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Seminar zu Analysis III LA Gym

Laurent-Reihen und isolierte Singularitaten

Eingereicht von:

Judith Krischke

Matrikelnr.: 129151

Email: judith.krischke@tu-

dortmund.de

Eingereicht bei:

JP Dr. Tomas Dohnal

17. Juni 2013

Judith Krischke Laurent-Reihen und isolierte Singularitaten Seite 2

Abstract

Diese Arbeit beschaftigt sich mit dem Thema Laurent-Reihen und isolierte Singula-

ritaten aus dem Gebiet der komplexen Analysis.

Bisher hatten wir Funktionen betrachtet, die auf einer Umgebung von z0 holomorph sind

und sich somit in eine Potenzreihendartellung entwickeln lassen. In dieser Arbeit soll

gezeigt werden, dass fur Funktionen, die auf einer Umgebung von z0 ohne den Punkt z0

holomorph sind, etwa gebrochenrationale Funktionen, eine Laurent-Reihenentwicklung

− sozusagen eine Verallgemeinerung der Potenzreihenentwicklung − existiert. Die Form

dieser Reihen soll zunachst naher erlautert werden, um anschließend die aus der Umge-

bung”herausgenommenen Stellen“ z0 (die isolierten Singularitaten von f) zu charak-

terisieren.

This Paper will examine Laurent series and isolated singularities, which is an important

topic of complex function theory.

Previously, we often considered a function that is holomorphic on an open set of z0 and

therefore can be expanded in a power series. In this paper it is shown that functions

which are holomorphic on a punctured open set excluding z0 can be expanded in a

Laurent series, which thus can be regarded as a generalization of power series, allowing

negative as well as positive powers. Firstly, the structure and shape of Laurent series is

derived. In the following, the paper deals with the isolated singularities of f , z0, which

shall be characterized by the function f (as described above) in the last chapter.

1 Laurent-Reihen

Definition 1.0.1. Eine Laurent-Reihe ist eine Reihe der Form

L(z) =∞∑

n=−∞

an(z − z0)n =∞∑n=0

an(z − z0)n +∞∑n=1

a−n(z − z0)−n. (1)

Dabei heißt z0 ∈ C Entwicklungspunkt der Reihe L(z). Die an heißen Koeffizienten der

Reihe und bilden eine Folge komplexer Zahlen {an}∞n=−∞ = {an}∞n=0 ∪ {a−n}∞n=1.

Die Reihe

R(z) =∞∑n=0

an(z − z0)n = a0 + a1(z − z0) + a2(z − z0)2 + ... (2)

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heißt Regularteil und die Reihe,

H(z) =∞∑n=1

a−n(z − z0)−n =a−1

z − z0

+a−2

(z − z0)2+ ... (3)

heißt Hauptteil der Laurent-Reihe.

Bemerkung: An z = z0 und z =∞ ist die Laurent-Reihe nicht definiert.

Wie bei Potenzreihen soll zunachst das Konvergenzverhalten von Laurent-Reihen un-

tersucht werden. Hierzu ist die Aufteilung der Laurent-Reihe in L(z) = R(z) + H(z)

nutzlich, da so die Reihe mit”doppelt unendlichen“ Grenzen von −∞ bis ∞ in zwei

einfache Potenzreihen (in z − z0 bzw. 1z−z0 ) aufgeteilt wird (vgl. (2) und (3)).

Wiederholung: Konvergenz von Potenzreihen

Fur jede Potenzreihe der Form∑∞

n=0 an(z − z0)n, an ∈ C existiert eindeutig ein

r, 0 ≤ r ≤ ∞, ihr sogenannter Konvergenzradius, fur welchen gilt:

1. Ist r = 0, so konvergiert die Reihe nur an z0.

2. Ist 0 < r <∞, so konvergiert die Reihe absolut auf dem Konvergenzkreis

0

U r(z0) = {z : |z − z0| < r}.

