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140 Beriehte.

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II.

lnternationaler Kongress fiir Unfallheilkunde in Liittich yore 29. Mat b i s I . J u n i 1905.

Berichterstatier: Dr. J. Riedinger , Dozent in Wiirzburg.

Die Er5ffnungssitzung fand statt am Montag, den 29. Mat 1905 im Sitzungs- saale des Kongresses, der Aula der Universit/it. Von den 840 zum Kongress Angemeldeten war etwa ein Drittel erschienen. Professor y o n W i n i w a r t e r (Lfittich), der bekannte Chirurg, neben M o e l l e r (Brfissel) Priisident des Kongresses, begrfisste die Anwesenden. Man babe ffir diesen Kongress keinen besseren Ort finden k5nnen als gerade Liittich, dessen Weltausstel lung vor wenigen Wochen seine Tore ge5ffnet habe inmitten eines m/ichtig entwickelten, ernste und schwere Arbei t ver- brauchenden, industriellen Lebens. Der Pr/isident erSrtert unter Hinweis auf das reichhaltige Programm des Kongresses die Bedeutung, welche die Unfal lhei lkunde, besonders in Deutschland, gewonnen habe. MSge auch der Kongress einen Schritt vorwKrts bedeuten.

Der GeneralsekretKr des Kongresses Poi~ ls (Brfissel) sprach yon der sozialen Bedeutung der Unfallheilkunde, wobei er ebenfalls Deutschland die ffihrende Rolle zuerkannte und yon den Aufgaben, die ffir die Medizin in Theorie und Praxis erwachsen seien. In den einzelnen Fragen der Tagesordnung seien die I:Iaupt- probleme angedeutet.

I. Der ers teVerhandlungsgegenstand betraf die D e f i n i t i o n d e s W o r t e s , U n f a l P ' ira Sinne der Gesetzgebung der einzelnen L~nder,

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V. T h 6 b a u l t charakterisiert den Unfall folgendermassen: Jede einmalige StSrung des KSrpers w/ihrend oder aus Anlass der Arbeit unmittelbar durch eine /iussere, mechanische (physikalische) oder chemische Ursache bildet einen Unfall. Jede sich wiederholende StSrung aus den gleichen Ursachen bildet eine Gewerbe- krankheit. Die sekund/iren StSrungen bcstehen in Komplikationen, die mit dem Unfall in keinem urs/ichlichen Zusammenhang stehen, in voriibergehenden oder in dauernden Unfall- oder Krankheitsfolgen (complieatio, cons6quence, subs~quene).

K o o p e r b e r g (Amsterdam) vcrmisst die Definition des Begriffes ,,Unfall" auch in der holl/indischen Gesetzgebung, die im fibrigen jcden Zusammenhang einer plStzlich eintretenden Sch~dlichkeit mit der Berufstgtigkeit (nicht nur mit der Arbeit) in sich begreift.

In der D i s k u s s i o n hebt R e m y (Paris) die Schwierigkeit der Definition hervor und schl/~gt vor, eine Kommission zu ernennen, welche mit der Unter- suchung dieser Frage zu betrauen sei. Der Vorschlag wird unterst[itzt von P o S l s (Brtissel). Auf Vorschlag des Pdisidenten y o n W i n i w a r t e r soll die Ernennung dem derzeitigen Gesch/iftsausschuss fiberlassen werden.

Le M e i g n e n (Nantes) warnt vor Verwechse]ung des Unfalles mit seinen Folgen.

Li n iger (Bonn) fiihrt aus, dass man in Deutschland /~rztlicherseits es bereits aufgegeben habe, dem Unfall im Sinne des Gesetzes definieren zu wollen. Man fiberlasse die Definition dem Richter, der Arzt beschgftige sich nut mit den Folgen.

B/ihr (Hannover) weist darauf hin, dass in jedem einzelnen Fall die Praxis entscheiden miisse, was ein Unfall sei.

Nach B l e s (Amsterdam) hat der Unfall eine akute, die Berufskrankheit eine chronische, durch den Beruf gegebene Ursache.

IN i el (Montpellier, Arbeitervertreter) verlangt, dass zuerst die Bedeutung des Begriffes Gewerbekrankheit festgestellt werde.

In dcr Diskussion weist ausserdem P o ~ l s (Brfissel) auf seine gedruckten Ausffihrungen hin, in denen er berichtet, dass nach der Auffassung der belgischen Gesetzgebung der Unfall einen Schaden darstellt~ der den mensehliehen KSrper durch eine plStzliche gussere und abnorme Gewalt vom Moment der Gewalt- einwirkung ab trifle. Das belgische Gesetz habe deshalb z. B. Syphilis bei Glas- bl/isern nicht entschgdigt (Prim/iraffekt am Mund).

T h i e m (Cottbus)gibt an, dass Syphilis bei Glasbl/isern in Deutschland vom Reiehsversicherungsamt wiederholt als Unfallfolge anerkannt worden sei.

