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Page 1: Über Metastasenbildung nach intravenöser Injektion carcinomatöser Ascitesflüssigkeit von Mäusen und Ratten

(Aus dem Institut ,,Robert Koch". - - Abteilung. Professor Dr. Jos. Is

L~ber Metastasenbildung nach intraven~ser Injektion carcinomat~ser Ascitesfliissigkeit von M~usen und Ratten.

Von Dr. reed. vet. Ernst Wibeau.

(Eingega~gen am 16. Mi~rz 1933.)

Die Arbeiten yon Jos. Koch und Fritz Hesse fiber die Infektiosits der krebsigen Aseitesflfissigkeit veranlaBten uns, dieses Material aueh zur intraven6sen Verimpfung zu benutzen. Wegen der feinen Ver- teilung der cellutgren Elemente und der ~Sglichkeit, die entnommene Flfissigkeit direkt ohne weitere Verarbeitung verwenden zu k6nnen, versprachen wir uns yon dieser Anwendungsweise besondere Vorteile.

Hans Loewenthal hat te mit diesen Versnehen begonnen. Bei etwa 20 Rat ten, denen er das spezifisehe BauehhShlenexsudat in eine Sehwanz- vene injiziert hat te - - wobei es dahingestellt bleiben mag, wie oft die kleine Operation geglfiekt ist und die Fliissigkeit ganz oder teilweise in den Kreislauf gelangte - - , beobachtete er zweimal Metastasenbildung in der Lunge. Dieser bescheidene Erfolg stand in keinem Verh~ltnis zu den Ergebnissen, die Levin und Sitten]ield, sowie Weil bei ihren Ver- suchen mit der intravenSsen Injekt ion einer Aufsehwemmung des Flex- ner-Jobling-Careinoms erhalten hat ten; es widerspraeh auch den sonsti- gen Erfahrungen, die wir mit der Verimpfung yon Aseites gemaeht ha t ten; denn in jahrelangen Beobachtungen konnten wir uns immer wieder davon fiberzeugen, dal~ sich dieses spezifisehe Exsudat zur Uber- t ragung unter gewissen Bedingungen viel besser eignet als die sonst allgemein benutzten Tumorstiiekchen oder -aufsehwemmungen. In einzelnen Fgllen genfigte sehon die Verimpfung einer sehr geringen Menge, um eine neue Geschwulst entstehen zu l~ssen. Wir haben daher die Versuche wieder aufgenommen und einer weiteren Reihe yon Rat ten frisch entnommene Aseitesflfissigkeit des Flexner-gobling-Krebses in ~engen yon 0,5--1 ccm in eine Schwanzvene injiziert. Von 30 Rat ten wiesen dabei zwei Tiere Metastasen in den Lungen auf. Die frfiheren Befunde wurden also erneut best~tigt.

Mit der auf unserer Abteilung gehaltenen Ascitespassage des Ehrhchschen Careinoms war uns Gelegenheit geboten, Parallelversuehe bei Mgusen anzustellen.

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~ber die besonderen Eigenschaften des spezifischen M~useascites haben Hans Loewenthal und Gertrud Jahn an anderer Stelle berichtet, ttier sei nur betont, dab es sich dabei um eine sehr virulente Fliissigkeit handelt [siehe Z. Krebsforsch. 37, 439, sowie Jos. Koch, Zur Kritik der gegnerischen Ansichten fiber die Cellula cancrosa specifica. 7. Mitt. Uber die parasit~re Entstehung des Krebses. Zbl. Bakter. I, Orig. 127, 319 (1933)].

Wit injizierten den M~usen intravenSs 0,1--0,2 ccm des ffiseh entnommenen Peritonealexsudates. Die Ergebnisse waren weitaus besser als in den Ratten- versuehen. Etwa der vierte Teil der infizierten Tiere zeigten Krebsmetastasen in der Lunge. Das w~re im Vergleieh zum Flexner-Jobling-Careinom etwa die 10faehe Impfausbeute; sie besti~tigt die hohe Virulenz dieses Tierkrebses. Sogar bei einer Verdiinnung yon l:1000 batten sieh multiple Knoten in der Lunge gebildet, wobei allerdings die Entwicklungsdauer erheblich zugenommen hatte.

