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Claudia Vogel

Familiale Generationenbeziehungen russischsprachiger

Migranten – Forschungsstand und Forschungsbedarfe

Empirische

Alternsforschung

und

Forschungs-

methoden

Working Paper Nr. 9

April 2011

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IMPRESSUM

Working Paper Nr. 9

April 2011

Zentrum Altern und Gesellschaft, Vechta

Empirische Alternsforschung und Forschungsmethoden

Die »Beiträge des Zentrums Altern und Gesellschaft« werden herausgegeben von

Prof. Dr. Gertrud M. Backes

Kontakt:

Universität Vechta

Zentrum Altern und Gesellschaft

Driverstr. 22

D-49377 Vechta

Tel.: +49(0)4441/15-233

Fax: +49(0)4441/15-614

Email: [email protected]

Web: http://www.zag.uni-vechta.de

ISSN 1869-0009

© bei Autorin 2011 – Alle Rechte vorbehalten.

Zitierweise:

Vogel, Claudia (2011): Familiale Generationenbeziehungen russischsprachiger Migranten –

Forschungsstand und Forschungsbedarfe. Zentrum Altern und Gesellschaft, Working

Paper Nr. 9. Vechta: Universität Vechta.

Autorin:

Dr. Claudia Vogel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Fachgebiet Empirische

Alternsforschung und Forschungsmethoden, Institut für Gerontologie und Zentrum Altern

und Gesellschaft, Universität Vechta

Email: [email protected]

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ZUSAMMENFASSUNG

Migrationsentscheidungen basieren in der Regel auf der Hoffnung nach einem besseren Leben

für sich und seine Familie. Tatsächlich wirkt sich die Entscheidung, dauerhaft in einem anderen

Land zu leben, etwa in der Bundesrepublik Deutschland, auf die gesamte Familie aus, und ins-

besondere auf die intra- sowie intergenerationalen Beziehungen zwischen den Familienmitglie-

dern. In diesem Bericht steht die Frage im Vordergrund, welche Auswirkungen die Migrations-

erfahrung bzw. die durch das Leben in einer fremden Heimat gekennzeichnete Migrationssitua-

tion im Einzelnen auf die Familienbeziehungen und insbesondere auf die Generationenbezie-

hungen in den Familien der Aussiedler haben. Werden die Familienbeziehungen durch die Mig-

ration geschwächt oder gestärkt? Am Beispiel der russischsprachigen Migranten, die aus den

Gebieten der ehemaligen Sowjetunion in die Bundesrepublik gekommen sind – als Aussiedler

oder jüdische Migranten – wird im Folgenden der aktuelle Stand der Forschung skizziert, um

darzustellen, welche Befunde für bzw. gegen die Solidarisierungsthese sprechen und welche

spezifischen Forschungsbedarfe sich hieraus bezüglich der Ausgestaltung bzw. Belastbarkeit der

Generationenbeziehungen in der Migration ergeben.

ABSTRACT

The decision to migrate is typically based on the hope to find a better life for you and your fami-

ly. Indeed, the decision to live in another country, e.g. in Germany, affects every member of the

family and especially, the relationship between members of different generations. In this study,

the consequences of international migration on the intra- and intergenerational relationships

within families are studied for the group of Aussiedler (ethnic Germans which “have returned”

to Germany). Are the relationships between family members more burdened or on the contrary

less burdened after migration? For Russian-speaking migrants, who have migrated to the Fed-

eral Republic of Germany from the former Soviet Union – most of them as Aussiedler and their

family members, some of them as Jewish migrants – the literature is reviewed to describe the

existing findings and the need for further research on intergenerational relationships of migrant

families.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ............................................................................................................................ 1

2 Russischsprachige Migranten ............................................................................................. 3

2.1 Aussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge ......................................................... 3

2.2 Russischsprachige Migranten im Spiegel der amtlichen Statistik .............................. 5

2.3 Auswahl vorliegender Studien ................................................................................... 8

2.3.1 Zu Aussiedlern in Deutschland ........................................................................ 9

2.3.2 Vergleichende deutsch-russische Projekte .................................................... 10

2.3.3 Vergleichende deutsch-israelische Projekte.................................................. 10

2.4 Vergleichsperspektiven ............................................................................................ 11

3 Wandel der Familienbeziehungen ................................................................................... 13

3.1 Einstellungen zur geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung ....................................... 14

3.2 Einstellungen zur Pflege älterer Familienangehöriger ............................................. 16

3.3 Familienstrukturen & familiale Netzwerke .............................................................. 17

3.4 Wohnsituation .......................................................................................................... 19

3.5 Generationenbeziehungen ....................................................................................... 20

3.6 Russischsprachige Migrantenfamilien und der Wohlfahrtsstaat ............................. 20

4 Zusammenfassung und Ausblick ...................................................................................... 22

4.1 Zusammenfassung .................................................................................................... 22

4.2 Ausblick .................................................................................................................... 23

5 Literatur ............................................................................................................................ 24

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Familiale Generationenbeziehungen russischsprachiger Migranten

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1 Einleitung

Migrationsentscheidungen basieren in der Regel auf der Hoffnung nach einem besseren

Leben für sich und seine Familie, vor allem für die Kinder und die nachfolgenden Genera-

tionen (vgl. Dietz 2007: 400; Ingenhorst 1997: 159ff).1 Der Preis für diese bessere Zukunft

aber steht nicht fest, schließlich wirkt sich die Entscheidung, dauerhaft in einem anderen

Land zu leben, etwa in der Bundesrepublik Deutschland, auf die gesamte Familie aus. Die

Kosten, um im Bilde zu bleiben, sind von allen Familienmitgliedern zu tragen, und zwar

unabhängig davon, ob die Einzelnen selbst auch wandern oder aber am Herkunftsort zu-

rückbleiben. Die Kinder der „Gastarbeiter“ sind in der Regel ohne die räumliche Nähe zu

ihren Großeltern aufgewachsen, weil letztere in der Türkei, in Italien oder in Griechenland

blieben, als ihre Söhne nach Stuttgart oder Dortmund gingen, um in Deutschland Geld zu

verdienen.

Tatsächlich können sich Migrationsentscheidungen über viele Generationen hinweg auf

Familienmitglieder und deren intra- sowie intergenerationalen Beziehungen auswirken.

Die Familien von Aussiedlern bzw. Spätaussiedlern aus den Nachfolgestaaten der ehema-

ligen Sowjetunion stehen exemplarisch hierfür, schließlich stammen sie selbst von „deut-

schen Migranten“ ab, die zum Teil schon vor über 200 Jahren in Richtung Russland aufge-

brochen waren. Heute wandern sie als „russische Migranten“ nach Deutschland ein, und

so die These dieses Artikels, wieder müssen die intergenerationalen Beziehungen in den

Familien der neuen Migrationssituation angepasst werden und verändern sich dadurch.

Auch wenn Aussiedlerfamilien heute möglicherweise häufiger im Familienverbund ein-

wandern bzw. nach Deutschland „zurückkehren“ als etwa Arbeitsmigranten (vgl. Dietz

2007), stellt sich die Frage, welche Auswirkungen die Migrationserfahrung bzw. die durch

das Leben in einer fremden Heimat gekennzeichnete Migrationssituation im Einzelnen auf

die Familienbeziehungen und insbesondere auf die Generationenbeziehungen in den Fa-

milien der Aussiedler haben? Grundsätzlich sind zwei sich gegenseitig ausschließende

Szenarien denkbar:

(1) Die Familienbeziehungen intensivieren sich nach der Einwanderung, da die gegen-

seitige Unterstützung von größter Bedeutung ist in der Migrationssituation und

innerhalb der Familie mangelnde Kontakte zu Nachbarn oder Freunden kompen-

siert werden (Solidarisierungsthese). Tatsächlich könnte die Wanderung die Ab-

1 Dieser Bericht ist nicht ohne Zutun meiner Kolleginnen und Kollegen im Institut für Gerontologie

der Universität Vechta entstanden, bei denen ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken möchte,

insbesondere bei Janine Harsch für ihre gründliche Recherche und bei Claudia Kaiser, Petra Okken,

Nele Tanschus, Elena Sommer und Harald Künemund für die fruchtbaren Diskussionen.

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hängigkeit von familialer Hilfe vergrößern, da andere – lokal gebundene – Hilfen,

etwa von Freunden und Nachbarn nicht mehr zur Verfügung stehen. Allerdings

kann dieser Hilfebedarf nur gedeckt werden, wenn andere Familienmitglieder

ebenfalls in Deutschland und möglichst in derselben Region leben und somit hel-

fen können. Gleichzeitig suchen die einheimischen Deutschen möglicherweise

nicht unbedingt den Kontakt zu zugezogenen Aussiedlern, die eher als die „Rus-

sen“ wahrgenommen werden, so dass neue Freundes- und Nachbarschaftsnetz-

werke nur langsam entstehen.2

(2) Die Familienbeziehungen werden durch die Einwanderungserfahrung bzw. die

Einwanderungssituation geschwächt (Entsolidarisierungsthese). Dies könnte zum

einen aus strukturellen Gründen eintreten, etwa weil die geographische Distanz zu

Angehörigen nun größer ist, wenn manche Familienmitglieder im Herkunftsland

zurückgelassen werden oder sich auf verschiedene Orte in Deutschland verteilen,

etwa aufgrund der Wohnortszuweisung. Zum anderen ist eine Schwächung der

Familienbeziehungen aus Gründen der Integration zu befürchten, wenn etwa Hilfe

und Unterstützung möglicherweise nicht eingefordert werden kann, um den eige-

nen Migrationserfolg nicht in Frage zu stellen. Wenn es sich z.B. aber als schwierig

erweist, einen Arbeitsplatz zu finden oder eine Berufsausbildung abzuschließen,

können in der Migrationssituation familiale Konflikte entstehen, die sich häufig

auch zwischen Angehörigen verschiedener Generationen niederschlagen, wenn

etwa unterschiedliche Einstellungen über die Integrationsgesellschaft sichtbar

werden. Insgesamt könnte sich die Migrationssituation somit als Belastung und

möglicherweise Überlastung für die Familien- und Generationenbeziehungen er-

weisen.

