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ImpressumHerausgegeben

im Auftrag des Rektors:

Dezernat Presse,Öffentlichkeitsarbeit

und Marketing der RWTH Aachen Templergraben 55

52056 AachenTelefon 0241/80-94327Telefax 0241/80-92324

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Verantwortlich:Toni Wimmer

Redaktion:Sabine Busse

Angelika Hamacher

Fotos:Peter Winandy

Titelfoto:Zahlreiche auch seltene

Legierungsmetalle würzen die hochwertigen Stahlsorten.

Anzeigen:print n press, Aachen

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Anzeigenberatung:L. RüsterTelefon 06131/58 04 96

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Logodesign:Klaus Endrikat

Gestaltung:Monika Zahren,

Aachen

Druck: Vereinte Druckwerke,

Neuss

Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Papier

Das Wissenschaftsmagazin „RWTH-Themen”

erscheint einmal pro Semester. Nachdruck einzelner Artikel,

auch auszugsweise, nur mit Genehmigung der Redaktion.

Für den Inhalt der Beiträge sind die Autoren verantwortlich.

Sommersemester 2011

Fo-

to:

AUS DEM INHALT

Das Forum Materialwissenschaft und Werkstofftechnik 6Heiße Schmelzen schweben lassen 8Auf dem Weg zum universellen Datenspeicher 10Gezielt modifizierbar, vielfältig und innovativ –Neuartige Fasermaterialien für Hightech Produkte 16Neue Methoden zur Entwicklung von Strukturwerkstoffen 20Abfallprodukt wird Rohstoff! 24Hochleistungsplasmen zur Beschichtung 28Wärmedämmschichtsysteme für Gasturbinen 32Höchste Reinheit für Funktionswerkstoffe 36Fliegen leicht gemacht 40Wenn Knochenersatz benötigt wird 44Zutritt nur für befugte Substanzen 48CO2-freie Kohlekraftwerke –Was können keramische Membranen leisten? 52Fügen mit Glas 56Werkstoffsimulation –Schnittstelle zwischen Materialphysik und Prozesstechnik 58Textilbetonbandagen für den Aachener Dom 62Gewürzmetalle in Hochleistungswerkstoffen 66Namen & Nachrichten 70

Werkstoffe

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Jährlich beginnen über 6.500 Studierende ihr Studium an derRWTH Aachen. In den nächsten Jahren blickt die Hochschule je-doch einem größeren Zuwachs an jungen Studienanfängerinnenund -anfängern entgegen. Aufgrund der Aussetzung der Wehr-pflicht rechnen die Aachener Hochschulen schon zum Winterse-mester 2011 mit rund zusätzlichen 800 Studierenden und weite-ren 700 im Wintersemester 2012. Mit den Doppel-Abiturjahrgän-gen (G8) werden sich ab 2013 voraussichtlich weitere 6.000 zu-sätzliche Studierende in Aachen einschreiben, die Hälfte davon ander RWTH Aachen. Dies bedeutet, dass die Studierendenanzahlfür den Zeitraum 2011 bis 2019 in der Stadt Aachen auf insge-samt 45.000 ansteigen wird. Diese Studentinnen und Studentenmüssen neben einem ordnungsgemäßen Studienablauf auch Ver-pflegung und Unterbringung vorfinden. Der verfügbare Wohn-raum allerdings reicht derzeit bei Weitem nicht aus, um die Stu-dierenden unterzubringen. Die Aachener Hochschulen, das Stu-dentenwerk und die Stadt Aachen haben unter Einbeziehung derStudierendenschaft deshalb beschlossen, alle erforderlichenSchritte zu unternehmen, diesen jungen Menschen ein reguläresStudium unter normalen Wohn- und Lebensbedingungen zu er-möglichen.

Im Vergleich zu 2010 erwartet die RWTH Aachen durch diedoppelten Abiturjahrgänge im Jahr 2013 einen Studierendenzu-wachs um sechs Prozent auf über 35.000 Studierende. Durch dieHochschulpakt II–Vereinbarung fließen zur Bewältigung dieserJahrgänge rund 180 Millionen Euro in die Hochschule. Über 50Millionen Euro sind für Baumaßnahmen vorgesehen, vor allem fürdie Einrichtung von Lern- und Lehrräumen. Die derzeitigen Plänegehen von einem Flächenzuwachs von rund 10.000 Quadratme-ter aus. Sogar Vorlesungen in Kinosälen werden erwogen. Insge-samt werden rund 400 zusätzliche Stellen geschaffen: 20 Profes-suren, 350 Wissenschaftliche und 10 Nichtwissenschaftliche Mit-arbeiterstellen sowie zahlreiche Studentische Hilfskraftstellen.Aber auch die Stundenplanung des Lehr- und Prüfungsbetriebswird im Zusammenhang mit der effizienten Nutzung bestehenderRäumlichkeiten überarbeitet. Schließlich wird auch das RWTH-Übergangsmanagement von Schule zu Hochschule intensiviert,um die Orientierungs- und Beratungsleistung für die Schülerinnenund Schüler zu optimieren. Eine gesonderte PR-Kampagne vonStadt und Hochschulen wird über diese Entwicklungen umfassendinformieren. Auf diese Weise blickt die RWTH Aachen optimistischder Herausforderung der starken Jahrgänge vor dem demographi-schen Wandel entgegen und heißt ihre zukünftigen Absolventinnenund Absolventen schon jetzt herzlich willkommen.

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Ernst SchmachtenbergRektor

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Die Aachen Composite En-gineers (ACEs) sind ein Ver-bund von fünf Instituten (dieInstitute für Leichtbau für Tex-tiltechnik für Kunststoffverarbei-tung, für Kraftfahrzeuge sowiedas Fraunhofer Institut für Pro-duktionstechnik), die auf demGebiet der Faserverbundwerk-stofftechnik forschen. Sie bildenzusammen ein Netzwerk, das inder Lage ist, die Erarbeitungganzheitlicher Systemlösungenzu offerieren, das heisst von derProduktanalyse über die kon-zeptionelle Technologieentwick-lung und Prozessgestaltung bishin zur praktischen Umsetzungvon Entwicklungsvorhaben.

Die Aachen Polymer Chain(APC) entstand als Verbundvon Wissenschaftlern und Insti-tuten mit Bezug zu den Poly-merwerkstoffen. Die Bündelungder am Standort Aachen vor-handenen Forschungspotenzialeverschafft der APC eine Leucht-turmposition. Ziel ist es, umfang-reiche und komplexe Forschungs-und Entwicklungsvorhaben füröffentliche und private Geldge-ber zu bearbeiten.

Die Arbeitsgruppe SimPROging aus dem vom BMBF ge-förderten Kompetenzzentrumfür Prozesssimulation hervorund ist ein Zusammenschlussvon verschiedenen Forschungs-einrichtungen aus dem Umfelddes Forums. Anders als die üb-rigen Arbeitsgruppen des Fo-rums, die werkstoffbezogenaufgestellt sind, ist SimPROquer zu diesen angeordnet undbearbeitet übergreifend The-men der Simulation und Mo-dellierung von Eigenschaftenund Herstellungsverfahren, wo-durch das Know-how für dieWerkstoffe Metall, Kunststoffund Keramik stetig erweitertund gebündelt wird.

Petra Kraus, Dieter G. Senk

Prüfverfahren und BruchmechanikZentrum Metallische BauweisenProzess- und WerkstoffmodellierungFügetechnikHochwarmfeste WerkstoffeStahl – ab initio/Sonder-forschungsbereich 761Aluminium Engineering Center Aachen (aec)

In den Arbeitskreisen bestehteine enge interdisziplinäre Ko-operation der beteiligten Insti-tute untereinander und mit denPartnern aus der Industrie.

Die Arbeitsgruppe Werk-stoffverbunde, bestehend aus12 Instituten verschiedener Fa-kultäten der RWTH Aachen,dem Forschungszentrum Jülichund der DLR in Köln, beschäf-tigt sich mit der Entwicklungund Fertigung von Schichtver-bunden für Anwendungen imBereich der Mikrosystemtech-nik, der Nanotechnologie, derMedizintechnik, der Energie-und Verkehrstechnik sowie derVerschleißschutzanwendungen.

Die Arbeitsgruppe Glas/Ke-ramik wurde mit der Gründungdes Forums eingerichtet. Der-zeit gehören ihr neun Institutebeziehungsweise Lehrstühle ausvier Fachbereichen der RWTHAachen an. Das Aufgabenge-biet dieser Gruppe umfasst dieBereiche Herstellung, Charakte-risierung, Konstruktion, Prüf-technik, Verbindungs- und An-wendungstechnik. Schwer-punktmäßig werden Struktur-,aber auch Funktionskeramikenbehandelt.

Die Arbeitsgruppe Werk-stoffanwendungen befindetsich noch in ihrer Gründungs-phase, derzeit wird an einemKonzeptpapier gearbeitet.

Die Arbeitsgruppe Elektro-nische Materialien ist seit Kurz-em in den NanoClub derRWTH Aachen eingebunden,die Arbeitsschwerpunkte wer-den dort weitergeführt.

Aus den Arbeitsgruppen desForums sind in den vergange-nen Jahren mehrere Sonderfor-schungsbereiche hervorgegan-gen, unter anderem der Son-derforschungsbereich Stahl – abinitio, der 2007 von der Deut-schen Forschungsgemeinschaftund dem Max-Planck-Institutfür Eisenforschung in Düssel-dorf eingerichtet wurde. Weite-re Sonderforschungsbereichewerden derzeit im Forum ge-plant.

Formate und Angebote Das Forum versteht es als eineHauptaufgabe, neue interdiszi-plinäre Projekte anzustoßenund voranzutreiben. Dafür istes erforderlich, dass sich dieWissenschaftlerinnen und Wis-senschaftler der verschiedenenForschungsbereiche kennenler-nen, austauschen und gemein-same Ideen entwickeln. Als In-strument zur Knüpfung undPflege von Kontakten wurde ei-ne Exkursionsreihe angestoßen:die ersten beiden Exkursionenin 2010 führten zu Thyssen-Krupp Nirosta nach Krefeld undzu den Ford-Werken nachKöln. Bei der Planung undDurchführung wurde daraufgeachtet, dass nicht nur viel In-teressantes gesehen und erlebtwurde, zusätzlich wurde denTeilnehmern auch Zeit undRaum zur Kommunikation undDiskussion gegeben. In 2011

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Das Forum

DDas Forum Materialwissen-schaft und Werkstofftechnikbündelt heute mit über 80Mitgliedern aus mehr als 35Instituten der RWTH Aachenund des ForschungszentrumsJülich die Kompetenzen im Be-reich Materialwissenschaft undWerkstofftechnik. Das Forumversteht sich dabei als Platt-form zur Diskussion und zurGenerierung von interdiszi-plinären Projekten, wobei dasForum aktiv als Schnittstellezwischen Wissenschaft, Indus-trie, Gesellschaft und Politikfungiert. Im Jahr 1988 alsWerkstoff-Forum gegründet,entschied man sich 2010 füreine Umbenennung des Fo-rums in „Materialwissenschaftund Werkstofftechnik“, um diein der Fachgemeinschaft fest-stehende Begrifflichkeit auch inder RWTH Aachen zu veran-kern. Die Intention des Forumsbleibt dabei unverändert: DasForum entwickelt und über-prüft Formate zur Förderungder interdisziplinären For-schung im Bereich der Mate-rialwissenschaft und Werk-stofftechnik.

Die Arbeitsgruppen des ForumsDie Forschungsarbeit des Fo-rums wird in den thematischausgerichteten Arbeitsgruppen

Metalle Glas/KeramikAachen Composite EngineersAachen Polymer ChainProzess-Simulation SimPROWerkstoffanwendungen undWerkstoffverbunde sowieElektronische Materialien

organisiert und durchgeführt. Die Arbeitsgruppe Metalle wur-de gemeinsam mit der Grün-dung des Forums ins Leben ge-rufen. Aufgrund ihrer vielfälti-gen und fachübergreifendenAktivitäten wurde die Gruppe inmehrere Arbeitskreise unterteilt:

Interdisziplinäre Zusammenarbeit Wissenschaft, Industrie,

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werden wieder mehrere Exkur-sionen durchgeführt; das Forumgreift dafür auf seine internenNetzwerke, kombiniert mit ex-ternen Partnern, zurück. DieseNetzwerke müssen über einenlangen Zeitraum wachsen, umdie Fächer- und damit oftmalsauch die Kommunikationsgren-zen zu überwinden und eineeffektive Zusammenarbeit zu gewährleisten.

Um die Publikationstätigkeitder jungen Wissenschaftler an-zuregen, wurde vom Forum2010 erstmals der „Best-Paper-Award“ ausgeschrieben. DieMitgliedsinstitute des Forumswaren dazu aufgefordert wor-den, ihre Veröffentlichungeneinzureichen, die einen neueninterdisziplinären Ansatz in derForschung untersucht habenund in einem relevanten Organveröffentlicht wurden. Da derBest-Paper-Award auf großeResonanz gestoßen ist, wird erkünftig als forschungs- undveröffentlichungsanregendesInstrument eingesetzt werden.Das Forum hat sich neben derAnbahnung und Durchführungvon Forschungsaktivitäten aktivder Nachwuchsförderung ver-schrieben. Im NRW-Landes -wettbewerb „Jugend forscht“wird daher seit 2005 jährlich inder Kategorie Technik als Son-derpreis ein dreiwöchiges For-scherpraktikum vergeben. DenPreisträgerinnen/Preisträgernwird die Möglichkeit gegeben,an der Arbeit eines oder mehre-rer Institute teilzunehmen. DieInstitute können je nach Interes-senlage ausgewählt werden.Während des Praktikums lebtder Preisträger im Gästehaus derHochschule und wird mit einemPreisgeld ausgestattet, um nebender Forschungsarbeit in das Stu-dentenleben hineinzuschnuppern.

Daneben zeigt das Forum re-gelmäßig auf Messen Präsenzund führt Veranstaltungen durch.Zwischen der IHK Aachen unddem Forum soll es künftig imRahmen der IHK-POTENZIALEeine eigene Veranstaltung geben.Den Auftakt bildete die Veran-staltung „Prüftechnik Metalle:Auf Herz und Nieren geprüft“ im September 2010 im ZentrumMetallische Bauweisen e.V. derRWTH Aachen.Der wechselseiti-ge Gedanken- und Erfahrungs-austausch unterstützt den Wis-sens- und Technologietransferzwischen Forschung und Wirt-schaft.

FazitSich selbst immer wieder neuzu erfinden, neu zu definieren,neue Schwerpunkte zu setzen,Formate und Instrumente zuüberprüfen ohne das Ziel ausden Augen zu verlieren, das istständige Aufgabe des Forumsfür Materialwissenschaft undWerkstofftechnik. Dies ge-schieht durch einen permanen-ten Rückkopplungsprozess aufdie globalen Herausforderun-gen in den Feldern Gesundheit,Ernährung, Energie, Mobilität,demographischer Wandel undKlimawandel. Um Lösungswe-ge und Konzepte aufzuzeigen,bedarf es besonders für dieWerkstoff-Forschung der inten-siven interdisziplinären Koope-ration und Vernetzung querüber verschiedene Forschungs-und Technologiefelder: DieseVision der Interdisziplinären Fo-ren der RWTH Aachen ist stän-diger Anspruch für das ForumMaterialwissenschaft undWerkstofftechnik in seiner täg-lichen Arbeit.

Autoren:Petra Kraus M.A. ist Referentinfür die Interdisziplinären Foren. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dieter G.Senk ist Inhaber des Lehrstuhlsfür Metallurgie von Eisen undStahl und Sprecher des ForumsMaterialwissenschaft undWerkstofftechnik.

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Materialwissenschaft und Werkstofftechnik an der Schnittstelle zwischen Gesellschaft und Politik

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SRainer Telle

der Konzipierung und für denBetrieb von Verbrennungskraft-werken, Müllverbrennungsanla-gen, in solarthermischen Kraft-werken, ferner in Anlagen derMetallerzeugung, der Glasher-stellung sowie im Industrie-ofenbau.

Wie kann man nun eine Pro-be levitieren, das heißt in dieLuft erheben? Aus der Welt-raumforschung kennt man dieParabelflüge mit großen Flug-zeugen, die während der kurzenSturzflugphase durch das ge-meinsame „Fallen“ von Flug-zeug, Messinstrument, Probeund Beobachter Schwerelosigkeitsimulieren, oder die AachenerVersuche in der D2-Mission imOrbit, wo unter MikrogravitationMetalle geschmolzen wordensind und ihre Erstarrung ohneSchwerkrafteinfluss untersuchtworden ist.

Bei Metallen kann man fer-ner Magnetfelder verwenden,um den Einfluss der Schwer-kraft im Labor zu kompensie-ren. Es entsteht dann im Hoch-vakuum des Gerätes unter in-

duktiver Erwärmung oder mit-tels Laserstrahlen eine Schmelz-kugel, die nichts berührt. Wiesteht´s aber mit Keramiken undGläsern?

Bereits seit 1995 werdenam Lehrstuhl für Keramik undFeuerfeste Werkstoffe im Auf-trag der NASA keramische Käfi-ge für die Untersuchung vonMetallschmelzen in Experimen-ten unter Parabelflug- und Or-bitbedingungen hergestellt. DieFrage nach einer eigenen Mög-lichkeit zur Erzeugung undCharakterisierung von Schmel-zen von Oxiden, Silikaten, Ni-triden und anderen minerali-schen Werkstoffen im Laborbeschäftigte lange die wissen-schaftlichen Mitarbeiter, bisweltweit eine Firma gefundenwerden konnte, die in den 80erJahren einmal für die NASAund ein japanisches For-schungsinstitut einen Levitatorfür Nichtmetalle gebaut hatte.Das bei diesem Anlagentyp an-gewandte Prinzip der aeroaku-stischen Levitation beruht aufdem Bernoulli-Effekt, nach wel-

chem von unten mit Luft ange-blasene Kugeln schweben kön-nen, Flugzeuge Auftrieb erhal-ten und Duschvorhänge sichunweigerlich an die nasse Hautlegen. Die Balance zwischenUnterdruck und Überdruck ver-leiht dem schwebenden Körpereinen Auftrieb und hält ihn inPosition. Allerdings zappelt soein Objekt ziemlich unkontrol-liert umher, sobald die Strö-mung lokale Turbulenzen auf-weist. Als Stabilisatoren hat dieFirma Physical Property Measu-rement, Pty. Inc., Evanston/Chicago, Illinois, einen Aufbauvon sechs Lautsprechern ent-wickelt, die in oktaedrischerAnordnung um den gewünsch-

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Stellen Sie sich vor, Sie sollenden Schmelzpunkt von Eis be-stimmen! Nichts leichter alsdas: Zerstoßenes Eis nehmen,in einen Becher füllen, Thermo-meter hinein, erwärmen lassen,kräftig rühren und ablesen, wiedie Temperatur des Eis-Wasser-gemischs sich einpendelt, bis al-les geschmolzen ist. Was abertun, wenn nur ein Becher ausSalz verfügbar ist? DieselbeProzedur führt zu einer sehrviel niedrigeren Schmelztempe-ratur, weil sich Salz im Wasserlöst. Dies kennen wir von denStreuaktionen auf den Straßenim Winter.

Richtig schwierig wird es,wenn man den exaktenSchmelzpunkt keramischerHochtemperaturwerkstoffe be-stimmen will. Zwar gibt es fürein gegebenes Probenmaterialvielleicht sogar höher schmel-zende Verbindungen, die alsTiegel in Betracht gezogen wer-den können. Doch bei Tempe-raturen oberhalb 1500°C rea-gieren nahezu alle Substanzensehr schnell mit den verfügba-ren Tiegelmaterialien. Manmüsste also eine Schmelze oh-ne jegliche Berührung mit ei-nem anderen Stoff erzeugenkönnen. Die Schmelze sollte al-so „schweben“ und allen mög-lichen Messmethoden zugäng-lich sein. Es könnte dann derechte Schmelzpunkt sehr genaubestimmt werden, ferner könn-ten Dampfdruck, Viskosität,Oberflächenspannung oder in-nere Molekülstrukturen derSchmelze als Funktion der Über-hitzungstemperatur gemessenwerden. Diese Daten werdendringend benötigt, um Compu-termodelle mit thermodynami-schen Größen zu füttern, mit de-nen dann wiederum neue Werk-stoffe entwickelt oder das Reak-tionsverhalten hochschmelzen-der Stoffe mit anderen korrosi-ven Umgebungsmedien wie Me-tallschmelzen, Schlacken, Aschenoder Gasen simuliert werdenkönnen. Je präziser die experimen-tellen Daten sind, umso sichererkönnen solche Ergebnisse auchextrapoliert werden. Diese Da-tensätze, Stoffsysteme und neu-en Werkstoffzusammensetzun-gen finden Einsatz in der Ener-gietechnik wie zum Beispiel bei

Heiße Schmelzen schweben lassen

Bild 1: 2300°C erreicht! Über vier Stunden steht die Al2O3-Schmelze im Fokuspunkt der beiden Laser. Die Beobachtungs-kameras überprüfen laufend die Position und melden Abweichungen an die akus-tischen Transducer.Foto: PPH, Inc.

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ten Aufenthaltsort der Probeherum stehende Schallwellengenerieren. In den Knoten-punkten dieser überlagertenWellen bilden sich also käfigar-tige „ruhige“ Zonen aus, diedie Lage der Probe perfekt undkontrollierbar fixieren und ausdenen sie trotz Anströmungund Eigengewicht nicht ent-kommen kann. Allerdings er-lauben Knotengrößen und ver-fügbarer Schalldruck nur dieStabilisierung von Objekten bisetwa 3-4 mm Durchmesser undeiner Dichte bis 10 g/cm3, wasaber für die Forschungszweckevöllig ausreicht. Eine Heizungmittels zweier 250-Watt-CO2-Laser entfacht das Höllenfeuerim Zentrum des Fokus. Die Pro-be schmilzt bei Temperaturenbis zu 3000°C. Mit einer Hoch-geschwindigkeitskamera mitautomatischer Irisblende kanndann das wiederholte Schmel-zen und Erstarren gefilmt wer-den; ein optisches Pyrometermisst simultan die Temperatur.Vom ersten Angebot im Jahre2002 über die Mittelbeantra-gung bis zur Beauftragung ver-gingen sechs Jahre! Die Firmahatte sich zwischenzeitlich auf-gelöst, die Mannschaft aushoch spezialisierten Physikernsowie Laser- und Akustik-Inge-nieuren war in alle Winde zer-streut und musste wieder zu-sammengetrommelt werden.Da es Schwebeschmelzanlagennicht „von der Stange“ gibt,planten die Wissenschaftler et-was grundsätzlich Neues: dievollautomatisch gesteuerteSchwebeschmelze. Die früherenAnlagen wurden manuell be-trieben. Ab 2008 begann nachschwierigen Detailverhandlun-gen der Bau. Unvorhergesehe-ne Schwierigkeiten gab es beider quantitativen Erfassung derProbenvibration, -oszillation, -rotation und -verformung so-wie deren Gegensteuerung. Einhochauflösendes und schnellesBilderkennungssystem mussteinstalliert werden, Daten muss-ten in Echtzeit ausgewertet und in Regelsignale für daskomplexe Lautsprechersystemumgewandelt und eingespeistwerden. Hierfür fehlten Kali-brierungen, teilweise sogar diemathematischen Zusammen-

hänge – von Steueralgorithmenganz abzusehen, die erst ent-wickelt werden mussten. DieLautsprecher, so genannte pie-zoelektrische Transducer exaktausgeklügelter Form und Ab-messung, mussten aufeinanderpräzise abgestimmt werden.Von mehr als 30 hergestelltenTransducern erwiesen sich nurzwei Gruppen aus je sechsStück als wirklich kompatibel.Endlich gelang die Lagestabili-sierung und -manipulation,dann die Tropfenverformungper Mausklick und Windows-Schieberegler, dann die Tempe-ratur-Regelung.

Seit Frühjahr 2011 verfügtdas Institut für Gesteinshütten-kunde über die weltweit mo-dernste und leistungsfähigsteSchwebeschmelzanlage für mi-neralische Materialien. Bei Tem-peraturen bis zu 3000°C kön-nen Schmelzpunkte reinsterStoffe berührungslos und damitsicher bestimmt werden. Beider Erstarrung können Unter-kühlungseffekte, Keimbildungund Kristallwachstum direkt ge-filmt und bezüglich des Ener-gieumsatzes und der Kinetikquantitativ ausgewertet wer-den. Die Anlage stärkt somitdie Kernkompetenz des Insti-tuts in den Bereichen der Ther-mochemie, der Hochtempera-turwerkstoffe und der Gläserbeträchtlich. Für technischwichtige und wissenschaftlichhochinteressante Zustandssys-teme keramischer und feuerfes-ter Werkstoffe können dannSchmelzisothermen für thermo-dynamische Berechnungen be-reitgestellt werden. Stoffkandi-daten sind Systeme mit ZrO2,Al2O3, SiO2 und Oxiden derSeltenen Erden wie Y2O3,CeO2, La2O3, Gd2O3, Nd2O3und andere. Hierauf wartet ne-ben zahlreichen Partnerinstitu-ten der RWTH Aachen und desForschungszentrums Jülich einweltweiter Verbund aus For-schungsinstituten, die sich aufdie Modellierung komplexerStoffsysteme spezialisiert ha-ben. Daneben erlaubt die zykli-sche Verformung und Relaxati-on der Schmelze mittels Schall-wellenanregung auch die Be-stimmung der Oberflächen-spannung und Viskosität der

Schmelze, indem die Amplitu-den und Frequenzen der Oszil-lationen ausgemessen werden.Diese Daten sind unter den an-gestrebten Bedingungen durchkeine anderen Messmethodenzugänglich und werden eben-falls für die Entwicklung unddas thermodynamische Ver-ständnis von Gläsern, bezie-hungsweise des nichtkris-tallinen Zustands generell,benötigt.

Autor:Univ.-Prof. Dr. Rainer Telle istInhaber des Lehrstuhls für Keramik und Feuerfeste Werk-stoffe und Leiter des Institutsfür Gesteinshüttenkunde.

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Berührungslose Charakterisierungnichtmetallischer Schmelzen

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Dominic Lencer, Martin Salinga, Matthias Wuttig, Peter Zalden

cher Datenspeicher hat eine Viel-zahl attraktiver Eigenschaften.

So ist die gespeicherte In-formation auch ohne Stromzu-fuhr stabil; der entsprechendeSpeicher wird als „nicht-flüch-tig“ bezeichnet. Da die Spei-cherinformation, anders als beiden meisten Computerspei-chern, nicht laufend aufge-frischt werden muss, ist auchder Energiebedarf dieses Spei-chers moderat. Zudem konntenamerikanische und koreanischeHalbleiterkonzerne zeigen,dass Phasenwechselmaterialienauch in extrem kleinen Spei-cherzellen noch erfolgreich Da-ten speichern. Der Rekord liegtbei Zellen mit einem Platzbe-darf von nur 17 nm x 7 nm. Erübertrifft damit die Speicher-

dichte des heute noch erfolg-reichsten nichtflüchtigen elek-tronischen Datenspeichers, desFlash-Speichers, der unter an-derem in Digitalkameras, USB-Sticks und Handys eingesetztwird, um ein Vielfaches. Daherist die Industrie zuversichtlich,mit Phasenwechselmaterialienein Speicherkonzept gefundenzu haben, mit dem man auchnoch bei steigender Informati-onsdichte in 10 bis 15 JahrenDaten speichern kann. Aller-dings gibt es eine zweite Klassevon Datenspeichern, die sehrschnell Informationen speichernkönnen und daher zum Beispielin Rechnern eingesetzt werden,die große Informationsmengenverarbeiten. Allerdings verges-sen diese Speicher ihre Infor-

mationen ohne Stromzufuhrund man bezeichnet sie daherals „flüchtig“. Deshalb wird nacheinem Speicherkonzept ge-sucht, das nicht nur eine hoheSpeicherdichte und eine nicht-flüchtige Speicherung, sondernauch einen schnellen Daten-transfer erlaubt. Einen solchenSpeicher bezeichnet man alsuniversellen Speicher, da er alleAnforderungen in Idealform er-füllt. Phasenwechselmaterialienhaben das Potenzial eines sol-chen universellen Speichers,wenn sie neben der hohenSpeicherdichte und der nicht-flüchtigen Speicherung auch ei-ne sehr schnelle Datenspeiche-rung erlauben.

Wissenschaftler am I. Physi-kalischen Institut haben sich

WWer schreibt, der bleibt. DiesesSprichwort beschreibt die Not-wendigkeit, Wissen auch überGenerationen hinweg weiterzu-geben. In der Entwicklung derMenschheit hat die Fähigkeit,Informationen für die Nachweltzu erhalten, eine entscheidendeRolle gespielt. Wir können nurrätseln, wie unsere Welt heuteaussehen würde, wenn Papierund Buchdruck nicht erfundenworden wären, oder auch dieRevolution der Datenaufbe-wahrung durch den Computernicht stattgefunden hätte. Viel-leicht werden sogar die Gren-zen unseres kulturellen Fort-schritts eines Tages unter ande-rem durch die technischenGrenzen unserer Datenspeicherbestimmt. Schon heute spei-chert jeder Mensch im Durch-schnitt 30 Gigabyte pro Jahr,genug um 30.000 kleineBücher mit Text zu füllen. BeiWachstumsraten der gespei-cherten Informationsmengenvon mehr als 60 Prozent jähr-lich wird offensichtlich, dass wirneue und bessere Speicherbenötigen. Zunehmend mehrWissenschaftler und Ingenieureglauben, dass die Suche nachdem Datenspeicher der Zu-kunft, die Suche nach dem Ma-terial mit den bestmöglichenSpeichereigenschaften ist. Heu-te baut man unter anderem aufeine ungewöhnliche Material-klasse, die so genannten Pha-senwechselmaterialien, die häu-fig auf Legierungen mit Anti-mon (Sb) und Tellur (Te) basie-ren. Das Prinzip eines Spei-chers, der solche Phasenwech-selmaterialien nutzt, ist in Bild 1dargestellt. In einem extremkleinen Bereich eines Phasen-wechselmaterials wird dabeidurch wohldosierte und extremkurze Wärmezufuhr die Anord-nung der Atome verändert.Während der geordnete kristal-line Zustand dem elektrischenStromfluss nur einen kleinenWiderstand entgegenstellt, hatder ungeordnete amorphe Zu-stand einen millionenfachhöheren Widerstand. Wird deramorphe Zustand nun so starkgeheizt, dass die Atome in dieenergetisch günstigere kristallinePhase umordnen, so wird die In-formation gespeichert. Ein sol-

Bild 1: Das Operationsprinzipeines Speichers auf der Basisvon Phasenwechselmaterialien.Der Zustand der Speicherzellewird durch die atomare Anord-nung der Atome festgelegt. Istdie Anordnung langreichweitiggeordnet (kristallin), so ent-spricht dies der binären ‚1‘, istdas Material hingegen unge-ordnet (amorph), so entsprichtdies der ‚0‘. Um das Materialaus dem amorphen in den kris-

tallinen Zustand zu überführen,muss das Material kurzzeitigüber die Glastemperatur er-wärmt werden. Dies erhöht dieBeweglichkeit der Atome imMaterial – ohne es zu schmel-zen – und erlaubt den Atomen,sich in der energetisch günsti-geren kristallinen Ordnung zuarrangieren. Um die Zellezurückzuschalten, ist ein höhe-rer Spannungspuls notwendig,der das Material lokal auf-

schmilzt. Durch schnelles Ab-kühlen kann so der flüssig-keitsähnliche Unordnungszu-stand in der amorphen Phaseeingefroren werden. Da derelektrische Widerstand (Ω) desMaterials im amorphen Zu-stand wesentlich höher ist alsim kristallinen Zustand, bestehtdas ‚Lesen‘ der Speicherzelleeinfach in der Messung ihresWiderstandes.

