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Page 1: Kryoglobulinämische Vaskulitis

Nephrologe 2012 · 7:209–221DOI 10.1007/s11560-011-0607-6© Springer-Verlag 2012

B. Hellmich1 · K. de Groot2

1 Klinik für Innere Medizin (Allgemeine Innere Medizin, Rheumatologie, Nephrologie), 

Kreiskliniken Esslingen gGmbH, Akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Tübingen, Plochingen2 Med. Klinik III (Nephrologie, Hypertensiologie, Rheumatologie), Klinikum 

Offenbach GmbH, KfH Nierenzentrum Offenbach

Kryoglobulinämische Vaskulitis

Leitthema

Einleitung

Die kryoglobulinämische Vaskulitis (KV) gehört zu den immunkomplexvermittel­ten Vaskulitiden kleiner und mittelgro­ßer Gefäße. Sie wird durch bei Kälteex­position (in vitro bei Abkühlung auf 4°C) ausfallende Immunkomplexpräzipita­te hervorgerufen. Es werden je nach Zu­sammensetzung der beteiligten Immun­globuline verschiedene Kryoglobuline unterschieden [1], die alle mit einer kryo­globulinämischen Vaskulitis einhergehen können:FTyp 1: ausschließlich monoklonale

Immunglobuline (z. B: bei Plasmo­zytom);

FTyp 2: gemischt monoklonale (meist IgM) und polyklonale (meist IgG) Immunglobuline (z. B. bei Hepatitis C und essenzieller Kryoglobulinämie; sie machen knapp 60% aller Kryo­globuline aus;

FTyp 3: ausschließlich polyklonale Im­munglobuline (z. B. bei Kollagenosen, rheumatoider Arthritis, Lymphome, Hepatitis C); sie stellen 30% aller Kryoglobuline dar.

Kryoglobuline können außer den oben aufgeführten Immunglobulinen auch an­dere Serumproteine wie Komplementpro­teine, Fibronektin, Lipoproteine, C­reak­tives Protein sowie bakterielle oder virale Antigene (e. g. Hepatitis­C­Virus, HCV) enthalten.

Die genaue Prävalenz und Inzidenz der KV ist unbekannt, da in den bekann­ten prospektiven Vaskulitisregistern die

KV nicht als eigene Entität erfasst wurde und die Sensitivität der jeweils zur Kryo­globulinbestimmung eingesetzten Metho­de variiert. Je nach geographischer Region und damit Prävalenz der Hepatitis C liegt bei der überwiegenden Mehrzahl (>80%) der Patienten mit KV eine HCV­Infek­tion vor [2]. Umgekehrt können bei bis zu über 50% aller Patienten mit HCV­Infek­tion Kryoglobuline nachgewiesen werden. Jedoch weisen nicht alle dieser Patienten Symptome einer Kryoglobulinämie auf. Die Prävalenzen der KV bei Patienten mit HCV­Infektion und die Prävalenz der KV allgemein sind in mediterranen Ländern deutlich höher als in Nord­ und Mittel­europa [3]. Die Ursachen für diesen Zu­sammenhang sind bis dato nicht bekannt.

Ätiologie und Pathogenese

Die HCV­Infektion stellt heute die mit Abstand häufigste Ursache einer KV dar. Weniger häufig tritt eine KV im Rahmen einer Hepatitis­B­Infektion oder HIV­In­fektion auf [4, 5, 6]. Kryoglobulinämien im Rahmen anderer viraler und parasi­tärer Infektionen wurden kasuistisch be­schrieben, ein Kausalzusammenhang scheint jedoch fraglich. Bei etwa der Hälf­te aller Patienten mit KV ohne HCV­In­fektion besteht eine Autoimmunerkran­kung [7], wobei das primäre Sjögren­Syn­drom am häufigsten mit einer KV asso­ziiert ist [3]. Patienten mit Sjögren­Syn­drom und Kryoglobulinämie haben eine schlechtere Prognose und weisen ein er­höhtes Risiko für die Entwicklung eines B­Zell­Lymphoms auf [8]. Weniger häu­

fig sind Kryoglobuline bei Patienten mit systemischem Lupus erythematodes oder rheumatoider Arthritis nachweisbar.

»  Die HCV-Infektion stellt heute die mit Abstand häufigste Ursache einer KV dar

Sehr selten (<1%) kann eine Kryoglobu­linämie auf eine maligne Erkrankung zu­rückgeführt werden. B­Zell­Lymphome und das Plasmozytom sind am häufigsten mit einer Kryoglobulinämie assoziiert. In der Regel handelt es sich dabei um mono­klonales Kryoglobulin (Typ I nach Brouet). Bei etwa einem Drittel der Patienten mit HCV­negativer Kryoglobulinämie ist kei­ne zugrunde liegende Ursache erurierbar [7], man spricht dann von einer essenziel­len Kryoglobulinämie.

Kryoglobuline können als Folge einer chronischen Stimulation und/oder Ex­pansion von B­Zellen entstehen. Hepa­titis­C­Viren sind hepatotrop, aber auch lymphotrop. Es wird daher heute postu­liert, dass eine chronische HCV­Infekti­on des lymphatischen Gewebes zu einer poly­ und oligoklonalen B­Zell­Prolife­ration z. T. bis hin zur Entwicklung eines B­Zell­Lymphoms führt. Die klonal ex­pandierenden B­Zellen produzieren monoklonales IgM, welches Anti­HCV­Core­IgG und auch HCV­RNA bindet und so zur Bildung von Kryopräzipitaten führt [9]. Bei Lymphomen und Plasmo­zytomen entstehen die Kryoglobuline als Folge einer monoklonalen B­Zell­Expan­sion.