Sie divergiert auf0

U r(z0) = {z : |z − z0| > r}.

3. Ist r =∞, so konvergiert die Reihe absolut auf dem Konvergenzkreis U∞(z0) = C.

Sei r1 > 0, sodass der Hauptteil

H(z) =∞∑n=1

a−n(z − z0)−n =∞∑n=1

a−n(1

z − z0

)n (4)

der Laurent-Reihe fur | 1z−z0 | <

1

r1

konvergiert und fur | 1z−z0 | >

1

r1

divergiert. Oder an-

ders ausgedruckt: H(z) konvergiert fur |z − z0| > r1. Sei r2 der Konvergenzradius des

Regularteils der Laurent-Reihe, so konvergiert R(z) fur |z − z0| < r2.

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Frage: Wo konvergiert L(z) = H(z) +R(z)?

• Ist r1 > r2, so gibt es kein z fur das beide Reihen R(z) und H(z) zugleich kon-

vergieren.

• Fur r1 = r2 kann keine klare Aussage getroffen werden, da uber den Rand zunachst

nichts bekannt ist. Die Konvergenz der beiden Reihen kann allerdings hochstens

an gewissen Punkten der Kreislinie Kr1 = {z : |z − z0| = r1} = Kr2 vorliegen.

• Ist r1 < r2, so konvergieren beide Reihen auf einem Ringgebiet Kr1,r2(z0) = {z :

r1 < |z − z0| < r2}. Der Hauptteil konvergiert kompakt auf {z : |z − z0| > r1}(d.h. die Reihe konvergiert gleichmaßig auf jeder kompakten Teilmenge von {z :

|z − z0| > r1}) und der Regularteil konvergiert kompakt auf {z : |z − z0| < r2}.Auf dem Durchschnitt dieser beiden Mengen, Kr1,r2(z0), konvergieren also beide

Reihen kompakt.

Abbildung 1: Kr1,r2(z0) = {z : r1 < |z − z0| < r2}

Genau wie beim Identitatssatz fur Potenzreihen lasst sich fur Laurent-Reihen die

Eindeutigkeit der Koeffizienten beweisen.

Satz 1.0.2 (Eindeutigkeit der Koeffizienten an einer Laurent-Reihe). Konvergieren die

Laurent-Reihen

A(z) =n=∞∑n=−∞

an(z − z0)n, B(z) =n=∞∑n=−∞

bn(z − z0)n (5)

auf einem Ringgebiet Kr1,r2(z0) = {z : r1 < |z − z0| < r2}, und gilt dort A(z) = B(z),

so folgt an = bn ∀n ∈ Z.

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Beweis: Es sei k ∈ Z. Weiterhin sei Γ ⊂ Kr1,r2 eine geschlossene, positiv orientier-

te Jordan-Kurve mit endlicher Lange, welche in ihrem Inneren die Kreislinie Kr1(z0)

enthalt. Wegen der Konvergenz auf Kr1,r2(z0) gilt:

1

2πi

∫Γ

A(ζ)

(ζ − z0)k+1dζ

=1

2πi

∫Γ

( n=∞∑n=−∞

an(ζ − z0)n−k−1)dζ

(6)

Wegen der gleichmaßigen Konvergenz des Integranden kann man die Summe mit dem

Integral vertauschen und man erhalt die Reihe

=n=∞∑n=−∞

an

( 1

2πi

∫Γ

(ζ − z0)n−k−1dζ). (7)

Um diesen Term weiter vereinfachen zu konnen, soll die folgende Wiederholung aus

den vorangehenden Analysis-Veranstaltungen die Berechnung komplexer Kurveninte-

grale dieser Form erlautern.

Wiederholung: Berechnung komplexer Kurvenintegrale

Sei m eine ganze Zahl. Fur alle z0 ∈ C und r > 0 gilt fur das Kurvenintegral

uber den Kreis Kr(z0)

∫Kr(z0)

(ζ − z0)mdζ =

0, falls m 6= −1

2πi, falls m = −1.

