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Orthopäde 2008 · 37:8–16DOI 10.1007/s00132-007-1179-zOnline publiziert: 19. Dezember 2007© Springer Medizin Verlag 2007

T. WirthOrthopädische Klinik, Olgahospital, Klinikum Stuttgart, Stuttgart

Spondyloepiphysäre und metaphysäre Dysplasie

Leitthema

Die große Gruppe der Knochen- und Skelettdysplasien wird nach dem Ort der Wachstumsstörung unterteilt. Zu den fugennahen Wachstumsstörun-gen zählen die unter den Überbegrif-fen der spondyloepiphysären, der metaphysären und der spondylome-taphysären Dysplasie zusammenge-fassten Krankheitsbilder [19]. An Ge-meinsamkeiten weisen alle diese Ske-lettdysplasien einen Minderwuchs auf, der dysproportioniert mit relativ kurzem Rumpf (z. B. spondyloepiphy-säre Dysplasie) oder mit eher kurzen Extremitäten (z. B. metaphysäre Dys-plasie Typ Schmid) vorkommt, aber auch proportioniert sein kann. Außer-dem ist für alle Krankheitsbilder ein Erbgang bekannt, viele werden domi-nant vererbt [19].

Während manche Skelettdysplasie, wie die kongenitale spondyloepiphysäre Dys-plasie vom Typ Spranger-Wiedemann, bei der Geburt erkennbar ist [18], manifestiert sich der Großteil erst im Laufe des Wachs-tums. Viele Skelettdysplasien sind mit wei-teren, teilweise sehr ernsthaften Krank-heitsbildern verknüpft. Hierzu zählen immunologische Störungen, Störungen des Kalziumstoffwechsels, Erkrankungen der Nieren, der Morbus Hirschsprung etc. [6, 17]. Dadurch entsteht eine beinahe un-übersichtliche Vielzahl an Subtypen die-ser Skelettdysplasien. Weitere Varianten zeigen auch eine Beteiligung der Wirbel-säule und werden zu den spondylometa-physären Dysplasien gezählt [13].

Neben der Wachstumsstörung wei-sen die Patienten eine Fülle von ortho-pädischen Problemen auf. Die Manifesta-tion an der unteren Extremität in Hüft- und Kniegelenk führt teilweise zu erheb-

lichen Funktionseinbußen und Achsfehl-stellungen [3, 5, 8, 16]. Die Wirbelsäule ist oft primär betroffen und schmerzhaft. Ei-ne Instabilität der Halswirbelsäule kommt besonders bei der kongenitalen spondy-loepiphysären Dysplasie vor [18]. Die Be-wegungseinschränkung der Hüftgelenke kann ebenso häufig zu sekundären Pro-blemen an der Wirbelsäule führen. Auch die obere Extremität weist durch Ske-lettdysplasien hervorgerufene Verände-rungen auf, die aber in erheblich geringe-rem Umfang zu therapeutischen Maßnah-men zwingen.

Spondyloepiphysäre Dysplasie

Die spondyloepiphysäre Dysplasie geht mit einem Minderwuchs mit kurzem Rumpf und uneinheitlichen Achsfehlstel-lungen der unteren Extremitäten einher. Sie kommt als bei Geburt erkennbare kon-genitale Form (Typ Spranger-Wiedemann [18]) und als Tarda-Form [15] vor, deren Ausprägung in der Regel schwächer ist. Das klinische Bild ist von einem dyspro-portionierten Kleinwuchs bestimmt. Der Rumpf ist relativ kurz. Hinzu treten in un-terschiedlichem Ausmaß Achsdeformi-täten der unteren Extremität (. Abb. 1).