Auf dem Weg zum universellen

Datenspeicher

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Phasenwechselmaterialien im Blick

das Ziel gesetzt, die Grenzender Schaltgeschwindigkeit (unddamit der Schreibraten) vonPhasenwechselmaterialien zubestimmen. Die Leserate ist beidiesem Speichertyp ausschließ-lich von der Ausleseelektronikabhängig und kann daher mitjedem anderen Speichertypkonkurrieren. Die Untersu-chung des Schreibvorgangs istaus zwei Gründen sehr an-spruchsvoll: Zum einen mussdazu anspruchsvolle Messtech-nik entwickelt werden, umSchaltprozesse auf der Nanose-kundenskala zu untersuchen;Zum anderen muss genau ge-prüft werden, welche Materiali-en überhaupt als Phasenwech-selspeicher geeignet sind. Bis-her wurden Phasenwechselma-terialien empirisch gefunden,allerdings war dies sehr zeitauf-wändig. Am I. PhysikalischenInstitut ist es gelungen, ein ato-mistisches Verständnis der un-gewöhnlichen Eigenschaftenvon Phasenwechselmaterialienzu entwickeln. Dieses Verständ-nis basiert auf der Erkenntnis,dass sich die Art der chemi-schen Bindung in Phasenwech-selmaterialien beim Übergangvon der amorphen in die kris-talline Phase drastisch ändert.Bislang ist keine andere Materi-alklasse bekannt, bei der dieÄnderung der langreichweiti-gen atomaren Anordnung imFestkörper mit einer Änderungder Bindungsverhältnisse ein-hergeht. Dies zeigen die Bilder2 und 3. In Bild 2 erkennt manan den Reflektionsspektren, wieverschieden die optischen Ei-genschaften der amorphen undkristallinen Phase sind, die eineFolge der besonderen Bin-dungsverhältnisse sind. Dieswird schematisch in Bild 3 dar-gestellt. Das Charakteristikumkristalliner Phasenwechselmate-rialien sind die ungewöhnlichenBindungsverhältnisse, die manauch als Resonanzbindung be-zeichnet.

Das Besondere bei kristalli-nen Phasenwechselmaterialienist daher das Auftreten einerResonanzbindung, wie sie zumBeispiel aus der organischenChemie beim Benzol bekanntist. Eine solche Resonanzbin-dung tritt nur dann auf, wenn

Bild 2: Reflektionsspektrum ei-nes Phasenwechselmaterials(Ge1Sb2Te4) in der amorphen(blau) und kristallinen Phase(rot) im infraroten Spektralbe-reich. Die unterschiedlichenBindungsverhältnisse in denbeiden Zuständen sind für denausgeprägten Kontrast der opti-schen Eigenschaften verant-wortlich.

Bild 3: Schematische Darstel-lung der Resonanzbindung beikristallinem Antimon (Sb).Links ist eine Grenzstruktur mitkovalenter Bindung dargestellt;rechts eine zweite solcheGrenzstruktur. Durch Überlage-rung dieser beiden Grenzstruk-turen entsteht die Resonanz-bindung in der Mitte, bei derbesonders hohe elektronischePolarisierbarkeiten auftreten.

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Schatzkarte lassen sich sehr ein-fach neue Phasenwechselmate-rialien identifizieren und opti-mieren. Auch Eigenschafts-trends lassen sich so erfolgreichvorhersagen. Den Erfolg dieserBemühungen belegt Bild 5, daszeigt, dass eine Speicherzelleaus einem Phasenwechselmate-rial in etwa vier Nanosekundengeschaltet werden kann. Diesist eine der schnellsten je ge-messenen Schaltzeiten für ei-nen solchen Datenspeicher undliegt in derselben Größenord-nung wie die Schaltzeiten derschnellsten heute eingesetztenComputerspeicher, der so ge-nannten DRAM’s. Allerdingssind DRAM’s flüchtige Daten-speicher, während Phasen-wechselmaterialien eine nicht-flüchtige Datenspeicherung er-lauben.

Damit belegen die Untersu-chungen, dass Speicher ausPhasenwechselmaterialien dasPotenzial zum universellenSpeicher besitzen.

Autoren:Dr.rer.nat. Dominic Lencer,Dr.rer.nat. Martin Salinga undDipl.-Phys. Peter Zalden sindWissenschaftliche Mitarbeiter am I. Physikalischen Institut.Univ.-Prof. Dr.rer.nat. MatthiasWuttig ist Inhaber des Lehrstuhlsfür Experimentalphysik IA.

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ein Atom mehr Bindungspart-ner als Elektronen besitzt, dieeine Bindung ausbilden könnenund zudem benachbarte Atomebereit sind, eine gemeinsameBindung (kovalente Bindung)einzugehen. Dies geschieht,wenn die unterschiedlichenAtome eines Phasenwechsel-materials nur eine geringe Ten-denz haben, eine ionische Bin-dung auszubilden. Diese Er-kenntnis hat zu einer ersten‚Schatzkarte‘ für Phasenwech-selmaterialien geführt, sieheBild 4.

Man erkennt, dass sichPhasenwechselmaterialien –dargestellt durch grüne Punkte –ausschließlich in der linken un-teren Ecke der Karte befinden,da nur dort eine Resonanzbin-dung auftreten kann. In diesemBereich haben die beteiligtenAtome mehr nächste Nachbarnals Bindungselektronen und zei-gen zudem keine starke Nei-gung zur Ausbildung einer ioni-schen Bindung. Mit dieser

Bild 4: Schatzkarte für Phasen-wechselmaterialien. Einegrößere Zahl von Verbindungenmit 3 p-Elektronen sind alsFunktion der Ionizität und s-pHybridisierung dargestellt. Pha-senwechselmaterialien, diedurch grüne Kreise markiertsind, finden sich vor allem ineinem kleinen Bereich der Kar-te (linke untere Ecke), in demdie Verbindungen durch gerin-ge Ionizitäten und kleine s-p-Hybridisierung gekennzeichnetsind.

Bild 5: Elektronischer Wider-stand einer Speicherzelle ausPhasenwechselmaterial nachAnlegen verschiedener langerSpannungspulse unterschiedli-cher Höhe. Die Zelle ist vorAnlegen des Pulses im hochoh-migen amorphen Zustand. BeiSpannungen zwischen 1 und1.6 V lassen sich die Zellen mitkurzen Pulsen von etwa 4 Na-nosekunden schalten (blaumarkierter Bereich).

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Bild 6: Wie in einem Puppen-theater führt das Phasen-wechselmaterial seinen Schalt-vorgang aus, wenn optischeoder elektrische Pulse appli-ziert werden. Der Schaltvor-gang läuft dabei so schnellab, dass bereits Pulse von einerNanosekunde ausreichendlang sind, um den wenige

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Nanometer großen Bereich in ei-nen anderen Zustand zu verset-zen. Um diesen schnellen Schalt-vorgang beobachten und unter-suchen zu können, ist anspruchs-volle optische und elektrischeTechnologie erforderlich, die amI. Physikalischen Institut ent-wickelt und realisiert wurde. Mitdem gezeigten Aufbau sind die

Wissenschaftler in der Lage,Pulse mit einer Dauer voneiner Nanosekunde anzule-gen und die Reaktion desMaterials während der Um-wandlung zu beobachen.Foto: Peter Winandy

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Bild 7: Um den Datenspeicherder Zukunft zu entwickeln, müssen die verwendeten Pha-senwechselmaterialien auf denrelevanten Zeitskalen, also wäh-rend des Schaltvorgangs in weni-gen Nanosekunden untersuchtwerden. Dazu wurde am I. Phy-sikalischen Institut ein entsprech-

nender Messplatz entwickelt.Die Abbildung stellt unten diePlatine zur Kontaktierung einerZelle und oben das Oszilloskopzur Beobachtung der Strom- undSpannungskennlinien währenddes Schaltvorgangs dar. Zur Be-obachtung von schaltenden Pul-sen mit einer Länge von 1 ns ist

eine noch kürzere Messdauernotwendig. Diese hohe Messfre-quenz wurde realisiert und er-laubt, das Verhalten des Ma-terials bei besonders hohenSchreibgeschwindigkeiten zuuntersuchen.Foto: Peter Winandy

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Thomas Gries, Gunnar Seide,

Christian Wilms

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Neuartige Fasermaterialien bilden die Grundlage für eine

Vielzahl von Hightech Produkten

fasern ist die Herstellung vontransparenten lumineszierendenFilamenten. In einem von derArbeitsgemeinschaft industriel-ler Forschungsvereinigungen„Otto von Guericke“ e.V. ge-förderten Projekt werden zu-sammen mit dem DWI an derRWTH Aachen e.V. und demLehrstuhl für Feststoff- undGrenzflächenverfahrenstechnikder Friedrich-Alexander-Univer-sität Erlangen-Nürnberg derarti-ge Fäden entwickelt. Ziel desProjektes ist es, Polyester mitlumineszierenden Nanoparti-keln auszurüsten. Die Nanopar-tikel erlauben, was zunächstunmöglich erscheint: Einetransparente Einfärbung. Auf-grund ihrer geringen Größesind sie in ihrem Ausgangszu-stand für das menschliche Augenicht sichtbar. Werden die Na-nopartikel jedoch mit Strahlungeiner bestimmten Wellenlängeangeregt, senden sie sichtbares

F

Licht aus und der Faden wirdsichtbar. Die Herausforderungliegt darin, geeignete Partikelherzustellen und diese in denKunststoff einzubetten. DasAusspinnen solcher Materialienerfordert langjährige Prozesser-fahrung, da durch die Additivie-rung die Verarbeitungseigen-schaften verändert werden. Ei-ne denkbare Anwendung diesesProduktes sind Sicherheitsan-wendungen wie beispielsweiseWarnwesten.

Die Additivierung vonKunststoffen mit Nanopartikelnbietet neben der bereits vorge-stellten optischen Modifikationweitere Möglichkeiten. DasBundesministerium für Bildungund Forschung unterstützt dasProjekt NanoOrgano, in dem dieMöglichkeit zur Herstellung kon-tinuierlich faserverstärkter ther-moplastischer Bauteile erforschtwird. In Zusammenarbeit mitnamhaften Partnern aus der In-

dustrie werden in Polyamid zu-nächst Nanopartikeln einge-bracht. Dies dient der Steigerungder mechanischen Eigenschaften,wie beispielsweise der Schlag-zähigkeit. Dieses Material, dasNanocompound genannt wird,wird anschließend im Schmelz-spinnprozess zu Fäden verspon-nen. In einem weiteren Prozess-schritt werden diese Fäden mitAramidfäden im Commingling-Verfahren durchmischt und zueinem so genannten Hybrid-garn verarbeitet. Dabei wirdder Einfluss der Maschinen-und Prozessparameter (Düsen-geometrie, Luftdruck und Pro-duktionsgeschwindigkeit) sowieder Werkstoffparameter (Fila-mentdurchmesser der Garn-komponenten) durch systema-tische Versuchsvariation unter-sucht. Das Hybridgarn aus Po-lyamid und Aramid wird an-schließend zu einer textilenFläche, zum Beispiel einem Ge-

Bild 1: Austritt der Filamente aus der Spinndüse.

Faserartige Materialien begeg-nen uns jeden Tag, nicht nur inder Bekleidung sondern auch invielen anderen Bereichen. DieHerstellung von Kunststoff-fasern ist eine Hightech-Bran-che! Aktuelle Themenfelder wiedie Nutzung nachwachsenderRohstoffe, die Verwendung nano-additivierter Werkstoffe, medi-zintechnische Anwendungenoder der Leichtbau werden amInstitut für Textiltechnik unter-sucht.

Fasern für Warnwesten und SchutzhelmeDie Herstellung von Chemiefa-sern erfolgt vornehmlich aufzwei verschiedenen Wegen. Diekonventionelle und einfachereTechnologie ist das Schmelzspin-nen. Hierbei wird das zu verar-beitende Material zunächst auf-geschmolzen, um es in einenverformbaren Zustand zu über-führen. Die Schmelze wird durchMikrometer große Düsen in Fä-den ausgeformt. Die Düsenkapil-laren haben einen Durchmesservon einigen hundert Mikrome-tern, die endgültigen Filamentevon etwa 20 µm. Damit sind dieFasern wesentlich dünner als einmenschliches Haar, welches un-gefähr 100 µm dick ist.

Anschließend erfolgt diekontrollierte Abkühlung und so-mit Erstarrung der so genanntenFilamente. Dabei werden diesegezielt verstreckt, um die ge-wünschte Feinheit und die me-chanischen Eigenschaften einzu-stellen. Zuletzt werden die Fa-sern zusammengefasst und auf-gewickelt.

Im alternativen Lösungsmit-telspinnprozess können Materia-lien verarbeitet werden, die nichtschmelzbar sind. Diese werdenin einem Lösungsmittel gelöstund so in eine fließfähige Formüberführt. Die nachfolgendenProzessschritte ähneln denenbeim Schmelzspinnprozess. Esmuss jedoch drauf geachtetwerden, dass das hinzugefügteLösungsmittel im Fertigungs-prozess dem Material wiederentzogen wird.

Ein anwendungsnahes undgleichzeitig materialwissen-schaftlich und prozesstechnischherausforderndes Beispiel fürdie Modifikation von Chemie-

Gezielt modifizierbar,

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vielfältig und innovativ

webe, weiterverarbeitet. DasPotenzial des Hybridgarns zeigtsich in der Weiterverarbeitung:Polyamid ist ein thermoplasti-scher Werkstoff und daher beiTemperaturen unterhalb von300° C schmelz- und verform-bar. Die Aramidfasern schmel-zen bei diesen Temperaturenjedoch nicht. Wird das Textil nunin eine beheizte Presse einge-legt, werden die Polyamidfädenaufgeschmolzen und umfließendie festen Aramidfasern. DasErgebnis ist ein Faserverbund-bauteil, welches aus Aramidfä-den in einer Polyamid-Matrixbesteht. Mögliche Anwendun-

gen sind aufgrund der hohenEnergieaufnahme der Aramid-fäden Schutzhelme.

Implantate für die MedizintechnikEine zentrale Herausforderungfür die Industrie vor dem Hin-tergrund einer globalisiertenWelt ist die Verkürzung desProduktlebenszyklus‘ industri-eller Güter. Dies resultiert in derNotwendigkeit, immer schnellerneue Produkte auf den Marktzu bringen und die Entwick-lungszeiten zu verkürzen. EinWerkzeug hierbei ist das rapidprototyping, beispielsweise mit-

tels selektivem Lasersintern,kurz SLS. SLS ermöglicht einewerkzeuglose Herstellung kom-plexer Bauteile aus thermopla-stischen Materialien. Die sehrbegrenzte Werkstoffpalette li-mitiert jedoch bisher den An-wendungsbereich. Der Lösungs-ansatz ist die Entwicklung einerneuen Verfahrenstechnik basie-rend auf der Herstellung teilkri-stalliner Filamentgarne. Hierzuwerden zunächst geeignete Po-lymere ausgewählt und additi-viert. Die so auf die Anwen-dung zugeschnittenen Materia-lien werden im Schmelzspinn-prozess verarbeitet. Im Rahmen

Bild 3: Vorgehensweise im Projekt NanoOrgano.

Bild 2: Fluoreszierende Stoffe und Polyester können zusammen zu Warnwesten verarbeitet werden.

der Prozessentwicklung wirdein Faserkonverter konstruiert,mit dem die ersponnenen Fasernauf definierte Längen < 0,1 mmgeschnitten werden. Diese wer-den als Rohstoff dem Lasersin-tern zugeführt. Die Verwen-dung geschnittener teilkristalli-ner Fasern verbessert das Sin-terverhalten und ermöglicht so-mit die Verwendung neuer Ma-terialien in diesem Prozess. An-wendung finden gesinterteWerkstoffe unter anderem alsImplantate in der Medizintech-nik, beispielsweise bei Schädel-verletzungen, siehe Bild 4. Indiesem Fall liegt der innovative

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Bild 4: Lasergesintertes Schä-delimplantat [RKW+08].

Quelle: Rietzel, D., Kühnlein,F., Wendel, B., Feulner,

R., Hülder, G.: Enhanced rangeof plastics for Selective Laser

Sintering: serving different userprofiles and also consumer and

industry requests. Qelle: Proceeding Euro-u Rapid2008, Berlin, September 2008.

Bild 6: Nanofasern auf Trägervliesstruktur.

Bild 5: Zyklus der Verwendungbiobasierender Polymere.

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Charakter sowohl in der Aus-wahl und Additivierung desKunststoffs, als auch in der Pro-zessführung und der Entwick-lung eines geeigneten Faser-konverters.

Neue Technologien und alternative RohstoffeDie Anwendung von erneuer-baren Ressourcen in der Pro-duktion von Polymeren gehtHand in Hand mit einer wach-senden Nutzung von alternati-ven Rohstoffen einher. Inzwi-schen sind die ersten Biopoly-mere, wie zum Beispiel Polylac-tide (PLA), schon in einigenAnwendungen genutzt worden.Trotz alledem ist weitere For-schung notwendig, um dieMöglichkeiten dieser neuen Po-lymerklassen zu untersuchen.Diese sind nicht nur imstande,die Abhängigkeit der Textilin-dustrie vom Öl zu verringern,sondern können auch durch ih-re spezifischen Eigenschaftenzu neuen und innovativen Pro-

dukten führen, die benötigtwerden, um die Wettbewerbs-fähigkeit der europäischen Tex-tilindustrie zu wahren.

Ein weiterer Weg, um neueFasermaterialien entwickeln zukönnen, ist der Aufbau neuarti-ger Spinntechnologien. Hier istbeispielsweise das Schmelzelek-trospinnen zu nennen. Dabeiwerden Vliese aus Massen-kunststoffen wie Polypropylenmit einem durchschnittlichenFaserdurchmesser von 500 nmzu erzeugen sein. Der geringeEnergieverbrauch und der ein-stufige Prozess zeichnen diesesVerfahren aus. Letzteres ist eindeutlicher Vorteil gegenüberdem Spinnen aus der Lösung.In einem Projekt zwischen demInstitut für Textiltechnik, demDWI und dem Institut für elek-trische Maschinen ist es gelun-gen, mit 64 Spinndüsen eineProduktivität von 18 m²/h zu er-reichen. Die Vliesstrukturen sinddabei mit einem Flächengewichtvon 0,5 g/m² extrem leicht.

Neue Anwendungen für Fa-sern lassen sich auch durch dieNutzung von Materialien, diebisher nicht verwendet werdenkonnten, erschließen. Dies sindbeispielsweise Kunststoffe, diehochtemperaturstabil sind. DasEinsatzgebiet bei hohen Tempe-raturen fordert hinsichtlich derVerarbeitung neue Technologi-en. Konventionelle Spinnanla-gen sind darauf ausgelegt, le-diglich bis etwa 300 °C aufhei-zen zu können. Der Aufbau ei-ner Hochtemperaturspinnanla-ge ermöglicht zukünftig dieVerarbeitung von Materialienwie Polyetheretherketon (PEET)und Polyetherimid (PEI) undsomit den Zugang zu neuenAnwendungen. Dies kann bei-spielsweise der Einsatz im Mo-torraum von Fahrzeugen sein,in dem aufgrund der auftreten-den Temperaturen herkömmli-che Kunststoffe nicht verwen-det werden können.

Die beschriebenen Beispieleillustrieren die Vielfältigkeit und

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die Anwendungsbreite vonChemiefasern. Am Institut fürTextiltechnik besteht die Mög-lichkeit, die hergestellten Mate-rialien entlang der textilen Ket-te weiterzuverarbeiten.

Zunächst werden hieraustextile Flächen – wie beispiels-weise Biaxialgewirke – herge-stellt. Anschließend könnendiese Materialien zu Verbund-bauteilen wie Textilbeton oderFaserverbundkunststoffen wei-terverarbeitet werden.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dipl.-Wirt.Ing. Thomas Gries ist Inhaber des Lehrstuhls für Textilmaschinenbau und Leiterdes Instituts für Textiltechnik.Dr.- Ing. Dipl.-Wirt.Ing. GunnarSeide leitet den Bereich Che-miefasertechnik am Institut fürTextiltechnik. Dipl.-Ing. Dipl.-Wirt.Ing. Christian Wilms istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für Textiltechnik.

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Jörg von Appen, Wolfgang Bleck, Richard Dronskowski, Sascha Hoffmann,

Alireza Saeed-Akbari

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Stahl ab initio

(transformation induced plasti-city) – mechanisch induzierteZwillingsbildung – TWIP-Effekt(twinning induced plasticty) –im Material auf.

Bei der Gefügebeschreibungist es deshalb besonders wich-tig, die Phasenstabilität desAustenits zu kennen, was imWesentlichen über die Ermitt-lung der Stapelfehlerenergie er-folgt.

Ein Stapelfehler ist ein zwei-dimensionaler Gitterfehler, dersich in einer kubischflächenzen-trierten Struktur dadurch dar-stellt, dass die regelmäßige Rei-henfolge der dichtest gepack-ten Ebenen unterbrochen wird.Man kann sich dies anschaulichso vorstellen, dass eine einge-schobene Versetzung in zweiPartialversetzungen aufgespal-ten wird und sich diese Partial-versetzungen in einem definier-ten Abstand zueinander anord-nen. Zwischen Ihnen wird einStapelfehler aufgespannt, indem die normale Reihenfolgeder dichtest gepackten Ebenender kubisch-flächenzentrierten

Kristallstruktur nicht mehr ge-geben ist. Mit dieser Anomaliein der Reihenfolge verbundenist als Werkstoffkenngröße einecharakteristische Energie: dieStapelfehlenergie. Da sowohldie Zwillingsbildung als auchdie Martensitbildung mittelsPartialversetzungen interpretiertwerden können, ist das Vor-handensein und die Aufspal-tungsweite von Partialverset-zungen und damit letztendlichdie Stapelfehlerenergie ein Pa-rameter, der die verschiedenenVerformungsmechanismen inkubisch-flächenzentriertenWerkstoffen steuert. Die Sta-pelfehlerenergie hat für dieModellierung eine verbindendeFunktion, da sie einerseits fürtheoretische Chemiker undPhysiker als Kenngröße mittelsab initio Ansätzen berechenbarist, andererseits für Werkstoff-ingenieure einen Materialpara-meter darstellt, der die Auswahlverschiedener Verformungsme-chanismen und damit die Be-einflussung der mechanischenEigenschaften ermöglicht.

Methodischer AnsatzIm Sonderforschungsbereichwerden unterschiedliche Mo-dellierungsansätze verfolgt. Da-bei wird keine durchgehendeProzesssimulation vorgenom-

men und auch nicht für alle un-tersuchten Phänomene eine alleSkalen übergreifende Werk-stoffmodellierung angestrebt.Vielmehr sollen die wichtigstenthermodynamischen, kineti-schen und mikromechanischenEffekte in den Grundlagen er-kenntnisorientiert auf der je-weils für das Phänomen wichti-gen Größenskala behandeltwerden. Die Phänomene wer-den dann skalenübergreifendmittels „Scale hopping“ be-trachtet; darunter wird bei-spielsweise verstanden, das aufder atomistischen Ebene erhal-tene quantenmechanische In-formationen unmittelbar in mi-krostrukturellen oder makros-kopischen Modellen eingesetztwerden.

Eine Besonderheit ist, dassin mehreren Teilprojekten ab in-itio Methoden zum Einsatzkommen. Darunter verstehtman, dass basierend auf derElektronenkonfiguration dieBindungsverhältnisse von Mo-lekülen und Kristallstrukturenvorhergesagt werden können.Grundlage hierfür ist die Schrö-dinger-Gleichung, die in ihrerallgemeinen Form bereits 1926aufgestellt wurde. Mit der Ein-führung von vereinfachendenAnnahmen zur gegenseitigenBeeinflussung von Elektronen in

IIm Sonderforschungsbereich761 „Stahl ab initio – Quanten-mechanisch geführtes Designneuer Eisenbasis-Werkstoffe“arbeiten Naturwissenschaftlerund Ingenieure vom Max-Planck-Institut für Eisenfor-schung in Düsseldorf und derRWTH Aachen zusammen ander Entwicklung neuer Werk-stoffe. Dies geschieht unter an-derem auf Basis von ab initioAnsätzen, also unter Nutzungvon lediglich auf Naturkonstan-ten aufbauenden numerischenModellen, sowie weiteren me-soskopischen Modellierungs-ansätzen. Damit sollen ein neu-er Weg zur schnellen und ziel-gerichteten Entwicklung einerneuen Gruppe von Struktur-werkstoffen aufgezeigt undgleichzeitig ab initio Ansätze füringenieurwissenschaftliche Fra-gestellungen in der Werkstoff-technik eingesetzt und weiter-entwickelt werden.

Auswahl des Legierungs-systems Fe-Mn-CZiel ist es, das Legierungssys-tem Fe-Mn-C im Hinblick aufseine Eignung zur Entwicklungneuer Strukturwerkstoffe zuuntersuchen. Dabei ist das Sys-tem Fe-Mn-C vor allem für An-wendungen von Interesse, dieeine Kombination von hoherFestigkeit einerseits und guterKaltumformbarkeit, hohem Ver-schleißschutz oder guten Tief-temperatureigenschaften ande-rerseits erfordern. Es wurde ge-wählt, da die Eigenschaftendieses Legierungssystems imWesentlichen durch die chemi-sche Zusammensetzung beein-flusst werden, so dass dieWerkstoffe für eine thermody-namische Modellierung beson-ders geeignet erscheinen. DasWerkstoffverhalten mit seineraußergewöhnlich attraktivenKombination von hoher Festig-keit bei gleichzeitig guter Um-formbarkeit kann bei diesenStählen auf unterschiedlicheVerformungsmechanismenzurückgeführt werden. Abhän-gig von der Stapelfehlerenergietreten die Verformungsmecha-nismen homogenes oder inho-mogenes Versetzungsgleiten,mechanische induzierte Mar-tensitbildung – TRIP-Effekt

Bild 1: Gefüge eines hochman-ganhaltigen Stahles. Braun er-scheint das austenitischeGrundgefüge, hellblau diedurch Verformung aufgetrete-nen Martensitlamellen (TRIP-Effekt).

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der Dichtefunktionaltheorie kön-nen nun auch Viel-Elektronen-systeme wie beispielsweise Fest-körper behandelt werden, weildie erforderliche Rechenleistungzur Lösung der Schrödinger-Glei-chung deutlich sinkt. Die ab ini-tio Modellierung wird beispiels-weise dort genutzt, wo es umdas grundlegende Verständnisder Wirkung von Fremdatomen

in einer Matrix geht, also zumBeispiel der Rolle von Legie-rungselementen oder der Wech-selwirkung von interstitiellen undsubstitutionellen Atomen.

Parallel zu den theoretischenAnsätzen werden experimentel-le Arbeiten durchgeführt. Hierliegen die Herausforderungeneinerseits in der Technologie-entwicklung zur Herstellung der

hoch legierten Werkstoffe; an-dererseits werden neue Unter-suchungs methoden für gezieltewissenschaftliche Fragestellun-gen entwickelt. Weiterhin die-nen umfangreiche experimen-telle Untersuchungen sowohlzur Charakterisierung desWerkstoffverhaltens als auchzur Evaluierung der numeri-schen Modellierung.

Bild 2: Ab initio Berechnungder Bindungsenthalpie der unterschiedlichen Fe-Mn-C-Konfigurationen.

Neue Methoden zur Entwicklung von Strukturwerkstoffen

Ab initio Berechnungen mit SuperzellenAuf atomarer Skala werden lo-kale Ordnungsphänomene un-tersucht, die experimentellnicht zugänglich sind, wie zumBeispiel die kohlenstoffinduzier-te Nahordnung von Fe- undMn-Atomen. Nachdem gezeigtwerden konnte, dass in binärenFe-Mn-Legierungen die Vertei-lung der Metallatome auf diePlätze des Gitters statistischverteilt erfolgt, wird in einemRechnerexperiment eine Fe-Mn-Superzelle aus 16 Eisen-und 16 Manganformen aufge-baut. Diese Superzelle beinhal-tet alle denkbaren Typen vonOktaederlücken mit unter-schiedlicher Anordnung der Ei-sen- und Manganatome. Eineinzelnes Kohlenstoffatom wirdnacheinander in die zehn mög-lichen unterschiedlich koordi-nierten Oktaederlücken eineskubisch-flächenzentriertenFe/Mn-Gitters eingelagert undjeweils die theoretische Reakti-onsenthalpie berechnet. In ei-ner Auftragung der Enthalpie-differenzen gegen die Zahl derdirekten Eisennachbarn (roteAtome) zeigt sich, dass umsomehr Energie aufgebracht wer-den muss, je eisenreicher dasOktaeder um den Kohlenstoffist, siehe Bild 2. Die größte Re-aktionswärme wird demnachfrei, wenn das C-Atom von ei-nem reinen Mn6-Oktaeder, dasin einer statistischen Verteilungjedoch äußerst selten vor-kommt, umgeben ist. DieseRechnung wurde für 0 Kelvindurchgeführt; es wird ange-nommen, dass der Enthalpieun-terschied von etwa 35 kJ in die-ser Größenordnung vom Entro-pieverlust bis zur Schmelztem-peratur nicht ausgeglichen wer-den kann, so dass eine Nahord-nung von Kohlenstoff undMangan auch bei den technischinteressanten Temperaturenwahrscheinlich ist.

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Experimentelle Ermittlung mechanischer EigenschaftenDie Zusammenhänge der aufverschiedenen Skalen berech-neten Einflussgrößen mit denerwarteten Verformungsmecha-nismen werden in einem näch-sten Schritt experimentell über-prüft. Dazu werden verschiede-ne Korngrößen im Gefüge ein-gestellt sowie unterschiedlichePrüftemperaturen und Dehnge-schwindigkeiten im Zugversuchausgewählt. Für Gefügeunter-suchungen werden lichtopti-sche Methoden wie die konfo-kale Mikroskopie (siehe Bild 3)und TEM-Techniken genutzt.Wo diese Methoden an ihreGrenzen stoßen, werden unter-stützend EBSD- und XRD-Tech-niken eingesetzt, um die Mar-tensit- oder Zwillingsbildunggenau differenzieren zu kön-nen. Das Ziel ist, über das Ver-ständnis der Grundlagen derZwillings- und Martensitbildungund deren Kontrolle eine mög-lichst genaue Vorhersage derVerformungsmechanismen an-hand von chemischer Zusam-mensetzung, Korngröße undUmformparametern zu treffen.

Autoren: Dr.rer.nat. Jörg von Appen istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für AnorganischeChemie. Univ.-Prof. Dr.-Ing.Wolfgang Bleck ist Inhaber desLehrstuhls und Leiter des Insti-tuts für Eisenhüttenkunde.Univ.-Prof. Dr.rer.nat. RichardDronskowski hat den Lehrstuhlfür Festkörper- und Quanten-mechanik inne. Dr. Alireza Saeed-Akbari, MSc.und Dipl.-Ing. Sascha Hoff-mann sind WissenschaftlicheMitarbeiter am Institut für Eisenhüttenkunde.

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Bild 3: Konfokalmikroskopischermittelte Oberflächentopogra-phie eines zwillingsbildendenhochmanganhaltigen Stahles indrei Stadien der Umformungim Zugversuch. Oben: unver-formt, mitte, 2 Prozent Deh-nung, unten: 6 Prozent Deh-nung. Das in Rot hervorgeho-bene austenitische Korn zeigtmit zunehmender Dehnungparallele Strukturen, welche alsGleitstufen oder Zwillinge in-terpretiert werden können.

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Die stoffliche Verwertungvon Kohlendioxid besitzt dasPotenzial, einen wirtschaftli-chen und umweltfreundlichenBeitrag zur chemischen Wert-schöpfungskette zu leisten undals ein, wenn auch kleiner, Bau-stein zum Klimaschutz beizutra-gen. So stehen der derzeitigenNutzung von CO2 als Industrie-gas mit 20 Millionen Tonnenpro Jahr und der Nutzung vonCO2 als Rohstoff in der chemi-schen Industrie mit 110 Millio-nen Tonnen pro Jahr durch denMenschen verursachte CO2-Emissionen von etwa 30 Milli-arden Tonnen pro Jahr gegenü-ber. Mengenmäßig ist der Bei-trag einer verstärkten Nutzungvon CO2 begrenzt. Das Interes-se liegt vielmehr darin begrün-det, dass CO2 einen Wertstoffmit interessantem Anwen-dungsprofil und Wertschöp-fungspotenzial für die chemi-sche Industrie darstellt. Es bie-ten sich spannende Möglichkei-ten, neue Produkte herzustellenund über verbesserte Herstel-lungsverfahren Energie einzu-sparen.

