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  • Rolf Isermann (Hrsg.)

    Elektronisches Management motorischer Fahrzeugantriebe

  • Rolf Isermann (Hrsg.)

    Elektronisches Management motorischer FahrzeugantriebeElektronik, Modellbildung, Regelung und Diagnose für Verbrennungsmotoren, Getriebe und Elektroantriebe

    Mit 318 Abbildungen und 24 Tabellen

    PRAXIS | ATZ/MTZ-Fachbuch

  • Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

    1. Auflage 2010

    Alle Rechte vorbehalten© Vieweg+Teubner | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2010

    Lektorat: Ewald Schmitt | Elisabeth Lange

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    Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergSatz: Klementz Publishing Services, GundelfingenUmschlagbild: 4-Zylinder Dieselmotor 2,2 l Hubraum zur Verfügung gestellt von Daimler MedienDruck und buchbinderische Verarbeitung: MercedesDruck, BerlinGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier.Printed in Germany

    ISBN 978-3-8348-0855-4

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    Vorwort

    Vorwort Die stark gestiegenen Forderungen zur Erhöhung der Leistung und zur Senkung des Kraftstoffverbrauchs und Emissionen führen bei Verbrennungsmotoren neben konstruk-tiven und thermodynamischen Verbesserungen zu einer Zunahme von Mess- und Stell-größen. Damit steigt die Komplexität der Steuerungs-, Regelungs- und Diagnosefunktio-nen an. Der Entwurf, die Erprobung und Implementierung dieser Managementfunktionen erfordert deshalb verstärkt ein systematisches Vorgehen, umfassende Modellbildungs- und Simulationstools und effiziente Applikationsmethoden. Die aktuellen Entwicklungen sind geprägt durch eine mechatronische Gesamtbetrachtung des Antriebsstranges. Dieses Buch ist aufgrund einer Tagung mit dem Haus der Technik e.V., Essen, im März 2009 an der Technischen Universität Darmstadt entstanden. Nach einer Übersicht der all-gemeinen mechatronischen Entwicklungen bei Verbrennungsmotoren und Hybridantrie-ben wird im Teil A eine Übersicht elektronischer Motorsteuerungen gegeben. Dabei wird auf die Architektur und Funktionen der Software für Otto- und Dieselmotoren eingegan-gen und es wird das Management moderner Pkw-Dieselmotoren und ihre zukünftige Entwicklung beschrieben. Der Teil B enthält Beiträge zur Modellbildung und Simulation. Die Gemischbildung und Verbrennung wird anhand von theoretischen Modellen ver-schiedener Dimensionen und ihrer Simulation für Parameterstudien und experimentelle Analysen betrachtet. Für Dieselmotoren mit Common-Rail Einspritzung folgt eine dyna-mische Modellbildung für das Luftsystem, die Verbrennung und den Turbolader in Form von Mittelwert- und arbeitstakt-synchronen Modellen zur Echtzeit-Simulation. Zur experimentellen Modellbildung auf Prüfständen in Teil C wird sowohl die stationäre als auch dynamische (instationäre) Vermessung mit verschiedenen Methoden wie z.B. dem Design of experiments und der Anwendung bestimmter neuronaler Netzmodelle be-schrieben. Dann werden aktuelle Anforderungen und Ansätze zur Implementierung als Plattformkonzepte angegeben und ihre Realisierung in der Prüfstandsautomatisierung be-trachtet. Die vieldimensionalen und komplexen Steuerungs- und Regelungsfunktionen erfordern zunehmend einen modellgestützten Entwurf. Der Teil D beginnt mit der Funktionsent-wicklung und Kalibration für aufgeladene Ottomotoren und erläutert die Schritte vom Konzept bis zur Realisierung am Beispiel der Ladedruckregelung. Dann wird eine nicht-lineare modellgestützte Ladedruck- und Abgasrückführ-Regelung für Dieselmotoren be-schrieben. Eine weitere modellgestützte Methodik mit nichtlinearen dynamischen Vor-steuerungen und einer Verbrennungsschwerpunkt-Regelung mit Brennraumdrucksenso-ren erlaubt eine homogene Kompressionszündung eines Dieselmotors (HCCI) im Teil-lastbereich, wodurch eine starke Reduktion von NOx und Partikel möglich wird. Es folgt eine Beschreibung der Steuerungs- und Regelungsfunktionen von modernen Automatik-

  • VI Vorwort

    getrieben mit hydraulischem Strömungswandler, Überbrückungskupplung und optimier-ten Schaltvorgängen. Hybrid- und Brennstoffzellen-Antriebe erfordern eine umfangreiche Optimierung, die besonders durch Simulationen zu bewältigen sind. Deshalb wird in Teil D zunächst ei-ne energetische Bewertung verschiedener Betriebsstrategien von Verbrennungsmotor, Elektromotor und Batterien in Form von Kosten erläutert. Eine modellgestützte Sys-tementwicklung im Hinblick auf die Komponenten und optimale Betriebsweisen er-laubt den Vergleich verschiedener Hybridkonzepte. Dann wird auf die Regelung von parallelen und leistungsverzweigten Hybridantrieben eingegangen. Eine objektorien-tierte Modellbildung und Simulation erlaubt dabei Vergleiche und eine Optimierung für bekannte und unbekannte Fahrrouten. Brennstoffzellenantriebe benötigen, neben der Drehmoment-Steuerung mit den Hauptstellgrößen Wasserstoff- und Luftstrom, mehrere Regelungen für das thermische und elektrische System. Dabei werden modell-gestützte Methoden zur Entwicklung vom model-in-the loop bis zum hardware-in-the loop eingesetzt. Prozessmodelle mit virtuellen Sensoren erlauben eine Einsparung von Sensoren und ermöglichen Diagnosefunktionen. Die zunehmende Komplexität der Fahrzeugantriebe erfordert parallel zur Entwicklung von Steuerungs- und Regelungsfunktionen eine umfassende Diagnose. In Teil D wird ei-ne Diagnoseentwicklungsmethodik für die vorgeschriebenen OBD-Funktionen (On-Board-Diagnose) behandelt. Dabei werden die Schritte von der Anforderungsanalyse, über die Funktionen, Implementierung und Testpläne beschrieben. Die eingesetzten Tools werden sowohl für die On-Board- als auch Werkstattdiagnose erläutert. Dann wird zunächst für einen DI-Benzinmotor mit homogener und geschichteter Verbrennung ge-zeigt, wie man mit nichtlinearen Prozess- und Signalmodellen durch gleichzeitige Aus-wertung mehrerer Sensorsignale verschiedene Fehler diagnostizieren kann. Eine entspre-chende Methodik mit Signalanalysen wird für das Common-Rail-System eines Dieselmo-tors beschrieben, um Fehler der Einspritzpumpe oder der Injektoren zu diagnostizieren. Die einzelnen Kapitel sind als individuelle Beiträge zu betrachten, die die Sicht des je-weiligen Autors darstellen. Sie enthalten sowohl theoretische Ansätze als auch praktische Ergebnisse und sind aktuelle Beispiele für das umfassende Gebiet des elektronischen Managements von Fahrzeugantrieben. Der Herausgeber dankt allen Autoren für die interessanten Beiträge und dem Verlag für die sehr gute Zusammenarbeit. Darmstadt, Januar 2010 Rolf Isermann

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    Autorenverzeichnis

    Autorenverzeichnis Dipl.-Ing. Bernhard Baaser Adam Opel GmbH, GM Alternative Propulsion Center Europe, Rüsselsheim

    Dr. Thomas Burkhardt Continental Automotive AG, Regensburg

    Dr. Joachim Bußhardt Adam Opel GmbH, GM Alternative Propulsion Center Europe, Rüsselsheim

    Dipl.-Wirtsch.-Ing. Sebastian Clever Institut für Automatisierungstechnik, TU Darmstadt

    Dipl.-Ing. (FH) René Diener Robert Bosch GmbH, Stuttgart

    Dr. Jürgen Dingl Continental Automotive AG, Regensburg

    Christoph Eisath Continental Automotive AG, Regensburg

    Dr. Volker Formanski Adam Opel GmbH, GM Alternative Propulsion Center Europe, Rüsselsheim

    Dr.-Ing. Martin Fritz Robert Bosch GmbH, Plochingen

    Dr.-Ing. Wolf-Dieter Gruhle ZF Friedrichshafen AG, Friedrichshafen

    Dr.-Ing. Michael Hackner Robert Bosch GmbH, Stuttgart

    Dipl.-Ing. Thomas Huber Robert Bosch GmbH, Stuttgart

    Prof. Dr.-Ing. Dr. h.c. Rolf Isermann Institut für Automatisierungstechnik, TU Darmstadt