RedaktionM. Haubitz, Fulda

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Leitsymptome und klinisches Bild

Bei höchstens der Hälfte der Patienten mit Nachweis von Kryoglobulinen im Serum bestehen hierfür typische klinische Symp­tome [4]. Die von Meltzer im Jahr 1966 erstmals beschriebene klassische Trias von Purpura, Arthralgien und Schwäche findet sich bei Erstmanifestation bei etwa 80% der Patienten und wurde und als es­senzielle Kryoglobulinämie bezeichnet [5, 10, 11]. Dieses Syndrom wurde später auch als gemischte Kryoglobulin ämie oder Kryoglobulinämiesyndrom benannt. Das histopathologische Korrelat dieses Syn­droms ist eine leukozytoklastische Vas­kulitis kleiner und manchmal auch mit­telgroßer Gefäße durch Ablagerung von Immunkomplexen und Komplement, weshalb heute die Termini „kryoglobulin­ämische Vaskulitis“ und „gemischte Kryo­globulinämie“ synonym verwendet wer­den [7].

Extrarenale Manifestationen

Die Purpura stellt das häufigste Symp­tom der KV dar und tritt bei nahezu al­len Patienten auf (.Tab. 1). Typisch für die leukozytoklastische Kleingefäßvasku­litis der Haut sind kleine, nicht wegdrück­bare, petechiale, rötliche und im Verlauf bräunlich abblassende Effloreszenzen, welche vor allem an der unteren Extre­mität zu finden sind (.Abb. 1). Bei etwa 20% der Patienten können diese Efflores­zenzen konfluieren und zur Ausbildung von Hautulzera führen [4, 5]. Auch End­

gliedischämien durch eine Vaskulitis der Digitalarterien sind möglich.

Allgemeinsymptome (Abgeschla­genheit) und Arthralgien werden eben­falls von fast allen Patienten angegeben (.Tab. 1). Eine klinisch durch gelenk­bezogene Weichteilschwellungen objekti­vierbare Arthritis kann hingegen bei we­niger als 5% der Patienten dokumentiert werden. Im Gegensatz zur rheumatoiden Arthritis führt die Arthritis bei KV zu kei­ner erosiven Gelenkdestruktion.

Die Mehrzahl der Patienten entwickelt zudem Symptome einer Polyneuropathie, welche sich überwiegend in Form von dis­talen betonten symmetrischen Hypästhe­sien und Parästhesien manifestiert. Bei einigen Patienten entwickelt sich zudem eine akut auftretende motorische Neuro­pathie, welche sich z. B. in Form einer Fallhand (Radialisparese) oder Fuss­ bzw. Zehenheberschwäche (Peroneusparese) manifestieren kann (.Abb. 2). Eine Be­teiligung des ZNS mit klinischen Sympto­men einer zerebralen Ischämie findet sich nur bei wenigen Patienten.

»  Die Mehrzahl der Patienten entwickelt Symptome einer Polyneuropathie

Die chronische Hepatitis C ist Ursache der Leberbeteiligung, welche bei etwa einem Viertel der Patienten zu einer Leberzir­rhose führt. Etwa 3% der Patienten ent­wickeln zudem ein hepatozelluläres Karzi­nom [7]. Eine mesenteriale Vaskulitis mit der intestinalen Symptomatik einer Isch­

ämie tritt selten auf. Auch eine Lungen­beteiligung, meist in Form einer pulmo­nalen Kapillariitis mit diffuser alveoläerer Hämorrhagie (Leitsymptome Dyspnoe und Hämoptysen), findet sich nur bei wenigen Patienten. Endokrinologische Funktionsstörungen, z. B. eine Hypothy­reose oder ein Diabetes mellitus, treten bei Patienten mit KV gehäuft auf [12, 13]. Ein Hyperviskositätssyndrom, verursacht durch hohe Kryglobulinkonzentrationen, ist bei der gemischten Kryoglobulinämie ungewöhnlich, kann aber den Verlauf einer Typ­I­Kryoglobulinämie im Rah­men von hämatologischen Systemerkran­kungen verkomplizieren [14]. Hier stehen Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Sehstörun­gen, Epistaxis und ggf. ein akutes Nieren­versagen durch intratubuläre Kryoglobu­linpräzipitationen im Vordergrund der Symptomatik.

Renale Manifestationen

Bei etwa 20% der Patienten mit gemisch­ter Kryoglobulinämie besteht zum Zeit­punkt der Diagnosestellung eine renale Manifestation; im Krankheitsverlauf kann dieser Anteil auf 60% ansteigen, da die Zeit vom Krankheitsbeginn bis zur Nie­renmanifestation im Median 2,5 Jahre be­trägt [15]. Bei der Typ­III­Kryoglobulin­ämie kommt eine Nierenbeteiligung we­sentlich seltener vor.

Die typische Nierenmanifestation be­steht in einer meist jahrelang asympto­matischen Proteinurie und Mikrohäma­turie. Rund 80% der Patienten entwickeln eine arterielle Hypertonie, 50% eine chro­nische Niereninsuffizienz und etwa 25% eine akute Glomerulonephritis (GN), da­von etwa ein Viertel mit dem Verlauf einer RPGN. Das Vollbild eines nephritischen Syndroms tritt bei etwa 20% der Patienten mit KV auf [16]. Die renale Beteiligung bei KV kann klinisch auch völlig asymp­tomatisch sein.