Gelegentlich kam es aueh an der In#ktionsstelle des Schwanzes zur Geschwulst- bfldung, die sich bis zu seinem Ansatz erstreekte und ihn bis zu einer Dicke yon etwa 1 cm unfSrmlieh ansehwellen liel~. Ob beim Einspritzen eine grSl]ere Menge Fliissigkeit in das perivasculare Gewebe gelangte, ist schwer zu entseheiden, ist aber wahrscheinlich und zwingt zur vorsichtigen Bewertung der zahlen- m~i~igen Ergebnisse intraven5ser Injektionen in die Sehwanzvene. Weder beim Flexner-Jobling-Krebs noeh beim Jensen-Sarkom haben wir eine derartige Gesehwulstbildung am Schwanz der Versucbstiere beobaehtet, obwohl in eini- gen F~llen ein Tell der infizierenden Flfissigkeit sieh in das benaehbarte Ge- webe verirrt hatte.

Einzelne Autoren haben bei intraven5ser Yerimpfung einer Geschwulst- emulsion des Frankfurter Carcinoms hohe Zahlen positiver Impfeffolge erzielt. In auffallendem Gegensatz dazu steht die Tatsaehe, dab die intravenSse Injektion der hochvirulenten krebsigen Peritonealflfissigkeit der Maus welt geringere Er- gebnisse zeitigt.

Wie erk]~rt sich dieses M/l~verh~ltnis ?

I n der Annahme , dal~ das ver impfte Material vielleicht durch den Blu t s t rom zu s tark verdf innt und zu sp~rlich sieh fiber das Lungen-

eapil larsystem ver te i l t haben konnte , aus diesem Grunde z u r Meta-

s tasenbi ldung nicht ausreichte, haben wir in zwei Versuehsreihen yon je 6 R a t t e n die zentri/ugierte Ascitesflfissigkeit ver impft .

Der dureh ein 1/2stiindiges Ausschleudern bei 3000 U./Min. gewonnene Boden- satz wurde nach Dekantieren yon etwa 9/10 der Flfissigkeit vorsichtig und gleieh- m~l~ig aufgesehiittelt und yon diesem sehr zellreichen Material 0,5--1 ecru intra- venSs verimpft. In keinem Fall waren Lungenmetastasen festzustellen.

In einer zweiten Versuebsreihe wurde dem Ascites noeh Cystein zugesetzt. Hans Loewenthal hatte n~mlich bei der ~bertragung yon getrocknetem und zell- ffeiem Material des Rous-Sarkoms feststellen kSnnen, dal3 dureh Oxydations- vorgange zwar die Infektiosit~t zerstOrt, diese Wirkung aber durch Zusatz von Cystein, einem organischen Reaktionsmittel, aufgehoben wird. Wir vermuteten~ dal3 bei der hohen Sauerstoffempfindliehkeit tier Krebszellen oxydative Vorgi~nge im Blur den Ausfall der Versuche ungiinstig beeinflu~ten. Von 16 Ratten, die Ascitesfliissigkeit mit Zusatz yon etwa 0,25 Vol.-% Cystein intravenSs erhalten hatten, zeigte aber nur ein Tier ein positives Ergebnis. Es konnte somit ein Ein- fluB des Cystelns nicht festgestellt werden (als Pr~parat benutzten wir Cystein- chlorhydrat frei yon Schwermetallen nach Warburg, das yon der Firma Sehering- Kahlbaum stammte).

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I m Verlauf der Versuche stellte es sich heraus, dab die Zellen der Mauseaseitesflfissigkeit selbst ungewShnlich hohen Sauers tof fspannungen

gegeniiber resis tent waren (Hans Loewenthal und Gertrud Jahn). Werm

t ro tzdem die Ver impfung eines so behande l t e n Materials eine re la t iv geringe Ausbeu te im Vergleich zu anderen Impfme thoden erbraehte,

so kSnnen wir doch oxydat ive Einflfisse n ich t als entseheidend fiir den Ausfall der Versuehe ansehen.

Von 8 l~atten, die intrakardial mit Flexner-Jobling-Aseites infiziert waren, zeigte nur eine einzige Geschwulstbildung, und zwar an der Injektionsstelle des Herzens. Da nieht zu entscheiden war, weleher Ventrikel das Material auf- genommen hatte, lessen sich aus dem Fehlen yon Metastasen in anderen Organen keine Rficksehliisse ziehen.

