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13. März 2011ISSN 1436-607X

Wie durch RegionalisierungNeues entsteht

Hoffnung lernenn Warum der Tropfen auf den

heißen Stein wichtig ist. Seite 9

Nachdenken lohntn Was Orangensaft mit

Kinderarbeit zu tun hat. Seite 11

Einfach helfenn Wie ein Springseil das Leben von

Berliner Kindern verändert. Seite 16

Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche 6/2011Magazin der Evangelisch-methodistischen Kirche

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::: Editorial2

kurz gesagt

So ERREicHEN SiE uNS:Redaktion »unterwegs« Telefon 069 242521-150 E-Mail: [email protected]: 0711 83000-0 TI

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FüR KiNdER uNd JugENdlicHE iN St. PEtERSbuRg (Russ-land) wird es auch weiter-hin eine Anlaufstelle in der EmK geben. Das teilte Bi-schof Hans Växby, Moskau, Ende Februar mit. Zuvor war bekannt geworden, dass die Behörden das »Spring Center« geschlos-sen und die örtliche Pasto-rin der EmK als Direktorin abgesetzt hatten. In diesem Zentrum wird durch die Kommune und eine Ge-meinde der EmK eine wert-volle Arbeit mit benachtei-ligten jungen Menschen eines Stadtteils geleistet, allerdings unter neuer Leitung.

tHomaS güNzEl auS lEiPzig wird neuer Direktor des

Evangelischen Allianzhauses in Bad Blan-kenburg. Der 50-jährige Theologe wird Nachfolger von

Reinhard Holmer, der Chef des Evangelischen Diako-nissen-Mutterhauses Elbin-gerode wird. Günzel war Fahrdienstleiter bei der Deutschen Reichsbahn und studierte Theologie. Seit 1998 ist er als Theologe und Lehrer für Religion und Ethik im Berufsbildungs-werk Leipzig angestellt. 1999 wurde er zum Pfarrer im Ehrenamt ordiniert.

EuRoPa muSS alS PoSitivES bEiSPiEl bei der Religions-freiheit vorangehen und damit auch den Bau von Moscheen erlauben. Das hat der Vorsitzende der Unions-Bundestagsfraktion, Volker Kauder, beim Män-

nertag auf der Langenstein-bacher Höhe erklärt. Er riet dazu, sich zuerst um die eigene Kirche zu kümmern. »Schimpft nicht auf die Muslime, die freitags in die Moschee gehen, sondern sorgt dafür, dass wieder mehr Leute am Sonntag in die Kirche gehen!«

diE mEHRHEit dER dEutScHEN wird eingeäschert. Das hat die Verbraucherinitiative »Aeternitas« nach einer Untersuchung von rund 660 Kommunen erklärt. Dem-nach waren von 340.000 Bestattungen in den Jahren 2008 bis 2011 rund 55 Prozent Feuerbestattungen. Markant sei das große Ost-West- Gefälle, heißt es weiter. Man schätze den Anteil in Ostdeutschland auf mehr als 80 Prozent. Kirchliche Friedhofsträger flossen nicht in die Untersu-chung ein.

FüHRENdE KiRcHENvERtREtER iN dEN uSa haben die von republikanischen Politikern angestrebten Kürzungen im sozialen Bereich verurteilt. Die Hilfen für arme Men-schen seien nicht für das Haushaltsdefizit verant-wortlich. Die Republikaner wollen Kürzungen von 2,3 Milliarden Dollar bei der Wohnungsbeihilfe, von 1,75 Milliarden Dollar beim Job-Training und von 390 Mil-lionen Dollar beim Heiz-geldprogramm. Für das Haushaltsdefizit seien we-sentlich »maßlose Erhöhun-gen des Militäretats« sowie »riesige« Steuererleichterun-gen verantwortlich, erklärten die Kirchenvertreter. epd/idea

Frühmorgens haben sie die Frau vor den Tempel gezerrt. Beim Ehe-bruch ertappt! Für die obersten Religionshüter ist klar: Sie muss sterben! Zuerst wollen sie aber wis-sen, was dieser seltsame Prediger dazu sagt, der sich seit einiger Zeit hier herumtreibt. Vielleicht können sie ihn ja kriegen – wer will sich schon auf die Seite einer Verbreche-rin schlagen?Doch Jesus lässt sich nicht provo-zieren. »Wer unter euch ohne Sün-de ist, der werfe den ersten Stein auf sie«, lautet seine Antwort (Jo-hannes 8,7). Die Ankläger trollen sich. Jesus bleibt mit der Frau allein zurück. Er verdammt sie nicht. »Sündige hinfort nicht mehr«, mit diesem Satz schickt er sie fort. Diese Geschichte wurde in den ver-gangenen Wochen oft zitiert (siehe Seite 15), als es um Karl-Theodor zu Guttenberg ging. Gerade Chris-ten sollten nicht richten, sondern dem Mann, der sich seine Reputati-on so gründlich verspielt hat, eine zweite Chance geben – wie Jesus es mit der Ehebrecherin tat. Wir wissen nicht, was Jesus getan hätte. Auch kann keiner von uns in das Herz des Ex-Verteidigungsmi-nisters schauen. Deshalb war es gut, dass sich Kirchenvertreter in der Plagiatsaffäre sehr zurückge-halten haben. Doch auch zu Gut-tenbergs Rücktritt war ein gutes Zeichen: Ein öffentliches Amt ver-trägt sich nicht mit unzureichend aufgeklärten Verdächtigungen. Die zweite Chance bleibt.Ihr Volker Kiemle Redaktionsleiter