Diagnose und Klassifikation

Kryoglobulinbestimmung

Für den Nachweis der Kryoglobuline im Serum ist eine genaue Beachtung der Me­thodik von entscheidender Bedeutung. Wird das Serum nach der Blutentnahme

Tab. 1  Klinische Zeichen und Symptome der kryoglobulinämischen Vaskulitis  (adaptiert nach [4, 5, 7])

Purpura 54–98%

Hautulzera ~50%

Allg. Leistungsminderung 50–100%

Arthralgien >90%

Arthritis 6–10%

Raynaud-Phänomen ~50%

Sicca-Syndrom ~50%

Polyneuropathie 60–80%

Leberbeteiligung ~70%

Sonstige gastrointestinale Beteiligung 2–6%

Nierenbeteiligung ~30%

Pulmonale Beteiligung 1–6%

Hyperviskositätssyndrom 0,5%

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Leitthema

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zunächst längere Zeit transportiert (z. B. in ein Großlaboratorium), kann der Test falsch negativ ausfallen. Das Serum muss daher unmittelbar nach der Blutentnah­me bei 37 C für 2 Stunden inkubiert und dann bei 37 C zentrifugiert werden (da­her Blutentnahme idealerweise direkt im Labor; [17]). Anschließend wird die Probe für 7 Tage bei 4°C gekühlt und dann er­neut zentrifugiert. Als Kryokrit bezeich­net man den Anteil des dann resultieren­den Kryopräzipitats am Gesamtvolumen der Probe. Das Kryopräzipitat sollte mit­tels Immunfixation typisiert werden, um zwischen monoklonalen und polyklona­len Anteilen unterscheiden zu können, was dann die Klassifikation nach Brouet (s. o.) bestimmt [18].

Sonstige Labordiagnostik

Ein sehr sensitiver Parameter zur Aktivi­tätsbeurteilung einer KV ist die bei aktiver Erkrankung regelhaft erniedrigte Serum­C4­Komplement­Konzentration [19]. Zu­dem sind bei fast allen Patienten Rheuma­faktoren nachweisbar. Bei jedem Patien­ten mit erstdiagnostizierter KV sollte eine Diagnostik zum Aussschluss einer Hepa­titis­C­ (HCV­RNA­PCR und Antikör­per), Hepatitis­B­ (HbsAg, HBV­DNA) und HIV­Infektion durchgeführt werden.

DAutoantikörper spielen in der Diagnose der HCV-assoziierten oder der essenziellen KV keine Rolle.

Jedoch sollten bei Diagnosestellung zu­mindest als Suchtest antinukleäre Anti­körper (ANA) bestimmt werden, um eine Kollagenose, speziell ein Sjögren­Syn­drom, mit sekundärer KV erkennen zu können. Die Bestimmung von antineut­rophilen zytoplasmatischen Antikörpern (ANCA) dient insbesondere bei Patienten mit Nierenbeteiligung der Abgrenzung zu einer Granulomatose mit Polyangi­itis (M. Wegener) oder einer mikroskopi­schen Polyangiitis. Bei etwa 10% der Pa­tienten mit KV können Anti­BPI­ ANCA nachgewiesen werden [20], was in der klinischen Diagnostik aber keine Rolle spielt. Zur Überwachung von Organma­nifestationen und medikamentöser The­rapie sind im Verlauf zudem Kontrollen

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der Transaminasen sowie der Leber­ und Nierenfunktion sinnvoll.

Histopathologie

Die Diagnose der KV sollte idealerweise histopathologisch gesichert werden. Dies kann einfach über eine Hautbiopsie ge­schehen, die typischerweise eine leukozy­toklastische Vaskulitis kleiner und selten auch mittelgroßer Gefäße zeigt.

Nierenpathologie

Obwohl der Mechanismus der Nieren­schädigung bei der KV nicht ganz aufge­klärt ist, wird davon ausgegangen, dass zumindest bei der Hepatitis­C­assoziier­ten KV die Bildung von Immunkomple­xen, bestehend aus HCV­Antigen, ­IgG­Antikörper und IgM­Rheumafaktoren wesentlich zur In-situ­Gewebedestruk­tion beitragen. Virus­Core­Proteine wur­den in der Wand glomerulärer Kapillaren, in den Tubuli sowie im Interstitium nach­gewiesen.

Das typische histologische Korrelat ist die membranoproliferative Glome­rulonephritis (MPGN) mit Verdickung und Duplikatur der glomerulären Basal­membran durch Immunkomplexablage­rungen und endokapilläre Zellprolifera­tion sowie einer mesangialen Zellprolife­ration und starker Makrophageninvasion, wie bei kaum einer anderen proliferativen Glomerulonephritis [21]. Insgesamt wei­sen die Glomerula durch diese komplexen Veränderungen eine typische „kleeblattar­tige“ Lobulierung des Schlingenkonvoluts auf (.Abb. 3). Gelegentlich werden auch extrakapilläre Proliferate im Sinne von Halbmonden gesehen.

Histologische Hinweise auf die zu­grunde liegende Kryoglobulinämie sind:Fintraluminal präzipitierte Kryoglobu­

line in den Kapillarlichtungen,Fimmunhistochemischer Nachweis

von IgM­ und C3c­Ablagerungen entlang der glomerulären Kapillar­schlingen,

Fsubendotheliale eosinophile Depots, welche elektronenmikroskopisch eine charakteristische mikrotubuläre Tex­tur aufweisen.

