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Kortikosteroid-Therapie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Der informierte Patient

Aktualisierte

Auflage 2007

Leinenweberstr. 5Postfach 652979041 FreiburgGermany

FALK FOUNDATION e.V.

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Herausgeber

15. aktualisierte Auflage 2007

Der informierte Patient

Kortikosteroid-Therapie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Prof. Dr. med. Tilo Andus

Verfasser:Prof. Dr. med. Tilo AndusKlinik für Allgemeine Innere Medizin, Gastroenterologie, Hepatologie und internistische Onkologie Krankenhaus Bad CannstattKlinikum StuttgartPrießnitzweg 2470374 Stuttgart

Der informierte Patient

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Inhalt Seite

Einleitung 5

Natürliche Rolle und Regulation der Kortikosteroide im Körper 7

• Entzündungshemmende Wirkungen der Kortikosteroide 12

• Wirkungen der Kortikosteroideauf den Stoffwechsel 13

• Einfluss der Kortikosteroide auf den Wasserhaushalt 13

Behandlung mit Kortikosteroiden 14

• Künstliche (synthetische) Kortiko-steroide zur Verbesserung der Wirksamkeit und der Verträglichkeit 14

• Verschiedene Darreichungsformenzur Behandlung der Colitis ulcerosa 15

• „Topische“ Kortikosteroide 17

• Wirksamkeit bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen 19

• Colitis ulcerosa 19

• Pouchitis 21

• Morbus Crohn 22

• Mikroskopische Kolitis (kollagene Kolitis und lymphozytäre Kolitis) 24

Der informierte Patient

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• Einheimische Sprue / Zöliakie 24

• Verträglichkeit und Nebenwirkungen 25

• Schwangerschaft und Cortison-Therapie 29

• Stillen und Cortison-Therapie 29

Glossar 30

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Einleitung

Die Entdeckung des Cortisols durch E. Kendall und Wintersteiner im Jahre1937 und dessen erstmalige künstlicheHerstellung durch T. Reichstein 1938ermöglichten es P. S. Hench 1948 erstmals, diese Substanz zur Behand-lung einer Patientin mit einer rheumati-schen Gelenkentzündung einzusetzen.Cortisol gehört zu einer Klasse von Hormonen, die als Kortikosteroide(im Volksmund oft einfach Cortison)bezeichnet werden. Hormone – der Begriff kommt aus demGriechischen und bedeutet antreiben –sind körpereigene Botenstoffe. Sie wer-den in der Regel aus speziellen Drüsenauf einen Reiz hin freigesetzt und überden Blutkreislauf zu ihren Bestimmungs-orten im Körper transportiert. An ihrenZielorganen steuern Hormone dann eineVielzahl von Stoffwechselprozessen. Die schnelle und stark entzündungs-hemmende Wirkung des Cortisols ver-half den Kortikosteroiden bald zumDurchbruch bei der Behandlung akuterund chronischer Entzündungen und dendrei Entdeckern 1950 zum Nobelpreis.

Bereits damals zeigte sich, dass die er-wünschten Wirkungen der Kortikoste-roide von unerwünschten Wirkungenbegleitet wurden, und erst allmählichlernte man, letztere durch gezielten undbeschränkten Einsatz weit möglichst zuvermeiden.

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Einleitung

Auch für Patienten mit chronisch ent-zündlichen Darmerkrankungen war dieTherapie mit Kortikosteroiden ein be-deutender Fortschritt. Noch in den50er-Jahren hatten diese Patienten einedeutlich eingeschränkte Lebenserwar-tung, da schwere akute Schübe nurschlecht behandelbar waren und deshalbviele junge Patienten an ihrer Krankheit verstarben. Die Einführung der Kortiko-steroide hat die Lebenserwartung fürPatienten mit Morbus Crohn und Colitisulcerosa nahezu normalisiert. Heute gehtes darum, Kortikosteroide so einzuset-zen, dass die Patienten durch deren Ein-satz auch eine möglichst hohe Lebens-qualität haben.

Da die „Cortison-Angst“ aufgrund unzu-reichenden Wissens in der Bevölkerungund auch bei manchen Patienten mitchronisch entzündlichen Darmerkrankun-gen ein weitverbreitetes Problem ist,sollen in diesem Patientenratgeber diewichtigsten Aspekte der Behandlung mitKortikosteroiden verständlich dargestelltwerden.