Am Beispiel der russischsprachigen Migranten, die aus den Gebieten der ehemaligen Sow-

jetunion in die Bundesrepublik gekommen sind – als Aussiedler oder jüdische Migranten –

möchte ich im Folgenden den Forschungsstand skizzieren, um darzustellen, welche Be-

funde für bzw. gegen die Solidarisierungsthese bei Familien mit Migrationserfahrung

sprechen und um zu skizzieren, welche spezifischen Forschungsbedarfe sich hieraus be-

züglich der Ausgestaltung bzw. Belastbarkeit der Generationenbeziehungen in der Migra-

tion ergeben. Zunächst erfolgen jedoch eine Erläuterung der zentralen Begriffe und Grup-

pendefinitionen sowie ein Überblick zu den Größenverhältnissen der Zuwanderungsströ-

me russischsprachiger Migranten in die Bundesrepublik Deutschland.

2 Vgl. Schwäbische Zeitung, 2.8.2010, „Ida Jobe ist die gute Seele der Russlanddeutschen“. Jobe ist

Spätaussiedlerin aus Kasachstan und engagiert sich ehrenamtlich im Übergangswohnheim für die

Deutschen aus Russland. In dem genannten Zeitungsartikel ärgert sie sich, dass die Schwäbische

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Familiale Generationenbeziehungen russischsprachiger Migranten

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2 Russischsprachige Migranten

Das Label russischsprachige Migranten wird in dieser Studie aufgrund der Heterogenität

der betrachteten Einwanderergruppen als Sammelbegriff verwendet, der zur Vereinfa-

chung für die Leserschaft auch gleichermaßen Migrantinnen und Migranten umfassen

soll. Der kleinste gemeinsame Nenner besteht – neben der Einwanderungserfahrung in

der Bundesrepublik – in dem Herkunftskontext aus Gebieten der ehemaligen Sowjetunion

und in langjähriger Sozialisationserfahrung in einer sozialistisch geprägten Gesellschaft.

Für die Gruppe der deutschstämmigen Migranten wird hier der Oberbegriff Aussiedler

verwendet, der auch die Spätaussiedler mit einschließt. In der Literatur wird für diese

Gruppe auch häufig synonym der Begriff Rußlanddeutsche verwendet. Die Bezeichnung

russischsprachige Migranten ist jedoch weiter gefasst und meint auch russischstämmige

Familienangehörige, sonstige russischsprachige Zuwanderer (z.B. Studierende, Arbeits-

migranten und Asylbewerber) und jüdische Einwanderer aus den Nachfolgestaaten der

ehemaligen Sowjetunion, die heute in Deutschland leben.

2.1 Aussiedler und jüdische Kontingentflüchtlinge

Aussiedler sind Personen, die auf Basis des Bundesvertriebenengesetzes von 1953 bzw.

des Kriegsfolgenbereinigungsgesetzes von 1993 – seither wird die Bezeichnung Spätaus-

siedler verwendet – nach Deutschland einwandern (Dietz 2007: 398). Sie stammen in der

Regel aus den Ländern der ehemaligen Sowjetunion (insbesondere Kasachstan und Mit-

telasien), aber auch aus Polen und Rumänien, wo sie als deutsche ethnische Minderheit

lebten, bevor sie nach Deutschland „zurückkehrten“ (vgl. Dietz & Hilkes 1992: 57). Häufig

wandern sie nicht alleine, sondern im Familienverbund, oder sie folgen Familienmitglie-

dern nach, die bereits früher nach Deutschland kamen (vgl. Bauer & Zimmermann 1997).

Zum Teil wandern die Deutschstämmigen auch gleichzeitig gemeinsam mit Familienmit-

gliedern nicht-deutscher Herkunft nach Deutschland ein, was sehr folgenreich für die In-

tegration hierzulande sein kann, insbesondere, wenn sich dadurch die rechtliche Stellung

der einzelnen Familienmitglieder bezüglich des Zugangs zu sozialstaatlichen Transferleis-

tungen unterscheidet (vgl. Dietz 2007). Dabei wurde der Zuzug von Aussiedlern mehrfach

neu geregelt und zuletzt auf ausländische Ehepartner, Eltern und minderjährige Kinder

beschränkt (Harris 2003: 258ff).

Im Unterschied dazu kommen die Einwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion mit jüdi-

schen Wurzeln auf Basis des Kontingentflüchtlingsgesetzes (Regelung seit 1991) nach

Zeitung zu einer anderen Gelegenheit getitelt hatte „Russen wollen Deutsche werden“, und sagt:

„Wir sind schon Deutsche. Wir müssen das nicht erst werden.“

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Deutschland (Harris 2003: 247). Seit 2005 gelten für jüdische Migranten die neuen Be-

stimmungen des Zuwanderungsgesetzes, neben der jüdischen Herkunft müssen weitere

Belege erbracht werden, etwa darüber, seinen Lebensunterhalt in der Bundesrepublik ei-

genständig sichern zu können, sowie über Deutschkenntnisse und die Option, in eine jüdi-

sche Gemeinde aufgenommen zu werden (Bade & Oltmer 2007: 167). Einmal abgesehen

von der vergleichsweise jungen Einwanderungsgeschichte der russischsprachigen Juden

weist ihre Migrationserfahrung neben der geographischen Herkunft noch weitere Paralle-

len mit derjenigen der Aussiedler auf (vgl. Bade & Oltmer 2007: 166ff): Beide Gruppen

von Einwanderern haben Zugang zu umfangreichen Leistungen nach dem Bundessozialhil-

fegesetz und sind arbeitsberechtigt. Zudem unterscheiden sie sich in ihren Wanderungs-

motiven sowohl von den „klassischen“ Arbeitsmigranten (z.B. den „Gastarbeitern“ aus Ita-

lien, Griechenland und der Türkei) als auch von Asylbewerbern und anderen weniger pri-

vilegierten Einwanderungsgruppen in der Bundesrepublik (vgl. zur Migrationserfahrung

jüdischer Kontingentflüchtlinge in Deutschland etwa Doomernik 1997, Schoeps et al.

1999, Haug & Wolf 2007).

Die Einwanderungssituation der russischen Juden in Deutschland und der Aussiedler weist

allerdings auch Unterschiede auf (für eine ausführliche Beschreibung der Einwanderungs-

prozesse von der Antragstellung bis zum privaten Wohnsitz in Deutschland siehe Harris

2003): Aussiedler sind deutsche Staatsangehörige und erhalten nach Ankunft einen deut-

schen Pass.3 Jüdische russischsprachige Migranten werden dagegen nicht sofort deutsche

Staatsbürger, als Flüchtlinge nehmen sie jedoch einen Status ein, der ihnen nach sieben

Jahren Aufenthalt in Deutschland den deutschen Pass garantiert (Harris 2003: 249). Politi-

sche Legitimationsbasis der Einwanderungspraxis für diese beiden Gruppen liegt offen-

sichtlich in einer jeweils spezifischen historischen Verantwortung Deutschlands.

Aus Studien in Israel ist bekannt, dass die russische Sprache für die heterogene Gruppe

der Einwanderer aus Gebieten der ehemaligen Sowjetunion zentrale Bedeutung hat für

die alltägliche Kommunikation und insbesondere für die Identitätsbildung in Israel (Niznik

2003: 368). Auch in Deutschland dient die russische Sprache als Kommunikationsgrundla-

ge in den verschiedenen Migrantengruppen, schließlich ist Deutsch auch in der Gruppe

der Aussiedler nicht für alle unter ihnen Muttersprache und insbesondere mit russisch-

stämmigen Ehepartnern und Familienmitgliedern wird in Russisch kommuniziert. Hierbei

zeigen sich zudem große Unterschiede zwischen den Generationen, wobei die älteren

Generationen tendenziell häufiger deutschsprachig aufgewachsen sind (vgl. z.B. Wierling

3 Da in der amtlichen Statistik selten unterschieden wird zwischen Staatsbürgern, die in Deutschland

bzw. in anderen Ländern geboren wurden, ist diese Zuwanderergruppe – als Deutsche in Deutsch-

land – häufig nicht sichtbar. Allerdings zeigen verschiedene Studien über Identität, dass es durch-

aus gerechtfertigt erscheint, Russlanddeutsche als kulturelle Gruppe zu differenzieren (vgl. z.B.

Reitemeier 2006).

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2004). In Deutschland gaben von 250 befragten jugendlichen Aussiedlern nur eine Min-

derheit von 8 Prozent an, in ihrer Familie ausschließlich deutsch zu sprechen (Dietz & Roll

1998: 81), so dass auf eine zentrale Bedeutung der russischen Sprache für die Generatio-

nenbeziehungen in der Gruppe der Einwanderer geschlossen werden kann. Gleichzeitig

bestehen offensichtlich zusätzliche Unterschiede im Herkunftskontext einzelner Gruppen

von Zuwanderern, die in ihrer Muttersprache (z.B. russisch oder polnisch) bzw. ihrem Dia-

lekt wie dem Banatschwäbischen zum Ausdruck kommen (vgl. Dietz & Hilkes 1992).

2.2 Russischsprachige Migranten im Spiegel der amtlichen Statistik

Zwischen 1985 und 2006 kamen insgesamt fast 4 Millionen Aussiedler nach Deutschland

(vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2006). Aussiedler wanderten schon seit

1950 in die Bundesrepublik zu, jüdische Kontingentflüchtlinge erst seit 1990 (vgl. Dietz

2007). Damit stellen sie die größte Gruppe von Einwanderern in Deutschland dar seit der

Gründung der Bundesrepublik. Während zu Beginn der 1990er Jahre ein Großteil der Aus-

siedler aus Polen bzw. aus Rumänien stammte, kommt die Mehrheit heute aus den Ge-

bieten der Sowjetunion (Siehe Abbildung 2.1).