II. Zur zweitcn Frage, der G l e i c h s t e l l u n g der G e w e r b e k r a n k - h e i t e n mi t den U n f K l l e n , sprachen Ollive(,Nantes) und Gliber t (Brf issel) . Ersterer h~ilt eine Verschmelzung in bezug auf die Gesetzgebung tfir undurch- ftihrbar und seh/idlich. Ein wahrhaft soziales Gesetz dtirfe nicht nut die gcf/ihr- lichen Berufe berticksichtigen, sondern mfisse a l l e Krankheiten umfassen. Letzterer findet eine gesetzliche Entsch/idigung der Berufskrankheiten seitens de," Arbeits- geber durch ein Spezialgesetz ftir gerechtfertigt und ftir durchftihrbar~ wenigstens in Hinsicht auf die belgische Gesetzgebung.

F ib r e (Frankreich) bemerkt in der D i s k u s s i o n , dass die Gesetzgebung auch die finanzielle Frage nieht ausser Acht lassen dtirfe, w/ihrend D u c h a u f f o u r (Paris) die pekuni/ire Mithilfe des Staates verlangt.

D e j a c e (Ltittich) wtinscht eine Entsch/idigung aller Berufskrankheiten, ebenso M a g a l d i (Rom) und R a n d o n e (Rom). L i n i g e r (Bonn) ftihrt aus, dass es in Deutschland zu einer Zusammenlegung der Arbeiter-Wohlfahrtsgesetze kommen werde.

G u e r r a (Barcellona) mSchte vor allem einmal den Begriff Unfall sicher gestellt haben.

Damit schlossen die Verhandlungen des ersten Tages.

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Der zweite Verhandlungstag wurde eingeleitet durch den Vorschlag von R e m y (Paris), unterstfitzt von O l l i ve (Nantes), den n/ichsten Kongress in Frank- reich abzuhalten. DaB Organisationskomitee sol| nach Vorschlag des jetzigen Komitees gebildet werden. ~ber die Aufgaben des niichsten Kongresses entspinnt sich eine zum Tell heftige Diskussion, da man versuchte, verschiedene legislatorische Fragen, darunter auch wiederum die gesetzliche Definition des Unfalles, dem n/ichsten Kongress zur Beantwortun~ vorzulegen. Ein bestimmtes Ergebnis hatte die Diskussion nicht. Sichtlichen Eindruck machten die Ausffihrungen yon Thi e m (Cottbus) (dem als ,,Veteran der Unfallheilkunde" yon den Kongressteilneh,nern fiberall grosse Sym- pathie entgegengebracht wurde), indem er davor warnte, fiber die rein medizinische Aufgabe des Kongresses hinauszugehen und sich in politische Diskussionen zu verlieren.

III. Zu der dritten Frage der Tagesordnung, der B r u c h f r a g e , Melt L i n i g e r (Bonn) den einleitenden Vortrag. Gegeniiber der Frage, ob es FKlle gibt, in denen Hernien als Folgen eines Betriebsunfalles anzusehen sind, verh/ilt sictl L i n i g e r nicht ablehnend, verlangt abet zur Anerkennung eines Bruches oder einer Einklemmung stets den Nachweis eines Unfalles oder einer fiber den Rahmen des Betriebsiiblichen hinausgehenden Arbeit, ferner die Berficksichtigut~g der in- dividuellen Verhii.ltnisse der Patienten und der Besonderheiten jedes einzelnen Falles. Seiner Meinung nach Bind die traumatisch beeinfiussten Hernien doeh etwas hiiufiger, als nach der Rechtsprechung des Reichsversicherungsamtes anzu- nehmen w/ire. Operierte Hernien veranlassen oft eine h6here Entsch/idignng als nicht operierte.

T h 6 b a u l t (Paris) h~lt in keinem Fail die Entstehung ether Hernie dureh einen Betriebsunfall ftir mSglich. Vou v a n H a s s e l (P~turages) dagegen wird die Frage der Unfallhernie entschieden bejaht. V a n H a s s e l teilt vier F/ille mit (unter mehr als 1000 beobachteten Hernien), in denen (dreimal (lurch die Operation) die Entstehung ether frischen traumatischen Hernie infolge Zerreissung der hinteren Wand des geschlossenen Leistenkanals unabh/ingig yon den Hfillen des Samenstranges nachzuweisen war. Frische F/ille zeichnen sich durch Klein- heit des Bruchsackes, geringes Austreten von Bruchinhalt, dfinne Wandung, Fehlen eines Zusammenhanges mit den Hiillen des Samenstranges, eventuell Muskelzer- reissung und blutige Durchtriinkung der Gewebe aus. Weitere fiinf Fiille beweisen die MSglichkeit plStzlicher Versclfiimmerung eines Bruches. Auch diese Hernien sind selten (hernies de force). Fiir alle fibrigen Hernien (hernies de faiblesse) kann eine Entschiidigungsl)flicht nicht konstruiert werden.

