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Page 1: Über die Durchlässigkeit der menschlichen roten Blutkörperchen für Anionen

(Aus dem Physiologischen Institut der Universit/Ct Kiel.)

Uber die Durehl~issigkeit der mensehliehen roten Blutkiirper- ehen fiir Anionen.

Von Dr. Ernst Wieehmann,

Assistent am Institut.

(Einge~angen am 4. Februar 1921. )

I. Einle i tung.

Die Frage nach der Permeabilit~t tier Zelle ist so alt wie die physi- kalische Chemie selbst. Zu ihrer L6sung waren yon jeher die roten Blutk6rperchen das beliebteste Untersuchungsobjekt, einmal, well sie als freie Zellen und nicht in einem Zellverband vorhanden sind, und dann, weft sie ein leicht zu beschaffendes Objekt darstellen. DaB aus ihrem Verhalten ein Schlu8 auf viele andere K6rperzellen gemacht werden kann, mul] auch nach den bisherigen Kenntnissen angenommen werden.

In ein kritisches Stadium war die Frage nach der Permeabilit~t der roten BlutkSrperchen schon durch die Untersuchungen yon R o n al), M a s i n g ~) und K o z a w a 3) getreten. Dutch die Untersuchungen yon F ~ l t a und R i c h t e r - Q u i r t he r 4) und yon S i e b e c k 5) ist sie neuerdings wieder in den Mittelpunkt der Diskussion gerfickt worden. W~hrend M a s i n g nachwies, dal~ dem Blur zugesetzter Traubenzuckcr in die BlutkSrperchen yon Schwein, Hammel, Kaninchen und Gans gar nicht, in die vom Rind auch nur wenig eintritt, dab jedoch die menschlichen BlutkSrperchen Traubenzucker reichlich aufnehmen, zeigte, K o z a w a gleichzeitig in unserem Insti tut , zum Teil in ~bere ins t immung mit M a s i n g , dal3 die Blutk6rperchen yon Schwein, Hammel, Ziege, Pferd, Rind, Katze, Kaninchen und Meerschweinchen fiir Pentosen, Pentite, Hexosen, Hexite, methylierte Zucker, Disacharide, Aminos~uren, Salze organischer S~uren undurchl~ssig oder hSchs~ens wenig durch- l~ssig sind; die Blutk6rperchen vom Menschen, ,4_ffen und Hund sind

1) Rona und Michaelis, Biochem. Zeitschr. 16, 60. 1909; 18, 375, 1909; 18, 514. 1909. Ron~ und D6blin, ebend~ 3L 215. 1911.

a) E. Masing, Arch. f. d. ges. Physiol. 149, 227. 1913. 3) Shuzo Kozawa, Biochem. Zeitschr. 60, 231. 1914. 4) W. Fal t~ und M. Richter-Q ui t tner , Biochem. Zeibschr. 100, 148. 1919. 5) R. Siebcck, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 8~, 214. 1919.

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dagegen fiir die Monosacharide durchlgssig, ffir die anderen genannten Verbindungen aber gerade so wenig durchl~ssig wie die der iibrigen Sauger. Demgegeniiber behaupten F a l t a und R i e h t e r - Q u i t t n e r l ) , daft sich unter physiologischen Verh~tl~nissen regelmgftig Zucker, Rest- N-KSrper und Chloride ausschlieftlich im Plasma resp. Serum finden. Die Abweichung ihrer Untersuchungsergebnisse yon denen fast aller iibrigen Autoren fiihren sie auf ihre Methode der Plasmu- und Serum- gewinnung zurfick. Naeh ihrer Behauptung sch~tdigen Na-Fluorid, Na-Oxalat, Eiskiihlung und Schlagen zum Defibrinieren die B h t - kSrperchen und machen sie permeabel. Das yon ihnen verwandte Hirudin soll dagegen die BlutkSrperchen in ihrer physiologischen Impermeabilit~t konservieren. B r i n k m a n und v a n D a m 2) bezeich- nen ebenfalls die Erythrocyten yon Froseh und Mensch unter physio- logischen Verh~ltnissen, d. h. solange kein Gerinnungsanfang eingetreten ist, als impermeabel fiir Glucose. Fiir die menschliehen BlutkSrper- chen haben sie den ~achweis indessen nur osmotisch geftihrt. Von den verschiedensten Seiten 3) ist jedoch F a l t a und R i e h t e r - Q u i t t n e r bereits widersprochen worden. Auch wenn die Angaben yon F a l t a und R i c h t e r - Q u i t t n e r ebenso wie die yon B r i n k m a n und v a n D a m zu Reeht bestehen sollten, danu bleibt noeh immer die Frage unbeant- wortet, warum nach K o z a w a nur Permeabilitht der menscMiehen Erythrocyten ffir Monosaeharide, nicht aber ftir ttexite, Disaeharide, Aminos~uren besteht, und warum sich die menschlichen BlutkSrperchen yon denen yon Schwein, Hammel, Ziege, Pferd, Rind, Katze, Kaninchen und Meersehweinehen so weitgehend unterseheiden. S i e b e c k 4) be- leuchtet das Permeabilit~ttsproblem yon einer ganz anderen Seite. Er stellte lest, dal3 im normalen menschliehen defibrinierten Blut das Chlor in fast konstantem Verh~ltnis -- 1 : 2 -- auf die K6rperchen und das Serum verteilt ist, Wurde der grSl3te Teil des Serums durch eine isotonisehe NatriumsulfatlSsung ersetzt, so war das Chlor nachher genau im gleiehen Verhgltnis auf Zellen und L6sung verteilt, wie vorher auf Zellen und Serum. In gleicher Weise zeigte sich, daft die Zellen aueh an eine isotonische Rohrzuckerl6sung Chlor abgeben, jedoeh in der gleichen Zeit nur etwa den vierten Teil tier ~r die sie an die SulfatlSsung abgeben. Durch mehrm~liges Auswaschen mit Natrium- sulfafl6sung wurden die Blutk6rperchen ehlorfrei und zeigten dann

1) loc. cir. 2) Br inkman und van Dam, Arch. internat, de physiol. 15, 105. 1919. - -

Dieselben, Biochem. Zeitschr. 105, 93. 1920. 3) Andrese n, Biochcm. Zeitschr. 1107, 251. 1920. - - Ege, Biochem. Zeitschr.

107, 246. 1920. - - Derselbe, Compt. rend. des S6ances de la Soc. de Biologie 83, 697. 1920. - - t tagedorn, Biochem. Zeitschr. 1107, 248. 1920. - - E. I. Warburg , Biochem, Zeitschr. 107, 252. 1920.

4) loc. cir.

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~ber die Durchl~ssJgkeit der menschlicben roten BlutkSrperchen flir Anionen. 111

immer noeh dieselben osmotischen Eigensehaften wie unver~nderte: in hypotonischer NaC1-LSsung nahmen sie wie sonst an Volumen zu.

Aus allem ergibt sich, da~ die Frage nach der Permeabili t~t der roten BlutkSrperchen eine brennende ist. Soll sie gelSst werden, so kann das nur durch Untersuehungen yon den versehiedensten Seiten aus gesehehen. D e m g e m ~ kSnnen meine auf Anregung yon I te r rn Professor Dr. H S b e r angestellten Versuche, die die Durchl~ssigkeit der roten BlutkSrperchen ffir Anionen behandeln, das Problem nur yon einer Seite aus beleuehten.

II. Eigene Untersuchungen. 1. D ie D u r e h l ~ s s i g k e i t d e r r o t e n B l u t k S r p e r e h e n f f i r d a s

S u l f a t - A n i o n .