Abb. 3 8 Membranoproliferative Glomerulonephritis bei Rekurrenz im Nie-rentransplantat: Das glomeruläre Schlingenkonvolut erscheint lobuliert, und die Basalmembranen weisen segmentale Doppelkonturierungen auf (Pfeile). Es liegt eine deutliche mesangiale und endokapilläre Hyperzellu-larität vor. In einem Teil der Kapillaren sind sog. hyaline Thromben zu sehen (Sterne), die Kryoglobulinpräzipitaten entsprechen und typischerweise stark PAS-positiv sind (PAS-Färbung, Originalvergrößerung 400-fach)

Abb. 1 9 Purpura bei leukozytoklastischer Vaskulitis

Abb. 2 9 Großzehen-heberparese und akra-le Perfusionsstörung

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Das histologische Bild bei der Hepatitis­C­assoziierten MPGN unterscheidet sich kaum signifikant von dem bei essenziel­ler KV mit Nierenbeteiligung [22]. Bei der MPGN im Rahmen einer essenziel­len (nicht Hepatitis­C­assoziierten) KV besteht in den meisten Fällen eine Asso­ziation mit einem Sjögren­Syndrom. His­tologisch können im Niereninterstitium noduläre CD­20+B­Zell­Infiltrate ge­funden sowie im Verlauf eine hohe Rate (45%) an Transformationen in ein B­Zell­Lymphom beobachtet werden [22].

Klassifikation

Kürzlich wurden erstmals Kriterien zur Klassifikation der KV publiziert, welche im Rahmen einer multizentrischen Stu­die an 2 Kohorten von jeweils 188 bzw. 272 Patienten mit CV sowie entsprechen­den Kontrollen entwickelt wurden [23]. Die noch nicht in unabhängigen Studien weiter validierten Kriterien weisen für die Diagnose einer KV eine Sensitivität von 88,5% und eine Spezifität von 93,6% auf [23]. Die Kriterien (.Tab. 2) beinhalten anamnestische Angaben des Patienten zu Leitsymptomen, klinische Befunde und Laborparameter. Voraussetzung zur An­wendung der Kriterien ist der Nachweis von Kryoglobulinen im Serum an 2 min­destens 12 Wochen auseinander liegenden Zeitpunkten [23]. Es wird sich zeigen, in­wieweit das genannte Zeitfenster in der Praxis sinnvoll ist, da man sicher keinem Patienten mit typischer Klinik und ein­malig positivem Kryoglobulinnachweis eine Therapie verweigern wird und der Test nach 12 Wochen Therapie durchaus schon negativ ausfallen kann.

Therapie

Konsensusempfehlungen

Kürzlich wurden erstmals Konsensus­empfehlung einer internationalen Ex­pertengruppe zur Therapie der HCV­as­soziierten KV publiziert ([24]; .Tab. 3). Als First­Line­Therapie wird für alle Pa­tienten eine antivirale Behandlung mit pe­gyliertem Interferon­α 2b und Ribavirin empfohlen. Bei schwerer Vaskulitis, Glo­merulonephritis oder Polyneuropathie soll die antivirale Behandlung um die Ga­

Zusammenfassung · Abstract

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B. Hellmich · K. de Groot

Kryoglobulinämische Vaskulitis

ZusammenfassungKryoglobulinämische Vaskulitiden sind im-munkomplexvermittelte Vaskulitiden kleiner und mittelgroßer Gefäße und werden v. a. im Rahmen einer Hepatitis-C-Infektion oder Kol-lagenose gesehen. Die typische Symptomatik umfasst eine Purpura der Haut, Arthralgien und Polyneuropathie, häufig gekoppelt mit einer membranoproliferativen Glomerulo-nephritis. Neuerdings existieren Klassifika-tionskriterien, die laborchemische und klini-sche Kriterien umfassen, nachdem Kryoglo-buline im Serum nachgewiesen wurden. The-rapeutisch steht die Behandlung der zugrun-de liegenden Erkrankung im Vordergrund, d. h. in den meisten Fällen die antivirale The-rapie der ursächlich auslösenden Hepatitis C, zurzeit mit pegyliertem Interferon α und Ri-baverin. Glukokortikoide und Cyclophospha-mid werden bei lebens- oder organbedro-henden Manifestationen eingesetzt (große 

Hautulzera, motorische Polyneuropathie, ra-pid-progressives Nierenversagen), können aber die Viruselimination verzögern und bil-den bei den nicht virusvermittelten Kryoglo-bulinämien die Primärtherapie. B-Zell-deple-tierende Substanzen (Rituximab) haben her-vorragende Ergebnisse sowohl bei der Hepa-titis-C-assoziierten als auch bei der essenziel-len kryoglobulinämischen Vaskulitis erbracht, mit Nachweis der Überlegenheit gegenüber Steroiden plus weiterer Immunsuppressiva. Seit dem Einsatz von Rituximab beschränkt sich der Einsatz der Plasmapherese auf Pa-tienten mit Hyperviskosität durch Kryoglo-buline.

SchlüsselwörterKryoglobulinämie · Kryoglobulinämische  Vaskulitis · Hepatitis C · Glomerulonephritis · Therapie

Cryoglobulinemic vasculitis

AbstractCryoglobulinemic vasculitis consists of a group of immune complex-mediated diseas-es of small and medium-sized vessels, which mainly occur in association with hepatitis C infections or connective tissue diseases. Typ-ical symptoms include purpuric skin chan-ges, arthralgia and polyneuropathy often in conjunction with membranoproliferative glo-merulonephritis. Classification criteria have recently been established which encompass serological and clinical parameters after de-tection of cryoglobulins in serum. Therapy is based on treatment of the underlying prima-ry disease, e.g. antiviral treatment of hepatitis C with pegylated interferon-alpha and riba-virin. Corticosteroids and cyclophosphamide are administered for life or organ function threatening manifestations (e.g. large skin ul-

cers, severe motor neuropathy, rapid progres-sive glomerulonephritis), however they can slow down virus elimination and thus consti-tute the primary treatment in cases of non-vi-rus-associated cryoglobulinemia. The B-cell depleting drugs (e.g. rituximab) have prov-en very effective for hepatitis C-associated as well as essential cryoglobulinemia and have shown to be superior to steroids plus addi-tional immunosuppressants. Since the intro-duction of rituximab plasma exchange is on-ly used in cases with hyperviscosity due to cryoglobulins.

