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Page 1: Über Genesis und Morphologie der roten Blutkörperchen der Vögel

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Aus dem Zoologischen Institut der Universit~t zu Berlin.

(]ber Genesis und Morphologie der roten Blut= kSrperchen der VSgel.

Von Dr. Wilhelm Venzlaff.

Hierzu Tafel XV und 3 Textfiguren.

I. Tei l .

Uber die Genesis der roten BlutkOrperchen der VOgel.

E i n l e i t u n g .

Das Knochenmark der VSgel ist schon haufiger Gegenstand der Untersuchung gewesen, wohl aus dem Grunde, wei! sein Aufbau eine grosse Stiitze der Auffassung yon der heterogenen Entstehung der weissen und roten Blutk~rperchen war. Es waren alIe Forscher, welche dieses Organ in den Jahren 1870 bis 1892 untersuchten, B i z z o z z e r o , T o r r e , D e n y s und van d e r S t r i c h t , fibereinstimmend zu dem Resultat gekommen, da~s eine scharfe ~rtliche Trennung zwischen den Entstehungszentren der Leukozyten und denen der Erythrozyten bestande; die roten Blutk~rper entst~nden in den kapillaren Venen, die weissen ausser- halb der Gef~sse im Markparenchym. Die Gef~sse seien durch eine ununterbrochene Wand vom Zwischengewebe getrennt. Nur insofern differieren die genannten Autoren untereinander, als sie die Erythrozyten von verschiedenen Zellen ableiten. B i z z o z z e r o und T o r r e lassen die roten Blutk~rperchen aus einer kugeligen Ze|le mit grossem Kern, schmalem, homogenem, mit I=I~mogtobin beladenem Plasmasaum hervorgehen; dutch mitotische Teilung und Reifung entwickelt sich aus ihnen das fertige Element. D e n y s dagegen bezeichnet hamoglobinlose, yon den weissen BlutkSrpern jedoch deutlich unterschiedene Zellen, die in konti- nuierlicher Schicht die Wande tier Venenkapillaren bedecken, als Erythroblasten. B i z z o z z e r o und T o r r e hatten diese Zellen als weisse Blutk~rperchen angesprochen. V a n d e r S t r i c h t stellt

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sich nun unter anderem in seinen Blutuntersuchungen die Auf- gabe, diese Streitfrage zu entscheiden. EL" sprieht sicil ffir die Auffassung D e n y s aus, da zwischen dessen Erythroblast und den roten BlutkSrpern alle tSbergange aufzufinden seien. An der Auffassung, dass die Erythrozyten und Leukozyten artver- schiedene ZeIlen sind, halt er jedoch lest, da in der Tat zwischen dem Markparenchym und den Gefassen keinerlei Verbindung bestande, diese beiden Entwicklungsreihen sich also schon durch die verschiedene 8rtliche Entstehung als durchaus heterogen doku- mentierten. Diese im wesentlichen Ubereinstimmenden Resultate tier genannten Autoren sind wohl tier Grund, dass auf l~ngere Zeit das Interesse an der Untersuchung des Knochenmarkes der VSgel erlischt. Erst als man auf Grund ausgedehnter Forschungen an anderen blutbildenden Organen zu Ergebnissen fiber die Ver- wandtschaft der roten und weissen BlutkSrperchen kam, die mit den oben ausgeffihrten in Widerspruch standen, wendete man sich auch wieder der Untersuchung jenes Organs zu. Bei Milz- untersuchungen der niederen Wirbeltiere hatten viele Forscher fiir rote und weisse BlutkSrper eine gemeinsame Mutterzelte gefunden. G i g l i o Tos (1897) gibt bei Petromyzonten an, dass sich in der Spiralklappe stets Zellen mit grossem Kern. homo~ genera Plasma, ohne Membran vorf:anden, die sowohl Erythrozyten wie Leukozyten liefern. Das gleiche sagt L a g u e s s e (1890) ~iber eine Zelle voa ahnlicher Beschaffenheit in der embryonalen Milz der Fisehe aus. Auch H. F. M i i l l e r (1889) und P h i s a t i x (1902): die die Milz yon FrSschen und Tritonen untersuchten, bezeichnen e i n e Zelie als Ausgangspunkt ffir alle BlutzeHeu. Nicht so einheitlich sind die Resultate, die beim Studium der embryonalen Leber gewonnen worden sind. Dieses Organ ist sehr frfih tier Sitz yon Blutbildung. Van d e r S t r i c h t gibt fiber ihren Aufbau folgende Sehilderung: h~ach einem primitiven Stadium, in welchem sich die Leber nur in geringem Mal]e an der Blutbildung beteiligt, wird die M~glichkeit, Blutzellen zu bilden, dadureh sehr erhSht, dass im Innern der Leberzellen- strange ein sekund~res Venenkapitlarnetz auftritt, in dem sich eingesehwemmte J~gendformen schnell vermehren. Sie bildea Inseln, deren Randzellen sich zu einem Grenzhautehen umwandeln. In dieseu Blutnestern entstehen rote und weisse BlutkSrper nebeneinander, doch lassen sich beide Entwicklungsreihen auf

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Grund der Plasmabeschaffenheit deutlich unterscheiden. Diese letzte Behauptung bestreitet K o s t a n e c k i : n~.ch ibm gibt es zwischen Leukoblasten und Erythroblasten alle lJbergange. Sa x e r (1896), der die aUerersten Stadien der Leber studiert hat, leitet die Blutzellen yon farblosen ,,Wanderzelien" ab, die tiberall im Bindegewebe vorkommen und yon dort in die Leberanlage ein- dringen. H o w e l l lasst ebenfalls aus den Zellstr~mgen der embryonalen Leber weisse und rote BlutkSrper hervorgehen und analogisiert diese Strange mit del~eu des Knochenmarks. Was das Knochenmark der Sauger anbetrifft, so erscheinen hier vor aitem die Mitteilungen wichtig, welche F. W e i d e n r e i c h in seinem Referate fiber die roten Blutk6rper gibt. iNach ihm sind die Zellnester des Knochenmarks die eigentlichen tterde der Blutbildung; sie stellen solide Anhangsel der Venenkapillaren dar, die dort keine endotheliale Abgrenzung erkennen lassen. Hier werden weisse und rote BlutkSrper nebeneinander produziert, jedoch lassen sich beide Entwicklungsreihen yon der Stammzelle ab gut verfolgen. Dies Ergebnis verwendet W e i d e n r eic h zur Deutung der Ver- haltnisse im Knochenmark der V6gel. Es scheint, als ob die Leukoblastenhaufea den Zellnestern der Sauger entsprachen. Die Venen besassen auch hier keine scharfe Abgrenzung gegen das Parenchym und die bisher nur als Leukoblasten bezeichneten Zellen sch6ben auch die Erythroblasten in die Gefttsse ab. bTach dieser Literaturfibersicht scheint es nicht mehr zweifelhaft, dass die Yerhaltnisse im Vogelmark verkannt worden sind und dass sich auch hier ffir die Erythrozyten und Leukozyten eine gemein- same Stammzelle nachweisen lassen diirfte. Diese Aufgabe zu 15sen hat ktirzlich W e r a D a n t s c h a k o f f unternommen. Die Autorin kommt jedoch zu einem ganz anderen Resultat, als es W e i d e n r e i c h skizziert hat. Nach ihr ist nicht die die Leukoblastenhaufen zusammensetzende Zelle, sondern der grosse Lymphozyt die gemeinsame Stammzelle der Erythrozyten und Leukozyten. Er entsteht in der embryonalen Periode aus dem kleinen Lymphozyten und bleibt yon da ab als selbstandiges Element erhalten; ist er einmal vorhanden, so braucht er im erwachsenen Mark nicht mehr aus dem kleinen Lymphozyten heranzuwachsen, sondern erhalt sich fortgesetzt durch Teilungen. In den Venen und im Parenchym liegt er regellos verteilt. Die Zellen der Leukoblastenhaufen spielen keine Rolle bei der Blutbildung.

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Ich habe mir im ersten Tell meiner Arbeit die Aufgabe gestellt, zu prrifen, welche der beiden bier kurz angegebenen A.nsichten die richtige ist. Ich muss mich durchaus frir die W e i d e n r e i c h s entscheiden und werde nach meinen Darstellungen meine Gegengriinde gegen die Auffassungen D a n t s c h a k o f fs gettend machen.

B e s c h r e i b u n g d e r Techni l r .

Ich untersuchte das Knochenmark des Femurs und der Tibia yon ausgewachsenen Tauben. Die Knochen wurden durch kurze, nicht zu kr~tftige Sch~,~ge eingespatten und dann mittels einer spitzen Prapariernadel die abgespaltenen Stricke vorsichtig entfernt. Es gelang mir auf diese Weise in den meisten Fallen, das ganze Mark mit Ausnahme der in den Epiphysen steckenden Teile unbeschadigt a u s d e r KnochenhShle herauszunehmen. Man muss jedoch darauf achten, dass man nicht zu seinen Unter- suchungen das Knochenmark yon Tauben verwendet, die langere Zeit in engen Raumen gefangen gehalten worden sind. Bei diesen ft~Ut sich namlich yon den Wandungen her die KnochenhShie allmahlich mit spongiSsem Knochen aus, denn es sinkt nattirlich in der Gefangenschaft der Bedarf an roten Bhttk~rperchen, so dass das Knochenmark zum Teil seiner Funktion riberhoben wird und die Knochenhfhle teilweise mit anderem Material ausgefrillt wird. Bei solchen Tauben ist es ausgeschlossen, das Mark un- beschttdigt aus der HOhlung zu entfernen. Vor der Entnahme wurde bei einigen Stricken yon der Aorta descendens eine Injektion mit chinesischer Tusche vorgenommen. Es wurde unter mSglichst geringem Druck solange injiziert, bis in der Vena iliaca externa Tusche auftauchte; dies dauerte etwa 5- -7 Minuten. Es empfiehlt sich nicht, nine Veneninjektiou ins Knochenmark vorzunehmen, etwa yon der Vena iliaca externa aus. Diese Injektionsrichtung hat den Nachteil, dass die Tusche yon den weiten, zartwandigen Venenkapillaren in die engen Arterien- kapillaren ribergehen muss, so dass leicht nine Stauung der Tusehe und Zerreissung der diinnen Veaenw~.nde eintreten kann. Bei der umgekehrten Injektionsrichtung wird der Zufluss in die ven~sen Kapillaren durch die sehr engen, dickwandigen, arteriellen reguliert, so class Extra~asate ausgeschlossen sind. Ich nahm Fixierungen mit H e r r m a n n scher, F I e m m i n g scher und

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Z e n k e r s c h e r LSsung vor. Die beiden ersten versagten voll- standig, wohl aus dem Grunde, weil sie sich wegen ihres Gehalts an Osmiumsaure nicht zur Fixierung stark fetthaltiger Gewebe eignen. Die Z e n k e r s c h e LSsung lieferte dagegen sehr gute Resultate. Ich fixierte mindestens 6 Stunden, wusch 24 Stunden in Wasser aus and brachte die Objekte durch die Alkoholstufen und CedernholzS1 in ParaffiH. Zum Schneiden bettete ich sie in 62~ Paraffin ein und konnte so Serien yon 2--5 tt Starke schneiden, hls Kernfarbe verwandte ich mit einer Au~nahme das H a n s e n s c h e H'hmatoxylin (Z. f. wiss. Mikr., 1905. Bd. 22). Ver- folgt man nicht den Zweck, spezielle Teile der Zelle, etwa Zentren, zu farben, so hat das H a n s e n sche Hamatoxylin bei gleichen Eigenschaften, tiefschwarze Farbe und sehr distinkte Farbung, wie das H e i d e n h a i n sche, doch vor diesem sehr angenehme Vorteile. Es fttrbt schon ausreichend bei minutenlanger (etwa 3) Einwirkung und tiberfarbt selbst noch nicht bei 1--2 Stunden langer Behandlung der Schnitte. Das Differenzieren fallt also fast fort. Ich farbte stets etwa 1 Stunde lang, wusch mit fliessendem Wasser aus und tat dann die Schnitte noch 1 bis 2 Minuten in 1 ~ Eisenoxydammoniakalaun. Je nach den Zwecken, die ich verfolgte, kombinierte ich diese Kernfarbung mit anderen Fitrbungen. Um den Verlauf der Gefasse zu studieren, behandelte ich die bis zum abs. Alk. gebrachten Schnitte 2 Minuten mit einer konzentrierten LSsung yon Rubin S in abs. Alk. und fiber- ftihrte direkt in Xylol. Man erreicht so eine scharfe Farbung der Gefasse. Zur Untersuchung des Gefltssaufbaues verwandte ich die van G i e s o n sche L(isung und eine Resorcin-Fuchsinl6sung nach W e i g e r t ohne Kernfarbe. Zum Studium der Erythrozyten- und Leukozytenentwicklung farbte ich nach dem H a n s e n schen Hitmatoxylin litngere Zeit in schwacher wassriger EosinlOsung. Eine einwandsfreie Verfolgung der Nukleolen in den Kernen der Erythro- und LeukobIasten konnte ich dadurch ermiiglichen, dass ich in E h r l i c h s c h e m Hamatoxylin gefarbte Schnitte in Pikrin- stture differenzierte. Das E h r 1 i c h sche Hamatoxylin ist eine sehr durchsichtige Kernfarbe, und nach der Differenzierung in Pikrin- slture farbt sich der •ukleolus. viel heller ats die Chromatin- teilchen, so dass auf Grund dieser beiden Eigenschaften des E h r l i c h s c h e n ttitmatoxylins das Erkennen selbst in sehr stark chromatinhaltigen Kernen mSglich ist.

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Das Geflti~system des K n o c h e n m a r k s . (~ber den Verlauf der Gefitsse des Knochenmarks der V0gel

liegen hisher nur die Beobachtungen yon D e n ys "r Die Autoren, die nach ihm dieses Organ untersucht hubert, nahmen wenig Interesse an dieser Frage, da ihnen die Eatstehung tier Blut- k0rperchen alas Wichti~te bei ihren Arbeiten war. Sie begniigten sich damit, die augenscheinlieh strenge Scheidung des Parenchyms yon dem Lumen der Kapillarvenen zu konstatieren, ohgleich damit die M0glichkeit der offenen Verbindung des Gefal~systems mit dem Zwischengewebe nicht ersch6pft war und eine genaue Durchforsohung in dieser Hins~cht gewiss andere Resultate zu- tage gefSrdert hatte. Ehe ich nun dazu ~ibergehe, meine eigenen Befunde wiederzugeben, m0chte ich erst die Resultate D enys mitteilen, um reich auf Bekanntes stfitzen zu kSnnen.

i~ach D e n y s geschieht die Versorgung des Knochennmrks mit Gef~ssen dutch die Arteria nutritia. ~Nachdem sie dutch das Foramen nutritium ins Mark eingetreten ist, teilt sie sich in zwei Arme, die nach den Enden des Knochens zu verlaufeu. Sie nehmen die Mitre der H0hlung ein u~d lieferu auf ihrem Wege kleinere Zweige; an diese schliesst sich das arterielle Kapillar- netz. Die Kapillaren hubert eine doppelt konturierte Membran mit langgestreekten Kernen. Sie sind sehr lung, geradlinig, teilen sich wenig und haben ein so enges Lumen, dass die roten Blut- k0rperchea gezwungen sind, eines nach dem anderen zu passieren. Sie sind selten und verlaufen immer im Parenchym. Den Venen- kapillaren nahern sie sich stets unter rechtem Winkel. Diese s[nd yore Parenchym dutch ein d~innes H~utchen getrennt, alas aus e i n e r Lage d~inner Zellen besteht. Die Venenkapillaren werden weiter und ergiessen sich in die Zentralvene, welche die Arterie begieitet. Die Zentralvene hat den gieichen Rufbau wie die Venenkapillaren ;sie ~ibertrifft die Arterie an Lumen bedeutend und durchkreuzt die ganze KnochenhShle. Die Arterie hat dicke, muskulSse und elastische Wande.

Wenn nun auch die Art, wie D e n y s den Verlauf der Arteria nutritia schildert, im wesentlichen alas Prinzip tier Verteituug trifft, namlich class die Arteri~ sieh gleich nach ihrem Eintritt in Aste gabelt, die nach den Enden des Knochens zu verlaufen und auf ihrem ~hrege durch Abgabe "con Asten das Parenchym mit Gefassen versorgt, so habe ich die Einzelheiten der Ein-

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miindung und den weiteren Verlauf doch wesentlich anders, komplizierter als D e n y s gefunden. Auch in bezug auf den Aufbau der Gefasse, der Lage der Hauptvene und weitere Gefasseinmtindungen habe ich andere Befunde mitzuteilen als D e n y s .

Die Hauptversorgung des Markes mit arteriellen Gefassen geschieht durch die Arteria nutritia, welche am Foramen nutritium in die KnochenhOhie eintritt. Dieses liegt bei der Taube am Femur an der Hinterseite des Knochens in der Mitte zwischen beiden Epiphysen: an der Tibia ebenfalls in der Mitre der Diaphyse, jedoch an der Aussenseite unter dem Fibularest. Am Femur stellt es einen die Knochenwand entweder senkrecht oder etwas schrag aufwarts durchschneidenden Kanal vor, an der Tibia ist dieser yon oben nach unten gerichtet. Durch ihn miindet bei beiden sowohl die Arteria ein als auch die Vena nutritia aus. Die hrterie tritt unterhalb der Venenausmtindung ein. Die nun einsetzende Verteilung der Arterie geht in den verschiedenen Fallen recht verschieden vor sich. Dies richtet sich anscheinend nach der Lage der Hauptvene und ihrer Ausmtindung in bezug zu der Eintrittsstelle der Arterie. Liegen sich beide sehr nahe, so setzt sofort eine starke Verastelung der Arterie ein, hat sie dagegen eine Strecke lang zu laufen, ehe sie an die Hauptvene herantritt, so geht die Verzweigung erst spater vor sich.

Ich untersuchte zwei Einmfindungen in die Femurh6hle geuau. Ich fertigte 5 F~ dieke Schnitte an, zeiehnete die mit dem Zeichenapparat aufgenommenen Schnitte, in denen wichtige Ver- zweigungen vor sich gingen, in den natiirlichen Abstanden nach einer gewahlten Einheit perspektivisch tibereinander und erhielt durch Verbindung der Schnitte die plastisch gezeichneten Figuren 1 und 2, die den Verlauf der Arterien und der Hauptvene in der Nahe des Foramen nutritium zeigen. Bei Fig. 2 zeichnete ich in gr6sseren hbstanden einen Schnitt ein, um die Veranderung der Lage der Gefasse im Knochenmark zu demonstrieren. Trotz der verschiedenen Bilder, die ich so erhalten babe, lassen sich jedoch beide auf das gleiche Prinzip znrfickftihren. Die ttaupt- gefassversorgung der oberen Hltlfte des Markes geschieht darch zwei Arterienzweige, die der unteren durch einen Zweig. Die anderen yon der eintretenden Arterie abgehenden Aste sind ent- weder yon vornherein klein und 10sen sieh bald in die Kapillaren

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auf, oder sie verlieren sich trotz betrachtlicher GrSsse sehr bald im Parenchym. Die drei Hauptaste der Arterie begleiten die grosse Vene eine Zeitlang, die oberen etwa ein Viertel des Weges his zu dem Ende der MarkhShle, der untere aoch langer als die oberen. Sie geben auf diesem Wege Zweige der ver- schiedensten Starke ab, biegen dann yon der Vene ab und ver- asteln sich mehr und mehr im Parenchym. Man kann auf Grund

Fig. 1.

dieses Verlaufes der hrterien bei einem Schnitt durchs Mark recht gut an der Stltrke der Arterien und ihrer Lage zur Haupt- vene abschatzen, in welcher Entfernung yon der Einmiindung der Schnitt getroffen hat. Die Verastelung setzt yon vornherein stark ein. Merkwtirdig erscheint dabei, dass in der Nahe des Foramen nutritium gr6ssere Arterienzweige vereinzelt quer durch die grosse Vene schneiden, um sich auf der anderen Seite sofort stark zu verasteln. Die gr6sseren Arterien des Markes machen haufig den Eindruck, als ob sie nicht aus der Verzweigung der einmtindenden Arterie hervorgegangen sind, sondern selbsti~ndige Gefasse sind, die auf eine beliebige Art mit der Hauptarterie in u trete~l.