H a n n e c a r t (Briisse]) verlangt von einer frischen Unfallhernie plStzlich auftretenden. ]ebhaften Schmerz, welcher den Verletzten zwingt, die Arbeit auszu- setzen, ferner Schwellung, Schmerz bet Druck, eventuell Zeichen von Blutaustritt in die Gewebe. Eine Verschlimmerung eines Bruches durch einen Unfall ist als mSglich zuzugeben.

M osse l (Groningen) findet keine Erkl/irung ffir die plStzliehe Entstehung ether Hernie. Diese Frage miisste in der Krankenversicherung eigens behandelt werden. Unter gewShnlichen Arbeitsverh/iltnissen fehlt jede Berechtigung zur An- nahme eines Unfalles im Sinne des Gesetzes.

D i s k u s s i o n : R a n d o n e (Rom) empfiehlt, auf Grund milit/irztlicher Er- fahrungen, die Hernien zu operieren. Operierte Hernien sollen nicht entsch/idigt werden.

T h i e m (Cottbus) hebt die Wiehtigkeit d e r v a n H a s s e l ' schen Mitteilungen hervor und erinnert an den G r a s e r ' s c h e n Vortrag auf der Naturforschetver- sammlung in Mfinchen. G r a s e r habe die Minierarbeit bet der Entstehung der I-Iernien trefflich geschildert. Zur Vollst/indigkeit haben nur noch die F/ille von va n H a s s e l gefehlt.

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:Nach D a l l y (Paris) sollte in Anbetracht der Sehwierigkeit, traumatische Hernien zu erkennen, ]ede Hernie entseh/i, digt werden. G u e r ra (Barcelona) emp- fiehlt den Unternehmern eigene Versicherung gegen das Risiko der Bruchentschii- digung.

B l i n d (Strassburg) weist auf das Mitspielen der Autosuggestion bin, durch welche die Auffassung fiber die Entstehung von Hernien bei empf/inglichen Leuten beeinflusst sein kann.

J o s e p h (Berlin) finder bei sehweren Berufen die Hernien n i ch t verh~ltnis- m/issig hiiufiger.

D e l a n n e (Belgien) zieht aus der Diskussion den Schluss, dass nut die frische traumatische Hernie a]s entsch/idigungspflichtig angesehen werden kSnne (,,la bernie traumatique aigu/~", ,,l'eventrafion per effort").

IV. Die vierte Frage, welche am ~achmittag des zweiten und am Vormittag des dritten Tages zur Spraehe gelangte, betraf d ie O r g a n i s a t i o n der e r s t e n H i l f e .

:Nuel (Lfittich)verlangt ffir Unfallverlelzte f r e i e A r z t w a h l und ffirArzte freie Konkurrenz. Sein Vortrag tuft eine zum Tell sehr heftige Diskussion her- vor, da die Meinungen fiber die freie Arztwahl in Frankreich und in Belgien sehr geteilt sind.

D a l l y (Paris) meint in der Diskussion, dass angestellte Arzte die Therapie oft zu intensiv gestalten.

G u e r m o n p r e z (Lille) ist Gegner der freien Arztwahl in der Unfallver- sicherung, ebenso T h i s q u e t (Lfittich).

K o o p e r b e r g (Amsterdam) berichtet, dass in Holland aus der freien Arzt- wahl zwei Nachteile entstanden seien, niimlich dass ~rzte fiber ihre Kompetenz hinausgehen, sowie dass die Arbeiter den Arzt zu leicht wechseln.

G i l l e t (Belgien) glaubt, dass Spezialisten in Unfallsachen den Verletzten nicht zum Scbaden gereichen.

R e m y (Paris) beffi.rchtet, dass die freie Arztwah[ die Ausftihrung der Ge- setze verhindere.

D i v e r n e r e s s e verla~gt Wahl der A_rzte dutch den Staat. F i b r e (Frankreich) h~lt die freie Arztwahl nicht ffir wichtig, well doch die

meisten Arzte an der Ausffihrung der Gesetze beteiligt sind. van L a n g e n d o n c k (Brfissel) beffirwortet die beschrfinkte freie Arztwah].

Ausserdem sprechen ffir die freie Arztwahl J e a u n o t (Arbeitervertreter), ~ i e l (Arbeitervertreter).

G u e r m o n p r e z hiilt ihnen entgegen, dass Arbeitssekretariate vielfach die Arbeiter in der Wahl der ~_rzte beeinflussen. T h 6 b a u l t (Paris) warnt, den medizinischen Standpunkt zu verlassel,.

Die Diskussion, welche ffir deutsche Verb/iltnisse wenig von Bedeutung sein kann, endete mit einer AbstimmulJg, vor deren Vornahme zahlreiche Teilnehmer den Saul verliessen. Die Majorit/i.t des zuriickbleibenden Restes votierte ftir die Zweck- m/issigkeit der freien Arztwahl. Deutsche fanden sich unter den Votierenden nicht. Ffir Deutschland wird die Frage der freien Arztwahl wohl kaum in diesem Zusammenhang diskutiert werden kSnnen.