Zu Vergleiehszwecken verimpften wir in einigen weiteren Versuehen Emu/- sionen des Flexner-Jobling-Carcinoms und des Jensen-Sarkoms. Von frisch ge- tSteten Ratten stammende Tumoren, die im Inneren nieht erweieht waren, wurden in einer Fleischmiihle zerkleinert, bis naeh weiterem Zerreiben i n einem Glase und unter Zuffigung yon Bouillon eine injizierbare Flfissigkeit entstand. ])avon erhielt jedes Versuchstier 0,5--1 ccm intravenSs.

Beim Jensen-Sarkom kommt es bet intraperitonealer Injektion zerriebenen Gewebes nieht zu einer allgemeinen Geschwulstbildung. Es entstehen im Bauch- ra~m ein oder mehrere grebe Knoten, und nur in seltenen F~llen, je naeh dem Sitz der Tumoren, bildet sieh ein Aseites, der zuweilen mit Erfolg wetter verimpft werden kann. Eine regelm~l~ige Aseitespassage wie beim Flexner-Jobling oder dem Frankfurter M~useearcinom liel] sieh bis jetzt nicht erzielen.

Beide Geschwuls tar ten l ieferten jedoch bet in t ravenSser E inspr i t zung

einer Emuls ion gute Ergebnisse; in e inzelnen Versuchsreihen fanden

sich zu 100% Geschwuls tknoten in der Lunge.

Kurze Ubersicht i~ber die bisherigen Ergebnisse der intravenSsen In/elction.

Flexner-Jobling-Krebs. Nach Einverleiben zerriebenen Geschwulstgewebes fanden sieh Metastasen in den Lungen, besonders in ihren subpleuralen Lymph- r~umen, die sich deutlich fiber die Lungenoberfl~che erhoben. Bet den mit Ascites- ]liissigkeit in/izierten Tieren waren nut wenige und kleine Knoten in den Lungen festzustellen. Aul]erdem war aber noch eine starke, sekund~.re Gesehwulstaus- breitung auf dem Brust- und Zwerchfell, dem Perikard und Epikard wahr- zunehmen. Die Bronchial- und Mediastinaldrilsen waren stark vergrSBert und zeigten mikroskopiseh einwandfrei neoplastisches Gewebe. Ausdehnung und Gr5Be der sekund~ren Geschwulstbildung fiberdeckte die prim~ren Lungenherde vol]st~ndig. Im Gegensatz dazu zeigten die Ratten, die eine Gesehwulstemulsion erhalten batten, sehr zahlreiehe Knoten in den Lungen und den subpleuralen Lymphr~tumen, w~hrend Brust- und Zwerehfell, Epi- und Perikard sowie die Lymphknoten keine Vers aufwiesen, wobei aber zu bemerken ist, dab die Mehrzahl der Tiere nach verh~ltnism~IMg kurzer Zeit getStet worden war. In ether Versuchsreihe fanden sieh bereits naeh 10 Tagen zahllose, hirsekorngroBe KnStchen, ein Bild, das dem einer frischen tuberkulSsen Infektion sehr ~thn- lich sah.

Frank]urter M~usecarcinom. Wir beobachteten Metastasen der Lunge, der subpleuralen Lymphr~ume, der Pleura, des Zwerehfells, Infiltration der Lymph- knoten und in einem Falle der Thymus. Auch hier fiberwog die sekund~re Aus-

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carcinomat5ser Ascitesfltissigkeit yon M~usen und Ratten. 69

breitung. Die Zahl der zur Entwicklung gekommenen metastatischen Herde war verhaltnism~Big gering (bis etwa 20 Knoten).

Jcnsen-Sarkom. Die Lungen sind ganz yon Geschwulstgewebe durehsetzt, so dab zwisehen den einzelnen Knoten kaum noch normales Lungenparenchym zu erkennen war. In der reehten Herzkammer einer Ratte bemerkten wit eine frei in den Ventrikel hineinragende Tumormasse.

Bei keinem unserer Versuchstiere, Maus oder Ratte, haben wir Ge- schwulstknoten in den iibrigen, dem KSrperkreislauf angeschlossenen Organen gefunden. Es war also die Lunge das einzige Organ, in dem sich mit der angegebenen Technilc Krebsmetastasen entwickelten.

Im fibrigen haben die Versuehe an Ratten ergeben, dal~ bei intra- venSser Injektion einer Geschwulstemulsion nicht nur die Zahl der er- folgreich geimpften Tiere an sich hSher, sondern bei den erkrankten Tieren aueh die Ziffer der zur Entwicklung kommenden metastatischen Knoten hSher ist als nach der Einspritzung yon Ascitesflfissigkeit.