In Fig. 1, wo die Einmtindung tier Arterie direkt unter der husmtindung der Hauptvene liegt, teilt sich die Arterie gleich

in zwei, die Vene voa entgegengesetzten Seiten umfassende Aste a und b. Es sind die Zweige, die die obere Pattie des Markes mit Gef,'tssen ver~orgen, deren weiterer Verlauf durchaus dem oben angegebenen Prinzip entspricht. Vom Zweig b geht horizontal ein Ast ab, der die Vene mit einem dicken Halbring umfasst, aus dem nach oben zwei rasch an Starke abnehmende und bald verschwindende Aste d und e entspringen. Yon dem in der Figur nach vorn gelegenen Ast geht ein Zweig ab, der in die Arterie c einmtindet, welche die Gefasse ffir den unteren Tell des Markes liefert. Die sonst in die Figur eingezeichneten kleinen Arterien sind nut ffir die unmittelbare Umgebung der Einmtmdung der Gefftsse yon Belang, sie 10sen sich schnell in das Kapillarnetz auf.

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Fig. 2 zeigt klarer das oben angeftthrte Prinzip der Gefass- versorgung. Hier miindet die hrterie eine Strecke weir yon der Hauptvene entfernt in das Mark ein. Eine Zeitlang lauft sie am Rande des Markes eat |aag uad erreicht die Vene erst oberhalb ihrer Ausmiindung. Sie teilt sich dann in zwei :~ste, yon denen

~ J

Fig. 2.

der eine sich mit dem yore unteren Teil des Markes kommenden Gefass c vereinigt. Die beiden so entstandenen Zweige, die Hauptgefitsse a und b des oberen Teils, entfernen sich allmahlich voneinander und laufen an entgegengesetzten Seiten der Vene entlang; ihre weitere Verzweigung geht wie bei den in Fig. 1 beschriebenen Gefassen vor sich. Auch in Fig. 2 ist wieder das Auftreten umfangreicher Gefiisse d und e zu bemerken, die schnell an Gr~sse abnehmen und sich im Parenchym auflSsen

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und auch nur durch enge :~ste mit tier zufiihrenden Arterie in Verbindung stehen. Das Verhalten der grossen Vene ist bier in Fig. 2 auch ein anderes als in .Fig. 1. Dort bleibt sie w~thrend ihrer Ausmttadung in demselbea Quadrantea der Serienschnitte liegen, bier geht sie von einem yon tier Einmiindung tier Arterie entfernt liegenden Quadranten in den dieser Einmfindung zun/tchst liegenden t~ber.

Aus dem geschilderten Verlauf tier Arteriea erhellt, dass bis in die Epiphysen nut kleine Zweige der Arteria nutritia gelangen. In ihnen, besonders den oberen, ist jedoch das Blut- kt}rperchen bildende Gewebe besonders stark entwickelt, und dem Gefa~smangel, wencher durch di~ geringe ~'ersorgung jener Teile der Markh6hle durch Zweige der Arteria nutritia entsteht, wird dadurch begegnet, dass starkere Arterien an den Epiphysen durch L6cher der Knochenwand ins Mark einmiinden. An der Diaphyse beschr',tnkte sich das Eintreten von Arterien auf kteine his 10 it grosse :~ste, welche in den Haverschen und V o l k - m a n nschen Kanttlen verlaufen ; die Arterien an den Epiphysen stehen der Arteria nutritia nicht viel an Sthrke nach. Ihre Zahl sowohl wie auch der Ort ihrer Einmiindung ist variabel, konstant ist nur eine Gefass6ffnung in der Incisura intercondyloidea femoris. Hier mag auch im Gegensatz zu anderen ()ffnungen der Austritt einer Vene aus dem Mark stattfinden; bei allen anderen Offnungen (nattirlieh mit Ausnahme des For. nut.) handelt es sich nur um Austritt yon Venenkapillaren, wie eine Untersuchung ihrer Wand an den Austrittsstellen zeigt.

Bet Aufbau der Arterie gleicht durehaus dem yon andern Objekten her als typisch bekannten Bau. Arterien bis zu etwa 20 it herab haben eine aus langsverlaufenden Zellen zusammen- gesetzte, bindegewebige Adventitia, die stark mit elastischen Fasern durchsetzt ist, eine aus quergelagerten, glatten Muskel: zellen aufgebaute Media und eine Intima, die aus lt~ngsverlaufenden, kammartig in das Lumen hineinragenden, spindelf6rmigen Zellen besteht. Media und Intima sind durch ein feines H~,tutchen getrennt. Unter diesem liegt bei gr6sseren Arterien eine d~inne ~hicht , welche sich aus elastischen Fasern zusammensetzt. Vereinzelt tauchen auch zwischen den Muskelzellen diese Elemente auf. Bei Arterien, die keine Adventitia haben, fehlt jede Spur elastischer Fasern. Die Arteria nutritia hat bei ihrem Eintritt ins Mark

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etwa die Sti~rke yon 80--90 tt und besitzt eine 11 t~ starke Adventitia und eine ebenso dicke, 4 Zellen breite Media. Bei Gefassen yon 20 /~ ist die Adventitia verschwunden, die Media nur noch 4--5 tt dick und 2 Zellen breit. Sind die Gefasse bis zu einer Starke yon 8--10 It herabgesunken, so verliert sich auch die Media und bei 7 I~ haben wir es nur noch mit echten Kapillaren z6 tun. Ihr Durchmesser sinkt bis auf 3 I~ herab, mit einem Lumen yon 1 It. An den Kapillaren ist nur noch die Intima erhalten, deren Kerne in unregelm~tssigen Absti~nden im Lumen auftauchen. Nach aussen umgibt die Intima stets ein feines, deutlich farbbares 14~tutehen. Von Zeit zu Zeit tauchen nach aussen vom Hautehen den Kapillaren eng anliegende Binde- gewebszellen auf, die das Gefltss umspinnen. Die Kapillaren sind sehr lang, i m Durchsehnitt 5--600 /~, im Parenchym sehr haufig, ziemlich stark verzweigt und anastomosieren untereinander. Andere als Kapillaranastomosen konnte ieh nicht auffinden. Die Verfolgung der Kapillaren, die natiirlieh nur mit 01immersion gesehehen kann, bereitet auf Grund dieser Eigensehaften grosse Schwierigkeiten. Dazu kommt, class eine 0rtsfixierung im aktiven Mark ausserordentlieh schwierig ist, denn das Parenchym sieht tiberall gleichmassig aus und die Umrisse der einzelnen Stellen wechseln yon Sehnitt zu Schnitt. Man erleichtert sich die Ver- folgung der Kapillaren wesentlich, wenn man sie an gehungertem Mark vornimmt. Hier verschwindet ein grosser Teil der Leuko- zyten, so dass die Kapillaren sehr gut sichtbar werden, und man unter Zuhilfenahme des durch ein Mikrometer-Okular gemessenen Abstandes yon gr6sseren Gefassen eine einwandfreie Verfolgung erm6glichen kann. Jedoch ist ein Minimum von 5 /~ Schnitt- dieke erforderlich. Ich nahm die Gefassverfolgung an gehungertem Mark nicht vor, ohne reich durch einen Vergleich tier gr(isseren Gefasse mit solchen des normalen Markes zu fiberzeugen, dass eine Hungerfrist yon ffinf Tagen keinerlei Veranderung an den Gefltssen hervorruft. Die Arterienkapillaren gehen restlos in die Venenkapillaren fiber. Es findet keine hufliisung der Kapillaren im Parenchym statt, wie man es bei anderen Blutzellen liefernden Organen nachweisen konnte. Der Ubergang ist kein allmahlieher, unmerklieher, sondern ein scharf abgesetzter, und zwar geht das die hrterienkapillaren umspannende Hautchen in die Venenkapillar- wand fiber.

Arehiv f. mikr. Anar Bd. 77. Abe. I. 97

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Bevor ieh nun zu der Beschreibung der letzteren tibergehe, mOchte ieh noch einige Bemerkungen tiber Teittmgen yon Arterie~ mach~n und zwar aus dem Grunde, well ieh in allen Handbtichern tier Gewebelehre keinerlei Notizen fiber diesen Punkt finden konnte. Bei Teilungen der Arterien, die noch Media und Intima besitzen, ist es stets die Media, welche die Teilung aktiv durch- ftihrt; alle anderen 8ehichten machen nur die sich ahspielendea Veranderungen mit. Es treten in der Media, die sonst nur aus quergelagerten, glatten Muskelzellen besteht, schrag lltngsver- laufende Ze|len auf, so class in das Gefasslumen von sich gegen- iiberliegenden Stellen kleine Vorsprtinge hineinragen. Die schrag gelagerten Elemente mehren sich und gehen a[tm~hlich in l~tngs- verlaufende tiber. Die Vorsprtinge werden grSsser and grSsser und verschmelzen schliesslich. In dem MaBe, wie die so ent- standene Brticke breiter wird, maehen wieder die langsverlaufenden Zellen allmtthlich queren Elementen Platz, und die Adventitia dringt yon aussen her allmahlich in dis Briicke ein. $ie spaltet sie in zwei Hitlften und die Teilung ist vollzogen. Bei den Kapillaren, die keine Media mehr besitzen, wird die Teilung durch eine unvermittelt quer durchs Lumen sehneidende Zelle veranlasst. Da sofort zu beiden Seiten dieser Zelle Intimazellen auftreten, kann sie kaum zu jener Schicht geh6ren, sondern ist wohl eine jener den Kapillaren yon aussen anliegenden Binde- gewebszellen. Eine solche Kapillarenteilung spielt sich innerhalb einer Strecke yon 10--15 # ab; die Teilung gr6sserer Arterien riehtet sich nach ihrer GrSsse; ich verfolgte Teilungen yon 80 lb.

Wie schon erw~hnt, gehen at[e Arterienkapillaren in die Venenkapillaren tiber; das die ersteren umgebende Hltutchen wird zur Venenkapillarwand. Die Venenkapillaren unterscheiden sich wesentlieh yon arterieUen Kapillaren. Sie sind im Gegen- satz zu diesen sehr welt, im Mark ausserordentlich stark ent- wickelt, wo sie sehr reich verzweigte miteinaader anastomosierende Hohlrltume biiden. Ihre Wand besteht aus einem zarten Hautchen, im Gefasslumen tauehen vereinzelt die es bildenden Zellen auf. Auch an die Venenkapillaren legen sich yon aussen Bindegewebs- zellen, so dass der Unterschied im Aufbau gegen die arteriellen Kapi[laren in der Hauptsache in der schwach ent~ickelteu Inner- schicht der Vene besteht. Bis zur Einmtindung in die Hauptvene behalten die Kapillaren den beschriebenen Wandaufbau. Die

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Hauptvene, die fast die ganze KnochenhOhle durchl~tuft, ist yon den frtiheren Autoren Zentralvene genannt worden. Der l~ame ist nicht recht zutraffend, denn auf einem Drittel ihres Weges, am Foramen nutritium, liegt sie nichts weniger als zentral: diese Laga nimmt sie erst in dem obersten und untersten Teil der KnochenhShle ein. D e n y s schreibt ihr den gleichen Wand- aufbau wie den Kapillaran zu. Das ist jedoch nicht der Fall. Noch in den obersten Teilen des Markes, wo sie an GrSsse be- trachtlich im Vergleich zu den mittleren Teilen abgenommen hat, zeigt sie deutlich jane drei, allen Venen zukommenden Schichten, Intima, Media, Adventitia. Die Intima ist sehr zart und geht in die Venenkapillarwand fiber. Auch Media und Adventitia sind schwach entwickelt: die Wandstarke erreicht nur eine obere Grenze yon 9 /t. Hier im Knochenmark liegt also d a r seltene Fall vor, dass sich bei den Venen nieht wahrend der Abstufung bis zu den Kapillaren die Schichten der Wandungen allmahlich verlieren, sondern Kapillaren direkt in eine vollstandig entwickelte Vane einmiinden. Selbst bei sehr grossen Lumen kapillarer Venen wie sie zuweilen nahe an der Hauptvene vor- kommen, ist nie Muskulatur oder adventitiaartig entwickeltes Bindegewebe vorhanden. Diese Eigentfimlichkeit finder ihre Er- klarung leicht in der Funktion des Knochenmarks. Die Venen- kapillaren sind die Statten der Bildung roter BlutkSrperchen, und da das Knochenmark fast ausschliesslich die Blutbildung besorgt, ist eine reiche Entwicklung des Venenkapillarnetzes in ibm erforderlich. Ffir 0bergange im Verlauf der Venen ist datler kein Raum gelassen.

Das Lumen der Venenkapillaren ist im allgameinen lfickenlos gegen das Parenchym abgeschlossan. Offene, prifformierta Ver- bindungen zwischen beiden bestahen nut an den Stellen des Parenchyms, die dutch ihren Aufbau und ihre Form eine Aus- nahmestellung gegentiber den anderen Teilen einnehmen, das sind die yon friiheren Autoren als Leukoblastenhaufen oder Herde lymphadenoiden Gewebes bezeichneten Partien des Markes. Diesen, bei jedam Schnitt dutch aktives Mark in die Augen fallenden Stellen hat man his vor kurzem recht wenig Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl sie es verdienten, well ihre Gestalt und ihr Aufbau sich wesentlich yon dam fibrigen Parenchym unterscheidet. Wahrend dieses, ohne je regelmassige Form anzunehmen, die

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Riiume zwischen den Venenkapillaren ausfiillt, zeigen die Leuko- blastenhaufen stets aanahernd kugelige Gestalt. Bindegewebige Elemeate sind in ihnen sehr selten, erst am Raade tauchen Zellen auf~ die die kugelige Oberflache umfassen. Ebenso selten ver- laufen in ihnen Gefasse, seien es Arterien oder Venenkapillaren: die ersteren verlaufen meist nur am Rande, die letzteren biegen um sie herum. Ich verfolgte nun durch Serienschnitte das Ver- halten der Venenkapillaren am Rande jener Leukobiastenhaufen und konnte konstatieren, dass an jedem die Veaenwand an einer Stelle eine AuflSsung erleidet. Fig. 1, Tar. VX zeigt, wie an das in der Zeichnung rechts gelegene Lymphkn0tchen (so will ich aus spater anzafiihrenden Crriinden yon jetzt ab die Leukoblastenhaufen nennen), das seiner GrSsse wegen nicht im entferntesten in die Zeichnung hineinging, eine Venenkapillare herantritt und wie hier eine Aufl0sung der Venenwand vor sich geht, so dass die Zellen des Lymphknotens ungehindert ins Veaenlumen eindringen k~nnen. Die Venenwand ist bis zu der mit einem Kreuz be- zeichneten Stelle fest und wiirde nur ei~mn gewa[tsamen Durch- tritt gestatten. Von jener Stelle ab biegt sie jedoch ins Lymph- kniitchen hinein und 15st sich dort auf. Es fehlt welter abwarts jegliche das Venenlumen abschliessende Wand, so dass die Zellen bier eindringen k(innen, uud dass sie es tun, beweisen die leeren Maschen der Retikulumzellen und die den Elementen des Lymph- knStchens durchaus gleichenden Zellen des unteren Teiles der Vene. In der Zeichnung oben links besteht noch eine kleinere gleichartige 0ffnung am Lymphknoten, der sich nach links an die Zeichnung anschliesst. Ein weiterer Beweis daffir, dass es sich bier wirklicl~ um eine offene Stel~e in tier Venenwand handelt, ist das Verhalten der chiaesischen Tusche an solchen Stellen. Verhaltnismassig welt yon der 0ffnung entfernt kann man noch Tuschepartikelchen wahrnehmen, die nach der 0ffnung zu starker und starker auftreten. Um Extravasate kann es sich hier nicht handeln, da an keinen anderen Stellen Tuscheteilchen im Paren- chym wahrgenommen werden kSnnen.

Die E n t w i c k l u n g d e r E r y t h r o z y C e n .

Wenn ich in diesem Abschnitt eine ausffihrliche Darstellung der Entwicklung der roten BlutkSrperchen gebe, die schon yon mehreren hutoren eingehend behandelt worden ist, so geschieht

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Die roten BiutkSrperchen der u 391

es, um den Nachweis Zu ffihren, dass eine einwandfreie Ableitung der Erythrozyten yon der Zelle mSglich ist, die ich als Stamm- zelle ansprechen mSchte, und um die schon meist bekannten Entwicklungsvorgange in eine zeitlich geordnete Reihe zu bringen.