Abb. 1 7 Ein heute 17-jähriger Junge mit ei-

ner kongenitalen Form der spondyloepiphy-sären Dysplasie: Zu-

stand nach Korrektur einer Coxa vara conge-

nita rechts und mas-siver Genua vara. Man 

beachte die verblie-benen geringen Achs-fehlstellungen und die Hüft- und Kniebeuge-

kontrakturen in der Ansicht von vorne (a) 

und seitlich (b)

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Es kommen Genua vara wie auch Genua valga vor. Die Hüften können eine Varus- oder Valgusfehlstellung aufweisen und die Fehlstellungen einzeln oder nebeneinan-der auftreten (. Abb. 2). Das Ausmaß variiert sehr stark und ist von der Expres-sion der Krankheit abhängig.

Die radiologischen Befunde bei der spondyloepiphysären Dysplasie sind viel-fältig und uneinheitlich. Natürlich lie-gen immer Veränderungen der Epiphy-sen der langen und kurzen Röhrenkno-chen und der Wirbelkörper vor. Die Be-troffenheit der Epiphysen ist aber unter-schiedlich ausgeprägt. Man findet von ir-regulären Formen der in ihrer Höhe nur gering reduzierten Epiphyse bis zu einer massiv abgeflachten und kleineren, gele-gentlich verdichteten Epiphyse alle Zwi-schenformen (. Abb. 3). Oft findet eine zeitlich erheblich verspätete Ossifika tion der Epiphyse statt. Die Veränderungen sind fast immer bilateral symmetrisch.

Die radiologischen Bilder der Wir-belsäule sind wiederum charakteristisch. Die Wirbelkörper, am ausgeprägtesten an der Brustwirbelsäule, sind im Sinne ei-ner Platyspondylie abgeflacht, die vorde-ren Randleisten oft nicht abgebildet, was ihnen ein angenagtes Äußeres verleiht (. Abb. 4). Gelegentlich sind die Grund- und Deckplatten imprimiert.

Kongenitale spondyloepiphysäre Dysplasie (Typ Spranger-Wiedemann)

Die kongenitale Form der spondyloepi-physären Dysplasie ist durch eine Mu-tation im COLA-Lokus des Chromo-soms 12 verursacht [1, 20]. Somit wird ein abnormales Kollagen II produziert. Der beschriebene klinische Ausprägungs-grad der spondyloepiphysären Dysplasie ist bei der kongenitalen Form am stärks-ten. Man findet häufig eine Coxa vara und in Abhängigkeit von der Betroffen-heit der Epiphysen- und Metaphysenregi-on der langen Röhrenknochen Achsdefor-mitäten im Varus- und Valgussinne. Spä-ter haben diese Patienten oft ausgeprägte Bewegungseinschränkungen der Gelenke, insbesondere mit Beugekontrakturen der Hüft- und Kniegelenke, die die selbstän-dige Gehfähigkeit der Patienten gefähr-den (. Abb. 1). Der Rumpf ist gedrun-

Abb. 2 8 Variabilität der epiphysären Veränderungen bei spondyloepiphysärer Dysplasie: a Man fin-det erheblich verkleinerte und abgeflachte Epiphysen oder b auch nur gering veränderte unregelmä-ßige Epiphysen

Abb. 3 8 Radiologische Darstellung der Achs-fehlstellungen bei der spondyloepiphysären Dysplasie. Hier: Coxa vara beidseits in Verbin-dung mit Genua valga

Abb. 4 8 Röntgenbefund der Wirbelkörper bei der spondyloepiphysären Dysplasie: Platyspon-dylie, kraniale und kaudale Ossifikationsdefekte der ventralen Apophysen

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Leitthema

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gen und kurz. Die Wirbelkörper weisen die typische Platyspondylie und den vent-ralen Ossifikationsdefekt auf.

Klinisch findet man im Verlauf sekun-däre Veränderungen der Wirbelsäule wie beispielsweise eine lumbale Hyperlordose oder Skoliose. Im Zusammenhang mit den radiologischen Befunden der Wirbel-säule klagen deshalb viele Patienten über teilweise sehr heftige Rückenschmerzen. Weitere orthopädische Befunde an der Wirbelsäule sind die atlantoaxiale Insta-bilität der Halswirbelsäule, die mit einer Hypoplasie und Ossifikationsverzöge-rung des Dens axis zusammenhängt und das gelegentliche Auftreten eines Klump-fußes.