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Kortikosteroide im Körper

Natürliche Rolle undRegulation der Kortiko-steroide im Körper

Das körpereigene Hormon Cortisol unddessen Vorläufer Cortison werden inden Nebennierenrinden gebildet.

Die Nebennieren, bestehend aus Markund Rinde, gehören zu den Organen desKörpers, die als Drüse funktionieren(Abb.1).

Abb. 1: Lokalisation der Nebennieren an den Nieren

Nebennieren

Nieren

Harnblase

Harnleiter

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Kortikosteroide im Körper

Cortisol ist für den Körper lebensnot-wendig. Die Produktion des Cortisols inden Nebennieren wird durch ein überge-ordnetes Hormon, das adrenocorticotro-pe Hormon (ACTH), gefördert (Abb. 2).ACTH wird in der Hirnanhangdrüse(Hypophyse) gebildet, einer nur etwakirschkerngroßen Drüse mit weniger als 1 g Gewicht.

Auch die Freisetzung von ACTH wirddurch ein weiteres Hormon, das so-genannte Corticotropin Releasing Hor-mon (CRH) gesteuert. CRH wird in

Abb. 2: Der Cortisol-Steuerungsmechanis-mus in Hypothalamus, Hypophyseund Nebennierenrinde

ACTH

Cortisol

+–

+

CRH

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einer zentralnervösen Region des Zwi-schenhirns (Hypothalamus) gebildet.

In diesem komplizierten System regu-liert Cortisol selbst seine eigene Freiset-zung: Hohe Konzentrationen an Cortisolhemmen die eigene Freisetzung.

Eine solche Steuerung bezeichnet manals selbstregulierenden Rückkopplungs-mechanismus. Nervliche und entzünd-liche Stressfaktoren beeinflussen diesenRegelkreis zusätzlich.

Normalerweise wird das Cortisol ineinem tageszeitabhängigen Rhyth-mus produziert. Die größte Menge wirdin den frühen Morgenstunden freige-setzt, danach weniger (Abb. 3). Lediglichin den Abendstunden gibt es noch ein-mal einen zweiten kleineren Gipfel. Ins-gesamt produzieren die Nebennierenrin-den etwa 8 – 25 mg Cortisol pro Tag.

Abb. 3: Tageszeitabhängiger Rhythmus desCortisols im Blut

18 20 22 0 2 4 6 8 10 12 14 16 18

25

20

15

10

5

0

Uhrzeit

Plasmacortisol [µg/100ml]

Kortikosteroide im Körper

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Bei starkem Stress, wie z.B. schwerenKrankheiten, benötigt der Körper mehrCortisol, weshalb die Nebennierenrin-den dann bis zu 200 – 300 mg pro Tagproduzieren können.

Alle Kortikosteroide, wie auch das Cortisol, wirken dadurch, dass sie anbestimmte Rezeptoren (Erkennungs-stellen) auf Zellen „andocken“ und dannderen Stoffwechsel ändern. So fördernsie zum Beispiel den Eiweißabbau. Danahezu alle Zellen des menschlichenKörpers solche Rezeptoren besitzen,wirken die Kortikosteroide auch auf fastalle Zellen ein.

Diese vielfältigen Wirkungen kann mangrob in drei Gruppen teilen:

1. die entzündungshemmenden Wirkungen, die auch für die Wirk-samkeit der Behandlung bei chronisch entzündlichen Darm-erkrankungen wichtig sind,

2. die metabolischen (auf den allge-meinen Stoffwechsel bezogenen)Wirkungen, die auch für das Auf-treten von Nebenwirkungen verant-wortlich sind und

3. die den Wasserhaushalt (Mineral-stoffwechsel) beeinflussendenWirkungen.

Kortikosteroide im Körper

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Abb. 4: Hemmung der Entzündung durch Kortikosteroide

Vorläufer-zellen im Knochenmark

Entzündungs-zellen imBlutkreislauf

VermehrungSpezialisierung

Wanderung zur EntzündungAktivierung

Freisetzung von Entzündungs-faktoren

Entzündungs-zellen, z.B. im Darm, Gelenk...