Es gibt verschiedene Kriteri-en Syntheserouten ausgehendvon CO2 zu bewerten:

Ein wichtiges Bewertungskri-terium ist das Fixierungspo-tenzial von CO2. Fixierungs-menge und -dauer variierenstark in Abhängigkeit vonProdukt und Anwendungs-gebiet. Polymere erweisensich hier als besonders effek-tive CO2-Speicher, da manrelativ gesehen viel CO2 ein-bauen kann und sie CO2 fürdie Dauer ihres Einsatzesüber Jahre oder Jahrzehntechemisch binden können. Die Reinheit des eingesetz-ten Kohlendioxids spieltebenfalls eine wichtige Rolle,da Verunreinigungen dieFunktion der für die chemi-sche Umsetzung eingesetz-ten Katalysatoren beein-trächtigen können und indas Produkt eingebaute Ver-unreinigungen über das spä-tere Anwendungsgebiet ent-scheiden. Von maßgeblicher Bedeu-tung ist die Energiebilanzdes Gesamtprozesses. Allechemischen Transformatio-nen erfordern Energie. Be-vorzugt sollte diese aus re-generativen Energiequellenbereit gestellt werden. Einkluger Einsatz von CO2 kannneben dem direkten Einbauvon CO2 in Produkte in derGesamtbilanz zu einer erheb-lichen Minderung der CO2Freisetzung im Vergleich zuden jetzigen Produktionsver-fahren führen. Für eine um-fassende Bewertung neuerProdukte und Verfahren sindvollständige Energie- undCO2-Bilanzen erforderlich, indenen sowohl die Energie-versorgung als auch die Nut-zung von Kohlendioxidberücksichtigt werden.

Im Rahmen des durch das Bun-desministerium für Bildung undForschung geförderten Projek-tes „Dream Production“ sollnun erstmals kohlestämmigesCO2 aus dem Rauchgasstromeines Braunkohlekraftwerkes alsSynthesebaustein für Polymereverfügbar gemacht und dietechnische und wirtschaftlicheMachbarkeit anhand einer Pi-lotanlage demonstriert werden.Das von Bayer MaterialSciencegeführte Konsortium umfasstdie Partner RWTH Aachen,

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Walter Leitner, Thomas E. Müller,Christoph Gürtler

Abfallprodukt wird Rohstoff!

weist sich dabei derzeit als be-sonders viel versprechenderAnsatz.

Bei der Verwertung vonCO2 stellen sich besondereHerausforderungen: Als End-produkt der Verbrennung istCO2 thermodynamisch sehrstabil und befindet sich auf ei-nem niedrigen energetischenNiveau. Um eine ausreichendeTriebkraft für den Einbau vonCO2 zu erreichen, sind daherUmsetzungen mit hochreakti-ven und energetisch höher lie-genden Reaktionspartnern be-sonders attraktiv. Durch dieWahl geeigneter Katalysatorenlässt sich dann im Idealfall diechemische Reaktion der beidenPartner soweit beschleunigenund in die gewünschte Rich-tung lenken, dass das Verfah-ren wirtschaftlich wird. Hier istjedoch noch viel grundlegendesWissen über die Wirkungsweiseder Katalysatoren erforderlich,um möglichst schnell zu opti-malen Lösungen zu gelangen.

EEs ist eigentlich ein nahe lie-gender Gedanke: Wenn dieMenschheit schon zu viel Koh-lendioxid (CO2) produziert unddamit ein Ungleichgewicht indem natürlichen Kohlendioxid-kreislauf erzeugt, warum sollteman dann nicht versuchen, die-ses an sich harmlose Gas für et-was Nützliches einzusetzen? Indiesem Sinne arbeiten Wissen-schaftler am CAT CatalyticCenter an einer nachhaltigenVerwertung von CO2. Ziel istdie technische Erschließung vonCO2 als Synthesebaustein fürPolymere.

Bereits heute wird CO2 mitvorhandenen Technologien ineiner Reihe von bedeutendenchemischen Prozessen als Roh-stoff eingesetzt. Der Chemikerspricht von einem C1-Baustein.So werden bei der jährlichenProduktion von etwa 30 Millio-nen Tonnen Methanol aus Syn-thesegas, einem Gemisch ausKohlenmonoxid (CO) und Was-serstoff, rund zwei MillionenTonnen CO2 zugesetzt undebenfalls in Methanol umge-wandelt. Salicylsäure, eine derVorstufen für die Herstellungvon Acetylsalicylsäure, demWirkstoff in Aspirin®, wirdebenfalls unter Einsatz von CO2hergestellt, wobei 30.000 Ton-nen CO2 pro Jahr verbrauchtwerden. Harnstoff ist das Pro-dukt, bei dessen Herstellungmengenmäßig am meisten CO2als C1-Baustein eingesetzt wird.In der jährlichen Herstellungvon rund 146 Millionen TonnenHarnstoff werden etwa 107Millionen Tonnen CO2 in denProduktkreislauf zurückgeführt.Harnstoff wird hauptsächlich alsDünger in der Landwirtschaftgenutzt, ist aber auch ein inter-essanter chemischer Baustein.

Über die in der chemischenIndustrie bekannten Verfahren,CO2 nutzbringend zu verwer-ten, hinaus, gibt es viele inno-vative Ideen, wie das Molekülin Zukunft genutzt werdenkann. Diskutiert werden derzeitvor allem vier interessanteTechnologien: der Einbau vonCO2 in Polymere, die Hydrie-rung von CO2 sowie seineelektro- oder photokatalytischeAktivierung. Die Herstellungvon Polymeren aus CO2 er-

Bild 1: Bereits heute wird CO2industriell als Rohstoff genutzt.Dies gilt beispielsweise für dieErzeugung von Salicylsäure, diebenötigt wird, um Aspirin her-zustellen.Foto: www.fotolia.com

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Bayer Technology Services so-wie die RWE Power AG. DieRWTH Aachen ist mit mehrerenForschergruppen, dem CAT Ca-talytic Center (PD Dr. T. E. Mül-ler), dem Institut für Technischeund Makromolekulare Chemie(Prof. W. Leitner und Prof. M.Liauw) sowie den Lehrstuhl fürTechnische Thermodynamik(Prof. A. Bardow) an der Ko-operation beteiligt. Die Indus-triepartner decken damit dieWertschöpfungskette von derCO2-Quelle, über die Prozess-technologie bis hin zum Pro-dukt ab. Für die Wissenschaft-ler an der RWTH Aachen ste-hen das grundlegende Ver-ständnis und die Optimierungder Katalysatoren und Reaktio-nen sowie die Bewertung desVerfahrens im Rahmen einerÖkobilanz im Fokus. Damiteröffnet sich bei erfolgreichemProjektabschluss der Weg zu einer großindustriellen Anwen-dung, wodurch die Notwen-digkeit und Bedeutung von

Grundlagenforschung und ihresraschen Transfers in die indus-trielle Praxis verdeutlicht wird.

Konkretes Ziel des For-schungsvorhabens ist die Ent-wicklung von Prozessen zurtechnischen Nutzung von CO2für die Produktion von so ge-nannten Polyethercarbonat-polyolen. Diese speziellen Mo-lekülstrukturen sind Bausteinezur Herstellung von Polyur-ethan-Kunststoffen, die in un-terschiedlichen Anwendungsge-bieten zum Einsatz kommen.Im Rahmen des Projekts wirdCO2 aus dem Rauchgas desKohlekraftwerks Niederaußemabgetrennt und in einer CO2-Verflüssigungs- und Abfüllanlageverfügbar gemacht. Die For-schung am CAT Catalytic Cen-ter in Aachen wird unter ande-rem die Verträglichkeit dieses„realen“ CO2 mit den Einsatz-stoffen und Katalysatoren desChemieprozesses gewährlei-sten. Die wissenschaftlich-tech-nischen Grundlagen der Stof-fumwandlung und der Reakti-onstechnik werden gemeinsamam CAT Catalytic Center undam ITMC erarbeitet. In einerPilotanlage in Leverkusen wer-den die Polyole im Kilogramm-

Maßstab verfügbar gemacht,anschließend in die Polyuret-han-Endprodukte überführtund Mustermengen für Eigen-schaftstests in der Praxis bereitgestellt.

Die Energie- und CO2-Bi-lanz des Gesamtprozesses wirdam Lehrstuhl für TechnischeThermodynamik über eine sogenannte Life-Cycle-Analyseüberprüft. Bei der Bewertungdes neuen Verfahrens sind ne-ben dem direkten Einbau vonKohlendioxid weitere interes-sante CO2-Einsparpotenzialedurch Verwendung der aus denPolyethercarbonatpolyolen her-gestellten Polyurethane zuberücksichtigen. Als effizientesorganisches Dämmmaterial sindsie in der Lage, während ihrerNutzungsdauer bis zu siebzig-mal mehr Energie einzusparen,als für ihre Herstellung benötigtwurde. Neben der Gebäude-dämmung tragen in der Auto-mobilindustrie Leichtbauteileaus Polyurethanen zu einer Ge-

Aus Kohlendioxid werden Polymere hergestellt

Bild 2: So genannte Polyether-carbonatpolyole sind spezielleMolekülstrukturen, die als Bausteine zur Herstellung von Polyurethan-Kunstoffen ein-gesetzt werden können.Foto: Thorsten Groetker

Bild 3: Durch speziell ent-wickelte Katalysatoren lässtsich die chemische Reaktionbeschleunigen und in die ge-wünschte Richtung lenken.Foto: Thorsten Groetker

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wichtsreduzierung und damitzu deutlichen Energieeinsparun-gen bei. In beiden Fällen kannalso ein doppelt positiver Effektfür den Klimaschutz erzielt wer-den. Aber auch in alltäglichenAnwendungen wie zum Beispielbei der Herstellung von hoch-wertigen Matratzen oder Pols-termöbeln finden Polyurethaneihre Anwendung.

Zusammenfassend lässt sichsagen, dass mit CO2 – dem Ab-fallprodukt der Energiewirt-schaft – ein Wertstoff mit ei-nem äußerst interessanten An-wendungsprofil und Wert-

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schöpfungspotenzial für diechemische Industrie vorliegt.Die nutzbaren Mengen an CO2sind dabei naturgemäß sehr vielkleiner als die bei der Energie-gewinnung entstehenden Emis-sionen. Die stoffliche Nutzungkann also keine globale Lö-sung, wohl aber ein willkom-mener Baustein in einer Ge-samtstrategie zum Umgang mitunseren Kohlenstoffressourcensein – und bietet dabei dieChance, mit innovativen Pro-zessen und Produkten wirt-schaftlich erfolgreich zu sein!

Autoren:Univ.-Prof. Dr.rer.nat. Walter Leitner ist Inhaber des Lehrstuhls für TechnischeChemie und Petrolchemie amInstitut für Technische und Makromo-lekulare Chemie. PD Dr. Thomas E. Müller ist Leiter des CAT CatalyticCenters an der RWTH Aachen.Dr.rer.nat. Christoph Gürtler istLeiter des Katalyse-Programmsbei Bayer MaterialScience.

Bild 4: Vor dem Hintergrundder Nachhaltigkeit arbeitenForscher des CAT CatalyticCenter hoch motiviert an Pro-zessen zur technischen Nut-zung von CO2 als Synthese-baustein für Polymere.Foto: Thorsten Groetker

Bild 5: Grafische Darstellungdes CO2-Moleküls.Grafik: T. E. Müller

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Kirsten Bobzin, Nazlim Bagcivan, Jochen M. Schneider, Jens Emmerlich,

Walter Michaeli, Karim Bahroun, Sebastian Theiß

Mit gepulsten Plasmen zu nanostrukturierten

Funktionsschichten

zu vermeiden und Lebensmittellänger frisch zu halten. Ein wei-teres Einsatzgebiet von Plasma-beschichtungen ist die Automo-bilbranche. Hier werden Com-mon-Rail-Einspritzdüsen, Lagerund Kolbenringe beschichtet, umeine effizientere, umweltscho-nende Antriebseinheit zu erhal-ten. Durch die Verwendung vongepulsten Hochleistungsplas-men, auch HPPMS für High Po-wer Pulse Magnetron Sputteringoder HIPIMS für HIgh PowerImpulse Magnetron Sputteringgenannt, können neue Anwen-dungsgebiete erschlossen undweitere Erfolge in bestehendenMärkten verzeichnet werden.Hierbei sorgen kurze, hochener-getische Pulse mit Leistungenvon bis zu 1,5 MW innerhalbvon 100 µs für einen hohen An-teil an schichtbildenden Ionen.Im Vergleich zu den 0,015 MW,die bei konventionellen Gleich-strom (DC)-Plasmaprozessen er-reicht werden können, bietetdies neue Möglichkeiten des

Schichtdesigns und die Einstel-lung bisher nicht erreichbarer Ei-genschaftsprofile.

Bisher werden diese Be-schichtungen primär empirischentwickelt und Fortschritte überdas Trial-and-Error-Verfahren er-zielt. Die RWTH Aachen gehtjetzt zusammen mit der Ruhr-Universität Bochum einen ande-ren Weg: Im Rahmen des Son-derforschungsbereichs TR 87„Gepulste Hochleistungsplasmenzur Synthese nanostrukturierterFunktionsschichten“ soll das em-pirische Vorgehen überwundenund die grundlegenden Mecha-nismen auf dem Syntheseweg inHochleistungsplasmen erforschtund theoretisch wie auch experi-mentell beschrieben werden. Umdies zu erreichen, umfasst dasForschungsprojekt den gesamtenSpannungsbogen von den ein-gestellten Prozessparametern ander Anlage über das einzelneAtom in der Gasphase und derWechselwirkung mit dem Fest-körper bis hin zu den mechani-

schen und chemischen Eigen-schaften und dem Einsatz be-schichteter Bauteile.

Die enge Kooperation unddas Verständnis der Einzelschrittesoll eine geschlossene Betrach-tung des gesamten Ablaufs er-möglichen. Damit ist es das Ziel,eine Methodik zu entwickeln, dieauf Grundlage des Belastungs-kollektivs einer beliebigen An-wendung auf eine bestimmtechemische Zusammensetzung einer geeigneten Schicht und dieentsprechenden Prozessparame-ter schließen lässt. Auf dieseWeise soll der Entwicklungsauf-wand neuartiger Plasmabe-schichtungen reduziert undschon bestehende Plasmabe-schichtungen optimiert werden.Um den direkten Bezug zur An-wendung zu gewährleisten, wer-den zwei definierte Anwendun-gen betrachtet. Für metallischeWerkstoffe wird das Beschichtenvon Komponenten für die Kunst-stoffverarbeitung erforscht. Un-ter anderem haben hier harteFüllstoffe in der Polymerschmel-ze hohen Schichtverschleiß zurFolge, weshalb die Schicht guteVerschleiß eigenschaften aufwei-sen sollte. Im Hinblick auf poly-mere Werkstoffe sollen neuartigeBeschichtungen zur Verbesse-rung der Barriereeigenschaftenvon Kunststofffolien aus PETentwickelt werden. In den fol-genden zwei Abschnitten wirddas Vorgehen und das Ziel bei-der Anwendungsgebiete vorge-stellt.

Beschichten von MetallenMittels geeigneter Plasmabe-schichtungen mit Schichtdickenvon 1 µm bis 5 µm können An-lagenkomponenten von Kunst-stoff-Spritzgießmaschinen ge-schützt und hochwertigere Bau-teile hergestellt werden. For-schungen haben gezeigt, dassPlasmabeschichtungen das Po-tenzial besitzen, Bauteile vonhoch belasteten Spritzgießma-schinen effektiv vor Korrosion,

EEin Leben ohne technische Plas-men ist in der heutigen Zeitnicht vorstellbar. Das Plasma alsvierter Aggregatzustand der Ma-terie oder ionisiertes Gas findetin vielen Bereichen des alltägli-chen Lebens direkt oder indirektseinen Einsatz. Seien es Plasmenin ihrer direkten Anwendung wiebei der Lichterzeugung in mo-dernen Energiesparlampen oderXenon-Scheinwerfern oder in in-direkter Anwendung bei derHerstellung von tesa®-Film, be-druckten Kunststoff-Einkaufstü-ten oder elektrischen Kompo-nenten für Computer. Aufgrundder großen Bandbreite an An-wendungsgebieten ist das Plas-ma seit Jahrzehnten Gegenstandinnovativer Forschungsprojekte.Ein großes Feld ist hierbei dieMaterialforschung und die Ent-wicklung neuer Plasmabeschich-tungen, die für unterschiedlichs-te Anwendungen eingesetztwerden können. Zum Beispielwerden heute PET-Flaschen be-schichtet, um Diffusionsprozesse

Hochleistungsplasmen

Bild 1: Prozess von der Simulation bis zur Anwendungbeschichteter Bauteile.

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Verschleiß und Anhaftung vonKunststoffen zu schützen. Dieshat einerseits eine Kostenein-sparung durch geringe Instand-haltungskosten und andererseitseine Verbesserung der Bauteil-qualität durch eine verringerteAnzahl von Fehlstellen zur Folge.Zukünftige Verbesserungen vonPlasmabeschichtungen könnenjedoch nur dann wirtschaftlicherreicht werden, wenn es ge-lingt, schon vor der Beschich-tung vorherzusagen, wie dieSchicht in der Praxis abschneidenwird. Die Vorhersage kann abernur gelingen, wenn die Schnitt-stellen von den Plasmaparame-tern während der Schichtherstel-lung über die Schichteigenschaf-ten bis hin zur Anwendungscha-rakteristik eines Bauteils hinläng-lich bekannt sind. Aus diesemGrund ist es Ziel des Forschungs-vorhabens, die Schnittstellen ge-nau zu definieren, das heißt denWeg von den Plasmaprozesspa-rametern bis hin zur fertigen An-wendung aufzuzeigen und amBeispielprozess beschichteter unddamit verschleißgeschützterKomponenten von Kunststoff-

Spritzgießmaschinen konkretauszuformulieren.

Hierzu ist es notwendig, dasseine gezielte, softwareunter-stützte Schichtauswahl stattfin-det, die es ermöglicht, eine Viel-zahl von chemischen Schichtzu-sammensetzungen zu untersu-chen und aufzuzeigen, welchegeeignet für die Anwendung inSpritzgießmaschinen ist, sieheBild 1. Mit Hilfe von rechnerge-stützten Untersuchungen ist esanschließend möglich, die me-chanischen Eigenschaften derPlasmabeschichtungen vorherzu-sagen und so eine weitere Ein-schränkung zu erreichen. Nebender chemischen Zusammenset-zung wird ein Hauptaugenmerkauf die Schichtstruktur im Nano-meterbereich gelegt. Durch einegezielte Prozesssteuerung ist esmöglich, Multilagenstrukturen zusynthetisieren, die sich aus un-terschiedlichen Werkstoffen zu-sammensetzen und so die Vor-teile beider Werkstoffe vereinen.Eine große Herausforderung istdas Verständnis der Vorgänge imPlasma während der kurzen Pul-se bei Hochleistungsplasmen. In

enger Zusammenarbeit mit derRuhr-Universität Bochum wer-den dazu Diagnostiksysteme zurCharakterisierung von Hochleis-tungsplasmen eingesetzt undgrundlegend erforscht. DiesesVerständnis ist erforderlich, umeine möglichst geschlossene Be-trachtung der gesamten Prozess-kette zu ermöglichen und so eine Vorhersage der chemischenund mechanischen Eigenschaf-ten der Plasmabeschichtungentreffen zu können.

Die theoretisch und experi-mentell ermittelten Werkstoffpa-rameter und -eigenschaften wer-den verglichen, um so Annähe-rungsmodelle zu validieren undzu verbessern. Der letzte Schrittist die Anwendung der ent-wickelten Plasmabeschichtungenin Kunststoff-Spritzgießanlagen,um die Vorhersagen zu eva-luieren und hochpräzise Kunst-stoffbauteile für Automobilbau,Bürobedarf und Home-Enter-tainment herstellen zu können.

Beschichten von KunststoffenDie gezielte Beschichtung derKomponenten von Kunststoff-

verarbeitungsmaschinen, wie Ex-truderschnecke oder Werkzeug,erhöht nicht nur die Standzeitder Anlagen sondern trägt auchwesentlich zu einer höherenQualität der Produktoberflächenbei. Vor allem eine höhereOberflächenqualität von Kunst-stoffbauteilen erleichtert dieanschließende Veredelung miteiner funktionellen Beschichtungzur gezielten Erweiterung desAnwendungsspektrums.

Die Materialauswahl im Be-reich der Lebensmittelver-packungen wird stark durch diePermeationseigenschaften dereingesetzten Kunststoffe ge-prägt. Typische Werkstoffe, wiePET oder PP, bieten als Folien-material bei Dicken von 10 µm –200 µm jedoch häufig keineausreichende Sperrwirkung ge-gen Wasserdampf, Sauerstoffund Aromastoffe. Aufgrund ih-rer Verarbeitungsbedingungenund der geringen Materialdickestellen Folien jedoch besondereAnforderungen an eine plasma-polymere Beschichtung. So wirdder Einsatzbereich der Plasma-technologie zur Barrierebe-schichtung von Kunststofffolieneinerseits durch die geringeDehnfähigkeit der Schichten be-schränkt. Andererseits stellen so-wohl die geringe thermische Be-ständigkeit der eingesetztenMaterialien als auch die homo-gene Beschichtung großflächigerSubstrate wesentliche Anforde-rungen an das Verfahren. Diegezielte Synthese dünner plas-mapolymerer Funktionsschichtenauf flexiblen Kunststoffsubstra-ten kann nur dann wirtschaftlicherreicht werden, wenn es ge-lingt, das Leistungsspektrum derSchichten auch unter mechani-scher Belastung schon vor derBeschichtung vorherzusagen,siehe Bild 2. Hierzu müssen dieZusammenhänge zwischen derMorphologie und der Funktio-nalität der Beschichtung, denzugrunde liegenden gepulstenHochleistungsplasmaprozessensowie den Plasma-Substrat-Wechselwirkungen bekannt sein.

zur Beschichtung

Bild 2: Methodik zur wissens-basierten Abscheidung nano-strukturierter Schichtsysteme auf Kunststoffen.

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Eine entsprechende Methodikwird daher anhand der Abschei-dung siliziumorganischer Schich-ten untersucht. Hierbei werdendie schichtbildenden Substanzengasförmig zugeführt und in Mi-krowellen geheizte Plasmen imNiederdruckbereich von 10 Pa bis30 Pa umgesetzt. Das große Po-tenzial gepulster Mikrowellen-plasmen hinsichtlich einer gerin-gen thermischen Belastung derSubstrate und homogenenSchichtabscheidung konnte da-bei bereits in Voruntersuchungenangedeutet werden. Auf derGrundlage der gewonnenen Er-gebnisse an der RWTH Aachenund der Ruhr-Universität Bochumsoll entsprechend das Leistungs-vermögen sehr dünner Schichtenvon etwa 10 nm dem von mehr-lagigen Schichtsystemen mit va-riiertem Aufbau zur Erhöhungder Flexibilität gegenübergestelltwerden. Hierbei werden iterativdie makroskopischen Eigenschaf-ten beschichteter Substrate –beispielsweise Sauerstoffpermea-tion bei variiertem Dehnungszu-stand – mit den mikroskopischenEigenschaften wie Schichtaufbauund Schichtversagen korreliertund auf die zugrunde liegendenPlasmaprozesse zurückgeführt.

Durch diese intensive Ver-netzung der Plasmaphysik/Plas-matechnik und der Werkstoff-wissenschaften/Oberflächen-technik soll das angestrebte Zieleiner geschlossenen Betrachtungerreicht, das bislang vorherr-schende empirische Vorgehenüberwunden und ein physikalischund chemisch basiertes Prozess-verständnis entwickelt werden.

Autoren:Dr.-Ing. Nazlim Bagcivan istOberingenieur am Institut fürOberflächentechnik.Dipl.-Ing. Karim Bahroun ist Wissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für Kunststoffverar-beitung.Univ.-Prof. Dr.-Ing. Kirsten Bobzinhat den Lehrstuhl für Ober-flächentechnik im Maschinenbauinne und leitet das Institut fürOberflächentechnik.Dr.-Ing. Jens Emmerlich ist Gruppenleiter der Gasphasen-abscheidung am Lehrstuhl fürWerkstoffchemie.Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing. E.h.Walter Michaeli ist Inhaber desLehrstuhls für Kunststoffverar-beitung und Leiter des Institutsfür Kunststoffverarbeitung in In-dustrie und Handwerk e.V..Univ.-Prof. Jochen M. Schneider,Ph.D. ist Inhaber des Lehrstuhlsfür Werkstoffchemie.Dipl.-Ing. Sebastian Theiß istWissenschaftlicher Mitarbeiterund Gruppenleiter für den Be-reich der PVD-Bauteilbeschich-tung am Institut für Ober-flächentechnik.

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Bild 3: Den Forschungsinstitutenstehen speziell für dieses Vor-haben ausgestattete industrielleHochleistungsplasmabeschich-tungsanlagen zur Verfügung.Foto: Peter Winandy

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Tilmann Beck, Robert Vaßen

dann auf das Substrat. Dabeiverformen sie sich und kühlenschnell ab. Es entsteht ein lamel-lenartiges Gefüge, das typischer-weise durchsetzt ist mit Porenund Mikrorissen, siehe Bild 1.Diese Gefügestruktur ist wichtigfür die Leistungsfähigkeit derSchichtsysteme im Betrieb, da sieeinen niedrigen Elastizitätsmodulmit entsprechend niedrigenSpannungen zur Folge hat undeine gute Dehnungstoleranzdurch Öffnen der Risse und einAbgleiten einzelner Spritzlamel-len ermöglicht. Die gute Deh-nungstoleranz ist notwendig, daaufgrund des Unterschiedes inder thermischen Ausdehnungzwischen Substrat und WDSbeim Aufheizen und Abkühlenthermische Spannungen entste-hen. Zusätzlich reduzieren dievielen Mikrorisse auch die Wär-meleitfähigkeit und verbesserndamit die thermische Isolations-wirkung der Schichten.

Zusätzlich zur wärmedäm-menden Keramikschicht bestehtein Wärmdämmschichtsystemnoch aus einer metallischenZwischenlage, der so genann-ten Haftvermittlerschicht. Wieder Name nahelegt, verbessert

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Wärmedämmschicht Untersuchungen zu

Mikrostruktur, Schädigung und Zuverlässigkeit

diese Schicht die Anbindungzwischen dem metallischenSubstrat und der keramischenDeckschicht. Zusätzlich schütztsie die Substrate vor Oxidationund Korrosion durch die heißenBrenngase. Dies ist notwendig,da die Deckschichten porös undgasdurchlässig sind. Im Falleder atmosphärisch gespritztenWärmedämmschichten verwen-det man als Haftvermittler-schicht meist MCrAlY-Legierun-gen, wobei M für Ni oder Costeht. Hergestellt werden dieSchichten über verschiedenethermische Spritzverfahren, wiedas Vakuumplasmaspritzenoder das Hochgeschwindig-keits-Flammspritzen. DieSchichten bilden im Betrieb einedichte Deckschicht aus Alumini-umoxid, die die weitere Oxida-tion des Werkstoffs deutlichverlangsamt. Wichtig für einegute Anbindung der Wärme-dämmschicht an die Haftver-mittlerschicht ist eine hoheRauhigkeit mit Ra – Wertenüber etwa 8 µm, da die An-bdung primär über eine mecha-nische Verklammerung abläuft.Neben der mikrorissbehaftetenStruktur der keramischen Deckla-ge gibt es weitere Ansätze, dieLeistungsfähigkeit von Wärme-dämmschichten zu steigern. Sogelingt es zum Beispiel durchspezielle Herstellungsbedingun-gen, relativ dichte Schichten ab-zuscheiden, die mit einer hohen

tionären Gasturbinen, da nurhiermit die für einen effizientenBetrieb notwendigen hohenBrenngastemperaturen verwirk-licht werden können. Der welt-weit als Standard etablierteWerkstoff für WDS-Anwendun-gen ist das 7 bis 8 Gewichtspro-zent. Y2O3 teilstabiliserte Zirkon-oxid, kurz YSZ. Dieses Materialverfügt für diese Anwendungüber eine Reihe von herausra-genden Eigenschaften wie niedri-ge Wärmeleitfähigkeit, hoherAusdehnungskoeffizient zur Re-duzierung der thermischen Span-nungen im Verbund mit demmetallischen Substrat und guteZähigkeit.

Zurzeit kommen zwei Her-stellungsverfahren in der industri-ellen Serienproduktion von Wär-medämmschichten zum Einsatz,das Elektronenstrahlverdamp-fungsverfahren, kurz EB-PVD fürElectron Beam – Physical VapourDeposition, und das Atmosphäri-sche Plasmaspritzen, kurz APS.Für Beschichtungen in sta-tionären Gasturbinen wird fastausschließlich das kostengünsti-gere APS-Verfahren eingesetzt.Hierbei werden Pulverpartikel ausdem Schichtwerkstoff über einenTrägergasstrom in die Heißgas-fackel eines Plasmabrenners ein-geleitet. Im Heißgasstrom wer-den die Partikel beschleunigtund bis zum Aufschmelzen auf-geheizt, die heißen und be-schleunigten Partikel treffen

DDer Wirkungsgrad von Gastur-binen steigt mit der Eintritts-temperatur der Brenngase indie Turbine. Die Einsatzgrenzemodernster metallischer Werk-stoffe liegt bei knapp über1000° C. Um höhere Tempera-turen zu erreichen, werden aus-geklügelte Kühlsysteme in Ver-bindung mit keramischen Wär-medämmschichten eingesetzt,da vollkeramische Schaufeln zuspröde für einen sicheren Betriebwären. Mit solchen Schutz-schichten sind Oberflächentem-peraturen bis 1200° C möglich.Absolute Zuverlässigkeit zwi-schen den Revisionen der Anlageist unerlässlich, da ein kompletteroder örtlicher Verlust der Schichtzur sofortigen Überhitzung desGrundwerkstoffs und damit zukapitalen Turbinenschäden füh-ren würde. Aktuelle Forschungs-arbeiten befassen sich mit derEntwicklung verbesserter Schicht-systeme für wesentlich höhereOberflächentemperaturen undmit der Entwicklung von Berech-nungsmodellen für eine zuverläs-sige Lebensdauervorhersage.

Wärmedämmschichtsysteme,kurz WDS, sind ein wesentlicherBestandteil in Flug- und sta-

Bild 1: Rasterelektronen-mikroskopische Aufnahme einer Bruchfläche einer YSZ-Wärmedämmschicht.

Bild 2: Rasterelektronenmikros-kopische Aufnahme einesQuerschliffes einer YSZ-Wärme-dämmschicht mit einer hohenSegmentierungsrissdichte.

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systeme für Gasturbinen

Anzahl von Segmentierungsrissendurchsetzt sind, siehe Bild 2. Be-lastet man eine solche Schicht aufZug, wie es beim Aufheizen inder Turbine geschieht, könnensich die Segmentierungsrisse öff-nen. Damit kann der Aufbau ho-her Spannungen in der Schichtund damit eine Schädigung ver-mieden werden. Zusätzlich zudieser Weiterentwicklung derAPS-Technologie befinden sichauch neue Verfahren in der Er-probung. Besonders interessantist dabei das Suspensions-Plasma-spritzen, bei dem anstelle vonpulverförmigen AusgangsstoffenSuspensionen in die Plasmafackeleingeleitet werden. Mit diesemVerfahren ist die Einstellung ho-her Segmentierungsrissdichtenüber 10/mm bei gleichzeitigerniedriger Wärmeleitfähigkeitmöglich. Ein weiteres in der Ent-wicklung befindliches Verfahrenist der LPPS-PVD-Prozess. Hierbeiwerden pulverförmige Ausgangs-stoffe in einem Plasmabrennerverdampft und es kommt zur Ab-scheidung stengelkristallinerSchichten, die eine hervorragen-de Leistungsfähigkeit im Zyklier-versuch zeigen.

Neben der Entwicklung extrem leistungsfähiger Schich-ten aus YSZ liegt ein weiterer

Schwerpunkt der Arbeiten amForschungszentrum Jülich inder Entwicklung neuer Wärme-dämmschichtmaterialien. Diesist notwendig aufgrund der li-mitierten Temperaturstabilitätdes YSZ: Ein Langzeiteinsatzvon YSZ ist auf Temperaturenvon etwa 1200° C begrenzt, dabei höheren Temperaturen Phas-enumwandlungen und eine ver-stärkte Verdichtung der Schich-ten eintreten. Von besonderemInteresse sind dabei Pyrochlorewie das Gd2Zr2O7, Perowskitewie SrZrO3 oder (Hexa-) Alumi-nate. Aufgrund der relativ niedri-gen Zähigkeit der neuen WDS-Materialien setzt man meist diein Jülich entwickelten Doppella-gensysteme ein, bei denen aufdem Haftvermittler zuerst eineSchicht aus dem zähen YSZ undobenauf die neue Keramik abge-schieden wird, siehe Bild 3. Be-sonders die aus Pyrochloren auf-gebauten Schichten zeigen einexzellentes Verhalten bei zykli-scher thermischer Belastung zumBeispiel in einem Gasbrenner-teststand.