Das in letzter Linie die Blutzellen liefernde Gewebe des Knochenmarkes sind die so reichlich (in einem Schnitt bis zu acht an der Zahl) im aktiven Mark vorhandenen LymphknStchen, deren eigenartige Stellung ich schon auf S. 389 charakterisiert habe. Die tiberwiegende Zahl der die LymphknStchen zusammen- setzenden Zellen sind kleine, etwa 5--6 # grosse ZBllen mit relativ grossen Kernen, die bald chromatinarm, bald reichlicher mit Chromatin versehen sind und abgesehen yon den unten angeftihrten husnahmen mindestens einen Nukleolus aufweisen, der ZeUeib ist feingek~rnelt, yon feinen Faden durchzogen und basophil. Die Zellen gleichen also vollkommen jenen Elementen des Blutes und der Lymphe, die als kleine Lymphozyten bezeichnet worden sind. Auf Grund dieser Identifizierung gebrauche ich die Bezeichnung Lymphkn(itchen. Doch noch andere Merkmale berechtigen dazu, diese LymphknStchen des Knochenmarkes voll- kommen jenen schon seit langem so bezeichneten Teilen der Milz gleichzustellen. Zwischen den Lymphozyten zerstreut liegen gr(issere, mit Hamatoxylin sich pyknotisch farbende KSrper, die von degenerierten Lymphozyten herrtihren. Die Degenerations- symptome zeigen sich schon bei etwa 3 ~ grossen Zellen; ihr Kern ist stark chromatinhaltig und besitzt keinen Nukleolus mehr, wie denn fiberhaupt nur die Zellen ira Lymphkniitchen keinen Nukleolus aufweisen, die schon Degenerationserscheinungen zeigen. Im weiteren Verlauf wird das Chromatin im Kern immer dichter, bis er sich schliesslich pyknotisch fltrbt. Zuweilen finder dann eine Aufteilung in Schollen statt, ohne dass jedoch die Kernmembran aufgel5st wird. Die Zelle schrumpft bei dem ganzen Vorgang erheblich, so dass sehliesslich nut noch ein kleiner schwarzer Fleck fibrig bleibt. In grOsserer Anzahl wie die tingiblen KSrper sind bis 14 /~ grosse Zellen vorhauden, die ebenfalls mit dem kleinen Lymphozyten durch alle Ubergange verbunden sind. Ihr Kern ist gross, ehromatinarm, mit einem grossen Nukleolus, ihr Plasma bei einzelnen fast hyalin, bei anderen undurchsichtig und stark basophil. Es sind die yon anderen hutoren als Lymphoblasten bezeichneten Zellen. Es ist

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nun natiirlich nicht durch den blossen Anblick eines Lymph- knStchens zu entscheiden, ob diese grossen Zeliea, in denen sich vorzugsweise die h~tufig wahrnehmbaren Mitosen dieses Tells des Parenchyms abspielen, die kleinen Lymphozyten liefern, oder ob die grossen aus den kleinen Lymphozyten heranwachsen uad dann eine grSssere Teilungsf~thigkeit entwickeln. Hier muss man seine Zufiucht zu der embryonaien Entwicklung nehmen. Entstehen dort zuerst grosse Lymphozyten und dana die kleinen, dann k0nnte man die erwlthnten grossen Zellen als Lympho- blastea bezeichnen. Nun ist jedoch nach den Untersuchungen yon D a n t s c h a k o f f im embryonalen Mark das Gegenteil der Fall, die grossen Lymphozyten entstehen aus den kleinen, und man ist daher eher berechtigt, die grossen Zellen als heran- gewachsene kleine Lymphozyten mit vermehrtem Teilungsver- m~gen zu betrachten, als umgekehrt die kleinen yon den grossen Lymphozytetl abzuleiten. Ich kann daher nicht recht verstehen. wie D a n t s c h a k o f f jene Zetien als Lymphobiasten anspricht~ obwohi sie far das embryonale Mark ihre Entstehung aus den kleinen Lymphozyten nachweist und auch zwischen ihnen und den im Parenchym liegenden grossen Lymphozyten keinerlei Unterschiede auffinden kann, ja beide an einer Stelle direkt identiiiziert.

Durch Wachsen der LymphknOtchen werden Lymphozyten in allen GrOssen durch die S. 390 beschriebenen 0ffnungen in die Yenenkapillaren geschoben und beginnen hier, sich zu roten Blutk0rpern nmzubilden. Diese Entwicklung fangt bei vielen Lymphozyten damit an, dass sie zu grossen Lymphozyten heran- wachsen, was leicht an dem haufigen u dieser ZeUart in den Venen ira Yergleich zum LymphknStchen erkannt werden kann. Doch ist dieser Schritt fiir die Entwicklungsreihe nicht durchaus n5tig, nile jetzt anzuftihrenden Prozesse spielen sich an alien Lymphozyten der verschiedensten Gr~isse ab. Bis zur Entwicklung zum reifen Erythrozyten gehen nun an der Stamm- zelle folgende wichtige Veranderungen vor sich: Das Zellplasma wird hyaliner, der Kern hauft mehr Chromatin in sich an and streckt sich in einer Richtung, tier Nukleolus verschwindet, die Rindenschicht der Zelle wird deutlich farbbar, in der Zelle entsteht Hltmoglobin und schliesslich bildet sich die typische Gestalt des reifen BlutkSrperchens aus.

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Die zuerst genannten Veranderungen, bis zum Verschwinden des Nukleolus, halten keine bestimmte Reihenfolge in ihrem Auftreten ein; sie setzen unabhlingig voneinander ein, bald diese, bald jene Veranderung zuerst, jedoch ist eine gewisse Abhangigkit voneinander unverkennbar, so dass z. B. eine Zelle, deren Kern schon eine starke Chromatinhaufung aufweist, nicht mehr undurch- sichtiges Plasma besitzt. GewShnlich setzt die Hyalinisierung des Plasma zuerst ein, dem dann die Chromatinanhltufung im Kern folgt. Diese geht in der Art vor sich, dass das Chromatin zunachst an den Knotenpunkten des Kernnetzes auftritt und dort allmahlich mehr und mehr zunimmt, ttierdurch erhi~lt der Kern jene ftir die jungen Erythrozyten so typische Netzstruktur. Das u des ~Nukleolus ist bei den einzelnen Zellen sehr ver- schieden. Beschreitet ein grosserLymphozyt mit seinem chromatin- armen Kern mit sehr grossem ~ukleolus den Entwicklungsgang, so verschwindet allerdings der 5/ukleolus. Dagegen ist er bei den Zellen des LymphknStchens, die nicht erst zum grossen Lymphozyten herangewachsen sind und ihre Entwicklung beginnen, noch sicher zu erkennen, wenn der Kern schon seine typische Netzstruktur aufweist. Es scheint mir daher, als ob das Ver- schwinden des bTukleolus mehr mit dem absoluten Alter der Zelle in den Venen als mit deren Entwicklungsgang zum Erythro- zyten zu tun hat. Ich bin in dieser Annahme durch das Ver- halten des Nukleolus in der Leukozytenreihe bestarkt worden. Ich m~chte nur noch einmal hervorheben, dass mir meine bei der Beschreibung der Technik angeffihrte Farbemethode bei der Ver- folgung des Nukleolus die besten Dienste geleistet hat; bei anderen Hamatoxylinen und anderer Behandlung des E h r 1 i c h schen ist ein einwandfreies Erkennen des Nukleolus ausgeschlossen. Ganz regellos setzt die Streckung der Zelle ein, zuweilen schon ehe die Chromatinanhaufung beginnt, zum Teil erst, wenn die Zelle schon Hitmoglobin enth~lt. Je hyaliner das Plasma wird, desto deutlicher farbbar wird die Zellrindenschicht, so dass man also bei diesen beiden Prozessen yon einer unmittelbaren Ab- hangigkeit sprechen kann. Wahrend dieser angefiihrten Um- wandlungen wird sowohl die Zelle als auch der Kern im Ver- haltnis zur Zelle kleiner. Noch immer dokumentiert sich die verschiedene Gr~sse der Stammzelle aufs deutlichste, und sie ist es auch in letzter Linie, die die nicht unerheblichen Gr0ssen-

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schwankungen unter den reifen Erythrozyten veranlasst. Die Zellen, welche die bisher beschriebenen Umwandlungen aufweisen, sind in den Venenkapillaren haufig und zeigen eine betr~chtliche Vermehrungsfahigkeit. Dass die Teilungsfiguren der hamoglobin- losen Zellen diesem Stadium und nicht etwa dem grossen Lymphozyten zukommen, beweist die stets deutlich fRrbbare Rindenschicht der sich teilenden Zelle; das Plasma des grossen Lymphozyten k6nnte bei Teilungen vollkommen hyalin werden, jedoch nicht bei diesem Vorgang eine deutlich fttrbbare Rindea- schicht erwerben. Eine Teilung der grossen und kleinen Lymphozyten in den Venen konnte ich nicht auffinden.

Haben sich die beschriebenen Umwandlungen vollzogen, so beginnt im Plasma das Hiimoglobin aufzutauchen. Weder ungefttrbt, noch durch Farbung, etwa mit Eosin, lasst es sich frtiher nach- weisen. Jedoch ist damit nicht entschieden, dass yon jetzt ab erst die Hamoglobinausbildung stattfindet, oder oh nicht schon vorher dieser Farbstoff ausgebildet worden ist und nur wegen seiner geringen Fiirbkraft und wenigen Menge nicht erkannt werden konnte. Allerdings ist das letztere recht unwahrscheinlich, dean man trifft auf dieser Entwieklungsstufe viele Zellen, deren Plasma genau so weiss ist, wie das der Stammzelle. Das Httmo- globin ist yon seinem ersten kuftreten an homogen im Plasma verteilt, weder nach dem Kern noeh nach dem Rande zu, noch etwa an gewissen Stellen des Plasmas ltlsst sich eine starkere knhaufung des Farbstoffes erkennen. Man wird ihn daher als ein Elaborat des Plasmas seibst ansehen miissen. Die Chromatin- anhitufung im Kern schreitet wahrend der Hamoglobinausbildung welter fort, geht jedoch hie bis zur Verklumpung; immer ist, wenn auch nur schwer, eine Struktur zu erkennen. Die Zellen dieses Stadiums zeigen eine starke Vermehrungsfahigkeit; die grSsste Anzahl der in den Venen aufzufindenden Mitosen kommen ihnen zu. Fiir das Knoehenmark der erwachsenen V6gel gilt also, dass die Vermehrungsfahigkeit der Erythroblasten wachst, je mehr sie sich in ihrer Entwicklung dem reifen Erythrozyten nahern. Sie erlischt meiner Meinung nach erst, wenn der Ery- throblast ins Blut eingeschwemmt wird und bier die letzten Schritte zur Reifung ausftihrt, d. h. seine Rindenschicht stark verdickt und im Kern Verklumpung des Gertistes einsetzt. Ftir den Verlust jener Fahigkeit dutch die Aufhebung des halb sesshaften Zustandes

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in den Venen spricht die Tatsache, dass im Gegensatz zum Mark, wo Teilung stark hamoglobinhaltiger Zellen so haufig stattfindet, im Blur erwachsener, normaler VOgel Mitosen yon Erythrozyten so gut wie hie vorkommen. Bei meinen Zahlungen, bei denen ich etwa 250000 rote BlutkOrper Sttick ftir Sttick durchsehen musste, bin ich ein einziges Mal auf einen sich teilenden Erythro- blasten gestossen. Was das Absterben der Erythrozyten anbetrifft, so kann ich hier die Befunde P f i t z n e r s . so welt sie in dieser Frage reichen, durchaus bestatigen. Das Chromatingerfist verklumpt, der Kernumriss wird zackig und zeigt haufig an seinen Polen kleine stiftf6rmige Fortsatze; der Kern wird sodann pyknotisch, btisst dabei seine ellipsoide Gestalt ein und wird zur Kugel oder Scheibe. Meinen Untersuchungen nach setzt sodann Schrumpfung des Kernes ein, die man soweit verfolgen kann, his im Blut- kiirperchen nur noch ein winziger Fleck vorhanden ist. Ich halte es hiernach nicht ftir ausgeschlossen, dass ein vollstandiger Schwund des Kernes eintritt. Kernlosen Fragmenten roter Blut- k6rper begegnet man haufig; man kann diesen jedoch leider nicht ansehen, ob sie dutch Kernschwund oder durch Abschntirung yon anderen BlutkSrperchen entstanden sind. Die andere Art des hbsterbens, die P f i t z n e r angibt, namlich ein vollstandiges Ein- bfissen der Farbbarkeit des Kernes, konnte ich bei der Anwendung des I t ansenschen Hamotoxylins nicht konstatieren, tJber eine andere Art regelmassigen Erythrozytenunterganges, eine gewalt- same Beseitigung reifer Formen, m6chte ich im nachsten Abschnitt im Zusammenhang berichten.

Die L e u k o z y t e n e n t w i c k l u n g .

Wie die Erythrozyten, so muss ich auch die Leukozyten yon den Zellen der Lymphkn(itchen im Knochenmark ableiten. Und zwar stOsst die Ableitung auf weit weniger Schwierigkeiten wie fiir die roten Blutk(irperchen, denn die Lymphkn(itchen liegen im Parenchym, und den Zellen steht also nichts im Wege, passiv oder aktiv in dieses einzuwandern, und ferner sind die Ver- anderungen, die sich in der Leukozytenreihe abspielen, nicht so komplizierter Art, wie bei den Erythrozyten , so dass die Ent- wicklung auch leichter zu verfolgen ist. Wieder werden durch Wachstum des Lymphkn(itchens Lymphozyten jeder Gr0sse ins Parenchym abgeschoben, wo fiir sie auf Grund ihrer am(iboiden

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Beweglichkeit die MSgtichkeit einer Ortsveranderung geschaffen ist. Man kann eine derartige Abwanderung yore Lymphknbtchen an einigen Stellen sehr gut beobachten; die sonst diesen an der Peripherie umhiillenden Bindegewebszellen sind dann auseinander gedrttngt und ein mehr oder minder breiter Strang yon Lympho- zyten setzt sich ins Parenchym hinein fort. Die sich bei der Entwicklung zum Leukozyten vollziehenden Veranderungen gehen am Kern und am Plasma vor sicb. Die ganze Entwicklungsreihe ist durch einen chromatinarmen Kern ausgezeiehnet, der Zelleib ist im Verhaltnis zum Kern gross, durchsichtig und neutrophil. Wegen der Chromatinarmut des Kernes ist leicht zu erkennen, dass jeder ZeUe ein Nukleolus zukommt, mit Ausnahme sehr chromatinarmer oder schon degenerierender Kerne. Beim Kern erstrecken sieh die Entwieklungsveranderungen im Gegensatz zu den Erythrozyten hauptsachtich auf die Gestalt. Es treten bier. manchmal schon ehe sich Granula im Plasma gebildet haben. kleinere Einbuchtungen auf, meist nach dem Zentrum der Zelle zu geiegen.. Allmahlich schneiden die Einbuchtungen tiefer ein, dabei streckt sich der Kern, nimmt eine exzentrische Lage in der Zelle ein und bekommt so Wurst- oder Hufeisenform. Zu- weilen tritt Streckung des Kernes auf, ehe die Eiabuchtungen welt vorgeschritten sind, u n d e s entsteht ein quer durch die Zelle verlaufender st~tbchenf0rmiger Kern. Die meisten im Parenchym des Knochenmarkes vorhandenen Leukozyten zeigen die bisher beschriebenen Entwicklungsphasen des Kernes. Seltener kommt es, und zwar vorwiegend bei kleinen Leukozyten, durch die Ein- schniirungen zur Aufteilung des Kernes in zwei oder hiicbstens drei durch feine Fitden verbundene Lappen. Ich suchte reich mit Hilfe der yon W e i d e n r ei ch angegebenen Agarmethode davon zu tiberzeugen, ob die Zersehniirungen des Kernes in strOmendem Blut noch welter fortschritten. Leider ist diese Methode, die bei Saugetieren, wie ich reich iiberzeugen konnte, sehr gute Resultate liefert, ftir Vogelblut nicht brauchbar. Das Blur wird namlich sofort nach der Eatnahme dickfliissig, so dass die am Rande des Deckglases zugesetzte Osmiumsaure nur ein geringes Stiickchen eindringen kann. Ein nach den Gesetzen des osmotischen Druckes ausgerechneter Zusatz yon zitronensaurem Natron, der zwar die Gerinnung aufhielt, verhinderte jedoch auch das Anhaften der Blutk0rperchen am Deckglas. Ein weiterer

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(~belstand ffir das Vogelblut liegt darin, dass die mit Kernen versehenen roten Blutk(irperchen in den meisten Fallen die weissen Blutk0rperchen vollkommen verdecken, bTach den Befunden, die ich durch Ausstrichpraparate an den Leukozyten im Blut gewonnen habe, kann ich sagen, dass auch bei ihnen die Zer- schnfirung des Kernes hie weiter als his zur Dreilappigkeit geht. Das Studium an gehungertem Mark, wo eine kfinstliche Ver- mehrung der alternden Formen geschaffen ist, lehrte durchaus das gleiche. Vergleicht man die Entwicklung des Kernes der Saugetierleukozyten mit der der V(igel, so tritt uns bier das gleiche Prinzip entgegem nur geht die Zerkltiftung des Kernes bei weitem nicht so weit. Solange der Kern noch rund ist und nur wenige kleine Einbuchtungen aufweist, ist die ZelIe, gleich- gfiltig ob schon Granula oder nicht vorhanden sind, noch teilungs- fahig, wie man an den nicht seltenen Teilungsfiguren in diesen Zellen sehen kann; hat der Kern erst Wurstform angenommen, so ist seine Vermehrungsfahigkeit erloschen. Die Granula treten in verschiedenen Stadien der Entwicklung auf, manchmal in Zellen, die noch durchaus die Kennzeichen der grossen oder kleinen Lymphozyten aufweisen, manchmal in solchen, deren Kern schon Einbuchtungen hat und deren Plasma bereits neutrophil geworden ist. Dieses Auftreten der Granula zu so verschiedenen Zeiten finder leichter seine Erklarung, wenn man sie nicht als yon der Zelle ausgearbeitete Produkte einer bestimmten Entwicklungs- stufe ansieht, sondern ihre Herkunft nach aussen verlegt und, wie We i d e n r ei c h, sie ftir yon den Lymphozyten verschlungene Trfimmer der roten Blutkiirperchen anspricht. Eine solche Deutung der azidophilen K0rnelung wtirde das verschiedene Auftreten aus 5rtlichen Verhaltnissen erklaren (es sind keine zu verdauenden Erythrozytenreste vorhanden)und dem reich entwickelten Paren- chym des Knochenmarkes eine wichtige Aufgabe, die Vernichtung der El~'throzyten, anweisen. Das Knochenmark hat dann nicht nur die Aufgabe, Blutk0rperchen zu bilden, sondern solche aus dem Blut zu entfernen, um ftir Neubildung Platz zu schaffen. Um zu beweisen, dass das Parenchym diese letzte Funktion auch wirklich austibt, bedfirfte es ffir das Knochenmark nur des Naehweises, dass rote Blutktirperchen im Parenchym vorkommen, denn die phagozytaren Eigenschaften der Lymphzellen stehen ausser Zweifel. Nun hat es in einem Praparat, wo El'ythrozyten so leicht

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aus dem Gefasslumen herausfallen kSnnen, Schwierigkeiten, ein einwandfreies Vorkommen roter BlutkSrperchen im Parenchym zu erkennen. Jedoch muss ich es auf Grund meiner Befunde behaupten; vor allem in der Nahe des Randes is tes mir 5fret gelungen, Erythrozyten im Parenchym aufzufinden; in einem Fall sah ich sogar im gehungerten Mark einen Durchtritt eines Erythrozyten durch die Venenwand. Kommen nun die vom LymphknStchen abgewanderten Lymphozytea im Parenchym durch kufzehrung yon Erythrozyten dazu. ihre ihnen zukommende Funktion auszutiben, so geht die oben beschriebene Entwicklung vor sich. K~nnen sie diese Funktion wegen Erythrozytenmangels nicht ausiiben, so degenerieren sie. Es sind dies die yon anderen Autoren, besonders eingehend yon W. D a n t s c h a k o f f , be- schriebenen Plasmazei]en. Der Degenerationsvorgang gleicht durchaus dem der Lymphozyten in den LymphknStchen, den ich schon oben beschrieben habe. Die Form der Granula ist vor- ~iegend fund. Sie sind sehr verschieden gross, doch kommt ihnen stets eine solche Griisse zu, dass sie gut zu erkennen sin& Ein Heranwachsen aus nicht sichtbaren Anfangen muss ich daher in hbrede stellen. Haufig sind die K0rner rum und an einem Ende spitz ausgezogen; in solchen Fallen sind die Spitzen meist nach einem Zentrum in der Zelle orientiert. Diese Granulation kommt nur kleinen Zellen zu, deren Kern schon stark zerkltiftet ist, jedoch wird man ihretwegen nicht berechtigt sein, diesen Zellen eine besondere Stellung anzuweisen, nut sie etwa als Leukozyten bezeichnen und die anderen granulierten Zelien als Myelozyten, wie D a n t s c h a k o f f . Soweit ich aus ihrer Arbeit ersehen konnte, sieht die Autorin in dieser Granulation ein Kriterium der Vogelleukozyten. Dem muss ich entgegenhalten, dass die meisten Leukozyten des Vogelblutes diese Granulation nicht aufweisen. Das weitere Schicksal tier Leukozyten verfoigt eich im gehungerten Mark. Hier st6sst man auf viele Zellen, die alle oben beschriebenen ~nderungen aufweisen und sich yon den Leukozyten des normalen Marks nur durch die Verklumpung des Chromatin- geriistes unterscheiden. Diese schreitet allmahlich immer welter fort, der Kernumriss wird zackig, die Flden, welehe die Kernlappen verbinden, zerreissen, die Zelle schrumpft erheblich. Genau wie bei der Degeneration der Lymphzellen und Plasmazellen nimmt die Zelle mehr und mehr an GrSsse ab und verschwindet vollstandig.

