Langenbecks Arch Chir (1995) 380:247-248 © Springer-Verlag 1995
G. Feifel
Tradition und Fortschritt in der Korrektur von groSen Narbenbriichen
Das Problem einer stabilen Korrektur groger Narben- brtiche begleitet die Abdominalchirurgie bis in unsere Tage. In prospektiven Studien wird die H~ufigkeit einer postoperativen Fasziendehiszenz nach gr6geren Abdomi- naleingriffen mit 1-3 % registriert [ 11 ]. Die H~iufigkeit von Bauchwandbrtichen wird mit 2-11% angegeben, wovon ein Teil wegen ihrer Gr6Be nicht mehr oder nur unter ho- hem Rezidivrisiko direkt verschlossen werden kann [15]. Es ist deshalb verst~indlich, dab seit der Jahrhundertwende immer wieder Versuche unternommen wurden, um die Sta- bilit~it der Bauchwand im Rahmen der Bruchoperationen zu sichern. Als alloplastische Materialien kamen zun~ichst Metallnetze (Silber, Tantal, Stahl) sp~iter Kunststoffnetze aus Polyamidfasern zur Anwendung [3, 15, 19, 20]. Die autoplastischen Verfahren mit Faszie, Kutis bzw. Corium wurden von Kirschner 1919, Loewe 1913, Rehn 1914, Le- zius 1946 und Stengel 1956 erarbeitet [6, 13, 16, 20].
MeiBner verglich 1957 die in der Nachkriegszeit publi- zierten Ergebnisse beider Verfahren. Bei 214 Patienten mit Kutisplastik wurden 8,9% Komplikationen und bei 167 Operationen mit Kunststoffnetzen 19% Komplikatio- nen beobachtet [8]. Obereinstimmend wird von den Nte- ren Autoren hervorgehoben, dab die Einheilung der Ku- tisplastik auch beim Auftreten von Infektionen gew~ihrlei- stet war, w~ihrend in dieser Situation die Kunststoffnetze entfernt werden mugten. Auf die vielffiltigen Verwen- dungsm6glichkeiten der Dermisplastik u.a. auch zum Er- satz der Bauchdecke, hat Bruck 1963 hingewiesen [1]. Die bereits von Rehn aufgezeigte funktionelle Anpassung des Bindegewebes wurde durch Wilker et al. 1982 erneut be- st~ttigt [13, 18]. Ftir die Kutisplastik bei grogen Bauch- wandhernien gibt es in der neueren Literatur jedoch nur noch wenige Mitteilungen [4, 10, 17]. f~ber die umfang- reichsten Erfahrungen verftigt die Bochumer Arbeits- gruppe, die bei einer mittleren Nachbeobachtungszeit von
G. Feifel ([]) Abteilung Allgemeine-, Abdominal- und Geffigchirurgie, Chirurgische Universit~tsklinik, D-66421 Homburg/Saar
4,6 Jahren bei 130 Patienten 3,8% Rezidivhernien fand [14].
lm Atlas der Bauchwandhernien yon Madden [7] wird die Verwendung autologer Haut zum Hernienverschlug ohne n~here Begrtindung ausdrticklich nicht mehr emp- fohlen und in der 4. Auflage des Hernien-Klassikers ,,Her- nia" yon Nyhus u. Condon [9] wird die Kutisplastik mit keinem Wort erw~hnt. In der chirurgischen Operations- lehre yon Kremer et al. [5] werden die Ergebnisse der Re- konstruktion mit Kunststoffnetzen oder autologem Ersatz als ebenbtirtig bezeichnet. Um so bemerkenswerter ist das Pl~idoyer yon Schtitter fiJr diese alte chirurgische Technik. Was jedoch zunfichst als eine einfache bew~ihrte Methode imponiert, wird durch die Netzverst~irkung wieder zeit- aufwendiger und im Erfolg schwierig zu beurteilen. Die Beweisftihrung zum Vorteil des Verfahrens (hohe Prim~r- stabilitfit) ist in Anbetracht der Rezidivquote (7 bzw. 15 %), die deutlich tiber derjenigen mit alleiniger Kutisplastik liegt, nicht tiberzeugend.
Mit Recht weisen die Autoren darauf hin, dab die Kol- lektive kaum vergleichbar sind, weil validierte Parameter fehlen. Bedauerlicherweise fehlen sie aber auch in dieser Arbeit: K6rpergewicht und Gr0ge, weitere Risikofaktoren, Herniengr6ge bzw. Abmessung der Kutislappen. Die Ar- gumentation beztiglich NetzverstSrkung ist deshalb so nicht zu halten, denn sie liefert ja geradezu den Beweis, dab die Autoren den geschilderten Vorteilen der Kutispla- stik selbst nicht trauen. Somit wird die gute Absicht, eine bew~ihrte Methode wieder ins Ged~ichtnis zu rufen, in ihr Oegenteil verkehrt. Die alleinige Verwendung resorbier- barer Netze wird nicht kommentiert und man vermiBt Vergleichsdaten unter Verwendung nichtresorbierbarer Netze. Was die Duraplastik betrifft, so ist sie wegen ihrer unsicheren Sterilitfit (Creutzfeld-Jakob-Erkrankung) heute nicht mehr zu empfehlen [9].
Die kritischen Anmerkungen sollten aber den Blick ftir wichtige Fragen, die sich aus der Arbeit ergeben, nicht ver- stellen: Ist die altbew~hrte Kutisplastik zu Unrecht in Ver- gessenheit geraten? Warum tiberzeugt auf diesem Sektor das Sehlagwort ,,Mehr biologisch, weniger synthetisch" nicht? Sind die Chirurgen der Faszination und Bequem-
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lichkeit neuer Material ien erlegen? Wer t ibernimmt die mult izentr ische prospektiv randomisier te Studie zur Klfirung des Problems?
U m nicht miI3verstanden zu werden: Auf synthetische Material ien kann auch bei der Bauchwandrekonst rukt ion nicht mehr verzichtet werden, speziell nicht bei Notfall- eingriffen [2, 12].
Es gilt j edoch den Stellenwert der tradit ionellen, einfa- chen und kostengtinst igen Kutisplast ik bei der Narbenher- nienkorrektur neu zu best immen.
Literatur
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14. Reith HB et al (1990) Cutis plasty: technique and results for re- pair of large abdominal wall defects. Plast Reconstr Surg 85:639-641
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