Zuverlässigkeit und LebensdauerprognoseBei Oberflächentemperaturenjenseits der Einsatzgrenze desmetallischen Grundwerkstoffesmüssen Schädigungsmechanis-men und Lebensdauer desSchichtsystems unter typischenund extremen Betriebsbedin-

gungen bekannt sein. Für einezielführende Neu- oder Weiter-entwicklung von Wärmedämm-schichten müssen zahlreicheVarianten in der chemischenZusammensetzung und Mikro-struktur getestet werden. Ver-suche an Bauteilen in realenTriebwerken wären zu kostspie-lig und zeitaufwändig. Außer-dem können einzelne Belas-tungsparameter, wie Tempera-tur oder mechanische Bean-spruchung nicht hinreichendsystematisch variiert werden.Daher erfolgen die Versuche inder Regel zunächst an Werk-stoffproben. Um an Laborpro-ben anwendungsnahe Belas-tungsbedingungen zu erzeu-gen, werden Prüfstände mitStrahlungsheizung eingesetzt,da hiermit die Wärme – zumBeispiel im Gegensatz zu induk-tiver Beheizung – in die Kera-mikschicht an der Oberflächeder Probe eingebracht wird.Bild 4 zeigt einen am For-schungszentrum Jülich für der-artige Versuche verwendetenStrahlungsofen. Die Strahlungs-leistung der insgesamt 24 Halo-genlampen wird über Parabol-spiegel auf die Messlänge immittleren Bereich der Probe ge-bündelt. Es können Aufheizge-

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schwindigkeiten von mehreren10° C/s und Maximaltempera-turen an der Probenoberflächeüber 1200° C erreicht werden.Mittels Innenkühlung der Probelassen sich gezielt Temperatur-gradienten über das Schichtsys-tem hinweg einstellen. Die Pro-be ist in eine servohydraulischePrüfmaschine eingespannt, mitder gleichzeitig zur thermischenBeanspruchung mechanischeLasten, beispielsweise durchFliehkräfte an einer Turbinen-schaufel, nachgebildet werdenkönnen. Diese können mehrereTausend Kilogramm pro Qua-dratzentimeter erreichen, da ei-ne Kraftwerksturbine mit 3000Umdrehungen rotiert. Für dieNachuntersuchung der bean-spruchten Proben werden zer-störungsfreie und zerstörendePrüfmethoden auf unterschied-lichen Größenskalen eingesetzt.So erlaubt es die Infrarot-Im-pulsthermographie, örtliche Ab-lösungen der Wärmedämm-schicht ab 0,5 mm Durchmesserzerstörungsfrei zu erkennenund zu vermessen. Hierzu wirdder Versuch unterbrochen, aufdie Probe mittels einer Blitzlam-pe ein kurzer Wärmeimpulsaufgebracht und der Abkühl-vorgang mittels einer Infrarot-Thermokamera beobachtet.Abgelöste Bereiche kühlenlangsamer ab und weisen dahereine höhere Temperatur auf.Bild 5 zeigt eine solche Wärme-

Bild 3: Mikrostruktur einesDoppellagensystems aus untenYSZ und oben Pyrochlor.

Bild 4: Strahlungsofen zur thermomechanischen Prüfungvon WDS-Systemen.

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bildaufnahme zusammen miteinem Querschliff durch diemarkierte Schichtablösung. EinVergleich beider Bilder zeigt,dass die Größe des abgelöstenBereichs von der Thermogra-phie äußerst genau erfasstwird. Wird diese Methode inregelmäßigen Zeitabständenwährend des Versuchs ange-wandt, kann die Ausbreitungvon Schichtablösungen bis zumVersagen durch örtliches Ab-platzen quantitativ bestimmtund für Simulationsrechnungenweiterverwendet werden. Fürweitere Untersuchungen dergeschädigten Bereiche und derFrühphasen der Schädigungkommt die Rasterelektronenmi-kroskopie zum Einsatz. Hierzuwerden aufgrund der Informa-tionen aus der Thermographiezielgenau Schliffe präpariertund mit hoher Vergrößerungbetrachtet. Da diese ersten

Schädigungen stark durch dieRauheit der Grenzfläche beein-flusst werden, liegt hier einwichtiger Ansatzpunkt für dieOptimierung von Wärme-dämmschichten.

Auf dieser Grundlage er-folgt die Lebensdauervorhersa-ge mittels zweier verschiedenerAnsätze: Im ersten wird die Riss-bildung aufgrund der Versuchs-daten über das Wachstum derOxidschicht unter der Wärme-dämmschicht abgeschätzt. Dieweitere Berechnung des Ris-swachstums erfolgt dann mit-tels einer bruchmechanischenMethode. Der zweite Ansatzgeht von einer Finite-Elemente-Berechnung des Spannungs-felds an einer als typisch ange-nommenen Rauheitsspitze derGrenzfläche zwischen Wärme-dämmschicht und Oxidations-schutzschicht aus. In dem soberechneten Spannungsfeld

Bild 6: Finite-Elemente-Simulation der Rissausbreitungin einem WDS-System.

Bild 5: Infrarot-Thermographieder Oberfläche und Schliffbildeines geschädigten Wärme-dämmschichtsystems.

wird die Rissausbreitung direktsimuliert. Sobald der Riss dierepräsentativ simulierte Zonekomplett durchläuft, wird dieweitere Ausbreitung mit einembruchmechanischen Modell be-rechnet. Bild 6 zeigt die we-sentlichen Schritte einer Riss-fortschrittsrechnung mittels derFinite-Elemente-Methode. Ne-ben der Lebensdauervorhersageexperimentell gut charakteri-sierter Schichten in Abhängig-keit von den Belastungspara-metern leisten solche Simulati-onsrechnungen wertvolle Dien-ste bei der Optimierung derMikrostruktur, zum Beispiel derGrenzflächenrauheit, da sie mitrelativ wenig Aufwand Parame-terstudien ermöglichen, auf de-ren Grundlage eine gezieltePlanung der aufwändigen Pro-ben- und Bauteilversuche erfol-gen kann.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.-Ing. TilmannBeck ist Professor für das FachHochtemperatur-Werkstoffme-chanik/Allgemeine Mechanikder RWTH Aachen und Abtei-lungsleiter Metallische Struktur-werkstoffe am Institut für Ener-gie- und Klimaforschung desForschungszentrums Jülich.Univ.-Prof. Dr. Robert Vaßen istProfessor für das Fach Kerami-sche Werkstoffe an der Ruhr-Universität Bochum und Abtei-lungsleiter Fortschrittliche Kraft-werke am Institut für Energie-und Klimaforschung des For-schungszentrums Jülich.

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Neue Prozesse ermöglichen Superpurity

und Charakterisierung von dy-namisch stark beanspruchtenBauteilen zum Einsatz. Da imZuge der Entwicklung von Gas-turbinen die Spezifikationen derWerkstoffe stetig anspruchsvol-ler werden, wird aktuell an in-novativen Methoden zur Her-stellung und zur Charakterisie-rung dieser metallischen Hoch-leistungswerkstoffe geforscht.

So finden am Lehrstuhl fürMetallurgische Prozesstechnikund Metallrecycling, kurz IME,Forschungsprojekte zur Syntheseund Raffination von Titan-, Eisen-und Nickel-Basis-Legierungenstatt. Während die industriellePraxis vorwiegend saubersteund damit teuerste Einsatzstof-fe zur Herstellung von Hochlei-stungswerkstoffen einsetzt, wer-den am IME auch die Grenzender Verwendung von Recyc-lingmaterial zur Kostensenkunguntersucht. Global betrachtetwürde der Einsatz von Schrotteinen Beitrag zur ressourcenef-fizienteren Nutzung von Roh-stoffen leisten und für Deutsch-land die Importabhängigkeit re-duzieren. Durch Verwendungvon kostengünstigem Aus-gangsmaterial können zudemneue Anwendungsfelder fürdiese Hochleistungswerkstoffe,zum Beispiel im Automobilbau,erschlossen werden, die bislangaufgrund zu hoher Materialko-sten nicht erreichbar sind.

Unabhängig davon, obKreislaufmaterial oder Reinst-stoffe eingesetzt werden, stelltdas Schmelzen und Homogeni-sieren im Vakuuminduktions-ofen den ersten Schritt der Le-gierungsherstellung dar. Prinzi-piell ähnelt dieser Prozess einerim Haushalt gebräuchlichen In-duktionskochplatte: Durch dasAnlegen eines elektrischenWechselfeldes an eine Indukti-onsspule werden im zu erwär-menden Metall Wirbelströmehervorgerufen. Während da-durch beim Herd der Topf auf-geheizt wird und die Wärme anden Inhalt abgibt, wird im In-duktionsofen das Metall in ei-nem keramischen Tiegel zumSchmelzen gebracht und jenach Legierung auf bis zu1800° C erhitzt. Dementspre-chend liegt eine typische Nenn-leistung industrieller Öfen mit

Höchste Reinheit für Funktionswerkstoffe

MModerne Gasturbinen gehörenzu den High-Tech-Anwendun-gen, die höchste Anforderun-gen an die verwendeten Werk-stoffe stellen. So werden inStrahltriebwerken von Flugzeu-gen Drehzahlen von 10000min-1 bei gleichzeitigen Awen-dungstemperaturen von bis zu2200°C erreicht: die verwende-ten Materialien werden sowohlhinsichtlich ihrer mechanischenHochtemperatureigenschaftenals auch bezüglich ihrer Oxida-tions- und Korrosionsbeständig-keit massiv beansprucht. DieAnforderungen an die einge-setzten Werkstoffe richten sichhierbei nach ihrem Einsatzort,so dass in den unterschiedli-chen Stufen des Triebwerksverschiedene Legierungsgrup-pen verwendet werden: Im Fanund im Verdichter, wo ver-gleichsweise moderate Tempe-raturen herrschen, werden vor-wiegend Titanlegierungen auf-grund ihrer geringen Dichte, ih-rer hohen spezifischen Festig-keit und ihrem hohen Ermü-dungswiderstand verbaut. Mitsteigenden Temperaturennimmt im hinteren Bereich desVerdichters der Anteil an warm-festen Sonderstählen zu, bevorin der Brennkammer und dereigentlichen Turbine fast aus-schließlich hochtemperaturbe-ständige Superlegierungen aufNickel-Basis zum Einsatz kom-men, siehe Bild 1.

Damit die für moderneStrahltriebwerke typischen Zy-klenzahlen von mehreren zehn-tausend Starts und Landungenreproduzierbar erreicht werden,muss neben der korrekten che-mischen Zusammensetzungund einer geeigneten kristalli-nen Struktur vor allem die Feh-lerfreiheit der Werkstoffe ga-rantiert sein. So kann beispiels-weise ein kritischer nichtmetalli-scher Einschluss zum Material-versagen einer Turbinenschau-fel führen, was unter Umstän-den den Ausfall des Triebwer-kes zur Folge hat. Um dies soweit als möglich auszuschlie-ßen, kommen in der industriel-len Praxis die qualitativ hoch-wertigsten Einsatzmaterialien,metallurgische Spezialverfahrenim Vakuum und modernstePrüfmethoden zur Herstellung

Wolfgang Bleck, Andreas Bührig-Polacek, Karl Bernhard Friedrich,

Johannes Morscheiser

an die bestehenden Werkstoffeoptimiert werden muss. Wieauch in der industriellen Praxisbesteht die Möglichkeit derKombination der einzelnen Ver-fahren zur so genannten Triple-Melt-Route, welche die Stan-dardprozedur für höchstbean-spruchte, rotierende Bauteile inLuft- und Raumfahrt darstellt.Während die typische Größen-ordnung industriell hergestellterBlöcke mehrere Tonnen betra-gen kann, lässt sich die gesam-te Route im Technikumsmaß-stab mit Blockgewichten von200 kg und Durchmessern von200 Millimetern darstellen.Auf diese Weise raffiniertes Ein-satzmaterial stellt ein idealesAusgangsmaterial für hochtechnologisierte Prozesse wiedas Bridgman-Verfahren dar,welches am Gießerei-Instituterforscht wird. Dieser Prozessdient zur gerichteten oder ein-kristallinen Erstarrung, die bei-spielsweise bei der Herstellungvon hochtemperatur- und kor-rosionsfesten Gasturbinen-schaufeln Anwendung findet.Hierzu wird das Metall in eineaufgeheizte Formschale abge-gossen, die anschließend lang-sam aus der Heizzone in die sogenannte Kühlzone angesenktwird. Hierbei führt der axialeWärmetransport zur parallelenAusrichtung der wachsendenKristalle, während bei der Ein-kristallzucht eine zusätzliche Se-lektion der Körner erfolgt, sodass das gesamte Bauteil nuraus einem Kristall besteht. Trotzdeutlich erhöhter Kosten ge-genüber der allseitig globuliti-schen Erstarrung ergeben sichdurch das Bridgman-Verfahrenaufgrund verbesserter Lebens-dauer und höheren Anwen-dungstemperaturen der derarthergestellten Bauteile wirt-schaftliche und technische Vor-teile. Hauptursache für die ver-besserten Eigenschaften ist dieAusrichtung der Kristalle inRichtung der größten Bean-spruchung beziehungsweisebeim Einkristall das Vorliegeneines einzigen Kristalls ohneKorngrenzen, was dem lebens-dauerbestimmenden Hochtem-peraturkriechen entgegenwirkt.Zurzeit finden in aktuellen For-schungsprojekten Untersuchun-

5 MW etwa 2000-fach überder eines handelsüblichenKochfeldes. Da ungewünschteReaktionen mit Bestandteilender Atmosphäre zur Bildungvon Nitriden oder Oxidenführen könnten, findet der ge-samte Prozess in einem ge-schlossenen Kessel unter Vaku-um oder Inertgas statt.

Da das Vakuuminduktions-schmelzen nur über begrenzteRaffinationsmöglichkeiten ver-fügt, finden High-Tech-Raffina-tionsschritte statt. Um das Me-tall in hierfür geeignete Aus-gangsformate zu bringen, wirddie Schmelze zu zylinder- oderquaderförmigen Blöcken ver-gossen.

Die gebräuchlichsten Reini-gungsverfahren für derartigeFunktionswerkstoffe sind dasElektroschlackeumschmelzenund das Vakuumlichtbogenum-schmelzen. Während der Wär-meeintrag beim Elektroschlacke-umschmelz-Prozess über Wi-derstandserhitzung erfolgt, be-wirkt im Vakuumlichtbogenum-schmelzen ein Lichtbogen dasAufschmelzen des umzuschmel-zenden Metalls. Beide Prozessearbeiten in Kupfertiegeln, die sointensiv wassergekühlt sind,dass selbst sehr reaktive oderhochschmelzende Metalle wieNiob oder Tantal problemlosdarin umgeschmolzen werdenkönnen, obwohl ihr Schmelz-punkt 1500 bis 2000°C überdem des Kupfers liegt. Da Kup-fer über eine ausgezeichneteWärmeleitfähigkeit verfügt,wird die Wärme abgeführt be-vor der Tiegel von der Schmel-ze angegriffen werden kann. Soentstehen auf wenigen Millime-tern Temperaturdifferenzen vonmehreren Tausend Grad Celsi-us. In beiden Umschmelzver-fahren werden durch physikali-sche und chemische Mechanis-men schädliche Einschlüsse imGrößenspektrum zwischen Na-no- und Millimetern entfernt.

Diese Mechanismen befin-den sich zurzeit am IME im Fo-kus der Forschung, da die ma-ximale Raffinationswirkung derUmschmelzprozesse gerade imHinblick auf den steigendenAnteil stark verunreinigter Ein-satzstoffe aber auch aufgrundimmer höherer Anforderungen

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Bild 3: Schematische Gegenüberstellung der Verfahrensprinzipien von VAR-(rechts) und ESU-Prozess (links).

Bild 2: Links: Am Gießerei-Institut gerichtet erstarrteTurbinenschaufel mit innen-liegenden Kühlkanälen auseiner Ni-Basis-Legierung;rechts: Nachweis des parallelerstarrten Gefüges durch Ätzen der Oberfläche.

Bild 1: Darstellung der Einsatzbereiche verschie-dener Legierungsgruppen im Triebwerk Trent 800, mit freundlicher Genehmi-gung von Rolls-Royce.

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gen statt, inwiefern sich dieAnwesenheit von nichtmetalli-schen Einschlüssen auf die ge-richtete Erstarrung von Nickel-Basislegierungen bemerkbarmacht. So werden verschiedeneLegierungen mit gestuftenReinheitsgraden in Formschalenvergossen und anschließend ih-re Erstarrungsverhalten und ih-re Erstarrungsmorphologien un-tersucht, so dass gezielt derEinfluss nichtmetallischer Ein-schlüsse dargestellt werdenkann.

Der Einfluss nichtmetalli-scher Einschlüsse ist ebenfallsGegenstand aktueller For-schung am Institut für Eisen-hüttenkunde, wo das grund-sätzliche Wirkprinzip eines ein-zelnen Einschlusses in einer me-tallischen Matrix untersuchtwird. Hierzu werden unter Zu-hilfenahme der zerstörungsfrei-en Ultraschalltauchtechnikprü-fung und der 3D-Röntgento-mographie Kleinstproben miteinzelnen Einschlüssen angefer-

tigt und anschließend mittelsZugversuchen auf ihre stati-schen mechanischen Eigen-schaften geprüft. Die hierausgewonnenen Erkenntnisse die-nen als Grundlage für eine nu-merische Simulation mithilfeder so genannten Finite-Ele-mente-Methode, mittels dererExperimente zukünftig direktnachgebildet beziehungsweiseam Computer ersetzt werdenkönnen. So kann durch denVergleich von fehlerfreien Pro-ben und Proben mit geome-trisch definierten Einschlüssendie Wirkungsweise von Ein-schlüssen experimentell undnumerisch genauer untersuchtwerden.

Bei weiterer Verfeinerungdes Modells können die aus dernumerischen Simulation ge-wonnenen Ergebnisse einerseitsZielvorgaben für die prozess-technischen Institute liefern, in-dem für bestimmte Anwendun-gen kritische Einschlussgrößenund -formen identifiziert wer-

den, die bei der Herstellung derentsprechenden Bauteile ver-mieden werden müssen. Um-gekehrt kann dann für einenbekannten Einschlussgehaltmithilfe der Simulation eineVorhersage über das Verhaltendes Werkstoffes bei mechani-scher Belastung getroffen wer-den, wodurch Material für be-stimmte Anwendungen gezieltfreigegeben oder gesperrt wer-den kann. Auf diese Weisekönnten zum Beispiel optimaleEinsatzmöglichkeiten für Titan-oder Superlegierungen ausRecyclingmaterial bestimmtwerden, die möglicherweisenicht dem Standard der Luft-fahrtindustrie entsprechen, aberdennoch über hervorragendeWerkstoffeigenschaften verfü-gen. Somit könnte aus jedemMaterial der optimale wirt-schaftliche Nutzen gezogenwerden, getreu der Devise: sogünstig wie möglich, so reinwie nötig.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.-Ing. WolfgangBleck ist Inhaber des Lehrstuhlsfür Eisenhüttenkunde und leitetdas Institut für Eisenhüttenkunde.Univ.-Prof. Dr.-Ing. AndreasBührig-Polacek hat den Lehr-stuhl für Gießereiwesen inne undist Leiter des Gießerei-Instituts.Univ.-Prof. Dr.-Ing. Karl Bern-hard Friedrich ist Inhaber desLehrstuhls für MetallurgischeProzesstechnik und Metallrecyc-ling sowie Leiter des Instituts fürMetallhüttenkunde und Elektro-metallurgie.Dipl.-Ing. Johannes Morscheiserist Wissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für Metallhüttenkun-de und Elektrometallurgie.

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Bild 4: Entnahme einer keramischen Fertigungs-formschale aus dem Sinterofen.Foto: Peter Winandy

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Herstellung und Bearbeitung aus hochwarmfesten SSteigende Preise für Treibstoffe

machen sich nicht nur regel-mäßig an der Zapfsäule be-merkbar, sondern auch durchKerosinzuschläge bei Flugreisenund nicht zuletzt die vielfältigeBerichterstattung in den Medi-en. Bei Flugzeugtriebwerkenleitet sich hieraus die Forderungnach steigender Effizienz unddamit einem sinkenden Treib-stoffverbrauch ab. Ein erfolgrei-cher Weg zur Effizienzsteige-rung von Triebwerken, ist derEinsatz neuer, leichter Hoch-temperaturwerkstoffe wie inter-metallische „Gamma-Titanal-uminide“, kurz TiAl. Der Wir-kungsgrad einer Flugzeugturbi-ne hängt, genau wie bei einemaus dem Automobil bekanntenVerbrennungsmotor, im We-sentlichen von der Verbren-nungstemperatur ab. Turbinen-schaufeln aus TiAl, die bei hö-heren Prozesstemperaturen denauf sie wirkenden Belastungenstandhalten und gleichzeitig biszu 50 Prozent leichter sind alsdie derzeit noch dominierendenNickelbasislegierungen undSonderstähle, stellen eine her-vorragende Alternative dar. Diesichere und wirtschaftliche Her-stellung und Bearbeitbarkeitsolcher Werkstoffe ist Voraus-setzung für deren Anwendungin Flugzeugtriebwerken unddamit zur Effizienzsteigerungund Ressourcenschonung in derLuftfahrttechnik.

Um der Anforderung nachleichteren und effizienteren An-trieben nachzukommen, stehendie Hersteller von Triebwerkenfür Passagierflugzeuge weltweitunter starkem Druck, neue undleichtere Einzelkomponenten inden Flugturbinen einzusetzen,siehe Bild 1. Ihr Hauptaugen-merk liegt dabei auf den Nie-derdruckschaufeln einer Flug-turbine. Diese gehören zu dengrößten Schaufeln, die in einerTurbine zum Einsatz kommen,siehe Bild 2. Durch das geringe-re Gewicht einer TiAl-Turbinen-schaufel ließe sich das Gesamt-gewicht einer Flugturbine aufdirektem Wege verkleinern.Des Weiteren würde eine deut-liche Reduzierung der rotieren-den Masse in der Turbine um-gesetzt werden können. Einegeringere dynamische Belas-

tung wäre die Folge. Dies kannbei der konstruktiven Ausle-gung der Turbine berücksichtigtwerden, was noch einmal eineVerringerung des Gesamtge-wichts zur Folge hätte. Ob-wohl die Werkstoffgruppe derGamma-Titanaluminide auf-grund ihrer Eigenschaften alshervorragend geeignet er-scheint, findet sie bislang nurwenig Einsatz in Flugzeugtrieb-werken. Zu den Hauptgründenhierfür zählen die außerordent-lichen Herausforderungen fürdie Fertigungstechnik, die aufden sehr hohen Anforderungenin Bezug auf die Sicherheit undHaltbarkeit der Triebwerke ba-sieren. Der Einsatz von TiAl

kann nur durch sichere und un-ter industriellen Produktionsbe-dingungen reproduzierbare Fer-tigungsprozesse ermöglichtwerden. Eine unverzichtbareVoraussetzung für die Anwend-barkeit eines Fertigungsverfah-rens ist, dass damit schadens-freie Komponenten herstellbarsind.

Die Prozessentwicklung zurHerstellung von Komponentenaus dem Hochleistungswerk-stoff Titanaluminid ist ein For-schungsschwerpunkt bei Access- einem der RWTH Aachen an-gegliederten, privatrechtlich or-ganisierten Forschungsinstitut.Zur Formgebung von Bauteilenaus Titanaluminiden können

prinzipiell Schmiede-, Gieß-oder pulvermetallurgische Ver-fahren angewandt werden. ZurVerarbeitung von Titanalumi-niden beziehungsweise zurHerstellung von Komponentenfür Flugzeugtriebwerke wird beiAccess hauptsächlich das Fein-gussverfahren verwendet. Die-ses gehört zu der Gruppe derPräzisionsgießverfahren und istauch unter der BezeichnungModellausschmelzverfahren be-kannt. Dabei wird zu Beginnein Positivmodell des herzustel-lenden Bauteils aus einem spe-ziellen Modellwachs hergestellt.Um das Wachsmodell herumerfolgt dann der Aufbau einerkeramischen Formschale, die

Fliegen leicht

Julio Aguilar, Martin Arft, Claudius Grünberg, Robert Guntlin,

Oliver Kättlitz, Fritz Klocke, Dieter Lung

Bild 1a: Schnittbild einer BR 715 Flugzeugturbine der Firma Rolls-Royce D. Quelle: Rolls-Royce

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von Bauteilen für FlugzeugtriebwerkeTitanaluminid-Legierungen

zum anschließenden Aus-schmelzen des Wachses dient.Um die Stabilität der Formscha-le zu erhöhen, wird sie bei ho-hen Temperaturen gebrannt. Indie hohle Form wird dann dasflüssige Metall gegossen.Dieses Verfahren bietet einegroße geometrische Gestal-tungsfreiheit bei der Auslegungund Konstruktion eines Guss-teils. Es ist daher bestens geeig-net komplexe Gussteile wiezum Beispiel eine Niederdruck-turbinenschaufel herzustellen.Auch lässt das Feingussverfah-ren eine endabmessungsnaheFertigung von Bauteilen zu,was nachfolgende Bearbei-tungsschritte minimiert und ei-

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gemacht

ne kostengünstige Herstellungermöglicht. Das Feingussver-fahren lässt eine nahezu freieAuswahl des Gießmetalls zu.Je nach verwendetem kerami-schem Formstoff kann einethermische Stabilität von über1500°C erreicht werden.Durch die Auswahl des Form-stoffs lassen sich ebenfalls un-erwünschte Reaktionen zwi-schen dem Gießmetall unddem Formstoff unterdrücken.Dieses ist elementare Voraus-setzung, um die hochschmel-zenden Titanaluminid-Legie-rungen verarbeiten zu können,welche aufgrund ihres Ti-tananteils eine hohe Reakti-vität gegenüber den sie umge-

benden Medien, wie beispiels-weise Formstoff, besitzen. Ti-tanaluminide können in einemwassergekühlten Kupfertiegel(Kaltwandtiegelverfahren) oderin einem Tiegel aus hochwerti-gen Keramiken ausschließlichunter Vakuum geschmolzenwerden, siehe Bild 3. Bei demso genannten Kaltwandtiegel-verfahren in einem wasser-gekühlten Kupfertiegel erstarrtein Teil der geschmolzenen Ti-Al-Legierung an der Wand desKupfertiegels und bildet einenTiegel aus arteigenem Material.Diese feste Randschicht, diewährend des gesamten Auf-schmelzvorgangs erhaltenbleibt, verhindert einen Kontakt

mit der Wand des Kupfertie-gels. Eine Reaktion wird aufdiese Art unterbunden. Auf-wändige Anlagentechnik undhohe Betriebskosten sind einNachteil dieser Schmelztechnik.Ein im Vergleich zur Kaltwand-induktionstechnik deutlich we-niger komplexes und dadurchpreiswerteres Verfahren ist dasSchmelzen in speziellen Kera-miktiegeln. Der verwendete ke-ramische Formstoff unterdrücktReaktionen der TiAl-Schmelze.Bei diesem Verfahren wird dieTiAl-Legierung induktiv er-schmolzen.

Mit finanzieller Unterstüt-zung des Landes NRW und derIndustrie wurde im Access

Bild 1b: Schematische Darstellung eines zwei-welligen Turboantrieb-werks. Deutlich sind die verschiedenen Bereiche einer Turbine zu erkennen.Niederdruck turbinen-schaufeln, für die eine industrielle Herstellung aus TiAl-Legierungen angestrebt wird, gehören zu den größten in einer Turbine eingesetzten Schaufeln. Sie befinden sich im hinteren Bereich der Niederdruckturbine,welcher in die Düse übergeht. Quelle: Rolls-Royce

Bild 2: Niederdruckturbinen-schaufeln aus Titanaluminidund aus einem Nickelbasis -werkstoff. TiAl-Werkstoffeweisen gegenüber Nickel-basiswerkstoffen eine bis zu50 Prozent geringere Dichteauf. So lässt sich das Gewichtder gesamten Flugturbine reduzieren. Diese Maßnah-men sind die Basis für ange-strebte Einsparungsziele wiedie Verringerung des Treib-stoffverbrauchs sowie die Reduzierung von Abgas- und Geräuschemissionen. Quelle: Access e.V.

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TechCenter der Aufbau einersystemfähigen Plattform für dieSchmelz- und Gießtechnik me-tallischer Hochleistungswerk-stoffe ermöglicht. Mit moderns-ter Anlagentechnik werden dortProzesse zur Herstellung vonKomponenten aus TiAl-Werk-stoffen untersucht. Ein beson-derer Fokus liegt in der Über-führung der Prozesstechnik inden Industriemaßstab, um eineSerienfertigung von Bauteilenaus dem Werkstoff Titanalumi-nid zu ermöglichen. Der Gieß-prozess stellt jedoch nur einenSchritt in der Fertigungskettedar. Im Anschluss an diesenmüssen die Bauteile weiter be-arbeitet werden. Die Entwick-lung von hierfür geeignetenFräsbearbeitungsstrategienstellt einen Forschungsschwer-punkt am Werkzeugmaschinen-labor (WZL) dar. Die hohe Fes-tigkeit und Sprödigkeit von TiAlauch bei hohen Temperaturenprädestinieren den Einsatz die-ses Werkstoffes in Flugzeug-triebwerken. Gleichzeitig er-schweren sie aber auch die spa-nende Bearbeitung.

Bei der spanenden Bearbei-tung wird durch die Bewegungdes Werkzeuges der Werkstoffelastisch und plastisch verformt.Durch die plastische Verfor-mung bildet sich ein Span aus,der über die Spanfläche desWerkzeuges abgleitet. Bei un-zureichender plastischer Ver-formbarkeit des Werkstoffes,bilden sich Reißspäne. Bei derEntstehung dieser sehr kurzen,bröckeligen Späne wird Werk-stoff aus der erzeugten Ober-fläche gerissen. Aufgrund des-sen finden sich dort Mikrorisse,welche sich unter Belastung

ausbreiten und zum Reißen derSchaufel führen können. Fest-zuhalten bleibt, dass jedes spa-nende Bearbeitungsverfahreneine Werkstückoberfläche er-zeugen muss, welche die an siegestellten Anforderungen er-füllt.

Die Sprödigkeit von inter-metallischem TiAl, welche dieSpanbildung und damit dieHerstellung sicherheitsgerechterOberflächen behindert, fällterst bei hohen Temperaturennennenswert ab. Bei Tempera-turen unter 700 - 750°C ver-hält sich der Werkstoff so sprö-de, dass das Zerspanen mitkonventionellen Bearbeitungs-strategien nur unzureichendeOberflächen herstellt. Die An-wendung hoher Schnittge-schwindigkeiten bei der spa-nenden Bearbeitung bewirkenTemperaturen, die zu duktilemWerkstoffverhalten bei derSpanbildung führen. Durch die-se hohen Temperaturen werdendie eingesetzten Zerspanwerk-zeuge thermisch extrem bean-sprucht. Gleichzeitig bewirkendiese Temperaturen jedochauch eine Erhöhung der Dukti-lität des TiAl und begünstigenso die spanende Bearbeitung.