T h i s q u e n (Lfittich) kritisiert die Sanitii~tseinrichtungen der belgischen Fabriken. Das Instrumentarium ist mangelhaft, das Personal wenig instruiert, iirzt- liches Personal ist genfigend vorhanden. Der ersten Bebun(llung nach dem Unfall geschieht Genfige, die :Nachbehandlung ist ungenfigend. T h i s q u e n empfiehlt (tie dutch gemeinsames Interesse der Genosseltschaften gebotene Errichtung einer technisch- medizinischen Zentralstelle und die Grtindung gemeinsamer therapeutischer Institute.

v a n K e e r b e r g e n (Brfisse]) bespricht die vorzfiglichen Eii~richtungell in bezug auf die erste Hilfe bei den belgischen Eisenbahnen, wozu aueh die Unterhaltung von 41 Krankenstationen an den verschiedensten Slellen des Landes gehSrt.

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Das Transportwesen ist gut geregelt. Aus dem -~rztepersonal wird eine Kom- mission gebildet, welche der Administration beratend zur Seite steht. Auf die Nachbehandlung wird nach dem Vorbilde Deutschlands mebr Gewicht gelegt als sonst in Belgien. Der Redner ealpfiehlL die Errichtung eines eigenen physiko- therapeutischen Instituts der belgischen Eisenbahnverwaltung, welches die Verletzten nach Abschluss der ersten Behandlung aufnehmen kSnnte.

Q u e r t o n (Brfissel) untersucht die Frage, ob die bestehenden Spit~ler und Polikliniken hinreichen zur Behandlung Unfallverletzter. Er glaubt, die Frage entschieden verneinen zu mfissen und findet die Bestrebungen zur Errichtung eigener mediziniscber Anstalten ffir durchaus berechtigt.

A c k e r m a n spricht fiber das Transportwesen in bezug auf Kranke und Verwundete in Schweden. G u e r r a berichtet fiber die Organisation des Rettungs- wesens in Barcelona.

J o sep h (Berlin) beffirwortet die Einffihrung chirurgischer Verbandsstiitten ffir die tteilung Unfallverletzter (Unfallstationen).

De H a r t o g h zeigt einen Notverband, der nach L i n i g e r und K o o p e r - b e r g fibnlichen, bereits existierenden Verb~nden nichts voraus hat.

C o u r t a u 1 t (Paris) verbreitet sich fiber den hohen Wert der Mechanotberapie ffir die Nachbehandlung yon Unfallverletzten, besonders die Fortschritte auf diesem Gebiete in Deutschland anerkennend.

De M u n t e r (Lfittich) spricht fiber die Uborlegenhcit der mediko-mechani- schen Methode der Heilgymnastik gegenfiber der manuellen.

D e l ~ a r d e (Lille) zeigt ein vereinfaehtes Verfabren der Mechanotherapie mit Hilfe von elastischen Zfigen und von Gewichten, wogegen De M u n t e r und C o u r t a u 1 t geltend machen, dass derartige Vorrichtungen nur beschriinkten Nutzen hubert kSnnen.

G u n z burg (Antwerpen) berichtet fiber die im mediko-mechanischea Z a n d e r- Institut in Antwerpen seit Bestehen des belgischen Unfallgesetzes erzielten Erfolge der Nachbehandlung.

C o u r t a u 1 t (Paris) verlangt mSglichst baldige und ununterbrochene Behandlung der Verletzten in eigenen Unfallkrankenhitusern nach dem Muster der berufsgenossenschaftlichen Krankenhiiuser in Deutschland (Halle, Bochum, Cottbus, Bonn, :Neu-Ruhnsdorf), deren Vorzfige der Vortragende in Deutschland aus eigener Anschauung kennen gelernt hat. In Frankreich besteht hierffir noch wenig Interesse.

B o u vet (Paris) schildert die Gefahren eines verspiiteten Zuziehens des Arztes und die Komplikationen, die aus mangelnder iirztlicher Beaufsichtigung, aus un- zweckm~ssigem und bSswilligem Verhaiten der Verletzten resultieren. Er spricht ffir bessere Organisation kontinuierlicher ~rztlicher Hilfeleistung, sei es dutch Un- fallstationen oder durch eigene Krankenh~user.

V e r s t r a e t e (Lille) sprach fiber t r a u m a t i s c h e H y s t e r i e . Er erkennt der Schwere der Verletzung und der momentanen Aufregung eine geringe kausale Bedeutung zu. Der Einfiuss des Traumas beschr~inkt sich nut auf die Abgrenzung der nervSsen Symptome. Die Autosuggestion spielt die erste Rolle. Derartige Patienten neigen stark zu ~bertreibung und Entstellung. Sie sollten isoliert und streng kontrolliert werden. Heilung ist m6glich, wenn kein neues Trauma erfolgt.

