Die Kraft der frDie Kraft der früühen Bindunghen Bindung
Kinderzentrum
Mönchengladbach
Alexander Trost
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Die Kraft der frDie Kraft der früühen Bindunghen Bindung
• Einführung
• Neurobiologische Grundlagen
• Frühe Interaktion und Regulation
• Bindungstheorie
• Bindung und Trauma
• Prävention & Hilfen
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„„Guter Hoffnung seinGuter Hoffnung sein……....““
• Das Kind „unter dem Herzen“ tragen…
• vs. „Vorsorgekontrollwut“: Angst, Unsicherheit, Stress
• Versorgt werden in Schwangerschaft (Was braucht die Mutter meines Kindes, meine Tochter?)
• Für sich sorgen… (Was mute / traue ich mir zu, was meinem Kind?)
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in Bonney, H.: Kinder und Jugendliche in der familientherapeuti-schen Praxis. Heidelberg (Auer) 2003
Gene sind wichtig: sie bestimmen z.B. wichtige Temperaments-faktoren.
Gene sind aber auch Teil eines Beziehungsganzen: sie werden nach Bedarf
angeschaltet, moduliert, verändert durch psychosoziale Einflüsse
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Theoretischer Bezugsrahmen: Neurobiologie
Die Neurowissenschaften sind derzeit der wichtigste Lieferant für neue Erkenntnisse über die menschliche Psyche, ihre Entwicklungs- und Störungsbedingungen.
Stichworte:
• Hirnentwicklung und Psyche
• Stressreaktionen und der Auf- bzw. Abbau von neuronalen Strukturen
• Die Rolle der Neurotransmitter und Hormone für Gefühlsleben, Wahrnehmung und Motivation
• Die Bedeutung der „Spiegelzellen“ (mirror neurons)
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Neurobiologie: Tor zu integrativem Neurobiologie: Tor zu integrativem Wissen?Wissen?
Insbesondere durch die Fortschritte im Insbesondere durch die Fortschritte im NeuroimagingNeuroimaging (z.B. (z.B. fMRTfMRT) n) näähern wir uns Phhern wir uns Phäänomenen wie nomenen wie
-- Intuition (Bauchgehirn), Intuition (Bauchgehirn), -- Bindung (Hormone und Bindung (Hormone und TransmitterTransmitter), ), -- Resonanz in Beziehungen (Spiegelhormone) oder auch Resonanz in Beziehungen (Spiegelhormone) oder auch -- Meditation (Meditation (γγ--AktivitAktivitäät links frontal)t links frontal) auf neue Weise: auf neue Weise:
„„Altes WissenAltes Wissen““ wird zunehmend auf empirischer Grundlage wird zunehmend auf empirischer Grundlage betbetäätigt. tigt.
Der ewige Der ewige K(r)ampfK(r)ampf zwischen zwischen „„exakter exakter WissenWissen--schaftschaft““ und und AlltagserfahrungenAlltagserfahrungen vieler vieler MenschenMenschen--generationengenerationen kköönnte nnte üüberwunden werden........berwunden werden........
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UrvertrauenUrvertrauen……
…entsteht im Wesentlichen über Lernprozesse
…im Mutterleib: Sinneswahrnehmung, Hormonaustausch, Stress
…in der Frühkindheit: frühe Beziehungsgestaltung, Regulationsprozesse, Bindungsaufbau
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Was ist Lernen?Was ist Lernen?
• Leben heißt Lernen: Lernprozesse sind die Grundlage der menschlichen Entwicklung
• Wir sind unser Gehirn: Lernen ist Gehirnsache!
• Lernprozesse laufen meist unbewusst ab, werden aber auch zielgerichtet induziert: Das Meiste, was wir gelernt haben, wissen wir nicht, aber wir könnnen‘s!
• Lernen ist ein ganzheitliches, systemisches
bio-psycho-soziales Geschehen
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Funktionsprinzipien des Gehirns 1Funktionsprinzipien des Gehirns 1
• Das Prinzip der Entwicklungsfenster: Für bestimmte Funktionen, z. B. die Entwicklung von Sprache gibt es eine besonders sensible Phase während der ersten 3-4 Jahre.(offen für alle 70 Phoneme bis zum 8. Lebenmonat) Bei massiver sprachlicher Deprivation in dieser Zeit ist es für das Kind schwer, die Defizite nachzuholen.
Andere Beispiele: – stereoskopisches Sehen
– Bindungsbeziehungen.
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Funktionsprinzipien des Gehirns 3Funktionsprinzipien des Gehirns 3• Das Hierarchieprinzip: Phylogenetisch ältere
Hirnregionen sind stärker genetisch vorgeformt, entwickeln sich schneller und sind in ihrer Funktion stabiler als jüngere: Atem- und Kreislaufzentrum arbeiten bewusst-seins-unabhängig, wenn es um die Sicherung des Überlebens gilt. Eine Reaktion des später entstandenen limbischen Systems, z.B.: Du bist mir nicht sympathisch („Ich kann Dich nicht riechen!“) kann durch Großhirnaktivität modifiziert werden.
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Funktionsprinzipien des Gehirns 4Funktionsprinzipien des Gehirns 4• Das Hierarchieprinzip: Explizite Fähigkeiten
des Neocortex, also des jüngsten Teils der Großhirnrinde, werden am stärksten durch interaktive Prozesse mit der Außenwelt modifiziert. Dies ist besonders im Hinblick auf die Aufgaben des Frontalhirns von Bedeutung:
Aufmerksamkeit, Motivation, Entscheidungsfähigkeit, Kontrollüberzeugungen, Selbstwirksamkeit.
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Funktionsprinzipien des Gehirns 5Funktionsprinzipien des Gehirns 5
• Das Altersprinzip: Was Hänschen nicht lernt…: Junge Gehirne lernen wesentlich schneller, ältere Menschen dagegen integrieren neues Wissen besser mit ihrer Lebenserfahrung und können es dadurch effektiver nutzen. Die Präfrontalregionder Großhirnrinde übernimmt zunehmend die ausgleichenden Steuerungsfunktionen, die Abhängigkeit von den affektiven Zwängen des limbischen Systems nimmt ab.
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Funktionsprinzipien des Gehirns 6 Funktionsprinzipien des Gehirns 6 • Das Prinzip der nutzungsabhängigen Ausdifferenzierung: Gehirnentwicklung jenseits der groben genetischen Vorgaben vollzieht sich in Abhängigkeit von den Lebenserfahrungen als ein sich selbst organisierender Prozess. Keine andere Spezies verfügt über ein so umweltoffenes und damit auch vulnerables Gehirn wie der Mensch. Während der Hirnreifung wird zunächst ein großer Überschuss an Neuronen und Synapsenproduziert. Nur die Netzwerke, die durch häufige Nutzung (Übung) stabilisiert und verfeinert werden, bleiben.
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Spiegelphänomene…..
• Spiegelphänomene durchziehen die gesamte Biologie, beginnend bei der Erbsubstanz DNA mit ihrer spiegelnd angelegten Doppelstruktur bis hin zu komplexen biologischen Systemen wie dem Menschen.
• Biologisch angelegte Spiegelung scheint das „Gravitationsgesetz lebender Systeme“ und ein „Leitgedanke der Evolution“ zu sein.
• Nicht „survival of the fittest“, sondern „survival of
resonance“ ist der tiefe Sinn der Evolution. (nach J.Bauer)
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Bei Hirnuntersuchungen mit Schweinsaffen (Makakken) stellten die Forscher Vittorio Gallese und Giacomo Rizzolatti (Parma) fest, dass einige Nervenzellen im Stirnhirn nicht nur dann in Erregung gerieten, wenn sie eine bestimmte eigene Tätigkeit ausführten, Die gleichen Nervenzellen feuerten ihre Signale auch, wenn die Affen den Versuchsleiter bei der Ausführung der gleichen Tätigkeiten beobachteten.
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Beim Menschen: Spiegelneurone (im Broca-Zentrum und anderswo) steuern Wahrnehmung und Ausführung von Bewegungen; sie verknüpfen ganz offensichtlich Beobachtungen oder Geräusche mit der eigentlichen Durchführung von Aktionen.
Sie spielen eine große Rolle beim Verstehen - und damit auch beim Erlernen - von Bewegungsabläufen.
Einige Forscher gehen so weit, dass sie das Entstehen von Sprache und menschlicher Kultur auf Spiegelneurone zurück führen.
Spiegelneurone ISpiegelneurone I
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• Spiegelzellen unseres Gehirns versorgen uns mit intuitivem Wissen über die Absichten von Personen, deren Handlungen wir beobachten.
• Sie melden uns, was Menschen in unserer Nähe fühlen, und lassen uns deren Freude oder Schmerz mitempfinden.
• Spiegel-Nervenzellen sind die Grundlage emotionaler Intelligenz. Sie sind die neurobiologische Basis von Empathie, Sympathie und sie verleihen uns die Fähigkeit zu lieben.
• Spiegelungsphänomene sind von zentraler Bedeutung für die Aufnahme und Weitergabe von Wissen, denn sie bilden die neurobiologische Basis für das „Lernen am Modell“. (nach J. Bauer)
Spiegelneurone IISpiegelneurone II
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Funktionsprinzipien des Gehirns 10Funktionsprinzipien des Gehirns 10
Das Belohnungs-System
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DopaminDopamin: Belohnung I : Belohnung I
• Neuronen in Area 10, deren Fasern zum Nucleus Accumbens (ventrales striatum) führen: dort Ausschüttung von Opioiden bis weit in frontalen Cortex
• Subjektiver Belohnungseffekt: Besser-als-erwartet � wird abgespeichert = gelernt!(Unterschied von vorhergesagter und tatsächlicher Belohnung)
• Lernen geschieht bei positiver Erfahrung (v.a. sozial!) und verändert langfristig cortikale Repräsentation (SMS-Daumen!)