Ko

rtik

ost

ero

ide

+

+

Kortikosteroide im Körper

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Kortikosteroide im Körper

Entzündungshemmende Wirkungender Kortikosteroide

Die Entzündungshemmung wirderreicht, indem Kortikosteroide die Vermehrung (Proliferation) und Weiter-entwicklung (Differenzierung) von Entzündungszellen im Knochenmark,das Einwandern von Entzündungszellenaus dem Blut in den Darm (Migration)und die Aktivierung dieser Entzündungs-zellen behindern (Abb. 4). Zusätzlich wir-ken Kortikosteroide auf alle Arten vonEntzündungszellen direkt, wie auch aufdie weißen Blutkörperchen (Leukozyten).In diesen hemmen sie die Freisetzungvon Entzündungshormonen, wie z.B.die der Zytokine, die eine Entzündung fördern.

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Kortikosteroide im Körper

Wirkungen der Kortikosteroide auf den Stoffwechsel

Die Wirkungen auf den allgemeinenStoffwechsel sind noch vielfältiger. DieKortikosteroide beeinflussen den Stoff-wechsel der Leber, der Muskeln, desFettgewebes, der Knochen und Sehnenund vieler anderer Organe.

Einfluss der Kortikosteroide auf den Wasserhaushalt

Die Wirkung auf den Wasserhaushaltkommt dadurch zustande, dass das Cor-tisol eine gewisse Ähnlichkeit mit einemanderen Hormon – dem Aldosteron –hat, welches den Wasserhaushalt durchRegulation der Mineralienausscheidungin der Niere beeinflusst. Cortisol hält,wie Aldosteron, vermehrt Wasser imKörper zurück.

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Behandlung mit Kortikosteroiden

Behandlung mit Kortikosteroiden

Schon bald nach der Einführung vonCortisol in die Behandlung entzündlicherKrankheiten hat man versucht, durchchemische Veränderungen die Wirkun-gen zu steigern, gleichzeitig aber dieunerwünschten Nebenwirkungen zuverringern.

Künstliche (synthetische) Kortikoste-roide zur Verbesserung der Wirksam-keit und der Verträglichkeit

Durch die Entwicklung von Kortikoste-roiden wie z.B. Prednison, Prednisolonund 6-Methylprednisolon entstandenKortikosteroide, die kaum noch oder garkeine Wirkungen mehr auf den Mineral-stoffwechsel haben, wobei gleichzeitignoch die Wirksamkeit gegen Entzündun-gen gesteigert werden konnte.

So wirken Prednisolon und Prednisonetwa 4-mal so stark entzündungshem-mend wie das körpereigene Cortisol unddas 6-Methylprednisolon ist sogar 5-malwirksamer.

Da alle entzündungshemmenden undmetabolischen Wirkungen über die glei-chen Erkennungsstellen (Rezeptoren)auf den Zellen vermittelt werden, ist essehr schwierig, die erwünschten Wir-kungen von den unerwünschten Neben-

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wirkungen zu trennen. Um hier Fort-schritte zu erzielen, wurde versucht, dieWirksubstanz direkt an den Entzün-dungsort zu bringen, um so die systemi-sche Wirkung, die Wirkung über denBlutkreislauf, zu verringern.

Verschiedene Darreichungsformenzur Behandlung der Colitis ulcerosa

Es wurden zunächst Darreichungsfor-men zur Behandlung der Colitis ulcerosaentwickelt, die eine hohe Kortikosteroid-Konzentration nur an bestimmten Re-zeptoren im Darm, nämlich da, wo dieEntzündung sitzt, bewirken. Dieses Zielkonnte teilweise durch die Entwicklungvon Einläufen (Klysmen) erreicht wer-den. Durch Kortikosteroid-Einläufe kön-nen im Enddarm und den unteren Dick-darmabschnitten relativ hohe lokaleKortikosteroid-Konzentrationen erreichtwerden (Abb. 5).

Allerdings wird ein Teil der so ange-wandten Kortikosteroide durch dieDarmschleimhaut aufgenommen undführt, wenn auch in geringerem Aus-maß, zu unerwünschten Nebenwirkun-gen. Kortikosteroid-Schaumpräparatesind genauso wirksam wie die Klysmen,werden aber von den meisten Patientenwegen der angenehmeren Anwendbar-keit bevorzugt. Darüber hinaus ist esaufgrund der Schaumkonsistenz unddes -volumens für die Patienten einfa-cher, Schaumpräparate einzuhalten.

Behandlung mit Kortikosteroiden

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Bei schweren Formen der Krankheitmüssen die Kortikosteroide jedoch inForm von Tabletten, Kapseln oder sogarals Spritze intravenös gegeben werden,um eine ausreichende Wirkung zu erzie-len.