Unter dem dargestelltenZusammenhang zwischen derthermischen Werkzeugbelas-tung und der werkstoffbeding-ten Verbesserung der Bearbeit-barkeit, kann die Temperaturselbst als Werkzeug betrachtetwerden. Hieraus leitet sich derForschungsbedarf nach einemzielgerichteten Einsatz der Tem-

peratur zur Erweichung desWerkstoffes ab. Allerdings be-wirkt dieses auch ein schnelle-res Verschleißen der eingesetz-ten Werkzeuge. Es müssen alsozusätzlich Strategien entwickeltwerden, um das Werkzeugauch bei diesen erhöhten Tem-peraturen einsetzen zu können.Der zielgerichtete Einsatz derTemperatur wurde durch spezi-ell konzipierte Werkzeuge er-reicht. Diese bewirken auf-grund Ihrer Schneidengeome-trie eine verstärkte Verformungin der Spanentstehungsstelle.Durch die infolge der Verfor-mung entstehende Wärmesteigt die Duktilität des Werk-stoffes und eine verbesserteSpanbildung wird ermöglicht.Unter Anwendung dieser Tech-nologie werden rissfreie Ober-flächen sogar in Schleifqualitäterzeugt. Allerdings schränkendie hohen Temperaturen auchdie Standzeit der Werkzeugestark ein. Zur Steigerung derStandzeit wird das Werkzeuggezielt gekühlt. Ein Aerosol ausWasser und Luft wird nur aufdas Werkzeug gesprüht. Dabeierfolgt die Ausrichtung desSprühstrahls, dass er vorrangigdas Werkzeug und nicht dasWerkstück im Bereich der Span-entstehungsstelle kühlt. DieWeiterentwicklung dieser Bear-beitungstechnologie ist Gegen-stand der Forschungstätigkeitam WZL.

Durch die kooperative For-schungs- und Entwicklungs-tätigkeit von Access und demWZL wird die Technologie zur

Fertigung einer Turbinenschau-fel aus diesem Werkstoff weitervorangetrieben. Die notwendi-gerweise neu aufzusetzendeFertigungslinie mit ihren für„Gamma Titanaluminiden“speziellen Anforderungen kannnur gelingen, wenn die verblei-benden Herausforderungen andie Herstellung und Bearbei-tung dieses interessantenWerkstoffes gemeistert werdenkönnen.

Autoren: Dipl.-Ing. Martin Arft ist Wissenschaftlicher Mitarbeiteram WZL.Dr.-Ing. Julio Aguilar, Dipl.-Ing.Oliver Kättlitz und Dipl.-Ing.Claudius Grüneberg sind Wissenschaftliche Mitarbeiterbei Access e.V.Robert Guntlin ist Geschäfts-führer von Access e.V.Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dr.-Ing.E.h. Dr. h.c. Fritz Klocke hatden Lehrstuhl für Technologieder Fertigungsverfahren inneund ist Direktor des Werkzeug-maschinenlabors (WZL).Dipl.-Ing. Dieter Lung ist Oberingenieur am WZL.

Bild 3: Titanaluminid-Schmelzein einem Kaltwandinduktions-tiegel. Die Vakuum-Schmelz-technologie und die Verwen-dung von speziellem Form-stoffmaterial ist aufgrund derhohen Reaktivität der Schmelzevon großer Wichtigkeit.Quelle: ALD Vacuum Technologies GmbH

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chenauf- und -umbau und dasEinsprossen neuer Gefäße zurVersorgung der betroffenenAreale ist im Vergleich zu auto-logem Knochen geringer unddie mechanische Belastbarkeitvermindert. Außerdem werdenbei Verwendung von homolo-gem Material aus Knochenban-ken Infektio nen mit HIV undHepatitisviren beschrieben. Trotzaller Vorsichtsmaßnahmen kön-nen Infek tionen mit Creutzfeld-Jakob-Prionen nicht mit Si cher-heit ausgeschlossen werden.

Synthetische CalciumphosphateEin Durchbruch war im Bereichder Knochendefektversorgungzu ver zeichnen, als Ende der1990er Jahre phasenreine syn-thetische Calciumphosphate inGra nulat- und Pastenform ammedizintech nischen Markt ver-fügbar wurden. Ein wichtiger Ver-treter ist der Hydroxylapatit, wel-cher die Calciumphosphat-Varian-te darstellt, aus der 95 Prozentder Mineralphase menschlichenKnochengewebes bestehen. Be-sonders interes sant ist aber auchdas Tricalci umphosphat, da diesesynthetische Variante vom Kör -per bio logisch abgebaut wer-den kann, siehe Bild 1.

Die Eigenschaft der biologi-schen Abbaubarkeit dieser mi-neralischen Knochenersatzmate-ria lien kommt einer neuen Stra -tegie entgegen. Denn seit eini-gen Jahren findet ein Paradig -menwechsel im Bereich der Im-plantatforschung statt . Weltweitarbeiten Wissenschaftler seit herverstärkt daran, Biomate rialienfür die Implan tologie zu ent-wickeln, die das Prinzip der sogenannten regenerativen Thera-pie unter stützen. Dies be deutet,dass Defektstrukturen im Körper,hier Knochende fekte, nicht mehrdauerhaft durch synthetische Im-plantate ersetzt werden. Viel -mehr soll das im plan tierte Mate -rial den Selbstheilungsprozessdes Körpers sti mulieren, so dassder Defekt vollständig regene -riert werden kann. Dabei ist eszielführend, wenn das Knochen-ersatzma terial so beschaffen ist,dass es mit fort schreitender De-fektrege neration sukzessive vomKörper abgebaut werden kannund durch neu gebildetes kör-perei genes Knochengewebe er-setzt wird.

Müssen größeren Defekteversorgt werden, reicht die Bio-aktivität der synthetischen Cal-cium phosphate für einen kom-pletten Umbauprozess in der

Regel jedoch nicht aus. Der Re-model lingprozess kommt beigrößeren Knochenersatzvolumi-na nach anfänglicher Aktivitätin der Defektzone mittelfristigmeist zum Erliegen. Klinischstellt sich dieses Phänomen dar,indem zur Defektfüllung einge-brachte synthetische Calcium-phosphat-Granulate teilweisenach Jah ren noch im Röntgen-bild isoliert ausgemacht werdenkönnen.

Funktionalisierung von KnochenersatzwerkstoffenDamit der defektfüllende Er-satzwerkstoff komplett abge-baut und durch Eigenmaterialsub stituiert werden kann, wirdin der Arbeitsgruppe Zahnärztli-chen Werkstoffkunde und Bio -materialforschung daran gear-beitet, die Knochenersatzwerk-stoffe durch intelligente Zu satz -

EErkrankungen des Bewegungs-apparates sind weltweit diehäufigste Ursache für chroni -sche Schmerzen, körperlicheFunktionseinschränkungen undden Verlust an Lebensqua lität.In Deutschland werden nachAngaben der Gesundheitsbe-richtserstattung des Bundeszurzeit jährlich ungefähr 25Milliarden Euro zur Behandlungvon musku loskelettalen Erkran-kungen aufgewendet. Dabeinimmt die Versorgung vonKnochendefekten aufgrund derdemogra phischen Ent wicklunggerade in Deutschland einenimmer größeren Raum ein. Sowurden 2008 über 75.000Knochentransplantationen und-transpositionen durchgeführt.Knochen defekte können ent-weder angeboren sein, entste-hen durch traumatische Ereig-nisse, wie beispielsweise Unfallund Kriegsverletzungen, oderresultieren aufgrund der Entfer-nung tumorbefallener oderstark ent zündeter Hartgewebe-areale. Der Goldstandard beiKnochendefekten ist die Ver-sorgung mit autolo gem, alsokörpereigenem Gewebe. Dieseswird insbesondere dem Becken-knochen entnom men und inden Defekt eingesetzt. Autolo-ger Knochen heilt in der Regelgut ein. Das ge schädigte Ge-webe kann durch Knochenum-bauvorgänge dann meist kom-plett regeneriert werden. We -gen seiner quantitativen Limi-tierung ist der autologe Kno-chenersatz bei größe ren De -fekten jedoch nur begrenzt ein-setzbar. Zusätzlich stellt bei Kin-dern, bei Polytraumati sier tenund bei Patienten in schlechtemAllgemeinzustand die Entnah-me größerer Mengen ankörper eigener Kno chenmassewegen der damit verbundenenAusweitung des Operati ons-und Gewebs trau mas einen oft-mals nicht zu vertretendenZweiteingriff dar. Alternativ zurVerwendung autologen Kno-chens kann zur Überbrückungknöcher ner Defekte so genann-ter homologer Knochen, alsoHartgewebe aus Knochenban-ken verwendet werden. Ob-wohl er quanti tativ unbegrenztzur Verfügung steht, ist seinEinsatz umstritten. Der Kno-

Wenn Knochenersatz benötigt wird

Horst Fischer

Bild 1: Mesenchymale Stamm-zelle auf einem Knochenersatz-werkstoff aus synthetisch her-gestellter Calciumphos phat-Keramik.Quelle: Zahnärztliche Werkstoffkunde und Biomate rialforschung ZWBF, Universi tätsklinikum Aachen.

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Interdisziplinäre Forschungsstrate gien aus dem Bereich der Biomaterialforschung

Bild 2: Skaliertes Schädelseg-ment als Knochenersatz-An-schauungsobjekt, hergestelltmit tels pulver bett-basierter 3D-Drucktechnik.Quelle: Zahnärztliche Werk-stoffkunde und Biomaterial-forschung ZWBF, Uni -versitätsklinikum Aachen

Bild 3: Biomimetisch, also demnatürlichen Vorbild des spongiö-sen Knochens nachempfunde-ner, mi krostrukturierter minera-lischer Knochenersatzwerkstoff.Quelle: Zahnärztliche Werkstoff-kunde und Biomate rialforschungZWBF, Universitätsklinikum Aachen

stoffe zu funktionalisieren. ZumBeispiel werden in einem grösse-ren Verbundprojekt in Koope -ration mit Forschungspartnerndie Cal ciumphosphatoberflä-chen mit spezifischen Proteinenbeladen, um so den Knochenauf -bau zur Regeneration des De-fektes zusätzlich zu stimulie ren.Bei größeren Defekten ist es zu -dem von entscheidender Bedeu-tung, dass ein Einspros sen neuerGefäße in den Defekt be reichstattfindet, damit neugebildeteKnochensubstanz nachhaltigversorgt werden kann. Auch ei-nige der spezifischen Weichge-webefaktoren, die der Körperbei der Neubildung von Ge-fäßen ausschüttet, können heu-te isoliert und in aufbe reiteterForm zum Einsatz für intelli -gente Knochenersatzwerkstoffe

genutzt werden. Dies zeigt,dass es zielführend ist, wenn alsKnochenersatz „intelligent“ ge-staltete organisch-anor ganischeVerbundwerkstoffe eingesetztwerden. Nur im Zusammenspielvon degradierbarer anorgani-scher Matrix auf der einen Seiteund organischen Zellinhaltsstof-fen auf der anderen, welche dieKnochenneubildung im Defekt-bereich und die Blutgefäßein-sprossung sti mulieren, kannKnochenersatz im Sinne der regenerativen Therapie erfolg-reich sein.

Intelligente 3D-FertigungsverfahrenKleinere Defekte können heutesomit durch solche organisch-anorganische Verbundmateria -lien erfolgreich versorgt wer-den. Bei größeren Defekten istes jedoch nicht unproblema-tisch, die in Granulatform oderpastös dargereichten Knochen-ersatzmaterialien zu verwen-den, da eine bleibende Form-gebung mit Granulaten undPasten nicht zu erreichen undzudem die daraus resultierendePrimärstabilität der gefülltenDefektzone sehr gering ist. Ausdiesem Grund arbeiten ver -schiedene Forschergruppen

weltweit an so genannten ge-nerativen Ferti gungsverfahren.Mit Hilfe dieser Verfahren kön-nen dreidimensionale Struktu-ren Schicht für Schicht aufge-baut werden.

Bei dem so genannten pul-verbettbasierten 3D-Druckver-fahren wird ein geeigneter Bin-der mittels Tintenstrahltechno-logie in ein Calciumphosphat-Pulverbett gedruckt. Auf diegebun dene Pulverlage wird dienächste Pulverschicht appliziertund mittels verdruckten Bindersgebun den. Schicht für Schichtkann so ein dreidimensionalesGerüst, ein so genannter Scaf-fold, hergestellt werden. Diedreidimensionale Form einessolchen Scaffolds wird dabeianhand der Daten generiert,die zuvor mittels klini scherComputertomografie-Technikvom zu versorgenden Kno-chende fekt ermittelt wordensind, siehe Bild 2.

Biomimetisch aufgebaute MikrostrukturenMenschlicher Knochen besitzteine komplexe Mikrostruktur.Dies zeigt sich bereits im trabe -kulären, also balkenartigenAufbau der so genanntenSpongiosa, des schwammarti-

gen Inneren eines großenRöhrenknochens wie beispiels-weise des Oberschenkelkno-chens. Um bei innovativenKnochenersatzimplantatennicht nur eine individuelleAußenkontur durch generativeFertigungsverfahren umzuset-zen, sondern zusätzlich auch ei-ne spongiosa-ähnliche Mikro -struktur zu realisieren, werdenwerkstofftech nische Verfahreneingesetzt. So ist es möglich,bei mine ralischen Knochener-satzwerkstoffen Mikrostrukturendurch spezielle Oberflä chenbe -handlungen zu erzeugen. Durcheinen sol chen biomimetischenAnsatz, also durch die Nachah-mung der Natur, können Mor-phologien auf der Mikroskala er-zeugt werden, die dem natürli-chen Vorbild des spongiösenKnochens bereits sehr nahekommen, siehe Bild 3.

Page 46: RWTH-Themen Werkstoffe

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Interdisziplinäre ForschungsverbündeAufgrund der Interdisziplinaritätder Biomaterialforschung arbei-ten bei heutigen For schungs-pro jek ten, in denen innovativeKnochenersatzwerkstoffe ent-wickelt werden, Ex per ten ausver schiedenen Fachbereichenzusammen. Dies betrifft nebenden Biowerkstoff wis sen schaf tenund der Medizin vor allem dieNaturwissenschaften. Im Hin-blick auf die ange spro chenenmodernen Fer tigungsverfahren,die bei der Herstellung der kom-plex aufgebau ten 3D-Struktu -ren mitunter ver wendet undweiterentwickelt werden, fließenauch Fachkennt nisse der Inge-nieur wissen schaften Ma schi-nen bau und Elektrotech nik indie Forschungs- und Ent wick-lungsvor haben ein. Das Teamdes Lehr- und Forschungsge-bietes Zahnärztliche Werkstoff-kunde und Bio materialfor-schung (ZWBF) arbeitet in die-sem Sinne mit Fachkollegen ausden angespro chenen Diszipli-nen in verschiedenen Verbund-vorhaben intensiv daran, dassin einigen Jah ren auch Patien-ten mit größeren Hartgewebe-defekten mit Hilfe von maß -geschneiderten or ganisch-anor-ganischen Ersatzmaterialien imSinne der regenerativen The -rapie zuverlässig versorgt wer-den können.

Autor:Univ.-Prof. Dr.-Ing. Horst Fischer ist Leiter des Lehr- und Forschungs-gebietes Zahnärztliche Werkstoffkunde und Biomaterialforschung.

Bild 4: In den Labors des Lehr- und ForschungsgebietesZahnärztliche Werkstoffkundeund Biomaterialforschung(ZWBF) werden mithilfe derpulverbasierten 3D-Drucktech-nik patientenindividuell konturierte Knochenersatz-implantate entwickelt.Foto: Peter Winandy

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Zutritt nur für befugte

Substanzen

Zutritt nur für befugte

SubstanzenUUnter Dialyse kann sich jederetwas vorstellen: In einem lang-wierigen Trennprozess wirdüber eine semipermeable, also„halbdurchlässige“ Membrandas Blut von Stoffwechselab-fall- und Giftstoffen gereinigt,während größere Substanzenund Blutzellen zurückgehaltenwerden. Im Trennprozess derUmkehrosmose wird ebenfallsüber eine semipermeable Mem-bran und unter Anwendungvon Druck Meerwasser entsalztund zu Trinkwasser aufbereitet.Membranen spielen für techni-sche Anwendungen und in derMedizin also eine große Rolle.Generell wäre Leben in seinerheutigen Form ohne Membra-nen als Trennschicht nicht mög-lich, denn jede Zelle unseresKörpers ist von Membranenumgeben und in verschiedeneBereiche unterteilt. Biomembra-nen sind keine passiven Trenn-schichten, sondern steuern ak-tiv den selektiven Transport vonMolekülen und Informationenvon einer Seite zur anderen.

Interaktive MaterialienSelektivität, kontrollierte Akti-on, Reaktion und Interaktionmit der Umgebung sind typischfür Lebewesen. Weltweit versu-chen Forscher, diese Fähigkei-ten nachzuahmen und Materia-lien mit aktiven Eigenschaftenauszustatten. Solche Materialienwerden häufig mit den Attribu-ten „bioinspiriert“, „biomime-tisch“ oder „biohybrid“ um-schrieben. Gemeint sind etwadie Fähigkeit zur Selbst orga-nisation und die in der Strukturder Bausteine programmierteStrukturbildung, Selektivität,Schaltbarkeit von Struktur undEigenschaften, adaptive Eigen-schaften, Erkennung, Gedächt-niseigenschaften, die Fähigkeitzur Strukturheilung sowie Repa-ratur. In einer weiteren Entwick-lungsstufe sollen die neuen Ma-terialsysteme durch integrierteEnergiewandelsysteme auto-nom reagieren, sich selbst be-wegen und vervielfältigen kön-nen.

Das DWI an der RWTH Aa-chen e.V. greift diese Kern-punkte moderner Materialfor-schung auf und hat sich dieEntwicklung interaktiver Mate-

rialien zum Ziel gesetzt. Letzt-lich sollen durch die Kombinati-on von synthetischen Materiali-en und biologischen Kompo-nenten aktive Eigenschaftenund Funktionalitäten generiertwerden, die über die Möglich-keiten bisheriger Materialsyste-me und rein biologi scher Syste-me hinausgehen.

Dazu fließen am DWI Kom-petenzen aus der Makromole-kularen Chemie – insbesonderemit den Schwerpunkten Nano-strukturbildung und Funktion inMakromolekularen Systemen –und der Biotechnologie zusam-men. Durch Protein Enginee-ring werden maßgeschneiderteund schaltbare Biobausteinehergestellt, für den jeweiligenEinsatz angepasst und zu bio-hybriden Systemen weiterent-wickelt. Ein drittes Kompetenz-feld bildet die Chemische Ver-fahrenstechnik. Die gemeinsa-me Entwicklungsarbeit richtetsich unter anderem auf hoch-präzise Membranstrukturen,

Trennprozesse und den selekti-ven Transport von Substanzen,zum Beispiel für biomedizini-sche Anwendungen, Wasser -behandlung oder Energiepro-duktion.

Membranen und Kapseln durch Selbstorganisation von PolymerenZur Bildung komplexer Materi-alsysteme für Anwendungen inTrennprozessen, Filtration, Ver-kapselung und Freisetzung vonWirkstoffen sind bestimmteVoraussetzungen notwendig.Man muss einzelne Komparti-mente bilden und stabilisierenkönnen, um Substanzen ge-schützt oder vorübergehend zudeponieren. Die Bedingungenin diesen Kompartimenten soll-ten gezielt einstellbar und mög-lichst auf einen äußeren Reizhin auch veränderbar sein.Schließlich ist es erforderlich,dass sich zwischen Komparti-ment und Umgebung, bezie-hungsweise zwischen den bei-

den Seiten einer Membran,Substanzen je nach Anwen-dung selektiv und/oder schalt-bar austauschen lassen. DieChemiker des DWI nutzen dieSoft Matter Nanotechnologie,um solche funktionalen Struk-turen zu erzeugen. Soft MatterNanotechnologie ist eine For-schungsrichtung, die durch mo-lekulare Selbstorganisation„weicher Materie“, wie zumBeispiel Polymere oder Poly-mer/Protein-Konjugate, funk-

Brigitte Küppers

Bild 1: Schaltbare Kapsel mit einerHülle aus Mikrogel-Partikelnmit einem Durchmesser von150 nm. Verschiedenste Subs-tanzen können sowohl im Innern der Kapsel als auch inden Mikrogelpartikeln einge-schlossen und auf einen äuße-ren Reiz hin freigesetzt werden.Der Kapseldurchmesser beträgtetwa 2 µm. Quelle: DWI

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Membranstrukturen für den hochselektiven Transport von Molekülen

49

Membranstrukturen für den hochselektiven Transport von Molekülentionale Strukturen im Nanome-termaßstab generiert. In eineminterdisziplinären Verbund ver-folgen Wissenschaftler derRWTH mehrere Ansätze, umdie Selbstorganisation von Po-lymeren für Anwendungen inMembran-, Trenn- und Freiset-zungssystemen zu nutzen.

Prominente Vertreter derkünstlichen weichen Materiesind Block-Copolymere, derenSelbstorganisation in dünnenFilmen zur Strukturierung vonOberflächen und Grenzflächengenutzt wird. Block-Copolyme-re bestehen aus zwei verschie-denen Monomersorten, A undB, die jeweils en bloc, zum Bei-spiel AAA-BBB, angeordnetsind. Kombiniert man Block-Copolymeren mit flüssigkristalli-nen Einheiten, ordnen sich diePolymere an einer Luft-Subs-trat-Grenzfläche spontan undabsolut regelmäßig an. DieFlüssigkristall-Einheiten lassensich selektiv herauslösen und

zurück bleiben Poren mit ein-heitlicher Größe und Vertei-lung. Anschließend wird derporöse dünne Film stabilisiertund zum Beispiel in eine Silizi-um- oder Titandioxid-Membranumgewandelt. Diese Schichtkann wiederum als Maske ver-wendet werden, um Poren indie oberste Schicht einer ande-ren Membran zu ätzen, dieselbst nicht direkt mit der ge-wünschten Porenstruktur her-gestellt werden kann.

Durch die Kombination vonPolymeren mit Proteinen kön-nen ebenfalls Membranen undKapseln mit definierter Poren-struktur erzeugt werden. Dazuwerden an die Oberfläche desEisenspeicherproteins FerritinPolymerketten gebunden, diedurch UV-Bestrahlung zu einerMatrix vernetzt werden. Auchhier bewirkt die Struktur derPolymerketten eine spontaneSelbstorganisation und regel-mäßige Anordnung der Poly-

mer/Protein-Konjugate zumBeispiel auf einem Silikonträgeroder an der Phasengrenze vonTröpfchen in einer Emulsion. Imnächsten Schritt werden dieProteine denaturiert und ausge-waschen. Nach diesem Prinzipkönnen sowohl Membranen alsauch Kapseln mit definiertenPoren hergestellt werden.

Durch chemische Modifizie-rung der Polymerseitenketten

in den Poren und an der Ober-fläche der Membranen oderKapseln eröffnen sich vielseitigeMöglichkeiten: Die Stabilitätund Reaktivität in verschiede-nen Umgebungsmedien undder Porendurchmesser könneneingestellt werden. ReaktiveGruppen im Poreninneren er-möglichen schaltbare Freiset-zungssysteme. Aufeinander fol-gende Modifizierungen setzennacheinander verschiedengroße Gastsubstanzen aus denKapseln frei oder transportierensie durch die Membran.

Die Selbstanordnung vonPolymer/Protein-Konjugaten,Partikeln oder Polymeren ander Oberfläche von Tröpfchenin einer Emulsion ist ein gene-relles Prinzip, um eine enormeVielfalt von porösen und dich-ten Kapseln oder solchen mitschaltbarem Freisetzungsverhal-ten herzustellen. So können ag-gressive Substanzen wie Was-serstoffperoxid sicher in dichtenSilikakapseln verpackt, Medika-mente kontinuierlich über einenlängeren Zeitraum aus porösenoder auf einen äußeren Reizhin spezifisch aus schaltbarenKapseln freigesetzt werden.

Auch Mikrogele können sozu Kapseln angeordnet, als Be-standteile von Membranenoder in Lösung als Freiset-zungs-, Trenn- und Filtersyste-me genutzt werden. Mikro-und Nanogele sind hydrophilevernetzte Polymerpartikel mitDurchmessern im Mikro- bezie-hungsweise Nanometermaß-stab. Sie sind biokompatibel,haben einen hohen Wasserge-halt und einstellbare chemischeund mechanische Eigenschaf-ten. Sie eröffnen verschiedeneAnwendungsmöglichkeiten auf-grund der einstellbaren innerenPorengröße, der großen inne-ren Oberfläche und der vielfäl-tigen Möglichkeiten zur chemi-schen Modifizierung. Ein Bei-spiel ist die Quervernetzungvon Nanogelen durch Disulfid-brücken. Durch Zugabe vonReduktionsmitteln oder auchbeispielsweise durch das reduk-tive Milieu in Tumorgewebenwerden die Disulfidbrücken ge-spalten und die in den Nano-gelpartikeln enthaltenen Wirk-stoffe freigesetzt, siehe Bild 1.

Bild 2:Das TransmembrankanalproteinFhuA wird durch Protein En-gineering für selektive Trans-portaufgaben modifiziert. Ausdem fassförmigen Protein (linksWildtyp, WT) wird eine 160Aminosäuren umfassende innereKorkdomäne enfernt. Durch dieFhuA-Variante (rechts) kann nunzum Beispiel einsträngige DNApassiv diffundieren. Quelle: Lehrstuhl für Biotechnologie

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entfernen, so dass ein passiverDiffusionskanal entsteht. An-schließend werden FhuA-Vari-anten hergestellt, in denen derStofftransport geschaltet wer-den kann. Einmal werden Ver-bindungen eingebaut, die eineDisulfidbrücke enthalten. DieZugabe eines Reduktionsmittelsspaltet die Disulfidbrücke underweiterte so den Kanal. Nebendiesem „Reduktionsschalter“werden ein Lichtschalter undaktuell ein pH-Schalter ent-wickelt. Weiterhin werden mit-tels massivem Proteinenginee-ring Kanalvarianten hergestellt,die nur noch eine -OH, -NH,und -SH Gruppe enthalten, diegezielt für chemische Modifika-tionen genutzt werden können.Damit steht ein Membrantrans-portsystem zur Verfügung, des-sen Durchlässigkeit einstellbarund durch verschiedene äußereReize schaltbar ist, siehe Bild 2.

Mit FhuA ließen sich eben-falls erste Erfolge in RichtungSystemintegration erzielen.Haupthindernis für eine effizi-ente Integration des Kanalpro-teins in Polymermembranenwar bisher der Größenunter-schied zwischen Polymermem-bran und Kanal protein und die

Dimensionen interagierenderhydrophober Bereiche. DurchVerlängerung entsprechenderDomänen des FhuA die hydro-phoben Bereiche angepasst unddas verlängerte Kanalproteinerstmals in kostengünstige Po-lymervesikel effizient eingebaut.Das Proteinverlängerungskon-zept zeigt exemplarisch, wie füreine Biohybrid-Systemintegrati-on eine Proteinkomponente aneine Polymerkomponente an-gepasst werden kann.

ProzesstechnologieGemeinsam mit dem Lehrstuhlfür Chemische Verfahrenstech-nik werden die verfahrens -technischen Kompetenzen fürhochselektive und aktive Sepa-rationsprozesse erarbeitet. EinSchwerpunkt sind Membranenund Freiset zungssysteme fürdie Medizintechnik, wie zumBeispiel Membranen für dasTissue Engineering. Dabei wer-den Gerüste vorgegeben, in de-nen Zellen für neue Gewebeoder Gewebeteile heranwach-sen, sich möglichst zu natürli-chen Strukturen zusammen-schließen und differenzieren.Ein großes Problem beim Züch-ten künstlicher, insbesondere

größerer Gewebe ist die Nähr-stoffversorgung der Zellen imInneren des Gerüsts. Membra-nen aus biokompatiblen undbioabbaubaren Polymeren kön-nen das Zellwachstum und denGewebeaufbau unterstützen.Dabei kommen unterschiedlichmikrostrukturierte Membranenund Gerüstgeometrien zumEinsatz, die die Nährstoffe indas Gerüstinnere transportie-ren. Die erfolgreiche Neubil-dung von Geweben in einemumgebenden Reaktor ist einfein abgestimmtes Zusammen-spiel von entsprechend struktu-rierter Membran, Inkubations-parametern und optimalerNährstoffversorgung. Hier wirddeutlich, dass für eine erfolgrei-che Anwendung von Mem-bran-, Trenn- und Freisetzungs-systemen auch die Prozesstech-nik einen entscheidenden Bei-trag liefert.

Gemeinsam und durchfächerübergreifende Zusam-menarbeit können Chemiker,Biologen und Verfahrenstechni-ker am DWI interaktive Syste-me für den selektiven Transportvon Molekülen und Wirkstoffenentwickeln. Vielleicht wird dieDialyse in einigen Jahren auf

50

Protein Engineering und Biohybride SystemeDer Lehrstuhl für Biotechnolo-gie und das DWI entwickelngemeinsam biohybride Systemefür den selektiven Stofftrans-port. Hier werden Proteine pro-duziert und mit rationalem De-sign sowie gelenkten Evoluti-onsmethoden für Anwendun-gen in der chemischen und me-dizinischen Industrie optimiert.Ein gelenktes Evolutionsexperi-ment umfasst iterative Schritte,in denen Mutantenbibliothekengeneriert und nach verbesser-ten Proteinvarianten durchmu-stert werden, ohne dass einstrukturelles Verständnis der zuverbessernden Proteineigen-schaft vorausgesetzt wird.

Das Transmembrankanal-protein FhuA zeigt eindrucks-voll, wie durch Protein Enginee-ring neue und schaltbare Funk-tionen in Proteine eingebrachtund zu bio-interaktiven Syste-men weiterentwickelt werdenkönnen. FhuA ist ein Eisen-transportprotein aus der äuße-ren Membran des Darmbakteri-ums Escherichia coli. MittelsProtein Engineering lässt sichaus dem zylinderförmigen Pro-tein eine innere Korkdomäne

Page 51: RWTH-Themen Werkstoffe

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Bild 3:Untersuchung der Oberflächen-beschaffenheit von Membra-nen und dünnen Filmen amRasterkraftmikroskop.Foto: Peter Winandy

diese Weise schneller und fürden Patienten schonender, oderneue Verfahren ermöglichenweltweit eine effiziente und kos-tensparende Trinkwassererzeu-gung und Wasseraufbereitung.

Autorin:Dr.rer.nat Brigitte Küppers istbeim DWI an der RWTH e.V.zuständig für die Öffentlich-keitsarbeit.

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Page 52: RWTH-Themen Werkstoffe

Stefan Baumann, Christoph Broeckmann, Anke Kaletsch, Ewald Pfaff, Michael Schroeder

liertem Rauchgas verbrannt. Soentsteht als Abgas nahezu rei-nes Kohlendioxid mit Wasser.Nach Kondensation des Was-sers kann das Kohlendioxid un-ter hohen Drücken verdichtetund verflüssigt werden, so dasses nicht mehr in die Atmosphä-re gelangt. Größter Nachteildieses Verfahrens ist die Verrin-gerung des Wirkungsgrades derKraftwerke um rund zehn Pro-zentpunkte. Dabei treten diehöchsten Verluste bei der Be-reitstellung von hochreinemSauerstoff für die Verbrennungauf, denn das geschieht in bis-her gebauten Forschungs- undDemonstrationsanlagen überdas energieaufwändige Verfah-ren der Luftzerlegung bei nied-rigen Temperaturen.

Genau an diesem Punktsetzen die Forschungen desOXYCOAL-AC Projektes an,bei dem neben RWTH-Institu-ten namhafte Industriepartneraus dem Bereich der Energie-technik beteiligt sind. Ziel istdie Entwicklung eines emissi-onsfreien Kraftwerksprozesses,der sich von dem konventionel-

len Oxyfuel-Prozess dadurchunterscheidet, dass der Sauer-stoff nicht über energieaufwän-dige Luftzerlegungsverfahrenbereitgestellt wird, sonderndurch Abtrennung in einer ke-ramischen Hochtemperatur-membran. Hochtemperaturm-embranen haben gegenüberkonventionellen Membranenden entscheidenden Vorteil,dass sie vollständige Selektivitätfür Sauerstoff besitzen undtrotzdem hohe Abtrennratenerzeugt werden. Die Keramik,die dabei zum Einsatz kommt,besitzt eine dem Mineral Pero-wskit sehr ähnliche Strukturund hat die SummenformelABO3. Hierbei steht A für Erd-alkalimetalle oder Seltenerdme-talle und B für Übergangsme-talle wie Kobalt oder Eisen. Diegrößeren A-Kationen bilden zu-sammen mit den O-Anioneneine kubisch dichteste Kugel-packung, wobei die wesentlichkleineren B-Kationen die okta-edrischen Lücken besetzen.Tatsächlich haben Untersu-chungen gezeigt, dass die Sum-menformel nicht exakt einge-

halten wird; vielmehr haben dieMaterialien ein Sauerstoffdefi-zit. Dieses Defizit äußert sich inForm unbesetzter Sauerstoffgit-terplätze in der Kristallstruktur,den so genannten Leerstellen.Bei höheren Temperaturen, alsoab etwa 700 °C, können sichdie Sauerstoffionen über dieseLeerstellen durch das Membr-anmaterial bewegen. Die Ab-trennung von Sauerstoff durcheine solche Membran erfordertaber eine gerichtete Bewegungder Ionen. Dies wird durch An-legen einer Differenz des Sau-erstoffpartialdrucks pO2 beider-seits der Membran ermöglicht,die damit die treibende Kraftfür den Sauerstofftransportdurch das Membranmaterialdarstellt, siehe Bild 1.