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BelohnungssystemBelohnungssystem
• Alle Süchte basieren auf diesem System, auch die Schokoladensucht
• Aber: auch Musik, nette Blicke, Lob aktivieren das Belohnungssystem
• Modulation durch Erfahrung
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Funktionsprinzipien des Gehirns 11Funktionsprinzipien des Gehirns 11
Die Rolle der GefGefüühlehle
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Emotionale Prozesse und Hirnentwicklung: • Hirnforscher wie Manfred SPITZER oder Gerald HÜTHER
betonen immer stärker die psychischen Voraussetzungen für eine adäquate somatische Entwicklung des Gehirns.
• Emotionale Prozesse stellen eine wesentliche Komponente
für die Focussierung von Aufmerksamkeit, Verarbeitungstiefe von Ereignissen, für Lernen und für Motivation dar.
• "Was uns Menschen umtreibt, sind nicht Fakten und Daten,
sondern Gefühle und vor allem andere Menschen". • D.h. Lernen - auch Lernen von Sprache - ist immer
eingebettet in emotionale Bewertung.
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• Sichere emotionale Bindungen sind für Kinder die wichtigste Ressource zur Bewältigung von Unsicherheit, Angst und Stress. Die Ausformung und Stabilisierung sicherer Bindungsmuster hängt davon ab, ob ein Kind die wiederholte Erfahrung machen kann, dass es in der Lage ist, neue Anforderungen, die zu einer Störung seines emotionalen Gleichgewichtes führen, mit der Unterstützung einer primären Bezugsperson bewältigen zu können.
• HÜTHER meint, auf der Grundlage qualifizierter neurobiologischer Studien, dass "Liebe ein Naturgesetz ist und das Gehirn ein Sozialorgan". Das Gehirn ist vom Aufbau her optimiert für „psychosoziale Kompetenz“.
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Amygdalalateraler (ont)+ zentraler (phy) Kern
Thalamus
Hippocampus
Hypothalamus, Striatum, Hirnstamm
Infos aus Umwelt
Infos aus innerem Milieu
Motorische, vegetative, endokrineReaktionen
Präfrontaler Cortex
Gehirn, Gefühle und Lernen (nach Goleman 1995)
Sensorischer Cortex
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AmygdalaAmygdala
• Je nach Affektzustand bleibt Gelerntes an anderen Stellen hängen.
• Amygdala organisiert Flucht oder Erstarrung vorbewusst (Löwe!).
• Orbitofrontaler Cortex überwacht und moduliert A.
• …dark sarcasm (Ironie, Zynismus) in theclassroom… verhindert Kreativität.
• Mandelkern „AN“ …bedeutet, so Gelerntes taugt nicht für spätere Problemlösung.
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OxytocinOxytocin
• Hormon, das früher nur mit Kontraktion der Gebärmutter während der Entbindung und dem Milcheinschuss beim Stillen in Verbindung gebracht wurde.
• Heute: O. hat auch Einfluss auf Psychische und Verhaltensprozesse: „Bindungshormon“
• Bei Mutter: Interaktion mit Säugling�, Stress wird reduziert, Ängstlichkeit�. O induziert auch bei Tieren mütterliches Verhalten
• Freisetzung durch jeden Körperkontakt, v.a. durch Saugen
• Beim Kind: Infolge Hautkontakt ebenfalls Freisetzung von O.: Beruhigung, Entspannung
• O. verbessert soziales Lernen, evtl. auch kognitives L.
• Langzeiteffekte: Weniger ängstlich ruhiger, sozial interaktiver, Schmerzschwelle erhöht sich. Cortisol-Spiegel�, Blutdruck �
• Schafe mit Oxytocin-Blockade nehmen ihr Lamm nicht an
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Gehirn und Stress I Antwort des Gehirns auf alle (kontrollierbaren) Änderungen äußerer oder innerer Bedingungen: „Novelty Stress“ ( Noradrenalin [SMA-]System): - Cortex dicker - Dendritische Verästelung ↑ - Synapsendichte ↑ - Blutversorgung ↑ - Gliazellen ↑
Nach: Hüther, G.: Die Auswirkungen traumatischer Erfahrungen im Kindesalter auf die Hirnentwicklung. In: Brisch, K.H., Hellbrügge, Th. (Hrsg.) Bindung und Trauma. Stuttgart (Klett-Cotta) 2003
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Gehirn und Stress II „unkontrollierte Stressreaktion“: - langanhaltende Aktivierung corticaler und limbischer
Strukturen und des zentralen und peripheren noradrenergen Systems und des HPA - (hypothal.-hypophys. -
adrenocort.) Systems - langanhaltende Glucocorticoid-Ausschüttung,
Noradrenalin ↓ - Energieumsatz ↓ - Neurotrophe Faktoren ↓ - Degenerierung noradrenerger Axone - Pyramidenzellen im Hippocampus ↓
→ Auslöschung erlernter Verhaltensreaktionen,
cave: Entgleisung
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Gehirn und Stress III: Gehirn und Stress III: Traumatische Erfahrung:Traumatische Erfahrung:
Schleichende Destabilisierung:
Entwicklungsstillstand bis zur Regression einzelner bereits erfolgreich gebahnter Leistungen und Kompetenzen
Neue Denk- und Verhaltensmuster, Reorganisation assoziativer Verhaltensmuster:
→ Verändertes Wahrnehmen, Denken, Fühlen, Handeln
Zusammenbruch integrativer (neuronaler, endokriner + immunologischer Regelmechanismen:
→ Körperliche und psychosomatische Störungen („Notlösung“),
bei Versagen bis hin zum Tod
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Gehirn und Stress IVGehirn und Stress IV Traumatische Erfahrung:Traumatische Erfahrung:
PlötzlichesTrauma: Destabilisierung ohne Reorganisation
• Degeneration von Dendriten und Neuronen (v.a. im Hippocampus)
• Rettung durch Abkoppelung der traumatischen Erfahrung aus der Erinnerung
• Ausklammerung durch gezielt veränderte Wahrnehmung und assoziative Verarbeitung von Phänomenen der Außenwelt („Notlösung“)
• Ggf. Blockade der gesamten emotionelenReaktionsfähigkeit, bizarre Bewältigungsstategien (z.B. Zwänge)
• Individuelle („abnorme“) Lösungen, die als persönlichkeitsgestört wahrgenommen werden: Störungen der Affektregulation, Impulskontrolle, Aufmerksamkeit, verzerrte Wahrnehmungen von Selbst und anderen, Bewusstseinsveränderungen, Dissoziationen, brüchige Normen- und Wertsysteme, Lern- und Kontaktstörungen, etc…
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AntAntóónio R. nio R. DamDamáásiosio
„Somatische Marker“Alle Erfahrungen des aufwachsenden Menschen werden in einem emotionalen Erfahrungsgedächtnis gespeichert. Dieses teilt sich durch ein (automatisches) körperliches Signalsystem mit, das bei der Entscheidungsfindung hilft: „Alarmglocke“, „Startsignal“.
Vermutlich in präfrontalen Rindenfeldern lokalisiert
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Emotionale Sicherheit
Soziale Beziehungen
Wahrnehmungsfähigkeit
Neugier + Exploration
Am besten von zwei Personen + Kontext !
Motorik
Wissen + Erfahrung
Emotionale Sicherheit: Voraussetzung für Lernen und Wachstum
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Interaktion, Regulation und Interaktion, Regulation und die Entstehung von Bindungdie Entstehung von Bindung
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Die Mutterschaftskonstellation Mit der Geburt eines Babys gleitet die Mutter in eine neue, charakteristische psychische Organisation hinein, die D. Stern als „Mutterschaftskonstellation“ (MK) bezeichnet. Die MK ist ein hochspezifisches, eigenständiges und völlig normales Konstrukt, und psychischer Organisator für eine neue Gruppe von Handlungstendenzen, Sensibilitäten, Fantasien, Ängsten und Wünschen. Während ihrer vorübergehenden Dauer wird die MK zu einer Organisations-achse, um die sich das ganze psychische Leben der Mutter dreht. Die MK betrifft drei verschiedene, miteinander zusammenhängende Diskurse, die innerlich und äußerlich ausgetragen werden:
1. den Diskurs mit der eigenen Mutter (…der ihrer eigenen Kindheit) 2. den Diskurs mit sich selbst als Mutter 3. den Diskurs mit dem Baby
Eine neue psychische Triade ist entstanden:
Mutter der Mutter Mutter Mutter der Mutter
Mutter Baby Baby
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Konstituierende Themen der Mutterschaftskonstellation:
• Leben und Wachstum: Kann die Mutter das Überleben und Gedeihen des Babys gewährleisten?
• Primäre Bezogenheit: Kann sie eine - für sie selbst authentische und für das Kind förderliche Beziehung zu dem Baby aufnehmen?
• Unterstützende Matrix: Wird sie das Unterstützungssystem schaffen und tolerieren können, das zur Erfüllung dieser Funktionen notwendig ist?
• Reorganisation der Identität: Wird sie in der Lage sein, ihre Selbstidentität so zu transformieren, das sie diese Funktionen unterstützt und fördert?