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L i t e r a t u r v e r g l e i c h u n g . In diesem Abschnitt soll untersucht werden~ wie sich die

von mir gegebene Deutung der Verhaltnisse im Knochenmark mit der bisher geltenden Darstellung anderer Autoren vereinbart und des weiteren, ob sich die yon mir gewonnenen Resultate mit der durch das Studium anderer blutbildenden Organe erhaltenen Ansicht in Einklang bringen lassen.

Nach den ausfiihrlichen Untersuchungen yon W. D a n ts c h a- k o f f am embryonalen Mark halte ich es f~ir bewiesen, dass eine Deutung der Blutbildung im Knochenmark der VSgel im Sinne heterogener Abstammung nicht angangig ist. Es ist nunmehr die Frage, ob die Aufstellung des grossen Lymphozyten als Mutterzelle aller Blutzellen den wahren Verhaltnissen im Mark gerecht wird, oder ob man nicht gezwungen ist. noch weiter in der Reihe der weissen Blutk0rperchen zuriickzugehca und dem kleinen Lymphozyten diese Stellung zuweisen muss, wie ich es in meinen Darlegungen getan habe.

Nach W. D a n t s c h a k o f f ist der grosse Lymphozyt die gemeinsame Stammzelle der Leukozyten, Erythrozyten und Thrombozyten. Er entsteht in der embryonalen Periode aus dem kleinen Lymphozyten und bleibt spater als selbstandiges Element erhalten; ist er einmal vorhanden, so erhalt er sich fortgesetzt durch Teilung und braucht nicht mehr aus dem kleinen Lymphozyten heranzuwachsen. Es ist eigentlich nicht konsequent, bei dieser Entstehung den grossen Lymphozyten als Mutterzelle zu bezeichnen, da er doch erst aus dem kleinen Lymphozyten hervorgehen muss; in letzter Linie ware dieser die Stammzelle. Dann erscheint es merkwfirdig, dass der kleine Lymphozyt nur im embryonalen Marl( die Fahigkeit haben soll, sich in den grossen zu verwandeln; er bleibt erhalten und es steht ihm zum mindesten im Parenchym, wo er in so grosser Anzahl vorkommt, nichts im Wege, auch im erwachsenen Mark diese Funktion auszufiben. Zu dem Schritt, nichtsdestoweniger den grossen Lymphozyten als Stammzelle der BlutkOrperchen zu bezeichnen, sieht sich W. D a n ts c h ak o f f dadurch gezwungen, dass sie an der Geschlossenheit des Gefassnetzes gegen das Parenchym festhalt. Die Zelle, die durch das Studium embryo- nalen Markes als fast letzter Ausgangspunkt erkannt wurde und deren Vorkommen sowohl im Parenchym wie auch in den Venen

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ohne Schwierigkeit festgestellt werden kann, ist tatsachlich der grosse Lymphozyt. Den Bedenken, welehe man aus seinem geringen Vorkommea namentiich im Parenchym gegen diese ihm zugewiesene Rolle erheben kann, begegnet die Autorin mit der Behauptung vorwiegend homSoplastischer Regeneration der Blut- k(irperchen im erwaehsenen Mark. Trotzdem mtissen dann aber alle in den Venen befindlichen ZeUen yon dem grossen Lympho- zyten ableitbar sein. Sehon bei den weissen Blutk6rperchen, die noch nicht den Entwicklungsweg beschritten haben, dtirfte dies nieht m0glieh sein. Sie zeigen namlich in der GrSsse, im Kern und in der Plasmabesehaffenheit so grosse Unterschiede, dass sie nieht ohne vorherige Teilnng aus dem grossen Lymphozyt hervor- gegangen sein kSnnen. D a n t s c h a k o f f stellt nun aber lest, dass dieser sich so gut wie gar nicht teilt, was ich vollauf bestatigen kann. Sollten jedoeh die erwahnten weissen Blut- kSrperchen, deren Vorhandensein in den Venen D a n t sc h a k o f f allerdings nicht notiert, auch ohne Teilung aus dem grossen Lymphozyten hervorgehen, so mtisste dieser in den Venen zwei EntwieklungsmSglichkeiten haben: Erstens, sich in rote Blut- kSrperchen zu verwandetn, eine Reihe, die in tier GrOsse der Zellen, Kern -and Plasmaveranderungen ItickenIos zu verfolgen ist, zweitens ohne Teilung kleine Lymphozyten zu liefern, deren Plasma hyaliner oder undurchsichtiger, deren welt kleinerer Kern ebenso chromatinarm oder viel reicher an Chromatin sein kann. Ich glaube, dass bei der ersten Entwicklungsrichtung, die wirklich stattfindet, die zweite recht unwahrscheinlich ist. Fiir noch unwahr- scheiniicher halte ich es, dass der grosse Lymphozyt so zahireiche, sehr verschieden grosse, noch sehr junge Erythroblasten liefera soll, an denen sich erst die ersten Umwandlungsprozesse zeigen, die noch kein tiamoglobin enthalten. Es kommen nftmlich Unter- schiede yon 12/~ his 4 # vor. hlle angeffihrten Bedenkea werden leicht beseitigt, wenn man die angegebenen Unterschiede als in der Stammzelle selbst begriindet sieht. Die Unterschiede der Lymphozyten in den Lymphkniitchen sind eia getreues Abbild aller Unterschiede, die man an den weissen Blutk(irpern in den Venen auffinden kann und erklaren auch einfach die grossen Verschiedenheiten, die unter den Erythroblasten herrsehen. Um sie freilich als Stammzelle zu erkennen, bedurfte es des Nachweises einer offenen Verbindung der Lymphkn6tchen mit den Venen.

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Weit weniger als ftir die Erythrozyten lasst sich der grosse Lymphozyt im Parenchym fiir die Leukozyten als Stammzelle aufrecht erhalten. Hier ist seine Zahl sehr gering und die Tat- sache der Umwandlung der Lymphozyten der LymphknStchen in Leukozyten so deutlich, dass sie auch yon D a n t s c h a k o f f berichtet werden muss. Diese Fahigkeit zeige sich besonders stark bei Hungerzustanden; bei solchen erwfirbe der kleine Lymphozyt die embryonale Eigenschaft wieder, sich direkt in Leukozyten zu verwandeln. So erklare sich auch die starke Verminderung der I-Ierde lymphadenoiden Gewebes bei Huager- zustanden. Ftir dieselbe Erscheinung bei Schr0pfungen weiss die Autorin keine Erklarang. Meiner Meinung nach beweist gerade das Verhalten der Lymphkn(~tchen bei anormalen Zustanden, eine wie grosse Rolle sie bei der Blutregeneration spieien. Bei SchrSpfungen werden hohe Anforderungen an die blutbildenden Organe gestellt, denen mit allen m6glichen Mitteln Gentige geleistet wird; die Erythroblasten und die weissen BlutkOrperchen in den Venen treten in lebhafte Wucherungen ein, der Vorrat an Stammzellen, die LymphknOtchen, werden stark angegriffen und bei zu grossen Blutverlusten aufgebraucht. Bei Hunger- zustanden wird durch die geringe Nahrungszufuhr der Stamm- zelle die M(iglichkeit genommen, sich zu vermehren, so dass jetzt auf diese Weise bei der Blutregeneration der Vorrat der Stammzellen aufgebraucht wird.

Die Stellung, welche D a n t s c h a k off den kleinen Lympho- zyten im normalen, erwachsenen Mark anweist, kann schwerlich das Richtige treffen. Die kleinen Lymphozyten, die in so enormer Zahl im Mark vorkommen, sollen weiter keine hufgabe haben, als die an Zahl so geringen Plasmazellen zu bilden, Zellen, die nichts zu tun haben, als zu degenerieren? Ich muss noch einmal betonen, wer, wie die Autorin erkannt hat, dass im embryonalen Mark aus den kleinen Lymphozytea alle Zellen des Markes ent- stehen, ware eigentlich gezwungen, ihm zum mindesten im Parenchym die Aufgabe der Leukozytenbildung zuzuweisen, denn seine Umwandlung in diese ist zu deutlich, als dass sie iiber- sehen werden kiinnte und topographische Hindernisse irgend welcher Art bestehen nicht.

Wenn ich kurz restimiere, was ich zur Verteidigung meines Standpunktes gegen die D a n t s c h a k o f f s c h e huffassung zu

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bemerken habe, so muss ich zunachst als Hauptirrtum der Arbeit bezeichnen, dass die Autorin an der GeschIossenheit der Gefassbahnen gegen das Parenchym festhalt, was alle anderen you mir bestrittenen Behauptungen nach sich zieht. Sie erkennt in dem grossen Lympllozyten das Endglied der Erythrozytenreihe und fibertragt dieses Resultat als Vertreterin des unitaristischen Standpunktes auf das Parenchym. Dadurch wird sie den Stellungen der LymphknStchen nicht gerecht und bringt Trennungen in die vorhandenen Zellarten, denen marl nicht zustimmen kann.

Vergleiche ich meine Schliisse mit denen anderer Autoren, so bin ich um so mehr berechtigt, meinen Standpunkt D a n t s c h a - k o ff gegenfiber aufrecht zu erhalten. Die vor kurzem erschienene hrbeit yon A. Max im o w fiber das Saugetierknochenmark bringt fiber dieses Organ Deutungen, die auf das Genaueste mit meinen Res'ultaten fibereinstimmen. Auch bei den Saugern sind die aus kleinen Lymphozyten zusammengesetzten Markstrange die Keim- zentren ffir Erythrozyten und Leukozyten. Dutch hufiockerung der Venenwande gelangen die kleinen Lymphozyten in die Venen und liefern die Erythrozyten, im Parenchym dagegen die Leuko- zyten. ~Nur sind im Saugetiermark die Trennungen yon Paren- chym und Gefassen nicht so scharf durchgeffihrt wie bei den VSgeln.

Im fibrigen m(ichte ich reich zur Bestatigung meiner Be- hauptungen auf die yon W e i d e n r e i c h 1905 ver0ffeatlichte Zu- sammensteliung der gesamten Literatur fiber die roten Blut- kSrperchen berufen, aus der ich die ffir meine Zwecke verwendbaren hbschnitte kurz wiedergegeben babe, aus denen erhellt, dass ich reich im Einklang mit den meisten Autoren der unitaristischen Anschauung befinde.

Als Resultate der Arbeit h~ttte ich zusammenzustellen: 1. Gefasse: Die Arteria nutritia versieht nur das Mark

der Diaphysen mit ateriellen Gefassen. 5[ach ihrer Ein- miindung durch das Foramen nutritium gibt sie im Femur zwei J~ste nach oben and einen nach unten ab. Vieie umfangreiche Zweige, die sich am Foramen nutri- tium vorfinden, sind nur ffir die unmittelbare Umgebung dieser Partie yon Belang. Es ist bei der grossen Ver- schiedenheit der Verzweigung der hrteria nutritia am Foramen nutritium, die in den beiden genau unter-

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Die ro ten Blutki i rperchen der VSgel. 403

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Arohiv f. mikr. Anat . Bd. 77. Abt. I.

suchten Fallen aufgefunden wurde, nicht ausgeschlossen, dass in anderen Fallen ein anderer Modus der Abzweigung der Hauptaste yon der hrteria nutritia angetroffen wird. Die Einmfindung yon Arterien durch die H a v e r s c h e n und V o l k m a n n schen Kanale beschrankt sich an der Diaphyse auf Gefasse yon etwa 10 t~. An den Epiphysen mfinden gr0ssere Gefasse ein, die der Arteria nutritia an Umfang fast gleich kommen; ihre Zahl und 0rt der Einmiindung variiert, nur die Arteria der Incisura inter- condyloidea femoris wurde konstant angetroffen.

Der kufbau der Arterien ist der yon anderen 0bjekten her bekannte. Elastische Fasern finden sich bei grSsseren Gefassen in der Adventitia, in geringerem Marie zwischen den Muskelzellen und zu einer dfinnen Schicht unter dem Intimahautchen vereinigt.

An den hrterienkapillaren ist die Intima und das diese yon der Media trennende Hautchen erhalten. Von aussen umfassen Bindegewebszellen die Kapillaren. Diese sind sear lang, reich verzweigt, anastomosieren unter- einander und gehen restlos in die Venenkapillaren fiber. Das Hautchen wird zur Venenwand. Die Innenzellen der Venenkapillaren bilden keine kontinuierliehe Schicht, sondern liegen welt voneinander entfernt. Auch all die Venen legen sich yon aussen Bindegewebszellen. Die Venenkapillaren mfinden als Kapillaren in die Hauptvene ein, die die tiblichen drei Schichten der Wand zeigt. Sie ist die einzige wirkliche Vene des Markes, alle anderen ven0sen Blutbahnen sind Kapillaren. Die Haupt- vene miindet am Foramen nutritium aus. Bei den anderen husmfindungen der venSsen Bahnen handelt es sich um Venenkapillaren.

Die Venenkapillaren sind im allgemeinen ltickenlos gegen das Parenchym abgeschiossen. 0ffnungen bestehen nur an den LymphknStchen des Knochenmarkes. Erythrozyten: Die yore LymphknStchen in die Venen geschobenen Lymphzellen der versehiedenen Gr~sse ent- wickeln sich hier zu den Erythrozyten. Die Umwandlung wird durch eine Gesamtheit yon Prozessen gekennzeichnet, die jedoeh in ihrem Auftreten keine bestimmte Folge

28

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404 W i l h e l m V e n z L a f f :

erkennen lassen. Die Prozesse sind: Hyalinisierung des Plasmas, Ausbildung einer farbbaren Rindenschicht, hn- h~tufung des Chromatins im Kern zu einer Netzstruktur, Yerschwinden des Nukleolus, Ausbildung des Hamoglobins. In bezug auf das Verhaltnis der vier ersten Prozesse muss ich auf das Kapitel : ,Entwicklung der Erythrozyten" vervceisen. Die Ausbildu~g des H~mogiohit~ erfordert das Vorausgehen der anderen Prozesse.

Beim Zugrundegehen der Erythrozyten im Blut tritt Kern~chwund mit typischen vorhergehendea Kern- ver~tnderungen ein.

Eine andere regelmassig stattfindende Vernichtung yon Erythrozyten geschieht durch ihren 15bertritt ins Parenchym, we sie yon den Leukozytea aufgezek~t werdee. Die azidophilen K6rnelungen sind yon den Leukozyten verschlungene Erythrozytenreste.

Die Leukozytenentwicklung gleieht der von den gleichen t~tementen des Shugetierblutes her bekmmten durchaus, jedoch geht die Zerkliiftung des Kernes nur his zur Dreilappigkeit.

IL Te l l .

l ber die Morphologie der rotenBlutkOrperchen der VOgel. Es sollen im xweiten Teit dieser Arbeit rd~tersuchungen

mitgeteilt werden, die ieh tiber Form, Gr6sse und Anzahl der roten Blutk6rperchen bei V6geln maehte. Ich nahm meine Unter- suchungen in der reiehhaltigen Vogelsammlung des hiesigen Zoologischen Oartens vor und mSchte die Gelegenheit benutzen, der Verwaltung des Gartens fiir ihr ausserst liebenswtirdiges Entgegen- kommen meinen besten Dank auszusprechen. Vor allem sehulde ieb D~nk dem praktisch-wisseu~cbaftlicheu Leiter, E~errn Dr. Rei a ro th, der reich durch Materialhinweise und i3berlassung yon Durch- schnittsgevdchten in meinen Arbeiten wesentlich gefOrdert hat.

Die Form tier Vogelerythro~ten. Zur Formbeobachtung verdtinnte ich einen Tropfen Blut,

den ich aus einer durch Einstich mit einer scharfgeschliffenen Lanzettnadel erzeugten Wunde nahm, mit 0,66 ~ Kochsalzt0su~g

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Die rotea BlutkSrperchen der VSgel. 405

in einer Blutzahlpipette, yon der der grbsste Tell des geaichten Endes abgebrochen war. Eine solche Mischpipette mit kurzem Ansatz bietet die M0glichkeit eines schnellen Arbeitens, denn das hufsaugen, Mischen und Entnehmen geht rasch yon statten; ferner kann man die Blutverdtinnung beliebig wahlen, so dass es sich auf Grund dieser beiden Eigenschaften vielleicht empfiehlt, zu Blutbeobachtungen in KochsalzI0sungen solche Mischpipetten zu benutzen. Ich beobaehtete mit 1/1~ L e i t z 01immersion und Mikrometerokular 1 L e i t z (Vergr0sserung 600) in der Zfihl- kammer eines T h o m a - Z e i s s s c h e n Zahlapparates, da es mir dadurch m0glich war, eine dtinne Schicht des Blutes zu erhalten, in welcher die Blutk0rperchen nicht gepresst werden und leicht zu Boden sinken k0nnen. In der Regel vergingen vom Einstich bis zur ersten Beobachtung in der Zahlkammer 15--20 Sekunden.

huf Grund meiner Beobachtungen an etwa 50 verschiedenen hrten muss ich die bisher giiltige Vorstellung bestreiten, dass die roten Blutk0rperchen der VOgel bikonvexe Linsen yon ellip- soidem Umriss sind. Sie s i n d v i e l m e h r f l a c h b i k o n v e x e S c h e i b e n , die s i c h n a c h den E n d e n d e r H a u p t a c h s e a l l m a h l i c h z u s p i t z e n .

Nicht bei allen Arten ist dies gleich leicht zu erkennen. Bei den meisten runden sich die Spitzen der Blutk0rper schnell ab, wenn auch die Blutentnahme rasch genug yon statten ging. Das gilt unter anderen auch yon den Arten, die bisher haupt- sitchlich zur Formuntersuchung herangezogen worden sind, z. B. yon den Tauben, Hfihnern und Enten. Schon etwa 20 Sekunden nach der ersten Beobachtung haben die BlutkOrper bei diesen Arten ihre spitze Gestalt verloren. Bei anderen dagegen kann die spitze Form ziemlich leicht gesehen werden. Gute Objekte sind Limosa lapponica, Tringa canutus, Haemotopus leucopus, Vanellus cayennensis, Buteo vulgaris, Corvus corax (etwa 75~ am besten yon allen von mir untersuchten hrten). Noch nach etwa 11/2 Minuten sind viele Blutk0rper scharf spitz und man kann gut den Vorgang beobachten, wie sie sich allmahlich ab- runden. Hat man diesen Vorgang einmal genauer verfolgt, so erkennt man, dass man bei anderen Arten meistens nur noch die Ubergangsstadien zu sehen bekommt, und dutch schneUeres hrbeiten kann man es erreichen, dass man noch einige spitze Formen zu sehen bekommt.