In allen Versuchen handelte es sieh um Blur, das normalen mensch- lichen Individuen aus der Vena mediana eubiti entnommen war. U m die Gerinnung zu verhindern, wurde das Blur entweder in dem Zehntel- volumen einer 5proz. Natriumcitrat-L5sung aufgefangen oder mit in einigen Tropfen physiologischer KochsalzlSsung gelSstem Hirudin (E. S a e h s s e & Co.) versetzt. In anderen F~llen wurde das Blur dureh Schfitteln mit Glasperlen oder durch Schlagen defibriniert und dutch Gaze filtriert. Da naeh H a m b u r g e r 1) unter dem EinfluB der Kohlen- s~ure Sulfat-Anionen in die BlutkSrperchen eindringen, wurd e prinzipielt sofort naeh der Entnahme 30 Minuten lang ein kr~ftiger Sauerstoff- s trom dutch das Blut geleitet, um die Kohlens~ure auszutreiben. Dann wurde das Blur zentrifugiert, das Plasma resp, Serum abpipett iert , und die BlutkSrperchen zweimal mit isotonischer KochsalzlSsung ge- wasehen. Von dem gewasehenen BlutkSrperehenbrei und einer iso- tonischen NatriumsulfatlSsung (1,63proz.) wurden gleiehe Volumina mit einander gemischt, und diese Suspension naeh gutem Umschfitteln ffir zwei Stunden in den Eissehrank (durchschnittliche Temperatur ~- 2 bis ~ 3 ~ C.) gestellt. Sedimentierung wurde hie beobachtet. Nach Ablauf der zwei Stunden wurde der Sulfatgehalt der Gesamtsuspension und der Zwisehenflfissigkeit analytiseh ermittelt , und mitre]st Haema- tokri ten der Sulfatgehalt der KSrperchen dann dureh Rechnung gefun- den. Mit dem Haematokri tveffahren l~{~t sich, wie E g e ~) neuerdings wieder gezeigt hat, das wahre BlutkSrperchenvolumen genau ermitteln. Zur Analyse wurde die Gesamtsuspension resp. die Zwischenfliissigkeit nach S c h e n e k enteiweil~t, die.Schwefels~ure in einem aliquoten Teil des Filtrats mit Chlorbarium gef~llt und gravimetrisch Ms BaSO4 bestimmt. Stets wurden Doppelanalysen ausgeffihrt.

1) H a m b u r g e r , Osmotischer Druck und Ionenlehre, Wiesbaden 1902, I, S. 246.

~) R. Ege, Biochem. Zeitschr. 109, 241. 1920.

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I ch gelangte so zu folgenden Ergebnissen :

T a b e 11 e L Die Verteilung des Sulfat-Anions.

Vet- Versuchs- BaS04 g in BaSO4-KSrperchen sucha, datum Art des Blutes 100 ccm Zwi- 100 ccm Blur- BaSO4-Zwischenfliissigkeit

Nr. 1920 schenfliissigkeit kOrperchen

1 26. l I I . Citrat 2,0611 0,2054 1 : 10,0 2 1. IV. Citrat 2,27 0,0632 1 : 35,9 3 13. IV. Citrat 2,524 0,1749 1 : 14,4 4 28. IV. tIirudin 2,428 0,2857 1 : 8,5 5 3. V. Defibriniert 2,454 0,177 1 : 13,9 6 10. V. Citrat 2,484 0,07 1 : 35,5

E in Bl ick auf die vors tehende Tabel le geniigt , um zu zeigen, dab nach Aus t re ibung der Kohlens~ure die menschl ichen ro ten BlutkSrper- chen fas t vSllig impe rmeabe l ffir Su l fa t - Ionen sind. I n Hinb l i ck auf die Behaup tungen yon W. F a l t a und M. R i c h t e r - Q u i t t n e r 1) erscheint auch die Fes t s t e l lung wicht ig , da~ das Verha l ten der ro t en Blutk(irper- chen gegen Su l fa t - Ionen dasselbe ist, ganz gleich, ob es sich um du tch Hi rud in oder durch N a t r i u m c i t r a t unge r innba r gemachtes oder durch Schlagen def ibr inier tes Blur handel t .

2. D i e D u r c h l ~ s s i g k e i t d e r r o t e n B l u t k S r p e r c h e n f f i r d a s C h l o r - A n i o n .

Nachdem sich un te r be s t immten Bedingungen eine fast vSllige Impermeabi l i t i~ t der ro ten Blu tkSrperchen fiir Su l fa t - Ionen ergeben ha t t e , war der gegebene Weg, festzustel len, wie sieh die BlutkSrper- chen gegeniiber Chlor - Ionen verhal ten . Methodisch habe ich mich hierbei an die oben angegebene Anordnung gehal ten. D a naeh Z u n t z 2), H a m b u r g e r 3) und v. L i m b e e k 4) bei E in le i tung yon C02 in Blu t die Menge des t i t r i e rba ren Alkal is im Serum zu-, sein Chlorgehal t abn immt , und da ferner naeh H a m b u r g e r die durch die C02-Zufuhr eingelei tete Versehiebung durch Aus t r e ibung der Kohlensi~ure wieder r i ickg~ngig gemaeh t werden kann, und diese Verschiebung sich auch im Leben for tw~hrend en t sp rechend dem per iodischen Wechsel von h6herem und n iederem CO~-Gehalt des Blutes zwischen den Venen und Ar te r ien ab- spielen sollS), habe ich auch bei diesen Versuchen die KohlensSure dureh

1) Ioc. cir. 2) Z un tz , Inaug.-Diss. Bonn 1868. 3) H a m b u r g e r , Zeitschr. f. Biol. 28, 405. 1892. - - Derselbe, Arch. f. Physiol.

1894. 419. - - Derselbe, Osmotischer Druck und Ionenlehre I, Wiesbaden 1902. 4) v. L i m b e c k , Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 35, 309. 1895. ~) Nach den neuen Untersuchungen yon Fridericia (vgl. Beriehte fiber die ges.

Physiol. 3, 236. 1920) ist der Grund des Chloraustausches zwischen Plasma und Blutk6rperchen in dem H~moglobin zu suchen, das die in die Blutk6rperchen gewanderten Anionen bindet.

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[Tber die Durchllissigkeit der menschlichen roten BlutkSrperchen fiir Anionen. 113

halbstfindiges Durchlei ten von Sauerstoff aus dem Blur auszutreiben versucht.

Das Chlor wurde teils nach der yon S i e b e e k angewendetenl), teils nach der von v. K o r a n y i ~) angegebenen und yon F a l t a und R i c h t e r - Q u i t t n e r a) angewendeten Methode best immt. Beide Me- thoden bewShrten sich gleieh gut. Titriert wurde nach V o l h a r d , Doppelbes t immungen wurden stets ausgefiihrt.

I m nat iven Blur (naeh Sauerstoffdurehleitung) ist die Verteilung des Chlors auf BlutkSrperchen und Plasma resp. Serum folgende:

Tabel le II. Die Verteilung des Chlors im nativen Blur.

Vers.- Versuchs-

Nr. d a t u m 1920

1 8. VI. 2 14. ,VI. 3 21. VI. 4 29. VI. 5 10.VII.