    Dipl.-Ing. Hinrich Kötter TRW Automotive, Global Control Functions, TechCenter Düsseldorf

    Dipl.-Ing. Martin Kohlhase CLAAS Selbstfahrende Erntemaschinen GmbH, Harsewinkel

    Dipl.-Ing. Gerhard Landsmann Adam Opel GmbH, GM Powertrain Germany GmbH, Rüsselsheim

    Dr. rer. nat. Walter Lehle Robert Bosch GmbH, Stuttgart

    Dipl.-Ing. Michael Leykauf Adam Opel GmbH, GM Alternative Propulsion Center Europe, Rüsselsheim

  • VIII Autorenverzeichnis

    Dipl.-Ing. (FH) / Dipl.-Wirt.-Ing. (FH) Eike Martini AVL List GmbH, Graz, Österreich

    Dr. rer. nat. Frank Mertins IAV GmbH, Berlin

    Dipl.-Ing. Konstantin Neiß Daimler AG, Sindelfingen

    Dipl.-Ing. Karl von Pfeil John Deere Werke, Mannheim

    Dr.-Ing. Volker Ricken Robert Bosch GmbH, Stuttgart

    Dr.-Ing. Siegfried Saenger Zetina Daimler AG, Sindelfingen

    Dipl.-Ing. Sascha Schäfer Adam Opel GmbH, GM Alternative Propulsion Center Europe, Rüsselsheim

    Dr.-Ing. Torsten Scholt Daimler AG, Sindelfingen

    Dr. Gerhard Schopp Continental Automotive AG, Regensburg

    Dipl.-Ing. Alexander Schreiber Institut für Automatisierungstechnik, TU Darmstadt

    Dr. Roland Schwarz Continental Automotive AG, Regensburg

    Dipl.- Math. Heiko Sequenz Institut für Automatisierungstechnik, TU Darmstadt

    Dr. Stefan Sinsel Adam Opel GmbH, GM Alternative Propulsion Center Europe, Rüsselsheim

    apl. Prof. Dr.-Ing. habil. Gunnar Stiesch MAN Diesel SE, Augsburg

    Dr.-Ing. Harald Stuhler Bosch Engineering GmbH, Abstatt

    Dr.-Ing. Matthias H. Wellers AVL Powertrain UK Ltd., Basildon, Essex, United Kingdom

    Dr.-Ing. Markus Willimowski Robert Bosch GmbH, Schwieberdingen

    Dipl.-Ing. Sebastian Zahn Institut für Automatisierungstechnik, TU Darmstadt

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    Inhaltsverzeichnis

    Inhaltsverzeichnis 1 Mechatronische Fahrzeugantriebe ...................................................................... 1 1.1 Aktuelle Entwicklungen bei Verbrennungsmotoren ..................................... 2 1.2 Steuerung und Regelung von Verbrennungsmotoren ................................... 7 1.3 Mechatronische Komponenten ..................................................................... 13 1.4 Modellbildung und Simulation ..................................................................... 19 1.5 Diagnose ...................................................................................................... 25 1.6 Hybridisierung .............................................................................................. 27 1.7 Zusammenfassung ........................................................................................ 32

    A Elektronische Steuerung und ihre Realisierung

    2 Aufbau und Anpassung der Motorsteuerungs-Software für Otto- und Dieselmotoren ...................................................................................... 38 2.1 Anforderungen an Motorsteuerungs-Systeme .............................................. 38 2.1.1 Anforderungen an moderne Motoren ................................................ 38 2.1.2 Anforderungen an Motorsteuerungen ................................................ 39 2.2 Aufbau von Systemen zur Steuerung von Otto- und Dieselmotoren ............ 41 2.2.1 Aufbau des Motorsteuerungs-Systems .............................................. 41 2.2.2 Aufbau des Motorsteuergerätes ......................................................... 42 2.2.3 Signalfluss der Motorsteuerung ......................................................... 44 2.3 Architektur der Motorsteuerungs-Software .................................................. 46 2.3.1 Sichtweisen der Software-Architektur ............................................... 46 2.3.1.1 Statische Sicht der Motorsteuerungs-Software ..................... 46 2.3.1.2 Dynamische Sicht der Motorsteuerungs-Software ............... 47 2.3.1.3 Funktionale Sicht der Motorsteuerungs-Software ................ 48 2.3.2 Merkmale der Architektur ................................................................. 49 2.4 Struktur der Motorsteuerungs-Software ....................................................... 50 2.5 Parametrierung der Motorsteuerungs-Software ............................................ 53 2.5.1 Ablauf der Parametrierung ................................................................ 53 2.5.2 Klassifizierung der Parametrierungsaufgaben ................................... 54 2.5.3 Herausforderungen bei der Parametrierung ....................................... 55 2.5.4 Modellbasierte Applikation ............................................................... 56 2.5.5 HiL-Anwendungen ............................................................................ 59 2.6 Entwicklungstrends von Motorsteuerungs-Systemen ................................... 59 2.6.1 Trends der Motorentwicklung ........................................................... 59 2.6.2 Trends der Entwicklung von Motorsteuerungs-Systemen ................. 60 2.6.2.1 Komplexitätsbeherrschung – Standardisierung .................... 60 2.6.2.2 Neue Anforderungen ............................................................ 63

  • X Inhaltsverzeichnis

    2.6.2.3 Low Price Vehicles ............................................................... 63 2.6.2.4 Individuelle Lösungen .......................................................... 63 2.7 Zusammenfassung ......................................................................................... 64 3 Steuerung und Regelung Pkw-Dieselmotoren – Stand und zukünftige Anforderungen ................................................................ 67 3.1 Die Dieselmotor-Steuerung Gestern – Heute –Morgen ................................ 67 3.2 Die Abgasgesetzgebung als Treiber für Innovation im Bereich der Dieselmotor-Steuerung ........................................................ 69 3.3 Das vorhomogenisierte Brennverfahren als Alternative zur NOx-Abgasnachbehandlung ................................................................... 71 3.4 Zukünftige Anforderungen an die Dieselregelung ........................................ 73 3.4.1 Brennraumdruckbasierte Dieselmotor-Steuerung; Sensoren und Funktionen .................................................................. 74 3.4.2 Niederdruck-Abgasrückführung ........................................................ 76 3.4.3 Direkt angetriebene Piezo-Einspritzdüsen ......................................... 79 3.5 Die GM „In-House-Controls“-Strategie ........................................................ 80 3.6 Zukünftige Entwicklungstrends in der Motorsteuerung ............................... 82 3.7 Zusammenfassung und Ausblick .................................................................. 84

    B Modellbildung und Simulation von Verbrennungsmotoren

    4 Modellansätze für die Simulation von Gemischbildung und Verbrennung .... 88 4.1 Thermodynamische (nulldimensionale) Modelle ......................................... 89 4.2 Phänomenologische (quasi-dimensionale) Modelle ..................................... 90 4.3 CFD-Codes ................................................................................................... 92 4.3.1 Erhaltungsgleichungen ...................................................................... 92 4.3.2 Spray-Modellierung ........................................................................... 93 4.3.3 Dieselmotorische Diffusionsverbrennung ......................................... 96 4.3.4 Ottomotorische Vormischverbrennung ............................................. 98 4.4 Schadstoffbildung ......................................................................................... 99 4.4.1 Stickoxid-Bildung ............................................................................. 99 4.4.2 Rußbildung ........................................................................................ 100 4.5 Zusammenfassung ........................................................................................ 101 5 Mittelwert- und Arbeitstaktsynchrone Simulation von Dieselmotoren ........... 103 5.1 Mittelwert-Motormodell ............................................................................... 104 5.1.1 Luft- und Abgaspfad .......................................................................... 105 5.1.2 Turbolader ......................................................................................... 108 5.1.3 Zylindergruppe .................................................................................. 113 5.2 Arbeitstaktsynchrones Motormodell ............................................................. 115 5.2.1 Luft- und Abgaspfad .......................................................................... 115 5.2.2 Zylindergruppe .................................................................................. 116

  • Inhaltsverzeichnis XI

    5.3 Echtzeitsimulationssystem ............................................................................ 120 5.3.1 Echtzeitrechnersystem ....................................................................... 121 5.3.2 Echt- und Ersatzlasten ....................................................................... 121 5.3.3 Motorsteuergerät ................................................................................ 122 5.4 Simulationsergebnisse .................................................................................. 123 5.5 Zusammenfassung ........................................................................................ 125

