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25Heilberufe / Das P� egemagazin 2013; 65 (11)

Infusionen

Störungen im Wasser- und Elektrolytehaushalt behandelnZiel jeder Infusionstherapie ist die Erhaltung oder Wiederherstellung der Homöostase – des Gleichgewichts des inneren Milieus des Organismus. Neben der physiologischen Elektrolytkonzentration, dem intakten Säure-Basen-Haushalt und der Nährstoffzufuhr gehört dazu auch die Arznei-mittelgabe, die Osmotherapie und das Offenhalten von Gefäßen.

Mehrmals pro Dienst verteilen Pflegende angeordnete Arzneimittel.

Wir stellen die wichtigsten mit Indikation, Wirkung und Nebenwirkung vor.

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Das Verordnen einer Infusionsthe-rapie mit den einzelnen Inhalts-stoffen ist Aufgabe des Arztes. Die

Vorbereitung, Durchführung und Überwachung der Infusion liegt jedoch in der Handlungskompetenz der Pflege-fachkräfte. Weil sich aber Erreger schnell in die Lösung einschleusen können oder Rechenfehler beim Mischen oder Ein-stellen der Tropfgeschwindigkeit der Infusion auftreten, ist ein sehr genaues und gewissenhaftes Arbeiten erforder-lich. Nur so lassen sich die verheerenden Folgen für den Patienten verhindern.

Physiologie des Wasser- und ElektrolythaushaltesDie Aufrechterhaltung des Wasser-, Elek-trolyt- und Säure-Basen-Gleichgewichts ist für unseren Organismus lebensnot-wendig. Den größten Teil des Körperge-wichts nimmt Wasser ein, das in und zwischen den Zellen sowie in den Blutge-fäßen als Plasmawasser gespeichert ist. 75% des Gewichtes eines Neugeborenen ist Wasser. Beim Erwachsenen macht das Wasser immer noch circa 60% des Kör-pergewichts aus. Dabei bestehen zwischen Mann und Frau größere Unterschiede, denn Frauen haben mehr Körperfett, Männer dagegen mehr Muskelmasse. Das Fettgewebe enthält aber viel weniger Was-ser, so dass der Anteil des Wassers am

Körpergewicht bei Frauen geringer ist als bei Männern.

Der tägliche Mindestbedarf an Wasser beträgt für den erwachsenen Menschen circa 1,5 l und für Säuglinge mindestens 300 ml. Wasser wird vom Körper vorwie-gend über die Nieren ausgeschieden. Au-ßerdem verdunstet durch bzw. über die Haut Flüssigkeit (Perspiratio insensibilis). Zum kleinen Teil ist auch in den Fazes (Stuhl) und in der ausgeatmeten Luft noch Wasser enthalten. In Mitteleuropa liegt der durchschnittliche Wasserumsatz eines Erwachsenen bei 2,4 l. Diese Menge setzt sich aus der eingenommenen Flüssigkeit (Getränke wie Wasser, Bier, Tee und Sup-pen) und dem in der festen Nahrung ent-haltenem Wasser zusammen. Daneben erzeugt der Körper mit Hilfe von Stoff-wechselreaktionen selbst noch Wasser (Oxidationswasser).

Außer der Wassermenge selbst sind noch die gelösten Elektrolyte und das richtige Verhältnis von Säuren und Basen (im Plasmawasser) für die volle Funkti-onsfähigkeit unseres Körpers wichtig.

Störungen im WasserhaushaltStörungen des Wasserhaushalts betreffen einmal größere Wasserverluste, aber auch zu große Wasseransammlungen im Kör-per. Folgende Probleme können zu grö-ßeren Wasserverlusten fuhren:

▶ Diarrhö ▶ Großflächige Verbrennungen ▶ Erbrechen ▶ Blutverluste ▶ Fieber ▶ Starkes Schwitzen

Ödeme, Infusion zu großer Volumina, Aldosteronüberschuss (Mineralkortikoid) oder zu viel antidiuretisches Hormon können dagegen zu einem Wasserüber-schuss führen. Ihre Behandlung erfolgt meist mit Diuretika, die zu vermehrter

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PflegePraxis Serie Arzneimittellehre

Wichtige Elektrolyte und empfohlene Zufuhr für Erwachsene in g/TagNa+ K+ Ca++ Mg++ Cl- P2–3 3–4 0,8 0,30–0,35 3–5 0,8

InfusionstherapieEine Infusion bezeichnet das lang-same, meist tropfenweise Einfließen von Flüssigkeit(en) in den Körper. In der Klinik ist damit häufig die intra-venöse Infusion gemeint. Intaarterielle (z.B. in der Angiologie) oder subkuta-ne Infusionen werden dagegen nur selten angewandt. Bei Notfällen in der Pädiatrie wird auch die intraossäre In-fusion eingesetzt.Generell sollten Infusionen erst kurz vor ihrer Verabreichung gerichtet wer-den, um evtl. eingebrachte Erreger keine Zeit zur Vermehrung zu geben.

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Wasserausscheidung über die Nieren füh-ren, und kausaler Behandlung der die Wasseransammlung auslösenden Stö-rungen (Verkleinerung der Infusionsmen-gen).

Ein Wassermangel durch starkes Schwitzen und Fieber kann einfach durch Trinken entsprechender Flüssigkeitsmen-gen behoben werden. Meist handelt es sich aber um einen Mangel an Wasser und Elektrolyten (Schweiß enthält Wasser und gelöste Salze).