Die orthopädische Therapie bezieht sich auf die Korrektur der Fehlstellungen. Es kommen Aufrichtungsosteotomien und knöcherne Achskorrekturen zur Be-seitigung der Coxa vara oder der Achsfehl-stellungen in Frage [3, 5, 9, 16]. Die Klump-füße werden nach den einschlägigen Be-handlungskriterien therapiert. Eine atlan-toaxiale Instabilität kann die Notwendig-keit einer operativen Stabilisierung mit sich bringen [2]. Begleitet werden die-se Maßnahmen durch regelmäßige phy-siotherapeutische Behandlungen, um die Gelenkbeweglichkeit und die unabhän-gige Mobilität zu erhalten. Die orthopä-dischen Therapiemaßnahmen zeigen sehr gute Ergebnisse, wenngleich ein gewisses Risiko zum Wiederauftreten der Fehlstel-lung besteht. Die Korrekturmaßnahmen müssen dann wiederholt werden.

Im Erwachsenenalter müssen die Pa-tienten mit einem vorzeitigen Gelenk-verschleiß v. a. der Gelenke der unteren Extremitäten rechnen. Dadurch kann es zu einer massiven Einschränkung der Gehleistung kommen, die letztendlich nur durch einen endoprothetischen Ge-lenkersatz verbessert werden kann. Häu-fig müssen Spezialimplantate verwendet werden [1]. Viele Patienten leiden auch an zunehmenden Rückenschmerzen, die durch fortschreitende Degeneration, aber auch durch zunehmende Kyphosierung der Brustwirbelsäule, Hyperlordose der Lendenwirbelsäule oder die Beschwerden bei Vorliegen einer Skoliose entstehen. In aller Regel lassen sich diese Beschwerden am besten konservativ therapieren.

Zusammenfassung · Abstract

Orthopäde 2008 · 37:8–16   DOI 10.1007/s00132-007-1179-z© Springer Medizin Verlag 2007

T. Wirth

Spondyloepiphysäre und metaphysäre Dysplasie

ZusammenfassungDie spondyloepiphysäre, die metaphysäre und die spondylometaphysäre Dysplasie sind vererbbare Skeletterkrankungen, die neben Minderwuchs v. a. Achsdeformitäten der un-teren Extremitäten und Wirbelsäulenverän-derungen bedingen. Sie unterscheiden sich in ihrer Pathophysiologie, im Erbgang, in ih-rem klinischen und radiologischen Erschei-nungsbild. Der Orthopäde behandelt die Ma-nifestationen der Erkrankungen an der Wir-belsäule und am Achsskelett. Die Patienten 

können behandlungspflichtige Instabilitäten der Halswirbelsäule oder Deformitäten der ganzen Wirbelsäule aufweisen. Viel häufiger sind schwere Achsfehlstellungen der unteren Extremitäten, v. a. die kongenitale Coxa vara, Genua vara und Genua valga.

SchlüsselwörterSkelettdysplasien · Coxa vara congenita · Ge-nu varum · Genu valgum · Achskorrektur

Spondyloepiphyseal and metaphyseal dysplasia

AbstractSpondyloepiphyseal, metaphyseal and spon-dylometaphyseal dysplasias are a group of hereditary skeletal diseases, which lead to small stature, axial deformities of the lower extremities and spinal deformities. They dif-fer in pathophysiology, heredity and in their clinical and radiologic appearance. The ortho-paedic surgeon treats the spinal manifesta-tions and the axial malalignment of the dis-ease. Among the spinal deformities there are instabilities of the upper cervical spine as well as structural deformities like kyphosis and scoliosis. More frequently, the axial malalign-ment caused by congenital coxa vara, severe genu varum or genu valgum requires treat-ment. These deformities are managed by cor-

rective osteotomies of the proximal femur, supracondylar or proximal tibial osteotomies around the knee and by temporary epiphy-seodeses. Despite a high recurrence rate re-quiring repeated surgery the patients report great satisfaction with the treatment results. Well-timed orthopaedic treatment helps avoid or delay the inevitable long-term se-quelae of untreated patients such as painful degenerative changes of the spine or early onset of severe osteoarthritis.