Abb. 5: Wirksamkeit von Kortikosteroid-Einläufen und -Schaumpräparaten im Dickdarm

Behandlung mit Kortikosteroiden

Magen

Dünndarm

Dickdarm

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„Topische“ Kortikosteroide

Im Bestreben, die Wirksamkeit der Kor-tikosteroide zu erhalten und dabei dieNebenwirkungen dieser Substanzennoch weiter zu verringern, wurden inden letzten Jahren sogenannte „topi-sche“ Kortikosteroide entwickelt.Topisch heißt, dass eine Wirkung vorallem lokal, also am Ort der Entzündung,stattfindet. Am Beispiel des Budesonids,das schon seit Langem in der Asthma-Therapie, zur Behandlung des akutenMorbus Crohn mit Beteiligung desKrummdarms (Ileum) und/oder einesTeils des Dickdarms (Colon ascendens)und jetzt auch zur rektalen Therapie derColitis ulcerosa zugelassen ist, soll dasPrinzip der „topischen“ Kortikosteroideerläutert werden.

Abb. 6: Budesonid-Aufnahme und -Abbau imKörper

Behandlung mit Kortikosteroiden

Budesonid oral

Herz

Magen

Leber

DickdarmColon ascendensDünndarm

Ileum

Sigma

After (Rektum)

Budesonid rektal

10% systemisch(im ganzenKörperwirksam)

90% in derLeberabgebaut

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Budesonid ist ein stark wirksames Korti-kosteroid. Es wird sowohl bei oraler alsauch bei rektaler Anwendung nach sei-ner Wirkung am Ort der Entzündungüber die Darmschleimhaut rasch aufge-nommen und zur Leber transportiert.Hier wird Budesonid im Gegensatz zuden bisher verwendeten Kortikoste-roiden bereits bei der ersten Leberpas-sage zu über 90 % abgebaut, so dass nur noch ein kleiner Teil in den Körpergelangt. Dies bedeutet, dass wenigerNebenwirkungen zu erwarten sind (Abb. 6).

Damit Budesonid lokal an die Entzün-dungsorte im Darm gelangen kann, darfes vorher, also in den oberen Dünn-darmabschnitten, noch nicht in die Blut-bahn aufgenommen werden. Folglichmuss durch spezielle Beschichtung des Wirkstoffes dafür gesorgt werden,dass dieser erst an den Entzündungs-orten (insbesondere am Übergang vomDünndarm zum Dickdarm) freigesetztwird.

Allerdings ist zu beachten, dass sichdurch solche Beschichtungen Entzün-dungen in der Speiseröhre, im Magenund in den oberen Dünndarmabschnit-ten wie dem Zwölffingerdarm nichtbehandeln lassen. Zudem gilt, dass beischweren Erkrankungen gegebenenfallsdie Anwendung systemisch wirkenderKortikosteroide erforderlich ist.

Behandlung mit Kortikosteroiden

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Wirksamkeit bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen

Generell sind die Kortikosteroide gegen-wärtig die wirksamsten Medikamentefür die Behandlung von akuten Schübenchronisch entzündlicher Darmerkran-kungen (Colitis ulcerosa und MorbusCrohn). Eine Dauerbehandlung mit densystemisch wirksamen Kortikosteroidensollte allerdings möglichst vermiedenwerden.

Colitis ulcerosa

Leicht bis mäßig aktive Colitis ulcerosa

Bei einer leicht bis mäßig aktiven Colitisulcerosa reicht in den meisten Fälleneine Behandlung mit 5-Aminosalicyl-säure (Mesalazin) aus. Gegebenenfallskönnen kurzfristige Gaben von syste-misch wirksamen Kortikosteroiden (z.B.täglich 40 mg Prednisolon) mit rascherVerminderung der Dosis alle 5 Tage um10 mg und Beendigung der Kortikoste-roid-Therapie innerhalb von ca. 3 Wochenzu einer schnelleren Beseitigung derKrankheitssymptome führen. Alternativkann zuvor auch eine Kombinationsthe-rapie von Tabletten und Einläufen/Schaumpräparaten versucht werden.Die meisten Patienten sprechen auf die-se Therapie rasch an. Oft wird allerdingsder therapeutische Gewinn etwas durch

Behandlung mit Kortikosteroiden

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Behandlung mit Kortikosteroiden

die auftretenden Nebenwirkungen dersystemischen Kortikosteroidtherapie ge-schmälert.