Beweis:

Die Parameterdarstellung der glatten Kurve Kr(z0) ist gegeben durch z(t) = z0 +reit =

z0+r(cos t+i sin t) mit t ∈ [0,2π] und ihre Ableitung ist z′(t) = −r sin t+ir cos t = ireit.

Aus Analysis I-III wissen wir:

∫K

f(z)dz =

β∫α

f(z(t)) · z′(t)dt.

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Wir erhalten ∫Kr(z0)

(ζ − z0)mdζ

=

2π∫0

rmeimt · ir · eitdt = irm+1 ·2π∫

0

ei(m+1)tdt

= irm+1 ·2π∫

0

(cos(m+ 1)t+ i sin(m+ 1)t

)dt.

Nun unterscheiden wir zwei Falle:

1. fur m 6= −1:∫Kr(z0)

(ζ − z0)mdζ = irm+1 ·(

sin(m+ 1)t

m+ 1− icos(m+ 1)t

m+ 1

)∣∣∣2π0

= 0,

2. fur m = −1: ∫Kr(z0)

(ζ − z0)−1dζ = i ·2π∫

0

1dt = 2πi.

Gemeinsam mit dem Satz uber die Wegunabhangigkeit von Ringintegralen (Wiederho-

lung auf Seite 9) kann dieses Ergebnis auf alle einfach geschlossenen, positiv orientierten

Jordan-Kurven mit endlicher Lange erweitert werden.

Also folgt fur (7), dass das Integral uber Γ Null fur n 6= k und 2πi fur n = k ist, und

somit giltn=∞∑n=−∞

an

( 1

2πi

∫Γ

(ζ − z0)n−k−1dζ)

= ak.

Nun setzt man A(ζ) = B(ζ) ein, dann folgt analog

1

2πi

∫Γ

A(ζ)

(ζ − z0)k+1dζ = bk.

Also gilt ak = bk fur k ∈ Z und somit ist die Eindeutigkeit der Koeffizienten bewiesen.

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2 Laurent-Entwicklung

Ahnlich zur Entwicklung einer Funktion in eine Potenzreihe, kann man Funktionen in

eine Laurent-Reihe entwickeln. Fur die Laurent-Reihenentwicklung muss die Funktion

nun nicht mehr holomorph auf der ganzen Umgebung von einem Punkt z0 sein, sondern

es reicht, wenn f holomorph auf einem Ringgebiet ist.

Satz 2.0.3. Sei f holomorph auf dem Ringgebiet Kr1,r2(z0).

1. Dann lasst sich f auf Kr1,r2(z0) in eine Laurent-Reihe entwickeln mit

f(z) =n=∞∑n=−∞

an(z − z0)n

2. Ist Γ eine geschlossene, positiv orientierte Jordan-Kurve mit endlicher Lange, die

ganz in Kr1,r2(z0) verlauft und in ihrem Inneren z0 enthalt. Dann gilt fur alle

n ∈ Zan =

1

2πi

∫Γ

f(ζ)

(ζ − z0)n+1dζ.

Abbildung 2: Γ ⊂ Kr1,r2(z0)

Beweis: Da der Abstand von Γ zum Rand des Ringgebiets Kr1,r2(z0) stets positiv

ist, kann man das Ringgebiet”verkleinern“, sodass Γ ganz in Kr1,r2(z0) mit r1 < r1 <

r2 < r2 liegt. Von nun an bezeichne Γ1 den Kreis mit Radius r1 und Γ2 den Kreis mit

Radius r2.

Sei z ∈ Kr1,r2(z0) ein fester Punkt. Nun teilen wir das verkleinerte Ringgebiet durch

Hinzufugen zweier Strecken D und E (die nicht durch z gehen) in zwei geschlossene,

positiv orientierte Jordan-Kurven γ1 und γ2 mit endlicher Lange ein, sodass z im Inneren

von γ1 liegt.