Abbildung 2.1: Zuzug von Aussiedlern nach Herkunftsländern

0

100.000

200.000

300.000

400.000

500.000

1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

Sonstige Länder Polen Ehem. Sowjetunion Rumänien

Quelle: Bundesverwaltungsamt. Eigene Abbildung.

Der Anteil der Aussiedler mit deutscher Herkunft ist in den vergangenen Jahren stark ge-

sunken, von 74 Prozent im Jahr 1993 auf 19 Prozent im Jahr 2004 (Dietz 2007: 401). Der

Zuzug von Aussiedlern wird künftig voraussichtlich vollständig auslaufen, da nach 1992

geborene Angehörige der deutschen Minderheit keinen Einwanderungsanspruch mehr

geltend machen können in der Bundesrepublik (Regelung bis 2010). Es ist offensichtlich,

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dass die Einwanderung der Aussiedler aber nicht nur aufgrund dieser rechtlichen Rege-

lungen auslaufen wird, sondern auch aufgrund des limitierten Potenzials an Deutsch-

stämmigen in den Herkunftsländern (Münz 2003: 270ff). Zunehmen könnten hingegen die

transnationalen Familienbeziehungen, auch aufgrund der durch erschwingliche Flugver-

bindungen erleichterten Mobilität und der verbesserten Kommunikationsmöglichkeiten

(z.B. via günstige Internet- und Telephontarife) sowie aufgrund doppelter Staatsbürger-

schaften (z.B. in Polen ungefähr 275.000 Personen im Jahr 1999, zitiert nach Münz 2003:

271).4

Abbildung 2.2: Altersstruktur der im Jahr 2006 zugezogenen Spätaussiedler im Vergleich

zur Gesamtbevölkerung des Jahres 2005

0 %

20 %

40 %

60 %

80 %

100 %

Aussiedler Gesamtbevölkerung

unter 18 18 bis 44 45 bis 64 65 und älter

Quelle: Bundesverwaltungsamt. Eigene Abbildung.

Die Aussiedler scheinen im Durchschnitt tendenziell jünger als die deutsche Bevölkerung

insgesamt zu sein, allerdings liegen die hier zitierten Zahlen nur für 2006 und nicht für die

großen Zuwandererkohorten zu Beginn der 90er Jahre vor, so dass sie nur mit Vorsicht in-

terpretiert und nicht verallgemeinert werden sollten (Siehe Abbildung 2.2). Nur 11 Pro-

zent in der Aussiedlerbevölkerung sind über 65-Jährige, aber ungefähr ein Fünftel in der

Gesamtbevölkerung (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 2006). Ingenhorst

(1997) weist allerdings darauf hin, dass ein „Verjüngungseffekt“ des Aussiedlerzuzugs nur

von geringer Dauer sein wird, weil die Fertilität in dieser Gruppe schon unter das bereits

niedrige Niveau der Bevölkerung in Deutschland insgesamt gefallen ist (Ingenhorst 1997:

125). Es ist also davon auszugehen, dass die Familien der Aussiedler zukünftig mit densel-

ben Herausforderungen des demographischen Wandels konfrontiert sein werden wie die

4 Zum Vergleich der Bedeutung des Transnationalismus bei russischen Einwanderern in Israel siehe

Remennick (2003).

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Familiale Generationenbeziehungen russischsprachiger Migranten

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bundesdeutsche Gesellschaft insgesamt. Anzunehmen ist auch, dass diese Entwicklung

bereits eingesetzt hat, schließlich wanderten die älteren Aussiedler tendenziell schon zu

Beginn der 1990er nach Deutschland ein, weil bei ihnen der Wunsch, nach Deutschland

„zurückzukehren“ und das Verbundenheitsgefühl zur „deutschen Heimat“ noch stärker

ausgeprägt war als bei den jüngeren Generationen der Deutschstämmigen.

Abbildung 2.3: Zuzug jüdischer Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion

0

5.000

10.000

15.000

20.000

25.000

30.000

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

Jüdische Migranten

Quelle: Bundesverwaltungsamt. Eigene Abbildung.

Jüdische Migranten aus der ehemaligen Sowjetunion sind in der Regel nach USA oder

nach Israel ausgewandert, Deutschland hat nichtsdestotrotz den drittgrößten Anteil auf-

genommen.5 Mittlerweilen sind ungefähr 200.000 jüdische Zuwanderer einschließlich

Familienangehörigen aus der ehemaligen Sowjetunion eingewandert (Siehe Abbildung

2.3). Außerdem sind die jüdischen Einwanderer durchschnittlich etwas älter und höher

gebildet als die Spätaussiedler (Dietz 2000: 643). Bislang ist aus den Daten der amtlichen

Statistik nur wenig über die russischsprachigen Migranten bekannt, auch deshalb, weil

diese Informationen in der Regel auf dem Konzept der Staatsbürgerschaft basieren,

während der Migrationshintergrund nur in den Zuwanderungszahlen erscheint, nicht

jedoch in Statistiken etwa zu Arbeitslosigkeit oder Steuereinnahmen. In den relevanten

vorliegenden Studien werden zusätzliche Informationen deshalb meist auf Basis eigener

Datenerhebungen gewonnen.

5 Der Staat Israel, der allen Juden ein Rückkehrrecht garantiert, hätte im Wettbewerb um die Zu-

wanderer gerne gesehen, dass Deutschland diese russisch-jüdischen Einwanderer ablehnt, was

aber aufgrund der Geschichte des 20. Jh. keine politische Option in der Bundesrepublik war (vgl.

z.B. Harris 2003).

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2.3 Auswahl vorliegender Studien

Das Forschungsinteresse an der Gruppe der (Spät-)Aussiedler war in den 1990er Jahren

besonders ausgeprägt, sicherlich aufgrund der sehr großen Zuwanderungskohorten um

den Zusammenbruch der Sowjetunion ab dem Jahr 1988 bzw. 1989, und ist in den ver-

gangenen Jahren deutlich abgeflacht. Nichtsdestotrotz sind zentrale Fragen, die von Be-

ginn der Aussiedlerzuwanderung an gestellt wurden, etwa nach der dauerhaften Integra-

tion sowie der Identitätsbildung in der fremden Heimat noch weitestgehend unbeantwor-

tet. Auch die Entwicklung der Familienbeziehungen und insbesondere der Generationen-

beziehungen sowie ausdrücklich das Phänomen des Alterns in der Migration sind in der

sozialwissenschaftlichen Forschung noch kaum beleuchtet und keinesfalls systematisch in

den Blick genommen worden. Zwar liegen grundsätzlich einige Forschungsarbeiten zu

Aussiedlern aus verschiedenen sozialwissenschaftlichen Disziplinen wie der Psychologie

und der Soziologie vor, auch Arbeiten von Historikern und Politikwissenschaftlern sowie

aus verwandten Disziplinen finden im Folgenden Berücksichtigung, sie lassen in ihrer

Bruchstückhaftigkeit jedoch kaum das Ableiten allgemeingültiger Schlussfolgerungen zu.

Zum Forschungsstand generell lässt sich festhalten, dass (1) insgesamt wesentlich mehr

qualitative als quantitative Studien zu Aussiedlern in Deutschland vorliegen, was offen-

sichtlich u.a. mit deren Minderheitenstatus zusammenhängt, der für die quantitative Un-

tersuchung in der Regel das Problem der zu geringen Fallzahlen in repräsentativen Stich-

proben aufwirft, wenn die russischsprachigen Migranten nicht übersampelt werden.

Gleichzeitig ist die Gruppe der Zuwanderer mit deutscher Staatsbürgerschaft häufig in

quantitativen Daten nicht zu identifizieren. (2) Es liegen mehrheitlich Qualifikationsarbei-

ten und kürzere Forschungsberichte vor – wovon nicht wenige durch Betroffenheit eines

oder mehrerer Autoren motiviert zu sein scheinen – deren Autoren häufig wohl auch auf-

grund finanzieller Restriktionen den Weg der qualitativen Forschung eingeschlagen ha-

ben, der durch den explorativen Charakter vieler Studien sicherlich zu rechtfertigen ist

(vgl. z.B. die Dissertationen von Griese 2006, Schnepp 2002 und Harris 1997 bzw. z.B. die

Abschlussarbeiten von Bastians 2004, Bauer 2007 und Helbig 2008). (3) Die Mehrheit der

Studien, die tendenziell deskriptiv und zugleich eher „theoriearm“ sind, beinhalten eine

kaum überschaubare Vielzahl an beschreibenden Einzelergebnissen.

(4) Thematisch liegen hauptsächlich Studien vor, die sich mit den Lebenschancen Jüngerer

bzw. der Bildungs- und Arbeitsmarktintegration von Aussiedlern beschäftigen. Aussiedler

in der zweiten Lebenshälfte finden hingegen bislang kaum Berücksichtigung, wobei auf

die Ausnahmen ausdrücklich eingegangen wird. Im Folgenden seien die wenigen vorlie-

genden quantitativen Studien, die in größeren Projektzusammenhängen entstanden sind,

kurz genannt. Für die Analyse der Familien- und Generationenbeziehungen relevante Ein-

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zelergebnisse finden sich hingegen in aller Ausführlichkeit in Kapitel 3 (dort wird entspre-

chend auf die wiederholte ausführliche Darstellung der Studien verzichtet).