KeywordsSkeletal dysplasia · Congenital coxa vara · Ge-nu varum · Genu valgum · Correction of axi-al deformity

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Abb. 5 8 Beispiel für die orthopädische Therapie bei der Tarda-Form der spondyloepiphysären Dysplasie: a Schwere Genua valga wurden durch eine temporäre Epiphyseodese des distalen medialen Femur beidseits mit Blount-Klammern korrigiert (b). c Korrekturverlust nach Klammerlockerung. d Erneute erfolgreiche Korrektur mit der besser verankerbaren Eight-Platte

Abb. 6 9 Typisches ra-diologisches (a) und klinisches (b) Erschei-nungsbild eines Pati-enten mit metaphy-särer Dysplasie Typ Schmid: ausgeprägte Genua vara, verbrei-terte Metaphysen, un-ruhig konfiguriert, Minderwuchs

Abb. 7 8 Radiologisches Erscheinungsbild der metaphysären Dysplasie Typ Jansen: schwerer Minderwuchs, Coxa vara beidseits, schwere Ge-nua vara. Man beachte die massiv verbreiterte Wachstumsfuge. Die Epiphysen erscheinen nor-mal

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Leitthema

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Tarda-Form

Bei der Tarda-Form gibt es 3 verschie-dene Vererbungsmuster: eine X-Chro-mosom-gebundene Form, eine autoso-mal rezessive und eine autosomal domi-nante Form [12]. Eine Verknüpfung mit einer progressiven Nephropathie, Lym-phopenie und defekter zellulärer Immu-nität wird immunoossäre Dysplasie nach Schimke genannt [6]. Die Tarda-Form manifestiert sich erst im Schulalter oder zu Beginn der Pubertät, da die unglei-chen Körperpropor tionen und der rela-tive Kleinwuchs anfänglich klinisch nicht in Erscheinung treten. Oft sind bei der Tarda-Form auch nicht alle Gelenke be-troffen. In überwiegender Zahl finden

sich die Veränderungen an den Hüft- und Schultergelenken. Im Verlauf können sich bereits im frühen Erwachsenenalter schwere schmerzhafte Arthrosen einstel-len. Die Wirbelkörper entwickeln eine ty-pische gewölbte Form mit einem zentra-len Buckel.

Die orthopädische Therapie hat 2 Zielrichtungen: Behebung der sich ent-wickelnden Achsdeformitäten während des Wachstumsalters und Behandlung der schmerzhafte Arthrosen des Erwach-senen. Besonders hilfreich ist während des Wachstumsalters der Einsatz der He-miepiphyseodese zur Wachstumslenkung [16], die bevorzugt als temporäre Epiphy-seodese angewendet wird (. Abb. 5). Zur Therapie der Arthrosen kann frühzeitig die Implantation einer Endoprothese er-forderlich werden [1].

Metaphysäre Dysplasie

Die Familie der metaphysären Dysplasien ist durch eine Störung am metaphysären Ende der Wachstumsfuge in der Zone der Kalzifikation gekennzeichnet. Es gibt im Wesentlichen 3 verschiedene Typen:F  Der Typ Schmid ist der häufigste.

Hier liegt auf Chromosom 6 eine he-

terozygote Mutation im Gen für das Kollagen X, einem kurzkettigen Kol-lagen, das von den hypertrophen Chondrozyten exprimiert wird, vor [21]. Die Veränderung betrifft die α1-Kette des Kollagen X (COLA). Der Erbgang ist autosomal dominant [].