V. Die Besprechung der U n f a l l f o l g e n stand als 5. Punkt auf der Tages- ordnung (dritter und vierter Tag). t t e l b i n g (Berlin) sprach ira Namen von t t o f f a fiber StSrungen an Knochen und Gelenken. Er erw~hnte besonders die mit Schlaffheit des Kniegelenkes einhergehende Atrophie des Quadriceps und die Wucherung yon Fettgewebe im Gelenk.

S e h a n z (Dresden) spricht fiber Fussschmerzen nach Unfi~.llen. Nach Ver- letzungen der unteren Extremit~iten der verschiedensten Art treten Schmerzen in den Ffissen auf, welche den typischen sog. Plattfussbeschwerden entsprechen. Ob-

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gleieh dabei meist das anatomische Bild des Plattfusses nicht vorhanden ist, sind diese Beschwerden als Plattfussbeschwerden anzusehen und zu behandeln. Platt- fussbeschwerden sind nicht Beschwerden, welche ein anatomischer Plattfuss macht, sondern solche, von denen ein plattfussbildender Prozess begleitet wird. Dieser Prozess wird ausgel6st dutch ein 1Jberwiegen der Belastung des FussgewSlbes fiber dessen Tragfiihigkeit. Dieses Uberwiegen wird in den fraglichen Fiillen dadurch herbeigeffihrt, dass der Unfall direkt oder indirekt die Tragfiihigkeit des Fuss- gewSlbes gemindert hat.

Als Behandlung empfiehlt sich in diesen F/illen das Verabreichen einer r i c h t i g k o n s t r u i e r t e n und g u t passenden Plattfusssohle oder von Plattfuss. apparaten, in renitenten FKllen kommt dazu noch Massage und Gymnastik.

In der Diskussion erw/ihnen D e s t o t und I m b e r t die akute traumatische Knochenatrophie (S u deck) als eine noch wenig beachtete Ursache von Fussschmerzen. v o n W i n i w a r t e r weist ebenfalls auf dieselbe bin. Sie kSnne durch die Aku- punktur nachgewiesen werden und sei in hSheren Graden prognostisch wenig gfinstig.

C o u r t a u l t referiert fiber eine 3Iitteilung an den Kongress von R e g n i e r (Paris), Letzterer teilt die S t 6 r u n g e n s e i t e n s des N e r v e n s y s t e m s im_A_n- schluss an V e r l e t z u n g e n hie in solche, die imMoment des Unfalles entstehen, in solche, die sich an den Unfall anschliessen, und in solche, die entweder spiit auftreten oder sich spiiter verschlimmern. Er legt Wert auf friihzeitige elektrische Untersuchungen, eventuell therapeutische Anwendung der Elektrizit/it.

In der D i s k u s s i o n fragt B 1 e s (Amsterdam), welehen Unterschied R e g n i e r mache zwischen hyst6ro-traumatisme und neurasth6nie-traumatisme einerseits und hyst6ro-neurasthenie andererseits. Er meint ,,hyst6ro.traumatisme" sei synonym mit ,,traumatischer Neurose", wie man in Holland die Krankheit allgemein noch be- zeichnet.

C o u r t a u 1 t bedauert, keine n/ihere Auskunf~ ffir R eg n i e r geben zu kSnnen. V e r s t r a e t e (Lille) h/ilt die Bezeichnung traumatische :Neurose ffir weniger

empfehlenswert. B les erwidert, dass traumatische ~eurose weder identisch sei mit Hysterie noch mit ~eurasthenie nach einem Trauma.

I m b e r t hat kein grosses Vertrauen in die Elektrodiagnostik. G r i s s a c h~l~ eine tfichtige Abfindung fiir das wirksamste Mittel gegen traumatische ~eurose.

C u n 6 o (Paris) spricht fiber T r a u m a und T u b e r k u l o s e . Das Trauma ist nicht bestimmend ffir das Auftreten von Tuberkulose, kann aber bei latenter Krankheit den Ausbruch begiinstigen.

S t o b b a e r t s (Briissel) erSrtert in analoger Weise den Zusammenhang zwischen T r a u m a und L u n g e n t u b e r k u l o s e .

D e s t o t (Lyon) erSrtert die Bedeutung der S t e l l u n g der H a n d beim Zustandekommen der L u x a t i o n im H a n d g e l e n k .

T h 6 b a u l t (Paris) verwirft die tiefen und ausgedehnten Inzisionen bei der Behandlung der P h l e g m o n e n und bevorzugt bei kleineren Inzisionen mSglichst frfihzeitige, ausgiebige Dr ain a g e , besonders der intermuskul/iren Zwischenr/iume. Er nennt sein Verf'ahren ,,Geigenstegverfahren" (,,proc6d6 en chevalet de violon"), well unter die Muskeln starke Drains geschoben werden, welche dieselben empor- heben, /ihnlich wie der Steg die Saiten hebt. Die sp/~teren Resultate sind in funktioneller Hinsicht wesentlich bessere.