28*

Page 30: Über Genesis und Morphologie der roten Blutkörperchen der Vögel

406 W i l h e l m V e n z l a f f :

Ich versuchte bei solchen Arten, bei denen die spitze Form der roten Blutk6rperchen lltngere Zeit sichtbar bleibt, dadurch das Ph'anomen noch litnger zu erhalten, class ich die Kochsalz- 15sung und alle benutzten Apparate auf die Bluttemperatur erwarrnte. Jedoch das Gegenteil trat ein, die Blutk6rper rundeten sich viel schneller ab. Ktihlte ich jedoch die Liisung und die Apparate ab, so erreichte ich das Gewtinschte. Als ich z. B. bei Corvus corax eisgekfihlte LSsung benutzte, konnte ich die spitze Form eine halbe Stunde lang erhalten, und so war es rnir rnSglich, photographische Aufnahmen der spitzen BlutkSrperchen zu machen. Fig. 2 ist eine Aufnahrne zwei Miauten nach der Blutentnahrne.

Augenscheinlich besteht die Wirkung kalter L~sungen darin, dass durch die Temperaturerniedrigung eine Erh~trtung der zah- tliissigeu Aussenschicht der BlutkSrperchen herbeigefiihrt wird, und dieser h,~rteren Kruste gegenfiber kann die KochsalzlSsung ihre deformierende Wirkung nicht so schnell geltend machen, als der warrnen, weichen gegeniiber. Die Aussenschicht der Blut- kSrperchen besteht narnlich zum grossen Tell aus Cholesterin und Lecithin. Das Lecithin ist eine wachslthnliche, knetbare Masse, die sich beim Erhitzen verfltissigt und beim Abktihlen erhartet. Es ernpfiehlt sich aus diesen Griiaden sowohl zur Form- beobachtung als auch fiir Messungen der roten Blutki~rpercheu kalte LSsungen zu benutzen, da hierdurch die Erythrozyten in ihrer ursprfinglichen Gestalt erhartet werden, so dass sich die Abrundungen aur sehr langsarn vollziehen.

Da nun kalte Liisungen eine wesentliche Bedingung sind, urn die spitze Form gut zu erhalten, so ist der Einwand berechtigt, dass es sich in ihnen urn ein durch die starke Abkiihlung hervor- gerufenes: Kunstprodukt handle. Urn rnich zu tiberzeugen, ob die spitzen Formen durch die Kalte erzeugt wurden, verfuhr ich folgendermassen: Ich verdiinnte Vogelblut in der Mischpipette mit 0,66 % KochsaizlOsung yon Stubenternperatur, sail nach, dass nile Blutk6rperchen nach kurzer Zeit einen ellipsoiden Urnriss hatten und legte dann den Objekttrager ftinf Minuten lang auf eine Kltltemischung yon Eis und Kochsalz. Darauf betrachtete ich das Praparat wieder, es war kein einziges Blutk6rpercheu spitz. Sollte die pliitzliche, starke Abkiihlung die spitze Form verursachen, so hlttte das Praparat nach der Abkfihlung zurn mindesten einige spitze BlutkOrperchen aufweisen mtissen. Ich

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Die roten BtutkSrperchen der VSgel. 407

tiberzeugte mich ferner, dass beim Frosch, der sicher vital ellip- soidische BlutkSrperchen besitzt, eiskalte LSsung keine spitzen Formen hervorrief; die Gestalt ist die gleiche wie in w~trmeren LSsungen.

Auch ein anderer Einwand, der nicht yon vornherein yon der Hand zu weisen ist, muss widerlegt werden, nitmlich, dass es sich bei den spitzen Formen um eine optische Tauschung handle, die durch schrag gestellte BlutkSrperchen herbeigeftihrt werde. Hierbei erscheint es unerklarlich, warum die BlutkSrper der verschiedenen Arten in einer Kochsalzl~isung yon gleicher Konzentration so verschieden schnell sich vollstandig zu Boden legen sollten und ferner, dass in sehr kalten LSsungen dieses Flaclflegen so viel langer dauert, da doch die Dichte der Fltissig- keit durch die Abktihlung nur um ein Geringes erh(iht wird. Ein schrag gestelltes Blutk~rperchen mfisste vor allem schmalcr erscheinen als andere flachliegende, und das sind die spitzen Formen nicht, wie man sich durch Messung an der beigegebenen Photographie tiberzeugen kann. Man kann ferner dutch Beob- achtung des Schattens eines Kiirpers yon ellipsoidem Umriss erkennen, dass eine Ellipse yon der Seite gesehen nie nach den Enden tier grossen Achse zugespitzt erscheint. Der Einwand, dass dies aber im Mikroskop miiglich ist, da durch die Kantelung Teile ausserhalb der Brennweite gertickt worden sind, ist insofern nicht stichhaltig, da man sich durch Heben und Senken der Mikrometerschraube iiberzeugen kann, ob die letztere Annahme zutrifft. Also auch um eine optische T'Ztuschung kann es sich nicht handeln.

Ich habe mich bemtiht, die neue Form der roten Btut- kiirperchen im Dauerpraparat darzustelten, und habe reich dazu der OsmiumsRure und des Ausstrichprttparates bedient. Die Osmiumsaure, die sonst als formerhaltendes Reagens mit gutem Erfolge aagewendet wird, hat mir keine guten Dienste geleistet. Ich verwandte sie in der Art, dass ich Blut direkt in einen auf die gut gereinigte Haut des Tieres gebrachten Tropfen fliessen liess und es im Mischr6hrchen mit Osmiumsaure mischte. Besonders bei der ersten Methode war die Konservierung nicht gut; abge- sehen davon, dass stets eine grosse hnzahl yon Blutkfirperchen sehr stark verzerrt waren, wiesen auch die in regelmassiger Gestalt konservierten eine selbst yon der ellipsoidischen Form

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408 Wi lhe lm V e n z l a f f :

stark abweichende Gestalt auf; sie waren zu kreisrunden Scheiben abgeruadet, nur wenige batten sich gut spitz erhalten. Das Mischen des Blutes mit Osmiumsaure im Mischr/ihrchen gab bessere Resultate; es gelang mir leicht, besonders wenn ich gekiihlte Osmiumsaure verwaadte, eine grOssere Anzahl spitzer Formen zu erhalten. Zum Dauerpraparat eignen sich die so konservierten Blutk6rperchen nicht, denn das Btutserum, welches sich in Gestalt yon Flocken an die Erythrozyten ansetzt, ist die Veranlassung, dass die Blutkiirper zu Haufen zusammentreten. so dass ein Erkennen der Einzelformen sehr erschwert wird. Die besten Resultate erzielte ich mit Ausstrichpraparaten. huf einen mit htkohol und Ather gereinigten und durch die Bunsen- flamme gezogenen Objekttrager brachte ich einen Tropfen Blur, den ich schnell mit einem ebenso gereinigten Deckglas ausstrich und dabei die ausgestrichene Schicht durch die Bunsenflamme zog. Meine Absicht war, die Eintrocknung so schnell herbei- zuftihren, dass es den Blutk(irperchen nicht mSglich war, sich abzurunden, hus diesem Prinzip ergibt sich auch, an welchen Stellen des Praparates man spitze Formen finden wird, in sehr dtinn ausgestrichenen Schichten .und am Rande dichterer, well hier die Eintrocknung am schnellsten vor sich gegangen ist. Ferner darf man nicht erwarten, dass die spitzen Formen in grosser hnzahl auftreten werden, denn Ausstrichpraparate in der oben beschriebenen Weise sind schon haufig angefertigt worden, und wenn die Erscheinung leicht zu erhalten ware, wtirden schon andere hutoren darauf aufmerksam geworden sein. In der Tat trifft man an den oben genanntea Stelien nicht selten spitze Formen, zuweilen eine gr/issere Anzahl auf einer Stelle. Ihre absolute Zahl ist gross, relativ sind natfirlich nur wenige vor- handen, da ja die meisten Stellen des Praparates gar nicht schnell genug zur Eintrocknung gekommen sind. In der neben- stehenden Textfig. 3 sind eine grSssere Anzahl mittels Zeichen- apparates zusammengestellte spitze Formen wiedergegeben. Die Form ist durchaus die gleiche, wie sie sich in der Fig. 2 darstellt.

Soweit also eine Beobachtung an 50 verschiedenen Arten eine Verallgemeinerung zulasst, muss ich reich in bezug auf die Form der roten Blutk/irperchen der VOgel dahin aussprechen: Sie sind schwach bikonvexe, nach den Enden der Hauptachse sich allmahlich zuspitzende Scheiben mit ellipsoidem, in der Regel

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Die roten BlutkSrperchen der VSgel. 409

nicht nach den Seiten vorgewSlbtem Kern, um den am Blut- kOrperchen an beiden Seiten eine Vertiefung (Delle) herumlauft (Fig. 3).

Bei dieser Grundform ist die M0glichkeit yon Formvariationen bei den verschiedenen Arten auf ein Minimum beschrankt. Variierea kann nur die Dicke des Kerns im Verhltltnis zu der des Bluto k0rperchens, die Tiefe und Breite der Delle, und das Verhaltnis

Fig. 3. J

der grossen und kleinen Achse, und diese Teile variieren auch, was den Kern und alas Verhaltnis der Achse anbetrifft, selbst bei demselben Individuum, allerdings nur in geringem Ma~e. Durch eine sehr seichte Delle sind die BlutkSrper der Chara- driidae und Scolopacidae ausgezeichnet (Fig. 3). Der Kern ist nicht dicker als die Mitte der Scheibe. Starker entwickelt ist die Delle bei den Phasianidae, Columbidae, Anseriformes, Falio- nidae und Striges und sehr gut ausgepr~gt bei den Raltidae, Laridae und Struthiomorphae. Die Ardeidae sind durch eine flache, aber breite Delle ausgezeichnet.

Besonders auffallend sind einige BlutkSrperchen, die ich in wenigen Exemplaren bei Coturnix cot., Rhynchotus rufescens (Fig. 3c) und Rhea americana fand. Bei diesen iibertrifft der Kern die Mitte des Blutk(irperchens an Breite um das Doppelte, so dass er knopfartig nach beiden Seiten vorgew(ilbt ist. Eine VorwSlbung des Kerns kommt nicht selten bei allen anderen Arten, jedoch lange nicht in dem Marie, vor.

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410 W i l h e l m V e n z i a f f :

Eine ahnliche Form der roten Blutk0rperchen, wie ich sie bei den V~geln beschrieben habe, hat schou G. G u 1 l i v e r, 1845 Proc. of the zool. Soc. London, hei Esox Lucius entdeckt. Aller- dings weichen die Abbildungen, die 1875 I. c. bringt, yon den meinigen ab. Danach sind die BlutkSrperchen des Hechtes zitronenf0rmig mit schwach abgesetzten Spitzen, wgthrend sich die Blutk6rperchen der V(igel allm~hlich nach den Enden der grossen Achse zuspitzen. Die Abbildungen entsprechen jedoch, wie ich reich dutch eine Nachuntersuchung fiberzeugen koante, nicht den Tatsachen; vielmehr ist die Form diejenige, wie sie in dell Welkerschen Blutkiirperchen-Modellen, die neuerdings yon D u B o i s- R e y m o n d herausgegeben worden sind, dargestellt ist. W e l k e r selbst macht in seinen Beschreibungen der roten Blutk0rperchen, 1872, Arch. f. mikr. Anat. u. Entwicklungsgesch., Bd. 36~ keine Angaben fiber die Blutk0rperchen des Hechtes. Es ist mir jedoch nicht geglfickt, ausfindig zu machen, nach wessen Angaben das Modell angefertigt ist. Dieses stimmt genau mit der Form tiberein, wie ich sie oben ffir die VOgel beschrieben habe. Es liegt nun nahe, zu vermuten, dass bei den Fischen die Verhaltnisse wie bei den Vt~geln liegen, dass auch bei ihnen alle BlutkSrperchen sich nach den Enden der grossen Achse znspitzen und diese Form bei den verschiedenen Arten ver- schieden gut sichtbar ist. In der Tat gelang es mir schon bei den ersten Untersuchungen, auch die spitzen Formen bei Lota vulgaris und Leuciscus rutilus zu erhalten. Bei Lota waren etwa 90~ alier BiutkOrperchen ausgepragt spitz. Bei Leuciscus etwa 50~ Beim i-lecht sieht man etwa 75"/o spitz. Wie bei den VOgeln tritt eine allmahtiche Abrundung der spitzen Enden ein, die sich jedoch bier langsamer vollzieht. Dagegen gelang es mir nicht, bei Tinca vulgaris auch nur ein einziges spitzes Blutk(irperchen zu sehen. Ich mSchte aus diesem Grunde und auc[~ durum, well ich yon den Fischen zu wenig Arten untersucht habe, nicht behaupten, dass alle Fische spitze Blut- k~rperchen haben. Bei den Fischen entnahm ich das Blut stets dem Herzen.

a n .

Die G r ~ s s e der E r y t h r o z y t e n .

Unmittelbar an die Formbeobachtung schloss ich die Messung Ich mass mit dem Mikrometerokular I L e i t z und t/t~- 01im-

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Die roten BlutkSrperchen der VSget. 411

mersion L e i t z bei einer Tubuslange yon 167 mm. Hierbei hatte ein Teilstrich des Okulars die Lange yon 1/8oo ram, was ich durch Messen der Seite eines Quadrates des T h o m a- Z e i s s schen Zahl- apparates feststellte; 40 Teilstriche des Okulars waren gleich '/2o ram, der Seite eines solchen Quadrates.

Die GrSsse der Blutk6rperchen schwankt selbst bei demselben Individuum betrachtlich. Die grSssten Differenzen land ich beim Helmkasuar; das Maximum betrug 22,5 : 10 l~, das Minimum 14 : 7,5 tt. Bei Rhea americana waren die Grenzwerte 20:8 te und 11:7/e. Wenn man also die GrSssen der Btutk0rperchen tier verschiedenen VSgel untereinander vergleichen will, ist man gezwungen, ffir jeden Vogel einen mittleren Wert aufzusuchen. Ich verfuhr dazu folgendermassen: In einem Gesichtsfelde verglich ich dutch .~lessung die Gr0ssen der Blutki~rperchen untereinander und notierte die Mal~e derjenigen Gr0sse, welche die haufigste und kleiner als das grOsste BlutkSrperchen war. Dies wiederholte ich ftir mehrere Gesichtsfelder und zog aus den erhaltenen Werten das Mittel. Der so erhaltene Wert ist nie etwa das arithmetische Mittel zwischen dem Maximum und dem Minimum. Die kleinsten Gr0ssen kommen nur in sehr geringer Anzahl vor. Ferner muss man bedenken, dass ein grosses vielleicht mehrere kleine Blut- k0rperchen aufwiegt. Die beschriebene Methode hat leider den Naehteil, dass die Bestimmung des Mittelwertes zu sehr dem subjektiven Ermessen anheim gestellt ist, immerhin gibt sie meiner Meinung nach richtigere Resultate, als wenn man aus mi~glichst vielen beliebig vorgenommenen Messungen yon Blut- kSrperchen im Gesichtsfeld das Mittel zieht. Vor allem fallt die Feststellung des Mittelwertes bei solchen V0geln schwer, bei denen betrachtliche GrSssenschwankungen in den Blutk(Jrperchen vorkommen, wie bei den bereits genannten. Sind die Blut- k0rperchen in ihrer GrSsse nieht so sehr verschieden, was bei den meisten VSgeln der Fall ist, dann ist die Mittelwertbestimmung bis auf 0,5 t~ exakt m~glich. Freilich ware es haufig erwtinseht, dass man noeh eine genauere Bestimmung vornehmen k0nnte, denn nicht selten handelt es sich bei den verschiedenen Vtigeln nur um Unterschiede, die kleiner sind als 0,5 ~t.

Ich lasse nun zunachst die Tabelle (Seite 412 und 413) der ermittelten GriJssen folgen, um daran meine huseinandersetzungen anzukniipfen.

Page 36: Über Genesis und Morphologie der roten Blutkörperchen der Vögel

412 W i l h e l m V e n z l a f f :

Tabelle zu dem Kapitel: Die fir~sse der Blutk~rperchen.

S t r u t h i o m o r p h a e . Casnar ius ga lea tus B o n n Rhea amer i cana L S t ru th io camelus L

T i n a m i f o r m e s . Rhyncho tus rufescens

r e ? ~ ~'/t

G a l l i f o r m e s . Cor t a rn ix cor turn ix L Z w e r g h a h n Negerhahn L a n g s h a n h a h n Numida meleagr is L P a v o c r i s t a tus L

W e i h c b e n

5leleagr is gal lopavo L W e i b o h e n

Meleagr is gallopavo L M~,,nnohen

Columbi fo rmes . P e r i s t e r a a f ra L T u r t u r douraca Hodgs Columba l ivia L Ri imer taube

L a r i f o r m e s . L a r u s r id ibundus L L a r u s fuseus L La rus mar inus L

Gral l i formes . a) R a l l i d a e .

O r t y g o me t r a po rzana L ]1 Gal l inula chloropus L ][ Porphyrio poliocephalus ii

L a t h J[

b) S c o l o p a c i d a e . [

T r i n g a canu tus L [ Limosa lapponica L

M i t t e l w e r t Maximum in u in u

30 : 10 - -18 : 9 ~2,5 : 10 17,5 : 9 r 20 : 9

18 : 9 r 19 : 10

16,25 : 6,25 sp 18 : 7

11,25 : 6,25 r 12,5 : 7 1 4 : 7 r - - 14 : 7 r 15 : 6,5 1 4 : 7 r 15 ,5 :6 ,5 15 : 7 r 16 : 7,5 1 6 : 7 , 5 r 17 ,5 :7 ,5

15,5 : 7 r t6 : 7

1 5 , 5 : 7 , 5 r 1 6 : 8

1 2 , 5 : 7 r 1 4 , 5 : 7 [ 13 : 7 r 15 : 7 14 : 7 r 15 : 7,5 14 : 7 r 15 : 7,5

1 5 : 7 , 5 r 1 7 ; 5 : 7 , 5 1 5 : 7 , 5 r - - 1 5 : 7 , 5 r 1 7 , 5 : 7 , 5

1 4 : 7 r 1 5 : 7 15 : 7,5 r 16 : 7,5 16 : 7,5 r 2 0 : 8

1 5 : 6 , 2 5 r 17 :6 ,2~ 15 : 7 sp 16 : 7

l~inimum in ..

14 : 7,5 12,5 : 7

1 5 : 8

9 : 6,2- ~

7,5 : 5,2~

11,5 �9 5,5 11,5 : 5,5

1 0 : 5 14 : 5,5

11 : 6,2~

9 : 7

10,5 : 7 9 : 5,5

L1,25 :{;,5 1 2 : 7

L2,5 ~,5 1 4 : 9 11 : 7,5

1 1 : 7 1 1 : 7 1 1 : 7

14,5 : 5 11 : 6,2~

Kiirper- Messungen a n d e r e r

gewicht /kutoren

36 kg 17 :9 G 13;~ kg 13,5 : 8,3 _

- - ) 15,1:8,4 / 14,3:9,~

910 g 14 ,5 :5 ,5G

95 g 400 g

[550 g J 12,1:7,2 12,1:7,3 W

1500 g [500 g 12 ,3 :7 ,SG to00 g 14 :7 G

1500 g 12,5:7 G

12500

70 150 12,6: 7,5 G 400 14,7: 6 ,5W 810

280 12,2:6,4 G 775

1500

85

275 12,3: 6,6 G 465

115 g 230

Page 37: Über Genesis und Morphologie der roten Blutkörperchen der Vögel

Die roten BlutkSrperchen der VSgel. 413

Tabelle za dem Kapitel: Die GrSsse der BlutkSrperchen.