Bei mikroskopischer Prtifung kann man sieh davon fiberzeugen, dab auch nach sorgf~ltigem Verreiben des Geschwulstgewebes noeh recht kompakte Zell- haufen zu linden sind, w~hrend der Ascites die cellul~ren Elemente, die Jos. Koch in seinen Arbeiten fiber die Cellula cancrosa parasitaria eingehend beschrieben hat, in sehr feiner Verteilung enth< nur selten beobacbtet man in einem Haufen arteigener Exsudatzellen relativ zahlreiche spezifische Zellelemente. Zentrlfugierter Ascites l~Bt sich zuweilen wieder zu einer homogenen Emulsion aufschfitteln, wenn man mit einiger Vorsicht zu Werke geht.

Die besseren Ergebnisse der Breiverimpfung beruhen also wohl mehr auf dem Vorhandensein grSfierer Gesehwulstbr6ekehen als auf der rein zahlenm~l~igen Uberlegenheit der infektiSsen zelligen Bestandteile. Ffir diese Annahme Spricht jedenfalls, dal~ selbst dureh die 10fache Dosis die Ergebnisse nicht verbessert werden konnten, w~hrend andererseits selbst st~rke Verdiinnungen noch positive Resultate zeitigten. Daraus ergibt sieh eine gewisse Unabh~ngigkeit v o n d e r Menge, eine Annahme, die auch dutch andere Beobaehtungen und die Versuche von Jos. Koch, Hans Loewenthal und Gertrud Jahn mit Verdfinnungen des krebsigen M~useascites best~tigt werden. Mit steigenden Verdiinnungen tri t t in erster Linie eine VerzSgerung des Geschwulstwachstums ein und erst in extrem hohen Graden wird die Uberimpfungsziffer beeinflugt.

Nather und Schnitzler sind in ihren Versuehen zu dem Ergebnis gekommen, dab zur Metastasenbildung die einmalige Einschwemmung einer grbi]eren Menge Gesehwulstmaterials ausreichend ist; ihre Annahme grfinden sie darauf, dab sie sehlechtere Resultate erzielten, wenn sie eine bestimmte Tumormenge, an ver- sehiedenen Tagen, in fraktionierten Dosen verimpften, als wenn die ganze Dosis auI einmal injiziert wurde. Unsere Versuche sind anders ausgefallen, zeigen aber sehr deu~lich, dab die Geschwulstbildung trotz des weiten Spielraumes, den die Virulenz des Materials laBt, abh~ngig ist yon dem Vorhandensein Celluli~rer E]emente.

Es blieb noch zu erw~gen, ob die Entstehung der einzelnen meta- statischen Herde, die nach Einspritzung yon Aseitesflfissigkeit ent-

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standen, nicht auch auf die in ihr zuf/illig vorhandenen gr61]eren Zell- haufen zuriickzuffihren war, auf eine capill~re Embolie, yon der die weitere bSsartige Neubildung ihren Ausgang nimmt. Die histologischen Befunde konnten eine Kl~rung nicht erbringen, da infolge stark fort- gesehrittener Wueherung das urspriingliche Gewebsbild nicht mehr er- kennbar war. AuSer den Ergebnissen der mikroskopischen Unter- suehung widersprachen dem aber auch die Sektionsbefunde; denn wenn wirklich solche Zuf/~lligkeiten im Spiel gewesen w~ren, h/~tten Meta- stasen bei der Einspritzung von zentrifugiertem Ascites h/iufiger auf- treten und bei Verdfinnungen h/~ufiger fehlen mfissen. Zudem handelte es sich in allen F/~llen um eine multiple Metastasenbildung, die wohl kaum aufgetreten w/ire, wenn es sich um das gelegentliche Vorkommen grSBerer Gewebspartike] im Ausgangsmaterial gehandelt h/~tte.

Wie bereits erw/~hnt, fanden sich bei keinem Versnchstier Gesehwulst- herde in anderen Organen als nur in der Lunge. Wir miissen daraus unter Berficksiehtigung der hohen Infektiosit~t der krebsigen M/~use- aseitesfliissigkeit sehliel~en, dal3 in der Lunge als erstem vorgelagertem Capillargebiet das ganze infizierte Material abgefangen wird und linden eine Best/ttigung darin, d~ft bei bSsartigen Tumoren, die nach sub- cutaner Einspritzung entstehen, in der ~iiberwiegenden Mehrzahl der F&lle Metastasen in den Lungen beobachtet worden sind.