2.3.1 Zu Aussiedlern in Deutschland

Das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung hat früh erkannt, dass die hohe Zahl der zu

Beginn der 1990er Jahre eingereisten Aussiedler Fragen der Integration in der bundes-

deutschen Gesellschaft aufwirft. Deshalb wurde bereits 1991 eine erste Befragung von

1.219 Aussiedlern durchgeführt, zu den Themen Wohnen und regionale Mobilität inner-

halb Deutschlands sowie berufliche und soziale Integration (Mammey 2003: 107ff). Die

Wiederholungsbefragung fand 1994 statt (530 Befragte). In der Panelstudie wurde eine

hohe Bedeutung von Wohneigentum für die Aussiedler festgestellt, obwohl dieses Ziel für

einige unter ihnen unerreicht bleibt (Mammey 2003: 114). Das Altern der Aussiedler war

zu keinem Zeitpunkt Thema der Analysen, obwohl die Einwanderer anders als Arbeitsmig-

ranten durchaus bereits zum Zeitpunkt des Zuzugs ein höheres Lebensalter erreicht ha-

ben konnten.

Ebenfalls finanzierte das Bundesinnenministerium bereits Anfang der 1990er das Projekt

„Erfolg und Verlauf der Aneignung neuer Umwelten durch Aussiedler: EVA-A“, das von

Ernst-Dieter Lantermann bzw. von Rainer K. Silbereisen geleitet wurde (vgl. Silbereisen,

Schmitt-Rodermund & Lantermann 1999). Im Rahmen dieses Projekts wurden 1992 bis

1993 (zu jeweils vier verschiedenen Meßzeitpunkten) Familien mit mindestens einem

Kind zwischen 10 und 16 Jahren befragt. Von 229 Aussiedlerfamilien liegen – aus standar-

disierten Interviews – Informationen zu allen Meßzeitpunkten vor (vgl. Silbereisen,

Schmitt-Rodermund & Lantermann 1999: 27ff). Hieraus liegen ebenfalls verschiedene

veröffentlichte Forschungsergebnisse zu den Bereichen Arbeitsmarkt und Wohnen bzw.

Integration und Akkulturation vor (vgl. z.B. Fuchs 1999; Greif, Gediga & Janikowski 2003;

Hänze & Lantermann 1999).

Als regionale Studie für Niedersachsen liegt von Heinelt und Lohmann (1992) eine quanti-

tative Analyse vor, die für 871 schriftlich befragte Aussiedler im Raum Hannover und im

Raum Leer/Papenburg vergleichend die Lebenslage darstellt (z.B. die Wohnungsversor-

gung und berufliche Eingliederungschancen, aber auch Sozialkontakte). Insbesondere für

die ländliche Region Leer/Papenburg liegen jedoch nur 90 Fälle vor, die allerdings z.B.

häufiger angeben, einen außerfamilialen Freundeskreis zu haben als die Aussiedler in

Hannover (Heinelt & Lohmann 1992: 125). Hieraus lässt sich möglicherweise schließen,

dass der Zuzug in bestimmte Regionen bereits durch Familien- und Freundschaftsnetz-

werke gesteuert wurde. Allerdings sind etliche Befunde, z.B. zum Schulbesuch der Aus-

siedlerkinder, inzwischen überholt, was sicherlich ebenfalls für andere Studien aus den

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Claudia Vogel

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1990er Jahren gilt, die hauptsächlich durch das Neuankommen sehr großer

Zuwandererkohorten geprägt waren.

Das Projekt Familienorientierung, Frauenbild, Bildungs- und Berufsmotivation von einge-

wanderten und westdeutschen Frauen in interkulturell-vergleichender Perspektive

(FAFRA) wurde u.a. von Leonie Herwartz-Emden und Manuela Westphal durchgeführt

(vgl. Westphal 2003). Befragt wurden 1992 insgesamt 255 Frauen aus der Türkei, aus der

ehemaligen Sowjetunion und aus Westdeutschland (Herwartz-Emden & Westphal 1997:

60). Untersuchungsziele waren ebenfalls Fragen des Akkulturations- und Eingliederungs-

prozesses, mit dem Fokus auf Fragen der Kindererziehung und Schulbildung (vgl.

Herwartz-Emden 1997).

2.3.2 Vergleichende deutsch-russische Projekte

Unter der Leitung von Gisela Trommsdorff und Bernhard Nauck wurde das von der Deut-

schen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte kulturvergleichende Projekt Value of

Children and Intergenerational Relationships durchgeführt (vgl. Nauck & Trommsdorff

2009). Daraus liegen mehrere Veröffentlichungen vor, die jeweils auf die größere

Traditionalität bzw. eine stärkere Familienorientierung der Jugendlichen in Russland als in

Deutschland hinweisen (vgl. z.B. Klaus, Suckow & Soloveva 2009; Klug, Mayer, Sudjin &

Trommsdorff 2009). Allerdings handelt es sich bei den Befragten in Russland nicht um ei-

ne Minderheit der ethnischen Deutschen, insofern kann in einem solchen Setting nur indi-

rekt auf den Herkunftskontext der Aussiedler geschlossen werden. Dies ist nur möglich,

wenn Russlanddeutsche sowohl in Russland als auch in Deutschland untersucht werden

(vgl. Vahsen 2010).

2.3.3 Vergleichende deutsch-israelische Projekte

Gemeinsamkeiten der russischsprachigen Migranten in Deutschland und Israel bestehen

darin, dass es sich bei beiden Strömungen um – wenn auch sehr unterschiedlich gelagerte

– Rückkehrmigration handelt (für Deutschland z.B. Dietz 2003; für Israel z.B. Semyonov &

Lewin-Epstein 2003). Unterschiede bestehen darin, dass die russischsprachigen Migranten

in Deutschland eine Minderheit sind (unter fünf Prozent der Gesamtbevölkerung der

Bundesrepublik), während sie in Israel eine große Gruppe der Bevölkerung ausmachen,

die auch insgesamt sehr stark durch Migration geprägt ist (Semyonov & Lewin-Epstein

2003: 327ff). Mehrere international vergleichende Forschungsprojekte haben versucht,

die Migrationserfahrungen russischsprachiger Migranten in beiden Ländern zu kontrastie-

ren.

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Familiale Generationenbeziehungen russischsprachiger Migranten

11

Nauck und Slonim-Nevo haben ein Forschungsprojekt „Kontextuelle und familiäre Einflüs-

se auf den Akkulturationsprozess von Migranten aus der früheren Sowjetunion in Deutsch-

land und Israel“ durchgeführt, das im Rahmen des Schwerpunktprogramms „Das Eigene

und das Fremde“ von der Volkswagen-Stiftung (1998-2000) gefördert wurde (vgl. Stein-

bach 2000). 1998/1999 wurden Interviews mit Eltern und Kindern von 427 Dyaden in

Deutschland und 448 Dyaden in Israel durchgeführt, wobei die Eltern-Kind-Dyaden jeweils

durch eine gleichgeschlechtliche Beziehung formiert wurde (entweder Vater-Sohn oder

Mutter-Tochter). Die Kinder sollten zwischen 14 und 16 Jahren alt sein (Steinbach 2000:

39). Es lassen sich Werteunterschiede zwischen russischsprachigen Migranten in Israel

und in Deutschland nachweisen.

Im Rahmen der German-Israeli Project Cooperation (DIP) wurde ein Projekt mit entwick-

lungspsychologischem Schwerpunkt zu jungen Erwachsenen aus der ehemaligen Sowjet-

union in Deutschland und Israel durchgeführt von Psychologen aus beiden Ländern (Sil-

bereisen, Fishman, Schmitt-Rodermund, Mesch und Eisikovits). In Deutschland wurden

1437 Aussiedler mehrfach befragt, zuerst in der Schule, sowie zusätzlich dreimal wieder-

holt postalisch im Abstand von jeweils 12 Monaten (vgl. Titzmann & Silbereisen 2009:

303). Fragebögen standen auf Deutsch und auf Russisch zur Verfügung, 327 Personen

nahmen in Deutschland an allen 4 Wellen teil (vgl. Titzmann & Silbereisen 2009: 303). In

Israel wurden 1420 russische Migranten befragt (Schmitt-Rodermund & Silbereisen 2008:

192). Forschungsergebnisse konzentrieren sich auf Fragen der Integration bzw. Akkultura-

tion bei jungen Menschen (siehe z.B. auch Titzmann, Silbereisen & Schmitt-Rodermund

2007).

Litwin und Kohli haben in einem von der German-Israeli Foundation For Scientific Re-

search and Development (GIF) geförderten Projekt den familialen Austausch zwischen

Generationen in der zweiten Lebenshälfte untersucht (Kohli et al. 2007; Litwin et al. 2008).

Datengrundlage für die Analyse war der Survey of Health, Ageing and Retirement in Euro-

pe (SHARE), der 2005/2006 auch in Israel durchgeführt wurde und dort eine Stichprobe

russischsprachiger Migranten enthält, die ab 1989 eingewandert sind. In den Daten des

SHARE für Deutschland war es jedoch nicht möglich, diese Gruppe getrennt zu betrach-

ten.

2.4 Vergleichsperspektiven

Für die Analyse der Generationenbeziehungen russischsprachiger Migranten bieten sich

verschiedene Vergleichsperspektiven an (Tabelle 2.1), die unterschiedliche Erkenntniszie-

le aufweisen. Bezüglich des Herkunftskontextes lassen sich etwa Vergleiche der Aussiedler

in Deutschland mit denjenigen Personen in Russland durchführen, die – trotz deutscher

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Claudia Vogel

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Wurzeln – nicht gewandert sind. Z.B. liegt aktuell eine vergleichende Studie vor, für die

sowohl Russlanddeutsche in Russland als auch nach Deutschland eingewanderte Aussied-

ler interviewt wurden (vgl. Vahsen 2010, der jedoch nur auf die jüngere Generation ab-

zielt). Die Diplomarbeit der Soziologin Helbig (2008), die Interviews in Kasachstan durch-

führte, gehört ebenfalls in diese Kategorie, obwohl sie keine Vergleichsgruppe in Deutsch-

land einbezogen hat. Helbig weist ausdrücklich darauf hin, dass die Perspektive der Ange-

hörigen der deutschen Minderheit, die auch heute in Russland leben, bislang in der For-

schung kaum berücksichtigt sei. Eine solche Vergleichsperspektive würde es ermöglichen,

den direkten Effekt der Einwanderung in die Bundesrepublik auf die Familienbeziehungen

in Aussiedlerfamilien zu untersuchen, trotzdem ist diese Vergleichsperspektive in Unter-

suchungen zu Aussiedlern nur vereinzelt anzutreffen. Etwas häufiger finden sich Studien

wie die oben charakterisierten Vergleiche zwischen russischsprachigen Migranten in

Deutschland und Israel, bei denen – mit aller Vorsicht – ein gemeinsamer Herkunftskon-

text unterstellt wird, jedoch unterschiedliche Migrationsdestinationen gewählt wurden.