Art des Blu tes

Citrat Defibriniert Hirudin Hirudin Hirudin

Methode

Siebeck Siebeck Siebeck Siebeck Koranyi

cly~ in 100 ccm P l a s m a 100 ccm Blut-

resp. Se rum kSrperehen

262,04 170,3 301,42 209,3 388,0 138,5 350,0 210,1 392,0 126,8

C1-KOrperchen C1-Plasma

(Serum)

1 : 1,5 1 : 1,4 1 :2 ,8 1 : 1,7 1:3,1

Die Versuche zeigen, dal~ im nat iven menschlichen Blur das Plasma resp. Serum immer etwa zweimal soviel Chlor enth~lt wie die Blut- kSrperchen. I n den einzelnen Versuchen schwankt das VerhMtnis des Chlorgehaltes der BlutkSrperchen zu dem des Plasmas resp. Serums zwischen 1 : 1 , 4 und 1 : 3 , 1 ; der Mittelwert ist 1 : 2 , 1 . Meine Werte s t immen im wesentlichen mit denen yon S i e b e c k fiberein, der als Mittelwert ffir das Verh~ltnis des Chlorgehalts der BlutkSrperchen zu dem des Serums 1 : 2,0 land; seine Werte schwanken jedoch in geringerer Breite als die meinigen, n~mlich zwischen 1 : 1,7 und 1 : 2,3. Die Werte, die S n a p p e r a) land, liegen im ganzen etwas hSher als die meinigen, n~mlieh zwischen 1 : 2,2 und 1 : 2,9. Obgleich ich genau den yon F a l t a und R i c h t e r - Q u i t t n e r 5) gemachten Angaben gefolgt bin, kann ich ihre Versuchsergebnisse, nach denen in Blut, das mi t Hirudin inkoa- gulabel gemacht ist, alles Chlorid im Plasma vorhanden ist, n icht best~tigen. Meine Versuche zeigen, daI3 im Hirudinblu t wie im Citrat- blur oder auch im defibrinierten Blur das Verhhltnis des Chlorgehalts der Blu~kSrperchen zu dem des Plasmas oder Serums immer ungef~hr dasselbe ist. I ch mSchte bier auch nicht die Feststellung unterlassen, dab R i c h t e r - Q u i t t n e r 6) selbst im Jahre 1919 eine Arbeit verSffentlicht

1) loc. cir. 2) v. K o r a n y i , Zeitschr. f. klin. Med. 3~, 7. 1897. 3) loc. cit. 4) S n a p p e r , Biochem. Zeitschr. El, 53. 1913. 5) loc. cit. a) M. R i c h t e r - Q u i t t n e r , Biochem. Zeitschr. 95, 179. 1919.

Pfltigers Arch iv f. d. ges. Physiol . Bd. 189.

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114 E. Wiechmann :

hat, aus deren Protokollen hervorgeht, dab das Plasma dieselbe Menge Chlorid enth~lt, ob es nun aus Hirudinblut oder aus Natrium-Oxalat- Blur gewonnen wird.

In einem weiteren Versuch wurde festzustellen versucht, wie sich der Chlorgeha!t der BlutkSrperchen verhi~lt, wenn sie in chlorreieherer L6sung suspendiert sind. Dazu wurde das native Blur sofort nach der Sauerstoffdurchleitung in zwei Tefle geteilt. Ein Tell (a) wurde sofort, wie oben besehrieben, analysiert; vom zweiten Teil wurde ein bestimmtes Volumen BlutkSrperchenbrei mit dem gleichen Volumen isotonischer NaC1-LSsung gemiseht, und diese Suspension (b) fiir zwei Stunden in den Eisschrank gestellt und dann analysiert.

Versuch 1. 19. VII. 1920: Citratblut. Methode Koranyi.

Yers.- ' C1 mg in Ct-KSrperchen

100 c e m l ' l a s m a 100 ecm Blu t - ~ l -P la sma resp. Nr. resp . Zwischenf l i i ss igkei t

Zwischenfl i iss igkei t kSrpe rchen

a 362,2 223,9 1 : 1,6 b 542,6 273,1 1 : 2,0

Es zeigt sich somit, dab eine erhebliche Menge Chlor aus dcr Zwisehen- flfissigkeit in die BlutkSrperchen fibergetreten ist. DaB das Verhi~lt- nis des Chlorgehaltes der BlutkSrperchen zu dem des Plasmas, wie es i m nativen Blut vorhanden war, nicht wiederhergestellt ist, mag sieh daraus erkli~ren, dab in den zwei Stunden bei Eissehranktemperatur noeh kein vollkommener Ausgleich stattf inden konnte. Diese Erkl~rung erscheint umso wahrscheinlicher in Hinbliek auf die yon mir sP~ter (Seite 118) angefiihrten Versuehe fiber den EinfluB der Temperatur und der Zeit auf die Verteilung des Phosphat-Anions zwischen Blutk5rper, chen und Suspensionsflfissigkeit.

Umgekehrt zeigt sieh, daB, wenn die BlutkSrperehen in chlor~rmerer LSsung suspendier~ werden, eine nicht unbetr~ehtliehe Menge Chlor aus den BlutkSrperehen in die LSsung tibertritt. Die Versuehsanordnung war dieselbe wie bei dem vorhergehenden Versueh, nur dab an die Stelle der isotonischen Natriumchlorid-LSsung eine isotonisehe Natrium- uulfat-LSsung trat . Das Ergebnis zeigt folgende Tabelle:

Versuch 2. 23. VII. 1920. Defibriniertes Blur. Methode Koranyi.

Versuehs- 100eem Serum e l -Se rum resp. h u m m e r resp. Fliissig- 100 ccm Blu t -

ke i t ' k 6 r p e r c h e n Zwischenf l i i ss igkei t

] !

a ] 392,2 104,8 [ 1 : 3,7 b t 98,6 83,6 ] 1 : 1,2

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{)~ber die Durchlassigkeit der menschlichen roten Blutk(irperchen fur Anionen. 115

Auch hier ist offenbar der Ausgleich infolge zu km'zer Versuchs- dauer und zu niedriger Temperatur nicht vollkommen zustande gekom- men. S i e b e c k fund in einem i~hnlichen Versuch, dub sich das Chlor nuchher genuu im gleichen Verh~ltnis auf Zellen und LSsung verteilte, wie vorher auf Zellen und Serum. Aber yon ihm wurden die Blut- kSrperchen 4 Stunden lung bei Zimmertemperatur in Nutriumsulfat- LSsung gemischt.

Wie sich bei Suspension der Blutk5rperchen in einer ehlor~trmeren LSsung der ]~bertrit~ des Chlors in die LSsung ullmi~hlich vollzieht, zeigt der folgende Versueh. Hierftir wurden gleiehe Voluminu Blut- kSrperchenbrei und isoton. Natriumsulfat-LSsung miteinander gemischt und a) der Chlorgehult sofort, b) nach zweisttindigem Verweilen der Suspension im Eisschrunk bestimmt.

Versuch 3. 29. VII. ]920. Defibriniertes Blur. Methode Koranyi.

i C1 mg in suchs-u jl 100 ccm Zwi- C1-KSrperchen

nummer schenfliissig- 100 ccm Blur- C1-Zwischenfliissigkeit i keit kSrperchen

a I 62,0 lll ,1 1 : 0,56 b 88,6 "/7,6 ] �9 1,14

gu den Ergebnissen yon H. S t r a u b und K l o t h i l d e M e i e r 1) stehen die meinen in einem Widersprueh, du Chlor-Ionen nach der Deutung, die sie ihren Befunden geben, erst in die BlutkSrperchen eintreten, wenn die Wasserstoffzahl den Weft Ph ~ 6,67 tiberschreitet.