Linksseitige Colitis ulcerosa

Bei der linksseitigen Colitis ulcerosa, bei der nur die letzten 50 cm des Dick-darms befallen sind, werden bevorzugt 5-Aminosalicylsäure (Mesalazin)-Einläufeoder -Schaumpräparate und – falls erfor-derlich – Kortikosteroid-Schaumpräpara-te oder -Einläufe verwendet, da so die höchste Wirkstoffkonzentration imBereich der Entzündung erzielt wird. Beischweren Fällen kann die kombinierterektale Gabe von 5-Aminosalicylsäure(Mesalazin) und Kortikosteroid nötigwerden oder möglicherweise auch eineKombination von Einläufen mit oralenFormen (Tabletten, Kapseln).

Hoch aktive Colitis ulcerosa

Die hoch aktive Colitis ulcerosa bedeu-tet immer eine akute Gefahr für denPatienten. Hier ist oft unklar, ob Tablet-ten noch wirksam werden können. Ein-läufe und Schaumpräparate hingegenkönnen wegen der starken Durchfällemeist nicht ausreichend lange gehaltenwerden. Deshalb ist hier meist eine sta-tionäre Behandlung und die intravenöseGabe einer hohen Kortikosteroid-Dosiserforderlich. Je nach Schwere müssenweitere therapeutische Maßnahmeneingeleitet werden.

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Inaktive Colitis ulcerosa – Erhaltung der Beschwerdefreiheit

Kortikosteroide sollten nach derzeitigemErkenntnisstand nicht zur sogenanntenRemissionserhaltung (Remission = Be-schwerdefreiheit /keine aktive Erkran-kung) eingesetzt werden, da sie hierzunicht in der Lage sind und die Patientendurch mögliche Nebenwirkungen be-lastet werden. Hier kommen in ersterLinie 5-Aminosalicylsäure (Mesalazin)-haltige Präparate zur Anwendung. DieseTherapie senkt auch das Darmkrebs-risiko signifikant.

Bei Unverträglichkeit von Mesalazinkann E. coli Nissle 1917 eingesetzt wer-den.

Pouchitis

Wenn bei Patienten mit Colitis ulcerosader komplette Dickdarm entfernt werdenmuss, kann in vielen Fällen ein Dünn-darmreservoir (Pouch) eine reguläreStuhlentleerung erlauben.

In manchen Fällen kann sich jedoch dieser Pouch chronisch entzünden.Die Standardtherapie besteht in derGabe des Antibiotikums Metronidazol.Alternativ kann bei besserer Verträglich-keit auch Budesonid als Einlauf oderSchaum verwendet werden.

Behandlung mit Kortikosteroiden

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Behandlung mit Kortikosteroiden

Morbus Crohn

Leicht bis mäßig aktiver Morbus Crohn

Leichte bis mäßige Schübe eines akutenMorbus Crohn werden heute entwedermit 5-Aminosalicylsäure (Mesalazin)oder Kortikosteroiden behandelt. Korti-kosteroide sind dabei wirksamer als5-Aminosalicylsäure-Präparate (Mesala-zin). Dies gilt auch für das vorwiegendlokal wirksame Kortikosteroid Budeso-nid. Bei den Kortikosteroiden wird dasüber 6 Monate dauernde Therapiesche-ma (Tab. 1) zur Behandlung des akuten Morbus Crohn zunehmend verlassen, dadie meisten Patienten viel rascher aufeine derartige Therapie ansprechen undaußerdem die Nebenwirkungsrate dersystemisch wirkenden Kortikosteroiderelativ hoch ist.

Je nach Krankheitsaktivität wird heuteeine variable Zurücknahme der Dosie-rung empfohlen.

Auch das „topische“ Kortikoid Bude-sonid wird in oraler Form beim akutenMorbus Crohn eingesetzt. Das topischwirkende Kortikosteroid Budesonid wird als Kapsel eingenommen, die einMagensaft-unlösliches Granulat enthält.Das Budesonid wird dann im Dünn- undDickdarm aus dem Granulat freigesetztund wirkt direkt an der Darmschleim-haut. Anschließend wird es in der Leber

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inaktiviert. Aufgrund dieses Mechanis-mus wirkt es insbesondere dann rechtgut, wenn der Endteil des Dünndarms(terminales Ileum) befallen ist. Wennauch der Enddarm befallen ist, müssenentweder zusätzlich Einläufe oderSchaumpräparate gegeben oder einsystemisch wirksames Kortikosteroideingesetzt werden.