Die Zahl der Sauerstoffleer-stellen im Membranmaterialhängt allerdings nicht nur vomSauerstoffpartialdruck ab, son-

52

CO2-freie Kohlekraftwerke WWissenschaft und Innovation

im Bereich der Energietechniksind heute wichtiger als je zu-vor. Eine bedeutende Entwick-lung zum Schutze des Klimaskommt aktuell aus dem Bereichder Werkstofftechnik: Kerami-sche Membranen sollen Kohle-kraftwerke emissionsfrei ma-chen.

Die Erderwärmung gehörtzu den Themen, welche hierzu-lande und weltweit hitzige undkontroverse Diskussionen aus-lösen. So blieb der UN-Klima-gipfel in Kopenhagen im De-zember 2009 ohne Ergebnisund auch die internationale Kli-makonferenz im Juni 2010 gingohne einen gemeinsamen Be-schluss zu Ende. Dabei sind sichalle einig: Der Ausstoß vonTreibhausgasen muss zugunstendes Klimaschutzes verringertwerden. Insbesondere die Eu-ropäische Union und Deutsch-land verfolgen ehrgeizige Ziele.Sie wollen bis zum Jahr 2020 dieTreibhausgasemissionen um 40Prozent gegenüber 1990 sen-ken. Deutschland hat es sichzum Ziel gesetzt, 2050 kaumnoch Kohlendioxid zu emittieren.Allerdings werden solche Maß-nahmen auf nationaler Ebenedas Weltklima nur in geringemMaße beeinflussen. Denn inSchwellenländern wie Chinaund Indien sind aufgrund desrapide steigenden Energiebe-darfs und der hohen eigenenKohlevorkommen viele neueKohlekraftwerke geplant. Diesewerden in den kommendenJahrzehnten für eine beträchtli-che Emission des Treibhausga-ses Kohlendioxid sorgen. Schonheute haben Indien und Chinaeinen Anteil von ungefähr 45Prozent am gesamten Welt-kohleverbrauch.

Neben einem Klimaabkom-men von internationaler Gültig-keit bedarf es neuartiger Tech-nologien, die in der Lage sind,die CO2-Emissionen zu begren-zen. Die größten Hoffnungenruhen dabei momentan auf derCCS-Technologie (Carbon Cap-ture and Storage). Sie ermög-licht es, das entstehende CO2abzuscheiden und einzulagern.Dabei wird Kohle im so ge-nannten Oxyfuel-Verfahren mitreinem Sauerstoff und rezirku-

Bild 1: Schematische Darstellung des Sauerstoff-ionenflusses durch eine keramische Membran.

Page 53: RWTH-Themen Werkstoffe

dern auch von der chemischenZusammensetzung des Materi-als selbst. Sie kann durch einegeeignete Materialwahl erheb-lich gesteigert werden und da-mit auch der Sauerstoffdurch-satz durch die Membran.

Der Suche nach verbesser-ten Materialien widmet sich einweiteres Projekt mit dem Na-men MEM-OXYCOAL, in demneben der RWTH und demForschungszentrum Jülich wei-tere Partner grundlagenorien-tiert forschen.

Der Sauerstoffdurchsatzwird im Allgemeinen in Formeines Permeationsflusses jO2angegeben, der die in einerMaterialkonstante zusammen-gefassten Materialeigenschaf-ten enthält, aber auch nochvon weiteren Parametern ab-hängig ist. Es lassen sich dreiwichtige Prozessparameter festhalten:

Sauerstoffpartialdruck-differenzTemperaturMembrandicke

Die Differenz des Sauerstoff-partialdrucks lässt sich in derPraxis auf unterschiedliche Wei-se einstellen; eine einfacheDruckdifferenz ist ausreichend.Dazu wird beispielsweise an ei-ner Seite der Membran einÜberdruck von 20 bar Luft an-gelegt und auf der anderen Sei-te ein geringer Unterdruck voncirca 400 mbar. In einem Kraft-werksprozess kann man stattdes Unterdrucks auch das sau-erstoffarme, rezirkulierteRauchgas nutzen.

Den zweiten Einflussfaktorbildet die Temperatur. Diesesollte so hoch wie nötig und sogering wie möglich gehaltenwerden. Hier gilt es, einen wirt-schaftlich sinnvollen Kompro-miss zu finden. Denn mit stei-gender Temperatur steigt zwarder Sauerstofffluss, es wird aberauch mehr Energie benötigt.Zudem ist zu erwarten, dasssich mit steigender Betriebs-

temperatur die Lebensdauerder Membranen verkürzt. Diederzeitigen Einsatztemperatu-ren liegen bei 850 °C.

Als dritter Einflussfaktor istdie Membrandicke entschei-dend. Je dünner die Membran,desto höher ist der Sauerstoff-durchsatz. Sehr dünne kerami-sche Membranen müssen dabeimechanisch gestützt werden,um nicht zu zerbrechen. Des-halb ist neben der Auswahl desoptimalen Werkstoffs auch dieEntwicklung von geeignetenStrukturen notwendig. Diesekönnen aus einem porösen Trä-ger mit einer dünnen und gleich-zeitig dichten Membranschichtbestehen. In Bild 2 ist ein Quer-schnitt einer solchen Membrandargestellt.

Die eigentliche Membran-schicht ist dabei nur 420 µmdick. Der Träger muss einerseitsmöglichst durchlässig sein, damitder Sauerstoff problemlos abge-führt werden kann. Andererseitsdarf er nicht zu porös sein, umeine ausreichende mechanischeStabilität zu gewährleisten. Hiergilt es ein Optimum zu finden.

Die Membranen können jenach Modulkonzept rohrförmigoder als Platten ausgeführt sein.Zur Herstellung solcher Mem-branen werden keramische Pul-ver in Form gebracht und beihohen Temperaturen, hier 1000bis 1200 °C, gebrannt. Bei die-sem so genannten Sinterpro-zess verdichten die Pulverparti-kel zu einem nahezu porenfrei-en Bauteil. Für die Herstellungporöser Bauteile werden in derRegel organische Porenbildnergenutzt; das können beispiels-weise Mais-, Reis- oder Kartof-felstärke sein. Diese brennenwährend des Sinterns aus undhinterlassen entsprechend Po-ren. Als Formgebungsverfahrenkommen für Rohre meist dasStrangpressen oder das kalti-sostatische Pressen zum Ein-satz. Beim Strangpressen wirddas keramische Pulver zu einerknetbaren Masse verarbeitetund wie beim Spritzgebäckdurch eine Form gepresst.

Als die vielversprechendereMethode für die Herstellungvon Membranrohren hat sichdas kaltisostatische Pressen er-wiesen. Sie birgt die größtenAussichten auf eine großserien-taugliche Fertigung. Dabei wirddas keramische Pulver zunächstgranuliert. Das bedeutet, ihmwerden verschiedene Binderwie beispielsweise Presshilfsmit-tel oder Plastifizierungsmittelbeigemengt. Das kugelförmigeGranulat besteht aus vielenkleinen Partikeln des kerami-schen Pulvers, das sich, fein ge-mahlen wie Mehl, nur schlechtverpressen lässt. Dieses Granu-lat wird in Pressformen gefüllt,die aus einem Stahlkern und ei-ner Kunststoffummantelungbestehen. Diese Formen wer-den anschließend in einer Flüs-sigkeit mit Drücken bis zu2000 bar beaufschlagt, so dassdas eingefüllte Granulat durchdie flexible Kunststoffumman-telung gegen den starren Stahl-kern gepresst und somit zu ei-nem Bauteil mit noch geringerFestigkeit verdichtet wird. Die-ses Bauteil erhält seine endgül-tige Festigkeit durch den kera-mischen Brand. Mittels einergeeigneten Brennführung las-sen sich gezielt die funktionalen

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Was können keramische Membranen leisten?

Bild 2: Schnitt durch eine dünne Membranschicht (20 µm)auf einem porösen Träger.

Page 54: RWTH-Themen Werkstoffe

Bild 4: Schematische Darstellung der Modul-Pilotanlage.

Bild 3: Nach dem isostatischenPressen werden die keramischenMembranrohre aus den Press-formen entnommen. Danachmüssen die Membranen dieweitere Prozesskette (Grünbear-beitung, keramischer Brand,

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Fügen an metallische Hülsenund Berstdruckprüfung) durch-laufen, bis sie schließlich in die Modul-Pilotanlage einge-baut werden können.Foto: Peter Winandy

Page 55: RWTH-Themen Werkstoffe

benötigt, die in Modulen zusam-mengeschaltet werden. Eine ein-fache und damit kostengünstigeProduktion ist daher Grundvor-aussetzung.

Mithilfe des kaltisostatischenPressens hat das Institut fürWerkstoffanwendungen im Ma-schinenbau bereits eine Produk-tion keramischer Membranen alseinseitig verschlossene Rohre imMaßstab einer Kleinserie reali-siert. Dabei werden 600 Rohrezur Bestückung eines Membran-modul-Prototyps, siehe Bild 4,benötigt, welcher von RWTH-Wissenschaftlern entwickelt undim Sommer 2011 in Betrieb ge-nommen wird.

Diese Pilotanlage kann bis zu300.000 Liter reinen Sauerstoffpro Tag zu produzieren.Da diese Technologie noch ganzam Anfang steht, birgt sie sehrviel Entwicklungspotenzial. Zumjetzigen Zeitpunkt können nochkeine Aussagen zum Langzeit-verhalten solcher keramischerMembranen getroffen werden.Diese sollen in der aktuellen Pro-jektphase des OXYCOAL-ACProjekts durch Untersuchungenim Betrieb der Pilotanlage gefun-den werden. Dann sind auch er-ste Aussagen zur Lebensdauersolcher Anlagen möglich.

Die CCS-Technologie wirdim Bereich der Kraftwerkstechnikals Brückentechnologie bezeich-

net. Denn auch wenn das anfal-lende Kohlendioxid nicht in dieAtmosphäre gelangt, so muss esdennoch gespeichert und gela-gert werden. Auch hier bietet dieNatur nur beschränkte Kapazitä-ten. Bis es eines Tages möglichsein wird, den gesamten Ener-giebedarf der Welt aus regenera-tiven Energiequellen zu decken,bietet CCS allerdings eine sinn-volle Alternative zur Atomkraft.

Auch wenn die Technologieder keramischen Hochtempera-turmembranen bisher noch nichtam Markt eingeführt worden ist,besitzt sie dennoch ein sehrgroßes Potenzial für eine ganzeReihe verschiedener technischerAnwendungen. Dabei ist Ihr Ein-satz nicht nur an die CCS-Tech-nologie geknüpft. Prinzipiell sindkeramische Trennmembranenüberall dort interessant, wo rei-ner Sauerstoff benötigt wird,zum Beispiel in der Verfahrens-technik, der Stahlindustrie undder Glasherstellung. Im Vergleichzu konventionellen Verfahren zurSauerstoffherstellung, wie bei-spielsweise dem Linde-Verfah-ren, erscheint der Membranein-satz besonders dann interessant,wenn die Sauerstoffabtrennungin einen schon bestehendenHochtemperaturprozess inte-griert wird. Denn dort kann diezum Betrieb der Hochtempera-turmembran benötigte Wärme-

energie wirtschaftlich bereitge-stellt werden. Hier ist neben derCCS-Technologie insbesonderedie großtechnische Produktionvon Synthesegas durch katalyti-sche Oxidation von Methan zunennen. Synthesegas, eine Mi-schung aus Kohlenmonoxid undWasserstoff, wird in großemMaßstab für die Herstellung ver-schiedener Grundchemikalienverwendet.

Autoren:Dr.-Ing. Stefan Baumann istWissenschaftlicher Mitarbeiteram Institut für Energieforschungim Forschungszentrum Jülich.Univ.-Prof. Dr.-Ing. ChristophBroeckmann ist Inhaber desLehrstuhls für Werkstoffan-wendungen im Maschinenbau.Dipl.-Ing. Anke Kaletsch ist Wissenschaftliche Mitarbeiterinam Lehrstuhl für Werkstoffan-wendungen im Maschinenbau.Dr.-Ing. Ewald M. Pfaff ist Akademischer Direktor am Lehrstuhl für Werkstoffanwen-dungen im Maschinenbau.Dr.rer.nat. Michael Schroeder ist Privatdozent am Institut fürPhysikalische Chemie.

und mechanischen Eigenschaf-ten einstellen. Die Sinterung istbestimmend für die Ausbildungdes Mikrogefüges und dieses hatseinerseits einen hohen Einflussauf die Festigkeit, die Langzeit-stabilität und die Sauerstoffleit-fähigkeit.

Für Membranen in der Formvon Platten bietet sich das Foli-engießen an. Die Pulver werdenhier zu einem so genanntenSchlicker verarbeitet, der einesahneähnliche Konsistenz auf-weist. Dieser Schlicker wird aufeine Kunststofffolie gegossen.Nach dem Trocknen bleibt eineflexible Folie zurück, bestehendaus den Keramikpartikeln und ei-nem sehr hohen Anteil an Zu-satzstoffen, die diese Partikel zu-sammenhalten. Diese Folie kannmehr oder weniger endlos ge-gossen und nach Bedarf zurecht-geschnitten werden. Durch denSinterprozess brennen die Zu-satzstoffe aus und die Keramik-partikel verdichten sich zu einerstabilen dünnen Platte.

Die vorgestellten Verfahrenwerden für andere Anwendun-gen in der keramischen Industriebereits im großen Maßstab ge-nutzt. Deshalb sind sie für dieMembranen in Kraftwerksan-wendungen besonders geeignet.Denn durch die Größe der Kraft-werke werden zukünftig Millio-nen Stück einzelner Membranen

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Page 56: RWTH-Themen Werkstoffe

Reinhard Conradt

Fügekonzept für die SOFC zuentwickeln.

Allgemein sind Brennstoff-zellen Aggregate, welche dieEnergie einer Verbrennungsre-aktion auf elektrochemischemWege direkt in elektrische Ener-gie umwandeln. Wie bei derklassischen Verbrennung rea-giert dabei ein gasförmigerBrennstoff, etwa Wasserstoffoder Methan, mit Sauerstoff zueinem Abgas, also Wasser undgegebenenfalls Kohlenstoffdio-xid ab. Die Verbrennungsreakti-on läuft in einer Brennstoffzelleallerdings räumlich getrennt alskathodische, also Elektronenannehmende, und anodische,also Elektronen liefernde, Teilre-aktion ab, siehe Bild 1. Kathodeund Anode sind durch einen Io-nenleiter elektrochemisch ver-bunden. Bei Stromlosigkeit, dasheißt im Gleichgewicht, liegt anden Endphasen der Zelle eineSpannung an, die für typischeVerbrennungsreaktionen etwaein Volt beträgt. Zum Erreichentechnisch nutzbarer Spannun-gen schaltet man mehrere Zel-len als so genannte Stapel oderStacks hintereinander. Bei Leis-tungsabgabe fließt ein Strom I,im Bild in technischer Stromrich-tung dargestellt, über einen Ver-braucher; die Zellenspannungsinkt dabei geringfügig ab.

Die SOFC bietet dabei denVorteil einer besonders hohenLeistungsdichte. Alle ihre Kom-

ponenten sind für einen Betriebbei typischerweise 700 bis 900 °Causgelegt. Bei diesen Tempera-turen erreicht der Feststoffelek-trolyt eine hinreichend hoheelektrische Leitfähigkeit. ImForschungs zentrum Jülich wirddas Konzept verfolgt, die SOFCaus planaren Einzelzellen aufzu-bauen. Bleche aus Chrom-Nickel-Stahl dienen als Gehäuseund als Träger für die elektro-chemisch aktiven Komponen-ten. Das Konzept funktioniertnur dann, wenn es gelingt, alleKomponenten gasdicht und zu-gleich elektrisch isolierend mit-einander zu verbinden. Die Funk-tion der Fuge muss zudem beimDurchlaufen vieler Aufheiz- undAbkühlzyklen während einer Be-triebszeit von 40.000 Stundengewährleistet sein. Eigentlichhat die Fuge mit der prinzipiel-len Wirkungsweise einer SOFCgar nichts zu tun. Sie stelltscheinbar nur einen Seiten-aspekt der Entwicklung dar.Tatsächlich aber steht und fälltder Erfolg der SOFC mit derEntwicklung eines geeignetenFügekonzeptes.

Zur Lösung des Problemsbieten sich Lote auf der Basisanorganischer Gläser an. Dabeiwird ein Glas geeigneter chemi-scher Zusammensetzung pulver-förmig als Paste oder Schlicker,seltener monolithisch als Folieoder Einzeltropfen, auf die Fü-gepartner aufgetragen. Beim

Aufheizen beginnt das Glas zufließen und sintert zu einer mo-nolithischen Fuge zusammen.Die Fügetemperatur liegt dabeistets etwas über der späterenAnwendungstemperatur. Jenach Glaszusammensetzungsetzt parallel zum Fließen undSintern Kristallisation ein – eingewünschter Effekt, der dazuführt, dass das Material sich ei-nem thermodynamischenGleichgewicht annähert. Die Ei-genschaften einer derart herge-stellten glaskeramischen Fugebleiben so über lange Anwen-dungszeiten hinweg konstant.

Die Herausforderung beider Entwicklung geeigneterStoffsysteme besteht nun darin,neben der Funktion der herme-tischen Abdichtung einen Kata-log weiterer Anforderungen zuerfüllen. Beim Fügeprozessselbst kommt es auf eine guteBenetzung der zu fügendenKomponenten und eine guteFließfähigkeit an. Beides mussinnerhalb eines engen Tempe-ratur- und Zeitfensters realisiertsein. Die Fuge muss zudemdie Komponenten der SOFCelektrisch voneinander isolieren,stabil in (brennstoffseitig) redu-zierender und (luftseitig) oxi-dierender heißer Atmosphäresein, sich unter diesen Bedin-gungen chemisch mit demStahl vertragen, in ihrem ther-mischen Ausdehnungsverhaltenso gut an den Stahl angepasst56

UUnter dem Begriff des „Fü-gens” versteht man nach DIN8593 das dauerhafte Verbindenvon mindestens zwei Bauteilen.Sie können aus gleichen, aberauch sehr unterschiedlichenMaterialen bestehen. Wenn dieVerbindung hermetisch dichtsein soll, dann bietet sich eineso genannte stoffschlüssigeVerbindung an. Sie wird durchdie Eigenschaften eines vermit-telnden Fügewerkstoffes zu-sammengehalten. Das Verfah-ren begegnet einem im Alltagmeist beim Kleben. In derWerkstofftechnik geht es oftdarum, hermetisch dichte Ver-bindungen herzustellen, die fürden Einsatz bei höheren Tem-peraturen geeignet sind. Orga-nische Klebstoffe kommendann nicht mehr in Frage. Eintypisches Beispiel ist die Verbin-dung von metallischen undfunktionskeramischen Kompo-nenten einer Sauerstoffsonde,wie beispielsweise der „Lamb-da-Sonde”, mit der in unserenPKW das Verhältnis von Kraft-stoff und Sauerstoff optimaleingestellt wird. Das für diesenArtikel ausgewählte Beispiel istdie Hochtemperatur brenn-stoffzelle SOFC (Solid OxideFuel Cell). Das Institut für Ge-steinshüttenkunde arbeitet aufdiesem Gebiet eng mit demForschungszentrum Jülich zu-sammen, um ein einfach an-wendbares, praxistaugliches

Fügen mit Glas

Bild 1: Prinzipskizze zur Funktionsweise einer Brenn-stoffzelle; I = Strom (technische Stromrichtung).

Bild 2: Zusammenhang zwischenthermischem Ausdehnungskoeffizi-enten und Erweichungstemperaturverschiedener Glaslote.

Page 57: RWTH-Themen Werkstoffe

Entwicklung von Werkstoffsystemen für glaskeramische Lote

sein, dass die Festigkeit undDichtigkeit des Verbundes beimAbkühlen und Aufheizen erhal-ten bleibt.

Greifen wir die zuletzt ge-nannte Anforderung heraus:Der thermische Ausdehnungs -koeffizient eines Werkstoffeswird in der Einheit „millionstelTeil (ppm) der Ausgangslängeje Grad Temperaturänderung”angegeben; dabei ist es in derWissenschaft üblich, 1 GradTemperaturänderung nicht als 1 °C, sondern als 1 K (Kelvin)zu schreiben. Der Effekt derthermischen Ausdehnung istnur scheinbar vernachlässigbarklein. Tatsächlich ist der Wertdes eingesetzten Stahls mit 12-14 ppm/K recht hoch; er dehntsich beim Aufheizen vonRaum- auf Betriebstemperaturum etwa ein Prozent seiner Ur-sprungslänge aus. Ein Blick aufBild 2 lehrt, dass es gar nicht soeinfach ist, geeignete Basisglä-ser mit passenden Eigenschaf-ten zu finden. Man arbeitet ge-wissermaßen gegen einennatürlichen Trend an: Gläser,die im für den Fügeprozess an-gestrebten Temperaturbereichgut fließen, haben im Allgemei-nen niedrige Ausdehnungsko-effizienten. Unter den kommer-ziell verfügbaren Glasloten istkaum ein geeignetes Materialzu finden. Es gilt also, neueLotsysteme zu entwickeln, trotzdes erheblichen finanziellen

und zeitlichen Aufwandes, derdamit verbunden ist. Optimalsind Lösungen, die es erlauben,ein einmal gewähltes Lotsystemin gewissen Grenzen ohnegroßen Aufwand an sich än-dernde Anforderungen anzu-passen. Dazu zählt etwa eineVerschiebung der Betriebstem-peratur der SOFC oder der Ein-satz einer besser geeignetenStahlsorte.

Die folgende Vorgehens-weise hat sich als erfolgreicherAnsatz bewährt: Zuerst wird einBasisglas ausgewählt, das einegute chemische Verträglichkeitmit den Komponenten derSOFC ausweist und gute Be-netzungs- und Fließeigenschaf-ten besitzt. Die Anpassung desthermischen Ausdehnungskoeffi-zienten wird getrennt davondurch Zugabe eines geeignetenkristallinen Zuschlages realisiert.Dieser Zuschlag hat einen deut-lich höheren Ausdehnungskoeffi-zienten als das Basisglas. Mit Hil-fe thermochemischer Modellie-rung werden Basisglas und Zu-schlag so aufeinander abge-stimmt, dass sie im thermodyna-mischen Sinn „koexistieren“ –so, wie Eis und Wasser bei 0 °Cin beliebigen Mischungsverhält-nissen stabil nebeneinander vor-liegen können. Nach dem Füge-prozess erhält man dann als Fu-ge einen glaskeramischen Ver-bundwerkstoff, dessen Eigen-schaften sich auch während

langer Betriebszeiten nichtmehr verändern. Die Massen-verhältnisse von Ausgangsglasund Zuschlag lassen sich – da sie„koexistieren“ – über einen wei-ten Bereich variieren. Bild 3 zeigtdas Beispiel eines Lotsystems,das aus einem Barium-Magnesi-um-Silicatglas und kristallinemBariumsilicat besteht. Innerhalbdieses sehr einfachen Stoffsys-tems lässt sich der thermischeAusdehnungskoeffizient in denGrenzen zwischen 10 und 13ppm/K sehr genau an die Eigen-schaften der Fügepartner anpas-sen.

In ähnlicher Weise kann mandem Lotsystem ein – ebenfallskoexistierendes – weiteres Glaszugeben, das besonders leichtfließt. Die Auswahl einer geeig-neten Glaszusammensetzung er-folgt wieder mit Hilfe thermo-chemischer Modellierung. Paral-lel dazu wird die zu erwartendeViskositäts-Temperatur-Funktionmodelliert. Mit Hilfe der Erhit-zungsmikroskopie, einer ebensoeinfachen wie effektiven Metho-de, wird das Ergebnis getestet,siehe Bild 4. Ein derart ausge-wähltes Glas als weiterer Zu-schlagstoff gewährleistet inner-halb gewisser Grenzen dieFeinanpassung der Funktion„Fließfähigkeit“ während des Fü-geprozesses. Eine Variation derFügetemperatur im Bereich ±50K ist problemlos zu erreichen. Der Weg bis zu einer erfolgrei-

chen Entwicklung eines praxis-tauglichen glas keramischen Lot-systems erfordert die Lösung ei-ner Reihe weiterer Probleme,auf die im Rahmen dieses Arti-kels nicht eingegangen werdenkann. Ein besonders kritischesProblem ist die chemische Ver-träglichkeit des Ausgangsglasesmit dem Stahl. Bei der Auswahldes Grundglases kommt diesemAspekt die höchste Priorität zu.Der oben skizzierte Entwick-lungsweg erlaubt es dann, aus-gehend von relativ einfachenStoffsystemen, rasch zu geeigne-ten und flexibel anpassbaren Lö-sungen zu gelangen.

Autor:Univ.-Prof. Dr.rer.nat ReinhardConradt hat den Lehrstuhl fürGlas und keramische Verbund-werkstoffe inne.

57

Bild 3: Thermischer Ausdeh-nungskoeffizient eines Lotsys-tems aus Barium-Magnesium-Silicatglas und kristallinem

Bild 4: Näherungsweise experi-mentelle Bestimmung desFließverhaltens eines Glases imErhitzungsmikroskop; h = Visko-

Bariumsilicat als Funktion desMassen verhältnisses der beidenKomponenten.

sität; der spätere Fügeprozess erfolgt im Temperaturintervallzwischen T2 und T3.

Page 58: RWTH-Themen Werkstoffe

Volker Mohles

en chemischen Phase genannt.Die Härtung wird dadurch be-wirkt, dass diese Partikel die Be-wegung eindimensionaler Bau-fehler im Kristallgitter, also derVersetzungen, behindern. DieBewegung dieser Versetzungenim Material ist der technischwichtigste Mechanismus, der dieplastische Verformbarkeit vonMetallen gewährleistet. Wird dieVersetzungsbewegung nundurch Partikel oder andere Git-terstörungen wie Korngrenzen,die Kristallite mit unterschiedli-chen Kristallorientierungen tren-nen, behindert, so muss dieäußere Belastung des Materialsgesteigert werden, um die Ver-setzungen von den Partikeln los-zureißen und so eine plastischeVerformung zu erzwingen. Fürdieses „Losreißen“ gibt es nunmehrere Mechanismen. Sind diePartikel klein, so können sie invielen Fällen von den Versetzun-gen unter Energieaufwanddurchschnitten und so überwun-den werden. Sind die Partikelgroß, so krümmen sich die Ver-

setzungen in ihren Gleitebenenso stark, dass sie die Partikel seit-lich umgehen. Den optimalenHärtungseffekt erreicht man da-bei, wenn die im Material vor-handene Menge an Legierungs-atomen auf mittelgroße Partikelverteilt sind. Diese werden dannteils durchschnitten und teils um-gangen. Bei hohen Temperatu-ren und langsamer Verformungkommt hinzu, dass die Partikel indritter Dimension umklettertwerden können. Es sind alsomehrere Mechanismen aktiv, diealle eine plastische Verformungund damit, als schwächstes Gliedder Kette, ein Versagen einesBauteils bewirken können.

Dabei wurde hier bislang nurdas Versetzungsgleiten als Me-chanismus zur Formänderungbetrachtet. Gerade in den hoch-festen Materialien, an denen ak-tuell geforscht wird, sind jedochweitere Mechanismen relevant.Ein Beispiel sind feinkörnige Ma-terialien mit Korngrößen unter-halb eines Mikrometers, die mandurch wiederholte massive Um-

formung, die so genannte „Se-vere Plastic Deformation“ (SPD),herstellen kann. In solchen na-nokristallinen Materialien trittdas Korngrenzengleiten als Ver-formungsmechanismus hinzu, dadas Versetzungsgleiten durch dievielen Korngrenzen massiv er-schwert ist. Ein weiteres Beispielsind die TRIP/TWIP-Stähle, wiesie im Rahmen des Sonderfor-schungsbereichs 761 erforschtwerden. Hier treten gleich dreiweitere Verformungsmechanis-men in erheblichem Maße hinzu:die martensitische Phasenum-wandlung (TRansformation In-duced Plasticity, TRIP), die Zwil-lingsbildung (TWinning Induced

58

WWerkstoffmodellierer für metalli-sche Werkstoffe haben es schwer:Von ihnen wird erwartet, dassihre Modelle und Computerpro-gramme zu Verbesserungen vonMaterialien führen, an denenempirisch bereits seit Tausendenvon Jahren geforscht wurde.Dies hat zur Folge, dass die heu-tigen industriell gefertigten Ma-terialien bereits in vielerlei Hin-sicht optimiert sind, beispielswei-se in Bezug auf Festigkeit, Dukti-lität, Kriechfestigkeit, zyklischeund thermische Belastbarkeitoder Korrosionsbeständigkeit.Die niedrig hängenden Früchtesind also längst geerntet.

Zusätzlich bedeutet die Er-forschung bereits optimierter Le-gierungen, beziehungsweiseHalbzeuge oder Bauteile häufig,dass eine Reihe physikalischerProzesse, die während der Her-stellung oder der Anwendungvon Materialien ablaufen, zeit-gleich signifikant aktiv sind. Hier-zu sei als Beispiel die Härtungvon Metallen durch ausgeschie-dene Partikel einer zweiten fest-

Neue Dimensionen

Bild 1: In einer Gesamtprozess-Simulation werden die physi-kalischen Mechanismen, diebeispielsweise während derWalzstiche und der Wärmebe-handlungen ablaufen, durch eine detaillierte Beschreibungdes Materialzustandes ver-knüpft.

Werkstoffsimulation zwischen Materialphysik

Page 59: RWTH-Themen Werkstoffe

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der Materialentwicklung

Plasticity, TWIP), und die Scher-bandbildung. Und falls alle diesephysikalischen Vorgänge nichtaktiviert werden können, bei-spielsweise weil sie sich gegen-seitig behindern, dann bleibtnoch der Bruch des Materialsdurch die Entstehung und Aus-breitung von Mikrorissen. Dieskann wiederum bevorzugt anden Korngrenzen oder innerhalbder Kristallite stattfinden. Im Ge-gensatz zur plastischen Verfor-mung ist der Bruch als Formän-derung besonders tückischer Na-tur, da mit der Rissausbreitungeine weitere Schwächung desMaterials eintritt.

Für die Werkstoffmodellie-rung und -simulation bedeutetdie Vielfalt gleichzeitig aktiverphysikalischer Vorgänge, dassdiese auch gleichzeitig berück-sichtigt werden müssen, um den

Gesamtvorgang verstehen undim Idealfall weiter optimieren zukönnen. Die entsprechenden Si-mulationsprogramme und derenKopplung werden hierdurchenorm komplex. Werkstoffmo-dellierer müssen in der Lage sein,die Physik der einzelnen Mecha-nismen zu verstehen und mathe-matisch zu beschreiben. DesWeiteren sollten sie diese effizi-ent implementieren, also zu ei-nem schnell arbeitenden Com-puterprogramm formen. In ei-nem ersten Schritt muss dabeientschieden werden, welchephysikalischen Effekte verein-facht oder vernachlässigt werdenkönnen, weil ihr Beitrag nurzweitrangig ist. Wie oben ausge-führt wurde, ist dieser Schritt ge-rade bei bereits optimierten Ma-terialien schwierig - oft ist dieSignifikanz einzelner Beiträge

einfach unbekannt. MöglicheVereinfachungen bestehen darin,anstelle individueller Partikel nurdie Auswirkung einer statisti-schen Verteilung von Partikeln,oder gar nur eines einzigen „ef-fektiven“ Partikels zu betrach-ten. In einem zweiten Schritt giltes, geeignete Algorithmen zufinden und zu programmieren.Dabei muss möglichst auch aufParallelisierbarkeit geachtet wer-den, damit die Simulationen vonder weiteren Entwicklung derProzessoren hin zu vielen Re-chenkernen profitieren kann. Diein den beiden Schritten erreichteEffizienz ist von immenser Wich-tigkeit. Zwar wächst die zur Ver-fügung stehende oder bezahlba-re Rechenleistung weiterhin ex-ponentiell an, aber ihr Nutzenkann im Handumdrehen voll-ständig vernichtet werden: Ent-

weder dadurch, dass letztlich ir-relevante Dinge berechnet wer-den (Schritt 1) oder dadurch,dass mit schlechter Skalierung inBezug auf die Anzahl berechne-ter Objekte oder rechnenderKerne programmiert wird (Schritt2). Werkstoffsimulationen erfor-dern daher sowohl physikali-sches als auch mathematisch-in-formatisches Verständnis.