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Was kann ein SWas kann ein Sääugling?ugling?• Fähigkeit, sofort nach der Geburt nachahmen zu können:
„Synchronisation“ mit der Mutter: Identifikation, Teilnehmen am Erleben anderer, mittels Spiegelneuronen.
• Selbstwirksamkeit von Anfang an: Etwas beim Gegenüber bewirken!
• Diese frühe Intersubjektivität strukturiert die äußere und innere Welt des Säuglings, ist die Basis interaktiven Wissens und früher sensorischer Integration.
• Die Erfahrungen der ersten 18 Monate sind nonverbal, nicht-symbolisch, nicht erzählbar, implizites Wissen, bleibt auch nach Spracherwerb parallele Erlebenswelt (�Somatische Marker).
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Intuitive elterliche Kompetenzen: typische Verhaltensmuster
• Dialogabstand, Grußreaktion • Ammensprache - erhöhte Stimmlage
• Verlangsamtes Tempo, prototypische Melodik
• Prototypische Mimik
• Imitationsneigung
• Interaktive Spielchen
• Gemeinsame Ausrichtung der Aufmerksamkeit
• Entwicklungsphasenspezifische Anpassungen und Verhaltensmuster
nach Papoušek 1996
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ContainmentContainment
• Die Mutter akzeptiert die Gefühle ihres Kindes, nimmt sie in sich auf, verarbeitet sie und gibt sie dem Kind in verständlicher Form zurück (Bion, W.R)
• Ziel dieses Prozesses ist es, das Kind in der Verarbeitung ängstigender Affekte / Erlebnisse so zu unterstützen, dass es in explorativem Kontakt mit der Umwelt bleiben kann.
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MentalisierungMentalisierung• „To have the mind in Mind“ (P. Fonagy)
= Die Psyche einer anderen Person wird unabhängig und getrennt von der eigenen Psyche wahrgenommen.
• Diese Fähigkeit wird in einem in reziproken Prozess zwischen der Mutter und dem Kind entwickelt, wobei die Mutter dem Kind hilft, sein Verhalten – und das von anderen - in Verbindung mit der Benennung von Gefühlen, Wünschen, Erwartungen und Überzeugungen zu verstehen.
• Mentalisierung gelingt in sicheren Bindungen besser als in unsicheren
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Reflexive FunktionReflexive Funktion• …die Fähigkeit, eigenes und fremdes Verhalten als durch
mentale Zustände Wünsche, Phantasien, Ängste) motiviert zu verstehen und diese Zustände als subjektiv anzuerkennen…
• Mentalisierung wird heute synonym zu R. F. verwendet: …Bildung eines symbolvermittelten sekundären Repräsentationssystems der Affekte, des Selbst und der Objekte. Dies gelingt durch die kontingente Spiegelung der Affekte des Kindes durch die Primärobjekte…. (Potthoff P, in Hirsch M (Hg) 2008: Die Gruppe als Container. Göttingen)
• Winnicott: „Das Kind erkennt sich im Blick der Mutter“
• „Intuitive elterliche Kompetenzen“ (Papoušek)
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SÄUGLING Zufriedene Dyade MUTTER Entwicklungsförderung
Vernachlässigung Misshandlung
Positive Gegenseitigkeit
Vorsprachliche Kommunikation
Gute selbst-regulatorische Fähigkeiten Schwieriger Säugling
Mutter-Kind-Beziehung
Negative Gegenseitigkeit
„hinreichend gute Mutter“ (Winnicott) psychosozial hochbelastete Mutter
• Schwieriges Temperament • Regulationsprobleme:
- Nahrungsaufnahme - Schlaf-Wachrhythmus - Aufmerksamkeit - Schreien
• somatische, neurologische
und seelische Störungen
• Sozio-ökonomische Faktoren
• Körperliche /psychische Störungen • Partnerkonflikte • Beziehungskonflikte zum Kind Rollenumkehr • „Gespenster im Kinderzimmer“ • Unangemessene entwicklungspsychologische
Vorstellungen • Gewalt tolerierender und rigider Erziehungsstil
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Chronisches Misslingen von Affektabstimmung kann zu gravierenden Problemen in der Orientierung bezüglich der sozialen und dinglichen Umwelt führen: • Überstimulierung: Kind macht wenig Erfahrungen, sich selbst als Ursache von
Beziehungserfahrungen zu sehen und bezieht sein Sicherheitsgefühl ausschließlich aus selbstregulatorischen Aktivitäten oder wird völlig abhängig davon, daß seine Beziehungspersonen die Regelung der eigenen Bedürfnisse übernehmen. (Konsequenzen für Selbst- + Fremdwahrnehmung und für Beziehungsentwicklung!)
• Unterstimulierung bis hin zur Vernachlässigung: Kind macht ebenfalls wenig
Erfahrungen, sich selbst als Ursache von Beziehungserfahrungen zu sehen: depressiver Rückzug, ggf. Apathie, Motivationsschwächung, Kompetenzverlust, Verlust von Selbstachtung; auch dissoziale Muster als Bewältigungsversuche.
Beide Formen verhindern das Maß an Sicherheit, das zur Ausbildung von Neugier und Interesse notwendig ist. Dies sind aber wesentliche Ressourcen, um sich auf sich ändernde Umwelten einzustellen und die eigene Entwicklung aktiv zu gestalten.
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Warnzeichen im kindlichen Verhalten:•abnorme Passivität•Kontaktvermeidung•Häufige Irritabilität und Schreien•Mangelnde Entwicklung differenzierter Kommunikationsformen•Nicht organische bedingte Nahrungsverweigerung / Schlafstörungen•Ängstliche Abwehr neuer Situationen und Personen
Früherkennung von Störungen der vorsprachlichen Kommunikation:
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Warnzeichen im elterlichen Verhalten:
•Vermeiden von entspannten Zwiegesprächen mit dem Säugling zu Zeiten seiner Interaktionsbereitschaft•Mangel an spielerischen Elementen•Ignorieren oder zögerndes Beantworten von kindlichen Signalen•Inadäquate Dosierung der Anregungen •Über- oder Unterstimulation als stereotypes Interaktionsmuster•Überwiegend rationale bzw. dirigistische Interventionen•Mangelnde Auswirkungen von Versuchen, Aufmerksamkeit, Dialog oder Spiel aufrechtzuerhalten.
Früherkennung von Störungen der vorsprachlichen Kommunikation:
Papoušek & Papoušek (1995)
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Auswirkungen von Angst und Dauerstress
Wissen Bindung Erfahrung
Glaube
Angst
Stressreaktion
Vertrauen in eigene Fähigkeiten
Vertrauen in die Fähigkeiten anderer
Vertrauen in vorgestellte Kräfte
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Spuren der deutschen Geschichte in der aktuellenErziehungslandschaft – intergenerationale Weitergabevon Beziehungs- und Erziehungsmustern
• Problematische Einstellungen früherer Generationen sind längst nicht überwunden.
• Insbesondere der fatale Missbrauch von Erziehung im Dienst dernationalsozialistischen Ideologie mit ihrer Repression von Autonomie in einem autoritär-gewaltsamen Erziehungsstil und ihrer Verteufelung von Empathie und emotionaler Bindung wirkt nach „bis ins dritte und vierte Glied“ (Chamberlain, 1997).Aber auch die (scheinbar gegenläufig) ideologischen Auswüchse der antiautoritären Erziehung.
Sie wirken nach….als unsicher-vermeidende Bindungsmuster, als generelle Beziehungsunsicherheit,… als fatale Mischung aus Gewähren lassen und Durchbrüchen eines gewaltsam-autoritären Erziehungsstils (nach M.Papoušek)
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In einer Zusammenschau längschnittlicher Untersuchungen zeigen sich die Auswirkungen verbreiteter Stolpersteine der Erziehung, die insbesondere eine Hemmung der kindlichen Eigenaktivität zur Folge haben (Schlack, 2006)
Zu wenig an Zu viel an
• Bindungssicherheit • Direktivität
• Dialog und Responsivität • passivem Reizkonsum
• adäquatem Spielzeug • Reglementierung undeinengender Kontrolle
• altersgemäßen •Verwöhnung und Betätigungsmöglichkeiten Überbehütung
• klaren Regeln •Förderprogrammen
• Wertschätzung •Abwertender Kritik
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Kindergehirne (die im kindlichen Gehirn angelegten neuronalen und synaptischen Verschaltungsmuster) sind weitaus formbarer (und verformbarer) als bisher angenommen...
Die am stärksten durch die jeweiligen Nutzungsbedingungen strukturierte Hirnregion ist der frontale Kortex. Die in dieser Region während der Kindheit herausgebildeten Verschaltungen sind für die Steuerung der wichtigsten späteren Leistungen des menschlichen Gehirns zuständig:
• Selbstwirksamkeitskonzept• Motivation• Impulskontrolle • Handlungsplanung • soziale und • emotionale Kompetenz
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Bindungstheorie und Bindungstheorie und --praxispraxis
Um die hierfür erforderlichen, hochkomplexen Verschaltungen ausbilden zu können, müssen Kinder möglichst viele und möglichst unter-schiedliche eigene Erfahrungen machen.Dazu brauchen sie:
- vielfältige stimulierende (ihre emotionalen Zentren aktivierende) Angebote und Herausforderungen, und
- Sicherheit und Orientierung bietende Bindungsbeziehungen.
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BindungstheorieBindungstheorie
• Während seines ersten Lebensjahresentwickelt der Säugling eine spezifischeBindung zu einer primären Bindungsfigur.
• Das Bindungssystem ermöglicht das Überleben.