KeywordsCryoglobulinemia · Cryoglobulinemic  vasculitis · Hepatitis C · Glomerulonephritis · Therapy

be von Rituximab erweitert werden. Eine Gabe von Glukokortikoiden (GC) wird nur akut und zeitlich befristet bei einer sehr schweren Krankheitsausprägung als sinnvoll erachtet. Von einer GC­Dauer­therapie, auch in geringer Dosis, wird ab­geraten, da ein Anstieg der HCV­Viruslast möglich ist. Bei Patienten mit Hypervis­kositätssyndrom wird eine Indikation zur Plasmapheresetherapie gesehen.

Antivirale Therapie

Aufgrund der antiproliferativen Wirkung auf B­Zellen wurde eine Einsatz von Inter­feron­α zur Therapie der KV bereits vor über 20 Jahren propagiert. Später konnte dann gezeigt werden, dass durch eine Be­handlung der HCV­assoziierten KV mit Interferon­α in der Mehrzahl der Fälle eine Viruselimination und Remission der Vaskulitis erreicht werden konnte [25].

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Tab. 2  Klassifikationskriterien der kryoglobulinämischen Vaskulitis (adaptiert nach [23])

Klassifikation als kryoglobulinämische Vaskultis bei Nachweis von Kryoglobulinen im Serum (2-mal im Abstand von ≥12 Wochen) und wenn mindestens 2 von 3 der folgenden Kriterien (Fragebogen, Klinik, Labor) erfüllt sind

1. Fragebogen (mindestens 2 der 3 Fragen müssen positiv beantwortet werden)

Traten bei Ihnen einmalig oder häufiger kleine rote Hautflecken auf, insbesondere an den Beinen?

Hatten Sie an den Beinen jemals rote Flecken, die sich im Verlauf bräunlich verfärbt haben?

Hat ihr Arzt ihnen jemals gesagt, ob Sie eine Virushepatitis haben?

2. Klinik (mindestens 3 der 4 Merkmale müssen aktuell oder früher positiv sein)

- Allgemeinsymptome: Müdigkeit

Subfebrile Temp. (37,0–37,9°C, >10 Tage, keine andere Ursache)

Fieber (>38°C, keine andere Ursache)

Fibromyalgie

- Gelenkbeteiligung  Arthritis

Arthtralgien

- Gefäßbeteiligung Purpura

Hautulzera

Nekrotisierende Vaskulitis

Raynaud-Phänomen

- Neurologische Manifestation Polyneuropathie

Hirnnervenbeteiligung

ZNS-Vaskulitis

3. Labor (mindestens 2 der 3 Merkmale müssen positiv sein)

Serum-C4 reduziert

Positiver Rheumafaktor

M-Gradient in der Serumelektrophorese

Tab. 3  Therapie der kryoglobulinämischen Vaskulitis (KV; adaptiert nach [3, 24])

Subtyp/Ätiologie der KV

Schweregrad hocha Schweregrad leicht bis moderatb

HCV-assoziiert PEG-Interferon+ Ribavirin+ RituximabGC hoch dosiert bei schwerem VerlaufKeine Low-Dose-GC-Erhaltungstherapie!Plasmapherese bei HyperviskositätssyndromBei lebensbedrohlichem Verlauf+ Cyclo phosphamid alternativ zu Rituximab

PEG-Interferon+Ribavirin+Rituximab

Essenziell/sekundär  bei Kollagenosen

Cyclophosphamid+ Prednisolon zur InduktionAZA/MTX zur RemissionserhaltungRituximab bei refraktärem Verlauf

Prednisolon zur  InduktionGgf. additiv MTX  oder AZA

Lymphoproliferative Erkrankung

Therapie der Grundkrankheit:  Chemotherapie/Rituximab

Therapie der Grund-krankheit: Chemo-therapie/Rituximab

az. B. Glomerulonephritis, Schwerpunktneuropathie, schwere Hautulcera; bPurpura, Arthralgien, Glomerulo­nephritis ohne Nierenfunktionseinschränkung; + diffuse alveoläre Hämorrhgie, intestinale Ischämie, komplettes Nierenversagen. AZA Azathioprin, CYC Cyclophosphamid, MTX Methotrexat, GC Glukokortikoide, PEG pegyliert.

Analog zur Entwicklung in der Therapie der Hepatitis C wurden dann Studien zur kombinierten antiviralen Therapie mit Interferon­α und oralen antiviralen Subs­tanzen durchgeführt [26]. Heute gilt eine kombinierte antivirale Therapie mit pe­gyliertem Interferon­α 2b (1,0–1,5 mg/kg/

Woche) und Ribavirin (800–1200 mg pro Tag) über eine Dauer von bis zu 48 Wo­chen als Standardtherapie der HCV­as­soziierten KV [24]. Bei den Genotypen 1 und 4 wird eine Behandlungsdauer von 48 Wochen empfohlen, während bei den Genotypen 2 und 3 eine Dauer von 24 Wo­

chen ausreichend zu sein scheint [3]. Der Einsatz neuer antiviraler Substanzen wie Entecavir bei Patienten mit KV wurde bis dato nur kasuistisch berichtet [27]. Pa­tienten mit leicht­ bis mittelgradig schwer ausgeprägter KV (z. B. Purpura ohne Ul­zera, Arthralgien) benötigen keine addi­tive Therapie mit GC oder anderen Im­munsuppressiva, welche den Verlauf der zugrunde liegenden Hepatitis C und die Viruselimination ungünstig beeinflussen könnte. Die antivirale Therapie sollte im­mer mit einem Hepatologen abgestimmt und gemeinsam überwacht werden, zu­mal Nebenwirkungen (z. B. Influenza­Symptome, Zytopenie, Autoimmunthy­reoiditis, Hämolyse, depressive Verstim­mung etc.) häufig auftreten und die The­rapie limitieren können.