Die Vielfalt gleichzeitig imMaterial ablaufender Prozessebedeutet aber auch, dass die Mi-krostruktur des zu simulierendenMaterials - unabhängig von derkonkreten Simulationstechnik -in vielerlei Hinsicht genau cha-rakterisiert werden muss. DieCharakterisierung dieses Aus-gangszustandes kann im Prinzipexperimentell erfolgen. Dies istaber nicht nur mit hohem Auf-wand verbunden, sondern oft-

als Schnittstelle und Prozestechnik

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Page 60: RWTH-Themen Werkstoffe

60mals schlicht unmöglich. EineWalzstraße zur Produktion vonBlechen oder Folien kann bei-spielsweise nicht einfach ange-halten werden, um einen Zwi-schenzustand zu ermitteln.Ebenso kann eine Bramme nicht„abgeschreckt“ werden, umihren mikrostrukturellen Zustandzwecks Untersuchung einzufrie-ren. In einigen Fällen lässt sichimmerhin mit optischen in-situ-Methoden eine Teilcharakterisie-rung an der Oberfläche vorneh-men, beispielsweise in Hinblickauf Textur und Korngrößen, aberein Blick ins Innere ist im Allge-meinen nicht möglich. Daher istes notwendig, auch diesen Aus-gangszustand durch Simulatio-nen zu ermitteln und eventuellauch den Zustand davor. SolcheSimulationen ganzer Prozessket-ten wurden an der RWTH erst-mals in den Jahren 1994 bis2005 durch den Sonderfor-

schungsbereich 370 etabliert unddanach bis 2008 im Transferbe-reich 63 weiter zur Anwen-dungsreife gebracht. Neben derBerücksichtigung aller Prozesspa-rameter ist für die Gesamtpro-zesssimulation entscheidend,dass die Materialbeschreibungnicht in Form beliebiger, ange-passter Simulationsparameter,sondern in Form physikalisch be-deutsamer Zustandsvariablen er-folgt, also der Korngröße, derTextur und der Versetzungsdich-te. So wird sichergestellt, dassexperimentell ermittelte Datenals Ausgangspunkt einer Simula-tion dienen können und derenErgebnisse wiederum genauervalidierbar sind. Während einerWärmebehandlung, wie sie bei-spielsweise im Laufe einer Blech-produktion mehrfach auftritt,siehe Bild 1, finden Erholung,Rekristallisation, Kornwachstumund die Ausscheidung oder Auf-

lösung von Partikeln sekundärerPhasen statt. Dabei ändern sichdie Versetzungsdichte, Korn-größe, Textur, Partikeldispersionund Lösungsgehalte von Fremd-atomen. Dies erfolgt in Produk-tionsprozessen meist lokal unter-schiedlich, da die Temperatur-entwicklung am Rand und im In-neren des Materials unterschied-lich verläuft oder wenn aus demvorangegangenen Prozessschrittbereits Inhomogenitäten resul-tierten. Schon kleine Tempera-turänderungen können drasti-sche Auswirkungen zeigen, dasie stark die Geschwindigkeitenthermisch aktivierter Prozessesteuern, wie beispielsweise Dif-fusion, Korngrenzenwanderungoder Versetzungsklettern. Vor al-lem können sie aber auch abrup-te Phasenübergänge bewirken,mit entsprechenden Auswirkun-gen auf alle anderen Vorgänge.Ortsaufgelöste Information über

diese physikalisch vielschichtigenAbläufe kann zur Modellvalidie-rung genutzt werden. Sie mussaber auch an eine nachfolgendeUmformsimulation weitergege-ben werden, die diese in unter-schiedlichster Weise benötigt.Durch die Verwendung echterZustandsparameter können Si-mulationsmodelle später auchdurch neue, genauere Modelleersetzt werden.

Bis heute hat die Thematikder Gesamtprozesssimulationnichts an Aktualität verloren. ImGegenteil: Wie anfangs ausge-

Bild 2: Zur Validierung der Prozesssimulationen werdendie Mikrostruktur und, wie hier, die mechanischen Eigenschaften des Materials experimentell untersucht.Foto: Peter Winandy

Page 61: RWTH-Themen Werkstoffe

führt, sind es gerade die an-spruchsvollen, bereits hoch opti-mierten Materialien und Prozes-srouten, die eine sehr detaillierteCharakterisierung und Modellie-rung erfordern. Bei der Pionierar-beit des SFB 370 konnte dies nurin Ansätzen geleistet werden.Obendrein wachsen die ökono-mischen und ökologischen An-sprüche, beispielsweise durch ei-nen verstärkten Einsatz vonRecycling-Materialien. Diese ver-ursachen kleine, aber nicht ver-nachlässigbare Schwankungender chemischen Zusammenset-zung, deren meist negative Aus-wirkungen auf die angestrebtenMaterialeigenschaften zumindestabgeschätzt werden müssen. ImIdealfall könnte solchen Auswir-kungen über eine prozessinte-grierte Werkstoffsimulation mitleichten Eingriffen in den Produk-tionsablauf entgegengesteuertwerden. Für den Weg dorthin sei-

en drei aktuelle Ansätze an derRWTH genannt: Das AixViPMaP-Projekt (aixvipmap.de) im Rah-men des Exzellenzclusters „Inte-grative Produktionstechnik fürHochlohnländer“ entwickelt eineInternet-Plattform, die eine au-tomatisierte Kopplung von Simu-lationsprogrammen zu möglichstbreit gefächerten Prozess- undMaterialmodellen anstrebt. Auchdas „SimWeb“ des Instituts fürMetallkunde und Metallphysik(lx7.imm.rwth-aachen.de) ist einInternet-Portal, auf dem speziellauf die Blechproduktion zuge-schnittene und aufeinander ab-gestimmte Simulationen bereitsausgeführt werden können. DesWeiteren gibt es die interdiszi-plinäre, werkstoff- und prozess-übergreifende Arbeitsgruppe„SimPRO“ des Forums Material-wissenschaft und Werkstofftech-nik (wefo.rwth-aachen.de). Die-se Arbeitsgruppe ging aus dem

vom Bundesministerium für Bil-dung und Forschung geförder-ten Kompetenzzentrum für Pro-zesssimulation hervor und ist einZusammenschluss verschiedenerForschungseinrichtungen ausdem Umfeld des genannten Fo-rums. Hier wird das Know-howzur Modellierung und Simulationvon Materialien und Herstel-lungsverfahren gebündelt, undes werden neue Ansätze zu de-ren Verknüpfung entwickelt.

Der Anfang dieses Beitragsenthielt die Klage, dass die nied-rig hängenden Früchte in derMaterialentwicklung schon ge-erntet seien. Dies verkenntnatürlich völlig, dass mit den Si-mulationen neue Werkzeuge be-reitstehen. Allein die Rechenka-pazität, die in den nächsten zweiJahren neu hinzukommen wird,erreicht grob die aufsummierteKapazität sämtlicher bisher exis-tierender Computer. Entspre-

chend könnten Simulationen, dieheute entwickelt werden, mor-gen in Steuerungsrechnern einerProduktion ablaufen. Der brem-sende Faktor in dieser Entwick-lung liegt in der wachsendenKomplexität der Programmedurch parallel ablaufende, wech-selwirkende Prozesse, durch dieauch die sequenzielle Modell-kopplung in der Prozesskette im-mer komplizierter wird.

Autor: Priv.-Doz. Dr.rer.nat. VolkerMohles leitet die Arbeitsgruppe-Simulationen1 am Institut für Metallkunde und Metallphysik.

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Page 62: RWTH-Themen Werkstoffe

Till Büttner, Michael Raupach

bewegungen sind die Mosaikedeutlich geschädigt worden.

Um Rissbewegungen dau-erhaft auf ein unschädlichesMaß zu reduzieren, ist einekraftübertragende und flexibleVerbindung der beiden Rissufererforderlich. Weiterhin ist zuberücksichtigen, dass die Höheder Verstärkung aufgrund desDachaufbaus maximal 30 mmbetragen darf. Selbstverständ-lich sollte der Eingriff in den Be-stand durch die Instandset-zungsaßnahme den Regeln desDenkmalschutzes entsprechenund eine Lebensdauer vonmöglichst mehreren hundertJahren aufweisen.

LösungsansatzEine „traditionelle“ Möglichkeitdie Rissbewegungen zu mini-mieren, ist die steife Verbin-dung der Rissufer mittels Stahl-klammern, die auf beiden Sei-ten des Risses in das Mauer-werk eingebunden werden.Problematisch bei diesem Ver-fahren ist, dass infolge derpunktuellen Belastung desMauerwerks die Gefahr desAusreißens der Stahlklammernbesteht. Dies kann durch eineflächige Bandage, die die Riss-ufer flexibel miteinander ver-

bindet, verhindert werden. EineMöglichkeit der Ausführung ei-ner solchen flexiblen flächigenBandage ist die Verwendungvon faserverstärkten Kunst-stoffbahnen, die mittels Reakti-onsharzen auf den Untergrundgeklebt werden und die Steifig-keit anhand des Fasergehaltseingestellt werden kann. Solcheausschließlich kunstharzgebun-denen Materialien kommen so-wohl aufgrund der Anforderun-gen des Denkmalschutzes alsauch aufgrund der begrenztenDauerhaftigkeit für das vorlie-gende Projekt nicht in Frage. Eine alternative elastische Riss-uferverbindung ist die Verwen-dung einer bewehrten dünnenMörtellasche, die sowohl flexi-bel als auch lastabtragend wir-ken kann. Eine Möglichkeit einsolches dünnes, lastabtragendesund flexibles Bauteil herzustel-len, ist der Einsatz des Werk-stoffes „Textilbeton“.

Textilbeton ist eine Weiter-entwicklung des klassischenStahlbetons, der die Herstellungvon dünnwandigen und hoch-belastbaren Bauteilen ermög-licht. Bei Textilbeton wird an-stelle einer Stahlbewehrung ei-ne Bewehrung auf Basis vontechnischen Textilien aus alkali-

beständigem Glas oder Carbon-fasern mit einem Durchmesservon wenigen Millimetern ver-wendet. Neben der hohen Zug-festigkeit dieser Materialien, diedas Zehnfache der Zugfestig-keit des Stahls betragen, ist dergeringe Durchmesser der Be-wehrung im Wesentlichen dafürverantwortlich, dass sehr dünneund trotzdem hochbelastbareBauteile realisiert werden können.

Um einen möglichst effekti-ven Schutz der innenliegendenMosaike zu erzielen, sind dieRissbewegungen mit einermöglichst steifen Rissbandagezu minimieren. Die konstrukti-ven Randbedingungen vor Ort,die maximale Höhe der Riss-bandage beträgt 30 mm, sowiedie Zusammensetzung desMörtels ermöglichen maximalden Einbau von zwei Lagen Be-wehrung. Aufgrund der Anfor-derungen an die Dauerhaftig-keit sowie einer möglichst ho-hen Steifigkeit wurde ein epo-xidharzgetränktes, biaxialesCarbontextil bestehend aus1600 tex (1600 g/km Länge)Faserbündel, so genannten Ro-vings, mit einer Maschenweitevon 8 mm als Bewehrung derRissbandage vorgesehen. ImRahmen von Untersuchungenvor Ort wurde festgestellt, dassder Untergrund Höhendifferen-zen von bis zu 10 cm aufweist.Diese Höhendifferenzen sindder Bauweise des Gewölbesvon innen nach außen geschul-det, da die außenliegende Seiteder letzten Steinreihe nur grobbearbeitet wurde. Um die Ap-plikation einer textilbewehrtenRissbandage zu ermöglichen, istallerdings ein vergleichsweiseebener Untergrund erforderlich.Daher wurde ein Egalisierungs-mörtel („Estrich“) zusätzlich zudem Mörtel der Rissbandageentwickelt und im Aufbau vor-gesehen.

Damit eine ausreichendeRissverteilung innerhalb derBandage erreicht wird, mussteeine dauerhafte Maßnahme zurRissverteilung oberhalb des

62

WWie kann ein Riss über Jahr-hunderte gesichert werden?Der Dom zu Aachen ist einesder bedeutendsten und ältestenKulturdenkmäler sowie Ge-schichtsmonument auf deut-schem Boden. In Anerkennungseines hohen Erhaltungswerteswurde er als eines der erstenDenkmäler von der UNESCO indie Liste der Objekte des Welt-erbes der Kultur aufgenommen.Zusammen mit der ehemaligenPfalz Karls des Großen, demheutigen Rathaus, bildet derDom bis heute den städtebauli-chen Mittelpunkt der Stadt Aa-chen.

In den vergangenen Jahrenwurden umfassende Instandset-zungsmaßnahmen im Außen-und Innenbereich des Domsdurchgeführt. Im Zuge der In-standsetzungsarbeiten an denneobyzantinischen Mosaiken imInnenbereich wurde unter an-derem ein Riss im Bereich desGewölbes des Sechszehneckesunmittelbar oberhalb der Mo-saike festgestellt. Im Rissverlaufgefundene Reste eines Bleiver-gusses lassen darauf schließen,dass der Riss aus der Bauzeitdes Doms stammt und infolgeeines Erdbebens im Jahre 803entstanden ist. Infolge von Riss-

Textilbetonbandagen für den

Aachener Dom

Bild 1: Risse in den wertvollenDeckenmosaiken des AachenerDoms.

Page 63: RWTH-Themen Werkstoffe

Wie kann ein Riss überJahrhunderte gesichert werden?

63

Bild 2: links: Ansicht des Risses – Aufnahme vom Dachdes Sechszehneckes aus vor der Schutzmaßnahme; rechts:Rissverlauf im Grundriss.

Bild 3: links: Herstellung der getränkten Bewehrungsstrukturen;rechts: Detailaufnahme der verwendeten Bewehrungsstruktur.

Page 64: RWTH-Themen Werkstoffe

des Größtkorns der Gesteins-körnung bei textilbewehrtenBauteilen erfolgt in Abhängig-keit der Maschenweite der tex-tilen Bewehrung. Es wurde da-her ein Sand mit einer maxima-len Korngröße von 0,6 mmausgewählt. Aufgrund der beider Egalisierung des Untergrun-des zu erstellenden Schicht-dicken wurde für den Estrich ei-ne gröbere Gesteinskörnungmit einer maximalen Kornfrakti-on von 4 mm gewählt. Weiter-hin erhielten beide Mörtelmi-schungen Kurzfasern aus PVAmit einer Länge von 8 mm alsZugabe, um eine Minimierungder Rissbreite sowie der Rissab-stände zu erreichen.

Die Charakterisierung derBewehrung erfolgte anhandvon einaxialen Zugversuchen.Die Zugfestigkeit des Textils be-trägt circa 2500 N/mm² (Ne-wton per Quadratmillimeter) jeRoving. Neben den einzelnenMaterialkomponenten wurden

auch Verbundprobekörper un-tersucht. Dafür wurde ein Riss-über brückungsprobekörper ausBeton entwickelt. Er weist einenmittigen Riss sowie eine 2 cmtiefe Vertiefung im Bereich desRisses über eine Länge von20 cm auf. Diese Vertiefung repräsentiert die mittels einesMörtelstreifens erzeugte freieDehnlänge. Dieser Grundkörperwurde nicht aus Naturstein,sondern aus Beton hergestellt,da die Schwankungen der me-chanischen Eigenschaften vonNatursteinen erheblich größersind. Die Länge des Probekör-pers wurde ebenfalls anders alsdie Bedingungen vor Ort ge-wählt, da bei einer Probekör-perlänge von 120 cm eine Vor-schädigung während der Ver-suchsvorbereitung nicht sicherausgeschlossen werden kann.Die Belastung der Probekörpererfolgt in einem einaxialen Zug-versuch mit einer konstantenVerformungsgeschwindigkeit

von 0,1 mm/min. Die Pro-bekörper sind starr mit derPrüfmaschine gekoppelt undwährend des Versuchs verhin-dern zwei reibungsfrei einge-baute Stahlstangen ein Abkip-pen. Während des Versucheswird sowohl die Kraft als auchdie Rissöffnung an beiden Sei-ten der Probe erfasst. Die Ver-suchsergebnisse lassen sich wiefolgt zusammenfassen:

Die Probekörper weisen imZustand I eine Steifigkeitvon etwa 400 kN/mm jelaufenden Meter auf. Diesentspricht der Größenord-nung der im Rahmen derVorbemessung ermitteltenmöglichen Federsteifigkeiteiner mörtelbasierten Riss-bandage und zeigt, dass dieVerbundtragwirkung der Rissbandage aktiviert wer-den kann.Nach dem Erreichen der Erst-risslast kommt es zu einerAktivierung des Bewehrungs-

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Risses konzeptioniert werden.Als Alternative zu dem Einbaueiner Trennlage wurde der Ein-bau eines Mörtelstreifens ober-halb des Risses vorgesehen, derauf einer Breite von maximal20 cm eine deutlich geringereFestigkeit als der Estrich auf-weist. Dies hat zur Folge, dasssich Rissbewegungen innerhalbder mechanisch schwachenSchicht verteilen und nicht ineinen diskreten Riss umgewan-delt werden.

Entwicklung im LaborAls Grundlage für die Entwick-lung des Feinbetons diente eineMörtelentwicklung, die für denVergussmörtel der Instandset-zungsarbeiten an der AachenerChorhalle am Institut für Bau-forschung durchgeführt wurde.Als Bindemittel kommen nebeneinem speziellen Zement Weiß-kalkhydrat, Hüttensand rheini-scher Trass sowie Kalksteinmehlzum Einsatz. Die Festlegung

Bild 4: Schematischer Aufbauder textilbewehrten Verstär-kungsmaßnahme mit Darstellung der Schubkräfte infolge einer Rissbewegung ΔX.

Bild 5: Isometrische Darstellung des Grundkörpers.

Page 65: RWTH-Themen Werkstoffe

traganteils und die Last kannweiter von der Rissbandageaufgenommen werden. Das Versagen des Substratesbei beiden Grundkörpern re-präsentiert nicht die Verhält-nisse vor Ort, da bei demAachener Dom die Verbund-fuge zwischen Mauerwerkund Rissbandage deutlichlänger ist und es somit zu ei-nem späteren Versagenkommen wird.

Vom Labor auf die BaustelleNach der Entwicklung der Ma-terialien und der Konstruktionim Labor stand die Übertra-gung der gewonnenen Er-kenntnisse in die Praxis an.Zunächst wurde der Unter-grund gereinigt und Lockerma-terial entfernt. Nach der Unter-grundvorbereitung erfolgte dieEgalisierung mit dem Estrich.Um einen ausreichenden Ver-bund zwischen Estrich und Rissbandage zu erzielen, wurde

die Oberfläche mittels einerZahnkelle aufgeraut. Der farb-lich abgesetzte Mörtelstreifenunmittelbar oberhalb des Rissesdient zum einen der Einstellungder freien Dehnlänge und zumanderen der Kennzeichnung desRissverlaufs. Der Estrich wurdefür insgesamt 18 Tage mit feuch-ten Tüchern nachbehandelt.

Langzeitmonitoring der RissbandageEntscheidend für eine Beurtei-lung der Wirksamkeit der Riss-bandage ist die Kenntnis derVerformungen, die während derNutzung auftreten. Um dies be-urteilen zu können wurden in-nerhalb der Rissbandage sechsinterne Dehnungsmessstreifen(DMS) sowie drei Temperatur-fühler eingebaut. In Kombinati-on mit einem vor Ort installier-ten Datenlogger können so dieVerformungen der Rissbandageinfolge Temperatur und Bewe-gungen aus dem Untergrund er-

fasst werden. Die bereits vorlie-genden Messungen zeigen, dassdie Rissbandage in der Lage ist,die vorhandenen Bewegungenaufzunehmen und sich wie eineFeder flexibel zu verformen.

ZusammenfassungIm Rahmen des Projektes wurdemittels der Verknüpfung traditio-neller und innovativer Materiali-en eine dauerhafte Maßnahmezur Substanzerhaltung des Aa-chener Doms entwickelt. Auf-grund des modularen Aufbausder Rissbandage ist es möglich,das Verfahren an andere Rand-bedingungen anzupassen. Dasinstallierte Langzeitmonitoringdemonstriert, dass die Rissbanda-ge in der Lage ist, Bewegungenund die Lasten, die aus dem Un-tergrund auf die Bandage wir-ken, aufzunehmen und sichebenfalls flexibel zu verformen.

Bild 6: Einbau des Estrichs zur Egalisierung des Untergrundes. Die textilbewehrte Rissbandage wurde im Anschluss an die Nachbehandlung mittels Lami-niertechnik frisch-in-frisch auf den Estrich appliziert.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.-Ing. MichaelRaupach leitet das Lehr- undForschungsgebiet Bauwerkser-haltung und Instandsetzungund das Institut für Baufor-schung.Dipl.-Ing. Till Büttner ist Wis-senschaftlicher Mitarbeiter amInstitut für Bauforschung – Arbeitsgruppe Erhaltung undInstandsetzung.

Bild 7: Darstellung des lagenweisen Aufbaus der textilbewehrten Rissbandage.

Bild 8: Lage der Dehnungsmessstreifen in der Rissbandage.

Page 66: RWTH-Themen Werkstoffe

Franz Michael Meyer, ChristianNiemann-Delius, Thomas Pretz,

Elinor Rombach, Dieter Senk

„Gewürzmetall“ bezeichnet, daman zwar nur sehr geringeMengen dieses Schwermetallsfür einen Flachbildschirmbraucht, der Rohstoff jedochsehr knapp und teuer ist: EinKilogramm Indium kostet der-zeit 380 Euro. Das Metallkommt kaum in gediegenemZustand vor. Die größten Vor-kommen liegen in Zinkerzen,insbesondere in Sphalerit, des-sen Vorkommen sich in Kana-da, China und Peru befinden.Indiumhaltige Erze werden aberauch in Australien, Bolivien,Brasilien, Japan, Russland, Süd-afrika, den USA und einigeneuropäischen Ländern gefun-den. Indium wird hauptsächlichals Nebenprodukt bei der Pro-duktion von Zink oder Blei ge-wonnen. Die theoretischen In-dium-Reserven werden auf16.000 Tonnen geschätzt, vondenen derzeit nur 11.000 Ton-nen abbaubar sind, das heißtdie natürlichen Indium-Reser-ven werden in naher Zukunfterschöpft sein. Es stellt sich dieFrage, womit man dann Flach-bildschirme und Touchscreens„würzen“ kann, damit sie ihrekomplizierten Funktionen wei-terhin ausführen können. EinRisotto lässt sich zwar auch mitKurkuma gelb färben, aber dertypisch-würzige Safrange-schmack ist dann verloren.

Kritische RohstoffePolitik- und Wirtschaftsverbän-de befürchten zukünftige Ver-sorgungsengpässe für die „Ge-würzmetalle“ Gallium, Scandi-um, Indium, Yttrium, Lithium,Niob, Neodym und Germani-um. Die Verfügbarkeit dieserMetalle für Zukunftstechnologi-en wird dadurch erschwert,dass sie meist nur vergesell-schaftet mit anderen Elementenin Erzen vorkommen und damitüber keine eigene Produktions-infrastruktur verfügen. Darüberhinaus sind bei einigen dieserGewürzmetalle einzelne Länderoder Bergbauunternehmenweltweite Marktführer - es istalso eine starke Produzenten-konzentration zu verzeichnen.Die zunehmende Verwendungin Hightech-Produkten treibtdemnach den Bedarf an diesenMetallen in die Höhe. Es gibt

nur wenige Beispiele, wo die je-weiligen Metalle in reiner Formverwendet werden, zumeistdienen sie als Beimengungen inanderen Materialien. Außerdemspielen sie eine wichtige Rollein Legierungszusätzen moder-ner Werkstoffe, die in Autokon-struktionen verwendet werden.Aufgrund ihrer geringen Bei-mengungen werden sie auchals „Tuningmetals“ oder „Mi-krolegierungselemente“ be-zeichnet.

Prinzipiell sind die mit die-sen Materialien hergestelltenProdukte nach der Nutzungs-phase recyclebar. In den meis-ten Fällen ist ein hochwertigesRecycling jedoch nicht vollstän-dig möglich, da sie nur in mini-malen Konzentrationen verar-beitet und daher – wie der Sa-fran vom Reis – „aufgezehrt“werden. Der effiziente Roh-stoffeinsatz bei der Produkther-stellung und das Schließen derMaterialkreisläufe durch Recyc-ling auch von „Spicemetals“ isteine wichtige künftige Aufgabefür Wissenschaft und Technik.Es müssen große Anstrengun-gen unternommen werden, umüber die Verbesserung der Roh-stoffbereitstellung und Auswei-tung der Produktion mit gleich-zeitiger Erhöhung der Ressour-ceneffizienz, die Versorgungder Industrie mit den knappenGewürzmetallen sicherzustellen.Das Erreichen dieses Ziels erfor-dert die Untersuchung des ge-samten Produktions- und Wert-schöpfungskreislaufs von derLagerstätte mineralischer Roh-stoffe über die Aufbereitung undMetallurgie bis zum Recycling.

Sicherung der Verfügbarkeitkritischer RohstoffeDie Fakultät für Georessourcenund Materialtechnik forscht in-terdisziplinär zu Themen dieserkritischen Rohstoffe: Die Fach-gruppen Geowissenschaftenund Geographie, Rohstoffe undEntsorgungstechnik sowie Me-tallurgie und Werkstofftechnikarbeiten gemeinsam daran, wiedie anhaltende Verfügbarkeitkritischer Rohstoffe gewährleis-tet werden kann, damit der Be-darf dieser Materialien für zu-künftige Industrien sicherge-stellt wird. Ziel dieser Gemein-

schaftsforschung ist es, Kreis-laufstrategien für knappe Ma-terialien zu entwickeln, diewichtig für entstehende Zu-kunftstechnologien sind. For-scher und Wissenschaftler vonder Philosophischen Fakultätwerden ebenfalls eingebundenund untersuchen die Beziehun-gen zwischen dem Rohstoffbe-stand und den wirtschaftlichensowie sozialen Belangen. Umnachhaltige Strategien zu pla-nen, die den langfristigen Be-darf der Rohstoffe sichern, sinddie Kompetenz und der Einsatzvon Forschern der Natur- undIngenieurwissenschaften sowieder Politik-, Wirtschafts- undSozialwissenschaften erforder-lich. Der Bedarf und die Be-schaffung von Rohstoffen wer-den von der technologischenEntwicklung und der Wirtschaftbeeinflusst. Dazu haben globa-le, politische und soziale Ge-sichtspunkte deutliche Auswir-kungen auf die Wirtschaft.Die wichtigsten wissenschaftli-chen Ziele sind:

Bestimmungskriterien fürden produktionsrelevantenBedarf an kritischen Roh-stoffen zu entwickeln, wel-che für die zukünftigen Mo-bilitäts- und Produktions-technologien wichtig sind;Neue Techniken zu identifi-zieren, welche die Reservenan Rohstoffen unter Berück-sichtigung der Prozesskettevon der Lagerstätte zummetallurgischen Produkt ver-größern;Strategien zu entwickeln,welche garantieren, dass dieRohstoffe nachhaltig für dasEntwickeln von Mobilitäts-und Produktionstechnologi-en vorhanden sind, die inno-vative Technologien für denBestand an Rohstoffen undBasiswerkstoffen verwendenund zugleich soziale Interes-sen berücksichtigen.

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DDas Wachstum der europäi-schen Wirtschaft hält aufgrunddes Erfolges in den Bereichender angewandten Technologienund der Hochtechnologien an.Diese benötigen zahlreiche Me-talle, die nur schwer auf demWeltmarkt zu erhalten sind, dasie größtenteils als so genannteKoppelprodukte bei den ent-sprechenden Gewinnungsver-fahren der Hauptmetalle in ver-gleichsweise geringen Mengendargestellt werden können. Zuden derart knappen und selte-nen Metallen zählen beispiels-weise Indium, Tantal, Lithiumund Palladium. Sie sind zurHerstellung hochtechnisierterGeräte, wie Mobiltelefone,Flachbildschirme und Solarzel-len, unverzichtbar, obwohl sienur in kleinen Mengen benötigtwerden. Prof. Armin Reller ausAugsburg verdeutlichte diesesbesondere Verhältnis von Men-ge und Wirkung einmal amBeispiel des Rezepts für einenSafran-Risotto. So wie man fürdie Zubereitung der italieni-schen Spezialität Safran benö-tigt, braucht man für die Her-stellung eines Flachbildschirmsoder eines Touchscreens unbe-dingt etwas Indium: In einenRisotto für vier Personen kom-men 0,1 bis 0,2 g Safran, diesentspricht circa 100 ppm (partsper million) Safran pro Portion.Zur Herstellung eines Flachbild-schirms wird 1 g Indium, alsocirca 200 ppm, gebraucht. Einweiteres Beispiel: In einem typi-schen, höherfesten Konstrukti-onsstahl liegt der Niobgehaltbei ungefähr 100 ppm.

Um ein Kilo Safran zu ge-winnen, braucht man etwa80.000 bis 150.000 Blüten be-ziehungsweise 500.000 Blüten-stempel einer bestimmten Kro-kus-Art, dem Crocus sativus,die getrocknet als Gewürz ver-wendet werden. Der Crocus sa-tivus wird im Iran, in Kaschmirund im Mittelmeerraum ange-baut und kann nur in Handar-beit gepflückt und verarbeitetwerden. Das Gewürz Safranträgt aufgrund der roten Farbeder Stempelfäden und wegenseines hohen Preises von unge-fähr 8.000 Euro pro Kilogrammauch den Namen „rotes Gold“. Indium wird entsprechend als

Gewürzmetalle in Hochleistungs-

werkstoffen

Page 67: RWTH-Themen Werkstoffe

Zur Identifizierung neuerTechnologien, welche die Roh-stoffreserven ausweiten, ist esnotwendig, das Wissen überRohstoffe zu erweitern und aus-zubauen. Forscher aus verschie-denen Wissenschaftsfeldern ko-operieren interdisziplinär von derLagerstätte zur Werkstofftechnik.

Die nachhaltigen Strategienfür einen lang anhaltenden Be-stand an Rohstoffen sind eineherausfordernde, interdisziplinäreForschungsaufgabe:In den Berei-chen Energie und Rohstoffemüssen Quellen und unkonven-tionelle Vorkommen sicherge-stellt werden. Deren Auffindenstellt ein neues Forschungsgebietdar. Auf dem Gebiet des Berg-baus und der Entwicklung neuerTechnologien zur Anreicherungvon Metallen in Spurenkonzen-trationen werden sowohl die Ab-bauverfahren als auch die Pro-duktionsausstattung weiterent-wickelt. Metallurgie und Recyc-ling entwickeln Technologienweiter für die selektive Entnah-me und Gewinnung von Metal-len sowie für die Entwicklungvon innovativen Prozessände-rungen, Automation und denProzess verbessernde Flexibilität.Die Geistes-, Sozial- und Wirt-schaftswissenschaften ermittelndie Möglichkeiten und Grenzenfür den Bereich „Gesellschaftund Rohstoffe“. Naturwissen-

Die RWTH-Wissenschaftler be-werten die entwickelten Ba-sisprinzipien für den abzuse-henden Rohmaterialbedarf, in-dem sie auf ihre Materialkom-petenz zurückgreifen. Nach Er-mittlung des künftigen Bedarfsan Ressourcen wird der Bedarfan kritischen Rohstoffen, diezum Beispiel für die Mobilitätoder Energieversorgung vonmorgen gebraucht werden, er-forscht.

Als weiteres Beispiel dient Al-uminium, das ein wichtiges,leichtes Material für den Fahr-zeugbau ist. Der Rohstoffkreis-lauf des Elements Aluminium istauch eine wichtige Grundlage,um das seltene Metall Galliumzu gewinnen. Gallium allein wirdin der Natur nicht in hohen Kon-zentrationen gefunden, daher isttechnisches Wissen über die Gal-liumproduktion aus der Rohstoff-quelle Bauxit erforderlich.