Hoch aktiver Morbus Crohn

Wie bei der Colitis ulcerosa haben wires auch hier mit einer ernsten Situationzu tun, die eine Behandlung im Kranken-haus und die Gabe einer hohen Dosisvon Kortikosteroiden in Form von Injek-tionen erforderlich macht. Wenn nötig,müssen auch hier weitere therapeuti-sche Maßnahmen eingeleitet werden.

Behandlung mit Kortikosteroiden

Tab. 1: Behandlungsschema des akutenMorbus Crohn am Beispiel des Prednisolon

Woche Prednisolon-Tagesdosis1 60 mg2 40 mg3 35 mg4 30 mg5 20 mg6 15 mg7–14 10 mg3–6 Monate 5–10 mg

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Behandlung mit Kortikosteroiden

Inaktiver Morbus Crohn – Erhaltung der Beschwerdefreiheit(Remissionserhaltung)

Hierzu liegt eine Reihe von Therapie-studien mit nicht einheitlichen Ergebnis-sen vor. Derzeit können Kortikosteroidenicht allgemein zur Remissionserhaltungempfohlen werden.

Mikroskopische Kolitis (kollageneKolitis und lymphozytäre Kolitis)

Da die mikroskopischen Kolitiden seltensind und nur durch genaue Untersu-chung von Gewebeproben aus demDickdarm zu diagnostizieren sind, wer-den sie oft nicht rasch diagnostiziert. Sie führen zu chronischen Durchfällen.

Bei beiden Formen der mikroskopischenKolitis – der kollagenen Kolitis und derlymphozytären Kolitis – ist Budesonid Mit-tel der Wahl, mit einer sehr guten Wirk-samkeit bei wenigen Nebenwirkungen.

Einheimische Sprue / Zöliakie

Die einheimische Sprue / Zöliakie isteine chronische Dünndarmentzündung,die durch die Getreideeiweiße Glutenund Gliadin ausgelöst wird und zu Durch-fällen, Eisenmangel, Vitaminmangel,Gewichtsverlust und Dünndarmwuche-rungen führen kann.

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Die Standardtherapie besteht in einerGluten- und Gliadin-freien Ernährung.

Bei zum Glück seltenen Fällen von the-rapierefraktärer einheimischer Sprue /Zöliakie wird Prednisolon und in letzterZeit auch das nebenwirkungsärmereBudesonid erfolgreich eingesetzt.

Verträglichkeit und Nebenwirkungen

Eine Langzeittherapie mit systemischwirkenden Kortikosteroiden führt zuNebenwirkungen, die häufig zu einer Ver-ringerung der Dosis bzw. zum Abbruch derTherapie zwingen. Das gleichzeitige Auftre-ten mehrerer sichtbarer Kortikosteroid-Nebenwirkungen wie z.B. Gewichtszunah-me mit Stammfettsucht, Mondgesicht,Büffelnacken, Dehnungsstreifen der Haut(Striae) bezeichnet man auch als Cushing-Syndrom. Mögliche Nebenwirkungen vonKortikosteroiden sind in Tab. 2 aufgelistet.

Die lange Liste der möglichen Problemeunter einer Kortikosteroid-Therapiemacht auch deutlich, wie wichtig es ist,nach neuen, nebenwirkungsärmerenKortikosteroiden zu suchen.

Im Folgenden soll noch etwas näher aufeinige der möglichen Nebenwirkungenvon Kortikosteroiden eingegangen wer-den, mit Hinweisen, was dagegen getanwerden kann.

Behandlung mit Kortikosteroiden

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Behandlung mit Kortikosteroiden

Die Osteoporose ist eine häufige undpotenziell schwerwiegende Komplikationnach einer lang andauernden Kortiko-steroid-Therapie. Es können spontaneKnochenbrüche auftreten. Kortikostero-ide hemmen die Knochenbildung und

Tab. 2: Mögliche Nebenwirkungen der Kortikosteroide

Mögliche Nebenwirkungen der Kortikosteroide

• Gewichtszunahme mit Stammfettsucht,Mondgesicht, Büffelnacken

• Striae (Dehnungsstreifen der Haut), Ekchymosen (kleine Hautblutungen), Akne

• Nebennierenrinden-Schrumpfung• Erhöhung von Blutzucker und Cholesterin• Blutdruckanstieg• Osteoporose (Knochenschwund) und

aseptische Durchblutungsstörungen des Knochens (Knochennekrose)