Nach der Cauchy’schen Integralformel gilt dann:

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Abbildung 3: Γ ⊂ Kr1,r2(z0)

1

2πi

∫γ1

f(ζ)

(ζ − z)dζ = f(z),

1

2πi

∫γ2

f(ζ)

(ζ − z)dζ = 0. (8)

Abbildung 4: Jordan-Kurven γ1 und γ2

Durch Addition der beiden Integrale in (8) folgt:

f(z) + 0 =1

2πi

∫γ1

f(ζ)

(ζ − z)dζ +

1

2πi

∫γ2

f(ζ)

(ζ − z)dζ (9)

Da D und E jeweils einmal positiv und einmal negativ durchlaufen werden, entfallen

diese im nachsten Schritt und wir erhalten die Cauchy-Integralformel fur Kreisringe:

=1

2πi

∫Γ2

f(ζ)

(ζ − z)dζ − 1

2πi

∫Γ1

f(ζ)

(ζ − z)dζ

= I2(z)− I1(z).

(10)

Da Γ1 nun im mathematisch negativen Sinne durchlaufen wird, ergibt sich ein Vor-

zeichenwechsel vor dem Integral uber Γ1.

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Fur die Reihenentwicklung von f(z) betrachten wir zur besseren Ubersicht I2(z) und

I1(z) getrennt voneinander.

1. Reihenentwicklung fur I2(z):

Fur ζ ∈ Γ2 (immernoch mit festem z) gilt

1

ζ − z=

1

(ζ − z0)− (z − z0)=

1

ζ − z0

· 1

1− z − z0

ζ − z0

(11)

(rechter Faktor: Geometrische Reihe∑∞

k=0 a0qk = a0

1−q )

=1

ζ − z0

·∞∑n=0

(z − z0

ζ − z0

)n. (12)

Diese Reihe konvergiert gleichmaßig, da fur ζ ∈ Γ2

∣∣∣z − z0

ζ − z0

∣∣∣ =|z − z0|r2

< 1. (13)

(12) setzen wir nun ein in den ersten Summanden I2(z) aus (10) und erhalten

I2(z) =1

2πi·∫Γ2

f(ζ)

ζ − z0

·( ∞∑n=0

(z − z0

ζ − z0

)n)dζ

=∞∑n=0

( 1

2πi·∫Γ2

f(ζ)

(ζ − z0)n+1dζ)

(z − z0)n

=∞∑n=0

an(z − z0)n.

(14)

Wiederholung:

Aus Analysis III wissen wir, dass fur eine Funktion f(z), die auf einem Gebiet G

holomorph ist, und fur ein Ringgebiet, das durch zwei Jordan-Kurven ι1 und ι2

eingeschlossen wird und ganz in G liegt, gilt:∫ι1

f(z)dz =

∫ι2

f(z)dz.

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Also gilt:

an =1

2πi·∫Γ2

f(ζ)

(ζ − z0)n+1dζ =

1

2πi·∫Γ

f(ζ)

(ζ − z0)n+1dζ. (15)

2. Reihenentwicklung fur I1(z):

Fur ζ ∈ Γ1 (immernoch mit festem z) gilt:

1

ζ − z=

1

(ζ − z0)− (z − z0)=−1

z − z0

· 1

1− ζ − z0

z − z0

(16)

(rechter Faktor: Geometrische Reihe∑∞

k=0 a0qk = a0

1−q )

= − 1

z − z0

·∞∑n=0

(ζ − z0

z − z0

)n(17)

Diese Reihe konvergiert gleichmaßig, da fur ζ ∈ Γ1

∣∣∣ζ − z0

z − z0

∣∣∣ =r1

|z − z0|< 1. (18)

(17) setzen wir nun ein in den zweiten Summanden −I1(z) aus (10) und erhalten

− I1(z) =1

2πi·∫Γ1

f(ζ)

z − z0

·( ∞∑n=0

(ζ − z0

z − z0

)n)dζ

=∞∑n=0

( 1

2πi·∫Γ1

f(ζ)

(ζ − z0)−ndζ)

(z − z0)−n−1

=∞∑n=0

a−n−1(z − z0)−n−1

1.0.2=

∞∑n=1

a−n(z − z0)−n.