»  Die antivirale Therapie sollte immer mit einem Hepatologen abgestimmt und gemeinsam überwacht werden

Aktuelle Studiendaten zeigen, dass eine Dreifachtherapie unter Hinzunahme eines Proteaseinhibitors wie Telaprevir insbesondere beim Genotyp I zu höhe­ren Responseraten führt als eine Thera­pie nur mit PEG­Interferon und Ribavi­rin. Studien zum Einsatz der Dreifachthe­rapie bei HCV­assoziierter KV sind der­zeit noch nicht publiziert. Im Hinblick auf die anzustrebende Viruselimination bei einer HCV­assoziierten KV sollte jedoch schon jetzt eine Dreifachtherapie erwo­gen und mit dem mitbehandelnden He­patologen abgestimmt werden.

Glukokortikoide

GC führen in der Regel zur einer raschen symptomatischen Besserung von Pur­pura­Arthralgien [28], eine dauerhafte Krankheitsremission kann jedoch in der Regel nicht erreicht werden. Bei schweren Krankheitsverläufen wie großflächigen Hautulzera, einer Schwerpunktneuropa­thie oder Glomerulonephritis mit Nieren­funktionseinschränkung kann jedoch auf eine zeitlich befristete Applikation von GC in höherer Dosierung nicht verzichtet werden (z. B Methylprednisolon 0,5–1 g/Tag, gefolgt von Prednisolon 1 mg/kg mit

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rascher Reduktion). Eine längerdauernde Gabe von GC kann die Viruselimination behindern, sodass eine Dauertherapie bei HCV­assoziierter KV nicht empfoh­len wird [24]. Hingegen sollte in Analogie zum Vorgehen bei anderen systemischen Vaskulitiden bei Patienten mit essenzieller KV und sekundärer KV im Rahmen einer Kollagenose bis zum Erreichen einer Re­mission eine Therapie mit GC und ande­ren Immunsuppressiva erfolgen.

Konventionelle Immunsuppressiva

Zur Therapie der KV mit konventionel­len Immunsuppressiva wie Cyclophos­phamid, Cyclosporin A oder Azathioprin liegen keine Daten aus kontrollierten The­rapiestudien vor. Ein Einsatz dieser Subs­tanzen zusammen mit GC ist in Analogie zum Vorgehen bei anderen Systemvasku­litiden bei Patienten mit essenzieller KV oder sekundärer KV im Rahmen einer Kollagenose sinnvoll, wobei bei schwe­rer Organbeteiligung bevorzugt Cyclo­phosphamid i. v. gegeben werden sollte. Bei Patienten mit HCV­assoziierter KV ist eine Therapie mit konventionellen Im­munsuppressiva erst nach Versagen einer antiviralen Therapie und Gabe von Ritu­ximab empfehlenswert, da eine Progres­sion der Hepatitis C möglich ist [17].

B-Zell-Depletion

Die Hypothese, dass durch eine Depletion von kryglobulinproduzierenden B­Zell­Klonen die Produktion von Kryoglobu­linen gehemmt oder gar verhindert wer­den kann, bildet die Rationale zum Ein­satz von B­Zell­depletierenden Substan­zen bei Patienten mit KV. Ergebnisse zum Einsatz von B­Zell­depletierenden Subs­tanzen aus randomisierten klinischen Stu­dien werden in naher Zukunft erwartet.

Daten aus einer Reihe von jüngst pu­blizierten offenen Studien weisen jedoch darauf hin, dass eine B­Zell­Depletion so­wohl bei HCV­assoziierter als auch bei es­senzieller KV therapeutisch wirksam zu sein scheint [29­34]. In einer prospekti­ven nichtrandomisierten offenen Kohor­tenstudie erhielten 93 Patienten mit HCV­assoziierter KV eine Standardtherapie mit pegyliertem Interferon­α 2b und Ribavi­rin [32]. 38 der 93 Patienten wurden zu­

sätzlich mit dem Anti­CD20­Antikörper Rituximab (4­mal 375 mg/m2) behandelt. Die additive Gabe von Rituximab führte zu einer signifikant kürzeren Zeit bis zum Erreichen einer Remission, einem deut­lich höheren Ansprechen der Nierenbe­teiligung (80% vs. 40%) sowie einer höhe­ren Kryoglobulin­Clearance. Vermehrte Nebenwirkungen, Therapieabbrüche oder ein Anstieg der HCV­RNA wurden unter der Therapie mit Rituximab nicht berichtet.