• Mineralstoffstörungen, z.B. Kaliummangel• Grauer und grüner Star• Schlaflosigkeit, Psychosen• Nervenschädigungen• Muskelentzündungen, Muskelschwund• Infektionsneigung (Tuberkulose,

Pilzerkrankungen)• Wachstumsstörungen (bei Kindern)

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fördern den Knochenabbau, indem siedie Calcium-Aufnahme im Darm hem-men und die Parathormon-Freisetzungfördern (ein Hormon, welches den Kno-chenabbau fördert). Gegebenenfallsmüssen Calcium und Vitamin D einge-nommen werden. Es gibt Hinweise dar-auf, dass Budesonid im Vergleich zusystemischen Kortikosteroiden auchbezüglich der Osteoporosegefahr deut-lich besser vertragen wird.

Die durch ein Kortikosteroid ausgelösteKnochennekrose ist eine schwereDurchblutungsstörung des Knochens.Sie ist glücklicherweise selten, tritt vorallem am Hüftgelenkskopf auf undäußert sich durch Schmerzen.

Eine längere Kortikosteroid-Therapiekann zu einer Schrumpfung der Neben-nieren führen, da die körpereigene Corti-sol-Produktion unterdrückt wird.

Es ist daher notwendig, die Beendigungeiner Kortikosteroid-Therapie nicht plötz-lich, sondern sehr langsam durch eineVerringerung der Dosis vorzunehmen,damit die Nebennierenrinde genügendZeit zum Wiederaufbau hat und dannselbst wieder Cortisol freisetzen kann.Das typische Symptom für eine zuschnelle Verringerung der Kortikostero-id-Dosis ist das Auftreten einer starkenMüdigkeit oder Schwäche.

Behandlung mit Kortikosteroiden

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Linsentrübungen (grauer Star) und eineErhöhung des Augeninnendrucks (grüner Star) sind ebenfalls selten. Umdie Diagnose rechtzeitig stellen zu kön-nen, sollten bei einer Kortikosteroid-Langzeittherapie regelmäßig augenärzt-liche Kontrollen durchgeführt werden.Nötigenfalls muss das Präparat gewech-selt oder die Therapie abgesetzt wer-den.

Die Hemmung des Immunsystemsdurch die Kortikosteroide schwächtauch die Widerstandskraft gegenüberInfektionen. Deshalb muss bei tastbarenVerhärtungen im Bauchbereich das Vor-handensein eines Abszesses (Eiteran-sammlung) ausgeschlossen werden,bevor mit Kortikosteroiden behandeltwird.

Behandlung mit Kortikosteroiden

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Schwangerschaft undCortison-Therapie

Es besteht kein erhöhtes Risiko für Fehl-geburten. Bei hoher Cortison-Dosierungin der Endphase der Schwangerschaftmuss das Neugeborene engmaschigdurch einen Kinderarzt kontrolliert wer-den. Eine unzureichend behandeltechronisch entzündliche Darmerkrankungist gefährlicher für Mutter und Kind alseine adäquate Cortison-Therapie.

Zum Einsatz von Budesonid in derSchwangerschaft gibt es derzeit nochnicht genügend Daten um eine Empfeh-lung auszusprechen.

Stillen und Cortison-Therapie

Da Cortison auch über die Muttermilchin den kindlichen Organismus gelangenkann, ist eine Unterdrückung der kind-lichen Cortison-Bildung möglich. Dahersollte hier eine Kontrolle durch denKinderarzt erfolgen. Mit dauerhaftenSchädigungen ist nicht zu rechnen.

Behandlung mit Kortikosteroiden

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Glossar

Glossar5-Aminosalicylsäure (5-ASA, Mesalazin): wirk-

samer Bestandteil vieler Medikamente zur Be-handlung von chronisch entzündlichen Darmer-krankungen.

Abszess: Eiteransammlung.

ACTH: Adrenocorticotropes Hormon; übergeordnetesHormon, das die Bildung und Ausschüttung vonKortikosteroiden fördert. ACTH wird in der Hirn-anhangdrüse gebildet.

Aldosteron: Hormon der Nebennierenrinde, das denWasserhaushalt beeinflusst.