F  Der Typ Jansen ist eine ebenfalls auto somal dominant vererbte meta-physäre Skelettdysplasie, die mit ei-ner Hyperkalziämie, Hypophospha-tämie und niedrigen bis nicht nach-weisbaren Parathormon- (PTH-)Spie-geln vergesellschaftet ist. Sie ist die schwerste und gleichzeitig seltenste Form der metaphysären Dysplasie. Auf Chromosom 3 liegt eine hetero-zygote PTH/PTHrP-Rezeptor-Mutati-on vor, die die vom PTH-related-Pep-tide (PTHrP) abhängige Regula tion von Chondrozytenwachstum und -differenzierung beeinträchtigt [17].

F  Der Typ McKusick wird auch als Car-tilage-Hair-Hypoplasia (CHH) be-zeichnet und ist genetisch durch Mu-tationen des RMRP-Gens, lokalisiert auf Chromosom 9p13, verursacht. Hier kommen neben Minderwuchs eine typische ganz schüttere, feine

Abb. 8 8 Beispiel für ein wenig geeignetes or-thopädisches Therapieverfahren bei der meta-physären Dysplasie: die temporäre Epiphyse-odese wie hier an der proximalen lateralen Ti-bia konnte bei ausbleibender Größenzunahme keine Achskorrektur herbeiführen (Patient von . Abb. 6)

Abb. 9 7 Beispiel für die orthopädische The-

rapie bei der spondy-lometaphysären Dys-plasie (Sutcliffe-Typ). Die schwere Coxa va-ra wurde durch eine 

aufrichtende Osteoto-mie, das massive Genu 

varum durch eine Tibia-kopfpendelosteotomie korrigiert (a präopera-

tiv, b postoperativ)

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Behaarung und ein Morbus Hirsch-sprung vor [10].

Die Veränderungen am Skelettsystem sind bei den metaphysären Dysplasien weitgehend einheitlich. In Abhängig-keit des Erkrankungstyps liegt ein aus-geprägter, die Extremitäten betreffender Minderwuchs vor. Bei den Typen Jansen und McKusick ist dies bereits bei der Ge-burt auffällig. Es kommt zu einer Coxa va-ra und zu sehr ausgeprägten Genua vara, die sich beim Typ Schmid erst im Klein-kindalter manifestieren (. Abb. 6a ). Bei der CHH (McKusick) sind die Genua va-ra meist nicht sehr stark. Die Patienten zeigen aufgrund der Insuffizienz der pel-vitrochantären Muskulatur ein typisches watschelndes Gangbild. Sie haben sehr häufig Hüft- und Kniebeugekontrakturen in eher milder Ausprägung. Dennoch zei-gen sie deshalb oft eine lumbale Hyperlor-dose (. Abb. 6b).

Das radiologische Erscheinungsbild des Typs Schmid ist sehr charakteristisch. Die Metaphysen der langen Röhrenkno-chen sind verbreitert, medial ausgezo-gen und unregelmäßig konfiguriert. Die Wachstumsfugen sind klassischerweise verbreitert. Dieses Phänomen ist beim Typ Jansen am stärksten sichtbar (. Abb. 7). An den Hüften entstehen die typischen Formen der Coxa vara, bei der der Schen-kelhals verkürzt und die Wachstumsfuge steiler gestellt ist [7]. Dies führt zu einem Trochanterhochstand (. Abb. 6a). Die

Epiphysen sind bei der klassischen meta-physären Dysplasie im Röntgenbild im-mer normal.

Für den Orthopäden stehen die Coxa vara und Genua vara therapeutisch im Mittelpunkt. Die Varusfehlstellung des oberen Sprunggelenks ist gelegentlich auch separat in der Therapie zu berück-sichtigen. Dabei kommt die valgisieren-de intertrochantäre Osteotomie zur Auf-richtung der Coxa vara in Betracht. Al-lerdings muss der Zeitpunkt überlegt ge-wählt werden, da eine nicht unerhebliche Rezidivneigung während des Wachstums besteht.