In einer zweiten Studie wurden 22 Pa­tienten ebenfalls mit Rituximab als Add­on zu einer Therapie mit Interferon­α 2b und Ribavirin behandelt und die Ergeb­nisse mit 15 Patienten unter einer antivira­ler Therapie verglichen. Im Gegensatz zur erstgenannten Studie erhielten die mit Ri­tuximab behandelten Patienten nach der Erstgabe (je 4­mal 375 mg/m2 über 4 Wo­chen) und während der 48­wöchigen anti­viralen Therapie zusätzlich 2 weitere Ritu­ximab­Infusionen im Abstand von jeweils 5 Monaten [29]. Ein komplettes Anspre­chen wurde bei den additiv mit Rituximab behandelten Patienten signifikant häufi­ger beobachtet als unter reiner antiviraler Therapie (54,5% vs. 33,3%; p<0,05). Wäh­rend einer Beobachtungsdauer von 3 Jah­ren blieben 83,3% der mit Rituximab be­handelten Patienten HCV­RNA­frei und wiesen keine oligoklonalen B­Zell­Popu­lationen mehr auf. Bei den antiviral be­handelten Patienten erreichten nur 40% diesen Endpunkt, allerdings wurden nur 5 der Kontrollpatienten über 3 Jahre ver­folgt.

Ergebnisse aus 2 kleineren offenen Stu­dien ohne Kontrollgruppe an Patienten mit therapierefraktärer KV trotz antivi­raler Therapie lassen erkennen, dass auch eine Monotherapie mit Rituximab wirk­sam sein könnte [30, 34]. Interessanter­weise erwies sich in einer der beiden Stu­dien eine niedrig dosierte Rituximabthe­rapie (2­mal 250 mg/m2) mit einer An­sprechrate von 79% als wirksam [34].

Die Wirkung von Rituximab auf die Kryoglobulinämie scheint unabhängig vom Vorliegen einer HCV­Infektion zu sein. So zeigen Daten einer Registerstu­die (AIR) aus Frankreich eine klinische Wirksamkeit und eine Verbesserung der Biomarker bei GC­refraktären Patien­ten mit essenzieller KV (n=8), sekundä­

rer KV bei Sjögren­Syndrom (n=9) und sekundärer KV im Rahmen einer häma­tologischen Erkrankung (n=8; [33]). Die Verträglichkeit der Therapie war weniger gut als bei Patienten mit HCV­assoziier­ter KV. Es traten während einer mittle­ren Beobachtungsdauer von 22 Monaten bei 26% der Patienten schwere Infektio­nen auf, und 3 Patienten verstarben. Ursa­che der höheren Rate schwerer Infektio­nen war möglicherweise der Einsatz von GC. So erhielten 70% der Patienten GC in einer mittleren Dosis von 30 mg pro Tag. Die Hälfte der Patienten wurde zudem zu­sätzlich mit anderen Immunsuppressiva wie Cyclophosphamid oder Azathioprin behandelt. Über 50% der Patienten erlit­ten nach einer medianen Zeit von 13 Mo­naten nach Rituximab­Gabe ein Rezidiv.

»  Die Wirkung von Rituximab auf die Kryoglobulinämie scheint unabhängig vom Vorliegen einer HCV-Infektion zu sein

Zusammenfassend sind die oben genann­ten Daten zum Einsatz von Rituximab bei KV vielversprechend, jedoch ist die Subs­tanz nicht zur Therapie der KV zugelas­sen, und Ergebnisse randomisierter Stu­dien stehen noch aus. Patienten müssen daher über den „off­label use“ aufgeklärt und besonders aufmerksam überwacht werden. Ein Einsatz von Rituximab bleibt daher nach derzeitigem Expertenkonsen­sus Patienten vorbehalten, die auf eine antivirale Therapie nicht ansprechen oder aber eine sehr schwere Krankheitsmani­festation aufweisen, die eine alleinige anti­virale Therapie als nicht ausreichend ef­fektiv erscheinen lässt [24].

Eine rezente erste randomisierte kon­trollierte Studie zeigt die Überlegenheit einer Rituximab­Monotherapie gegen­über klassischen Immunsuppressiva (Cyclo phosphamid, Azathioprin, Gluko­kortikoide, Plasmapherese) bei schwerer gemischter KV mit einem Patientenan­teil von 93% mit positivem Hepatitis­C­Nachweis [35]. Bei allen Patienten hat­te eine vorangegangene antivirale Thera­pie versagt oder war nicht indiziert. Die Dauer des Therapieerfolgs unter Rituxi­mab war ebenso wie die Zeit bis zum Re­zidiv bei den mit Rituximab behandelten

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Leitthema

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Patienten signifikant länger als im Kont­rollarm.

Plasmapherese

Ein Hyperviskositätssyndrom ist die we­sentliche Indikation zur Durchführung einer Plasmapherese bei KV. Diese Situa­tion kommt v. a. bei der Typ­I­Kryoglo­bulinämie vor. Die Rationale der Plasma­pheresetherapie ist eine Entfernung der Kryoglobuline, um den Prozess der Bil­dung von Immunkomplexen zu unterbre­chen. Üblicherweise wird die Plamaphe­rese mit der Gabe von Immunsuppressi­va wie Cyclophosphamid kombiniert, um einem Rebound­Phänomen nach Been­digung der Apherese vorzubeugen. Zur Plasmapherese bei KV liegen jedoch nur spärlich Daten vor, sodass ein Einsatz bei anderen Manifestationen der KV, abgese­hen von lebensbedrohlichen Situationen, derzeit außerhalb von Studien nicht emp­fohlen werden kann.