Die sog. Geschwulsta]]initdit der einzelnen Organe ist bekanntlich sehr versehieden; aufter einigen allgemeinen bestehen auch noeh besondere Unterschiede. Chalatows Untersuchungen yon embolisehen Milzmeta- stasen, die ]okal blieben und keine fortsehreitende Wucherung zeigten, ferner die Versuehe yon Blumenthal und Auler, die naeh Verimpfung yon Milzbrei metastatische Herde sahen, haben geschwulsthemmende Eigenscha/ten dieses Organs wahrseheinlich gemaeht, zumal ~r das Wachstum der Impfgesehwfilste verzSgern soll (Frankl). ~Tach der Milz soU die Lunge dasjenige Organ sein, das im allgemeinen am wider- standsfi~higsten ist. Dafiir spricht der h~ufige Befund yon blastomatSser Embolie der Lungengefi~l]e, bei der die Gesehwulstzellen nachtr/ig!ieh zugrunde gegangen sind, wie es yon z~hlreiehen Autoren beschrieben worden ist. Borrel und Haaland betonen besonders, daft sie bei M~use- tumoren fast stets eine Embolie der Lungengefs gefunden h/s da]~ aber nut in wenigen F/~llen Geschwulstknoten yon infiltrierendem Wachstum entstanden seien, w~hrend Anardi stets, abet nur mikro- skopisehe Lungenmetastasen bei seinen Mgusen gefunden hat, woraus wir auf ein sehr langsames oder gehemmtes Waehstum sehliel]en kSnnen. Experimente]]e Arbeiten yon Well und EndIer weisen auf die sehlechte Entwicklung der fibertragbaren Gesehwfilste in den Lungen hin. Weil {and fiir das Flexner-Jobling-Careinom, daft die Knoten in den Lungen bedeutend in der GrSBe hinter solehen der Subcutis zurfickbleiben.

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carcinomatSser Aseitesfltissigkeit yon M~usen und Rattem 7]

Endler ha t nach int rapulmonaler In jekt ion des Frankfur te r M/s carcinoms nu t P leura tumoren erhal ten; er sehli'el3t daraus, dab die Lungen far das Mgusecareinom ein sehlechter N/s sind.

Wir haben bei anderer Gelegenheit ffir unsere beiden Carcinom- st/~mme das gleiche feststellen k5nnen. U m den M~usekrebs yon Bak- terien, Saprophyten, zu befreien, ha t ten wir Geschwulstbrei gelegent- lieh in t ra thorakal verimpft . Die Impfausbeu te war sehr gering; es fanden sieh auf der Pleura pulmonalis kleine Herde, die zuweilen, wenn sie durch die L y m p h s t o m a t a vorgewuehert waren, in den subpleuralen Lymphr~umen unter Kompression der benaehbar ten Alveolen wuehsen, aber niemals infiltrierend in das Lungenparenehym eindrangen. Aueh als der Stature wieder bakterienfrei war, fanden sich dieselben Verhi~ltnisse vor. Das Flexner-Jobling-Carcinom, das wir vergleiehsweise in derselben Art verimpften, zeigte histologisch ein ganz ~hnliehes Verhalten. Die Tumoren blieben klein, wuehsen rein expansiv und liei3en auffallend wenig Teilungsfiguren erkennen.