3. D ie D u r e h l ~ s s i g k e i t de r r o t e n B l u t k 5 r p e r c h e n f t i r d a s B r o m - A n i o n . "

Die Versuehe tiber die Durehl~ssigkeit der roten BlutkSrperehen fiir Chlor-Ionen konnten - - wenigstens, w~s die Untersuchungen im nativen Blut anlungt -- kein eindeutiges Resultat liefern, du schon im nutiven Blut Chlor-Ionen vorhanden sind. Es erschien daher inter- essant, festzustellen, wie sich die BlutkSrperchen hinsichtlieh ihrer Durchl~ssigkeit gegeniiber einem underen Anion verhulten wtirden, dus in seinem sonstigen physiologischen Verhulten dem Chlor-Anion sehr nahe steht und sich im wesentlichen genau so wie das Chtor-Anion verh~tlt. )/Is solches hube ich dus Brom-Anion gew~thlt. Die Versuchs anordnung war dieselbe, wie oben bei den Versuchen tiber die Sulfat- durchl~ssigkeit angegeben. Um die Gleichheit der Versuehsanordnung zu wahren, babe ich auch bier durch das Blur 1/2 Stunde einen starken Sauerstoffstrom hindurchgeleitet. I m tibrigen wurden gleiehe Voluminu BlutkSrperehenbrei und is0ton. Natr iumbromid-LSsung (1,678%) mit-

1) H. S t r a u b und K l o t h i l d e Me i e r , 9@, 205. I919. 8*

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einander gemischt, und der Bromgehalt der BlutkSrperchen aus dem Bromdefizit der Zwischenflfissigkeit berechnet. Die Bestim- mung des Broms geschah nach der yon H a r t w i c h 1) angegebenen Methode.

T a b e l l e I I I . D i e V e r t e i l u n g de s B r o m - A n i o n s .

~ NaBr g in NaBr- Versuchs- K 5rperchen

~ i datum Art des Blutes 100 ccm 100 ccm NaBr- Bemerkungen Zwischen- ~ Blut- Zwischen-

~ 1920 fliissigkeit kSrperchen fliissigkeit

1 27. X I . C i t r a t 1,19 0 ,45 1 : 2,6 m i n i m a l e

2 2. XIL Citrat 1,18 0,39 1 : 3,0 H/imolyse 3 15. XII. Defibriniert 1,17 0,36 1 : 3,3 minimale

H/~molyse 4 20. XII. Defibriniert 1,25 0,36 1 : 3,5 minimale

H/imolyse

Die Zwisehenfliissigkeit enthMt also etwa dreimal soviel Brom wie die BlutkSrperchen, gleichgiiltig, ob es sich um durch Natriumcitrat ungerinnbar gemachtes oder um defibriniertes Blut handelt. Die Erwartung, dab das Brom-Anion sieh auch hier ahnlieh wie das Chlor-Anion verhMten wiirde, hat sich also erffillt. Dem Verhaltnis 1 : 2 , 1 des Chlorgehalts der BlutkSrperehen zu dem des Plasmas resp. des Serums im nativen Blur entspricht gut das Verh~ltnis I : 3,1 f/Jr Brom.

~ber die Durchlassigkeit der roten BlutkSrperchen ffir Brom-Ionen liegen bereits Angaben in der Literatur vor. Naeh von W y s s ~) findet sich das ]3rom naeh oraler Zufuhr fast aussehlieBlich im Blutserum. BSnn ige r3 ) land, dab in den roten BlutkSrperehen das VerhMtnis Gesamt-Halogen zu Brom das gleiehe ist wie im Serum, dab also, wie er sagt, die roten BlutkSrperchen kein UnterseheidungsvermSgen fiir Chlor und Brom besitzen. Neuerdings konnte A u t e n r i e t h a ) in den dreimal mit physi01ogiseher KochsalzlSsung gewasehenen BlutkSrper- ehen eines Nierenkranken, der l~tngere Zeit :Bromnatrium erhalten hatte, nieht einmal Spuren yon Brom naehweisen. In allen diesen Fallen wurde die Bestimmung in der gew6hnliehen Weise an kohlen- saurehaltigem Blur vorgenommen. Was das Ergebnis yon A u t e n - r i e t h anlangt, so ist es vollkommen dadurch erklart, daB, wie bekannt ist, das Brom aus den Blutk6rperehen dutch Koehsalzl6sung ausge- wasehen werden kann.

1) Hartwich, Biochem. Zeitschr. 107, 202. 1920. 2) v. Wyss, Arch. f. experim. Pathol. u. Pharmakol. 55, 263. 1906. a) BSnniger, Zeitschr. f. cxperim. Pathol. u. Ther. 4, 4]4. 1907; 7, 2. 1909;

14, 2. 1913. 4) Au ten r i e th , M[inch. reed. Wochenschr. 1918, Nr. 28, S. 749.

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('~ber die Durchl~issigkeit der menschlichen roten BlutkSrperchen ftlr Anionen. 117

4. Die D u r c h ] g s s i g k e i t de r r o t e n B l u t k 6 r p e r c h e n f i i r das P h o s p h a t - A n i o n .

Die bisherigen Versuche zeigten, dab die roten Blutk6rperchen unter gleiehen Versuchsbedingungen fiir das Sulfat weniger durehlgssig sind als ftir Chlorid und Bromid. _~hnliche Permeabilitiitsdifferenzen sind aueh bei anderen Objekten beobaehtet worden. Zun~ehst sei an die alten Experimente yon W a l d e n 1) erinnert, naeh denen in Gelatine eingelagerte T r a u b e sehe Niedersehlagsmembranen fiir Alkaliehlorid, -bromid, -jodid und -rhodanid durehl~ssig, fiir Sulfat, Oxalat und Phos- phat undurehlgssig sind. Bei Pflanzenzellen land F i t t i n g S ) , dab Alkalisulfat weniger raseh eindringt Ms Chlorid, Bromid, Nitrat. Naeh O v e r t o n 3) bleiben Froseh-Muskeln in isotonisehen KalisMzl6sungen yon Phosphat, Tartrat, Sulfat, Athylsulfat und Aeetat au[3erordentlieh lange am Leben und behalten dabei ihr Gewieht bis zu 50 Stunden vSllig unver~ndert; in den isotonisehen Kalisalzl6sungen yon Chlorid, Bromid, Jodid und Nitrat dagegen bleibt das Muskelgewieht nur kurze Zeit konstant, um dann, wghrend die Muskeln absterben, irreversibel zu waehsen. S i e b e c k 4) fand, dag ausgesehnittene Froschnieren, solange die Struktur ihrer Zellen unversehrt ist , in isotonischer Kaliumehlorid- 15sung in reversibler Weise sehwellen, etwas weniger in der Bromid- 16sung, noch weniger in der Nitratl6sung, und dag das Gewicht in der Kaliumsulfatl6sung sich iiberhaupt nieht merklieh gndert.

Diese und andere Beobachtungen legten es nahe, aueh das Phosphat in den Kreis der Untersuehungen zu ziehen.

Von einer Bestimmung der Verteilung des Phosphat-Anions auf Blutk6rperchen und Plasma im nativen Blur habe ieh abgesehen, weft sieh durch die Mitbestimmung der organiseh gebundenen Phosphate kein eindeutiges Resultat ergeben hgtte. Unter Beibehaltung der bisher angewandten Versuchsanordnung wurden gleiehe Mengen vort Blutk6rperehenbrei und isotonischem Phosphatgemisch mit einander ge- miseht, und der Phosphatgehalt der Blutk6rperehen aus dem Phosphat- defizit der Zwischenflfissigkeit erreehnet. Um dem Einwand zu begegnen, dab dureh das wiederholte Waschen der Blutk6rperehen mit physiolo- giseher KoehsalzlSsung Phosphat-Anionen aus den Blutk6rperehen ausge- wasehen wiirden, und so das analysierte Phosphatdefizit der Zwischen- fliissigkeit zu hoch sei, wurde bei jedem Versueh der Phosphatgehalt der zweiten Waschfliissigkeit bestimmt. Er erwies sich stets als so niedrig, dag er praktiseh vernaehlgssigt werden konnte. Der Phosphatgehalt der Zwisehenfliissigkeit wurde dutch Titration mit Uranylaeetat bestimmt.