(19)

Dabei ist analog zu (15)

a−n =1

2πi·∫Γ1

f(ζ)

(ζ − z0)−n+1dζ =

1

2πi·∫Γ

f(ζ)

(ζ − z0)−n+1dζ. (20)

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Wir haben gezeigt, dass die Reihe R(z) =∑∞

n=0 an(z − z0)n kompakt auf dem Kreis

{z : |z − z0| < r2}, und die Reihe H(z) =∑∞

n=1 a−n(z − z0)−n kompakt auf dem Kreis

{z : |z − z0| > r1} konvergieren. Da man r1 und r2 beliebig nah an r1 und r2 wahlen

kann, konvergiert die Laurent-Reihe L(z) =∑∞

n=−∞ an(z−z0)n kompakt auf Kr1,r2(z0).

3 Isolierte Singularitaten

In diesem Kapitel sollen Funktionen betrachtet werden, die auf einer offenen Kreis-

scheibe in C, den Mittelpunkt z0 ausgenommen, holomorph sind. Die Untersuchung

und Klassifizierung dieser singularen Stellen ist unter anderem fur den Residuensatz,

aber auch fur andere Anwendungen innerhalb der Funktionentheorie von Bedeutung

und soll deshalb hier erlautert werden.

Definition 3.0.4. Sei0

UR(z0) = {z : 0 < |z − z0| < R} (21)

eine punktierte Umgebung eines Punktes z0. Ist die Funktion f auf0

UR(z0) holomorph,

so heißt z0 eine isolierte Singularitat von f .

Bemerkung: Zunachst ist z0 eine Definitionslucke an einer”singularen Stelle“. Wich-

tig ist, dass z0 eine”isolierte“ Definitionslucke ist, es existiert also keine Folge von

singularen Punkten von f, die sich gegen z0 hauft.

Beispiele:

1. f(z) =sin(z)

zbesitzt in z = 0 eine isolierte Singularitat.

2. f(z) =1

(1 + z2)besitzt in z = ±i isolierte Singularitaten.

3. f(z) = e1

1−z besitzt in z = 1 eine isolierte Singularitat.

4. Der komplexe Logarithmus log(z) ist in C− = C\{z ∈ R|z ≤ 0} nicht definiert.

Somit ist der Punkt z = 0 keine isolierte Singularitat von log(z).

Definition 3.0.5. Die Funktion f sei holomorph auf0

UR(z0). Weiter sei

H(z) =∞∑n=1

a−n(z − z0)−n (22)

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der Hauptteil der Laurent-Entwicklung von f um z0. Der Punkt z0 heißt dann

1. hebbare Singularitat, wenn a−n = 0 fur n = 1, 2, ...

2. Pol der Ordnung p ∈ N (oder p-facher Pol), wenn H(z) von der Form ist

H(z) =

p∑n=1

a−n(z − z0)−n mit a−p 6= 0; (23)

3. wesentliche Singularitat, wenn H(z) unendlich viele Glieder enthalt.

Eine isolierte Singularitat z0 einer Funktion f ist also definiert durch die Form des

Hauptteils der Laurent-Reihe von f um z0.

3.1 Hebbare Singularitaten

Beginnen wir mit dem einfachsten Fall einer isolierten Singularitat, der hebbaren Sin-

gularitat. Die Funktion f hat dann auf0

UR(z0) eine Laurent-Entwicklung der Form

f(z) =∞∑n=0

an(z − z0)n.

Setzen wir also f(z0) = a0, so ist f auch an z0 holomorph, das heißt wir haben die Singu-

laritat”behoben“. Der folgende Satz liefert eine einfache und hinreichende Bedingung,

unter der eine Funktion f an z0 eine hebbare Singularitat hat.