• Die Bindungsfigur ist die “sichere Basis”für das Kind (sicherer Hafen)
• Das Bindungssystem wird bei Angst und Trennung aktiviert.
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BindungstheorieBindungstheorie
• Das Bindungssystem wird durch die physische Nähe der Bindungsfigurberuhigt.
• Das Bindungssystem verhält sich reziprokzum Explorationssystem
• Sobald das Bindungssystem beruhigt ist, kann sich das Kind der Exploration zuwenden
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Bindung und ExplorationBindung und Exploration
Explorations-system
Bindungs-system
Explorations-system
Bindungs-system
Aktivierung des Bindungssystems Beruhigung des Bindungssystems
Eine Aktivierung des Bindungssystems und gleichzeitige Dämpfung des Erkundungssystems erfolgt, wenn das Kind ängstlich, unsicher, fremd, einsam, verlassen, hungrig, müde ist, usw.
Eine Beruhigung des Bindungssystems und gleichzeitige Aktivierung des Erkundungssystems erfolgt bei Wohlbefinden und dem Gefühl von Sicherheit. Das Kind ist unternehmungslustig, spielt, exploriert mit Mund und Händen usw.
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FeinfFeinfüühligkeithligkeit
• Die BetreuerIn mit der höchstenFeinfühligkeit während der Interaktionwird die primäre Bindungsfigur des Säuglings werden.
• Hohe elterliche Feinfühligkeit fördert die Entwicklung einer sicheren Bindung des Säuglings
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FeinfFeinfüühligkeithligkeit
• Die Betreuungsperson muss
1. Die Signale des Baby’s wahrnehmen
2. sie richtig interpretieren, und
3. angemessen und
4. prompt
auf sie reagieren
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FeinfFeinfüühligkeithligkeit
• Elterliche Feinfühligkeit, Unterstützung und Akzeptanz derMutter ebenso wie die des Vatershaben von frühester Kindheit an einen wesentlichen Einfluss auf die Fähigkeit, enge Bindungeneinzugehen.
(Ergebnis der Bielfelder und Regensburger Längsschnittstudien von Grossmann, K & K, 2004)
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Der Fremde-Situation-Test (FST) Ainsworth et al. 1978
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Sichere Bindungsbeziehung / B – Gruppe
• Kinder mit sicherer Bindung können in Situationen von emotionaler Belastung den Bezugspersonen ihre Gefühle offen mitteilen.
• Sind ihre eigenen inneren Ressourcen erschöpft und sind sie innerlich
verunsichert, können sie sich bei ihren Bezugspersonen Zuwendung, Nähe und Sicherheit holen.
• Diese Kinder haben eine Grundsicherheit und Vertrauen zu ihren
Bindungspersonen. • Sie können eher befriedigende und wenig störungsanfällige Beziehungen zu
Gleichaltrigen aufbauen und Konflikte kompetent lösen. • Zudem haben sie eine positive Einstellung zu sich selbst.
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Unsicher-vermeidende Bindungsbeziehung / A – Gruppe • Reagierte ihre Bezugsperson wenig feinfühlig auf ihre Bedürfnisse und hielt nicht
viel Körperkontakt zum Kind, entwickelt sich zwischen beiden eine unsicher vermeidende Bindungsqualität.
• In emotional belasteten Situationen zeigen diese Kinder weder ihre Gefühle von
Belastung noch suchen sie die Nähe zur Bindungsperson, vielmehr vermeiden sie den Kontakt zu dieser.
• Sie wirken unbelastet und bleiben in solchen Situationen eher für sich alleine
indem sie versuchen eigene Lösungsstrategien zu finden. • Cortisol-Messungen im Speichel ergaben extrem hohe Stress-Werte
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 59
Unsicher – ambivalente Bindungsbeziehung / C – Gruppe
• Dieses Muster entsteht, wenn die Kinder nicht einschätzen können, ob und wann die Bezugsperson verlässlich und feinfühlig zur Verfügung steht.
• Hochemotionalisierte Mutter-Kind-Beziehung • In emotional belasteten Situationen verhalten sich diese Kinder
widersprüchlich, aufgrund der starken Verunsicherung.
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 60
• A – und C – Kinder haben gemeinsam, dass sie nicht das Vertrauen in die Bezugsperson haben, in einer für sie schwierigen Situation ausreichend und angemessen Hilfe von ihr zu bekommen.
• Daher entwickeln sie eine Strategie, um trotzdem den Erwartungen der
Bindungsperson zu entsprechen und mit diesen Erfahrungen umgehen zu können. • Diese Kinder sind gefährdet, wenig befriedigende Kontakte in ihrem weiteren,
außerhäuslichen Lebensumfeld zu finden. • Sie haben ein eher negativ gefärbtes Selbstbild und wenig Selbstvertrauen. • Eine unsichere Bindungsbeziehung kann als Risikofaktor für die sozio – emotionale
Entwicklung des Kindes angesehen werden
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 61
Das innere Arbeitsmodell – „inner working model“ (Bowlby) • Kinder bilden während der sozio – emotionalen Entwicklung ihrer frühen
Kindheit eine interne Repräsentation von sich und ihrem Bezugsobjekt. • Dieses verinnerlichte frühe Beziehungsmuster hat eine beständige
Wirkung auf die weitere Entwicklung und wird in ähnlichen Beziehungssituationen während des ganzen Lebens reaktiviert.
• Die wichtigste Aufgabe dieses Arbeitsmodells ist es, Ereignisse der
realen Welt gedanklich vorwegzunehmen, um in der Lage zu sein, das eigene Verhalten besser zu planen und die Situation kontrollieren zu können
• Bei sicher gebundenen Kindern, funktioniert dieses Arbeitsmodell als
sichere Basis, von der aus sie ihre Umwelt erkunden und begreifen zu können. In Zeiten von emotionalem Stress fungiert es als eine Art sicherer Hafen.
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 62
Das ErwachsenenDas Erwachsenen--BindungsBindungs--Interview (AAI) Interview (AAI) Main & HesseMain & Hesse
• Das Adult Attachment Interview (AAI) ist ein halbstrukturiertes klinisches Interview, in dem Jugendliche und Erwachsene befragt werden zu ihren frühen Erfahrungen mit Bezugspersonen in der Herkunftsfamilie und über ihre Einschätzung der Bedeutung dieser Erfahrungen aus ihrer heutigen, aktuellen Sicht.
• Das AAI besteht aus einer festgelegten Reihenfolge von Fragen zu den frühen Beziehungen in der Herkunftsfamilie, der Kennzeichnung der Beziehungen zu Mutter und Vater in der Kindheit durch Nennung von fünf Adjektiven oder Wörtern und Belegung dieser mittels konkreter Ereignisse.
• Weiterhin werden Fragen gestellt dazu, welchem Elternteil sich die interviewte Person näher fühlte und was sie tat, wenn sie sich als Kind unglücklich fühlte oder sich verletzt hatte.
• Es wird nach frühen Trennungserfahrungen gefragt und nach Gefühlen des Abgelehnt-Werdens durch die Eltern…
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 63
Der Der „„Interpersonale Interpersonale InterpretationsmechanismusInterpretationsmechanismus““ (P. (P. FonagyFonagy))
• Die Bindungsentwicklung ist die Antriebskraft der kognitiven Entwicklung (nicht umgekehrt!)
• Inneres Arbeitsmodell:– Erwartungen interaktiver Eigenschaften früher
Betreuungspersonen– Ereignisrepräsentationen, durch die Erinnerungen an
bindungsrelevante Erfahrungen enkodiert und reaktiviert werden
– Autobiografische Erinnerungen, die zu einer persönlichen Lebensgeschichte miteinander verknüpft werden
– Das Verstehen der psychischen Eigenschaften anderer Menschen und deren Differenzierung von jenen des Selbst
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 64
Bindungstheorie und Bindungstheorie und --praxispraxisUnsichere Bindungsrepräsentation
Inkohärente Darstellung von Beziehungserfahrungen und gegenwärtige Einschätzung dieser B.E. Episodische Erinnerungen und deren kognitive, semantische Bewertung sind in ihren Anteilen unausgewogen.
Unsicher-abwehrende B-R- Kognitiv > affektiv- Semantisches Gedächtnis ⇑- Wenige, vage Erinnerungen an Bindungserfahrungen, wenig Zugang zu Gefühlen- Leugnen neg. Beziehungs-erfahrungen- Idealisieren der Kindheit- Bedürfnis, allein zu sein
Unsicher-präokkupiert-verstrickte B-R- Kognitiv < affektiv- Episodisches Gedächtnis ⇑- Heftige Gefühle, keine Integration + Bewertung auf globaler Ebene- Betonung negativer (Kindheits-) Erfahrungen
- kann schlecht allein sein
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 65
Bindungstheorie und Bindungstheorie und --praxispraxis
- planloseres Handeln- niedrigere Effektivität
- planvolleres Handeln - höhere Effektivität
Kognitiver Bereich
- auf sich selbst fixiert- idealisiertes odernegatives Selbstbild
- weniger Ich-Flexibilität- schlechtere Emotions--regulierung
- schlechtere Verhaltens-- regulierung
- beziehungsorientiert - eher angemessenes Selbstbild - höhere Ich-Flexibilität - bessere Emotionsregulierung - bessere Verhaltensregulierung
Selbst- und Persönlichkeits-
entwicklung
- öfter feindselig, wütend- Isolation, Anhänglichkeit
- wenig aggressiv - mehr soziale Kompetenz im Umgang mit anderen Kindern
Sozio - emotionale Kompetenz
unsicher gebundensicher gebunden Verhalten von Kindern
Unterschiede in der Auswirkung von Bindung
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 66
VaterVater--KindKind--BindungBindung
• Eigenständiges Bild, wenn Vater anwesend• FST ungeeignet (Trennung!)• Bindungsqualität nicht aus Versorgungsqualität des ersten
Lebensjahres ableitbar.• Bedeutsam war die Einstellung des Vaters zu Familie, zur
Vaterrolle, Zufriedenheit in der Ehe• Häufigste Interaktionen in Spielsituationen und beim Lernen
von Kulturtechniken• „Feinfühlige Unterstützung einer sicheren Exploration!:
Hohe Väterliche Spielfeinfühligkeit sagt sicheres Explorationsverhalten voraus
• Bindungsrepräsentation mit 16 J und Partnerschaftsrepräsentation mit 22. J zeigen bedeutsame Einflüsse aus frühk. VSF
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 67
Zur Bedeutung des VatersZur Bedeutung des Vaters
• Der Mangel in der emotionalen Beziehung zum Vater legt den Keim zur Verunsicherung des Selbst.