T h 6 b a u l t (Paris) warn~ vor Vernachliissigung v o n V e r l e t z u n g e n an F i s c h e n , die ]/ingere Zeit in nicht fliessendem ~Vasser gehalten waren. Der Verlauf kann sich sehr schlimm gestalten. Zahlreiche Fische sind auch giftig. Die Erscheinungen der Intoxikation (,,ichthyosisme") sind: Fieber, Scharlachr6te, schmerzhaftes Jucken, A bschuppung, Ausfall der Haare und ~N/igel, Bildung yon syphilisartigen Geschwiiren und Gangr/in.

G u e r r a bemerkt in der D i s k u s s i o n , dass die Saehe in Barcelona, K o o p e r b e r g , dass sie in Holland uubekannt sei. L i n i g e r weist aufdie guten

Arch. f. Orthop., Mechanoth u. Unf.-Chir. IV. 1/2. 10

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Erfolge mit der B ie r ' s chen Stauung bei Infektionen hin. B l i n d fragt, ob nicht die mangelnde Abkiihlung des Wassers schuld an der Gef/ihrlichkeit der Fische trage. T h 6 b a u l t erwidert, dass sich daran, ebenso an den Einfluss yon Alkohol, Syphilis, sowie von Ern~hrungsst5rungen denken lasse.

N u e l (Lfittich) spricht fiber A m b l y o p i e s y m p a t h i q u e (so genannt nach Analogie mit der Ophthalmia sympathica). Sie kann unter denselben Er- scheinungen wie die SehstSrungen bei der traumatischen Neurose verlaufen, zeichnet sich aber durch intensivere Reizerscheinungen und das Fehlen anderer Symptome der Neurose aus.

B a u d r y bemerkt in der Diskussion, dass es sich vielleicht um Opthalmia sympathica handele, was N ue l zurfiekweist.

B l i n d (Strassburg), der bereits eine Reihe anthropologischer Arbeiten fiber die els/issische BevSlkerung verSffentlicht hat, betonte in seinem Vortrage fiber ~ R a s s e n p s y c h o l o g i e in ihren Beziehungen zur U n f a l l h e i l k u n d e ~ zun/ichst, dass man seit einigen Jahren immer mehr die weltgeschichtliche Bedeutung der psychologischen Rassenanlagen in politisch-anthropologischer Beziehung erkannt babe. Er machte nun seit Jahren regelm/issig die Beobachtung, dass ins Elsass einge- wanderte unfallverletzte Italiener den verschiedenen Formed der traumatichen :Neurose weir mehr ausgesetzt sind als die Einheimischen. J~hnliches konstatiere man in Nord- deutschland bezfiglich der Einheimischen und der Polen. Eine Statistik ergab ner- v5se StSrungen bei 6 ~ els~ssischer M~nner, 12 ~ elsiissischer Frauen, 38 ~ Italiener! Der Prozentsatz iibertriff• demnach um fiber 2/3 den der els/issischen Frauen, obwohl das weibliche Geschlecht doch viel mehr zu nerv5sen Komplikationen neigt als die M~nner. Die ungfinstigen Verb/iltnisse, in welche die Ausl/inder versetzt sind, werden dadurch aufgewogen, dass die Auswandernden sich aus den kr/~ftigsten jugend- lichen Arbeitern rekrutieren und man muss doch eine nut rassenpsychologisch er- kliirliche I-Ierabsetzung der moralischen Widerstandskraft der Italiener im Vergleich zu den Einheimischen annehmen. Die Kenntnis solcher Fragen sei erforderlich im Interesse einer erfolgreiehen Verhfitung nervSser Unfallfolgen. Ein Ausblick fiber die sozialpolitische Bedeutung dieser Aufgaben schloss den Vortrag.

In der D i s k u s s i o n best~tigt R e m y die Ansicht yon B l i n d , w/~hrend L i n i g e r bei Italienern keine erhShte Disposition finden kann.

R e m y (Paris) bespricht auf Grund von Studien zahlreicher RSntgenbilder die verschiedenen Formen der indirekten, extra- und intraartikul/~ren B r f i che des H a n d g e l e n k e s (Radius, Ulna, Carpus) und die Bedeutung der letzteren ffir die Funktion des Handgelenkes, sowie die Therapie. Die Prognose richter sich nach der grSsseren oder geringeren Verletzung des Gelenkinneren.

L i n i g e r stimmt in der Diskussion bei und warnt vor langerImmobilisation bei Radiusbrtichen. Die Dislokation lasse sich oft doch nicht vermeiden wegen der Kompression der Spongiosa.

R i e d i n g e r (Wfirzburg) spricht fiber S c h l o t t e r g e l e n k e im A n s c h l u s s an V e r l e t z u n g e n . Es gibt permanent wirkende und nicht permanent wirkende Ursachen. In den ersten F/illen durchlKuft das Schlottergelenk drei Stadien, die der Dehnung, der Erschlaffung und der Schlotterung. In den letzten F~llen wirkt die Ursache nur beim Gebrauch des Gliedes, z. B. des Beines beim Auftreten. Zu ihnen z/ihlen besonders die mit Dislocatio ad peripheriam geheilten Frakturen, wo- bei es zur Verschiebung der Gelenkaehsen kommt. Oft ist auch die Dehnung von Muskeln schuld an der Ausbildung eines Schlottergelenkes (z. B. eines Genu recurvatum).