Satz 3.1.1 (Riemann’scher Hebbarkeitssatz). Es sei z0 eine isolierte Singularitat von

f . Genau dann ist z0 eine hebbare Singularitat, wenn es eine Umgebung0

U r(z0) von z0

gibt, so dass f auf0

U r(z0) beschrankt ist.

Beweis:”⇒ “

Nach Definition einer isolierten Singularitat und Satz 2.0.3 (Existenz der Laurent-

Entwicklung) gilt fur ein R > 0

f(z) =+∞∑

n=−∞

an(z − z0)n (z ∈0

UR(z0)). (24)

Ist z0 eine hebbare Singularitat, so gilt sogar

f(z) =+∞∑n=0

an(z − z0)n (z ∈0

UR(z0)). (25)

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Diese Potenzreihe konvergiert gleichmaßig auf der kompakten Umgebung0

U r(z0) von z0

mit 0 < r < R gegen den Konvergenzradius r. Somit bestatigt sich die Behauptung,

dass f fur jede Umgebung0

U r(z0) von z0 beschrankt ist.

”⇐ “

Auf0

UR(z0) mit 0 < r < R gelte |f(z)| ≤ M mit einer Konstanten M . Fur jedes ρ mit

0 < ρ < r gilt dann ∀n ∈ Z

|an| =∣∣∣ 1

2πi·∫

Γρ(z0)

f(z)

(z − z0)n+1dz∣∣∣ (26)

≤ M

2π·∫

Γρ(z0)

1

|z − z0|n+1dz =

M

2π·∫

Γρ(z0)

1

ρn+1dz =

M

2π · ρn+1· 2πρ =

M

ρn.

Ist nun n < 0, so erhalten wir fur ρ→ 0, dass an = 0 gelten muss.

3.2 Pole

Nun besitze die Funktion f an der Stelle z0 einen p-fachen Pol. Aus der Form der

Laurent-Reihe von f ergibt sich der folgende Satz

Satz 3.2.1. Die Funktion f hat an z0 genau dann einen p-fachen Pol, wenn es eine an

z0 holomorphe Funktion g mit g(z0) 6= 0 gibt, so dass auf einer Umgebung von z0 gilt

f(z) = (z − z0)−p · g(z), (z 6= z0). (27)

Beweis:”⇒ “

Sei z0 ein p-facher Pol von f und f(z) =∑∞

n=−p an(z − z0)n die Laurent-Reihe von f

auf0

UR(z0). Dann ist

f(z) =∞∑

n=−p

an(z − z0)n (28)

= (z − z0)−p∞∑

n=−p

an(z − z0)n+p

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= (z − z0)−p∞∑n=0

an−p(z − z0)n︸ ︷︷ ︸=:g(z)

= (z − z0)−pg(z),

wobei g(z) holomorph auf ganz z ∈ C : |z − z0| < R (weil Potenzreihe) und g(z0) =

a−p 6= 0 (wegen Definition eines p-fachen Pols).

”⇐ “

Nun sei f(z) = (z − z0)−p · g(z) mit einer auf UR(z0) holomorphen Funktion g mit

g(z0) 6= 0.

Dann wissen wir, dass fur g eine Potenzreihenentwicklung existiert mit

g(z) =∞∑n=0

bn(z − z0)n mit b0 6= 0. (29)

Setzen wir dies in f ein, so erhalten wir:

f(z) = (z − z0)−p∞∑n=0

bn(z − z0)n (30)

= (z − z0)−p∞∑

n=−p

bn+p(z − z0)n+p

=∞∑

n=−p

bn+p(z − z0)n

=:∞∑

n=−p

an(z − z0)n mit a−p = b0 6= 0 (da g(z0) 6= 0).

Laut Definition ist z0 also ein p-facher Pol von f .