Unterschiede zwischen diesen Zuwanderergruppen werden dann in der Regel auf die

Charakteristika der Einwanderungsländer Deutschland bzw. Israel bezogen.

Bezüglich des Einwanderungslands erfolgt der Vergleich in der Regel zuerst einmal mit der

autochthonen Bevölkerung, also mit denjenigen, die hier geboren wurden – den Einhei-

mischen bzw. Alteingesessenen – und die über keine Migrationserfahrung verfügen. Die

meisten Studien zu Aussiedlern in Deutschland wenden, offensichtlich aus forschungs-

pragmatischen Gründen, diese Vergleichsperspektive an, auch wenn sie zum Teil nicht

einmal explizit herangezogen wird (etwa mit einer deutschen Vergleichsgruppe ohne Mig-

rationserfahrung), sondern meist nur implizit in der Interpretation der Ergebnisse zum

Tragen kommt. Obwohl auch hier häufig ein Migrationseffekt unterstellt wird, lässt sich

allerdings in diesem Forschungsdesign nicht unterscheiden, ob Gruppenunterschiede zwi-

schen Aussiedlern und autochthonen Deutschen auf den Herkunftskontext, die Migrati-

onserfahrung oder aber die Migrationssituation zurückzuführen sind.

Zusätzlich lassen sich eine zeitliche Vergleichsperspektiven denken. Schließlich unter-

scheiden sich Migrantengruppen danach, wann sie nach Deutschland eingewandert sind

(Makroperspektive). Individuelle Unterschiede sind zu erwarten, je nachdem ob die Mig-

ration in jungen Jahren oder erst im höheren Lebensalter stattfand (Mikroperspektive).

Somit könnte man diejenigen, die hier alt werden und ihren Lebenslauf im deutschen Sys-

tem sozialer Sicherung absolviert haben vergleichen mit denjenigen, die erst im fortge-

schrittenen Lebensalter nach Deutschland einwandern. Allerdings liegen meines Wissens

bislang keine Längsschnittstudien zur Migrationserfahrung der Aussiedler in Deutschland

vor, die einen längeren Zeitraum umfassen (vgl. Slonim-Nevo et al. 2009). Um zu überprü-

fen, ob sich Familienbeziehungen durch den Migrationsprozess verbessern oder ver-

schlechtern, wäre außerdem eine individuelle Längsschnittanalyse wünschenswert. Aller-

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Familiale Generationenbeziehungen russischsprachiger Migranten

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dings lassen sich die Familienbeziehung vor dem Migrationsprozess retrospektiv nur

schwer rekonstruieren, in qualitativen Studien besteht jedoch zumindest die Möglichkeit

danach zu fragen. Über die Lebenslaufperspektive hinaus bieten sich weitere Möglichkei-

ten des Zeitvergleichs an, etwa der Kohortenvergleich.

Tabelle 2.1: Exemplarische Übersicht zu Gruppenvergleichen

Autoren Russischsprachige Migranten Vergleichsgruppen

Vergleichsperspektive Herkunftskontext

Vahsen 2010 Aussiedler in Deutschland Angehörige der deutschen Minderheit in

Russland

Vergleichsperspektive Gruppen im Einwanderungsland

Bastians 2004 Aussiedler in Deutschland Einheimische Deutsche

Westphal 2003 Aussiedler in Deutschland Angehörige anderer Minderheiten in

Deutschland

Vergleichsperspektive Einwanderungsland

Titzmann & Silbereisen 2009 Aussiedler in Deutschland Russische Migranten in Israel

Vergleichsperspektive Zeit

Ingenhorst 1997 Aussiedler in Deutschland nach Einwan-

derung

Aussiedler in Deutschland vor Einwande-

rung

Griese 2006 Aussiedler in Deutschland (Generation A) Aussiedler in Deutschland (Generation B)

Quelle: Eigene Darstellung.

3 Wandel der Familienbeziehungen

In diesem Kapitel wird ein Überblick zu Befunden aus den genannten aktuellen Studien zu

russischsprachigen Migranten in Deutschland gegeben. Thematisch ist der Forschungs-

stand gegliedert nach Einstellungen zur Arbeitsteilung und Pflegearbeit, Familien- und

Wohnstrukturen sowie den sehr partiellen Befunden zu Generationenbeziehungen und

Wohlfahrtsstaat, um der Frage nachzugehen, wie sich Familienbeziehungen in der Migra-

tionssituation angepasst und verändert haben.

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Claudia Vogel

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3.1 Einstellungen zur geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung

Boll beschreibt bereits 1993 die Veränderung familialer Geschlechterverhältnisse bei Aus-

siedlern aus der ehemaligen Sowjetunion, die laut Autor durch die unfreiwillige Aufgabe –

als Auslöser nennt er z.B. den Mangel an Kindergartenplätzen (1993: 49) – der Berufstä-

tigkeit der Frauen in der Bundesrepublik ausgelöst wird: der Mann als alleiniger Ernährer

leite daraus Entscheidungsmacht ab und dränge die Frau wieder in die traditionelle Rolle

der ausschließlichen Hausfrau und Mutter (Boll 1993: 50). Westphal kommt in ihrer Un-

tersuchung der familiären und beruflichen Orientierung von Aussiedlerinnen im Prinzip

zum gleichen Ergebnis und schreibt: „Die Familie ist, für viele auch unfreiwillig, zur einzi-

gen Bezugsgruppe geworden und nimmt eine bedeutsame Rolle für die alltägliche und

emotionale Bewältigung in der sich abzeichnenden Minoritätenlebenslage ein“ (Westphal

2003: 127). Allerdings, so gibt die Autorin weiter zu bedenken, war dies auch in den Her-

kunftsländern so, auch dort hat Familie für Minoritäten beides bedeutet, Schutzraum und

Ressource zugleich (Westphal 2003: 128). Kritisch bemerkt die Autorin, dass in Studien zu

Aussiedlern häufig eine starke Familienorientierung unterstellt werde, und eine solche

verkürzt als Ausdruck traditioneller Geschlechtsrollen gedeutet werde, ohne diese tat-

sächlich zu prüfen (Westphal 2003: 128). In ihrer Analyse von Interviews mit Aussiedle-

rinnen aus der ehemaligen Sowjetunion kann die Autorin zeigen, dass diese nach ihrer

Ankunft in Deutschland tatsächlich berufliche Dequalifizierungserfahrungen machten, al-

lerdings gingen diese nicht unbedingt mit einer stärkeren Familienorientierung einher,

sondern die hohe Erwerbsneigung bleibt zugunsten einer gewünschten Vereinbarkeit von

Familie und Beruf erhalten (Westphal 2003: 143ff). „Die in der Aussiedlerforschung häufig

festgestellte Familienorientierung leitet sich konkret aus den Zumutungen der Einwande-

rungssituation ab und reflektiert das Angewiesensein der Frauen auf familiäre Beziehun-

gen und Netzwerke“, nicht aber unbedingt deren Einstellungen (Westphal 2003: 147).

Tatsächlich weisen Aussiedler in Deutschland offensichtlich vergleichsweise moderne Ein-

stellungen bezüglich der Geschlechterrollen auf (vgl. Steinbach 2000). Im Rahmen eines

Forschungsprojektes, in dem russlanddeutsche Eltern in Deutschland und russisch-

jüdische Eltern in Israel befragt wurden, hat Steinbach die Einstellung zu Geschlechterrol-

len von russischen Immigranten in Israel und russlanddeutschen Aussiedlern in Deutsch-

land untersucht (Steinbach 2000: 35). Die Autorin kann zeigen, dass die Orientierung der

Aussiedler trotz ländlicher Herkunft und religiöser Prägung liberal bzw. egalitär sind, was

sich auch widerspiegelt bei der innerfamiliären Entscheidungsmacht (Steinbach 2000:

45/46). Außerdem sind die Einstellungen der Aussiedler moderner als die der nach Israel

eingewanderten russischen Juden, eine bundesdeutsche Vergleichsgruppe wurde in die-

ser Studie jedoch nicht betrachtet (Steinbach 2000: 45). Aufgrund der Integrationsschwie-

rigkeiten auf dem bundesdeutschen Arbeitsmarkt lassen sich moderne Einstellungen zur

geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung aber nicht eins zu eins in eine egalitäre Arbeitstei-

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Familiale Generationenbeziehungen russischsprachiger Migranten

15

lung bezüglich der Erwerbs- und möglicherweise auch nicht der Familienarbeit umsetzten,

so weisen verschiedene Autoren darauf hin, dass wesentlich mehr Aussiedlerinnen in ih-

rem Herkunftskontext erwerbstätig waren als nach ihrer Ankunft in der Bundesrepublik

(vgl. z.B. Boll 1993, Westphal 2003).

Bezüglich der Integration in die bundesrepublikanische Gesellschaft scheint der Rückzug

in die Familie wenig integrationsförderlich zu sein, obwohl die Befunde in der Literatur

auch hierzu eher lückenhaft sind und zum Teil widersprüchlich ausfallen. Bastians (2004)

hat für ihre Studie der sozialen Netzwerke russlanddeutscher Spätaussiedler im Kreis Os-

nabrück Fragebögen an Aussiedler und eine in Deutschland geborene Vergleichsgruppe

verteilt, von denen n=229 bzw. n=153 realisiert wurden; der Zugang wurde über die Kir-

che, den Chor sowie Freunde und Bekannte hergestellt. Die große Mehrheit der Befragten

ist im erwerbsfähigen Alter, nur eine kleine Minderheit von Personen ist nach Deutsch-

land eingewandert, als sie bereits das Rentenalter erreicht hatten (Bastians 2004: 156ff).