Störungen im ElektrolythaushaltDie Verteilung der Salze ist in der extra-zellulären Flüssigkeit anders als in den Zellen. Während in den Zellen vor allem Kaliumionen und Protein Anionen (ne-gativ geladene Ionen) zu finden sind, herrschen außerhalb der Zellen Natrium- und Chlorid-Ionen vor. Diese spezifischen Unterschiede sind für die verschiedenen Körperfunktionen wie für das Aktions-potential (elektrische Reizleitung) wichtig.

Störungen können auch einzelne Ionen betreffen, z.B. Kaliummangel. Zur Behe-bung dieser Störung ist es nötig, gezielt das entsprechende Salz (Ion) zu geben. Liegt ein allgemeiner Elektrolytmangel

vor, gibt es spezielle Salzlösungen, die infundiert werden können.

Störungen im Säure-Basen-GleichgewichtDer pH-Wert des Blutes liegt bei 7,4. Schon geringe Abweichungen werfen große Probleme für viele Enzyme auf. Ein Absinken des pH-Wertes unter 7,35 wird als Azidose (saures Blut), ein Übersteigen der 7,45-Marke als Alkalose (alkalisches Blut) bezeichnet. Eine Azidose, die durch eine verminderte Ausatmung von Koh-lensäure (respiratorische Azidose) oder aufgrund veränderter Stoffwechsellei-stungen (metabolische Azidose; bei Dia-betes mellitus) entstanden ist, kann durch die Infusion von Bikarbonatlösungen behoben werden. Vereinzelt finden auch Laktat- und Acetatinfusionslösungen Ver-wendung.

Mangel an SpurenelementenSpurenelemente wie Kupfer, Jod und Brom sind nur in sehr kleiner Menge im Körper vorhanden und wirksam. Ihr Feh-len (in der Nahrung) jedoch führt zu Mangelerscheinungen. Medikamente, die ein breites Spektrum an Spurenelementen enthalten, sind beispielsweise Addel®, Tra-citrans®, Inzolen® oder Tracutil®. Diese Ampullen können den Infusionslösungen zugesetzt werden, damit die Patienten auch bei langfristiger Infusionstherapie keinen Mangel an Spurenelementen er-leiden.

Patienten, die langfristig eine Infusi-onstherapie benötigen und auch mit Hil-fe von Infusionen ernährt werden, benö-tigen neben der Infusionstherapie auch die täglich notwendigen Vitamine. Es

müssen sowohl die wasserlöslichen als auch die fettlöslichen Vitamine supple-mentiert werden. Dies ist besonders für Patienten wichtig, die nur noch parenteral ernährt werden. Folgende Medikamente können dabei als Vitaminzusatze den In-fusions- oder Ernährungslösungen zuge-geben werden: Vitalipid®, Soluvit®, Cer-nevit® oder Frekavit®.

Allgemeine Aspekte der InfusionstherapieDas Ziel der Infusionstherapie muss es sein, das Gleichgewicht von Wasser-, Elektrolyt- und Säure-Basen-Haushalt wiederherzustellen (Homöostase). Dabei ist zwischen einem Erhaltungsbedarf (bei dem nur die durch normale Ausscheidung verlorenen Stoffe wieder ergänzt werden müssen) und einem Korrekturbedarf zu unterscheiden. Der Korrekturbedarf muss pathologische Verluste, wie sie zum Bei-spiel durch häufiges Erbrechen entstehen, wieder ersetzen. Folgende Arten von In-fusionslosungen stehen zur Verfügung:

▶ Grundlösungen: Hierbei handelt es sich um Kohlenhydratlösungen (Zuckerlö-sungen), die keine Salze enthalten.

▶ Elektrolytkonzentrate: Diese Lösungen enthalten die Salze in konzentrierter Form. Sie werden den Grundlösungen zugemischt.

▶ Vollelektrolytlösungen: Die Salze dieser Zubereitungen haben die gleiche Kon-zentration wie im Blutplasma.

▶ Halbelektrolytlösungen: Sie enthalten die Salze nur in der halben Konzentra-tion wie sie normalerweise im Blutplas-ma zu finden sind. Durch Zusatz von Kohlenhydraten können sie den Plas-maverhältnissen angeglichen werden. Solche Lösungen dienen v. a. dem Er-satz von Wasserverlusten.

Dr. Hermann PlötzLeiter der Apotheke des Krankenhauses der Barmher-zigen Brüder Regensburg Bergschneider Str. 25 94330 Salching Hermann.Ploetz@barmher-

zige-regensburg.de

Buchtipp

Plötz, Hermann Arzneimittellehre für Fachberufe im Gesundheitswesen Springer-Verlag Ber-lin Heidelberg, 2013. 6. Aufl. ISBN 978-3-642-29986-5; 22,95 €.

Spurenelement Mangelerscheinungen Depotmenge Empfohlene Zufuhr/Tag

Eisen Eisenmangelanämie 4–5 g, davon 800 mg mobilisierbar

Menstruierende Frauen 18 mg, sonst 12 mg Fe++

Fluor Unbekannt Zur Kariesprophylaxe 1 mg, ab 5 mg toxisch (Osteoskle-rose)

Jod Struma; Hypothyreose 10 mg 180–200 μg

Kupfer Eisenresorptionsstörungen, Anämie, Pigmentstörungen

100–150 mg 2–4 mg

(aus: Schmidt u. Thews 1990)

TAB. 1 SPU R E N E LE M E NTE


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