• Der Vater trägt bereits im ersten Lebensjahr durch die Triangulierung dazu bei, dass die frühe Mutter-Kind-Dyade sich umstrukturieren kann.
• Durch den Elementarkonflikt zwischen Bindungswunsch und Autonomiebestreben gerät der Säugling bei seinen ersten Ablösungsschritten in eine schmerzhafte, hochambivalente Trennungskrise
• Die Trennungsängste werden durch die Anlehnung an den Vater abgepuffert.
• Ab dem zweiten Lebensjahr bietet der Vater neben diesem Halt eine gegengeschlechtliche Orientierung und Identifizierungsmöglichkeit.
• In der ersten und der zweiten ödipalen Phase ist der Vater als Identifikationsobjekt unverzichtbar. Durch Verinnerlichung seines Vorbildes verhilft er dem Kind zur Integration seiner Triebwelt,zum Aufbau einer sozial adaptierten Ich – und ÜberIchstrukturund zu einer stabilen psychosexuellen Identität
Nach Petri, H.
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 68
……ein Gedicht:ein Gedicht:
Wenn mein Vater mit mir geht, dann hat alles einen Namen.
Vogel, Falter, Baum und Blume. Wenn mein Vater mit mir geht, ist die Erde nicht mehr stumm
Kommt die Nacht und kommt das Dunkel, zeigt mein Vater mir die Sterne.
Er weiß, wie die Menschen leben, weiß, was recht und unrecht ist, sagt mir wie ich werden soll.
• (Josef Guggemos)
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 69
VVääterter…………
• Elternzeitbereitschaft: D: 10%
• S: 67%, FIN: 32% DK: 20%, GB: 20%, F: 15%
• UK-Initiative „Fairer to Fathers“ : Are wefatherfriendly? What can Schools do to supportDads?
• Dad Days: housing, sex education, challengingbehaviour, fatherhood, media education
• The „DAD-Pack“: basic toolkit for organisations to to use in supporting dads in being, becomingmore involved with their children
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 70
Gehirn: Lernen, Stress,Kreativität …
Sinne
Kraft
Bewegung
Emotionale SicherheitStandfestigkeit als Junge / Mann
KindergartenSchule
Arbeitsplatz
Elternschaft / Konflikte / Paarbeziehung
Familie / soziales Netz
Sozioökonomische / kulturelle Gesamtsituation
Die Lebenssituation des auffälligen, unruhigen Jungen
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 71
Vaterverlust als TraumaVaterverlust als Trauma
• Die „vaterlose Gesellschaft“ (Mitscherlich 1963)
• Ein definitiver Vaterverlust ist ähnlich zu bewerten wie die Mutterentbehrung.
• Mindestens 10 % der Kinder betroffen.
• Psychische Auffälligkeiten im Zusammenhang mit Vaterkontakten bei Scheidungsproblematik müssen auf ihren traumatischen Gehalt hin untersucht werden.
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 72
Bindung, Trauma, chronische Bindung, Trauma, chronische BelastungBelastung
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 73
TheThe AdverseAdverse ChildhoodChildhood ExperiencesExperiences(ACE) (ACE) StudyStudy::
What's an ACE?Growing up experiencing any of the following conditions in the household
prior to age 18:
• Recurrent physical abuse
• Recurrent emotional abuse
• Contact sexual abuse
• An alcohol and/or drug abuser in thehousehold
• An incarcerated household member
• Someone who is chronically depressed, mentally ill, institutionalized, or suicidal
• Mother is treated violently
• One or no parents
• Emotional or physical neglect
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Desorganisation & Desorientierung:Desorganisation & Desorientierung:
• Desorganisiertes Bindungsverhalten stellt im Gegensatz zu organisiertem Bindungsverhalten ein „Steckenbleiben“ zwischen zwei Verhaltenstendenzen dar, bei dem auf der einen Seite die Zuwendung zur Mutter und das Nähesuchen und auf der anderen Seite die Abwendung steht. Die gleichzeitige Aktivierung von beiden Systemen führt zu einem Zusammenbruch des organisierten Bindungsverhaltens.
• Desorganisiertes Verhalten wird als Indikator für Stress und Angst angesehen, den das Kind nicht beenden kann weil die Bezugsperson gleichzeitig die Quelle von Furcht und der potentielle sichere Hafen ist („no where to go“ ).
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 76
Desorganisierte – desorientierte Bindungsbeziehung / D – Gruppe
• Diese Kinder zeigen eine Vielzahl irritierender und widersprüchlicher Verhaltensweisen, z. B. Widersprüche zwischen Mimik und Körperbewegung, Stereotypien der Gesten, eingefrorene verlangsamte Mimik oder Bewegung, direkte subtile Zeichen von Anspannung, Furcht und Desorganisation
• Die hier bestehenden Zusammenhänge zwischen Misshandlung und anderen traumatischen Situationen in der Familie sind empirisch belegt.
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 77
UngUngüünstige Reaktionen desorganisierter nstige Reaktionen desorganisierter KinderKinder
• Erhöhter Cortisol-Ausstoß bei geringem Stress
• vermehrtes feindselig-aggressives Verhalten gegenüber Gleichaltrige
• Vermehrt kontrollierendes Verhalten gegenüber ihren Eltern
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 78
Signifikanter Zusammenhang von kindlicher Signifikanter Zusammenhang von kindlicher Desorganisation und:Desorganisation und:
• Fehler der Elternfigur bei der affektiven Kommunikation mit ihrem Kind
• Desorientiertheit im Verhalten der Mutter
• Unfeinfühlige übergriffige (intrusive) mütterliche Verhaltensweisen
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 79
feindselig,
intrusives
Verhalten der Eltern
hilfloses
ängstliches
zurückziehendes
Verhalten der Eltern
desorganisiert
unsichere
Kinder
desorganisiert
sichere
Kinder
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 80
Sexuell missbrauchte Mütter ziehen sich vom Kind zurück
= hilfloses Verhalten der Mutter
> desorganisiert-sichere Bindung
Körperlich mißhandelte Mütter identifizieren sich mit dem aggressiven Interaktionsstil
= feindseliges Verhalten
> desorganisiert-unsichere Bindung
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 81
Bindung und TraumaBindung und Trauma
Desorganisierte Bindungsmuster: Stärkster Prädiktor: Kindesmisshandlung
Zweitstärkster Präd.: Traumatisierte Eltern, mit dissoziativem, ängstigenden Verhalten
Konsequenz für Frühfördersituation:- Sensibiltät für Bindungsthematik erhöhen
- Kompetenz für entwicklungspsychologische Beratung implementieren: Feinfühligkeitstraining
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 82
Bindung und TraumaBindung und Trauma
Desorganisierte Bindungsmuster:
15% in nichtklinische Stichproben
25-34% bei niedrigem sozialem Status
35% Kinder mit neurologischer Auffälligkeit
43% Kinder von drogenabhängigen Müttern
48-77% misshandelte Kinder
>55% Jugendliche in Heimerziehung
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 83
BindungsstBindungsstöörungrung
• ICD-10/DSM-IV-Kriterien nicht hinreichendaussagefähig und trennscharf– Reaktive Bindungsstörung
– Bindungsstörung mit Enthemmung
• Neue Klassifikationsversuche (Zeanah&Boris 2000,
Brisch 1999)
– Keine explizite Bindungsfigur
– Bindungsfigur, aber gestörte Beziehung
– Unterbrochene Bindung
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 84
Formen der Bindungsstörung
1.) Kein erkennbares Bindungsverhalten: Bindungssystem deaktiviert und abgewehrt (Heimkinder, vielfältige Beziehungsabbrüche)
2.) Undifferenziertes Bindungsverhalten: Soziale Promiskuität, Unfallrisikoverhalten (bei Heimkindern mit wechselnden Bezugspersonen)-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------3.) Übersteigertes Bindungsverhalten: Exzessives Klammern, Trennungsangst (Mütter mit Angststörung)
4.) Gehemmtes Bindungsverhalten: Übermäßige Anpassung (Ambivalenz zw. Suche nach Geborgenheit und Angst vor Gewalt)
5.) Aggressives Bindungsverhalten: körperliche und/oder verbale Aggression (aggressiv-gespanntes Familienklima)
6.) Bindungsverhalten mit Rollenumkehr: Angst um den realen Verlust der Bezugsperson durch Suizid, Scheidung, psych./phys. Krankheit
7.) Psychosomatische Symptomatik: Wachstumsretardierung, Ess-, Schrei-, Schlafstörungen etc. (Psychische Erkrankung der Mutter)
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 85
Bindungsrepräsentation bei Jugendlichen in Heimerziehung ( n=72 )
AAI-Klassifikation
sicher vermeidend verstrickt ungelöst nicht klassifizierbar
Jungen 0 51,3% 5,1% 7,7% 35,9%
Mädchen 6,1% 18,2% 9,1% 12,1% 54,5%
Alle 2,8% 36,1% 6,9% 9,7% 44,4%
Quelle: Schleiffer&Müller, 2002
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Jugendliche Eltern: 1/11 vermeidend 10/11 hochunsicher
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 86
Deprivationszirkel
• Von ihren Eltern vernachlässigte Kinder haben ein erhöhtes Risiko, psychische Störungen zu entwickeln.