Die quantitative Studie wurde durch Leitfadeninterviews ergänzt, um eine Netzwerkana-

lyse durchzuführen. Ein Ergebnis ihrer Studie ist, dass der Integrationserfolg in Deutsch-

land vom Alter bei Einreise abhängt, denn je jünger die Befragten zum Zeitpunkt der Ein-

reise waren, umso besser sind sie integriert (Bastians 2004: 214ff). Zudem weist die Auto-

rin Zusammenhänge zwischen Netzwerk- und Integrationstypen aus, so ist die soziale und

berufliche Integration vergleichsweise erfolgreicher, wenn die Netzwerkpersonen hetero-

gener sind (Bastians 2004: 283). Die Beschränkung der Kontakte auf den Familienverbund

sind dagegen wenig integrationsförderlich, wobei die Autorin dieses in erster Linie auf die

sprachliche Integration bezieht (Bastians 2004: 289). Es ist aber davon auszugehen, dass

die Familie insbesondere für ältere Aussiedler die wichtigste und eben oft auch einzige

Möglichkeit zur Erhaltung sozialer Kontakte bietet.

Hänze und Lantermann (1999), die den Prozess der Akkulturation von Aussiedlerfamilien

untersucht haben, zeigen denn auch umgekehrt einen deutlich positiven Zusammenhang

zwischen Familienzusammenhalt und Integration auf, allerdings nicht ohne ebenfalls auf

die Bedeutung der Beziehung zu Einheimischen im Akkulturationsprozess hinzuweisen

(Hänze & Lantermann 1999: 159ff). Retterath weist darauf hin, dass durchaus auch ethni-

sche Kolonien der Aussiedler positive Wirkungen auf die Integration in Deutschland ha-

ben, weil hier auf soziale Netzwerke zurückgegriffen werden kann (Retterath 2006: 145).

Insgesamt bleiben somit die Befunde sowohl zu modernen versus traditionellen Einstel-

lung zur geschlechtsspezifischen Arbeitsteilung als auch zu den Auswirkungen auf den

Stand der Integration ambivalent. Gleiches gilt letztlich für die Befunde zur

Angehörigenpflege bei russischsprachigen Migranten.

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Claudia Vogel

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3.2 Einstellungen zur Pflege älterer Familienangehöriger

Scholl berichtet, dass Russlanddeutsche die Betreuung pflegebedürftiger Familienangehö-

riger innerhalb der Familie organisieren, ohne professionelle Hilfe von Pflegediensten an-

zunehmen, weil Angehörigenpflege als Aufgabe der Familie angesehen wird (Scholl 1997:

36). Auch die Unterbringung von Älteren in einem Heim kommt nur in Ausnahmefällen in

Frage, etwa bei schweren psychischen Beeinträchtigungen oder wenn keine weiteren Fa-

milienangehörigen mehr leben (vgl. Scholl 1997). Auch bei Bauer (2007) – für ihre Magis-

terarbeit hat sie Interviews bzw. eine Gruppendiskussion mit insgesamt 10 russlanddeut-

schen Frauen durchgeführt und das Material zum Thema Familie einer qualitativen In-

haltsanalyse unterzogen – finden sich Hinweise darauf, dass die Pflege älterer Angehöri-

ger primär als Aufgabe der Familie verstanden wird, während ein Pflegeheim in russland-

deutschen Familien als Tabu gilt (Bauer 2007: 129ff). Offen bleibt jedoch, ob dieser Be-

fund tatsächlich interpretiert werden kann als Indiz für eine vergleichsweise starke Fami-

lienzentriertheit der russlanddeutschen Bevölkerung oder ob er nur als Ausdruck des

Mangels an adäquaten Pflegeplätzen im Herkunftskontext zu sehen ist, weshalb die Auto-

rin auch von einer durch Zweckrationalität begründeten Solidargemeinschaft der ruß-

landdeutschen Familien spricht (Bauer 2007: 131). Im Unterschied zur bundesrepublikani-

schen Wirklichkeit der Klein- bzw. Kernfamilie streicht Bauer gleichzeitig die Bedeutung

der Großfamilie für die russlanddeutsche Bevölkerungsgruppe heraus, welches sie – of-

fensichtlich in Anlehnung an Schnepp (2002) – als kollektivistisches Familienkonzept be-

schreibt (Bauer 2007: 213).

Schnepp hat für seine Untersuchung russlanddeutscher Familien pflegende Angehörige,

Pflegebedürftige und professionelle sowie ehrenamtliche Helfer interviewt – wobei er

sich nicht auf die Pflege Älterer beschränkt, sondern z.B. auch auf die Situation von Fami-

lien mit Kindern mit Behinderung eingeht – insgesamt kann er auf Material aus 58 Inter-

views zugreifen (zu Interviewbestand und qualitativer Analyse siehe Schnepp 2002: 58ff).

Er zeigt auf, dass Angehörigenpflege tatsächlich Aufgabe der Familie ist, und es in den

Herkunftsländern auch deshalb sein musste, weil es keine Alternative gab (Schnepp 2002:

127). Er schließt daraus, dass die Sorge für Familienangehörige in Deutschland also bei-

dem entspricht, kulturellen Normen der Russlanddeutschen und gesellschaftlicher Orga-

nisation von Pflege im Herkunftskontext. Russische Altenheime beschreibt Schnepp als

Orte für „arme“ Menschen, deren Familienangehörige nicht mehr leben bzw. die sie nicht

aufnehmen wollen (Schnepp 2002: 128). Im Unterschied zu anderen Familien in Deutsch-

land ist Angehörigenpflege in russlanddeutschen Familien laut Schnepp allerdings nicht

Aufgabe eines Individuums, sondern der ganzen Familie als System, und geht aus von der

kollektivistisch orientierten familialen Sorge (Schnepp 2002: 148).

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Familiale Generationenbeziehungen russischsprachiger Migranten

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Schnepp (2002) berichtet auch von Hinweisen auf Probleme der Pflegedienste mit Aus-

siedlerfamilien, da diese den professionellen Helfern in Deutschland misstrauisch und dis-

tanziert begegnen und Hilfe ablehnen, möglicherweise weil damit eine negative Bewer-

tung des Familienzusammenhalts einhergeht (Schnepp 2002: 42). Allerdings heißt dies

gleichzeitig, dass es durchaus Aussiedlerfamilien in Deutschland zu geben scheint, die

Leistungen von Pflegediensten in Anspruch nehmen, wobei über den Umfang nichts be-

kannt ist. Auch sonst bleiben viele empirische Sachverhalte bei Schnepp ungeklärt, weil

offen bleibt, wie viele Familien jeweils tatsächlich betroffen sind bzw. auf die eine oder

andere Art handeln. So behauptet der Autor, typischerweise lebten alle aus der Familie in

einem Haus, an anderer Stelle schreibt er hingegen: „dass pflegebedürftige Menschen,

die bislang alleine wohnen zu ihren Kindern ziehen, ist ein typisches Muster“ (2002: 123),

wobei unklar ist, ob typisch die Mehrheit der Fälle meint oder eine Minderheit der Fälle,

die bislang alleine Leben, aber als „typische“ Lösung bei Pflegebedürftigkeit von der Fami-

lie aufgenommen werden.

Müller-Wille (2004) macht deutlich, dass auch bei den Generationenbeziehungen Wunsch

und Wirklichkeit nicht immer übereinstimmen. „Die Großfamilie mit drei oder gar vier

Generationen unter einem Dach wird durch die hiesigen Verhältnisse und auch die Ein-

wanderungsbedingungen (z.B. Wohnortzuweisungsgesetz) zunehmend fremd bestimmt

und verändert. Gegenseitige Hilfe ist innerhalb des Familienverbandes aus den unter-

schiedlichsten Gründen häufig nicht mehr gewährleistet. Hierzu zählen Berufstätigkeit der

jüngeren mit eingereisten Angehörigen, beengte Wohnverhältnisse und die notwendig

gewordene Mobilität. Mitgebrachte Vorstellungen von der Pflege der Eltern lassen sich

trotz großen Einsatzes dann doch nicht verwirklichen.“ (Müller-Wille 2004: 4).

3.3 Familienstrukturen & familiale Netzwerke

Wichtig erscheint in der Tat die Frage nach den Familienstrukturen, bzw. danach, ob und

wo Familienangehörige der Aussiedlerfamilien in Deutschland leben. Möglich ist schließ-

lich auch, dass manche Familienmitglieder weiterhin in Russland und anderen Nachfolge-

staaten der Sowjetunion leben. Hier wie dort stellen sich aber möglicherweise dieselben

Probleme von Einsamkeit und mangelnder Unterstützungsmöglichkeiten im Alter. Ver-

lässliche Zahlen sind Mangelware, einerseits scheinen die Familien russischsprachiger

Migranten durchschnittlich größer zu sein, da sie möglicherweise durchschnittlich mehr

Kinder als einheimische deutsche Familien mitbringen und insbesondere der Generatio-

nenabstand vergleichsweise kürzer zu sein scheint. Mit einem vergleichsweise geringeren

durchschnittlichen Alter der Frauen bei der Geburt ihres ersten Kindes geht in der Regel

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Claudia Vogel

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eine Familienstruktur mit mehreren gleichzeitig lebenden Generationen hervor.6 Ande-

rerseits ist jedoch der Migrationsprozess selbst von entscheidender Bedeutung, weil die

Fertilität möglicherweise in der Migration angepasst wird und in den Aussiedlerfamilien

gesunken ist (vgl. Ingenhorst 1997).