Der Aluminiumbedarf wirdzunehmend mittels Sekundär-aluminium gewonnen und eineAbnahme der Verfügbarkeit vonGallium aus primärem Bauxit istdaher absehbar. In diesem Fallesind Forschung und Entwicklungin den Bereichen Lagerstätte,Abbau, Bergbautechnik und Me-tallurgie gefordert, um Lösungenzu finden. Solche Entwicklungensind auch für andere „Gewürz-metalle“ notwendig.

schaften und Maschinenbauschließlich stellen weitere we-sentliche Kenntnisse und Mög-lichkeiten bereit.

Die Forschung zielt daraufab, einen ganzheitlichen Ansatzzu liefern, der Wissenschaftlerund Forscher aus den Natur-, In-genieur- und Geisteswissen-schaften verbindet und die Ant-worten und Lösungen miteinan-der verknüpft. An der RWTHAachen arbeitet die Fakultät fürGeoressourcen und Material-technik an einem Konzept zurwissenschaftlichen Erforschungdieser zukunftsorientierten Auf-gaben, um geeignete Lösungenfür die nachhaltige Sicherung derindustriellen Versorgung von„Gewürzmetallen“ zu finden.

Werkstofftechnik ist einSchlüsselelement für die Indus-trieländer und sichert die Zu-kunft. Neue Hochleistungsmate-rialien für intelligente Produktewerden auf Grundlage neuerModelle mit verstärktem Einsatzvon „Tuningmetals“ entworfen.

Die vorgestellte interdiszi-plinäre Forschung untersucht das„vorgelagerte“ Feld vomprimären und sekundären Roh-stoff zum Hochleistungswerk-stoff unter Beachtung von Kos-ten, Gewinnung der Rohstoffeund ihrer Verhüttung, Recyclingund Veredelung sowie Umwelt-schutz. Es werden methodisch

und parallel verschiedene Ba-sisansätze im Feld der Rohstoff-verfügbarkeit miteinander ver-bunden sowie Ressourcen- undEnergieeffizienz der Prozessket-ten entwickelt.

Autoren:Univ.-Prof. Dr.rer.nat. FranzMichael Meyer hat den Lehr-stuhl für Mineralogie und Lager-stättenlehre inne.Univ.-Prof. Dr.-Ing. ChristianNiemann-Delius ist Inhaber desLehrstuhls für Rohgewinnungüber Tage und Bohrtechnik.Univ.-Prof. Dr.-Ing. ThomasPretz ist Inhaber des Lehrstuhlsfür Aufbereitung und Recyclingfester Abfallstoffe.Dr.-Ing. Elinor Rombach ist Wis-senschaftliche Mitarbeiterin amLehrstuhl für Metallurgische Pro-zesstechnik und Metallrecycling. Univ.-Prof. Dr.-Ing. Dieter Senkleitet den Lehrstuhl für Metallur-gie von Eisen und Stahl.

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Bild 1: Im Hintergrund ein Vakuuminduktionsofen zur Her-stellung hochreiner Stähle amInstitut für Eisenhüttenkunde.Die Wissenschaftlichen Mitar-beiter des Lehrstuhls tragen beiSchmelzversuchen Sicherheits-kleidung.Foto: Peter Winandy

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DFG fördert Transregio weitere vier Jahre Seit 2007 untersuchen Wissen-schaftler der RWTH Aachen, derUniversitäten Bonn und Köln so-wie des Forschungszentrums Jü-lich im Transregio-Sonderfor-schungsbereich 32 das komplexeWechselspiel zwischen Bodenund Atmosphäre. Das Großpro-jekt aus 20 verschiedenen Pro-jekten beschäftigt sich vor allemmit dem Wärmeaustausch zwi-schen Boden und Luft. Die Erd-oberfläche spielt eine wesentli-che Rolle, wie die Energie derSonnenstrahlung in die Atmos-phäre gelangt. Der größte Teilder Wärme nimmt nämlich einenUmweg: Erst heizt die Sonneden Boden auf, dann erwärmtdieser wie eine Herdplatte dieLuft darüber. Ziel der Wissen-schaftler ist es, die derzeit be-nutzten Klima- und Wetterprog-nosesysteme zu verbessern. DieDeutsche Forschungsgemein-schaft hat die Förderung desTransregio um vier Jahre verlän-gert und die Fördersumme aufüber 3 Millionen Euro pro Jahrfast verdoppelt. In der zweitenFörderphase entsteht ein Modell,das alle relevanten Prozesse vomGrundwasser bis zur Gewitter-wolke miteinander verknüpft. Sosoll sich verlässlicher berechnenlassen, wie sich das Weltklima inden kommenden Jahrzehntenentwickeln könnte.

Zusammenarbeit mit der Bun-desanstalt für Gewässerkunde Die Bundesanstalt für Gewässer-kunde in Koblenz und die RWTHAachen haben einen Rahmen-vertrag unterzeichnet. Seit Jah-ren gab es bereits gemeinsameProjekte zu unterschiedlichenThemenstellungen, besonderseng waren die zum RWTH-Ins-titut für Wasserbau und Wasser-wirtschaft. Dort wird unter derLeitung von Univ.-Prof. Dr.-Ing.Holger Schüttrumpf zum Beispielder Sedimenttransport in Was-serstraßen untersucht. In Zu-kunft planen mehrere Instituteder RWTH und die Bundesan-stalt für Gewässerkunde komple-xe wissenschaftliche Fragestel-lungen in den Bereichen Ökoto-xikologie, chemische Analysevon Gewässern, Sediment- undMorphodynamik sowie Küsten-hydrologie zu bearbeiten. Dabeiwollen die Institutionen gemein-sam Förderanträge stellen. EinigeMitarbeiter werden zudem zeit-weise am jeweils anderen Stand-ort arbeiten. Für die RWTH istdie Zusammenarbeit ein wichti-ger Schritt auf dem Weg zu ei-nem Forschungszentrum Hydro-toxikologie.

DRIVE-E-Studienpreis für Diplomarbeiten Mareike Hübner und MichaelReiter wurden für ihre Diplomar-beiten zur Entwicklung eines An-triebsumrichters für Elektroan-triebe mit dem DRIVE-E-Studi-enpreis für Innovationen im Be-reich der Elektromobilität ausge-zeichnet. Sie teilen sich in derKategorie Diplom- und Master-arbeiten die erste Platzierungund erhalten jeweils ein Preisgeldvon 3.500 Euro. Der Preis ist Bestandteil des DRIVE-E-Pro-gramms, das vom Bundesminis-terium für Bildung und For-schung und der Fraunhofer-Ge-sellschaft ins Leben gerufen wur-de, um junge Menschen an dasThema Elektromobilität heranzu-führen. Zentrales Thema der Diplomarbeiten von MareikeHübner und Michael Reiter sindUmrichter, die als Bindegliedzwischen dem Motor und demEnergiespeicher ein Kernstückdes elektrischen Antriebs darstel-len. Dabei untersuchten sie bei-spielsweise, wie sich durch einebessere räumliche und funktio-nale Anordnung der Bauteilegleichzeitig die Leistung steigernund der Einsatz an elektroni-schen Bauelementen reduzierenlässt. Ferner beschäftigten siesich mit Fragen der Zuverlässig-keit und Konzepten zur Gewähr-leistung einer hohen Betriebssi-cherheit.

Professor Manfred Martin lehrtan der Seoul National UniversityUniv.-Prof. Dr.rer.nat. ManfredMartin, Professor für Physikali-sche Chemie, lehrt künftig ander Seoul National University. ImRahmen des koreanischen Regie-rungsprogramms „World ClassUniversity“ wurde er als einer von13 deutschen Akademikern zumVollzeitprofessor an die asiatischeSpitzenuniversität berufen. Insge-samt drei Monate wird er in 2011Masterstudierende der Material-wissenschaften unterrichten undmit Fachkollegen die bereits be-stehende Forschungskooperationvertiefen.

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RWTH-Team fürSolar Decathlon nominiertEin interdisziplinäres Team derRWTH Aachen ist für die Teil-nahme am Solar Decathlon 2012nominiert worden. Neben Aa-chen nehmen Universitäten aus15 Ländern am Wettbewerb teil.„Counter-Entropy-House“ - solautet der Name des AachenerAntrags. Das Team, welches sichaus Vertretern der Fakultäten Ar-chitektur, Bauingenieurwesen so-wie Maschinenwesen zusammensetzt, überzeugte die Jury mitder Entwicklung eines Hauses,welches sowohl energie-, materi-al- und transporteffizient gebautwerden soll. Solar Decathlon Eu-rope ist ein weltweiter Wettbe-werb, bei dem Studierende einHaus entwickeln und bauen,dessen Energiebedarf alleindurch Solarstrom gedeckt wird.Das Bewusstsein für und dasWissen um die Möglichkeitendes energieeffizienten Bauensund der Nutzung regenerativerEnergien sollen so gesteigertwerden. Der „Solare Zehn-kampf“ wird alle zwei Jahre vomspanischen Wohnungs- und vomamerikanischen Energieministeri-um ausgelobt.

Namen Nac

Neuer Rechner für das Rechen-und KommunikationszentrumDie RWTH Aachen erhält einenneuen Supercomputer. Dieserverfügt über mehr als 28.000Prozessorkerne mit einer Ge-samtleistung von etwa 300Tflop/s sowie drei Petabyte Plat-tenspeicher und verschafft derRWTH so einen immensen Vor-teil bei der Berechnung lebens-naher Simulationen. Ein Teil desneuen Hochleistungsrechnerswird den Wissenschaftlerinnenund Wissenschaftlern in der Jü-lich Aachen Research Alliance,kurz JARA, zur ausschließlichenNutzung zur Verfügung gestelltund bildet damit den Grundsteinfür die Etablierung einer so ge-nannten JARA-HPC Partition.Damit finden Forscher aus JARAin Zukunft eine hochperforman-te Rechnerplattform vor, die zu-sammen mit den methodischenKompetenzen für HPC in JARAein einzigartiges HPC-Ökosys-tem für Simulation Scienceschafft.

Wolfgang Marquardt ist Vor-sitzender des WissenschaftsratsDer Wissenschaftsrat hat Univ.-Prof. Dr.-Ing. Wolfgang Mar-quardt zu seinem neuen Vorsit-zenden gewählt. Der Inhaberdes Lehrstuhls für Prozesstechnikwar ein Jahr zuvor als Mitglied indie Wissenschaftliche Kommissi-on des Gremiums berufen wor-den. Der Wissenschaftsrat ist ei-nes der wichtigsten wissen-schaftspolitischen Beratungsgre-mien in Deutschland. Er berätdie Bundesregierung und die Re-gierungen der Länder in allenFragen der inhaltlichen undstrukturellen Entwicklung derWissenschaft, der Forschungund des Hochschulbereichs. Prof.Marquardt gehörte den Strate-gieräten der RWTH und desUniversitätsklinikums der RWTHan. Dazu fungierte der Verfah-renstechniker als Direktor desCenter for Computational En-gineering Science und war Mit-glied der Lenkungsausschüsseder Graduiertenschule AachenInstitute for Advanced Study inComputational Engineering so-wie des Exzellenzclusters Maß-geschneiderte Kraftstoffe ausBiomasse. Eine hohe wissen-schaftliche Auszeichnung wurdeihm 2001 mit der Verleihung desLeibniz-Preises der DeutschenForschungsgemeinschaft zuteil.

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Ehrung für Professor Winfried DahlWinfried Dahl, emeritierter Pro-fessor für Eisenhüttenkunde,wurde die Carl-Lueg-Denkmünzedes Stahlinstituts VDEh verliehen.Hans Jürgen Kerkhoff, Vorsitzen-der des Stahlinstituts VDEh undPräsident der Wirtschaftsvereini-gung Stahl, würdigte die wissen-schaftlichen Verdienste von Dahlum den Werkstoff Stahl und seinlangjähriges Engagement in Aus-schüssen, vor allem im Werk-stoffausschuss des StahlinstitutsVDEh. Besonders am Herzen lagDahl die Weitergabe seiner Be-geisterung für den Werkstoff anden Nachwuchs in Wissenschaftund Industrie. Dahl, 1928 inWuppertal geboren, studiertePhysik und Metallkunde an derUniversität Göttingen. Er promo-vierte 1953 und arbeitete an-schließend am Max-Planck-Insti-tut für Eisenforschung in Düssel-dorf. Nach Tätigkeiten an der TUBerlin und im Mannesmann-For-schungsinstitut übernahm er am1. März 1969 die Leitung des Instituts für Eisenhüttenkundeder RWTH Aachen. 1990 erhielter die Würde eines Doktor-Inge-nieurs ehrenhalber der Bergaka-demie Freiberg. 1994 wurde eremeritiert und auch mit dem Ver-dienstkreuz 1. Klasse des Ver-dienstordens der BundesrepublikDeutschland ausgezeichnet.

hrichten

Auszeichnung für Karen Veroy-Grepl Karen Veroy-Grepl wurde in dasJunge Kolleg der Nordrhein-Westfälischen Akademie derWissenschaften aufgenommen.Seit der Gründung des Kollegs imJahr 2007 wurden insgesamt 50Kollegiaten berufen, die fachlich,finanziell und ideell unterstütztwerden. Zur Finanzierung der ersten beiden Fördersequenzenvon jeweils vier Jahren konntedie Stiftung Mercator gewonnenwerden.

Die 1975 geborene KarenVeroy-Grepl ist seit Juni 2010 Ju-niorprofessorin für das FachHochleistungsrechnen ingenieur-mäßiger Modelle an der Fakultätfür Bauingenieurwesen. Ihr aktu-eller Forschungsschwerpunktliegt im Bereich ComputationalEngineering Science an derSchnittstelle zwischen Mathema-tik und den Ingenieurwissen-schaften. Ihr Interesse gilt dabeivor allem der Entwicklung effizi-enter numerischer Methoden zurLösung partieller Differentialglei-chungen. Ziel ist es, eine Lösungvon Optimierungsproblemen, In-versen Problemen und Rege-lungsproblemen in Echtzeit zu er-möglichen. Veroy-Grepl studiertePhysik an der Ateneo de ManilaUniversity. Anschließend ging siean das Massachusetts Institute ofTechnology, wo sie 2001 denMaster of Science und 2003 denDoctor of Philosophy in Civil En-gineering machte. Nach ihrerPromotion arbeitete sie zunächstam MIT als Postdoktorandin, bissie als Research and Develop-ment Trainee zur Robert BoschGmbH in Stuttgart wechselte.

Erste Ziel- und Leistungsverein-barung unterzeichnetDie Fakultät für Bauingenieur-wesen ist die erste an derRWTH, die eine Ziel- und Leis-tungsvereinbarung unterzeichne-te. Damit bekennt sie sich zurStrategie der RWTH und be-schreibt Ihren Beitrag zu ihrer er-folgreichen Implementierung.„Mit den Ziel- und Leistungsver-einbarungen hat die RWTH einInstrument zur strategischenFührbarkeit entwickelt. Wir sindstolz, damit nun eine Forderungdes Wissenschaftsrates erfüllenzu können“, betonte RektorErnst Schmachtenberg bei derUnterzeichnung der Vereinba-rung. Der Formulierung der Ver-einbarung ging eine kritischeStärken-Schwächen-Analyse vor-aus. Zu den anschließend festge-schriebenen Zielen gehört bei-spielsweise das Vorhaben, mitHilfe von neuen Großprojekteneine weitere Verbesserung desLeistungsindikators zu erreichenund gleichzeitig die Grundlagen-forschung zu intensivieren. ImBereich der Ausbildung verpflich-tet sich die Fakultät im Rahmendes Konzepts „Exzellenz derLehre“ die Qualität zu steigern.Die Laufzeit der Ziel- und Leis-tungsvereinbarungen beträgt fünfJahre. Die Zielvereinbarungen mitden übrigen Fakultäten und Fach-gruppen sollen zügig folgen.

Deutsch-Indisches Zentrum fürNachhaltigkeitsforschung Rektor Ernst Schmachtenbergund der Parlamentarische Staats-sekretär im Bundesministeriumfür Bildung und Forschung Tho-mas Rachel, MdB, haben ge-meinsam das Deutsch-IndischeZentrum für Nachhaltigkeitsfor-schung am Indian Institute ofTechnology (IIT) Madras inChennai, Indien, eröffnet. DasDeutsch-Indische Zentrum fürNachhaltigkeitsforschung ist eineKooperation zwischen dem IITMadras und einer Gruppe deut-scher Universitäten unter der Fe-derführung der RWTH Aachen.Es führt deutsche und indischeSpitzenforschung in den Berei-chen Wasser, Energie, Abfallwirt-schaft und Landnutzung mit ei-nem interdisziplinären Ansatz zu-sammen. Vorsitzende des Zen-trums sind der Rektor der RWTHAachen Prof. Dr.-Ing. ErnstSchmachtenberg und der Direk-tor des IIT Madras. Das BMBFunterstützt das Programm A New Passage to India mit zu-sätzlichen 3,7 Mio. Euro für denakademischen Austausch mit In-dien. Unter anderem werdenvier Langzeitdozenturen sowieStipendien für Graduierte undWissenschaftler finanziert.

Neuer Studiengang Umweltingenieurwissenschaften Zum Wintersemester 2010/11startete der Studiengang Um-weltingenieurwissenschaften mit über 250 Einschreibungen.Merkmale des Studiengangs sindeine breite und fundierte Grund-ausbildung in Mathematik, Me-chanik, Thermodynamik, Hydro-dynamik, Chemie und Ökologie.Klassische Berufsgebiete sindPlanung, Bau und Betrieb vonumwelttechnischen Anlagen,Lehre und Forschung, Umwelt-verbände und -verwaltungen.Der neue Bachelor-Studiengangwird ergänzt durch einen Mas-ter-Studiengang mit fünf thema-tischen Schwerpunkten: Sied-lungswasserwirtschaft, Wasser-ressourcen-Management, Bauenund Umwelt, Recycling und Um-weltverfahrenstechnik. Die Fa-kultät für Bauingenieurwesenführt den neuen Studiengangzusammen mit der Fakultät fürGeoressourcen und Material-technik in enger Kooperation mitder Fakultät für Mathematik, In-formatik und Naturwissenschaf-ten sowie der Fakultät für Ma-schinenwesen durch.

Rekord bei DrittmitelnIm Haushaltsjahr 2010 konntendie Drittmittel der RWTH Aa-chen – inklusive des Anteils derMedizinischen Fakultät – auf258 Millionen Euro gesteigertwerden. Die im Vergleich zumVorjahr zusätzlich eingenomme-nen 31 Millionen Euro entspre-chen einer Steigerung von 13,6Prozent. Die drei größten Geld-geber waren die Deutsche For-schungsgemeinschaft mit 79Millionen Euro, die Industrie undWirtschaft mit 69 Millionen Eurosowie das Bundesministerium fürBildung und Forschung mit 20Millionen Euro. Aber auch ande-re Bundes ressorts, die Europäi-sche Union, Stiftungen, das Mi-nisterium für Innovation, Wis-senschaft und Forschung desLandes NRW und andere Lan-des ministerien, Privatpersonenund weitere Forschungsfördererermöglichen die hohen Dritt-mitteleinnahmen.

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Forschungsprojekt zur Hot-Dry-Rock-TechnologieDrei RWTH-Einrichtungen for-schen gemeinsam an einem Pro-jekt zur Hot-Dry-Rock-Technolo-gie. Die Arbeit der Wissenschaft-ler wird durch das Bundesminis-terium für Umwelt, Naturschutzund Reaktorsicherheit für dienächsten drei Jahre finanziert.Zugesagt wurde im Rahmen des5. Energieforschungsprogrammsder Bundesregierung „Innovati-on und neue Energietechnologi-en“ eine Fördersumme von920.000 Euro. Beteiligt sind derLehrstuhl für Geotechnik imBauwesen, der Lehrstuhl für Ap-plied Geophysics and Geother-mal Energy (Projektleitung) undder Lehrstuhl für Computerge-stützte Analyse technischer Sy-steme. Hot-Dry-Rock-Verfahrennutzen Erdwärme in einer Tiefezwischen 3.000 und 6.000 Me-tern. Als Wärmeüberträger wirdWasser eingesetzt. Kaltes Wasserwird mit hohem Druck in dastrockene, heiße Gestein gepresst,dabei weiten sich die vorhande-nen Risse auf und neue entste-hen. Das erhitzte Wasser wird aneiner Bohrung wieder entgegengenommen. Eingesetzt wird dieHot-Dry-Technologie bislangnicht, lediglich in Pilotanlagenfinden Untersuchungen statt. DieRWTH-Wissenschaftler ent-wickeln jetzt eine Software, diedie Simulation der Vorgänge er-möglicht. Zunächst werden aller-dings in Laborversuchen Ge-steinsblöcke mit hohem Druckbelastet und mit Wasserdruckgefract, so werden Klüfte erzeugtund deren Ausbreitung mess-technisch erfasst. Die Simulationder hydraulischen Bruchprozesseund eine Prognose der Rissaus-breitung erfolgt im Labormaß-stab und wird anschließend aufden Einsatz vor Ort erweitert.

Professor Jens-Rainer Ohm ausgezeichnetUniv.-Prof. Dr. Jens-Rainer Ohmvom Institut für Nachrichtentech-nik wurde für seine herausragen-den Leistungen im Bereich Video-codierung und für die Entwick-lung des Standards H.264/AVCmit dem Technologiepreis derEduard-Rhein Stiftung geehrt.Den mit 30.000 Euro dotiertePreis teilt sich Ohm mit seinemKollegen Prof. Dr. Thomas Wie-gand von der TU Berlin. Der Stan-dard H.264/AVC ist ein hoch effi-zienter Videokompressionsstan-dard, der ein breites Spektrumvon Anwendungen aufweist. DieEduard-Rhein-Stiftung wurde imJahr 1976 zur Förderung der wis-senschaftlichen Forschung sowieder Bildung, Erziehung, Kunst undKultur im In- und Ausland ins Le-ben gerufen. Der Technologiepreiswird seitdem alljährlich vergeben.

Auszeichnung für Christoph Clauser Univ.-Prof. Dr.rer.nat. ChristophClauser wurde Mitglied derDeutschen Akademie der Natur-forscher Leopoldina. Diese wur-de bereits 1652 gegründet undspäter nach Kaiser Leopold I. be-nannt. Zu ihren Mitgliedern wer-den hervorragende Forscherper-sönlichkeiten aus aller Welt ge-wählt. Durch die Kooperationmit wissenschaftlichen Akademi-en anderer Länder fördert dieLeopoldina den internationalenAustausch zu Themen wie Ener-gie, Klimawandel oder Gesund-heit. Clauser, 1954 in Freiburgim Breisgau geboren, studierteGeophysik an der TechnischenUniversität Berlin und wurdedort promoviert. 1995 habilitier-te er an der Rheinischen Frie-drich-Wilhelms-Universität Bonn.Im März 2000 trat er die Profes-sur für Angewandte Geophysikan der RWTH Aachen an und istseit 2007 Professor und Leiterdes Lehrstuhls für Applied Geo-physics and Geothermal Energyam E.ON Energy Research Cen-ter der RWTH Aachen.

Prof. Groß in die EuropäischeAkademie der Wissenschaftenund Künste berufenDie Europäische Akademie derWissenschaften und Künste mitSitz in Österreich hat Univ.-Prof.Dr. med. Dr. med. dent. Dr. phil.Dominik Groß zum ordentlichenMitglied ernannt. Der Direktordes Instituts für Geschichte,Theorie un d Ethik der Medizinam Universitätsklinikum Aachenwird für seine herausragendenLeistungen im Bereich der Medi-zinischen Wissenschaften geehrt.Die 1990 gegründete Akademiezählt über 1.400 Mitglieder ausnahezu allen Teilen der Welt. Alsinterdisziplinäre Vereinigung istdie Akademie in sieben Klassenunterteilt: Philosophie, Medizin,Kunst, Naturwissenschaften, So-zial- und Wirtschaftswissenschaf-ten, Technik- und Umweltwis-senschaften und Weltreligionen.

Neues Graduierten-kolleg bewilligtDie Deutsche Forschungsge-meinschaft hat das Graduierten-kolleg „Teilchen- und Astroteil-chenphysik im Lichte von LHC“bewilligt und wird mit 2,5 Millio-nen Euro in den nächsten vier-einhalb Jahren die Ausbildungvon zwölf besonders qualifizier-ten Doktorandinnen und Dokto-randen fördern. Ziel des Kollegsist es, in diesem aktuellen For-schungsgebiet der Grundlagen-forschung die Grenzen des Stan-dardmodells der Teilchenphysikzu untersuchen. Mit der Inbe-triebnahme des Large HadronCollider-Beschleunigers (LHC)am CERN in Genf erwarten dieWissenschaftler dazu in dennächsten Jahren wesentlicheneue Erkenntnisse. Univ.-Prof.Dr.rer.nat. Stefan Schael, Inhaberdes Lehrstuhls für Experimental-physik, ist Sprecher des neuenGraduiertenkollegs, an dem zehnProfessorinnen und Professorenbeteiligt sind.

Akademie der Wissenschaftenund der KünsteDie Nordrhein-Westfälische Aka-demie der Wissenschaften undder Künste hat die ProfessorenMatthias Wuttig und RudolfMathar zu ihren Mitgliedern ge-wählt. Univ.-Professor Dr.rer.nat.Matthias Wuttig hat den Lehr-stuhl für Physik neuer Materiali-en inne. Begonnen hat seineKarriere mit dem Studium derPhysik in Köln. Die Promotionerfolgte an der RWTH Aachen.Heute berät er als Sprecher desRWTH-Strategierates die Univer-sität in ihren Zukunftsplänen undidentifiziert neue potenzielle For-schungsbereiche. Univ.-ProfessorDr.rer.nat. Rudolf Mathar ist Lei-ter des Instituts für TheoretischeInformationstechnik sowie Pro-dekan der Fakultät für Elektro-technik und Informationstechnik.Zudem ist Mathar als PrincipalInvestigator im Leitungsgremiumdes Exzellenzclusters Ultra High-Speed Mobile Information andCommunication tätig. DenGrundstein für seinen berufli-chen Werdegang legte er mit einem Studium der Mathematik.

Namen

RWTH-Projekte in Afghanistan Die Wissenschaftler vom Lehr-stuhl für Stadtbaugeschichte ar-beiten an zwei kulturellen Pro-jekten für Afghanistan. Die Res-taurierung der Stadtmauer vonGhazni, das 2013 islamische Kul-turhauptstadt wird, ist ein aufdrei Jahre angelegtes Projekt derAachener Wissenschaftler. Fürden Aufbau der Stadtmauer wirddas RWTH-Institut vom Auswär-tigen Amt der BundesrepublikDeutschland 1,5 Millionen Euroerhalten. Die Pläne für den Wie-deraufbau wurden in enger Zu-sammenarbeit mit dem afghani-schen Ministerium für Kultur undInformation sowie dem afghani-schen Städtebauministerium ent-wickelt.

In einem zweiten Projekt –das bereits seit sieben Jahren vonAachen Wissenschaftlern betreutwird – geht es um den Schutzdes Bamiyan-Tals, das zum Welt-kulturerbe der UNESCO gehört.Das Tal wird derzeit von den Aa-chener Wissenschaftlern genauvermessen. Denn nicht nur dievor zehn Jahren von den Talibanzerstörten Buddha-Statuen, son-dern das gesamte Tal steht auf derUNESCO Welterbe-Liste. In einemCultural Master Plan haben Univ.-Prof. Dr.-Ing. Michael Jansenund sein Team bereits vor eini-gen Jahren festgeschrieben, wasgeschützt werden soll bezie-hungsweise wo heute gebautwerden darf. Diese Vorgabenwurden von der afghanischenRegierung übernommen. DerMaster Plan muss aber fortge-schrieben und neue wissen-schaftliche Erkenntnisse einge-fügt werden.

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Nachrichten

Drei deutsche Hochschulen wurden für das „Bosch Inter-Campus Program“ ausgewählt, zu ihnen gehört dieRWTH: An der Aachener Hochschule sollen zukunftsträch-tige Tätigkeitsfelder mit rund 5 Millionen Euro gefördertwerden. Mittel in gleicher Höhe gehen an das KIT, das Karls-ruher Institut für Technologie, wo das Fördergeld unter an-derem für den Ausbau des Lehrstuhls für funktionelle Na-nostrukturen eingesetzt wird. Fünf Millionen Euro fließenbis 2024 an die Universität Stuttgart zur Einrichtung einesInstituts innerhalb des Robert Bosch Zentrums für Leis-tungselektronik, das bereits 2009 gemeinsam mit derHochschule Reutlingen gegründet wurde.

Bosch zählt die RWTH zu den führenden europäischenForschungseinrichtungen. Die wissenschaftliche Ausbildungsei geprägt durch einen hohen Anwendungsbezug - nichtzuletzt deshalb gehörten die Absolventinnen und Absol-venten zu den gefragten Nachwuchskräften der Wirt-schaft. Bosch fördert in Aachen die Einrichtung eines Lehr-stuhls für Erneuerbare Energien mit dem Schwerpunkt An-trieb für Windkraftanlagen. Dies geschieht in enger Zusam-menarbeit mit dem bestehenden Institut für Maschinenele-mente und Maschinengestaltung, das bereits im BereichWindenergie aktiv ist. Weitere Mittel stellt Bosch für denAufbau eines Lehrstuhls für Produktionstechnik für Kom-ponenten der Elektromobilität innerhalb des Exzellenzclus-ters „Integrative Produktionstechnik für Hochlohnländer“zur Verfügung. Hier erfolgt eine enge Kooperation mitzahlreichen international renommierten Unternehmen.

„Wir investieren in Innovationen, die der Gesellschaftdienen, die Umwelt schützen und jungen Wissenschaftlerneine Perspektive bieten“, betonte Dr. Volkmar Denner vonder Bosch-Geschäftsführung bei Bekanntgabe der Initiativeam 17. Mai 2011. Mit dem „Bosch InterCampus Program“wolle man als weltweit tätiges Technologie- und Dienstleis-tungsunternehmen die gesellschaftliche Verantwortung un-terstreichen und jungen Absolventen zugleich hervorragen-de Zukunftsperspektiven bieten. Bosch sieht die ThemenEnergie, Umwelt und Mobilität als große Herausforderun-gen einer globalen Gesellschaft. Die Firmengruppe startetdie Initiative anlässlich ihres 125-jährigen Jubiläums. Mit einem Gesamtbeitrag von 50 Millionen Euro unterstützt siein den kommenden Jahren Universitäten in Deutschland,China, Indien und den USA.

RWTH Aachen wird von Bosch gefördert

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In der nächsten Ausgabe:

Philosoph trifft Ingenieur –Schon heute gemeinsam die Zukunft reflektieren

eHealth: Das Future Care Lab

Der nichtbrennbare Brennstoff?Überlegungen zur nachhaltigen Energieversorgung

Aachen im Wandel. Visualisierung von Entwicklungslinien und räumlichen Strukturen

Der Schreibtisch als digitales Werkzeug –Arbeiten im 21. Jahrhundert

Patente Technologie:

Essenzielle Schutzrechte in der Standardisierung von Mobilfunktechnologie

Motion Capture Technologiein der Gestenforschung

Disziplinübergreifender Methodenmixzur Beschreibung von Technologie-Akzeptanz

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Wovon Sie früher auchträumten: Jetzt ist die Zeit,es wahr zu machen.Sie wollten schon immer an wegweisenden Projekten mitwirken? Bei uns können Sie das. Vom ersten Tag an. Einer guten Idee ist es schließlich egal, wer sie hat: der Junior oder der Abteilungsleiter. Und gute Ideen – die brauchen wir. Sie haben uns zu dem gemacht, was wir sind: einer der wichtigsten technologischen Schrittmacher. Im Mobilfunk. Im Digital-Fernsehen. In der Funktechnik. Auch bei Flugsicherung, drahtloser Automobiltechnik oder EMV sind wir federführend – und praktisch in allen unseren Geschäftsgebieten einer der drei Top-Player am Weltmarkt. Damit wir das auch bleiben, brauchen wir Sie. Als frischgebackenen Hochschulabsolventen, Praktikanten, Werkstudenten (m/w) oder fertigen Sie Ihre Abschlussarbeit (Bachelor, Master, Diplom) bei uns an.Wir freuen uns auf Sie!

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