• Diese ehemals vernachlässigten Kinder sind als Erwachsene ihren Kindern gegenüber dann oft selbst auch vernachlässigende Eltern.
• So werden oft Vernachlässigung & psychische Störungen von einer Generation auf die nächste
• weitergegeben.Bowlby, 1953: Child care & the growth of love
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 87
Bindungstheorie & Gewalt IBindungstheorie & Gewalt I((BowlbyBowlby, 1988), 1988)
• Aggressionen sind normal & adaptiv, wenn dieSicherheit zentraler Beziehungen bzw. das Lebenwichtiger Menschen in Gefahr scheint.
• Familiäre Gewalt ist eine verzerrte, übertriebeneVersion adaptiver Aggressionen.
• Gewalterfahrungen erschüttern &beeinträchtigen die emotionale Sicherheit vonKindern & Erwachsenen ganz grundlegend.
• Gewalt von engen Bezugspersonen (z.B. Eltern,Partnern) ist psychisch weitaus belastender alsGewalt von Fremden
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 88
Bindungstheorie & Gewalt IIBindungstheorie & Gewalt II((BowlbyBowlby, 1988), 1988)
• Gewalt von Bezugspersonen führt zu einem unlösbaren• emotionalen Paradox: Kinder brauchen & fürchten den• Missbraucher gleichzeitig.
– Gewaltopfer sind depressiv, passiv, gehemmt, freudlos & gleichzeitig wütend & aggressiv.
– Innere Arbeitsmodelle sind nach Gewalterfahrungen gleichzeitig auf Hinwendung & auf Flucht eingestellt - sie sind also kaum arbeitsfähig.• Weder ambivalenzfreie Hinwendung noch klare Abwendung ist möglich.• Bindungssystem ist ständig aktiviert es gibt keine Entspannung.
• Kind zu misshandelndem Elternteil:- Kleinkinder zeigen oft widersprüchliches Verhalten zu
Elternteil:z.B. zu ihr/ihm hinlaufen & gleichzeitig den Kopf wegdrehen
(FST).– Permanente Aufmerksamkeit für den Täter
• Gefrorene Wachsamkeit (frozen watchfulness)• Ständiges Bemühen, Bedürfnisse des Elternteils zu erfüllen.
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 89
ADHS ADHS –– eine Bindungssteine Bindungsstöörung?rung?
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 90
FrFrüühe he PrPräädiktorendiktoren ffüür ADHSr ADHS
• Toxische Substanzen: Nikotin in Schwangerschaft (und wahrscheinlich auch später...)
• junge Mutterschaft
• Schwangerschaftskomplikationen
• Einelternschaft
• familiäre Probleme, elterliche Konflikte
• frühe multiple Regulationsstörungen: Schreikinder, Fütterstörungen
• Mütterliche Angst und Depressivität /prä- und postnatal
• Mangel an Spiel- und Explorationsmotivationnach: Wurmser, H., 2005
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 91
ADHS, Stress und Bindung I• Pränatale Angst und Stress der Mutter sind beste
Prädiktoren für ADHS im 4. Lebensjahr, keine Genetik eingeschlossen.(Längsschnittstudie UK, O ‘Connor & Rutter, 2002)
• Mäusebabys, deren Mütter in der Schwangerschaft großem Stress ausgesetzt waren (Anbindung), zeigen im Frontalhirn eine erhöhte Rezeptordichte für Dopamin und Glutamat → Aktivierung der Gen-Expression für Dop und Glu (Barros et al. 2004)
• „Frühadoption“ dieser Babys durch nicht gestresste, genetisch identische Kontrollmütter lässt diese Transmitterveränderungenverschwinden.
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 92
ADHS, Stress und Bindung II• Mäusedeprivationsexperimente:
Frühdeprivation lässt Cortisolspiegellebenslang erhöht , sogar in der nächsten Generation → genetische Rekombination →Hormonebene → Verhaltensebene
• Dopamin-Polymorphismen (DRD4) bei ADHS-Kindern und bei desorganisiert gebundenen Kindern, auch bei ihren Eltern, aber nicht vererbt.
• In bindungsrelevanten Stresssituationen zeigen die desorganisiert gebundenen Kinder : motorische Unruhe, stereotype Bewegungsmuster, Tranceartige Zustände, Unaufmerksamkeit
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 93
Forschungsprojekt LMU (K.-H. Brisch)• Welchen Einfluss haben ungelöste und
unverarbeitete Traumata wie Frühgeburt, Todesfälle in der Familie, Misshandlung, Hospitalisierung und die Bindungsqualität auf die Entstehung einer ADHS?
• Design:
Fragebogen
Bindungstest Eltern-Kind
Verhaltensbeobachtung in Stresssituation
Genetische Untersuchung Eltern-Kind
Subgruppe: f-MRI
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 94
Prognostische Bedeutung vonFST-Klassifikationen
• Ehemals bindungssichere Kinder (FST, Beob. 5-7 Jahre):– Werden von Kindergärtnerinnen mehr gemocht– Sind sozial kompetenter– Komplexeres & kompetenteres Spielverhalten– Weniger Trennungsangst mit 6 Jahren– Weniger Verhaltensprobleme (externalisierend,
internalisierend) in der Schule• Prognose späterer klinischer Störungen aus FST:
– A-B-C Klassifikationen stehen nicht in engem Zusammenhang mit späteren klinischen Störungen (!)
– D “desorganisiert“ prognostiziert ein erhöhtes Risiko klinischer Auffälligkeit:• Z.B. große Feindseligkeit 7jähriger in Schule
• FST-Befunde halbwegs stabil über 20 Jahre, in high-risk samplesweniger stabil– Änderungen durch Verluste, Missbrauch, ernste Krankheiten
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 95
Bindungsunsicherheit (FST)-> psychische Störungen?
• Effekte schwach bei low-risk samples• Effekte deutlich bei high-risk samples
– Schlechtere peer-Beziehungen– Moodiness– Depressive Symptome– Aggressive Symptome
• Effekte deutlicher bei Jungen bzgl. externalisierendem Verhalten
• Interaktionseffekte: Bindung & Intelligenz ->externalisierende Probleme
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 96
Traumatische Bindungserfahrungen-> Bindungsunsicherheit?
• Elterndeprivation in den ersten Monaten/Jahren (rumän. Adoptivkinder)
-> klinische Bindungsstörungen
• Körperliche Probleme des Kindes (z.B.
Frühgeburtlichkeit) -> kaum Effekte
• Psychiatrische Störungen der Eltern– Schwere mütterl. Depressionen -> 70% der Kinder unsicher, meist desorganisiert!
– Milde mütterl. Depressionen -> kein Effekt
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 97
Erziehung in Institutionen
• Kinder, die in Heimen aufwuchsen vs. Kinder, die in Pflegefamilien aufwuchsen (Roy, Rutter & Pickles, 2004):– Im Grundschulalter zeigen 1/5 der Heim-, aber keines der Pflegefamilien-Kinder einen Mangel an selektiven Bindungsbeziehungen mit ihren Bezugspersonen (oder mit Freunden)
– Diese Bindungsstörung ist eng assoziiert mit Konzentarionsstörungen in der Schule (inattention, overactivity)
– Risikogruppe: Männliche Heimkinder!
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PrPrääventionvention
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 99
FFöörderung sicherer rderung sicherer BindungsbeziehungenBindungsbeziehungen
� Viele Studien haben gezeigt, dass feinfühliges oder nicht feinfühligesElternverhalten in den ersten Lebensmonaten eine Schlüsselrolle fürdie Ausprägung eines sicheren oder unsicheren Bindungsverhaltensaam Ende des ersten Lebensjahres spielt.
• Bindung an eine beschützende primäre Bezugsperson hilft dem Kind seine negativen Affekte in Zeiten von Stress und Belastung zuregulieren und die Umgebung zu explorieren, auch wenn die Stimuli etwas ängstigend sind.
• Vom Anfang des Lebens an sind Bindungsbeziehungen die bedeutsamsten und einflussreichsten Beziehungen im Leben einesKindes. Sie bereiten den Boden für die emotionalen und kognitivenBewertungen von sozialen und dinglichen Erfahrungen, und für die Bedeutungsgebungen über sich selbst und Anderen. BIndungsbeziehungen beeinflussen Gedanken, Gefühle, Motive und nahe Beziehung ein Leben lang.