Lasst man in (27) z gegen z0 laufen, sieht man sofort dass f divergiert. Interessant

ist aber auch, ob man aus der Divergenz von f darauf schließen kann, dass die isolierte

Singularitat ein Pol ist. Dies zeigt der nachste Satz.

Satz 3.2.2. Es sei z0 eine isolierte Singularitat von f . z0 ist ein Pol

⇔ limz→z0|f(z)| =∞. (31)

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Beweis:”⇒ “

Folgt direkt aus Satz 3.2.1 (f(z) = (z − z0)−p · g(z) mit g(z0) 6= 0).

”⇐ “

Ist limz→z0 |f(z)| = ∞, so gibt es eine punktierte Umgebung0

U r(z0) von z0 auf der f

holomorph ist und f(z) 6= 0 gilt. Auf dieser Umgebung ist1

febenfalls holomorph und

es gilt:

limz→z0

1

|f(z)|= 0. (32)

Also lasst sich1

fdurch den Wert 0 holomorph auf z0 fortsetzen zu

1

f=

1

f, z ∈

0

U r(z0)

0, z = z0

.

Die Funktion1

fist nun auch holomorph an z0 und hat dort eine Nullstelle der Ordnung

p. Es existiert also eine Darstellung

1

f= (z − z0)p︸ ︷︷ ︸

NS der Ordnung p

·∞∑n=0

an(z − z0)n (33)

= (z − z0)p · g(z),

mit g holomorph auf einer Umgebung Ur(z0) um z0 und g(z0) 6= 0. Damit erhalten wir:

f(z) = (z − z0)−p · 1

g(z)= (z − z0)−p · g(z), (34)

wobei g(z) :=1

g(z)holomorph auf einer Umgebung von z0 und g(z0) 6= 0.

3.2.1⇒ z0 ist p-facher Pol.

3.3 Wesentliche Singularitaten

Wie wir gerade gezeigt haben, besitzt eine Funktion f genau dann

1. eine hebbare Singularitat an z0, wenn |f(z)| beschrankt ist fur z → z0;

2. einen Pol, wenn |f(z)| → ∞ fur z → z0.

Hat f weder eine hebbare Singularitat noch einen Pol an z0, so besitzt f eine wesentliche

Singularitat an der Stelle z0. Das heißt, dass f in der Nahe von z0 weder beschrankt

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sein kann, noch kann |f(z)| → ∞ gelten. Der folgende Satz beschreibt das Verhalten

von f , wenn die Funktion an z0 weder eine hebbare Singularitat, noch einen Pol hat:

Satz 3.3.1 (Casorati-Weierstraß). Sei z0 eine isolierte Singularitat der Funktion f .

Dann ist z0 genau dann eine wesentliche Singularitat der Funktion f , wenn f in jeder

Umgebung von z0 jedem Wert w ∈ C := C∪{∞} beliebig nahe kommt. D.h. limz→z0 =

w.

Wiederholung:

Die Menge C := C ∪ {∞} ist die erweiterte komplexe Ebene und es gelten die Rechen-

regeln:

z ±∞ =∞ (z ∈ C)

z · ∞ =∞ (z ∈ C, z 6= 0)z

∞= 0 (z ∈ C)

z

0=∞ (z ∈ C, z 6= 0).

Die Ausdrucke0

0,∞∞

und 0 · ∞ bleiben weiterhin undefiniert.

Beweis:”⇐ “

• Ware z0 eine hebbare Singularitat, ware f fur z → z0 beschrankt und konnte also

den Wert ∞ nicht erreichen. Also kann z0 keine hebbare Singularitat sein.

• Ware z0 ein Pol, so wurde f →∞ fur z → z0 gelten. Also kann z0 kein Pol sein.

”⇒ “

Sei z0 eine wesentliche Singularitat.

Betrachten wir zuerst den Fall, dass w = ∞ ist. Wir wissen, dass z0 keine hebbare

Singularitat ist. Daraus folgt, dass f nicht beschrankt ist. Also muss es eine Folge zk

mit zk → z0 geben, so dass f(zk)→∞.