1) Walden, Zeitschr. f. physikal. Chemie 10, 699. 1892. 3) F i t t ing , Jahrb. f. wissensch. Botanik 56, 1. 1915; 57, 553. 1917. a) Overton, Arch. f. d. ges. Physiol. 1115, 176. 1904. 4) Siebeck, Arch. f. d. ges. Physiol. 148, 443. 1912.

Page 10: Über die Durchlässigkeit der menschlichen roten Blutkörperchen für Anionen

118 E. Wiedmmnn :

Das verwandte Phosphatgemiseh wurde folgendermaBen hergestellt: 1/a molekulare LSsungen yon primiirem und Sekund~rem Phosphat wurden soweit mit Wasser verdiinnt, dab sie zu den BlutkSrperehen ungef~hr isotoniseh waren; ihre Gefrierpunktserniedrigung betrug 0,565 ~ Der Wasserstoffionenexponent des Gemisehes wurde elektro- me~risch als p~ = 7,12 bestimmt.

Tabelle IV. Die Verteilung der Phosphat-Anionen nach zweisttindigem Ver- weilen der Suspension im Eissehrank.

Ver- sucha- datum Art des Blutes

1921

1 10. I .

2 l l . I .

3 12. I.

4 14. I.

Defibriniert

Citrat

Defibriniert

Citrab

P205 in . . . . . P~O~-K6rperchen

100 ecru 100 ccm Zwischen- Blut- fliissigkeit kSrperchen

0,890

0,8825

0,8735

0,880

P2Oa-Zwisch~n- flfissigkeit

0,1001 1 : 9,0

0,0877 1 : 10,1

0,0744 1 : 11,7

0,1101 1 : 8,0

z. ~ ~ merkungen

0,025 minimale H/~molyse

0,015 minimale H~molyse

0,02 minimale 0,01 ! Hamolyse

Unter den gewi~hlten Bedingungen erscheinen danach die roten Blut- k6rperchen des Mensehen im Verhiiltnis zu den anderen untersuehten Anionen als nur in sehr geringem Grade ffir Phosphat-Anionen durehliissig.

Nachdem somit ein Unterschied in der Durehliissigkeit ffir Chlor- und Brom-Anion einerseits, Sulfat- und Phosphat-Anion andererseits konstatiert war, lag es nahe zu fragen, ob der Unterschied vielleieht nur ein quantitativer, yon der geringeren Diffusibilit~it des Sulfat- und Phosphat-Anions abh/ingiger sei. Zur Entscheidung wurde die Versuchsdauer verl~ingert, und die Diffusibilitgt durch Wahl einer fiber Eissehranktemperatur gelegenen Temperatur erhSht. Dieser Gedankengang wurde t{: a. nahegelegt durch die Untersuchungen von v a n R y s s e l b e r g h e 1) an Pflanzenzellen, aus denen hervorgeht, dal~ die Geschwindigkeit des Durchtritts gelSster Substanzen durch die Plasma- haut durch Temperatursenkung stark verzSgert, dureh Temperatur- steigerung stark beschleunigt werden kann, ferner aueh dutch die yon Masing2), die zeigten, dab die Geschwindigkeit des Eindringens von Tranbenzueker bei menschlichen Blutk6rperehen in hohem Grade yon der Temperatur abhi~ngt.

Me~hodiseh bin ieh bei den Versuehen genau so vorgegangen, wie oben angegeben; nur blieb die Suspension der BlutkSrperchen in dem Phosphatgemiseh nicht ffir 2 Stunden im Eisschrank (durehsehnittliche Temperatur -~-2 bis ~-3 ~ C) stehen, sondern wurde fiir 4 Stunden der Zimmertemperatur (-}- 19 ~ C) fiberlassen.

1) van Rysselberghe, Bull. de l'Acad, roy. de Belgique 1903. 173. ~) Masing, Arch. f. d. ges. Physiol. 156, 401. 1914.

Page 11: Über die Durchlässigkeit der menschlichen roten Blutkörperchen für Anionen

l~ber die Durchlassigkeit der menschlichen roten BlutkSrperchen far Anionen. 119

Tab elle V. Die Verteilung des Phosphat-Anions nach vierstiindigem Verweilen der Suspension bei Zimmertemperatur.

Ver- suchs- da tum

1921

17. I.

19. I.

] P~O, g in I ] i ............ I P,~O6-K6rperchen

Art des Blutes I 100 ccm !00 ccm [ ~ h ~ 7 - ] Zwischen- ] Blut- ] fliissigkeit [ fliissigkeit [ k6rperchen[ CirJ0 6 50259 I 29

Defibriniert 0 ,755 0,2917 1 : 2,6

0,03

0,02

Be- merkungen

minimale tt/imolyse

minimale I-I/tmolyse

Das VerhMtnis des Phosphatgehalts der Blutk6rperchen zu dem der Zwischenfliissigkeit hat sich also yon 1 : 9,7 auf 1 : 2,75 im Mittel ernicdrigt. Wenn auch im letzteren Fall die Blutk6rperchen doppelt so lange -- n~tmlich im ganzen 4 Stunden -- mit dem Phosphatgemisch in Ber/ihrung waren als im ersteren, so mull doch wohl der Hauptein- flu9 auf die erh6htc Durchl~ssigkeit der Blutk6rperchen ffir das Phos- phat-Anion der ~ . . . . . . . . . . . . . . . : . . . . . . . . . . . . . ~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . neg~ danach die Annahme nahe, dal3 auch die Durchlassigkeit der roten Blutk6rperchen ffir das Sulfat-Anion in ~hnlicher Weise durch Tem- peratursteigerung erh6ht wcrden kann, Der experimentelle Nachweis wird noch zu liefern sein. !

5. Der E i n f i u B des C a l c i u m s a u f d ie D u r c h l / ~ s s i g k e i t de r r o t e n B l u t k 6 r p e r c h e n fi ir da s B r o m - A n i o n .

Die letzte Vcrsuchsserie lehrte, dal] man durch Variierung sehr einfacher ~uBerer Bcdingungen zu recht verschiedenen Ergebnissen betreffs der Durchl~ssigkeit geffihrt werden kann. Mit aus diesem Ge- sichtspunkte heraus wurde weiter geprfift, ob nicht dutch das Suspen- dicren der BlutkSrperchen in den reinen Alkalisalzl6sungen anormale Durchl~ssigkeitsverh~ltnisse kfinstlich geschaffen waren. Deswegen wurden die BlutkSrperchen in einer isotonischen NaBr-L6sung aufge- schwemmt, die noch eine der Ringcr-L6sung entsprechende Menge KCI und CaC12 enthielt.

Im einzelnen wurden aus defibriniertem Blur abzentrifugierte, zweimal mit isotonischer Kochsalzl6sung gewaschene BlutkSrperchen und eine modifizierte Ringerl6sung yon der Zusammensetzung 1,678% NaBr -k 0,03% KC1 ~ 0,03% CaCI~ zu gleichen Teilen miteinander gemischt. Im fibrigen war die Versuchsanordnung nicht gegen fr/iher ge~ndert.