    C Modellbildung durch Motorvermessung auf Prüfständen

    6 Stationäre Motorvermessung mit verschiedenen Methoden und Modellen .... 130 6.1 Versuchsplanung ........................................................................................... 131 6.1.1 Rastervermessung .............................................................................. 132 6.1.2 Klassische Versuchspläne .................................................................. 132 6.1.3 Space-filling Designs ......................................................................... 133 6.1.4 D-optimale Versuchspläne ................................................................ 134 6.2 Modellbildung .............................................................................................. 137 6.2.1 Polynome ........................................................................................... 138 6.2.2 Neuronale Netze für die stationäre Modellbildung ............................ 141 6.3 Modellanalyse ............................................................................................... 144 6.3.1 Der F-Test zur Regressorselektion .................................................... 146 6.3.2 Gütemaße zur Beurteilung stationärer Modelle ................................. 148 6.3.3 Resamplingverfahren ......................................................................... 149 6.3.4 Umgang mit Ausreißern .................................................................... 151 6.3.5 Grafische Methoden zur Beurteilung stationärer Modelle ................. 152 6.4 Optimierung der Steuerung (ein Beispiel) .................................................... 155 6.4.1 Grundlagen evolutionärer Algorithmen ............................................. 157 6.4.2 Mutation ............................................................................................ 158 6.4.3 Rekombination .................................................................................. 159 6.4.4 Selektion und Nebenbedingungen ..................................................... 160 6.4.5 Optimierungsbeispiel mit evolutionären Algorithmen ...................... 161 6.5 Zusammenfassung ........................................................................................ 162

    7 Dynamische Motorvermessung mit verschiedenen Methoden und Modellen . 167 7.1 Struktur der modellbasierten dynamischen Motorvermessung ..................... 168 7.2 Variationsraumvermessung .......................................................................... 170 7.3 Aufstellung des Kandidatensets (Rasterung des Variationsraums) ............... 171 7.4 Auswahl der Amplituden .............................................................................. 172 7.4.1 D-optimale Versuchspläne ................................................................ 172 7.4.2 Raumabdeckende Versuchspläne (Space-Filling Designs) ............... 173 7.5 Reihenfolge der Messpunkte für die dynamische Vermessung .................... 174 7.6 Quasistationäre Motorvermessung ................................................................ 176 7.7 Generierung dynamischer Anregungssequenzen .......................................... 179

  • XII Inhaltsverzeichnis

    7.7.1 Sprungfunktionen .............................................................................. 179 7.7.2 Rampen .............................................................................................. 179 7.7.3 Pseudo-Rausch-Binär-Signale (PRBS) .............................................. 180 7.8 Kombinierte Vermessungsstrategien ............................................................ 181 7.8.1 Einheitliches Bezeichnungsschema für dynamische Vermessungsstrategien .................................................. 181 7.8.2 ADN – Pseudo-Rausch-Binär-Signale mit D-optimalen Amplituden 182 7.8.3 SLN – Sprünge in lokal linearen Bereichen basierend auf LOLIMOT ......................................................................................... 183 7.8.4 ALN – APRB-Identifikationssignal mit angepassten Amplituden .... 186 7.8.5 AEN – Dynamische Vermessung auf Basis von ECU-Stellgrößen ... 187 7.9 Dynamische Modellbildung des Verbrennungsmotors ................................. 187 7.9.1 Local linear model tree – LOLIMOT ................................................ 189 7.9.2 Hinging Hyperplane Tree-Baummodelle – HHT .............................. 190 7.9.3 Parametrische Volterra-Reihe und Hammerstein-Modelle ................ 190 7.9.4 Extraktion der Stationärwerte aus dynamischen Modellen ............... 192 7.10 Modellanalyse – Geeignete Kriterien zur Gütebewertung ............................ 193 7.11 Anwendungsbeispiele ................................................................................... 194 7.12 Zusammenfassung ........................................................................................ 197

    8 Implementierung von Motorvermessungsmethoden für die Prüfstandsautomatisierung .................................................................................. 200 8.1 Herausforderung in der Kalibrierung ............................................................ 200 8.2 Smart Calibration Ansatz .............................................................................. 201 8.3 Methodische Lösungen ................................................................................. 202 8.3.1 Besser, schneller und weniger Messen .............................................. 202 8.3.1.1 Besser Messen ...................................................................... 202 8.3.1.2 Schneller Messen .................................................................. 205 8.3.1.3 Weniger Messen ................................................................... 207 8.3.2 Arbeiten in allen Entwicklungsumgebungen ..................................... 208 8.4 Implementierung neuer Methoden in SW-Produkte ..................................... 209 8.5 Zusammenfassung ........................................................................................ 211

    D Modellgestützter Entwurf von Steuerung und Regelung für Verbrennungsmotoren und Antriebsstrang

    9 Funktionsentwicklung und Kalibration für aufgeladene Motoren – Modellbasiert vom Konzept bis zur Serie ........................................................... 214 9.1 Modulares Konzept der Motorsteuerung EMS 2 .......................................... 215 9.2 Der modellbasierte Funktionsansatz ............................................................. 216 9.3 Modulare und modellbasierte Funktionen zur Aufladung am Beispiel von Serienlösungen ....................................................................................... 217

  • Inhaltsverzeichnis XIII

    9.3.1 Abgasturbolader mit Wastegate ......................................................... 217 9.3.1.1 Verdichter, Turbine, Wastegate ............................................ 219 9.3.1.2 Statische und dynamische Leistungsbilanz ...................... 221 9.3.1.3 Abgasgegendruck .............................................................. 222 9.3.1.4 Ladedruckregelung ............................................................ 223 9.3.2 Abgasturbolader mit variabler Turbinengeometrie (VTG) ................ 223 9.3.3 Kompressoraufladung ........................................................................ 227 9.4 Werkzeuge zur Simulation und Kalibration .................................................. 229 9.5 Zusammenfassung ........................................................................................ 231 10 Modellgestützte Ladedruck- und Abgasrückführ-Regelung von Dieselmotoren ........................................................................................................ 233 10.1 Modellbildung .............................................................................................. 235 10.1.1 Lokal lineare Modellstruktur ............................................................. 235 10.1.2 Parameterschätzung ........................................................................... 238 10.1.3 Lokal lineare Zustandsraumdarstellung ............................................. 239 10.1.4 Identifikation des Dieselmotors ......................................................... 239 10.2 AGR-/VTG-Regelungsentwurf ..................................................................... 244 10.2.1 Vorsteuerung ..................................................................................... 244 10.2.2 Reglerentwurf .................................................................................... 250 10.2.3 Prüfstandsergebnisse ......................................................................... 253 10.3 Zusammenfassung ........................................................................................ 256 11 Brennraumdruckregelung von Dieselmotoren mit homogener Kompressionszündung (HCCI) ....................................................... 259 11.1 Die (teil-)homogene Dieselverbrennung ....................................................... 260 11.2 Der Versuchsträger ....................................................................................... 262 11.3 Realisierung der homogenen Kompressionszündung an einem seriennahen Dieselmotor ............................................................... 263 11.3.1 Untersuchung der homogenen Kompressionszündung und Wahl der Regelgrößen ....................................................................... 264 11.3.2 Brennraumdruckbasierte Berechnung der Verbrennungsschwerpunktlage ................................................... 269 11.3.3 Brennraumdruckbasierte AGR-Raten-Berechnung ........................... 269 11.4 Modellbildung des Luftsystems zur Regelung der homogenen Dieselverbrennung ........................................................................................ 271 11.4.1 Identifikation des Luftsystems des Dieselmotors .............................. 275 11.5 Regelung der homogenen Dieselverbrennung .............................................. 277 11.5.1 Entwurf einer modellbasierten Vorsteuerung zur Regelung des Luftsystems im homogenen Dieselbetrieb .................. 277 11.5.2 Regler zur Regelung des Luftsystems im homogenen Dieselbetrieb 279 11.5.3 Regelung der Verbrennungsschwerpunktlage ................................... 280 11.6 Ergebnisse der Regelung .............................................................................. 282 11.7 Zusammenfassung ......................................................................................... 285

  • XIV Inhaltsverzeichnis

    12 Steuerung und Regelung von Automatikgetrieben ............................................ 288 12.1 Auswahl des richtigen Ganges ...................................................................... 288 12.2 Schaltablaufsteuerung ................................................................................... 290 12.3 Geregelte Wandlerkupplung ......................................................................... 296 12.4 Standabkopplung .......................................................................................... 302 12.5 Zukünftige Rolle des Automatikgetriebes im Antriebsstrang ....................... 303 12.6 Zusammenfassung ........................................................................................ 304