T h 6 b a u l t (Paris) unterscheide~ wie in seiner ersten Ausffihrung die pri- m/ire traumatisehe Affektion von den sekund/ir auftretenden Erscheinungen (Begleit- erscheinungen; complicatio, cons6quense und subs~quense). ~ach dieser Einteilung legt T h 6 b a u l t eine Klassifikation aller Krankheitsformen in Gestalt zahlreicher Tabellen vor.

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D e s g u i n (Antwerpen) berichtet fiber gfinstige Erfahrungen mit der un- blutigen Behandlung der P a t e l l a r f r a k t u r e n .

T h i e m , L i n i g e r , B l i n d haben weniger gfinstige Resultate nach Patellar- frakturen gesehen. Es bestehe ein Unterschied zwischen Privatpatienten und Unfallverletzten.

Am letzten (4.)Tage kam die Besprechung der Simulation und der Rest der Vortritge an die Reihe,

VI. B a u d r y (Lille) spricht fiber S i m u l a t i o n und b e w u s s t e 13ber- t r e i b u n g n a c h A u g e n v e r l e t z u n g e n . Er schildert die klassischen Zeichen der Simulation und der verwandten Zustiinde (exag~ration, aggravation, dissimilation). Er teilt die Simulanten ein in drei Gruppen. Die erste Gruppe umiasst diejenigen, welche einen Unfall f/ilschlich angeben (z. B. bei Hypopyonkeratitis); die zweite diejenigen, welehe ein vorhandenes Leiden (z. B. Myopie) auf eine leiehte Verletzung zurfiekffihren; in der dritten Gruppe finden sieh diejenigen F/dle, bei welehen dif- ferenzial-diagnostiseh Amaurose, Amblyopia unilateralis, ferner die funktionellen StSrungen bei traumatiseher Hysterie und die sympathischen Reizzust/inde in Frage zu ziehen sind. In strafreehtlieher Beziehung fehlt in Deutschland, Frankreieh etc. die einheitliche Auffassung, w/ihrend in England Simulation straffrei ist.

B u n i n g (D.eventer) weist auf den Untersehied zwischen Simulation (Vor- t/iusehung) und Ubertreibung eines pathologisehen Zustandes hin, ferner auf die Schwierigkeiten, die sich dieser Unterseheidung besonders dureh das Mitspielen der traumatischen Neurose entgegenstellen kSnnen.

B ie n f ai t (Lfittich) sprieht fiber die Diagnostik der Simulation mit besonderer Erw/ihnung der Schmerz~usserungen, der Unterscheidung yon L~hmungszust/inden, Kontrakturen, Ankylosen, DeformitKten und Gelenkentzfindungen, ferner der trau- matisehen Neurose, des Verhiiltnisses der Sensibilit/it, der Reflexe und der Erscheinungen seitens der Zirkulationsapparate und der Sinnesorgane, some der Tiiusehungsversuehe dureh Einnahme yon Arzneien. Er verlangt v()r allen Dingen eine griindliehe, saehgem/isse Untersuehung und Beobaehtung, zu der in zweifelhaften F/illen aueh das Hilfsmittel iiberrasehender Besuehe zu z/ihlen ist. Er empfiehlt eigene Abteilungen ffir Sire ulationsverd/iehtige.

In der Diskussion sprieht I m b e r t yon Vorrichtungen zur graphisehen Registrierung behufs Unterseheidung yon L~ihmung und Simulation.

S a n d glaubt, dass eines dieser Verfahren bei Hysterikern nieht angewandt werden kSnne.

S t o b b a e r t s h/ilt Alkohol und Uberanstrengung ffir die Erreger der Neurose. De l a n t s e h e e r e Mlt messbare Abweiehungen der Refraktion bei versehie-

denen Untersuehungen ffir ein objektives Zeichen der Neurose. VII. T h i e m (Cottbus) gibt eine kurze, pr/izise Darsellung der I J b e r a n -

s t r e n g u n g a 1 s U r s a e h e v o n U n f/il 1 e n, die sieh in den versehiedensten Krank- heitszustKnden (z. B. Varieen) und Organen iiussern kann. Der Begriff ist ein relativer, den nur der Arzt zu wfirdigen in der Lage ist.

Naehdem hierauf / r o b e r t (Montpellier) von dem E i n f l u s s de r E r m f i - d u n g auf das Zustandekommen der U n fii 11 e hingewiesen hatte, stellte N i e 1 (Arbeiter- vertreter) den Antrag, der Kongress mSge dureh Abstimmung einen Beschluss fassen zugunsten der Herabsetzung der Arbeitszeit. T h i e m h/ilt im Namen der deutsehen Vertreter den Antrag aufeinem medizinisehen Kongress ffir unzul/issig und stellt, unter- stfitzt von K o o p e r b e r g , der sieh im Namen der Holliinder ansehliesst, die Vor- frage. Der Antrag N ie l auf Abstimmung wurde alsdann mit grosset Mehrheit abgeletmt und vonder Tagesordnung abgesetzt.