Die Versuche zeigten, dab die Permeabilitat der roten BlutkSrperchcn fiir Brom-Ionen tats~chlich unter diesen ge~nderten Bedingungen auch geandert wird, wie folgcnde ~:abelle beweist:

Page 12: Über die Durchlässigkeit der menschlichen roten Blutkörperchen für Anionen

'120 E. Wiechmann :

Tab elle VL Der EinfluB des Ca + + auf die Durchl/issigkeit der roten Blutk5rper- chen ftir das Brom-Anion.

t "ersu " Versuchs - H v c n s a a m m

h u m m e r ]i 19'20

1 8. XIL 2 11. XIL 3 21. XIL

N a B r g in

100 ccm Zwi- 100 c c m Blu t - schenflf iss igkei t k S r p e r c h e n

1,36 0,22 1,29 0,18 1,34 0,15

N a B r - K S r p e r c h e n NaBr-Zwischen-

fl t issigkeit

1 : 6,2 1 : 7,2 1 : 9 , 0

Das Verhi~ltnis des Bromgehalts der Blutk6rperchen zu dem der Zwischenfliissigkeit ist somit yon 1 : 3 , 1 auf 1 : 7 , 5 im Mitre1 ver- schoben. Diese Anderung mu~ nach den bisherigen Erfahrungen dem Ca ++ zugeschrieben werden, dessen Wirkung auf die Plasmahaut heute im allgemeinen als einc Kolloidverfestigung aufgefa6t wird. So vermag Ca ++ Streptokokken gegen baktericide Stoffe, durch die sie zur Auf- quellung gebracht werden, zu schfitzen ( L o e n i n g ) ; Ca ++ iibt auf Seeigeleier einen Schutz gegen Alkalisalze aus, indem es den Pigment- austritt verhindert (Lill ie) ; die Haemolyse dutch Saponin (M a c C al 1 um), durch Narkotika und durch Hypotonie (HSber) wird dutch Ca ++ ge- hemmt; die verringerte Resistenz, die mit 0,9proz. NaC1-LSsung aus- gewaschene BlutkSrperchen gegen hypotonische NaC1-LSsungen im Gegensatz zu nieht ausgewaschenen BlutkSrperchen haben, kann durch Zusatz yon Ca ++ vermieden werden ( S n a p p e r ) ; die Bfldung entzfind- licher Exsudate wird dureh Zufuhr yon Ca ++ gehemmt (Chiar i und J a n u s e h k e ) ; die Auflockerung der Zellwimde yon Pflanzenwurzeln, die in reinen L5sungen yon Magnesium- und Kaliumsalzen statthat, wird dureh Ca ++ beseitigt ( H a n s t e e n ) ; die quellende Wirkung des Magnesiums, Kobalts und Nickels auf fein zerschnittene Frosch- muskulatur wird durch Ca + + antagonistiseh beeinfluSt (Wi e c h m a n n) ; die abnorm grol~e Permeabflit~t, die Pflanzenzellen in einer reinen NaC1-LSsung aufweisen, sinkt nach Zusatz yon Ca + + ( O s t e r h o ut) u. a.

6. Die D u r c h l i ~ s s i g k e i t der r o t e n B l u t k 6 r p e r c h e n fiir die A n i o n e n ' v o n S i ~ u r e f a r b s t o f f e n .

Zu den Mett~oden, die in den letzten drei Jahrzehnten zur L6sung der Frage nach der physiologischen Stoffaufnahme der Zellen herangezogen worden sind, geh6rt die Vitalf~rbung mit in erster Linie. So liegt es nahe, fiir die uns besch~ftigende Frage der Anionenpermeabiliti~t der roten Blutk6rperchen auch Versuche mit Farbstoffanionen heranzuziehen.

Die Auswahl hierzu geeigneter Farbstoffe wurde vor allem nach dem Gesichtspunkt der Vergleichbarkeit mit den vorher untersuchten anorganischen Anionen getroffen. Die Farbstoffe muBten deshalb erstens in Lipoiden und in dem naeh N i r e n s t e i n 1) mit den Zelllipoiden

1) Nirenstein, Arch. f. d. ges. Physiol. 179, 233. 1920.

Page 13: Über die Durchlässigkeit der menschlichen roten Blutkörperchen für Anionen

(~ber die Durchliissigkeit der menschlichen roten Blutk(irperchen ftlr Anionen. 12 l

vergleichbaren Gemisch von Diamylamin-(~lsi~ure-01 unlSslich sein ; zweitens muBten sie sich durch mSglichst groi~e Diffusibflitit, also kleines Molekulargewicht und dureh mSglichst geringe Adsorbierbarkeit auszeichnen. Ferner sollten sie aueh keine auffallenden Indikator- eigenschaften aufweisen, d. h. sie durften nicht zu stSrenden Farb- inderungen neigen. Diesen Bedingungen entsprechen ziemlich gut die Farbstoffe Cyanol extra (Casse l la & Co.), Liehtgriin FS (Gr i i b l e r & Co.), Ponceau 2 R (HSchs t ) und Setopalin (Geigy) .

])as Blut wurde, wie in den vorher beschriebenen Versuchen, in dem Zehntelvolumen einer 5proz. Natriumcitratl5sung aufgefangen, nach halbstiindiger Sauerstoffdurehleitung zentrifugiert, und die BlutkSrperchen 2--4real mit isotonischer KochsalzlSsung gewaschen, je nachdem dieW~sehfliissigkeit noch eine EiweiBreaktion gab oder nicht. Die Farbstoffe wurden in einer isotonischen NatriumsulfatlSsung ge- 15st. Von dieser Farbstoff-NatriumsulfatlSsung und dem gewaschenen BlutkSrperchenbrei wurden gleiehe Volumin~ miteinander gemiseht und diese Suspension nach gutem Umsehiitteln flit 2 Stunden in den Eissehrank (durehsehnittliche Temperatur -~ 2 ~ bis ~- 3 ~ C) gestellt. Nach Ablauf der 2 Stunden wurde zentrifugiert. Auf das sorgfi~ltigste wurde darauf geachtet, dab das Zentrifugat absolut klar war. Um das zu erzielen, wurden zum Zentrifugieren enge RShren benutzt. Die Farbstoffkonzentration d e r Zwischenfliissigkeit wurde mit einem KrfiBsehen Colorimeter ermittelt. Die Verdiinnung, die dutch die den BlutkSrperchen anhaftende Fliissigkeit zustande gekommen war, wurde mittels Haematokriten bestimmt. In dem ersten Versuch wurde zur Kontrolle aus der wiedergefundenen Menge Na2SO a in der Zwischen- fliissigkeit der t{aematokritwert berechnet. Als der so berechnete und der gefundene Haematokritwert gute Ubereinstim~nung zeigten, wurde weiterhin yon gleichzeitigen Sulfatbestimmungen abgesehen.

Tabelle VII. Die Durchlassigkeit der menschlichen roten BlutkSrperchen fiir S~urefarbstoffe.