Die Genua vara werden in der Regel akut durch valgisierende suprakondyläre Osteotomien, valgisierende Osteotomien der proximalen Tibia oder eine Kombi-nation beider Verfahren korrigiert. Der Ort der Korrektur richtet sich dabei nach dem Ort der Fehlstellung. Korrekturen durch temporäre Epiphyseodesen haben sich in unseren Händen als nicht so effi-zient erwiesen, da das Korrekturpotential bei der Grunderkrankung unzureichend ist (. Abb. 8). Darüber hinaus kann auch eine supramalleoläre Osteotomie zur Stel-lungsverbesserung des oberen Sprungge-lenks indiziert sein.

Spondylometaphysäre Dysplasie

Unter den Skelettdysplasien mit metaphy-sären Veränderungen der langen Röhren-knochen gibt es 2 Formen, die wegen Be-

teiligung der Wirbelsäule als spondylo-metaphysäre Dysplasie bezeichnet wer-den [13]. Es handelt sich um den Kozlow-ski-Typ und den „corner fracture type“ oder Typ Sutcliffe [19]. Beide zeigen eine autosomal dominante Vererbung. Wäh-rend die Wirbelsäulenbeteiligung beim Kozlowski-Typ mit sehr auffälliger Pla-tyspondylie und Entwicklung einer pro-gredienten Kyphoskoliose ausgeprägt ist, zeigt der Typ Sutcliffe diskretere Ossifi-kationsstörungen an den Wirbelkörpern. Der Typ Sutcliffe hingegen ist eher von den radiologisch sichtbaren Frakturen kleiner eckiger metaphysärer Fragmente geprägt (. Abb. 9a). Am häufigsten fin-den sich teils sehr schwere Varusfehlstel-lungen des proximalen Femurs oder der proximalen Tibia.

Die orthopädische Therapie betrifft die Korrektur der entstandenen Fehlstel-lungen, insbesondere die Aufrichtung der Coxa vara und die Achskorrektur der Ge-nua vara (. Abb. 9b). Der Sutcliffe-Typ ist differentialdiagnostisch von der kon-genitalen Form der spondyloepiphysären Dysplasie abzugrenzen, die klinisch sehr vergleichbare Erscheinungsbilder auf-weist, aber molekulargenetisch identifi-ziert werden kann.

Diskussion

Die in dieser Übersicht besprochenen Skelettdysplasien, die spondyloepiphysäre und die metaphysäre Dysplasie mit der

Tab. 1  Überblick über die Genetik und die Pathophysiologie der im Text beschriebenen Skelettdysplasien

Skelettdysplasien Genlokus Molekular-pathologie

Protein Vererbungsmodus Besondere Befunde

Spondyloepiphysäre Dysplasie

Kongenital (Spranger-Wiedemann) Chromosom 12 COL2A1 Kollagen II Autosomal dominant  

Tarda Chromosom Xp22 SEDL SEDLIN-Protein X-gebunden rezessiv  

        Autosomal dominant  

Immunoossäre Dysplasie (Schimke) Chromosom 2q35 SMARCAL1 SNF2-Protein Autosomal rezessiv Nephropathie,  Immundefekt

Metaphysäre Dysplasie

Typ Schmid Chromosom 6 COL10A1 Kollagen X Autosomal dominant  

Typ Jansen Chromosom 3 PTH/PTHrP PTH/PTHrP-Rezeptor Autosomal dominant Kalzium/Phosphat

          Stoffwechsel gestört

Typ McKusick (CHH) Chromosom 9p13 RMRP RNA-Endoribonuklease Autosomal rezessiv Schüttere Haare

          Morbus Hirschsprung

Spondylometaphysäre Dysplasie

Typ Kozlowski Unbekannt Unbekannt Unbekannt Autosomal dominant  

Typ Sutcliffe (corner fracture type) Unbekannt Unbekannt Unbekannt Autosomal dominant  