    E Steuerung und Optimierung von Hybrid- und Brennstoffzellen-Antrieben

    13 Energetische Bewertung von Betriebsstrategien im Hybrid-Antriebsstrang .. 308 13.1 Eine einfache Beispielrechnung .................................................................... 309 13.2 Bewertung einzelner Hybridmodi: spezifische Kosten und Ersparnisse ....... 310 13.3 Vergleich von Hybridmodi im Fahrzyklus ................................................... 314 13.4 Prädiktive Strategie ....................................................................................... 316 13.5 Nichtprädiktive Strategie .............................................................................. 319 13.6 Hybridmodi und Schaltung ........................................................................... 321 13.7 Grenzen und Erweiterung der Methodik ....................................................... 323 13.8 Zusammenfassung ........................................................................................ 324 13.9 Anhang: Parametrierung des Modells ........................................................... 326 14 Modellgestützte Hybrid Systementwicklung – Modellierung und Optimierung ........................................................................... 328 14.1 Verschiedene Hybridkonzepte ...................................................................... 328 14.2 Modellierung und Simulation ....................................................................... 330 14.3 Optimierung .................................................................................................. 334 14.4 Ergebnisse ..................................................................................................... 336 14.5 Zusammenfassung ........................................................................................ 339 15 Regelung ausgewählter Hybridtopologien: parallel und leistungsverzweigt ... 341 15.1 Hybridantrieb im Allgemeinen ..................................................................... 341 15.2 Anforderungen an die Betriebsstrategie ........................................................ 343 15.2.1 Energie- und Leistungsmanagement-Funktionen .............................. 343 15.2.2 Drehmomentpfad- und Gangsynchronisations-Funktionen ............... 344 15.2.3 Hardwarespezifische Maßnahmen ..................................................... 344 15.3 Softwareentwicklungsprozess ....................................................................... 345 15.4 Steuerung und Regelung des Hybridantriebsstrangs ..................................... 346 15.4.1 Genereller Funktionsumfang ............................................................. 346 15.4.1.1 Steuergerätexterne Berechnung (Offline) ........................... 346 15.4.1.2 Steuergerätinterne Berechnung (Online) ............................ 347 15.4.2 Parallel-Antrieb ................................................................................. 347 15.4.2.1 Systemarchitektur ............................................................... 347 15.4.2.2 Funktionsumfänge .............................................................. 348

  • Inhaltsverzeichnis XV

    15.4.2.3 Koordination ....................................................................... 349 15.4.2.4 Versuch ............................................................................... 350 15.4.3 Leistungsverzweigter Antrieb ............................................................ 351 15.4.3.1 Systemarchitektur ............................................................... 351 15.4.3.2 Funktionsumfänge .............................................................. 353 15.4.3.3 Koordination ....................................................................... 356 15.4.3.4 Versuch ............................................................................... 359 15.5 Zusammenfassung ........................................................................................ 361

    16 Modellbasierte Steuerung, Regelung und Diagnose von Brennstoffzellenantrieben ..................................................................................... 363 16.1 Die Umweltstrategie von General Motors .................................................... 363 16.2 Die Brennstoffzelle als Fahrzeugantrieb: Funktionsweise ............................ 365 16.3 Steuerung und Regelung des Brennstoffzellenantriebs ................................. 367 16.4 Modellgestützte Betriebsweise und Fehlerdiagnose ..................................... 370 16.4.1 Rekonstruktion nicht oder schwer messbarer Größen ....................... 371 16.4.2 Modellgestützte Diagnosen ............................................................... 371 16.4.3 Anwendungsbeispiel 1: Pumpendiagnose mittels Volumenstrombestimmung im Kühlkreislauf ................................... 372 16.4.4 Anwendungsbeispiel 2: Modellbasierte Bestimmung des Stickstoffanteils im Anodenkreis ....................................................... 375 16.5 Steuerungs- und Software-Entwicklungsmethodik ....................................... 381 16.5.1 Einsatz der Simulationstechnik in der Vorentwicklungsphase .......... 381 16.5.2 Einsatz der Simulationstechnik in der Produktentwicklungsphase .... 382 16.5.3 Controller Tests an HIL-Simulatoren ................................................ 383 16.5.4 Echtzeitsimulationsumgebungen an Testständen .............................. 384 16.6 Zusammenfassung ........................................................................................ 384

    F Diagnose von Verbrennungsmotoren

    17 Diagnoseentwicklungsmethodik am Beispiel Dieselsystem ............................... 388 17.1 Status Quo ..................................................................................................... 388 17.2 Entwicklungsmethodik bei der On-Board Diagnose .................................... 391 17.2.1 Prozesselemente der OBD Entwicklung im Systementwicklungsprozess .............................................................. 392 17.2.2 System-Anforderungsanalyse und Konzeptentwicklung ................... 392 17.2.3 Systementwicklungsunterstützende Elemente und integrierte Entwicklung ..................................................................... 393 17.2.4 Systemfreigabe Plattform .................................................................. 393 17.3 Entwicklungsmethodik Werkstattdiagnose ................................................... 394 17.3.1 Systementwicklung Werkstattdiagnose ............................................. 394 17.3.2 Systemintegration Werkstattdiagnose ............................................... 398

  • XVI Inhaltsverzeichnis

    17.4 Toolunterstützung im Diagnose-Entwicklungsprozess ................................. 400 17.4.1 Toolunterstützung für die DMA ........................................................ 401 17.4.2 Entwicklungsumgebung für testerbasierte Diagnosefunktionen und Diagnosesequenzen .................................................................... 403 17.4.3 Standardisierte Prüfsprache zum Austausch von Diagnoseinhalten .. 404 17.5 Zusammenfassung ........................................................................................ 405 18 Modellgestützte Fehlerdiagnose eines DI-Benzinmotors ................................... 408 18.1 Fehlererkennung im Ansaug- und Abgassystem .......................................... 409 18.1.1 Modellierung mit lokallinearen Netzmodellen .................................. 410 18.1.2 Erzeugen von Residuen und Symptomen .......................................... 411 18.1.3 Betriebspunktabhängige Fehlererkennung ........................................ 412 18.1.4 Diagnose im Ansaug- und Abgassystem ........................................... 415 18.2 Fehlererkennung im Raildrucksystem .......................................................... 416 18.2.1 Waveletanalyse des Raildrucksignals ................................................ 417 18.2.2 Analyse des Drehzahlsignals ............................................................. 419 18.2.3 Fehlererkennung und -diagnose im Raildrucksystem ........................ 420 18.3 Fehlererkennung im Zündungssystem .......................................................... 421 18.4 Gesamtdiagnosesystem ................................................................................. 423 18.5 Zusammenfassung ........................................................................................ 423 19 Modellgestützte Fehlererkennung und Diagnose für Common-Rail-Einspritzsysteme ........................................................................... 426 19.1 Modellbasierte Fehlererkennung und Diagnose ........................................... 426 19.1.1 Grundlagen ........................................................................................ 426 19.2 Fehlererkennungsmodul „Common-Rail-Einspritzsystem“ .......................... 429 19.2.1 Druckaufbau im Hochdruckspeicher ................................................. 430 19.2.1.1 Volumenstrom von der Hochdruckpumpe .......................... 432 19.2.1.2 Volumenstrom durch das Druckregelventil ........................ 434 19.2.1.3 Volumenströme zu den Injektoren ...................................... 435 19.2.2 Analyse des Common-Rail-Drucksensorsignals ............................... 437 19.2.3 Modellbasierte Fehlererkennungsalgorithmen .................................. 442 19.2.3.1 Residuum „Mittlerer Common-Rail-Druck“ ....................... 443 19.2.3.2 Gleichmäßigkeitsresiduen ................................................... 445 19.2.3.3 Residuum „Kraftstoffförderung“ ........................................ 445 19.2.4 Versuchsergebnisse ........................................................................... 446 19.2.5 Anwendbarkeit des Fehlererkennungsmoduls bei unterschiedlicher Systemkonfiguration ............................................. 449 19.3 Zusammenfassung und Ausblick .................................................................. 452 Sachwortverzeichnis .................................................................................................... 455

  • 1

    1 Mechatronische Fahrzeugantriebe

    ROLF ISERMANN

    Aufgrund steigender Kraftstoffpreise und der Klimabelastungen durch Fahrzeuge ist in die übliche technische Weiterentwicklung der Fahrzeugantriebe ein intensiver Schub ge-kommen. Die allgemeinen Entwicklungen müssen dabei in einem weltweiten Rahmen gesehen werden. Die Weltbevölkerung nimmt pro Jahr um etwa 78 Millionen Menschen zu [1]. Ein Großteil des wachsenden Energiebedarfs wird jedoch auch in nächster Zeit durch fossile Energieträger gedeckt. Bild 1-1 zeigt die statische Reichweite verschiedener Energieträger nach bekannten, nutzbaren Reserven und bekannten Ressourcen, die heute nicht wirtschaftlich genutzt werden können. Hiernach beträgt die Reichweite der Reser-ven von Erdöl etwa 40–60 Jahre. Man erwartet die maximale Erdölförderung, den soge-nannten „peak oil“, etwa für 2015–2025 und danach einen schnellen Abstieg der konven-tionellen Erdölförderung.