Versuchs- numlne r

Versuchs- d a t u m

1920

10. V. 17. V. 2. X.

26. X. 27. X. 28. X.

Farbs to f f

Cyanol Cyanol Cyanol Lichtgriin Setopalin Ponceau 2 R

Farbs to f f g

zugese tz t zum Blu tkSrpe rchen-

bre i

%

wiederge funden in der Zwischen-

fl t issigkeit

%

0,01 0,011 0,01 0,012 0,005 0,0056 0,05 0,056 0,01 0,011 0,5 0,53

Page 14: Über die Durchlässigkeit der menschlichen roten Blutkörperchen für Anionen

122 E. Wiechmann :

Die Tabelle lehrt, dal] unter den hier innegehaltenen Bedingungen innerhalb der Yersuchszeit yon 2 Stunden nicht merklich Farbstoff in die BlutkSrperchen eingedrungen ist. Daft d ie erhaltenen Werte sogar etwas hSher sind als in maximo zu erwarten ist, dfirfte auf ganz leichte Trfibungen dureh Eiweiftspuren zuriickzuffihren sein. Die Farb- stoffe, welche s~mtlieh Sulfos~urefarbstoffe sind und als solche dem Natriumsulfat in chemischer t t insicht i~hneln, verhalten sich hier also auch gegenfiber den Blutk6rperchen etwa so wie das Natriumsulfat (s. S. 111).

Dieses Ergebnis hat auch im Hinbliek auf die gegenw~rtig disku- tierten Auffassungen yon dem Wesen der Vitalf~rbung ein gewisses Interesse. Die zahlreichen Erfahrungen fiber die Vitalfi~rbung werden zurzeit ja haupts~chlich um drei Theorien gruppiert, um die Lipoid- theorie yon O v e r t o n , die Ultrafiltertheorie yon R u h l a n d und die Reaktionstheorie yon B e t h e . Naeh der Lipoidtheorie entscheidet fiber die Aufnahme eines Farbstoffes und zum Teil auch fiber seine Speicherbarkeit die LipoidlSslichkeit. Mit dieser Auffassung stehen die oben beschriebenen Resultate in Ubereinstimmung; die verwandten Farbstoffe dringen entspreehend ihrer LipoidunlSslichkeit nicht in die Zellen ein. Nach der Ultrafiltertheorie entseheidet die Dispersit~t der Farbstoffe fiber ihre Permeierf~higkeit; die hier benutzten relativ hoehdispersen Farbstoffe sollten demnach eindringen, es ist aber nicht der Fall. Schwieriger ist die Stellungnahme zu der Theorie yon B e t h e . B e t h e vertr i t t den Standpunkt, daft, abgesehen yon den hochkolloi- dalen, alle Farbstoffe in die lebenden Zellen hineingehen kSnnen, daft aber das Malt der Speicherung im Zellinnern sehr verschieden und ab- himgig yon der Reaktion des Innern ist; saure Reaktion begiinstigt die Ansammlung von Si~urefarbstoffen, alkalische Reaktion die yon Farbbasen. Daft dieses Prinzip yon grofter Tragweite ffir die Quantiti~t der Zellfi~rbungen ist, ist dureh die zahlreiehen Versuehe B e t h e s und seines Sehfilers R o h d e fiberzeugend nachgewiesenl). Fraglich k a n n nur noch sein, ob eine anseheinend vorhandene Farblosigkeit einer Zelle, die yon der LSsung eines Sgurefarbstoffes umspiilt ist, nur vorgetguseht ist, wi~hrend in Wirklichkeit der Farbstoff eingedrur[gen und nur zu wenig gespeichert ist, um im Mikroskop kenntlich zu sein, oder ob es wirkliche Impermeabil i t~t fiir die Farbstoffe gibt. B e t h e wurde n~m- lieh zu seiner Theorie dureh Modellstudien fiber die Anfi~rbbarkeit yon anges~tuerter, neutraler und alkaliseher Gelatine geffihrt, wobei er land, daft, whhrend die Gelatine bei saurer Reaktion reiehlieh S~ture- farbstoff speichert, sie bei neutraler und alkaliseher Reaktion so viel weniger aufnimmt, daft ihre Farbintensitgt hinter der der Farbflotte zurfickbleibt. Die hier besehriebenen Versuehe an den BlutkSrperehen

1) Siehe besonders: Bethe, Wien. reed. Wochenschr. 1916, Nr. 14; K. Rohde, Arch. f. d. ges. Physiol. 168, 411. 1917 und 182, 114. 1920.

Page 15: Über die Durchlässigkeit der menschlichen roten Blutkörperchen für Anionen

tiber die Durchllissigkeit der menschlichen roten BlutkSrperchen ftlr Anionen. 123

sprechen nun fiir eine wahre Impermeabiliti~t, es sei denn, dab der BlutkSrpercheninhalt sich angeni~hert so verh i l t wie eine alkaliseh reagierende Gelatinegallerte. Zu dieser Annahme liegt abet kein Grund vor. Eiweil~ als Modellsubstanz an Stelle yon Gelatine wfirde sogar wahrscheinlich in der N~he des neutralen Punktes erheblich mehr Siurefarbstoff speichern als Gelatine, da der isoelektrisehe Punkt der Gelatine ziemlich weit nach der sauren Seite verschoben ist. Es spreehen fibrigens auch andere Beobachtungen ffir eine wahre Impermeabi l i t i t mancher lebender Zellen ffir lipoidunl6sliche Siurefarbstoffe ; ich erw~hne hier nur die Spirogyra, deren Zellsaftraum unter normalen Verh~lt- nissen tagelang yon hochdispersen S~urefarbstoffen nicht merldich angef~rbt wird. Wollte man hier auch das B e t h e sche Prinzip gelten lassen und annehmen, dai3 der dfinne Protoplasmamantel infolge einer neutralen oder alkalischen Reaktion nieht befi~higt ist, den Farbstoff zu speiehern, so mfil~te sich doch aueh der Zellsaft mi t der umgebenden L6sung ins Gleiehgewicht setzen, und da er nicht alkaliseh reagiert und da e r v o r ahem sicherlich nur wenig Kolloide enthiilt, die bei ge- eigneter Reaktion den Farbstoff speichern k6nnten, so ist nicht einzu- sehen, warum er sich nicht deutlich fi~rben sollte, wofern der Proto- plasmaschlauch an sieh ffir den Farbstoff durchli~ssig ist.

Eine andere Frage ist es, ob die BlutkSrperchen sich so, wie hier be- schrieben, aueh in Gegenwart yon CO 2 verhalten, oder ob sie nicht, nach Analogie der Ergebnisse yon H a m b u r g e r , dann das Anion der Sulfosiure- farbstoffe iihnlieh aufnehmen wie das Sulfation. Dies wird noch zu prfifen sein, ebenso wie Versuchsdauer und Temperatur noch weiter variiert werden sollen.

III. Diskussion der Ergebnisse. Die mitgeteilten Versuche fiber die Verteilung der Anionen n6tigen

zu einer erneuten Stellungnahme zu dem Problem der Durchliissigkeit der roten Blutk6rperchen. Ich gehe dabei yon den bekannten Versuchen yon Z u n t z , H a m b u r g e r und yon L i m b e c k aus, in denen gezeigt wurde, dal~ bei Einleiten von CO2 in Blut die Menge des t i tr ierbaren Alkalis im Serum zu-, sein Chlorgehalt abnimmt. Dieser EinfluB der Kohlens~ure a u f die u der Blutbestandteile ist nach H a m b u r g e r aueh bei Vergleichung des natfirlichen arteriellen und ven6sen Blutes zu beobachten. Naehdem dann dutch G f i r b e r nachge- wiesen war, dab die Verteilung yon K und Na auf K6rperchen und Serum infolge der CO2-Durehleitung keine Anderung erfi~hrt, wurde yon H a m b u r g e r und K o e p p e eine Erkli~rung ffir die Erscheinungen der- ar t gegeben, dal~ dutch die Plasmahaut der BlutkSrperchen hindurch per diffusionem ein Austausch yon Kohlensiure- und yon Chlor-Anionen stattfinde. Jedoch haben S p i r o und H e n d e r s o n i) sowie neuerdings

i) Spiro und L. J. Henderson , Biochem. Zeitschr. 15, 1]4. 1908.