Aueh die metastatischen Herde, die nach intravenSser Injektion yon Ascites- flfissigkeit entstanden waren, zeigten im allgemeinen ein mal3iges Waehstum. Hier trat, wie sehon bemerkt, meist die sekundgre Ausbreitung hervorragend in Er- scheinung. Bei den Tieren, die eine Aufschwemmung erhalten batten, fanden wir bei histologiseher Untersuehung, da$ nach Embolie einer Arterie die Geschwulst- zellen infiltrierend in der Gef/s vorw/~rts drangen und naeh Durehbreehlmg den perivaseul~ren Lymphseheiden folgten, so dab sie die Blutgef/~e in der Form eines rShrenfSrmigen Mantels nmgaben. In Seriensehnitten war das Waehstum fiber weite Streeken zu verfolgen, aber nur in n/~chster ~/~he der yore Embolus ausgegangenen Wucherung waren die Alveolarw/s inffltriert. Dieser Unter- sehied war so auffallend, dal~ man in dem Lungenparenchym doch besondere Kr/~fte vermuten mug, die dem Vordringen bzw. der Ansiedlung yon Gesehwuls~- zellen erheblichen Widerstand entgegenzusetzen vermOgen. Darin liegt meines Erachtens aueh die Ursaehe, dab die Ergebnisse der intraven6sen Verimpfung yon Geschwu]stemulsionen und yon Ascitesflfissigkeit so versekieden ansfallen. In den F/~llen der eapill/~ren Embolie, wie wir sie naeh der Aseitesinjektion an- nehmen mfissen, treffen die spezifischen Zellen, wenn sie die Capillarwand passiert haben, fast nnmittelbar auf die sehr resistenten Parenchymzellen and unterliegen ihren EJDflfissen. Erfolgt aber die Einschwemmung in ein gr8Beres Gefgl3, dash kSnnen sich die Krebszellen in den Lymphscheiden den direkten Einwirkungen entziehen, und erst nachtr/~glich, wenn durch die prim/s Ansiedinng sehon schwere StSrnngen des Saftstroms in dem betreffenden Organabsehnitt ein. getreten sind, erfolgt in ihm das infiltrative Vordringen. An anderer Stelle haben wir berichtet, wie unter dem EinfluB yon ZirkulationsstOrungen der Ratten- hoden, der an sieh dem Eindringen des Flexner-Jobling-Krebses starken Wider- stand leistet, der bSsartigen ~eubildung unterliegt; es ist wohl anzunehmen, dal] ghnliehe Vorggnge auch hier eine Rolle spie]en. So ist ffir die verschiedenen Ergebnisse der intravasculgren Injektion von Geschwulstbrei und carcinomatSser Aseitesfliissigkeit nieht so sehr die Zellenanzahl oder die Menge des eingespritzten Materials yon aussehlaggebender Bedeutung, als vielmehr die GrSl~e der einzelnen Bestandteile, die ihrerseits den Ort der Festsetzung bestimmt, nnd dadureh fiir die Weiterentwicklung der Tumorzellen mehr oder weniger giinstige Vorbedingun. fen schafft.

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72 E. Wibeau: Uber Metastasenbildung naeh intravenSser Injektion

Wir miissen aber aueh damit rechnen, dab unter dem Einflug der Parenchym- zellen ~tckbildungen noch nach bereits eingetretenem Waehstum vorkommen; wir miissen diese bei tibertragbaren Tumoren nicht gerade seltene Erseheinung hier, wo sich die ganzen Vorg~nge unserer Kontrolle entziehen, besonders bertick- siehtigen. Histologisch haben wit oft Befunde erheben kSnnen, bei denen eine ausgedehnte leukocytgre In/iltratlon zu erkennen war, und die wir als Spontan- heilungen ansehen mtissen. Sie fanden sich bezeietmenderweise nur bei Ratten, die mit Tumorbrei gespritzt und verhaltnism~Big kurze Zeit nach der Inje'ktion getSteg worden waren (bis 30 Tage). Nach Einspritzung von Aseitesfliissigkeit konnten wir Rfiekbildungen nicht beobaehten; wh" ffihren das darauf zuriick, dab diese Prozesse beim Tode der Versuehstiere bereits ihren AbschluB gefunden hatten. DaB Leukoeyten und Makrophagen tiberall da zu finden sind, wo totes Gewebe abgebant wird, ein Vorgang,, der bei den isolierten Zellen der Ascites- flfissigkeit nur in geringerem MaBe stattfinden und eine untergeordnete Rolle spielen dfirfte, isb eine bei regressiven Prozessen bekannte Erseheinung.