• “Wenn das Kind während der Interaktion mit seinen Eltern Akzeptanz, feinfühlige Antworten auf Stress und angemessene Herausforderungin der Exploration und im gemeinsamen Tun erfährt, wird ein sicheresBeziehungsmodell auch für andere Beziehungen in Kindheit, Jugendund im Erwachsenenleben ermöglicht.” Grossmann und Grossmann (2007)
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Die Die FFöörderungrderung verantwortungsvollerverantwortungsvollerElternschaftElternschaft und und sicherersicherer BindungBindung muss muss einein
zentraleszentrales AnliegenAnliegen seinsein..Um das zu erreichen brauchen Mütter (und, falls erreichbar, auch
Väter) Hilfe in sechs Bereichen: • Allgemeines Verständnis kindlicher Entwicklung: Was kann ein
Baby in dem und dem Alter? • Verständnis der spezifischen Signale von Wohlbefinden und Stress
beim individuellen Kind, besonders wenn es speziellenFörderbedarf hat.
• Ein Training für verantwortliche Elternschaft und angemesseneErregungsregulierung.
• Genügend Zeit für feinfühlige Interaktionen organisieren. • Eine angemessene Vertretung für finding an adequate substitute
caregiver for times when the mother cannot care for the young child themselves, and allowing to do so.
• understanding her / his own personal history, including attachment problems resulting from her / his own childhood as well as integrating traumatic experiences. This will include, inmost cases, psychotherapy or counselling by a different person from the Early Intervention professional.
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PrimPrimääre Prre Prääventionvention
• Finnland: Neuvola-Programm
• SAFE (Brisch)primäres Präventionsprogramm mit dem Namen „SAFE® - Sichere Ausbildung für Eltern“ entwickelt, das spezifisch – eine sichere Bindungsentwicklung zwischen Eltern
und Kind fördern, – die Entwicklung von Bindungsstörungen verhindern
und ganz besonders – die Weitergabe von traumatischen Erfahrungen über
Generationen verhindern soll.
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BewBewäährte Elternhrte Eltern--TrainingsTrainings--ProgrammeProgramme
• “Entwicklungspsychologische Beratung für junge Eltern”, ein umfassendes, video-basiertes Programm zurFörderung mütterlicher Feinfühligkeit und zur Beratungjunger Eltern. Schlüsselworte sind: Sehen – Verstehen –Handeln….
• “STEEP”-Program (Steps toward effective and enjoyableparenting) by M. Erickson & B. Egeland (2002) ist deram meisten verbreitete Ansatz in der anglo-amerikanischen Sphäre.
• “Circle of Security”, by R. Marvin (2002), ein neuerer, ebenfalls erfolgreicher Ansatz und ein exzellentvisualisiertes Programm, das auf leicht verstäbdlichenMetaphern basiert und als Gruppeninterventionkonzeptualisiert ist.
- Ziegenhain, U, Fries, M, Bütow, B, Derksen, B ( 2004): Entwicklungspsychologische Beratung für junge Eltern, Weinheim- Erickson, M, Egeland, B, Simon, J & Rose, T.K.(2002) STEEP Facilitator’s guide. University of Minnesota, Minneapolis, MN- Marvin, R., Cooper, G., Hoffman, K. and Powell, B. (2002) "The Circle of Security project: Attachment-based intervention with caregiver – pre-
school child dyads". Attachment & Human Development 4; 1: 107–124
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 103
EffektivitEffektivitäät von Interventionent von Interventionen• Bakermans-Kranenburg et al. (2003) untersuchten in einer Metaanalyse die
Effektivität präventiver und therapeutischer Interventionen, die auf eineVerbesserung der elterlichen Feinfühligkeit und der kindlichenBindungssicherheit zielten.
• Es wurden 70 Studien einbezogen, die 88 Interventionseffekte auf Feinfühligkeit (n = 7,636) und/oder Bindung (n = 1,503) aufzeigten.
• Randomisierte Interventionen erschienen ziemlich effektiv im Hinblick auf die Veränderung nichtfeinfühliger Eltern (d = 0.33) and kindlicherBindungsunsicherheit (d = 0.20).
• Die effektivesten Interventionen umfassten eine moderate Anzahl von Sitzungen und hatten einen eindeutigen Focus auf das Verhalten (in Familien mit oder ohne vielfältige Probleme).
• Interventionen, die effektiver die Feinfühligkeit verbesserten, waren das auch in Bezug auf die Bindungssicherheit, was die Annahme der kausalenRolle der Feinfühligkeit beim Bindungsaufbau stützt.
• Es ist ermutigend, dass therapeutische Interventionen wirklich helfen, und dass unsichere Bindungsmuster in sichere verwandelt werden können!
[1] Bakermans-Kranenburg MJ, van IJzendoorn MH, Juffer F. (2003) Less is more: Meta-analyses of sensitivity and attachment interventions in early childhood. Psychological Bulletin;129 (2):195-215.
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 104
„„B.A.S.E.B.A.S.E.®® -- BabywatchingBabywatching gegen Aggression und Angst gegen Aggression und Angst zur Fzur Föörderung von Sensitivitrderung von Sensitivitäät und Empathiet und Empathie““• Sekundäre Prävention von aggressiven und ängstlichen
Verhaltensstörungen bei 3-6-jährigen Kindergartenkindern im Sinne einer besseren Feinfühligkeit und Empathiefähigkeit.
• Kinder mit fehlender oder wenig ausgeprägter Empathiefähigkeit verhalten sich in Konflikten häufiger aggressiver gegenüber Gleichaltrigen und sind häufiger unsicher gebunden (Parens et al., 1995; Suess et al., 1992).
• Kinder, die nach frühen Traumatisierungen eine Bindungsstörung entwickelten, haben extreme Schwierigkeiten,sich in die Fühl- und Denkwelt von anderen hineinzuversetzen (Fonagy, 2003).
• In diesem Programm, das auf den Arbeit von Henri Parens beruht, beobachten 3-6jährige Kinder über den Zeitraum von ca. einem Jahr eine Mutter mit ihrem Säugling.
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 105
KrippenerziehungKrippenerziehung• …ist nicht an sich nützlich oder schädlich für das Kind
• „….es kommt darauf an, was man daraus macht!“
• Risiken: – Zu früher Beginn– Zu lange Dauer– Unzureichende und instabile Personalausstattung
– Überbetonung von kognitiven Aspekten des Lernens
Die Kraft der frühen Bindung - Schwerin - 11.09.2010 Alexander Trost 106
Krippenerziehung Krippenerziehung -- ambivalentambivalent• Verlässlicher Mutterersatz mildert Trennungsstress und Trennungsschrecken.
• Ambivalenz: geliebtes Kind vs. „erfolgsverzögerndes Hindernis in Berufswelt“ (A.-K-Scheerer) achten, nicht Gegnerschaft schüren.
• ZeitRechnungen: Mutter- (Eltern-)Zeit vs. ArbeitsZeit, dazwischen „Übergangszeit“für Kind und Mutter.
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Krippenerziehung Krippenerziehung -- professionellprofessionell
Wie muss eine professionelle Betreuungsinstitution beschaffen sein, um den Stress der Kinder beim (vorübergehenden) Verlust der sicheren Bindung zu lindern?
- Räume
- Zeiten
- Triadische Beziehung
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Krippenerziehung Krippenerziehung -- professionellprofessionellIn einer guten Krippe - nennen wir sie ruhig unsere Modell-Krippe - arbeiten Menschen, die den kleinen Kindern - deren Lebensalter angemessen - durch ihre Handlungen, ihre Blicke und ihre Stimme vermitteln:
• …dass sie Zeit genug haben, sich dem Eingewöhnungs- und Kennenlerntempo des Kindes anzupassen;
• dass sie die Anwesenheit der Eltern dabei nicht nur tolerieren, sondern unterstützen;
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Krippenerziehung Krippenerziehung -- professionellprofessionell
• …dass sie die Bindung des Kindes an seine Mutter respektieren und stärken und im Sinne der Mutter handeln, die gerade nicht für ihr Kind sorgen kann;
• dass sie sich nicht als Rivalen oder Konkurrenten der Mutter verstehen;
• dass sie wissen, wie das Kind, je länger die Trennung andauert, die Mutter schmerzlich vermisst und daher umso verlässlicher psychisch und physisch anwesend sein müssen;
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Krippenerziehung Krippenerziehung -- professionellprofessionell
• …dass sie es als ihre wichtigste Aufgabe begreifen, den kindlichen psychophysischen Organismus vor Erschütterungen und Angstüberflutungen durch Verlassenheitsgefühle zu schützen, und dass sie alles dafür tun, das keimende Selbstwertgefühl des Kindes zu stärken und zu bestätigen;
• dass sie das Kind niemals aggressiv und abfällig behandeln werden;
• dass sie wissen, in wie hohem Maße das kindliche Gehirn in seiner Entwicklung von Ruhe und das Wohlgefühl stimulierenden Wiederholungen abhängig ist. (A.-K.Scheerer, 2009)
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OrientierungsleitfadenOrientierungsleitfaden
GAIMH (Hrsg.):
Verantwortung für Kinder unter drei Jahren
Download: www.gaimh.org
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ContainmentContainment
• Einer erfolgreichen Bindung an ErzieherInnenmuss ausreichendes Containment des kindlichen Erlebens vorausgehen, um einen emotionalen Zusammenbruch und den Rückzug aus den notwendigen Anpassungsprozessen zu verhindern.
• Erzieherinnen müssen gerade in der Anfangsphase dem Kind voll zur Verfügung stehen
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ContainmentContainment
• Angemessenes Containment ist Vorbedingung für das Entstehen gelungener Bindungen und eines Sicherheitsgefühls.