Claus (1994), der die Familienstruktur der Aussiedler in Deutschland im Zeitraum 1985 bis

1989 darstellt, geht davon aus, dass rund zwei Drittel der Aussiedler als Familienmitglie-

der und nur knapp ein Drittel als Einzelpersonen eingewandert sind (Claus 1994: 160ff.),

wobei der Anteil der Einzelpersonen bei den Russlanddeutschen noch deutlich geringer

liegt als etwa bei den Aussiedlern aus Polen. Auch Ingenhorst berichtet, dass die Russ-

landdeutschen mit dem gesamten Familienverband nach Deutschland einwandern, laut

seinen Befunden trifft sogar nur jeder zwanzigste alleine hier ein (Ingenhorst 1997: 133ff).

Dies sind deutliche Hinweis auf das Phänomen der Kettenwanderung (vgl. Dietz 2007).

Ähnliches gilt offensichtlich für jüdische Zuwanderer, die wie die Aussiedler, im Familien-

verbund nach Deutschland einreisen (Haug & Wolf 2007: 19). Befunde für Israel weisen

auf eine deutlich engere Familienzentriertheit der sozialen Netzwerke nach der Einwan-

derung hin (Litwin 1997: 58).7

Gleichzeitig haben viele in Deutschland lebende Aussiedler auch noch Familienangehörige

in Russland, und zwar sowohl in der Gemeinschaft der ethnischen Deutschen als auch

möglicherweise von russischstämmigen Ehepartnern. Darieva (2006) stellt in ihrer Studie

zu transnationalen Familien den Fall eines 27-jährigen Russlanddeutschen vor, der nach

Deutschland – hier lebte bereits sein Bruder mit Familie und seine Cousinen – migrierte,

bevor er zur russischen Armee musste. Dieser junge Mann sagte im Interview über seine

in Deutschland geborene Mutter: „Heute lebt meine Mutter in Moskau, und sie beabsich-

tigt auch nicht, in den nächsten Jahren nach Deutschland umzusiedeln, weil sie bis zu ih-

rer Rente noch drei Jahre arbeiten muss. Zuerst geht sie in Rente in Russland und danach

zieht sie vielleicht nach Berlin um. Sie besucht mich hier regelmäßig.“ (zitiert nach Darieva

2006: 361). Zudem ist der junge Mann mit einer Russin verheiratet, deren Angehörige

ebenfalls in Moskau leben. Die Autorin beschreibt diesen Fall unter der Bezeichnung long-

distance-Familienkultur, der nach ihrer Interpretation zusätzlich zur geographischen Dis-

6 Vergleicht man entsprechende Zahlen für Deutschland und Russland, zeigt sich, dass das Alter der

Frauen bei der ersten Geburt i6n Russland mit ungefähr 24 wesentlich geringer ist als in Deutsch-

land mit ungefähr 28 Jahren; außerdem ist die durchschnittliche Kinderzahl in Russland deutlich

höher (vgl. Klaus, Suckow & Soloveva 2009). Die Autoren zeigen darüber hinaus, dass Kindern in

Russland eine höhere soziale Wertschätzung beigemessen wird. Unklar bleibt allerdings, inwiefern

diese Befunde für Russland auf die Aussiedlerbevölkerung übertragen werden können. 7 Studien über Netzwerkgrößen bei Aussiedlern liegen offensichtlich nur von Ebert (2008) vor, und

diese erscheint aufgrund der sehr geringen Fallzahl sowie der Auswahlmethode der Interviewpart-

ner über Vereine für Aussiedler in Erfurt als nur wenig belastbar.

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Familiale Generationenbeziehungen russischsprachiger Migranten

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tanz auch die transnationalen Familienbeziehungen umfasst (Darieva 2006: 358). In der

Tat hat der junge Russlanddeutsche nicht nur Verwandte mit deutschem Pass, sondern

sowohl seine Mutter in Moskau als auch seine russischstämmige Ehefrau in Berlin haben

einen russischen Pass, wobei Transnationalität laut Autorin als zentraler Bestandteil russ-

landdeutscher Identitätsbildung anzusehen ist (zitiert nach Darieva 2006: 360ff).

Bereits Schnepp (2002) hat darauf hingewiesen, dass Migration nicht nur Auswirkungen in

Deutschland, sondern auch Auswirkungen auf die Angehörigenpflege in den Herkunfts-

ländern hat, ohne dies jedoch in seiner Studie zu untersuchen. Dies ist immer dann der

Fall, wenn die familalen Generationen in unterschiedlichen Kontexten leben, entweder

bleiben die Alten allein in Russland zurück, oder die Jungen bleiben und die Alten leben

alleine in Deutschland (Schnepp 2002: 39). Helbig, die den ersten Fall in Kasachstan an-

hand von 8 narrativen Interviews untersucht hat, berichtet von einer Befragten, die trotz

der finanziellen Unterstützung durch bereits in Deutschland lebenden Verwandten einen

schmerzlichen Verlust sozialer Beziehungen und sozialer Sicherheit erfahren hat, weil sie

dort alleine zurückgeblieben ist (Helbig 2008: 67).

3.4 Wohnsituation

Fuchs (1999) untersucht die Wohnungssituation der Aussiedler ereignisanalytisch, wobei

die Situation im Analysezeitraum 1990 bis 1993 außergewöhnlich war, da in dieser Zeit

wie in Kapitel 2 dargestellt große Zuwandererkohorten angekommen sind. Trotz sichtba-

rer Gruppenunterschiede etwa nach Herkunftsland der Aussiedler stellt der Autor fest

„daß die Wohnungsversorgung der Aussiedler im wesentlichen von den Rahmenbedin-

gungen in Deutschland in den ersten Jahren nach der Ankunft determiniert wurde und

von den Entscheidungen der Sozialadministration abhängig war. Dem Wollen und Enga-

gement der Betroffenen war dieser wichtige Integrationsschritt jedoch weitgehend ent-

zogen“ (Fuchs 1999: 102). Erst nach einer längeren Aufenthaltsdauer könnte eine Unter-

suchung zur gewählten Wohnsituation somit Erkenntnisse zur Wohnintegration liefern.

Während ausländische Zuwanderer in der Vergangenheit häufig in die Verdichtungsräu-

me und größeren Stadtregionen zuwanderten, ziehen die Aussiedler vergleichsweise häu-

fig in ländliche Räume (vgl. Wenzel 2003). Als Erklärung führt Wenzel an, dass zum einen

die Durchgangslager bzw. die zentralen Aufnahmestellen alle in ländlichen Räumen einge-

richtet wurden und zum anderen Kleinstädte und Kommunen entsprechend Bauland

auswiesen (Wenzel 2003: 265). Zu Beginn der 1990er Jahre bemühten sich Kommunalpo-

litiker insbesondere in kleineren ländlichen Gemeinden um den Zuzug von Aussiedlern,

weil die umfangreichen staatlichen Unterstützung für sie als eine Art Strukturförderung

wirkte, gleichzeitig erhofften sie sich, den Bevölkerungsrückgang in diesen Gebieten abzu-

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schwächen (Wenzel 2002: 182). Am Beispiel der Landkreise Osnabrück und Emsland zeigt

Wenzel darüber hinaus, dass aus Sicht der Aussiedler für die Wahl der Wohnregion

hauptsächlich verwandtschaftliche und freundschaftliche Bindungen innerhalb von Groß-

familien und sozialen Netzwerken den Ausschlag gaben und spricht in diesem Zusam-

menhang ebenfalls von Kettenwanderung (Wenzel 2003: 277/278). Allerdings, so der Au-

tor, ergeben sich hieraus Probleme im Bereich der Arbeitsmarktintegration sowie für die

Kommunen, die Wenzel überfordert scheinen (Wenzel 2003: 279ff). Dass Aussiedler häu-

figer über Wohneigentum zu verfügen scheinen als andere Migrantengruppen lässt sich

denn auch auf das Leben bzw. den Wohnungsmarkt in ländlichen Räumen zurückführen

(vgl. Mammey 2003). Ob sich daraus tatsächlich ableiten lässt, dass die Familienmitglieder

verschiedener Generationen russischsprachiger Migranten in räumlicher Nähe zueinander

leben, muss jedoch empirisch untersucht werden.

3.5 Generationenbeziehungen

Ingenhorst (1997) berichtet, dass nach der Einwanderung in Deutschland neue Generati-

onenkonflikte in den Aussiedlerfamilien entstünden, da zwischen Eltern und Kindern neue

Abhängigkeiten auftreten (Ingehorst 1997: 129). Hinzu kämen kulturelle Differenzen: „Vor

allem die älteren Aussiedler empfinden die Bundesrepublik nach ihrer Aussiedlung als de-

kadent und ‚undeutsch‘ und lehnen hiesige Lebensweisen bisweilen strikt ab. Selber be-

griffen sie sich dabei als die eigentlichen Bewahrer deutscher Kultur und deutscher Wer-

te“ (Ingehorst 1997: 129). Dadurch sind Konflikte mit Mitgliedern der jüngeren Generati-

on, die in Deutschland sozialisiert werden, vorprogrammiert. Zudem könnten Generatio-

nenkonflikte über den Sprachgebrauch verschärft werden, da die älteren

Familiemitglieder meist bessere Deutschkenntnisse, aber auch starke Dialektfärbungen

aufweisen. Insgesamt stellen die Befunde von Ingenhorst, die auf die Befragung von Ex-

perten und narrativen Interviews mit Aussiedlern in Notunterkünften im Raum Münster

basieren, ein negatives Bild der Familien von Aussiedlern dar, bei dem der Zerfall der

Großfamilien und die Konflikte um Hierarchie und Kontrolle im Vordergrund stehen. Diese

Ergebnisse verweisen tendenziell auf eine Schwächung der Familienbeziehungen in der

Migration, obwohl die Frage nicht ausreichend untersucht ist.