In den vorliegenden Versuehen hat sieh die Ascitesflfissigkeit, die sieh unter anderen Umst~nden der Breiverimpfung als durchaus gleieh- wertig, teilweise sogar weir iiberlegen gezeigt hat, bei Ra t ten nicht sonder- lieh bew~hrt, wenn man nur die Zahl der gelungenen h~matogenen rdbertragungen berficksichtigt. Aus den Befunden ergibt sich aber, dab wit es bier trotz des anscheinend nur graduellen Unterschiedes zwisehen der eapill~ren und der grSberen Form der Embolie mit grunds~tzlich verschiedenen Wirkungen zu tun haben. Daher lassen sich die Ergeb- nisse, die mit der Injektion der beiden Formen yon Material erhalten wurden, nicht vergleiehen. Und wenn wir die intravasculgre Ver- impfung yon zertr i immerter Geschwulstsubstanz - - wie Borst es getan hat - - als eine Art experimenteller h~matogener Metastasenbildung betrachten, dann zeigt sieh, d ~ die Aseitesfliissigkeit infolge ihrer Eigentiimlichkeiten den Zellaufschwemmungen in mancher Hinsicht iiberlegen ist. Die bisher stets angewandte Form der Breiverimpfung hat den Nachtei], dal~ sie den nattirlichen Verhgltnissen kaum Reehnung trAgt. Menge und Zustand d e r m i t einem Schlage in die Blutbahn inji- zierten Emulsionen sind so, wie wir sie vielleieht in einigen extremen Ausnahmefgllen, nicht aber in der Regel als urs~chliehes Moment an- sehen kSnnen. BSsartige Geschwulstst~mme, die sieh durch ihre ge- ringe Neigung zur Met~stasenbildung auszeichnen, ergeben bei dieser Methode zuweilen 100% positiver Resultate; sie beweisen damit ]etzten Endes nur, dab wir uns bei der Impfung auch der natiirliehen Tr~ns- portwege des KSrpers bedienen kSnnen, und dal~ eine nennenswerte Sehgdigung des Impfmater ials nicht eintritt. Unter diesem Gesichts- punkte muBte die Verwendung careinomatSser Ascitesfliissigkeiten eine wesentliche Verbesserung bedeuten. Jos. Koch und Hesse haben auf die vielen Vorteile, welche die Verwendung dieses Exsudates bei ex- perimentellen Arbeiten zu bringen imstande ist, schon hingewiesen. Ftir .Versuche zur ktinstlichen ~etastasenbildung ist sie abet von be-

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carcinomat6ser Ascitesflfissigkeit von Mi~usen und Ratten. 73

sonderem Wert. Sie stellt die einzige Materialtorm dar, in der die zelligen Elemente ohne gew~Itsame, schwierige und in ihren Einwirkun- gen ganz unkontrollierbare Verarbeitungsmethoden isoliert sind, und in der der Hauptantei l nicht aus geseh~digten oder zerstSrten Tumor- zellen besteht. Wir kSnnen durch Injekt ion dieser Flfissigkeit in die Blutgef~l~e die Geschwulstzellen dem KSrper in einem Zustand zu- fiihren, die dem einer natfirlichen Einschwemmung entsprieht, und die geringe Impfausbeute zeigt, dab wir diesem Ziele recht nahe gekommen sind.

Zusammen/assung.

Sowohl naeh intravenSser Einspritzung yon Tumoraufschwemmun- gen, als auch des spezifischen Peritone~lexsudates des Flexner-Jobling-, des Frankfur ter M~usecarcinoms, sowie des Jensensarkoms kSnnen Meta- stasen in der Lunge entstehen. Sie war in unseren Versuchen das einzige KSrperorgan, in dem metastatische Herde, und zwar stets multiple, beobachtet wurden. Wahrscheinlich wird schon in ihrem Capillar- schlingennetz das ganze eingespritzte MateriM abgefangen. Auff~llender- weise zeitigte die Injektion einer Geschwulstemulsion bei t~atten bessere Resultate als die der sehr virulenten Ascitesflfissigkeit. Es kommt bei der Entstehung der metastatischen Geschwulstknoten offenbar nicht so sehr aaf die Zahl der spezifischen Zellen an ~ls auf die GrSl~e der sie einschliel~enden Gewebsteilchen, die capill~re Embolien mit Zirkulations- stSrungen hervorrnfen. Dadurch werden fiir die Ausbreitung des Krebses gfinstigere Bedingungen, ein locus minoris resistentiae, geschaffen.

I m allgemeinen ist die Geschwulst~ffinit~t der Lunge, wenn wir uns dieses Ausdruckes bedienen wollen, gering. Mikroskopische Be- funde zeigen, dal~ trotz H~ftens zahlreicher Geschwulstpartike] in der Form capill~rer infektiSser Embolien diese keine besondere Neigung zur fortschreitenden Wucherung haben, sondern eher das Gegenteil erkennen l~ssen. Kleinste t terde kSnnen sogar rfickgebildet werden, ein Vorgang, bei dem die leukocyt~re Infi l tration eine erhebliche Rolle spielt.

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