    Bild 1-1: Statische Reichweite verschiedener Energieträger [2]

    Die weitere Reduktion des Kraftstoffverbrauchs der Fahrzeuge bekommt deshalb eine stark zunehmende Bedeutung. Hieran sind die CO2-Emissionen direkt gekoppelt, die mit 2,32 kg/l für Benzin, 2,65 kg/l für Dieselkraftstoff und 2,2 kg/l für Autogas entstehen. Der verkehrsbedingte Transport in Deutschland trägt mit etwa 21% aller CO2-Emissionen bei, davon 11,9% für Pkw und 6% für Nfz. Die CO2-Emissionen zur Energieerzeugung sind mit etwa 43–45% sehr viel höher. Der Anteil der privaten Haushalte ist 14%, und der Anteil von Industrie und Handel 25% [Angaben: Umweltbundesamt, 2007 und ADAC Motorwelt 4/2007]. Zur Reduktion des Verbrauchs von fossilen Energieträgern und der CO2-Emissionen müssen somit alle Verbraucher beitragen.

  • 2 1 Mechatronische Fahrzeugantriebe

    Ein weiterer ständiger Entwicklungsschwerpunkt ist die Reduktion der Emissions-grenzwerte für CO, HC, NOx und Partikel. Bild 1-2 zeigt die zulässigen Grenzwerte für Diesel-Pkw. Es wurden besonders bei Benzinmotoren große Fortschritte in den letzten etwa 10–20 Jahren gemacht. Die kommenden Forderungen der CARB und EU sind für Dieselmotoren jedoch sehr groß und zum Teil an der Grenze des Messbaren. Die Leis-tungsdichte der Verbrennungsmotoren hat sich in den letzten 20 Jahren stark vergrößert, bei Dieselmotoren z.B. von etwa 30 kW/l (1985) auf über 60 kW/l (2005), besonders durch Turboaufladung mit Ladeluftkühlung. Sehr große Fortschritte wurden durch Di-rekteinspritzung beim Benzinmotor, verbunden mit Schicht- oder Mager- und Homogen-betrieb und durch Common-Rail-Dieseleinspritzung beim Dieselmotor mit sehr hohen Drücken (350–2000 bar) erreicht. Das Speichereinspritzsystem Common Rail ermöglicht, dass der Einspritzdruck unabhängig von der Motordrehzahl und der Einspritzmenge er-zeugt werden kann. Ferner sind dadurch Mehrfacheinspritzungen durch die schnell an-steuerbaren Magnet- oder Piezo-Einspritzventile flexibel realisierbar, um besonders Emissionen und Geräuschabstrahlung weiter zu senken.

    Bild 1-2: Emissionsgrenzwerte für Diesel-Pkw [3]

    1.1 Aktuelle Entwicklungen bei Verbrennungsmotoren

    Die aktuellen Anforderungen an Verbrennungsmotoren lassen sich wie folgt zusammen-fassen: Reduktion von Verbrauch und CO2-Emission

    Reduktion von spezifischen Emissionen (HC, CO, NOx, Partikel, Staub)

    Wirkungsvolle Abgasnachbehandlungs-Systeme

  • 1.1 Aktuelle Entwicklungen bei Verbrennungsmotoren 3

    Gutes Fahrverhalten (Drehmoment-Kennlinie und Dynamik)

    Höhere spezifische Leistung (Downsizing, Aufladung)

    Geringere Reibung

    Nebenaggregate: Minimierung Energieverbrauch

    Reduktion von Schwingungen und Geräusch

    Diese Anforderungen werden zunächst durch konstruktive Maßnahmen wie z.B. Ein-spritzstrahlformung, Brennraum- und Kolbengeometrie, Ein- und Auslassventile und ihre Steuerzeiten und durch Aufladung gelöst.

    a) Maßnahmen bei Benzinmotoren

    Variable Ventiltriebe

    Bei Benzinmotoren lassen sich zunächst Verbesserungen durch variable Ventiltriebe (VVT: variable valve timing), besonders bei den Einlassventilen erreichen. Die klassische Phasenverschiebung mit Verdrehung der Nockenwelle dient primär zur Drehmomenter-höhung durch früheres oder späteres Öffnen der Einlassventile in Abhängigkeit der Dreh-zahl und Last. Um jedoch die durch die Drosselklappe entstehenden Ladungswechselver-luste im Teillastbereich zu reduzieren, sind Ventile mit variablen Steuerzeiten (Öff-nungswinkel) und Hub erforderlich. So kann die Frischluftmasse bei geöffneter Drossel-klappe allein durch früheres oder späteres Schließen der Einlassventile gesteuert werden. Ferner lässt sich durch Verschiebung der Überschneidung von Ein- und Auslassventilen der Restgasgehalt und damit über eine interne Abgasrückführung das Emissionsverhalten verbessern. Ein verstellbarer Ventilhub in zwei Stufen oder kontinuierlich erlaubt noch weitere Möglichkeiten einer möglichst drosselfreien Laststeuerung [4–6, 45].

    Tabelle 1-1 gibt einen Vergleich verschiedener variabler Ventiltriebe (VVT). Der Kraftstoffverbrauch lässt sich bei reinem Nockenwellen-Phasensteller um 3–4%, durch Hubumschaltung um 5–7%, durch kontinuierlich variablen Hub um 8–10% und durch elektromechanische oder elektrohydraulische Verstellung um 14–16% verbessern. Ent-sprechende Verbesserungen ergeben sich beim Drehmoment. In Bezug auf nicht zu hohe Komplexität stellt die Hubumschaltung einen günstigen Kompromiss dar. Tabelle 1-1: Vergleich verschiedener variabler Ventiltriebe [7]

    Variabler Ventiltrieb

    Phasensteller Hubraum-schalter

    Kontinuierl. variabl. Hub

    UNIAIRVollsyst.2

    EMVS Vollsyst.1

    EHVV Vollsyst. 1

    Einsparung Kraftstoff 3–4% 5–7% 8–10% 7–10% 14–16% 16%

    HC-Emission –20% –20% –25% –25% –25% –30%

    Drehmoment +3% +5% +7% +7% +9% +11%

    Komplexität

    Hydraulik –

    Umschaltung ––

    Mechanik –––

    Hydraulik ––––

    Aufsetzen ––––

    Hydraulik

    Basis: Kompaktklasse, 4 Zyl.: NEFZ, Ein-/Auslassphasensteller. 1 Incl. Zylinderabschaltung, 2 UNIAIR Vollsystem: 2 Aktoren/Zylinder, Einlass/Auslass hVVT

  • 4 1 Mechatronische Fahrzeugantriebe

    Downsizing

    Durch eine Verkleinerung des Hubraums (Downsizing) eines Benzinmotors erreicht man zunächst für ein gegebenes Fahrzeug einen Betrieb in einem Drehmoment-Drehzahl-Bereich mit kleinerem spezifischem Verbrauch (Entdrosselung) und eine kleinere Reib-leistung. Um das Drehmoment im unteren Drehzahlbereich zu erhöhen und die Leistung insgesamt zu erhöhen, schließt das Downsizing meist eine Turbo- oder mechanische Kompressoraufladung ein. Dies bedeutet z.B. die Reduktion des Hubraums von 2 l auf 1.3 l und eine Anhebung des Mitteldrucks pme von 6 bar auf 9 bar. Ein Vergleich ver-schiedener Benzinmotoren zeigt, dass der Downsizingfaktor mindesten 1,3 sein muss und dass eine weitere Betriebspunktverlagerung zu höheren Drehmomenten durch eine Anhe-bung der Gesamtübersetzung zu erreichen ist, um eine Reduktion der CO2-Emission um ca. 11% zu erreichen [8].