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Leitthema

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spondylometaphysären Dysplasie, stellen in sich heterogene Gruppen von Skelett-dysplasien dar, deren pathologische Aus-wirkungen einen jeweils einheitlichen Be-reich der langen Röhrenknochen oder der Wirbelsäule betreffen (. Tab. 1). Die He-terogenität bezieht sich auf mehrere Fak-toren. Zum einen gibt es unterschiedliche pathophysiologische Ursachen für die Wachstumsstörung, zum anderen liegt ein breites Spektrum des klinischen Ausprä-gungsgrades und Erscheinungsbildes vor. Außerdem ist in beiden Gruppen ein un-terschiedliches Vererbungsmuster nach-gewiesen.

Der Orthopäde wird regelmäßig mit den an sich seltenen Krankheitsbildern konfrontiert, da alle Skelettdysplasien zu Achsfehlstellungen an Hüfte, Knie und oberem Sprunggelenk und seltener an der oberen Extremität führen. Außerdem wird der Orthopäde häufig zur Beurtei-lung eines proportionierten oder dys-

proportionierten Minderwuchses kon-sultiert. Die Wirbelsäule ist v. a. bei der spondyloepiphysären Dysplasie betroffen, am schwerwiegendsten durch die atlanto-axiale Instabilität der Halswirbelsäule. Bei klinischer, insbesondere drohender oder manifester neurologischer Symptomatik ist die operative Stabilisierung der Hals-wirbelsäule erforderlich [1].

Viele Patienten mit spondyloepiphy-säer Dysplasie entwickeln im Jugend-alter chronisch rezidierende Rücken-schmerzen. Die Therapie ist in aller Regel konservativ. Der Typ Kozlowski aus der Gruppe der spondylometaphysären Dys-plasien führt zu einer progredienten Ky-phoskoliose. Bei rascher Progredienz oder ausgeprägten Befunden kann sich die In-dikation zur operativen Korrektur und Spondylodese ergeben [19].

Die weitaus häufigsten orthopädischen Interventionen betreffen aber die Achsde-formitäten der unteren Extremitäten. Bei

allen Formen der spondyloepiphysären Dysplasien, besonders aber bei der Tar-da-Form liegen Genua valga als haupt-sächliche Achsdeformitäten vor. Der Typ Spranger-Wiedemann kann aber auch mit schweren kongenitalen Coxae varae und ausgeprägten Genua vara aufwarten. Er ähnelt dann der spondylometaphysären Dysplasie vom Sutcliffe-Typ. Die Pati-enten mit metaphysären Dysplasien prä-sentieren sich hingegen einheitlich mit schweren, meist progredienten Genua va-ra. Neben der genetischen Differenzier-barkeit unterscheiden sie sich auch durch das klinische und radiologische Erschei-nungsbild.

Die orthopädische Therapie der Fehl-stellungen ist von großer Wichtigkeit, da spontane Korrekturen der Fehlstellungen normalerweise ausbleiben. Die Gangstö-rung nimmt zu, das Gehen wird immer beschwerlicher, Kontrakturen können entstehen. Für die Korrektur der Coxa

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vara ist die valgisierende Osteotomie des proximalen Femurs (z. B. in der Technik nach Pauwels) die Behandlung der Wahl. Wir streben möglichst eine gewisse Über-korrektur an, da die Wachstumsstörung persistiert und das Rezidivrisiko hoch ist. Die Genua valga bei spondyloepiphysärer Dysplasie lassen sich sehr gut durch ei-ne Epiphyseodese korrigieren, wobei wir die temporäre Epiphyseodese eindeutig bevorzugen. Die Patienten besitzen das Wachstumspotential, um die Achse zu be-gradigen [16].

