sieben des gemahlenen Getreides durch ein 0,5 mm-Drahtsieb crhalten

worden waren und durchschnittlich 75 (~/o des Mahlproduktes ausmachten. -- Es ergab sich, dass letzteres Verfahren gegeniiber der Bestimmung des Rein-Prote~n-

Stickstoffs im Getreide selbst einen Vortheil nieht bietet. f) Der Gehalt an F e t t (dureh Extraktion mittels Petrol~tthers bestimmt)

vermindert sich, in erheblicherem Grade aber erst bci starkerem Vcrschimmeln. Der Gehalt an A e t h e r e x t r a k t nimmt entweder voriibergehend zu und spater

wieder ab, oder vermindert sich yon Anfang an.

2. C h e m i s c h e U m w a n d l u n g e n b e i m A u s w a c h s e n .

a) Die A c i d i t a t erhSht sich stets, besonders stark beim Weizen; doeh ist

die Ursache hierftir wohl weniger in dem Keimungsvorgange selbst, als in der

gleichzeitigen Entwicklung yon Mikroorganismen (Bakterien) zu suehen. Die Stiirke der Aeiditat ware dann wesentlieh dureh die Art und die Entwicklung

der an den KOrnern haftendea Mikroorganismen bedingt, also yon Zufallig-

keiten abhlingig. b) Der A m m o n i a k g e h a l t verandert sich nieht erheblieh. c) Der Gehalt an w a s s e r l S s l i c h e n S t o f f e n nimmt regelmassig zu und

ist bereits in schwach ausgewachsenem Getreide, besonders bei Weizen, yon dem in gesundem erheblieh verschieden. Die w a s s e r l 0 s l i e h e S t i e k s t o f f -

s u b s t a n z erF~thrt nur eine geringe Zunahme; aueh der A s e h e n g e h a l t der

wasserlSslichen Substanz erhSht sieh nur wenig. d) Der Gehalt an w a s s e r l S s l i e h e n K o h l e n h y d r a t e n erhSht sich schon

bei sehwaehem Auswaehsen betrliehtlich; dies gilt besonders fiir Weizen. e) Die a u f R e i n - P r o t e Y n e n t f a l l e n d e M e n g e des G e s a m m t s t i e k -

s to f f s verringert sich beim Roggen, deutlieh allerdings erst bei starkerem Aus-

Page 9: Die chemischen Veränderungen des Roggens und Weizens beim Schimmeln und Auswachsen

rZeitschr. L Untersuchung 558 R. Scherpe, Veffmdorungen des Roggens u. VCeizens. Ld. Nahr.-u. Genussmittel.

wgchsen. Abgcsicbtes Mehl lasst diesc Vcr~tnderung leichter erkennen, auch

dann schon, wenn der Roggen nur schwach ausgcwachsen ist.

Beim Weizen kann eine Wirkung des Auswachsens auf den Gehalt an

Rein-Protcin-Stickstoff nicht immer nachgewicsen wcrden, doch ist es unwahr- scheinlich, dass die Proteinstoffe beim Kcimen des Weizens unver~tndcrt bleibcn.

Vielleicht treten beim Keimcn des Weizens als erste Umwandlungsprodukte proteinShnliche Stoffc auf, wie sie von E. S c h u l z c ~) in Pflanzenstoffen mehr-

fach gefundcn worden sind, und die sich yon den wahren ProteSnstoffen nach

dem S t u t z c r ' s c h e n Verfahrcn nur unvollst~tndig trennen lassen. f) Regclmi/ssigkeitcn in den Vcr~tndcrungen des Fe t tgeha l t c s licsscn sich

nicht auffinden.

C. Die Anwendbarkei t chemischer Verfahren bei der Untersuchung

yon Roggen- und "Weizemnehl auf Verdorbensein.

Zur Priifung des Mehles auf Verdorbensein, sowcit es sich auf Verschimmeln und Auswachsen des Getreidcs zurtickffihrcn l~tsst, wiirden sich nachstehende Bestimmungen eigncn :

1. die Bestimmung der Acid i t~ t t ,

2. die Bestimmung des Gehalts an w a s s c r l 6 s l i c h e r S u b s t a n z , 3. die Bestimmung des Gehalts an w a s s e r l 6 s l i c h e n K o h l e n h y d r a t c n .

Das Verfahren der Acidit~tsbestimmung wird vielleicht bei der Unter-

suchung yon Mehl aus ausgewachsenem Getreide zuwcilen vcrsagcn und mittels der beiden andcrcn Verfahren wird sich allein Mchl yon ausgewachsencm Gctreidc

erkenncn lassen. Dicsc Vorschl~gc k6nnen jedoch nur unter dcr Bedingung Gcltung bean-

spruchen, dass bci ~llen Roggen- und Weizensortcn von gesunder Beschaffcnheit ftir die Aciditi~t, den Gchalt an wasscrl6slichcr Substanz und ~n wasserl6slichen

Kohlcnhydratcn innerhalb cnger Grenzen schwankende Mittelwerthc bestehen, wie sic bei den in dcr vorlicgcnden Arbcit untersuchten Gctreidesortcn gefundcn

worden sind, n~tmlich:

Acidit~tt, als Milchs~ure bercchnet Wasserl6slichc Substanz . . . .

Kohlenhydra tc .

B.oggen ~Veizen auf Trockensubstanz bezogen

0,05--0,07 (}~,~, 0,03-- 0,045 "/,,,

17--21 ~ 10--15 ~

ca. 6,5 ~ 3,0--3,5 %.

Die fibrigcn, bei den vorstehcnden Untersuchungen bcrttcksichtigten

Bestandtheile treten bei den verschiedenen Getreidesorten mit schr schwanken- den Wcrthen auf; ihre quantitative Bestimmung kann dahev eincn Nutzen ffir die Mchlprtifung nicht bictcn.

J) Landw. Vers.-Stat. 1881, 26, 235; vergl, auch Laszczynski , Zeitschr. ges. Brau- wcsen 1899, 22, 123.


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