Minimum 3Iittelwert ~[aximum Kiirper- Messunge l a ~ d e r e r

i n . in /, / i n .u g e w i c h t [ Autoren

c) C h a r a d r i i d a e . Charadrius dubius Scop VaneUus cayennensis Gm Haematopus leucopus

Garn

A n s e r i f o r m e s . Nettion crecca L Arias superciliosa Gm Fuligula marila L Choristopus melanoleucus

Less Cygnus olor Gm

W e l b c h e n

A r d e i d a e . Ardetta minuta L Ardetta erythromelas Vieill Ardea cocoi .F. ttdron

F a l c o n i f o r m e s . Cerchneis sparverioides Vig

15 : 6,25 sp 15,5 : 7 sp 15,5 : 7 sp

14,5:6.25 r 14.5 : 7 r 14,5 : 7 r

16:7,5 r

16 : 7.5

_ ! _ i 5 5 g

16:7,5 12,5:6.25 295 g 16 : 8,5 13 : 6.25 665 g

16,5 : 6,25 11,5 : 5,25 230 g 15 : 7,5 11 : 6 1150 g 15 7,5 I 10:7,51 1450 g i

18,5:7,5 i 14:5,5 ! 2625 g

r 17,5 : 7,5 14 : 5,5 8500 g

14,5 : 7 r 15 : 7,5 11 : 5,5 145 g 1 5 : 8 r 16 :8 14 :8 500 g 16 : 7,5 r 17,5 : 8 12,5 : 7,5 2000 g

Tinnunculus tin. L Buteo vulgaris Aquila chrysa~tus L

S t r i g i f o r m e s . Asio scops L Syrnium aluco L Bubo bubo L

P s i t t a c i f o r m e s . Melopsittacus undulatus

P a s s e r i f o r m e s .

Habropyga subflava Passer montanus L Merula merula L Corvus corax L

Beht

Shaw

Vieill

12.5 : 7 r 16 : 6,5 11 : 5 135 g 13:7,5 r 16:7,5 10:6,25 280 g

15,5 : 7,5 sp 17,5 : 7,5 10 : 7,5 1500 g 15,5:7,5 r 17,5:8 11,5:6,25 4600 g

14,5:7 r 16:7,5 i 11 :5 155 g 15:7.5 r 17,5:8 i 10:6,25 475 g 16:7,5 r 1 7 : 8 !12,5:7,5 2800 g

12.5 : 5.5 r 14 : 6,25 9 : 5,25 30 g

11:6,25 r 14:6,25 7,5:4 10 g 12,5:6,25 r 13 :7 10 :5 i 30 g

14:5,5 sp 15:6,25 14 :4 [ 75 g 15 :6 ,25sp 16 :6 ,25 11 :6 ,25 1500 g

~ris~atus ?. W. 12,8:7,7 ) s t r a l egus l 13,6: 6,4 O

E n t e 12t9:8 W

12,8 : 6,6 C

c i n e r i a L 13,3 : 7,4 G 13,6 : 8,7 H

13,6:7,1 6 13,7:6,8 G 141:6.9(;

13,2:6,6 G

ll ,9:6,8W 12,1:6 G

12:6,4 G

Ein r beim ~Mittelwert bedeutet, die BlutkSrperchen wurden abgerundet gemessen; ein sp, sie wurden noch im spitzen Zustand gemessen. G ~ Messung yon Gulliver G; tt ~ ~Iessung nach H a y e m ; W ~ Messung nach W e l c k e r .

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414 W i l h e l m Y e n z l a f f :

T a b e l l e . Wie aus der Tabelle hervorgeht, wurde von jedem Vogel

auf die obenbeschriebene Weise der Mittelwert bestimmt, das Maximum und Minimum gemessen und jeder Vogel zur Bestimmung seiner K0rpergrOsse gewogen.

Mit dem Maximum und Minimum als rein objektiven Messungen, bei denen jeder subjektive Faktor ausgeschaltet ist, ist nicht nut der Spielraum festgestellt, innerhalb dessert die GrOssen der BlutkOrperchen variieren, vor allem ist damit auch eine Kontrolte des Mittelwertes gegeben. Ferner zeigen beide. class das VerhMtnis tier grossen und kleinen hchse bei den ver- schiedenen BlutkOrperchen eines Vogels nicht konstant ist. Be- sonders grosse Schwankungen zeigen in dieser Beziehung solche VOgel, bei denen sich die BlutkOrperchen schnell uud stark abrunden, wo also nicht die richtigen Verhitltnisse zutage trcten. So fand ich z. B. bei Bubo bubo die Werte 9 # kreisruud, 12,5:7,5 #; 16:7,5; 15:8 #; 17,5:8 !,; 17,5:9/z. Bei VOgeln, deren BlutkOrper noch beim Messen spitz bleiben, kann man jedoch erkennen, dass das Verhaltnis bei grtisseren BlutkSrperchen zugunsten der grossen s verschoben wird. Ein gutes Beispiel ist Corvus corax; die Werte waren 11:6 #; 12,5:6 /~; 14:6,5/~; 15:6 t*; 16:6 #. Die kleine Achse andert sich wenig, wahrend die grosse stets zunimmt. Der Grund ftir diese geringe Anderung der kleinen hchse mag folgender sein: Die Blutkiirper passieren die Arterienkapillaren stets so, dass die grosse hchse longitudinal gestelit ist und fiillen dabei das Lumen ganz aus. Wean ffir sie also die MOglichkeit eines Passierens der hrterien- kapillaren erhalten bleiben soll, so darf sich die "~nderung der kleinen Achse nur in engen Grenzen vollziehen.

Ist schon das Verh,Mtnis der grossen und kleinen Achse bei einem Vogel nicht konstant, so kann es nicht wundernehmen, dass es bei den verschiedenen VOgeln ein ausserst schwankendes ist, selbst wenn man sich nur auf diejenigen bezieht, deren Blut- kOrper noch wahrend der Messung spitz bleiben, woes also noch nicht durch die Reagentien verandert ist. Merula merula 14 : 5,5 --- 2,54/~ ; Corvus corax 15 : 6,25 - - 2,4 ; I-Iaematopus ostra- legus 15 ,5 :7- -2 ,22 /~; Limosa lapponica 1 5 : 7 ~ 2 , 1 4 /~. Bei BlutkOrperehen, die schon abgerundet gemessen sind, nimmt das Verhltltnis zugunsten der kleinen hchse zu.

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Die roten BlutkSrperchen der VSgel. -1:15

Die verschiedene Messung im spitzen oder runden Zustande bereitet auch bei der GrSssenvergleichung der einzelnen Mittel- werte Schwierigkeiten. Es ist ausgeschlossen, dass beispielsweise ein Mittelwert yon 15:7 /~ spitz gemessen etwa einem solchen yon 15:7 # rund gemessen gleich ist, aber es ist auch nicht entscheidbar, welchen Zuwachs die kleine Achse bei einer bestimmten Verktirzung der grossen Achse erflihrt. Ich ver- suchte, um eine exakte GrSssenvergleichung vornehmen zu kSnnen, die Gr0ssenbestimmung der Blutk(irper nut yon einer messbaren Ausdehnung abhttngig zu machen. Ich liess BlutkOrperchen in 0,2% NaCI-L(isung zu Kugeln aufschwellen, um nach Messung des Durchmessers und nach Abzug des nach den osmotischen Gesetzen in die Zelle eingedrungenen Wassers eine Volumen- berechnung vorzunehmen. Aber abgesehen davon, dass der weitaus grSsste Tell der Blutk(irperchen zerplatzte, ich also zur Mittelwertbestimmung nicht die geniigende Anzahl yon Gr~ssen zur Verftigung hatte, sah ich vor allen Dingen keine MSglichkeit, zu entscheiden, warm die BlutkSrper roll zur Kugel aufgeschwollen waren; sowohl in 0,25% NaCI-L0sung, wie in 0,2~ und 0,15~ erschienen die Blutk6rperchen nach 15--20 Minuten im Mikroskop als Kugeln, was den Gesetzen des osmotischen Druckes wider- spricht.

Auch eine andere Eigenschaft der roten BlutkOrperchen, sich bei langerem Stehen in isotonen Kochsalzl0sungen zu kreis- runden Scheiben abzurunden, versuchte ich mir in dieser Beziehung zunutze zu machen. Wean es auch gelingt, namentlich bei sich schnell abrundenden Formen, das Phanomen zu erhalten, so musste ich jedoch auch hier verzichten, eine exakte Yergleichung zu erm(iglichen, da alle spitzen Formen und viele runde nach einiger Zeit so stark ladiert erscheinen, dass eine richtige Messung nicht mehr m(iglich ist.

Ich kana daher nur eine angenltherte GrSssenvergleichung in meinen Betrachtungen vornehmen.

Es tritt jedoch auch bei einer solchen eine Regel deutlich hervor:

In a l l e n s y s t e m a t i s c h e i n h e i t t i c h e n F a m i l i e n ha t de r g r S s s e r e Vogel d ie g r S s s e r e n B l u t k 0 r p e r c h e n .

Diese Regel zeigen deutlich die Columbidae, Rallidae, Scolopacidae, Charadriidae, hnatidae, Ardeidae, Falconidae, Striges,

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416 W i l h e l m V e n z l a f f :

Passeriformes. Freilich sind in den verschiedenen Familien die K0rpergrSssenunterschiede, die auch einen messbaren Unterschied im Mittelwert hervorrufen, recht verschieden. Bei den Ralien tuft schon ein Unterschied yon etwa 200 g ein ertlebliches Wachsen des Mittelwertes hervor, wahrend bei den Enten Cygnus olor, der fiber dreimal so schwer ist, wie Choristopus melano- leucus, dea gleichen Mittelwert wie dieser hat. Es braucht also ein gr(isserer Gewichtsunterschied noch keine Differenz im Mittel- wert hervorzurufen, jedoch hat hie der gr6ssere Vogel einer Familie kleinere BlutkSrperchen als ein kleinerer der gleichen Familie.

Von dieser wicht.igen Regel finder, wie die Tabelle zeigt, eine Ausnahme bei den Ratitae und Phasianidae statt. Obwohl Casuarius erheblich kleiner ist als Struthio, hat er doch einen gr0sseren Mittelwert (19:9,5 und 18:9 #). Man hat jedoch schon seit langerer Zeit als feststehend angenommen, dass wir in den drei uutersuchten Formen nicht nahverwandte Vertreter einer grossen Gruppe vor uns haben, sondern dass es sich bei ihnen nut um Konvergenzerscheinungen handelt. Ich miichte daher die Tatsache, class in dieser Gruppe das Wachsen des Mittelwertes gegen die abgeleitete Regel stattfindet, eher als Beweis jener Meinung gelten, als sie gegen die Regel sprechen lassen. Einer merkwtirdigen Tatsache begegnen wir bei den Phasianidae. Die drei untersuchten Hfihner haben trotz grosser K~rperunterschiede (400 g; 1550 g; 4500 g) gleict~grossen Mittelwert; Putermannchen und -weibchen haben kleinere Blut- kiirperchen als die Pfauhenne, obgleich die Gewichte nach der abgeleiteten Regel ganz andere Ergebnisse forderten. Ich glaube nicht fehl zu gehen, wenn ich diese .(bweichungen, mindestens bei echten Hfihnern als ein Ergebnis der Rassenzucht betrachte. Die schnelie Heranzfiehtung grosser Formen aus kleineu hat noeh kein Wachsen der Blutkiirperchen hervorrufen kSnnen. Bei dieser Erklarung mfisste die Stammform des Puters nur etwa ebenso gross sein wie Pavo, und bei der hufstellung der Stammform der Hfihner kamen nur solche Spezies in Betracht, die mit nah- verwandten wildlebenden Formen der Gr0ssenregel gehorchten. Eine vergleichende Untersuchung, die ich nach diesem Urteil fiber die Rassenzucht an Tauben vorgenommen habe, hat mich in meiner Meinung bestarkt. Wieder hat hier eine durch die

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Die roten Blutk(~rperchen der V5get. 417

Zucht schnell an Ktirpergewicht vergr0sserte Form, die ROmer- taube, den gleichea Mittelwert wie Columba livia, obgleich sie fiber doppelt so gross ist, und diese Differenz bei solchen Gewichten liegt, wo in allen anderen Familien sicher ein messbarer Unter- schied aufgetreten ware. Freilich zeigen auch die M0ven die Eigentfimlichkeit, dass bei gr6sseren Gewichtsunterschieden keine ~'~.nderung des Mittelwertes eintritt. Es ist mir jedoch nicht mSglich gewesen, hierftir einen Grund aufzufinden.

Ein Vergleich der Durchschnittsgr0ssen der Blutk(~rperchen der einzelnen Familien oder exakter, Vcrgleichungen der Mittet- werte gleichgrosser VOgel aus verschiedenen Familien, zeigt, dass diese recht verschieden sind. Jedoch lasst sich wohl kaum ein Prinzip aufstellen, das allgemein diese Verschiedenheiten in sich begreift. Bei einer Vergleichung der Ratlidae, Striges, Ardeidae einerseits und der Columbidae, Falconidae, Passeres andererseits scheint ein Eiufiuss der Lebensweise unverkennbar. Die erste Gruppe weist bei einer wenig k0rperliche Arbeit erfordernden Lebensweise verhttltnismassig grosse Mittelwerte auf. wahrend die zweite als gute Flieger, die durch ihre Bewegungsart hohe Arbeit zu leisten gezwungen sind, welt kleinere BlutkSrper hat. So hat Ortygometra porzana (15:6,25 It) gr0ssere BlutkSrperchen als die etwa gleichgrosse Peristera afra (12,5:7 p) und Merula merula (14:5,5 re) und auch noch gr6ssere als tier um 50 g schwerere Cerchneis sparverioides (12,5 : 7 It); das Gleiche gilt yon Ardetta minuta (14,5 : 7 It) und Asio scops (14,5 : 7 It) einerseits und Turtur douraca (12,5:7 Ft) andererseits. Nicht minder auffallig sind die Unterschiede zwischeu den etwa gleichgrossen Gallinula chloropus (15:7,5 It) und Tinnunculus tin. (13:7,5 /~), zwischen Syrnium aluco (15 : 7,5 g) und Columba livia (14: 7 It) und endlich zwischen Ardea cocoi (16:7.5 it) und Bubo bub 0 (16:7,5 t0 einerseits und dem bedeutend schwererea Aquila chrysaetus (15,5 : 7,5 It) anderer- seits, hlle Vergleichungen zeigen deutlich, dass die wenig fiiegenden Formen welt gr(issere Blutkiirper haben als die guten Flieger. Man kSnnte diese Tatsache durch das Zusammenwirkeu zweier Faktoren erklarem Die guten Flieger erreichea durch die kleineren Blutkiirper einen lebhafteren Gasaustausch; ferner wird durch den schnelleren Blatk(irperchenverbrauch bei der viel Arbeit erfordernden Lebensweise den Erythrozyten die Miiglichkeit genommen, zu grossen Formen heranzuwachsen.

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418 Wi lhe lm V e n z l a f f :

Diesem durch die Vergleichung obiger Gruppen gewonnenen Resultat widersprechen vor allem die Befunde bei den Hfihnern. Diese haben trotz ihrer bodenstandigen Lebensweise auffallend kleine Blutk0rperchen. Die etw~. 9 real so schwere Wachtel hat den gleichen Mittelwert (11,25:6,25 tt) wie Habropyga subfiava (11:6,25 #) und mit Ausnahme yon Pavo cristatus weisen alle untersuchten Vertreter dieser Familie, z.B. den Falken gegen- fiber, kleinere BlutkSrper auf als sie nach ihrer KSrpergrSsse und der oben abgeleiteten Regel haben dtirften. Wenn auch diese Befunde durch die Deutung, die ich fiber Einwirkung der Zucht gegeben babe, geandert werden, so kommen doch noch den Htihnern verhitltnismassig kleine Blutkiirper zu.

Eine eigentfimtiche Stelluag zu der gefolgerten Einwirkung der Lebensweise nehmen die Laridae auf Grund ihrer gleiche~l Mittelwerte ein. W~hrend sich Larus marinus dem Prinzip noch recht gut ffigt, passt Larus fucus wenig und Larus ridibuudus gar nicbt hinein.

Die Charadriidae und Anatidae, die mit ihrer Lebensweise zwischen den beiden oben aufgestellten Gruppeu in der Mitre stehen, ftigen sich dem abgeleiteten Prinzip sehr gut.

Bevor ich in meinen Darstellungen fortfabre, miichte ich nicht versi~umen, meine Messungen mit denen anderer Autoren zu vergleiehen. Sehr umfangreiche Messungen sind yon Gul l i v e r (1845) angestellt worden. Seine Zahlen, die ich in der Tabelle angeftihrt habe, sind durchweg bedeutend kleiner als die meinigen. Da G u l l i v e r nicht die Art und Weise angibt, wie er einen Mittelwert zwischen den verschieden grossen BlutkOrperchen des Vogels zieht, bin ich ausserstande, fiber die vorliegenden Differenzen eine Erklarung zu geben. Auch die beiden nach H a y e m an- gegebenen Werte sind kleiner als meine. Anders steht es mit denen WeLckers . Mit Ausnahme des fiir Gaitus dora., den er wohl yon G u l l i v e r tibernommen hat, was dutch die zu genaue Ubereinstimmung der Zahl mOglich erscheint, lassen sich seine Messungen sehr gut mit meinen in Einklang bringen. Die Blut- k0rperchen der Taube hat W e l c k e r in einem weniger ab- gerundeten Stadium wie ich gemessen, die grosse Achse ist etwas grSsser, die kleine um entsprechendes kleiner. Passer montanus und die Ente, nach meiner Schatzung yon der Gr(isse yon Arias superciliosa, habe ich in weniger abgerundetem Zustand gemessen.

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Die roten Blutkiirperchen der VSgeI. 419

Die A n z a h l der r o t e n B l u t k ~ i r p e r c h e n . Die Anzaht der roten Blutkiirperchen, welche die verschiedenen

VOgel in einem cram Blut besitzen, ist ausserordentlich ver- schieden. Ich konnte bei meinen Zahlungen ein Minimum von 1 715000 und ein Maximum yon 5 400000 feststelten. Soviel ich weiss, sind bisher keine Untersuchungen vorgenommen worden, um diese Differenzen in der Zahl, die ihre Grtinde haben miissen, aufzuklaren. Ich m~chte nun im folgenden Abschnitt den Ver- such unternehmen, die Faktoren zu skizzieren, die in der Haupt- sache diese Unterschiede bedingen.