Ausblick

Nach vielversprechenden Ergebnissen aus einem transgenen Tiermodell für KV wurde der Tyrosinkinasehemmer Ima­tinib bei einem Patienten mit schwerer Nierenbeteiligung bei KV eingesetzt [36]. Unter täglicher oraler Imatinibgabe zu­sammen mit Plasmapherese und Steroi­den kam es zur Normalisierung des Se­rumkreatinins sowie zum Rückgang der Proteinurie und des Kryokrits. Der The­rapieerfolg verschwand nach Absetzen des Imatinib und war nach Wiederauf­nahme der Imatinibtherapie wieder nach­weisbar.

In einer rezenten Phase­IIa­Studie wurde bei Patienten mit auf Virustatika oder/und Rituximab refraktärer HCV­assoziierter KV Interleukin 2 s. c. einge­setzt. Es wurde eine Besserung der klini­schen Symptomatik (8/10) und ein Absin­ken der Kryoglobuline (9/10) ohne Akti­vierung der Vaskulitis oder Virämie so­wie eine Anstieg der initial verminderten regulatorischen T­Zellen im peripheren Blut bei allen Patienten beobachtet [37].

Prognose

Patienten mit KV haben eine schlechtere Überlebensprognose als alters­ und ge­schlechtsgematchte gesunde Personen [5]. Es gibt jedoch bis dato nur wenige Daten, die meist aus monozentrischen Kohorten stammen. Die häufigsten Todesursachen sind Infektion, terminales Leberversagen und eine Nierenbeteiligung [5, 38, 39]. Eine immunsuppressive Therapie, Haut­ulzera und eine Niereninsuffizienz sind mit einer erhöhten Mortalität assoziiert; weiterhin sind männliches Geschlecht und Alter über 60 Jahre bei Erstmanifes­tation prognostisch ungünstige Prädikto­ren [39].

Ein Abfall der HCV­Viruslast um mehr als 2 log10 unter antiviraler Thera­pie ist prognostisch günstig.

Fazit für die Praxis

FDie Symptomkonstellation  Purpura der Haut, Arthralgien/ Arthritiden, Polyneuropathie ±  glomeruläre  Mikrohämaturie und Proteinurie, ggf. GFR-Abfall, lenken den Verdacht auf eine KV. Untermauert wird dieser durch den technisch anspruchsvollen Nachweis von Kryoglobulinen (Blut-abnahme, Sedimentation und Zentri-fugation bei 37°C), Komplementver-brauch und oft hoher Rheumafaktor-konzentrationen. Die Einteilung der Kryoglobulinämien erfolgt je nach Zusammensetzung aus mono- und polyklonalen Immunglobulinklassen in Typ I–III.

FDer Goldstandard der Diagnosesiche-rung ist der histologische Nachweis aus Haut- oder Nierenbiopsie.

FErstmalig erstellte Klassifikationskri-terien ermöglichen die Abgrenzung von anderen systemischen Autoim-munerkrankungen.

FEssenzielle KV sind selten; in den meisten Fällen wird eine Grunder-krankung detektiert, am häufigsten eine Hepatitis C.

FIm Vordergrund der Therapie steht die Behandlung der Grunderkran-kung, d. h. bei hepatitisassoziierter CV die Viruselimination, zurzeit mit pegyliertem Interferon α und Ribavi-rin.

FBei lebens- und organbedrohlichen Manifestationen einer KV, Nichtan-sprechen auf antivirale Therapie oder Behandlung einer KV im Rahmen einer Kollagenose werden Predni-solon und Cyclophosphamid einge-setzt, alternativ Rituximab, welches der konventionellen Immunsuppres-sion nach neuester Studienlage sogar überlegen zu sein scheint.

FDie Prognose wird maßgeblich von Leber- und Niereninsuffizienz, thera-pieassoziierten Infektionen und Virus-elimination bei Hepatitis C bestimmt.

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. B. HellmichKlinik für Innere Medizin ( Allgemeine Innere  Medizin, Rheumatologie,  Nephrologie), Kreiskliniken Esslingen gGmbH, Akademisches Lehr-krankenhaus der Universität TübingenAm Aussichtsturm 5, 73207 [email protected]

Prof. Dr. K. de GrootMed. Klinik III (Nephrologie, Hypertensiologie, Rheuma-tologie), Klinikum Offenbach GmbH, KfH Nierenzentrum  OffenbachStarkenburgring 66-70, 63069 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.

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Aldosteron-Forschung wird gefördert

Der gemeinnützige Verein „ESAC-Deutsch-

land – Verein zur Förderung der Aldoste-

ron-Forschung e. V.“ gewährt jährlich für 

3 wissenschaftliche Projekte auf ein Jahr 

befristete Anschubfinanzierungen von je 

15.000-25.000 Euro zur Durchführung von 

Forschungsvorhaben auf dem Aldosteron-

Sektor. 

Die Auswahl erfolgt gestützt auf ein unab-

hängiges Reviewverfahren zur Beurteilung 

der wissenschaftlichen Exzellenz durch den 

ESAC-Beirat. Gefördert werden insbeson-

dere Wissenschaftler, die an Instituten bzw. 

Kliniken deutscher Universitäten tätig sind. 

Das Ziel ist es, jungen Wissenschaftlern 

einen Einstieg in die Drittmittel-geförderte 

Forschung zu geben. Es wird erwartet, 

dass sich erfolgreiche Bewerber nach der 

Förderphase durch ESAC-Deutschland um 

die weitere Förderung z. B. durch die DFG 

bemühen.

Bewerbungsschluss für das Jahr 2012 ist 

der 31.07.2012.

Weitere Informationen zur Bewerbung um 

eine Anschubfinanzierung finden sich auf 

der Homepage des Vereins.

Quelle: ESAC-Deutschland –

Verein zur Förderung der

Aldosteron-Forschung e. V.

www.esac-deutschland.de

Fachnachrichten

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