• In hochprofessioneller Tagesbetreuung von Kleinstkindern dauert der vierphasige Anpassungsprozesses des Kindes optimalerweise 6 –8 Wochen
• Containment muss auch den Eltern gelten!(Bailey, A.K, 2008)
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FFöörderung der Bindungsentwicklungrderung der Bindungsentwicklung
...heisst
• Langatmiges Beziehungsangebot („Wir kriegen keine Kinder mehr groß!“)
• Kein Kind fällt raus! Kein Kind muss mit 18 raus!• Affektive Kommunikation ist entscheidend, aber:• Allzu intensive (negative) Affekte vermeiden• Bindungsperspektive auch in der Zusammenarbeit mit den
Jugendämtern, Gerichten, usw…• Bindungsperspektive auch in der Zusammenarbeit mit den
Eltern: Alle Kinder sind loyal zu ihren Eltern(-teilen)
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FFöörderung der Bindungsentwicklungrderung der Bindungsentwicklung
...braucht institutionelle Voraussetzungen:
• Gut ausgebildete MitarbeiterInnen,
• Persönliche Stabilität
• Professionalität und Liebe
• Möglichst Ersatz-Eltern-Paare!
• Rechtliche Sicherheiten
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FFöörderung der Bindungsentwicklungrderung der Bindungsentwicklung...braucht Unterstützungssysteme:
• Erholung /Kraftquellen: ausgeruhte MitarbeiterInnen ertragen schwierige PatientInnen besser!
• Genug Personal, auch für die sehr schwierigenPatientInnen, administrative Entlastung
• Intensive, menschliche Begleitung durch Vorgesetzte / Bereichsleiter (am besten tiefenpsychologisch-systemisch geschult)
• Supervision der Teams zur Klärung von heftigen Affekten, von Kooperations- und Machtfragen, zur Verbesserung des dialogischen Miteinanders, zur Entlastung in Krisen
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Implikationen der Bindungstheorie fImplikationen der Bindungstheorie füürrdie Praxisdie Praxis
1. MitarbeiterIn als sichere Basis für Kinder/Jugendliche.2. Exploration der Beziehungen zu wichtigen Bezugspersonen.
Keine Entwertung von Bezugspersonen!!!3. Überprüfung der pädagogischen Beziehung.4. Fokus auf Zusammenhängen zwischen gegenwärtigen &
früheren Beziehungserfahrungen & Überprüfung alter Muster.
5. Unterstützung des PatientIn bei der Verarbeitung seiner Affekte.
6. Berücksichtigung von Beziehungs-TraumataZ. B. Verluste, Gewalt (auch: inherited traumata)
Bowlby, 1988; Brisch, 1999; Bräutigam, 1991; Holmes, 1996;Strauß & Schmidt, 1997; Sydow, 2002.
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Konsequenzen fKonsequenzen füür (Frr (Früühh--) ) PPäädagogikdagogik
• Positive Lernstrategien: Dopamin!
• Somatische Marker beachten
• Emotionale Einbettung (auch der Eltern!)
• Imitation als hoch potenten Lernfaktor nutzen
In Anlehnung an: Michaelis, R., 2006
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Welche Form des (therapeutischen) Bündnisses ist für eine Frau in der Mutterschaftskonstellation angemessen und hilfreich?
Die „Gute-Großmutter-Übertragung“
…..der Wunsch, von einer mütterlichen Gestalt geachtet zu werden, Unterstützung und Beistand zu finden, von ihr lernen zu können und von ihr anerkannt zu werden…… (Stern 1998)
TherapeutInnen, SozialarbeiterInnen und andere HelferInnen sollten diese Wünsche wahrnehmen, als adäquat bewerten und möglichst auch erfüllen, die GGÜdamit annehmen, und mit ihr die Arbeitsbeziehung zu der Mutter-Kind-Dyade gestalten.
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BindungsaufbauBindungsaufbau
• Der Aufbau einer Bindung zu einer sekundären Bindungsperson ist möglich und kann eine neue sichere Basis geben!
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FrFrüühinterventionhintervention
• Düsseldorfer Hochrisikoprojekt
• Potsdamer Frühinterventionsprojekt
• Stuttgarter Kinderschutzbogen für Kinderärzte
• Schreiambulanzen
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notabene!notabene!• Inadequat gehändelte Babies reagieren oft sehr
positiv auf ein responsives und feinfühligesKontaktangebot der TherapeutIn.
• Professionelle Helfer sollten die Schamgefühle derMütter respektieren, sie benötigen oft Entlastung, nicht noch höhere Anforderungen.
• Es ist wichtig, die Kompetenzen der Mutter zustärken und nicht zu demonstrieren, dass die HelferIn besser ist .
• Therapeutische Aktionen müssen deshalb die Mutter mit einschließen
• ….dazu braucht die TherapeutIn eine gründlicheSchulung!
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BindungsorientierteBeratung & Psychotherapie
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ErgebnisseErgebnisse derder BielefelderBielefelder und und RegensburgerRegensburger LLäängsschnittstudienngsschnittstudien
• Elterliche Feinfühigkeit, Unterstützung und Akzeptanz der Mutter ebenso wie die des Vaters haben von frühester Kindheit an einenwesentlichen Einfluss auf die Fähigkeit, enge Bindungeneinzugehen.
• Der tatsächliche Umgang der Eltern mit dem Kind formtmaßgeblich seinen beobachtbaren Umgang mit anderen und seinen gedanklichen Umgangmit negativen Gefühlen und Herausforderungen, die es selbst nicht meistern kann.
• Die Erlebnisse des Kindes mit jedem Elternteil sind zu jedemAltersabschnitt wichtig: in der Kleinkindzeit, in der mittlerenKindheit, wie im Jugendalter.
• Kinder, die mithilfe ihrer Eltern eine Strategie gelernt haben, mitnegativen Ereignissen kommunikativ offen, gefühlsadäquatumzugehen, und sich helfen zu lassen, entwickeln ein klares, differenziertes inneres Modell von Bindung und Partnerschaft, das ihnen psychische Sicherheit gibt
Grossmann, K & K, 2004)
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Transmission von Bindung: - v. Ijzendoorn (1995) Metaanalyse von18 Studien ergab für
Mütter/Kinder eine Korrespondenz von 75 % (sicher/unsicher) bis 68% ( sicher / uns. abw. / uns. Verstr./ unverarbeitet), retrospektive und prospektive Studien
- neuere Studien u.a. der Arbeitsgruppe um G. Gloger-Tippelt
ergaben noch höhere Korrespondenzen (bis 87% {s/u}) - Väter-Kinder-Korrespondenz ähnlich, etwas schwächer, mit
Tendenz zu gleichen Ergebnissen
"Transmission Gap" ...die Lücke zwischen 68-75 und 100% Übereinstimmung, wahrscheinlich durch Prozesse der Selbstreflektion ( auch Psychotherapie u.ä.) bei den Bezugspersonen (Tendenz zum Besseren......) bedingt
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Bindung & Psychotherapie• Hypothese: erfolgreiche Therapie -> erhöhte
Bindungssicherheit (Strauß & Schmidt, 1997) • bisher kaum erforscht• Langzeit-PT: bei 30-40% erhöhte
Bindungssicherheit• evtl. differentieller Therapieerfolg je nach
Bindungshaltung (stationär: Vermeidende mehr Erfolg als Ambivalente).
• Es gibt erste spezielle Bindungstherapien in den USA - oder ist jede gute Therapie auch Bindungstherapie?!
Attachment Based Family Therapy (ABFT; Diamond et al: s. Sydow et al, 2007)
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Bindungstyp und Gegenübertragung
Sicher Allzu sicher... Unsicher Vermeidend werbend, zuviel Nähe..,
latente Abwertung Unsicher ambivalent Rückzug Zuviel Abstand Gegenaggression Desorganisiert/unverarbeitet: Entmündigung des Gegenübers durch
zuviel Strukturvorgabe und Übernahme von Verantwortung
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Lösungsorientierter Umgang mit unsicheren Bindungsmustern in der Therapeutischen Beziehung Generell: Akzeptanz und Positive Konnotation des gezeigten Bindungsmusters Unsicher-abwehrend: Gemeinsame Suche nach einem Auftrag Autonomie betonen Unsicher-präokkupiert: Verständnis, keine forcierten Lösungen, Wahrnehmung für Ausnahmen fördern Unverarbeiteter Bindungsstatus: Sinnstrukturen im Chaos entdecken Beispiele für Autonomie und Stärke finden Halt und Struktur geben
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Organisation der
Veränderungsschritte: Förderung von Neugier, Exploration, Kreativität
Organisation der Struktur:Leitung, Regeln, Räume, Zeiten, VerlässlichkeitGrenzen
Organisation der
Begegnung:
analoge Kommunikation, Affektivität, emotionale Einbettung
Lösungen finden:
Ziele finden: Vision induzierenSpiel-Räume eröffnenAlternativen erarbeiten RessourcenperspektiveSelbstwirksamkeitLösungsorientierter Ansatz
Loslassen
Bindung anbieten
- Sichere Basis vermitteln:- analoge Verständigung
- affektive Kommunikation- Spannungsregulierung-"Verständnis", emotionale Entlastung- entwicklungs-psychologische Perspektive
- Anerkennung als Person
Halt geben
-Zeit und Raum geben-Verantwortung klären-Begrenzungen aufzeigen-Grund-Haltung (meine Werte und Glaubenssätze-Pädagogische Perspektive-Interdisziplinarität
→ Übertragung + Gegenübertragung des Bindungsmodus und der Bindungsrepräsentation beachten
(Vergangenheitsorientierung) (Gegenwartsorientierung)
(Zukunftsorientierung)Ein Navigationsmodell für die bindungsorientierte systemische Beratung
Kontext-Interventionen
→ Mutterschaftskonstellation beachten!