Man wird nun gerade in Hinsicht solcher Untersuchungen gegen das yon mir verwandte Material Bedenken erheben kSnnen. Die Gefangenschaft schadet den Tieren, vor aliem Viigeln; es werden bei den Untersuchungen nicht die natfirlichen Verhaltnisse zutage treten, htlein ich konnte reich im Laufe der Unter- suchungen, namentlich auch durch Vergleiche mit freilebenden Formen, was ich an geeigneten Stellen ausftihren werde, davon fiberzeugen, dass sich das Vogelmaterial eines zoologischen Gartens welt besser als frisch aus der Natur genommenes eignet, wenn man nur vorsichtig genug bei seiner huswahl verfahrt, d.h. zunachst sich an solche Familien halt, die die Gefangenschaft gut vertragen, und dann stets nur solche Exemplare .nimmt, die sicher durchaus gesund sind. Die Nachteile einer Gefangenschaft werden auch dadurch verringert, dass man sich bemtiht, die V(igel m0glichst ihrer Lebensweise entsprechend gefangen zu halten, und gerade in dieser Hinsicht ist das Material des Berliner Zoologischen Gartens ein sehr gtinstiges, da bei den reichen Mitteln, die zur Verffigung stehen, und der grossen Sorgfalt, die darauf verwandt wird, zum Tell Bedingungen geschaffen werden, die einem Naturleben sehr nahe kommen. Den dutch die Ge- fangenschaft hervorgerufenen Nachteilen stehen unleugbar grosse Vorteile gegeniiber. Es werden viele Faktoren ausgeschaltet, die in der Natur auf die Zahl einwirken und die Grundregeln verschleiern wiirden. Die Tiere halten sich alle am selben Ort auf, die Temperatur, die Luftdichte sind dieselben, kurz Klima- und Ortsunterschiede scheiden als zu beachtende Faktoren aus. Ferner haben alle V~igel eine gleich gute und reichliche Er- nahrung ; da ich reich dutch Experimente yon dem grossen Einfiuss dieses Faktors iiberzeugen konnte (ich werde es an den geeigneten

Archi~r f. mikr. A~at. Bd, 77. Abt. L 29

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420 W i l h e l m V e n z l a f f :

Stelten nhher ausfiihren) muss ich gerade dies als den gr5ssten Vorteil der Gefangenhaltung dem Freileben gegentiber bezeichnen.

In diesen bisherigen ?2berlegungen werde ich durch Unter- suchungen yon F a t h a m an Haselhiihnern bestarkt. Er hat Zlthlungen an 50 Individuen dieser Art vorgenommen und eia Minimum yon 3 600 000 und ein Maximum yon 5 800 000 fest- gestellt, ein Unterschied, wie ich ihn ale bei meinen ganzen Untersuehungen vorfand, und der es yon vornherein als unmSglieh erscheinen lltsst, Regeln, welche die Zahl der BlutkSrperchen beherrschen, aufzufinden. Freilich scheint mir hier eine andere Erklarung als die Einwirkung nicht kontrollierbarer Faktoren in der Natur m5glich. F a t h a m gibt an, dass er Untersuchungen nur an zw01f lebenden Tieren vorgenommen babe, die iibrigen waren frisch getStet; die Todesart gibt er nicht an. Nun ist man, wie ich glaube, nur dann gezwungen~ Untersuchungen an gettitetem Material vorzunehmen, wenn man sich an geschossene Tiere halt. Sollte dies der Fall gewesen sein, so dtirften die an frisch get0teten Tieren vorgenommenen Resultate keine Giiltig- keit haben. Es wird namlich bei Blutverlusten nach kurzer Zeit dem Blut aus allen Organen Fltissigkeit zugeftihrt, so dass das Blutbild wesentlich geitndert wird. Ich hatte selbst Gelegenheit, reich hiervon an einer flfigellahm geschossenen Columba palumbusL. zu fiberzeugen, die ich erst eine Stunde nach dem Schuss unter- suchen konnte. Die Zahl der roten Blutk0rper in 1 cram betrug ungefahr nur die Halfte der Zahl, die ich als Durchschnitt bei der Haustaube festgestellt hatte. Ich mi~chte reich also zunachst dahin aussprechen, dass die grosse yon F a t h a m festgestellte Differenz mehr ihre Erklarung durch die Todesart als durch Eigentfimlichkeit der Individuen findet.

Fiir meine Zahlungen stand mir ein T h o m a - Z e i s s scher Zlthlapparat zur Verfiigung. Als Verdtinnungsfltissigkeit benutzte ich anfangs 0 ,65% Na Cl-LSsung. Ich setzte jedoch spater zu je 200 cem dieser LOsung 100 ccm konzentrierten Glyzerins hinzu, um so fast das spezifische Gewicht des Blutes zu erreichen. Ich hatte namlich bei meinen ersten Zahlungen bemerkt, dass die Verteilung auf dem Zahlnetz zu wiinschen tibrig liess. Die Zahlungen an demselben Tier unterschieden sich nicht selten um 3--400 000. Ich musste dies dem Umstande zusehreiben, dass die Blutkiirper in dem in die Zlthlkammer gebrachten Tropfen

Page 45: Über Genesis und Morphologie der roten Blutkörperchen der Vögel

Die roten Blutkiirperchen der Viigel. 421

schnell zu Boden sanken, so dass beim hufiegen des Deckglases die Verteilung im Tropfen schon nicht mehr gleichmassig war. Ich musste also der Zahlfifissigkeit eine chemisch indifferente Flfissigkeit zusetzen, welche ein h•heres spezifisches Gewicht als Wasser hatte und keine osmotischen Wirkungen ausiibte. Glyzerin hat die geforderten Eigenschaften in vollstem Umfange. Erst sparer fand ich, dass wahrscheinlich aus dem gleichen Grunde in der H a y e m s c h e n Ziihlfifissigkeit 30 ccm Glyzerin in 100 ccm Flfissigkeit enthalten sind. Ich erreichte durch den Zusatz yon Glyzerin auch das Gewfinschte. Erst nach ffinf Minuten waren die BlutkSrper in der Zahlkammer zu Boden gesunken und die Verteilung auf dem Zahlnetz war meistens gut. Die grossen Differenzen bei Zahlungen desselben Individuums blieben aus, manche unterschieden sich bei etwa 1500 gezahlten BlutkSrpern nur um zwei im Endresultat. Kamen aber gr(issere Differenzen vor, welche ich jedoch mehr auf in der Eile der Blutentnahme nicht bemerkte Fehler als auf technische Mangel zurfickftihren mSchte, so wurden die Zahlungen solange wiederholt, bis ich fiber die richtige Zahl nicht mehr im Zweifel sein konnte. Gew(ihnlich wurden yon jedem Vogel zwei Z'hhlungen gemacht. Die Verdfinnung wurde meist 100 fach genommen, die geringste Verdfinnung, die mit Blutpipetten zu erzielen ist, um hierdurch die Zahl, mit der die gezahlten BlutkSrperchen zu multiplizieren sind, mSglichst klein zu bekommen. Nur bei VSgeln, die 4 000 000 und mehr Blutkiirper in 1 cmm hatten, wurde die Verdfinnung 150fach genommen. Das Blur zu Zithlungen entnahm ich stets einer Armvene. Im fibrigen hielt ich mich an die fiir die Zahl- technik allgemein gfiltigen Vorschriften.

T a b e l l e . (Seite 422 und 423.)

Die Tabelle unterscheidet sich yon der frfiher aufgestellten dadurch, dass noch die Zahl der Blutk~irper in 1 cinm und die Durchschnittsgewichte, die Dr. H e i n r o t h durch lange Jahre gesammelt hat, hinzugeffigt sind, letzteres um den Ern~thrungs- und Gesundheitszustand der untersuchten Individuen zu beurteilen. Mittelwert und Gewicht sind beibehalten, da sie ffir die Zahl yon grosser Wichtigkeit sind.

Bei der Auswahl der Familien wurde vor allem darauf geachtet, dass sie verschiedene, in der Familie aber miiglichst

29*

Page 46: Über Genesis und Morphologie der roten Blutkörperchen der Vögel

422 W i l h e l m V e n z l a f f :

Tabelle zu dem Kapitel: Die Anzahl der roten BlutkSrperchen.

S t r u t h i o m o r p h e a .

Casuarius galeatus Bonn Rhea americana L Struthio camelus L

T i n a m i f o r m e s .

Rhynchotus rufescens Temm

G a l U f o r m e s .

Coturnix coturnix L Z werghahn Negerhahn Langshanhahn Numida meleagris L Faro cristatus L

W e i b e h e n

Me|eagris gallopavo L W e i b e h e n

Yeleagris gallopavo L M&unehen

C o l u m b f f o r m e s .

Peristera afra L Turtur douraca I'todgs Columba livia L

L a r i f o r m e s .

Larus ridibundus L Larus marinus L

G r a l l i f o r m e s .

a) R a l l i d a e .

0rtygometra porzana L GaUinula chloropus L Porphyrio poliocephalus

Lath

b) S c o l o p a c i d a e .

Tringa canutus L Limosa lapponica L

l~ittelwert in /~

.)0 : 1

I Anzahl

t6 910

I I 95 4OO

1550 4500 1500 4OOO

4500

12500

Gewicht

70 g 150 g 400 g

280 g 500g

85 g 275 g 465 g

115 g 230g

H e i n r o t h s e h e G e w i c h t e und. G u t a e h t . l tbor

die fe~tgestell- t en Gewich te

3~ kg 11'/4 kg

gut

gut

fett 6500 g M ~ n n c h e n

leidlich

Durchsc.hnitt

gut 1500--1800 g

gut 164--300 g

gut

Page 47: Über Genesis und Morphologie der roten Blutkörperchen der Vögel

Die roten BlutkSrperchen der VSgel. 423

Tabelle zu dem Kapitel: Die Anzahl der roten BiutkSrperchen.

c) C h a r a d r i i d a e . Charadrius dubius Scop Vanellus eayennensis Gm Haematopus leucopus Garn

Anseriformes.

1Nettion crecca L Anas superciliosa Gm

(Schwimmcnte)

Fuligula marila L (Tauchente)

Choristopus melanoleucus Less

Cygnus olor L Wcibohen

A r d e i d a e . Axdetta minuta L Ardet ta erythrometas Vieill Ardea cocoi F. Hdrou

Falconiformes. Cerchneis sparverioides Vig Tinnunculus t in L Buteo vuigaris Bcht Aquila chrysa~tus L

Strigfformes. hsio seops L Syrnium alaco L Bubo bubo L

P s i t t a c i f o r m e s . Melopsittacus undulatus

Shaw

P a s s e r i f o r m e s . t tabropyga subflava Vgeill Passer montanus L Merula merula L Corvus corax L

Mit telwert ilt u

15 : 6,25 15,5 : 7 15,5 : 7

14,5 : 6,25 14.5 : 7

14,5 : 7

16 : 7,5

16 : 7,5

14,5 : 7 1 5 : 8 16 : 7,5

12,5 13

15,5 15,5

:7 : 7,5 : 7,5 : 7,5

14,5 : 7 15 : 7,5 16 : 7,5

12,5 : 5,5

Anzahl G ewicht

3 500 000 I 55 g

2 920 0001 295 g 2 870000 665 g

3 140 000 230 g 2800000 1150 g

2675000 1450 g

2200000 2625 g

2 165000 8500 g

3 450 O00 145 g 3 140 000 500 g 2700000 2000 g

3 360 000 135 g 3[)30 000 280 g 2700000 1500 g 2350000 4600 g

3 550 000 155 g 2 320 000 475 g 2 100 000 i 2800 g

I 4 300 000 30 g

11 : 6,25 12,5 : 6,25

14 : 5,5 15 : 6,25

54oo 11 52ooooolj 30 g 3 526 000 [ 75 g 3925000 1500 g

Heinrothsche ~ewicht e und C~utacht. itber

die festgestel l . ten •ewichte

38 g; also fett

o.qt.ralogus 600--650 g

330--375 g schlecht

I:~50 M~nnchev frei

5s 22--25 Pfun4

frei 250 g 500--575 g 1930 g fe t t

260 g Durch- schnitt

500--1840 g Weibchen fett

450O g

Durchschnitt

Durohschn 90 g fett tl0

gut

Die vierte Spalte enth~lt Gewichte, die mir Dr. H ei n r o t h , prakt isch wissenschaft t icher Leiter des Berl iner Zool. Gartens, iiberliess, und die er dureh Jahre gesammelt hat .

Page 48: Über Genesis und Morphologie der roten Blutkörperchen der Vögel

424 W i l h e l m V e n z l a f f :

gleichartige Lebensweise hatten, dass sie systematisch einheitlich waren und ihre Getangenhaltung im hiesigen Zoologischen Garten m0glichst ihrer Lebensweise gleichkam. Aus jeder Ordnung wurde die charakteristischste Familie ausgewi~hlt und mehr als eine Familie, wenn die obengenannten Gesichtspunkte es erforderlich machten. Von den vorhandenen Ordnungen sind nicht untersucht worden: Die Apterygiformes, Procellariformes, Pygodes und Pices. well keine Vertreter hiervon vorhanden waren. Feraer nicht die Cypselimorphae: es ist mir trotz meiner Bemfihungen nicht gelungen, eines Seglers habhaft zu werden, und die andeven Familien waren nut in so wertvollen Exemplaren vertreten, dass ich yon einer Untersuchung absah. Von den Sphenisciformes und Steganopodes waren ffir meine Zwecke nicht geniigend in der Gr0sse ausreichend verschiedene Exemplare vorhanden. Von den Tinamiformes konnte ich nut Rhynchotus rufescens untersuchen: Crypturus starb mir bei der Blutentnahme an Herzkri~mpfen, und ich wollte mich nicht der Gefahr aussetzen, noch andere so teure Exemplare dieser Ordnung durch meine Untersuchungen zu t0ten, da auch sie schon infolge l~mgerer Gefangenschaft an Herz- schwache litten. Von den gewahlten Familien wurden drei Exem- plare untersucht, eine kleine, eine mittlere und eine gr0ssere Form. ~Nur in solchen Familien wurden mehr als drei Arten untersucht, wo eine Spezies durch eine abweichende Lebensweise etwas Neues zu zeigen versprach, oder zur Besti~tigung eines bei der Familie aufgetauchten Gesichtspunktes die Untersuchung einer gr0sseren hnzahl n0tig war.

Vergleicht man die in den einzelnen Familien erhaltenen Zahlen, so ergibt sich folgende, einfache Grundregel:

In j e d e r F a m i l i e , d e r e n A r t e n e i n e L e b e n s w e i s e h a b e n , d ie a n n a h e r a d d i e g l e i c h e k 0 r p e r l i c h e A r b e i t e r f o r d e r t , h a t d e r Vogel , w e l c h e r d i e k l e i n e r e n B l u t - k 0 r p e r c h e n hat , d ie g r 0 s s e r e Zahl .

Diese Regel zeigt sich deutlich bei den Phasianidae, Rallidae, Charad~iidae, Anatidae, Ardeidae und Striges; yon 45 unter- suchten V0geln verschaffen also 29 dieser Regel Geltung. So einfach und selbstverstandlich sie ist, so gut ist sie geeignet, in die verworrenen Zahlen der roten Blutk0rperehen bei den einzelnen V0geln Licht zu bringen. Diese Regel muss zunftchst feststehen, wenn man fiber andere Faktoren, die noch die Zahl beeinflussen,

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Die roten BlutkSrperchen der VSgel. 425

ein richtiges Urteil gewinnen will. Kommen diese nicht in Betracht, so kann man auf Grund der Regel in folgender Art vorherbestimmen, wieviel Blutkiirper der Vogel im cram hat. Kennt man yon zwei Arten einer Familie den Mittelwert und die Zahl, so kann man yon einem dritten Vogel derselben Familie, yon dem man den Mittelwert der Blutk0rper kennt, die Zahl angenahert angeben, da diese zwischen den beiden obengenannten liegen m u s s , - naher der einen oder der anderen Zahl, je nach- dem der Mittelwert sich mehr dem einen oder anderen aahert. Diese Vorherbestimmung nahm ich, nachdem ich die Regel erkaunt hatte, bei meinen Untersuchungen stets vor, und es gelang mir in den meisten Fallen, die ZahIen bis auf die Hundert- tausende genau zu bestimmen. Freilich muss stets untersucht werden, ob nicht andere Faktoren, deren Einwirkung ich spater diskutieren will, Abweichung yon der Reget erfordern. Aus tier Regel ist auch ersichtlich, wie wichtig es ist, den wahren Mitten wert der BlutkSrper eines Vogels zu kennen, denn schon ganz geringe Differenzen rufen eine betr~~chtlicke :~nderung in der Zahl hervor. So hat Columba livia bei einer um 1 Fe gr0sseren Hauptsache des Mittelwertes 700 000 Biutk0rper in 1 cram weniger als Turtur douraca; zwischen Gallinula chloropus und Porphyrio poliocephalus ruft der gleiche Unterschied im Mittelwert eine Differenz yon 550000 in der Zahl hervor. Man kann umgekehrt nach der festgestellten Regel die Zahlen als objektixe Daten dazu benutzen, die 31ittelwerte auf ihre Genauigkeit zu prtifen. So zeigt z. B. der grosse Unterschied der Zahlen yon Buteo vulgaris und Aquila chrysa~tus, dass der spitzgemessene Mittelwert (15,5:7,5 IL) Yon Buteo vulgaris kleiner als der rund gemessene (15,5:7,5 !0 yon Aquila chrysa~tus ist; die Differenz zwischen den Zahlen yon Meleagris gallopavo Mannchen und Weibchen besti~tigt, dass auch ein Unterschied im Mittelwert vorliegen muss, an dem man nach der Messung allein h'atte zweifeln k(innen; bei Ardetta e~'thromelas und Ardea cocoi zeigt die Zahlendifferenz, dass ein Mittelwert yon 15:8 ~ kleiner als ein solcher yon 16 : 7,5 tl ist.

Ein Ergebnis der Regel ware, dass VOgel mit gleichgrossem Mittelwert gleich viel BlutkSrper im cram haben mtissen, wenn ihre Lebensweise nicht wesentlich voneinander verschieden ist. In der Tat ist dies der Fall, und das Stattfinden dieser Folgerung

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ist ein guter Beweis, dass die Regel zu Recht besteht. Pavo. cristatus, Choristopus melanoleucus, Cygnus olor, Babo bubo haben den gleichen Mittelwert 16 : 7,5/~ und die gleiche Zahl 2094000, 2 200 000 ; 2 165 000 ; 2100 000. Die geringen Differenzea zeigen auch gleichzeitig, auf welchen Unterschieden mall Schliisse auf- bauen kann. Ferner haben Vanellus cayennensis und Haematopus leucopus gleichgrosse BlutkOrper, ihre Zahleu unterscheiden sich nur um 50000. Dasselbe gilt yon Larus ridibundus und Larus marinus, der Unterschied betragt nur 7500o. Die Z~hlut, gea yon Ardea cocoi nahm ich an zwei verschiedenea hldividuen vor und land nur eine Differeaz yon 40 000. Die drei verschieden grossen Htihner haben bei gleichem Mittelwert voa 14:7 /~ fast genau gleiche Zahlen, -- der gr0sste Unterschied betragt nur 60000.

Wie der Regel tiber die GrSsse der BlutkOrper, so wider- sprechen auch bier die Strausse der abgeleitetea Regel. Freilich kann ich bei ihnen fttr die Richtigkeit der Zahlen ,licht bfirgen. Ich konnte namlich nur yon Casuarius geleatus 2 Zithlunge,~ machen, da es 3 real gelang ihn gentigend festzuhaltem Bei den anderen ausserordentlich scheuen Tieren war dies Imr 2 ma! mOglich, so class ich ftir die angegebenen Zahlen keine Kontroll- z}thlung ansteUen konnte. Es ist sehr leicht miiglich, dass ich bei der sehr schwierigen Blutentnahme nicht beachtete Fehler begangen habe.