D e m a r b a i x (Antwerpen) bringt eine statistisehe Bearbeitung yon 14 069 von ihm selbst beobaehteten und behandelten Unf/illen bei Hafenarbeitern in Ant- werpen in den Jahren 1894--1904. In der Genese der Unf/ille spielen Alkohol, Ermfidung und Ubereilung die grSsste Rolle.

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Page 9: Internationaler Kongress für Unfallheilkunde in Lüttich vom 29. Mai bis 1. Juni 1905

148 Borichte.

T h i e m zweifelt in der D i s k u s s i o n nicht an der Richtigkeit dieser Dar- stellung, kann der Statistik a b g e f u n d e n e r Fiille abet nut einen relativen Wert beimessen. D e m a r b a i x erwidert, dass die Heilresu]tate tatsiichlich bessere seien, wenn die Arbeiter von vornherein wissen, dass die Rente aufhSrt.

R e m y (Paris) erSrtert die Bedeutung der verschiedenen KSrperteile ffir die Arbeit, um so yore speziell physiologischen Standpunkt aus Anhahspunkte zu ge- winnen ffir die Abschiitzung dauernder Sch~iden. Die Ergebnisse sind in zahlreichen Tafeln niedergelegt.

J. P. 51uel wifft die Frage auf, ob nach dem belgischen Unfallgesetz die Abschiitzung des Grades der Erwerbsbeschriinktheit der Verletzten durch den Sach- verstiindigen geschehen soll. Das Gesetz spricht yon Arbeitsbeschr~inktheit, ohne 51iiheres hierfiber und fiber die Verschiedenheit von Erwerbsbeschriinktheit anzugeben. Solange die Frage rechtlich nicht entschieden und vielleicht nicht zu entscheiden ist, wird der Arzt gut daran tun, die Absch~itzung selbst vorzunehmen, dabei abet die Begriffe Erwerbsbeschriinktheit und Arbeitsbeschriinktheit auseinanderzuhalten, wie dies in Deutschland geschieht.

V u l p i u s (Heidelberg) beffirwortet die Einffihrung von Vertrauens~irzten. Diese sollen mit den Leitern der eigens zu errichtenden berufsgenossenschaftlichen Krankenhiiuser, welche sowohl der Behandlung frischer Verletzungen als auch der l~lachbehandlung dienen sollen, zusammen die Begutachtung fibernehmen. Die prozentuale Abschiitzung soil eigenen Kommissionen fiberlassen bleiben.

D e a r d e n (London) spricht fiber iirztliche Begutachtung in England. Das KSnigreich ist eingeteilt in 2000 Distrikte. In jedem derselben ist ein chirurgischer Begutachter aufgestellt. Derselbe erscheint bei jedem industriellen Unfall an Oft und Stelle und ordnet das 5liihere an. - -

5lach Schluss der Verhandlungen am lqachmittag des 1. Juni dankte T h i e m (Cottbus) im Namen der Versammlung den einzelnen Herren des Organisations- komitees und dem geschiiftsffihrenden Ausschuss (v. W i n i w a r t e r , M oel 1 er, P o ~ 1 s, Sand) unter Anerkennung ihrer mfihevollen und dankenswerten Leistungen bis zum Schlusse des Kongresses, worauf die einzelnen Herren des Komitees erwiderten.

Herr Dr. R. S a n d , Spezialarzt und Pr~iparator am pathologischen Institut der Universitiit zu Brfissel, fibersetzte als Sekretiir des Kongresses die in deutscher und englischer Sprache gehaltene Diskussion sofort ins franzSsische, Seine eminente Sprachkenntnis kam auch dem Berichterstatter zu gute. Letzterer ffihlt sich durch die stets in freundlicher und zuvorkommender Weise gewiihrte Auskunft und Unter- stfitzung zu verbindlichstem Dank verpflichtet, den er auch an dieser Stelle sich ab- zustatten erlaubt.

Internationaler

I l l .

Kongress fiir Physiotherapie yore 12 . - -15 . Augus t 1905.

Berichterstatter: Dr. v. Hovorka (Wien).

in Liittich

Der Kongress ffir physikalische Heilmethoden, welcher von mehr als 600 )~rzten aus fast allen Staaten Europas, ja auch Amerikas besucht war, hielt am ersten und letzten Tage a]lgemeine, dazwischen spezielle Sektionssitzungen ab.

In der e r s t e n a l l g e m e i n e n S i t z u n g , welche unter der Pa~ronanz der belgischen Regierung und unter dem Vorsitze des Prof. W i n i w a r t e r stattfand, gelangten vorwiegend die Indikationen der Physiotherapie zur Diskussion.


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