    Modifikation der Brennverfahren

    Im Vergleich zur klassischen Saugrohreinspritzung und stöchiometrischer Verbrennung mit = 1 und Dreiwegekatalysator können für Benzinmotoren durch Direkteinspritzung und optimierte Brennverfahren Einsparungen im Kraftstoffverbrauch erreicht werden, Tabelle 1-2. Zunächst ist mit variablen Ventilsteuerzeiten und Ventilhüben eine Redukti-on von etwa 10% möglich. Eine weitere Verbesserung um etwa 16% lässt sich durch „Downsizing“ mit Turboaufladung erreichen. Neue Hochdruckinjektoren (pmax =120 bar) mit Piezoaktorik erlauben eine verbesserte Versprühung im Brennraum, eine geschich-tete Gemischbildung (Magerkonzept) und damit ein Betrieb > 1 im Teillastbereich. Dies führt zu einer Verbesserung um etwa 15% [9, 10]. Ein neueres Brennverfahren ist die homogene Selbstzündung (HCCI: homogenous charge compression ignition) mit Temperaturanhebung durch erhöhten Restgasanteil über frühes Schließen des Auslass-ventils und frühes Einspritzen. Durch frühes Auslassschließen und spätes Einlassöffnen erreicht man eine Rekompression mit einer ersten Einspritzung in einem Teillastbe-reich bis 40% [11]. Dies erfordert jedoch eine Brennraumdruck-Regelung [12] und vollvariable Ventiltriebe und lässt eine Verbrauchsreduktion bis 13–19 % erwarten, bei Wegfall des NOx-Katalysators. Eine Zusammenfassung der einzelnen Maßnahmen zur CO2-Reduktion ist Tabelle 1-2 zu entnehmen.

    b) Maßnahmen bei Dieselmotoren

    Common-Rail-Direkteinspritzung und Abgasrückführung

    Bei Dieselmotoren stehen außer einer weiteren Verbrauchssenkung besonders die Reduk-tion von NOx und Partikeln im Vordergrund. Aktuelle Entwicklungsschritte sind z.B. Common-Rail-Einspritzung mit hohen Drücken (2200 bar), Mehrfacheinspritzung zur Verbesserung der Verbrennung, der Emissionen und des Geräuschs, auch mit Piezoinjek-toren, und Aufladung mit Frischluftkühlung.

  • 1.1 Aktuelle Entwicklungen bei Verbrennungsmotoren 5

    Tabelle 1-2: CO2-Reduktionspotential von Benzinmotoren durch verschiedene Einspritzverfahren, Bremsverfahren und Aufladung [9, 10]. (Basis: 4 Zylinder, VH = 2l, NEDC Fahrzyklus)

    Einspritz-system

    Brenn-verfahren

    Ventiltrieb Aufladung CO2-Reduktions-potential

    Standard (Referenz)

    Saugrohr λ = 1 homogen

    ____ ____ 0%

    DI + VVT/VVL DI λ =1 homogen

    VVT VVL ____ 10%

    DI+TC+VVT (Downsizing)

    DI λ =1 homogen

    VVT TC 16%

    DI + Piezoeinsp. + VVT

    DI strahlgeführt

    λ 1 mager

    geschichtet

    VVT ____ 15%

    DI + HCC + VVT

    DI λ 1 HCCI

    VVT VVL

    ____ 13–19%

    DI: direct injection; VVT: variable valve train (camphasing); VVL: variable valve lift; TC: turbocharging

    Durch eine Erhöhung der Abgasrückführrate und Abgaskühlung wird NOx gesenkt. Eine zu starke Vergrößerung dieser Hochdruck-Abgasrückführung reduziert jedoch die Turbolader-leistung. Deshalb bietet sich eine Ergänzung durch eine Niederdruck-Abgasrückführung an, die das Abgas nach dem Partikelfilter entnimmt und über einen Kühler vor dem Verdichter einführt. Dadurch lassen sich hohe Abgasrückführraten mit guter Mischung von Luft und Abgas und niedriger Temperatur durch den Ladeluftkühler erreichen, was zu einer hohen Zylinderfüllung führt [13, 14, 15]. Bild 1-3 zeigt wie dadurch die Zahl der Mess- und Stell-größen ansteigt und eine modellbasierte Steuerung und Regelung erforderlich macht. Die Common-Rail-Einspritzung mit elektromagnetischen und piezoelektrischen Injektoren er-laubt dabei Mehrfacheinspritzungen mit kleinen Voreinspritzungen, großen Haupteinsprit-zungen und kleinen Nacheinspritzungen, um Drehmoment, Emissionen und Geräusch zu optimieren, siehe Bild 1-4a. Dabei ergeben sich in Abhängigkeit von Drehmoment und Drehzahl unterschiedliche Einspritzimpuls-Kombinationen, Bild 1-4b.

    Bild 1-3: Mess- und Stellgrößen für einen Pkw-Dieselmotor mit VTG-Turbolader, Hochdruck- und Niederdruck-Abgasrückführung [14]

  • 6 1 Mechatronische Fahrzeugantriebe

    a) b)

    Bild 1-4: Einspritzverläufe für Dieselmotoren. a) Vor-, Haupt- und Nacheinspritzungen [13]; b) Einspritzkombination in Abhängigkeit von Drehmoment und Drehzahl [15]

    Modifikation der Brennverfahren

    Eine homogene Kompressionszündung (HCCI) wird durch eine frühe Einspritzung und eine hohe Abgasrückführrate im Teillastbereich erreicht. Dies hat wegen der günstigen Verbrennung eine starke Reduktion von NOx und Partikeln zur Folge, verursacht aber ein höheres Geräusch und erfordert zur Einhaltung der engen Betriebsgrenzen eine Brenn-raumdruck-Regelung.

    Aufladung

    Der Einsatz von zwei Turboladern mit einem kleinen und einem großen Durchmesser er-laubt einen Betrieb mit jeweils besten Wirkungsgraden, einen hohen mittleren Ladedruck über einen großen Drehzahlbereich und bringt im niederen Drehzahlbereich eine bessere Beschleunigung. Dabei werden die Turbolader über pneumatisch gestellte Klappen um-geschaltet [16]. Auch bei Dieselmotoren ist durch die Steigerung der spezifischen Leis-tung ein gewisses Downsizing möglich.

    Abgasnachbehandlung

    Besonders große Anstrengungen gelten der Abgasnachbehandlung, z.B. durch die Kom-bination von Oxidationskatalysator zur Minderung von CO, HC, NOx und Partikel, und Partikelfiltern, besonders bei Nfz-Motoren. Eine Alternative ist das selektive katalytische Reduktionsverfahren (SRC) mit Eindüsung von Harnstoff als wässrige Lösung. Um die NOx-Emissionen um 90% ohne Zusatzmittel zu reduzieren, ist für einen aktuellen Pkw-Dieselmotor in einer USA-Ausführung der Einsatz von Oxi-Katalysator, Partikelfilter, NOx-Speicherkatalysator und H2S-Katalysator erforderlich, siehe Bild 1-3. Die modell-gestützten Regelungen erfordern 2 -Sensoren und 3 Temperatursensoren. Ein Betriebsar-tenmanagement koordiniert zwei Normal- und acht Abgasnachbehandlungs-Betriebsarten mit drei Regenerationsbetrieben [14].

  • 1.2 Steuerung und Regelung von Verbrennungsmotoren 7

    1.2 Steuerung und Regelung von Verbrennungsmotoren

    Nach der Festlegung der thermodynamischen und mechanischen Grundeigenschaften ist die vom Betriebspunkt (Last, Drehzahl) abhängige Steuerung und Regelung zu entwer-fen. Bilder 1-5 und 1-6 zeigen die in den letzten Jahrzehnten gestiegene Zahl an Senso-ren und Aktoren bei Benzin- und Dieselmotoren. Dabei ist die Zunahme elektronisch ge-steuerter Komponenten wie z.B. Zündung, Einspritzung und Abgasnachbehandlung deut-lich zu erkennen. Ein Teil der Entwicklungen wurde durch die einsetzende Abgas-Gesetzgebung bewirkt, zunächst in den USA (CARB: clean air act) 1983, ab 1993 in ver-schiedenen Stufen (tiers) für LEV (Low Emission Vehicles), ULEV (Ultra Low Emission Vehicles) und SULEV (Super Ultra Low Emission Vehicles) und durch die europäischen Vorschriften EURO 1 (1992), EURO 2 (1996), EURO 3 (2000), EURO 4 (2005), und EURO 5 (2009). In Planung ist EURO 6 (2014).