Der Zeitpunkt des Eingriffs ist oft nicht ganz einfach zu wählen. Bei jüngeren Kin-dern stellen wir die Indikation, wenn die Fehlstellung schwerwiegend ist oder wenn die Kinder eindeutige Symptome haben. Wir wählen heute bei Kindern <10 Jahren auf jeden Fall die Eight-Platte, da die Ver-ankerung sicherer ist als mit der Epiphy-senklammer, die in dieser Altersgruppe immer wieder ausgelockert ist [16]. Ältere Kinder können sehr gut mit der konventi-onellen Epiphysenklammerung behandelt werden. Kinder mit metaphysären Dys-plasien profitieren unserer Ansicht nach nicht von der Epiphyseodese als Verfah-ren zur Korrektur ihrer Genua vara. Meist kann nur die Verschlechterung aufgehal-ten werden, aber die Korrektur der Bein-achse bleibt aus [16]. Deshalb führen wir bei Patienten mit metaphysären Dyspla-sien Osteotomien durch, je nach Fehlstel-lung entweder suprakondylär oder im Be-reich des Tibiakopfs. Eine Alternative ist das Verfahren der Hemichondrodiastase mittels Fixateur externe, mit dem erfolg-reiche Korrekturen erzielt wurden [9]. Das Operationsalter orientiert sich wie-der am Ausmaß der Fehlstellung und an den damit verknüpften Beschwerden.

Einige Patienten wünschen sich mit der Korrektur der Achsfehlstellung auch eine gewisse Verlängerung der Extremität zur Minderung des Kleinwuchses. Dann kommt das Verfahren der Kallusdistrak-tion mit Achskorrektur unter Verwen-dung eines Ringfixateurs in Betracht [5, 8]. Wir stellen die Indikation sehr kritisch, insbesondere wenn der Verlängerungsef-fekt im Vordergrund steht.

Die größte Herausforderung in der or-thopädischen Therapie der Patienten mit den beschriebenen Skelettdysplasien ist die Rezidivfreudigkeit der Fehlstellun-

gen nach Korrektur. So gibt eine Untersu-chung zur Operationsfrequenz unter die-ser Patientengruppe an, dass eine durch-schnittliche Operationshäufigkeit von zwischen 1,5 und 2,7 operativen Eingrif-fen je operiertem Patienten zu verzeich-nen war [11]. Auch im eigenen Kranken-gut ist dieses Phänomen offensichtlich.

Wiederholungsoperationen betrafen in unserem Patientenkollektiv v. a. die Korrekturen der Coxa vara und des Ge-nu varum. Valgusfehlstellungen verhiel-ten sich wesentlich weniger rezidivfreu-dig. Dennoch gelingt es, den Patienten durch die beschriebenen orthopädischen Maßnahmen über die die Mobilität und Selbständigkeit gefährdenden Fehlstel-lungen hinwegzuhelfen. Die Zufrieden-heit der Patienten mit der operativen or-thopädischen Behandlung ist bei Beurtei-lung der Ergebnisse nach Wirbelsäulen-operationen und Extremitäteneingriffen gleichermaßen sehr positiv [11].

Fazit für die Praxis

Durch aufrichtende Osteotomien des proximalen Femurs, suprakondyläre Fe-murosteotomien, Tibiakopfosteoto-mien und durch Wachstumslenkung mit-tels temporärer Epiphyseodesen können Fehlstellungen beseitigt werden. Trotz großen Rezidivrisikos zeigen die Pati-enten durchschnittlich eine hohe Zufrie-denheit mit dem Behandlungsergebnis. Die zeitgerechte orthopädische Thera-pie hilft die unbehandelt entstehenden Spätschäden wie schmerzhafte degene-rative Wirbelsäulenveränderungen oder frühzeitige schwere Arthrosen zu vermei-den oder hinauszuzögern.

KorrespondenzadresseProf. Dr. T. WirthOrthopädische Klinik, Olgahospital Klinikum StuttgartBismarckstraße 8, 70176 [email protected]

Interessenkonflikt.  Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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16 |  Der Orthopäde 1 · 2008

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