Nun sei w ∈ C. Nehmen wir an, f kame w nicht beliebig nahe. Dann gibt es ein

δ > 0 und ein ε > 0, sodass |f(z)−w| ≥ ε ∀z mit 0 < |z− z0| < δ. Wir betrachten die

Funktion

g(z) =1

f(z)− w. (35)

TU Dortmund Datum: 17. Juni 2013

Judith Krischke Laurent-Reihen und isolierte Singularitaten Seite 17

Diese Funktion ist holomorph in 0 < |z − z0| < δ und g ist beschrankt durch

|g(z)| ≤ 1

ε. (36)

z0 ist also eine hebbare Singularitat von g und wir konnen den Funktionenwert am Punkt

z0 so festsetzen, dass g sogar in 0 < δ holomorph ist. Nun gibt es zwei Moglichkeiten:

1. Ist dieser Wert g(z0) 6= 0, ist f wegen f(z)− w =1

g(z)ebenfalls beschrankt und

wir haben somit an z0 eine hebbare Singularitat. Dies steht im Widerspruch zur

Voraussetzung.

2. Ist der Funktionswert g(z0) eine p-fache Nullstelle, wissen wir, dass z0 ein p-facher

Pol von f(z)−w =1

g(z)ist. Dies ist nach Voraussetzung ebenfalls nicht moglich.

Daraus ergibt sich, dass f fur z → z0 jedem Wert w ∈ C beliebig nahe kommt.

Beispiel 1:

Die Funktion f(z) =1

1 + z2ist holomorph fur z 6= ±i. Fur die Laurent-Entwicklung

um z0 = i erhalten wir

F (z) = − i2· 1

z − i· 1

1− i

2(z − i)

(37)

= − i2· 1

z − i

∞∑n=0

( i2

)n(z − i)n

= − i2· 1

z − i−∞∑n=1

( i2

)n+1

(z − i)n−1.

Hier ist der Hauptteil H(z) = − i2· 1

z − i, sodass die Funktion f(z) =

1

1 + z2an z0 einen

Pol der Ordnung 1 hat.

Beispiel 2:

Sei f holomorph auf einer punktierten Umgebung0

UR(z0) und habe f an z0 einen Pol der

Ordnung p. Dann kann man durch Umformung zu einer Darstellung der Koeffizienten

an gelangen, die ohne das Integral (siehe 2.0.3. (2)) auskommt:

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Judith Krischke Laurent-Reihen und isolierte Singularitaten Seite 18

f(z) =∞∑

n=−k

an(z − z0)n |(z − z0)k (38)

(z − z0)kf(z) =∞∑

n=−k

an(z − z0)n+k |∂j+kz , j ≥ −k

∂j+kz

((z − z0)kf(z)

)=∞∑n=j

an(z − z0)(n+k)−(j+k) ·((n+ k)(n+ k − 1)...(n+ k − (j + k) + 1

)

Nun schrankt man ein auf z = z0. Dann werden alle Summanden Null, außer bei

n = j. Der j-Summand bleibt also stehen:

∂j+kz

((z − z0)kf(z)

)∣∣∣z−z0

= aj(j + k)!

aj =1

(j + k)!∂j+kz

((z − z0)kf(z)

)∣∣∣z−z0

. (39)

TU Dortmund Datum: 17. Juni 2013

Judith Krischke Laurent-Reihen und isolierte Singularitaten Seite 19

Literatur

[1] Robert E. Greene / Steven G. Krantz: Function Theorie of One Complex Variable,

John Wiley & Sons, Inc., New York, 1997, S. 106-123.

[2] Kurt Endl / Wolfgang Luh: Analysis III. Eine integrierte Darstellung, AULA-

Verlag, Wiesbaden, 1987, 6., uberarbeitete Auflage, S. 210-228.

TU Dortmund Datum: 17. Juni 2013


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