    Das elektronische Steuergerät (ECU: electronic control unit) beeinflusst den Start, Leer-lauf, Warmlauf und normalwarmen Motorbetrieb mit Teil- und Volllast. Die Zahl der Haupt-Stellgrößen hat bei Benzinmotoren seit etwa 1960 von 3 auf 6–8 und bei Dieselmo-toren von 2 auf 5–9 zugenommen. Die für die Steuerung und Regelung wichtigsten Senso-ren stiegen bei beiden Motoren von etwa 3 auf 8. Zusammen mit den Sensoren in den Akto-ren, in Einspritzpumpe, Kraftstoffversorgung, Abgasrückführung, Aufladung, Umgebung usw. verarbeitet die ECU etwa 15–25 Messgrößen und stellt 20–30 Stellgrößen ein.

    Die Zunahme an Steuerungsfunktionen zeigt der Daten- und Programmumfang der di-gitalen Motorsteuergeräte. 1991 verwendete man 16 bit Prozessoren mit 40 kbyte Prog-ramm und 8 kbyte Daten. 2002 sind es 32 bit Prozessoren mit 500 kbyte Programm und 70 kbyte Daten, was einer Verdoppelung alle 3 Jahre entspricht. Bild 1-7 zeigt die Ent-wicklung des Steuergeräteumfangs von 1989 bis 2005. In diesem Zeitfenster von etwa 15 Jahren sind die Kennwerte um folgende Faktoren angestiegen: Speicher 1:13; Rechenleis-tung (MIPS) 1:30; Applikationsparameter 1:10 [13]. Tabelle 1-3 gibt einen weiteren Vergleich für 1995 und 2005 an. Zurzeit darf man davon ausgehen, dass etwa 40–50% des Softwareumfangs auf die On-Board-Diagnose entfällt. Diese Entwicklung wurde be-sonders durch die vielen Variabilitäten verursacht, die verbesserte Brennverfahren er-möglichen. Beim Benzinmotor zeigt sich dies in der Optimierung von z.B. Ventilsteuer-winkel und Ventilhüben und zusammen mit Einspritzungen in Verbindung mit lastabhän-gigem Schicht-, Mager- oder Homogen-Betrieb. Beim Dieselmotor sind Ventilsteuerwin-kel und Mehrfacheinspritz-Kombinationen, AGR-Rückführrate und Ladedruck in Verbindung mit strahlinduzierter Zündung und zukünftig eventuell homogener Kompres-sionszündung mit Brennraumdruck-Regelung zu einem Gesamtoptimum zu bringen. Hinzu kommen die unterschiedlichen Regenerationszyklen der Abgasnachbehandlung.

    Die Bilder 1-8 und 1-9 stellen eine schematische Anordnung der Sensoren, Aktoren und des Steuergerätes eines modernen Benzin- und Dieselmotors für Personenkraftwagen dar (siehe auch Kapitel 2). Diese Bilder zeigen jeweils Luftpfad, Verbrennungsmaschine, Abgaskanal, Einspritzpumpe, Tanksystem mit Kraftstoffversorgung und die Verbindun-gen von und zu dem elektronischen Steuergerät. Hieraus kann man mit einigen wichtigen Stell- und Messgrößen erste grobe Signalflussbilder mit einer Unterscheidung von Steue-rungen und Regelungen angeben, Bilder 1-10 und 1-11.

  • 8 1 Mechatronische Fahrzeugantriebe

    Bild 1-5: Zunahme von Sensoren und Aktoren bei Benzinmotoren

    Bild 1-6: Zunahme von Sensoren und Aktoren bei Dieselmotoren

  • 1.2 Steuerung und Regelung von Verbrennungsmotoren 9

    Bild 1-7: Entwicklung des Steuergeräte-Umfangs [13]

    Tabelle 1-3: Zur Entwicklung des Steuergeräte-Umfangs

    Jahr 1995 2005

    Programmzeilen 44.000 690.000

    Speicher 0,25 MByte 1 bis 6 MByte

    Prozessor C196, 16 Bit TriCore, 32 Bit

    Taktfrequenz 20 MHz 80 MHz

    Funktionen 3100 5200

    Applikationsparameter 1800 7200

    Aktoren 22 31

    Sensoren 17 25

    Bild 1-8: Schematische Anordnung der Sensoren, Aktoren und Steuergerät bei Benzinmotoren mit Direkteinspritzung und λ = 1 Betrieb [Quelle: Bosch 2008]

  • 10 1 Mechatronische Fahrzeugantriebe

    Bild 1-9: Schematische Anordnung der Sensoren, Aktoren und des Steuergerätes bei Dieselmoto-ren mit Common-Rail-Direkteinspritzung und VTG-Turboauflader [Quelle: Bosch 2008]

    Bild 1-10: Grobes Signalflussbild für einen Benzinmotor

  • 1.2 Steuerung und Regelung von Verbrennungsmotoren 11

    Bild 1-11: Grobes Signalflussbild eines CR-Dieselmotors

    Als messbare Haupt-Regelgrößen stehen beim Benzinmotor (ohne Aufladung) lediglich der Luftstrom, die Luftzahl und die Kühlwassertemperatur zur Verfügung, so dass nur hierfür geschlossene Regelkreise möglich sind. Die für das Fahrverhalten wichtige Aus-gangsgröße Drehmoment wird primär durch Steuerungen beeinflusst und zwar so, dass als Nebenbedingungen minimale Abgaskomponenten (z.B. HC, CO und NOx) entstehen. (Diese werden dann durch einen intakten Dreiwege-Katalysator mit einer = 1 Regelung fast vollständig eliminiert.) Steuerungen haben den Vorteil, dass die gesteuerten Größen nicht messbar sein müssen, und dass keine Stabilitätsprobleme auftreten. Die Steuerungs-funktionen müssen jedoch sehr genau an die Motoren angepasst sein, was Zusatzsteue-rungen in Abhängigkeit einer größeren Anzahl von Einflussgrößen, wie z.B. Drehzahl, Luftdruck und -temperatur, Öl- und Kühlwassertemperatur erforderlich macht.

    Für Benzinmotoren wurde 1997 die sogenannte drehmomentorientierte Struktur einge-führt [17–19]. Zu ihrer Realisierung sind zunächst Modelle für das innere Drehmoment Mi für optimale Verbrennungsbedingungen (Zündwinkel und = 1) erforderlich. Abwei-chungen durch andere Zündwinkel und werden durch Reduktionsfaktoren („Wirkungs-grade“ genannt) mittels Multiplikation berücksichtigt. Nach Subtraktion von Drehmo-mentverlusten durch Ladungswechsel, Reibung und Nebenaggregate (Schleppmoment) ergibt sich das Kurbelwellen-Drehmoment Mcs, im Folgenden „Drehmomentmodell“ ge-nannt.

    Bild 1-12 zeigt ein vereinfachtes Signalflussbild für die drehmomentorientierte Steue-rung, die u.a. 3D-Kennfelder verwendet. Zunächst wird das gewünschte Kurbelwellen-Drehmoment Mcs,des durch das Fahrkennfeld in Abhängigkeit von Fahrpedalstellung und Drehzahl bestimmt. Dann werden zur Berechnung des gewünschten inneren Drehmomen-tes Mi,des das Schleppmoment und zusätzliche Drehmomentanforderungen durch Motor-betriebsart, zusätzliche Nebenaggregate und Antriebsstrang addiert. Zur Steuerung des gewünschten inneren Drehmomentes erfolgt eine Auftrennung in das Soll-Basisdreh-moment Mcharge,des durch die Luftfüllung, das dynamisch wegen der Trägheit des Luft-kanals und der Drosselklappe verzögert ist, und ein Soll-Zusatzdrehmoment Mig,des, das durch Stellung des Zündwinkels und der Einspritzmenge kurbelwellensynchron arbeitet und daher dynamisch schnell eingreift. Dieser schnelle Eingriff ist z.B. bei der Leerlauf-

  • 12 1 Mechatronische Fahrzeugantriebe

    drehzahl-Regelung für den Start und für die Antriebsschlupf-Regelung (ASR) erforder-lich. Die Umsetzung dieser Sollwerte in Stellgrößen erfolgt über die „Drehmomentmodel-le“ des vermessenen Motors. So wird aus dem Soll-Basisdrehmoment Mcharge,des durch Inversion des Drehmomentmodells der erforderliche Luftmassenstrom und durch Inversi-on des Drosselklappenmodells und E-Gas-Regelung die Drosselklappenstellung be-stimmt. Aus dem Soll-Zusatzdrehmoment folgt durch Inversion des Drehmomentmodells die Einspritzmenge und der Zündwinkel, wobei der gemessene Luftstrom eine wichtige Eingangsgröße ist. Diese Steuerungen werden durch mehrere Drehmomentbegrenzungen und eine -Regelung für stöchiometrischen = 1-Betrieb und eine Klopfgrenz-Regelung ergänzt.