Ein zweiter Faktor, deL" auf die Zahl der roten Blutk0rper allgemein bestimmend einwirkt, ist die standige kOrperliche hrbeit, die ein Vogel bei seiner Lebensweise zu Ieisten hat. Da die roten Blutk0rper die Funktionen haben, den Sauerstoff aus der Luft zu entnehmen und den einzelnen Teilen des K~rpers zwecks Verbrennung energiehaltiger Stoffe zuzuftihren, wird man ver- tauten k0nnen, dass z. B. eine Lebensweise, die hohe energetische Leistungen fordert, eine ErhOhung der Zahl der roten BlutkOrper- chert im cram zur Folge hat. Dem ist in der Tat so, wie ich durch meine Untersuchungen zeigen kann. Bei tier Verfolgung dieses Gesichtspunktes in den Untersuchungen machen sich die Nachteile geltend; die einem Material yon gefangenen VOgela anhaften. Wie ich schon frtiher erwahnte, ist es ausgeschlossen, den Tieren in tier Gefangenschaft die Lebensumstande zu ver- schaffen, die denen der l~atur gleichkommen. Die Zahl tier Familien an denen man die Einwirkung der Lebensweise auf die

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Zahl der roten BlutkSrper zeigen kann, wird beschrankt; auch darf ich mich bei den Ausftihrungen tiber diesen Gesichtspunkt nicht auf die Lebensweise der Tiere in der Natur sttitzen, sondern muss die Gefangenhaltung im Zoologischen Garten zugrunde legen, denn die Einwirkung tier Faktoren auf die Zahl macht sich schon in kurzer Zeit, einigen Wochen, geltend, wie aus Beispielen der Literatur hinllinglich bekannt ist. Ein sehr gutes Beispiel ist das yon V i a u l t berichtete; schoa nach 14 Tagen Aufenthalt auf dem Chimborazzo konnte er bei sicll and seinen Begleitern eine starke Vermehrung der roten Blutk0rper yon 5 auf 7 Millionen feststellen.

Von den durch reich untersuchten l?amilien stehen als gute Flieger den mehr am Boden lebenden oder weniger fliegenden Formen folgende fiinf Familien gegenfiber: Columbidae, Laridae, Falconidae, Scolopacidae und Passeres. Von diesen wurden Columba livia und Turtur douraca freifliegend gehaIten, Peristera afra, (_'erchneis spaverioides und Habropyga subflava in engen Kitfigen, die Falken, mit Ausnahme yon Aquila chrysa~tus, die Schnepfen und Corvus corax in gr(isseren Kafigen, die ihnen ein ausgiebiges Fliegen jedoch nicht gestatten, die MSven in einer grossen Voli~re, Merula merula und Passer montanus wurden im Freien gefaagen. Schon an diesen verschieden gefangen gehaltenen Tieren li~sst sich ein Einfiuss der Lebensweise gut zeigem Die Arten, denen durch die Gefangenschaft in engeren K~figen die M0glichkeit einer ausgiebigen Bewegung genommen ist, zeigen durchweg geringere Zahtea. Peristera afra miisste eine gr~ssere Zahl voa Erythrozyten in cram als Turtur douraca nnd Columba livia haben, da sie einen, kleineren Mittelwert yon i2,5:7 # gegea 13:7 ! r u n d 14:7 /t hat, nichtsdestoweniger tibertrifft sie Turtur douraca um etwa 900000 und Columba livia um 300 000 ; mit Cerchneis sparverioides, der den gleichen Mittelwert (12,5 : 7 tt) hat und genau so gefangen gehalten war, wie sie, hat sie annahernd die gleiche Zahl (3 282 000 und 3360000). Die M(iven zeigen bei einer fast dem Naturleben gleichen Gefangenhaltung welt hOhere Zahlen als Peristera afra, Cerchneis sparverioides und Tinnunculus tinnunculus, obgleich sie noch gr(issere Mittelwerte haben ; mit dea Schnepfen, die nur weaig kleinere Mittelwerte haben, haben sie gleiche Zahlen, so dass auch ihnen gegeniiber sich noch gut der Einfluss der nattirlichen Gefangenhaltung zeigt. Schliesslich hat der freilebende Passer

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montanus bei gr0sserem Mittelwert (12,5 : 6,25 p gegen 11 : 6~25 #) eine nur wenig kleinere Zahl als Habropyga subflava (5 200 000 und 5 400000).

Weit besser als bei der Vergleichung der guten Flieger untereinander zeigt sich die Einwirkung des Faktors bei einer Gegeniiberstellung der einzelnen Familien mit ihrer Lebensweise, also Columbidae, Laridae~ Falconidae, Passeres einerseits und tier Phasianidae, Ra[lidae, Anatidae, Striges aadererseits. Die erste Gruppe zeigt im allgemeinen welt h0here Zahlen als die zweite. Freilich muss man sich hier mehr als vorhin gegenwartig halten, class die z~'eite Gruppe grossere Mittelwerte, datum also auch schon kleinere Zahlen hat. Jedoch auch dann weisen die zuerst genannten Familien h0here Zahlen aut: Sehr auffitllig ist der Unterschied zwischen den beiden Extremen der aufgestellte~l Gruppen, den Columbidae und Laridae gegen die Rallidae. Columba livia hat bei gleichem Mittelwert (14:7 p.) wie Ortygometra porzana etwa 1 000000 mehr; desgleichen Larus ridibundus und Larus marinus (15:7,5 /~) im u zu Gallinula chloropus, die mit ihnen gleiche Norm hat. Auch die Vergleiche zwischen Columba livia (14:7 # und 3 600000) einerseits und Zwerghahn, ~'egerhahn, Langshan (14:7 /~ und im Durchschnitt 3350000). Anas superciliosa (14,5 : 7 /~ und 2 800 000) und Fuligula marila (14,5 : 7 ~ und 2 675 000) andererseits, zwischen Coturnix coturnix (11,25 : 6,25 # und 4030 000) und Habropyga subflava (11:6,25/~ und 5400000), den M0ven und Asio scops, Limosa lapl)onica und Numida geben ein gleiches Resultat. Die Charadriidae halten sowohl in der Lebensweise als auch in der Zahl zwischen den beiden Gruppen die Mitte. Wenn ich also auch die Ein- wirkung der Lebensweise nicht in so ausgiebiger Weise dar- legen kann, wie ich dies bei der zuerst entwickelten Rege! getan habe, weil ich ftir meine Untersuchungen nur gefangen- gehaltenes Material verwende~ konnte, so dtirfte es wohl nach den angeftihrten Beispielen keinem Zweifel unterliegen, dass die Lebensweise einen grossen Einfluss auf die Zahl der roten BlutkSrper hat, den man kurz dahia angeben kaan, dass eine Lebensweise, welche stets hohe hrbeitsleistungen erfordert, die Zahl im Vergleich zu anderen Lebens~'eisen erh0ht. Freilich darf der Gegensatz in der Lebensweise nicht so goring sein, wenn eine Einwirkung auf die Zahl stattfinden soU. An die htmungs-

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tatigkeit yon Fuligula marila, einer guten Tauchente, werden sicher h0here Anforderungen gestellt, als an die yon Anas super- ciliosa; es zeigt sich in den Zahlen jedoch kein Unterschied. Fuligula marila hat bei einem wenig gr0sseren Mittelwert (jene Unterschiede, die, wie ich schon ausgeftihrt, mit Sicherheit nicht feststellbar sind), etwas weniger an Zahl.

Zum Schluss dieses Abschnittes m0chte ich noch einige Ausftihrungen fiber den Einfiuss yon Ernahrungszustanden auf die Zahl machen. Durch einige Beispiele bei meinen Unter- suchungen wurde ich auf diesen Faktor aufmerksam und stellte dann, um darfiber Sicherheit zu gewinnen, einige Experimente an. Die aus der Natur im Winter eingefangene Merula merula, welche erheblich weniger als das Durchschnittsgewicht einer Amsel wog, hatte trotz kleineren Mittelwerts weniger BlutkOrper als Corvus corax. Die nur 145 g wiegende Ardetta minuta hatte bei gleichem Mittelwert weniger Blutk0rper als Asio scops, obwohl die Reiher im Durchschnitt weir mehr Erythrozyten haben, bTettion crecca hat bei kleinerem Mittelwert (14,5:6,25 it und 15:6,25 ~) eine kleinere Zahl (3 140000 und 3 210 000) als die sicher auch schlecht erntihrte Tringa canutus, und beide weniger BlutkSrper als Charadrius dubius (3 500 000) im guten Ernahrungszustand. Diese Beispiele legen nahe, bier den Einfluss der Ernithrung zu ver- mute.n. Urn mir Sicherheit hieriiber zu verschaffen, hielt ich eine Taube, welche die Zahl 3608000 hatte, 2 Wochen bei schmaler Kost und konnte sodann eine Abnahme auf 3 210000 feststellen. Der Einfiuss der Ernahrung ist also sicher und ein ziemlich betrachtlicher. Die hohen Zahlen, welche die beiden Reiher, Ardetta erythromelas und Ardea cocoi zeigen, liessen sich gut durch die Einwirkung der guten Ernahrung erklaren, denn die Reiher vertragen die Gefangenschaft vorztiglich, und die yon mir untersuchten Exemplare waren ausnehmend gesund.

Hauptsachlich wohl auf Grund der verschieden guten oder schlechten Ernahrung wfirde sich ein aus der ~atur genommenes Material schlecht fiir die ausgeffihrten Untersuchungen eignen, denn durch diesen Faktor wiirde die Grundregel verdeckt worden sein, welche ffir die Beurteilung aller anderen Faktoren wichtig ist. Mit Hilfe der beschriebenen Faktoren lassen sich alle die in den Zahlen der Liste auftretenden Unterschiede erklaren, so dass hiermit fill" die yon mir untersuchten VOgel eine Heranziehung

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anderer Deutungen nicht mehr nStig ist. Freilich wird sich wohl bei Untersuchungen yon freilebendea Formen die Zahl jener Faktoren noch vergr(issern.

Wenn ich die Resultate des II. Teiles zusammenstelle, so ergibt sich folgendes:

1. Die GrSsse der roten BlutkSrperchen schwankt selbst bei einem Individuum. Bei BlutkOrperchen, die wahrend der Messung spitz bleiben, kann mall erkennen, dass bei gr~sseren BlutkSrperchen hauptsachlich die grosse hchse wachst; die kleine verandert sich wenig.

Die DurchschnittsgrSsse richtet sich in den systematisch einheitlichen Familien nach der KSrpergr0sse : Der grSssere Vogel hat die gri~sseren BlutkSrperchen.

Die verschiedenen Familien haben verschieden grosse BlutkSrperchen. Bei der Mehrzahl yon ihnen lasst sich dieser Unterschied aus der Lebeasweise erkl~trea. Schneile Heranztichtung yogi KSrpergr6sse tibt keinen Einfluss auf die GrSsse der Blutk5rperchen aus.

2. Ffir die Anzahl der roten Blutkiirperchea gilt die Grund- regel:

Ill jeder Familie, deren Arten eine Lebensweise haben, die annahernd die gleiche kii~])erliche hrbeit ertordert, hat der Vogel, welcher kleinere Blutk6rperchen hat, die gr~ssere hnzahl.

Hieraus folgt: VSgel, welche gleichgrosse BlutkSrper- chen haben und annahernd die gleiche Lebensweise, haben gleiche Anzahl.

Der Einfluss der Lebensweise ist dahin zu skizzieren, dass eine Lebeasweise, welche standig hohe Arbeits- leistungen bedingt, die Zahl der BlutkSrperchen erhOht.

Als dritter Faktor, der die Zahl beeinflusst, ist die Ernahrung zu nennen. Eine gute Ernahrung erhOht die hnzahl, eine schlechte vermindert sie. Der Einfluss dieses Faktors ist betrachtlich.

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L i t e r a t u r v e r z e ichnis .

1. D a n t s c h a k o f f , W.: LVber die Entwicklung des Knochenmarks bei den Viigeln. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 74, 1909.

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3. G u l l i v e r , G.: On the size of the red corpuscles of the blood of the Vertebrata. Proc. of the Zool. Soc. London 1845.

4. H a n s e n, F, C. C.: Uber Eisenh~matein . . . . . Zeitschr f. wissensch. Mikr., Bd. 22, 1905.

5. H a y e m , G.: Du sang et de ses alterations anatomiques. Paris 18.99. 6. L an g e r , K.: ~)ber das Gef~l~system der Riihrenknochen. Denkschr.

d. k. Akad. d. Wissensch., ]~Iath.-Naturw. Klasse, XXXVI, Wien 1876. 7. M a y e r , S. : Bemerkungen iiber die sogenannten Sternzellen der Lcber

und die Struktur der kapillaren Blutgefiisse. Anat. Anz., Bd. 16, 1899. 8. ~ a x i m o w, A. : Die embryonale ttistogenese des Knochenmarks der

Si~uger. Arch. f. mikr. Anat., Bd. 76, H. l. 9. P f i t z n e r , W.: Zur pathologisehen Anatomie des Zellkerns. V i r c h o w s

Arch., Bd. 103, 1886. 10. S c h u 1 z e, F. E. : Zellmembran, Pellicula, Cuticula, Crusta. Anat. Anz.

Bd. 12, Erg~nzungsheft. 11. V a n d e r S t r i c h t : Nouvelles recherches sur la geni~se des globules

rouges. Arch. de biologie, Tome XII. 12. W e i d e n r e i c h , F. : Die roten BIutkiirperchen. Ergebn. d. Anat. u.

Entwicklungsgesch., Bd. 13 und 14. 13. Derselbe: Die Entstehung der weissen Blutkiirperchen im postfetalen

Leben. Verh. d. anat. Ges., 18. Vers., Genf 1905. 14. Derselbe: Beitri~ge zur Kenntnis der grannlierten Leukozyten. Arch.

f. mikr. Anat., Bd. 72, 1908.

Weitere den Gegenstand der h_rbeit betreftende Literatnr siehe 15. W e i d e n r e i c h , F. und 1. D a n t s c h a k o f f , W.

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432 W i l h e l m V e n z l a f f : Die roten Blutkiirperchen der VSgel.

Fig. 1.

Fig. 2.

Fig. 3.

Erkl~rung der Textfiguren.

~.rterien und Venen des Knochenmarks am Foramen nutritium. Breite 50faeh vergri~ssert; Linage 200fach vergrSssert, a und b sind die Arterien, welche die obere H~lfte des ~[arkes mit Gef~ssen versorgen, c hat die gleiche Aufgabe fiir den unteren Tell. d und e und die sonst eingezeiehneten Arterien haben nut fiir die unmittel- bare Umgebung des For. nutr. Bedeutung und 15sen sich schnell in die Kapillaren auf. A.rterien und Venen des Knochenmarks am Foramen nutritium. Breite 50fach vergriissert; L~nge 100 fach vergrSssert. Die Be- zeichnung und Erkliirung ist die gleiche wie in Fig. 1. Spitze BlutkSrperchen aus dem Ausstriehpr~tparat des Blutes vom Huhn. Die in Klammern eingeschlossenen stammen aus einem Ge- sichtsfelde. ~Iit dem Zeiehenapparat, 1/~ 01immersion, Okular 3 bei 130 mm Tubusliinge gczeichnet. Zur Reproduktion auf die H~tlfte verkleinert.

Fig. 1.

Fig. 2.

Fig. 3.

Erkl~rung der Abbildungen auf Tafel XV.

~)ffnung in der Wand einer Kapillarvene am Lymphkn5tchen. Ge- zeichnet mit dem Zeichenapparat bei 1/1.~ i)limmersion L e i t z und 0kular 3, Tubusliinge 160 mm. Vergr. etwa 1400. E ---- Erythro- zyten ; Ebl ---- Erythroblasten ; Gr. L ~-~ Grosset Lymphozyt. Weitere Erkliirung siehe S. 390. Photographische kufnahme der spitzen roten Blutk~irperchen yon Corvus corax in eisgektihlter, 0,66 ~ Koehsalzl~isung zwei Minuten naeh der Blutentnahme. Vergr. 500 fach. Spitze BlutkSrperchen yon Viigeln.

a) Vanellus cayennensis; b) Porphyrio poliocephalus; c) Rhynchotus rufescens.

Vergr. 2000 fach. Handzeichnung.

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Dus Z e n t r a l n e r v e n s y s t e m der Wirbe l t i e re . 49

gleichen Tafel befinden wir uns im Begiml des Chiasma opticum. An dasselbe grenzt yon dorsal her der Boden des kaudalen Aus- l~'tufers unseres Recessus, und zwar ist auch bier dieser Bode~ halbkugelfSrmig nach oben in denseiben vorgew61bt. In ihm liegt wieder der Durchschnitt des Tractus praeopticus, der in dieser Gegend deutlich in Zwei Btindel zerfallt. Welter nach hinten legen sich diese eng aueinander (Fig. 4, Tar. II): sie befinden sich in der Mitte des Bodens des Hohh-aumes des Diell- cephalon oberhalb des Chiasma. Der Ventrikel ist umgeben vo,l den Ausl~,tufern des Zellarcales des ~Nucteus praeopticus, an denen mal~ bier die beiden Abteilungen der vorigen Figur, a~mlich die Cellulae magnae und die Grundzellen des Kernes nicht mehr unterscheideit kann, hier besteht vielmehr der Nucleus praeopticus aus gleich- artigen Zelleu. Seitlich grenzen an den Kern die Durchschuitte des medialen und later,~len Vorderhirnbfindels. Withrend bis hierher der Tractus praeopticus als isolierter Zug deutlich zu uuterscheiden war, ist dies welter kaudal nicht mehr m0glich; dort verliert er sich allm~thIich in dem Fasergewirr ant Boden des Ventriculus diencephuli und oberhalb der postchiasmatischen Kreuzungen, wie die Fig. 5 (Tar. II) zeigt. Dort sieht man dorsal den Hohlraum des Zwischenhirns, ventral den des Hypothalamus und zwischen beiden die Querztige der postchiasmatischeu Kreuzungen und oberhalb letzterer Faserdurchschnitte, zwischen deuen sich unser Tractus verliert. Dieser gauze eben geschilderte Verlauf zeigt sich auch auf dem Sagittalschnitt in Fig. 6 (Tar. II), an der man ebelffalls streckenweise eine Scheidung des Faser- zuges in zwei Biindel bemerken kann.

Was alas Vorkommeu dieses Tractus praeopticus bei andereu Amphibien betrifft, so kann ich auf Grund meines Materiales folgendes aussagen: Er ist ausser bei der KrSte auch bei Rana uachweisbar; hier aber nut auf ganz kurze Strecken bin und yon sehr geringer Entwicklung. Bei Spelerpes fuscus babe ich ihn uicht beobachten k0nnen, dagegen, allerdings auch hier sehr schwach ausgebildet, bei Sirena lacertina und bei Nectm'us macu- latus. Eine machtigere Ausbildung, die der bei Bufo nahe kommt, zeigt er bei Cryptobranchus japonicus. Hier zerfalIt er nach den Befunden auf einer Frontalserie in eine Reihe sagittal verlaufender feiner Fasern. Ab und zu sieht man zwischen ihnen am Boden des Recessus praeopticus quer verlaufende Fasern.

Archly f. mikr. Anat. Bd. 77. Abt. I. 4


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