Page 16: Über die Durchlässigkeit der menschlichen roten Blutkörperchen für Anionen

124 E, Wiechmann :

R o h o n y i 1) darauf aufmerksam gemacht, dal3 die Annahme einer semipermeablen Plasmahaut hierbei entbehrlich sei. R o h o n y i h~mo- lysierte Blut mit Hilfe yon Wasser, Saponin oder Ather, fiillte es in einen Dialysator und versenkte diesen in Serum; nach CO2-Durchlei- tung kam es zu derselben Wanderung yon Karbonat und Chlor wie bei den intakten BlutkSrperchen. Dies ist wohl so zu verstehen, dab ober- halb einer gewissen H +-Konzentration die amphoteren Kolloidelektrolyte der BlutkSrperchen als Kat ionen fungieren und als solche anorganische Anionen festhalten, welche nach elektrischen ~quivalenten gegen andere auBen befindliche Anionen ausgetauseht werden k5nnen. Nach R o h o n y i bedarf es jedoch gar nicht immer erst der Einleitung yon C02, um Anionen der Umgebung der BlutkSrperchen gegen Anionen des BlutkSrpercheninhalts (sei es des intakten, sei es des Inhalts aufge- 15ster BlutkSrperehen) auszuwechseln. Suspendiert man BlutkSrper- chen z. B. in einer CalziumnitritlSsung, so dringt das NO2-Ion ein, und entsprechende Mengen Cl-Ion kommen heraus, wi~hrend das Ca an seinem Platz verbleibt. Der yon R o h o n yi auf Grund seiner Versuche ver- tretene Standpunkt wird neuerdings auch yon J. L o e b :) eingenommen.

!~figen sich nun auch meine Versuche in den Rahmen dieser Be- trachtungen ? Dies ist im groBen ganzen zu bejahen. Es ware nut noch zu beachten, dal~ die Geschwindigkeit, mit der sich die Auswechselung der Anionen vollzieht, yon speziellen Eigenschaften der Ionen best immt sein kann (Sulfat, Phosphat einerseits, Chlorid, Bromid andererseits), und dab die Durchl~ssigkeit der BlutkSrperchen auch noch yon der Anwesen- heir gewisser Kationen, wie dem Ca, in s tarkem MaB abhi~ngen kann.

Blickt man nun aber fiber die hier mitgeteilten Analysenergebnisse hinaus, so zeigt sich, dab die ]~rage der BlutkSrperchenpermeabilit~t ffir die Elektrolyte bei weitem noch nicht gelSst ist. Erstens bleibt ganz unversti~ndlich die Art und Weise, wie sich der frfiher (Seite 282) erw~hnte, yon Sie b e e k beobachtete C1-Austritt in RohrzuckerlSsung vollzieht, cler einerseits kein Austausch sein kann und andererseits auch Rein Austri t t yon Anion -~ Kation, da naeh S i e b e c k die osmotischen Eigenschaften der BlutkSrperchen bei dem C1-Auswaschen unver~ndert bleiben. Sod~nn erhebt sich die Frage, wie man sich die anorganischen Kationen im Innern der BlutkSrperchen festgehalten denken soll. Wollte man annehmen, dab die Kolloide des :BlutkSrpereheninnern als Ampholyte nieht bloB Kationen, sondern auch Anionen bilden, yon denen die anorganischen Kationen, gerade so wie die anorganischen Anionen, festgehalten werden, so wfirden mangels einer semipermeablen Plasmahaut anorg~nische Kationen und anorganisehe Anionen zusammen herausdiffundieren kSnnen, und der spezifische Bestand an Binnennsalzen

1) Rohonyi , Kolloidchem. Beih. 8, 337. 1916. ~) J. Loeb, Journ. of gen. physiol. 1, 39. 1918.

Page 17: Über die Durchlässigkeit der menschlichen roten Blutkörperchen für Anionen

Uber die Durchlissigkeit der menschlichen roten Blutktirperchen fttr Anionen. 125

wire nicht mSglich. Auch die bekannte sehr geringe elektrische Leitfihig- keit der normalen BlutkSrperchen vertr~tgt sich nicht mit dieser Annahme.

Offenbar bedarf unsere gewShnliche Auffassung yon der Struktur der BlutkSrperchen der Revision. Dazu dr ingen auch andere zum Teil sehon l inger zuriiekliegende, noeh wenig geniitzte Erfahrungeni), die darauf hindeuten, dab das Blutk6rperchen aus zwei verschiedenen einander durchsetzenden Phasen, einer einen grol~en Tell der Binnen- elektrolyte enthaltenden Stromaphase mit der Eigensehaft der Semiper- meabilit~t und einer die Elektrotyte lockerer bindenden H~moglobin- phase besteht.

IV. Zusammenlassung. 1. Die Chlor-Ionen sind im nativen menschlichen Blur im Verhil tnis

1 : 2 , 1 im Mittel auf K6rperchen und Plasma resp. Serum v e r t e f l t . Entgegen den Angaben yon F a l t a und R i c h t e r - Q u i t t n e r ist dies sowohl bei durch Hirudin wie auch dureh Natr iumci t ra t ungerirmbar gemaehtem als auch bei defibriniertem Blut der Fall.

2. Werden die Blutk6rperchen in einer isotonisehen Natr ium- chlorid-LSsung aufgeschwemmt, so zeigen die Chlor-Ionert das Be- streben, sieh im gleiehen Verh~ltnis auf BlutkSrperchen und Zwischen- fliissigkeit zu verteilen, wie es im nat iven Blut vorhanden ist. Werden die Blutk6rperchen in einer ehlor~rmeren L5sung (i. e. isoton. Natriumsulfat- LSsung) suspendiert, so treten Chlor-Ionen aus den BlutkSrperchen aus.

3. Unter den gleichen Versuchsbedingungen - - halbstiindige Durch- leitung eines kr~ftigen Sauerstoffstroms dureh das Blur, zweistiindiges Verweilen der BlutkSrperchensuspension bei Eissehranktemperatur - - sind die menschlichen roten BlutkSrperehen in verschiedenem Ma~e ftir die versehiedenen Anionen durchlissig. Whhrend das Verhil tnis des KSrperchengehaltes zu dem Gehalt der Zwischenfliissigkeit fiir Sulfat-Ionen im Mittel 1 : 19,7 (sehwankend zwischen 1 : 8,5 und 1 : 35,5) und fiir Phosphat-Ionen 1 : 9 , 7 betr~gt, be t r ig t es ffir Brom-Ionen ihnlich wie fiir CMor-Ionen 1 :3 ,1 . Dieses differente VerhMten ist dasselbe, ob es sieh um durch Natr iumcitra t ungerinnbar gemaehtes oder um defibriniertes Blut handelt.

4. Durch hShere Temperatur wird die Geschwindigkeit des Ein- dringens yon Phosphat-Ionen beschleunigt.

5. Die Durchl~ssigkeit der roten BlutkSrperchen fiir Brom-Ionen wird dureh Ca ++ gehemmt.

6. Cyanol, Lichtgriin FS, Setopalin und Ponceau 2 R werden wihrend eines zweistiindigen Aufenthalts bei Eisschranktemperatur yon menseh- lichen BlutkSrperchen, die in der LSsung suspendiert sind, nieht merk- lich nufgenommen.

l) 8iehe z. ]3. Rol le t t , Arch. f. d. ges. Physiol. 82, 199. 1900; G. N. S tewar t , Journ. of pharm, and exp. therapeut. 1, 49. 1909.


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