    Bild 1-12 Drehmomentorientierte Steuerung und Regelung von Benzinmotoren [17] (ohne Aufla-dung): MCS,des Drehmoment-Sollwert Kurbelwelle; Mi,des Sollwert inneres Moment; air,desm Soll-wert Luftbeladung durch Drosseleinstellung (Basiswert), langsamere Dynamik; ϕig Zündwinkel (schnelle Dynamik), ti Einspritzzeit

    Bei Dieselmotoren wurde ebenfalls eine drehmomentorientierte Struktur eingeführt. Diese wird normalerweise ergänzt durch Regelungen für den Luftstrom mit dem Abgasrück-führventil, für den Ladedruck mit dem Bypassventil (Wastegate) oder der Turbinenleit-schaufel (VTG) und für die Kühlflüssigkeitstemperatur mit dem Kühlstrom-Ventil. Das Drehmoment wird entsprechend dem Benzinmotor primär gesteuert unter besonderer Be-rücksichtigung von NOx und Partikel. Wegen der Trägheit von Turboladern spielt das dynamische Verhalten eine besondere Rolle. Dabei können dynamische Vorsteuerungen eine schnellere Drehmomenterzeugung bewirken [20]. Zum Teil wird eine Rauchbegren-zungs-Regelung bei Beschleunigungsvorgängen realisiert, um zu geringen Luftüber-schuss und damit Rußbildung zu vermeiden [21]. Insgesamt enthalten die Motorsteuerge-räte etwa 100–150 Kennfelder und Kennlinien, die für gegebene Motoren, auch in Ab-hängigkeit vom jeweiligen Bau- und Entwicklungszustand genau angepasst werden müs-sen (Kalibrierung genannt).

    Neben diesen Haupt-Steuerungen und -Regelungen sind noch eine Vielzahl an unterla-gerten oder ergänzenden Regelungen und Steuerungen realisiert, wie z.B. Positionsrege-

  • 1.3 Mechatronische Komponenten 13

    lungen für die Stellventile von Luftstrom, AGR und Turbolader, den Nockenwellenwin-kel und Druckregelungen für die Kraftstoffzufuhr und Schmieröl. Für besondere Be-triebszustände kommen noch Klopfgrenzregelung, Leerlaufdrehzahlregelung und Warm-laufregelung, Sekundärluftsteuerung und Katalysatorheizungsregelung hinzu.

    1.3 Mechatronische Komponenten

    Der Begriff Mechatronik steht für die Integration von Mechanik, Elektronik und Informa-tionsverarbeitung in einem System oder in einer Komponente. Dabei erfolgt die Lösung einer Aufgabe sowohl auf mechanischem als auch digital-elektronischem Weg, mit dem Ziel, eine optimierte Einheit zu erzeugen [22]. Im Bereich von Verbrennungsmotoren ist dies zunächst bei einzelnen Komponenten wie z.B. Einspritzsystemen und Aktoren zu beobachten. Beispiele sind die mikroelektronische Einspritzung und Zündung (1989), elektrische Drosselklappe (1991), Direkteinspritzsysteme bei Dieselmotoren (1989) und Benzinmotoren (1999), variabler Ventiltrieb mit elektronischer Verstellung von Sprei-zung und Hub (2001). Bild 1-13 gibt eine Übersicht der mechatronischen Komponenten von modernen Verbrennungsmotoren.

    Bild 1-13: Mechatronische Komponenten moderner Verbrennungsmotoren

  • 14 1 Mechatronische Fahrzeugantriebe

    Aktoren und Antriebe

    Bild 1-14 zeigt den grundsätzlichen Aufbau eines mechatronischen Aktors, bestehend aus Stellantrieb, Stellglied, Sensor und Regelung. Im Allgemeinen wird ein Energie- oder Materiestrom gestellt. Der erforderliche Stellantrieb benötigt dazu eine Hilfsenergie, die elektrisch pneumatisch oder hydraulisch ist. Die Regelung kann aus einem Hilfsregler (z.B. Position) und einem Hauptregler (z.B. Luftstrom) bestehen (Kaskaden-Regelung), Bild 1-15. Bei pneumatischen Aktoren wird in der Regel auf eine Positionsregelung ver-zichtet.

    Bild 1-14: Elektromechanischer Aktor als mechatronisches System [22]

    Bild 1-15: Grundstruktur eines geregelten Aktors [22]

    Tabelle 1-4 gibt eine Übersicht von mechatronischen Aktoren und Antrieben für Ver-brennungsmotoren, die nach dem Bereich ihrer Wirkung: Luftsystem, Einspritzung, Ver-brennung, Abgassystem, Kühlung, Schmierung und Nebenaggregate, unterteilt sind. Da-bei können folgende Typen von mechatronischen Komponenten unterschieden werden:

  • 1.3 Mechatronische Komponenten 15

    A) Aktoren mit elektrischer, pneumatischer oder hydraulischer Stell-Hilfsenergie B) Schaltende Einspritzventile und Magnetventile C) Elektrische Antriebe, Pumpen und Gebläse

    Die Eigenschaften der Aktoren (Typ A) sind in Tabelle 1-5 in einer weiteren Übersicht dargestellt.

    Mit Bezug auf die Steuerung oder Regelung der mechatronischen Komponenten lassen sich weiter aufteilen: (1) Dezentrale Mechatronik-Komponenten

    (Aktoren und Antriebe mit lokaler Integration von Sensorik, Elektronik und Verstär-ker) Beispiele: Einspritzpumpen, Elektrisches Drosselventil, AGR-Ventil, Generator

    (2) Zentral gesteuerte Aktoren, Schaltventile (durch zentrales Steuergerät direkt gesteuert) Beispiele: Pneumatische Aktoren, elek-trisch gestellte Klappen, Abstellventil, AGR-Kühler-Bypass-Ventil.

    (3) Zentral gesteuerte Antriebe Beispiele: Kraftstoffpumpe, Ölpumpe, Sekundärluftgebläse, Kühlergebläse, Starter

    Somit ist die mechatronische bauseitige und funktionsseitige Integration bei der Gruppe (1) vollzogen. Bei den Gruppen (2) und (3) wird die Steuerung vom zentral angeordneten Steuergerät (ECU) durchgeführt. Hier ist eine Messung der gestellten Position oder des gestellten Stromes und damit eine Signalrückführung in das Steuergerät meist nicht reali-siert. Diese Komponenten sind dann zwar funktionsseitig mit dem Steuergerät integriert, aber bauseitig getrennt von der Elektronik angeordnet.

    Einige Eigenschaften verschiedener Aktorprinzipien werden in Tabelle 1-5 verglichen. Die verschiedenen Aktoren mit elektrischer, pneumatischer und hydraulischer Hilfsener-gie haben jeweils besondere Vorzüge, z.B. im Hinblick auf Einbaufähigkeit, Stellgüte und Kosten, siehe auch [22]. Die Entwicklungen zeigen ein Vordringen elektrischer Ak-toren für kleinere Leistungen (z.B. AGR-Ventil, VTG-Steller), ein Verbleib hydrauli-scher Aktoren für große Leistungen (z.B. Nockenwellensteller), während pneumatische Aktoren wegen des Wegfalls des Saugrohrunterdrucks bei entdrosselten Benzinmotoren und bei Dieselmotoren und wegen nicht ausreichender Stellgüte zunehmend durch elekt-rische Aktoren ersetzt werden.

    Sensoren

    Die Erfassung der physikalischen und chemischen Größen eines Verbrennungsmotors erfolgt über speziell entwickelte Sensoren. Auch hier ist eine zunehmende Integration von Sensorelement mit der Auswertelektronik zu beobachten, siehe Bild 1-16. Man un-terscheidet dabei folgende Integrationsstufen [23]: (1) Sensorelement mit Signalaufbereitung und ADU (Analog-Digital-Umsetzung) im

    Steuergerät (konventionell) (2) Sensorelement mit analoger Auswertelektronik im Sensor (analoge Verbindung zum

    Steuergerät) (3) Sensorelement mit digitaler Auswertelektronik am Sensor (binäre oder digitale Bus-

    übertragung) (4) Sensorelement mit Signalaufbereitung, ADU und Mikrorechner am Sensor (digitale

    Busübertragung)


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