Budesonid: lokal wirkendes (topisches), stark wirk-sames Kortikosteroid, welches als Kapsel, Schaumoder Einlauf verabreicht wird.

Colitis ulcerosa: chronische Entzündung des Dick-darms.

Colon: Dickdarm.

Cortisol: Hormon aus der Klasse der Kortikosteroide,steuert eine Vielzahl von Stoffwechselprozessen.

CRH: Corticotropin Releasing Hormon, übergeordne-tes Hormon, das die Ausschüttung von ACTHsteuert. CRH wird im Hypothalamus gebildet.

Cushing-Syndrom: typisches Krankheitsbild, dasdurch Erhöhung von Cortisol im Plasma ausgelöstwird und auch bei langer und hoch dosierterAnwendung von Kortikosteroiden entstehen kann.

Differenzierung: Weiterentwicklung (Spezialisierung)von Zellen.

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Glossar

Einheimische Sprue / Zöliakie: chronische Dünn-darmentzündung durch Unverträglichkeit vonGetreideeiweißen.

Grauer Star (Katarakt): Trübung der Linse desAuges aus verschiedenen Gründen (angeborenoder erworben).

Grüner Star (Glaukom): Sammelbegriff für Erkran-kungen des Auges mit erhöhtem Augeninnen-druck.

Hormon: vom Körper gebildeter Botenstoff, der Vorgänge im Stoffwechsel steuert.

Hypothalamus: zentralnervöse Region desZwischenhirns.

Ileum: unterster Abschnitt des Dünndarms.

Immunsystem: komplexes System zur Abwehr vonkörperfremden Substanzen.

Knochennekrose: schwere Durchblutungsstörungdes Knochens mit Zerstörung des Knochengewebes.

Kollagene Kolitis: mikroskopische Kolitis mit einerVerbreiterung der Kollagenfasern auf über 10 µm.

Kortikosteroide: Klasse von Hormonen, die aus derNebennierenrinde freigesetzt werden.

Lymphozytäre Kolitis: mikroskopische Kolitis mitVermehrung der Lymphozyten in den Gewebe-proben.

Migration: Einwandern von Entzündungszellen ausdem Blut in den Darm.

Mikroskopische Kolitis: chronische Dickdarment-zündung, die nur unter dem Mikroskop (Gewebe-proben aus dem Dickdarm) zu diagnostizieren ist.

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Morbus Crohn: entzündliche Erkrankung des Ver-dauungstraktes, benannt nach dem Arzt Dr. BurrillB. Crohn, der die Erkrankung als erster beschrie-ben hat. Häufig im Bereich des unteren Ileums(Krummdarm/Teil des Dünndarms) und des Colons(Dickdarm).

Osteoporose: Verminderung des Knochengewebesdurch gesteigerten Knochenabbau und/oder ver-minderten Knochenanbau.

Parathormon: Hormon, das in den Nebenschild-drüsen gebildet wird und unter anderem den Knochenabbau steigert.

Pouchitis: Entzündung des Pouches nach Entfernungdes Dickdarms bei Colitis ulcerosa.

Proliferation: Vermehrung von Zellen.

Psychose: Beeinträchtigung des Gemütszustandes,führt zu einem Strukturwandel des gesamten Erlebens.

Remission: Zustand der Beschwerdefreiheit bei einerchronischen Erkrankung.

Zytokine: Hormone, die Entzündungsreaktionen ver-mitteln (Entzündungsmediatoren).

Glossar

Als weitere Patientenbroschürenzu chronisch entzündlichen Darm-erkrankungen sind u.a. kostenloserhältlich:

– Colitis ulcerosa und Morbus CrohnEine Übersicht über die Krankheitsbilder und ihre Behandlung (S80)70 Seiten

– Patientenfragen zu chronisch entzündlichenDarmerkrankungen (S81)56 Seiten

– Morbus Crohn, Colitis ulcerosa undSchwangerschaft (S82)51 Seiten

– Ernährung bei chronisch entzündlichenDarmerkrankungen (S84)62 Seiten

– Medizinisches Stichwortverzeichnis zuchronisch entzündlichen Darmerkran-kungen (S86)48 Seiten

– Chronisch entzündliche Darmerkrankungen und seelisches Erleben (S87)52 Seiten

– „Mein Darm ist krank – was nun?“Ein Ratgeber von und für Jugendliche mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa (in Zusammenarbeit mit der DCCV e.V.) (S90)47 Seiten

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