3.6 Russischsprachige Migrantenfamilien und der Wohlfahrtsstaat

Migrantenbiographien stellen eine Abweichung vom institutionalisierten Lebenslauf dar

(Bommes 2001). Im Vergleich zu Bürgern, die seit ihrer Geburt in Deutschland leben, ver-

fügen Migranten in jeder Lebensphase über weniger Kapital (sowohl was monetäres, aber

auch wohlfahrtsstaatliches angeht). Eine niedrigere soziale Position der Migranten kann

z.B. im Arbeitsmarkt durch eine Nichtanerkennung ihrer Ausbildungs- und Berufserfah-

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Familiale Generationenbeziehungen russischsprachiger Migranten

21

rung entstehen, oder durch eine Nichtanerkennung erworbener Ansprüche bezüglich ih-

rer Alterssicherung in einem anderen Land/Sozialstaat. Im Alter sind Aussiedler mögli-

cherweise mit höherer Wahrscheinlichkeit auf staatliche Unterstützung angewiesen, weil

sie im Aufnahmestaat nicht ihr gesamtes Erwerbsleben Beiträge für die gesetzliche Ren-

tenversicherung entrichtet haben (Bommes 2001).

Tatsächlich haben Aussiedler ein höheres Risiko, arbeitslos zu sein, insbesondere die

Frauen unter ihnen, so etwa Greif, Gediga und Janikowski (2003) in ihrer quantitativen

Studie zur Arbeitsmarktintegration von Aussiedlern. Zudem zeigen sich weitere Differen-

zierungen nach Herkunftsland (Einwanderer aus Rumänien und Polen sind vergleichswei-

se häufiger erwerbstätig) und nach Bildung (Akademiker haben ein höheres Arbeitslosig-

keitsrisiko bzw. erfahren einen beruflichen Abstieg in Deutschland (Greif, Gediga &

Janikowski 2003: 102ff). Insbesondere besteht ein Risiko für ältere Aussiedler, die obwohl

noch im erwerbsfähigen Alter, kaum mehr Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt ha-

ben (Koller 1997).

Wer keine Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hat, kann in

Deutschland in der Regel keine Rente beziehen, dies gilt auch für russische Juden. Aus-

siedler können jedoch ihre im Herkunftsland geleisteten Erwerbsjahre geltend machen,

weshalb sie als besonders privilegierte Einwanderergruppe in Deutschland betrachtet

werden. Sie beziehen sogenannte Fremdrenten aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Diese sind nach oben gedeckelt und werden in Zukunft deutlich geringer ausfallen (vgl.

Baumann & Mika 2010). Mika und Tucci (2006) untersuchen mit den Daten der gesetzli-

chen Rentenversicherung und des SOEP bereits das Alterseinkommen von Aussiedlern

und Zuwanderern aus der Türkei, Italien und dem ehemaligen Jugoslawien. Dabei werden

vor allem die Rentenhöhe und das Einkommen ein Jahr vor dem Rentenbezug betrachtet.

Laut Bommes (2001) beruhte die erfolgreiche soziale Integration der Aussiedler bis Ende

der 1980er Jahre darauf, dass ihre Lebensläufe wohlfahrtsstaatlich durch den Zugang zur

Rente über die Substitution fehlender biographischer Elemente repariert wurden. Ihr pri-

vilegierter Status wird jedoch seit Beginn der 1990er Jahre minimiert.

Ausdrücklich kann an dieser Stelle auf das künftige Risiko der Altersarmut bei Aussiedlern

hingewiesen werden: während ältere Aussiedler heute eine gesetzliche Rente erhalten,

die ihnen eine auskömmliche Situation im Familienkontext sichert, wird sich die finanziel-

le Lage der zukünftigen Älteren aufgrund beschlossener Änderungen der Regelungen in

der gesetzlichen Rentenversicherung zu Ungunsten der Aussiedler drastisch verschlech-

tern. Dies könnte ihre Stellung im Familienverbund deutlich verschlechtern. Gleichzeitig

werden die Familien mit der Pflege und Versorgung der Älteren belastet und möglicher-

weise überlastet. Wenn ältere Aussiedler Hilfe bei Pflegebedürftigkeit primär als Aufgabe

für ihre Kinder sehen, werden ihre Erwartungen möglicherweise enttäuscht werden. Un-

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Claudia Vogel

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klar ist, inwieweit die nachfolgende Generation tatsächlich bereit ist bzw. in der Lage sein

wird, die von den Älteren erwartete und benötigte Hilfe zu leisten.

4 Zusammenfassung und Ausblick

4.1 Zusammenfassung

Migrationsprozesse wirken sich ohne Frage in vielfältiger Weise auf die Beziehungen zwi-

schen Familienangehörigen aus, und insbesondere auf die Beziehungen zwischen Ange-

hörigen verschiedener familialer Generationen, wobei diese Auswirkungen meist nicht in-

tendiert sind (Ausnahme: Mobilität, um in der Nähe eines Angehörigen zu leben, z.B. um

einem pflegebedürftigen Angehörigen zu helfen). Dabei werden die Beziehungen nicht

nur verändert durch neue räumliche Nähe bzw. Distanz, sondern auch durch neue Aus-

handlungsprozesse über die Rollenverteilung in der Familie und durch – zum Teil neue –

Herausforderungen an die einzelnen Familienmitglieder in verschiedenen Lebensberei-

chen, etwa bezüglich des Spracherwerbs oder der Arbeitsmarktintegration, aber auch be-

züglich der Betreuung von Kindern, Enkelkindern und Großeltern. Insbesondere wird sich

das durch Modernisierung geprägte gesellschaftliche Umfeld der heutigen Bundesrepub-

lik von dem Umfeld in den jeweiligen Herkunftsländern unterscheiden und für die Fami-

lien der Migranten neue Herausforderungen mit sich bringen.

Bezüglich der Familienbeziehungen innerhalb einer Generation wird in der Literatur meist

das Geschlechterverhältnis in den Blick genommen, obwohl sich offensichtlich auch z.B.

Geschwisterbeziehungen aufgrund der Migrationsprozesse verändern könnten. Häufig

wird z.B. darauf hingewiesen, dass sich durch die Migrationserfahrung die Erwerbssituati-

on der Einwanderer drastisch verändert hat, und da Aussiedlerinnen in Deutschland ver-

gleichsweise schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben, hat dies sicherlich auch

Rückwirkungen auf die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung in der Familie. Allerdings ist

aus den Ergebnissen der Literatur kein eindeutiger Trend auszumachen, im Gegenteil zei-

gen sich Widersprüche, möglicherweise auch, weil vieles von den Autoren einfach als An-

nahme formuliert ist, ohne dies tatsächlich zu hinterfragen bzw. im Einzelnen zu untersu-

chen. Verdeutlichen lässt sich das etwa am Paradox der Rolle der Mütter, denn einerseits

wird in der Literatur häufig auf die traditionellen Familienwerte in der Sowjetunion ver-

wiesen, andererseits war die Erwerbstätigkeit der Frauen dort besonders weit verbreitet

und durch staatliche Kinderbetreuungsangebote ermöglicht (zur Diskussion um die tradi-

tionelle Rolle der Frauen in Russland vgl. Westphal 2003). Zusammengefasst lässt sich

kein klares Muster bezüglich des Einflusses der Migration auf die Familienbeziehungen

festhalten, da manche Studien auf eine Verbesserung der Familienbeziehungen nach der

Migration verweisen, etwa weil das soziale Netz in erster Linie aus den Familienmitglie-

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Familiale Generationenbeziehungen russischsprachiger Migranten

23

dern bestehen. Andere verweisen auf eine Verschlechterung, etwa weil Konflikte zwi-

schen Familienmitgliedern bezüglich Einstellungen zur Arbeitsteilung entstehen.

Offen ist insbesondere, wie sich Migration auf die familialen Beziehungen zwischen den

Generationen auswirkt. Dies liegt auch daran, dass ältere Aussiedler bislang kaum Gegen-

stand der Forschung waren, wie Dronia (2002: 50) bereits zur Jahrhundertwende festge-

stellt hat und woran sich bis heute wenig geändert hat. Vorliegende Untersuchungen

über russischsprachige Migranten behandeln hauptsächlich Fragen der beruflichen oder

sozialen Integration, das in einschlägigen Studien als vordringlichstes Problem genannt

wird (vgl. Ingenhorst 1997: 123), und konzentrieren sich in der Regel auf Menschen im

erwerbsfähigen Alter oder gar auf junge Erwachsene. In der Tendenz wird festgestellt,

dass erhebliche Integrationsdefizite bei Jüngeren und auf dem Arbeitsmarkt bestehen

(vgl. z.B. Dietz 2000: 649). Ältere mit ihren spezifischen Ressourcen, aber auch Bedarfen,

werden hingegen erst gar nicht in den Blick genommen.

4.2 Ausblick

Es wäre wünschenswert, auf der Basis quantitativer Daten mehr über die Situation der äl-

teren russischsprachigen Migranten in Deutschland zu erfahren. Zwar sind im Mikrozen-

sus Aussiedler zu identifizieren, und auch mit dem Sozio-ökonomischen Panel (SOEP) lie-

gen erste Analysen vor (vgl. Bauer & Zimmermann 1997; Mika & Tucci 2006), Fragen nach

den Generationenbeziehungen russischer Migranten lassen sich auf diese Weise aller-

dings (noch) nicht beantworten. Deshalb sollen die Generationsbeziehungen in der Migra-

tion aus der Sicht der älteren Aussiedler in einer eigenen Studie in Niedersachsen unter-

sucht werden. Im Zentrum des Erkenntnisinteresses steht hierbei die Frage, wie sich

Normen der Zuständigkeit und die geschlechtsspezifische Übernahme von Betreuungs-

und Pflegearbeit nach der Zuwanderung in die Bundesrepublik Deutschland gestalten und

welchen Einfluss die wohlfahrtsstaatlichen Institutionen hierauf haben. Hier ist etwa die

Verfügbarkeit, aber auch die Frage der Finanzierbarkeit von Plätzen in Alten- bzw. in Pfle-

geheimen zu bedenken, welche es in dieser Form in der ehemaligen Sowjetunion nicht

gab.

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