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Die Regionalisierung wurde im Essener Distrikt in drei Großbezirken umgesetzt: Rheinland, Ruhrgebiet Ost und Bergisches Land. Der Mit-

telpunkt des Bezirkes Rheinland ist die Gemeinde in Köln, zugleich auch die größte Gemeinde in dem Be-zirk. Dazu gehören noch eine Gemeinde in Bonn und zwei in Düsseldorf. Die Ausdehnung ist erheblich. »Die aktiven Mitglieder der Gemeinden wohnen bis zu 140 Kilometer voneinander entfernt«, erklärt Pastor Van Jollie. Zurzeit ist eine von zwei Pastorenstellen vakant. Die Versorgung der Gemeinden ist möglich durch das Engagement der neun Laienprediger und Laienpredi-gerinnen und vier Predigthelfer und Predigthelferinnen. Fast alle sind auch bereit, in den weiter entfernten Ge-meinden Gottesdienste zu halten. Die Regionalisierung sei »finanziell notwendig«, hebt Van Jollie hervor. So sei es möglich, auch »die kleineren Gemeinden zu be-treuen und hoffentlich weiterzuentwickeln«.

gabenorientiert arbeitenSeit 2004 arbeiten die Gemeinden Bochum, Gelsenkir-chen und Recklinghausen/Marl intensiver zusammen. Die Keimzelle war die Regionalgruppe, in der die Hauptamtlichen sich trafen, um theologisch miteinan-der zu arbeiten und zu planen. Regelmäßig wurden auch Vertreter der Gemeinden einbezogen. Die Pasto-ren Rainer Mittwollen und Marco Alferink erhielten eine gemeinsame Dienstzuweisung in alle Gemeinden. Unverzichtbar war aber, dass die Gemeinden einen konkreten Ansprechpartner in »ihrem Pastor« behal-ten. »Menschen identifizieren sich mit der örtlichen Gemeinde, weniger mit dem Bezirk«, betont Marco Alferink. Mit der Zeit bekommen die Mitarbeiter in den Bezirksgremien auch die anderen Gemeinden in den Blick.

Im Jahr 2007 wurden die Bezirke Bochum, Gelsen-kirchen und Recklinghausen/Marl mit Dortmund und Hamm zum Großbezirk Ruhrgebiet Ost vereinigt. »Im Bezirk werden die Verwaltungsaufgaben mit dem Ziel zusammengefasst, die eigentliche Gemeindeebene zu stärken«, erläutert der leitende Pastor Rainer Mitt-

wollen das Kon-zept. Die Stärke der Zusammenarbeit ist die gabenorientierte Arbeitstei-lung. »Wir haben gerade mit gutem Er-folg ein Jugendwochenende im Bezirk durch-geführt«, erklärt Rainer Mittwollen. Die Zusammen-arbeit im Bezirk mache es leichter, mit zweieinhalb Stellen fünf Gemeinden zu versorgen – auch wenn man für manche Wege eine gute Stunde benötigt.

missionarische PerspektiveIm Bezirk Bergisches Land arbeiten die Gemeinden Wuppertal-Elberfeld, Solingen, Velbert sowie die Ge-meinde der Schwesternschaft Bethesda zusammen. Al-le Gemeinden sind in einer halben Stunde mit dem Auto erreichbar. Die benachbarte Gemeinde in Wup-pertal-Barmen schloss sich der Regionalgruppe auf ei-genen Wunsch nicht an. Der leitende Pastor Thorsten Kelm will mit den anderen Gemeinden des Bezirkes Bergisches Land gemeinsam ein missionarisches Pro-jekt angehen. »Die Ausrichtung der Jährlichen Konfe-renz in Wuppertal im letzten Jahr hat die Gemeinden zusammengebracht«, sagt Thorsten Kelm. Gemeinde-mitglieder aus Velbert hatten in Wuppertal einen Stand auf dem Stadtfest »Barmen live« organisiert. Hier ging es um mehr als die eigene Gemeinde, nämlich um die gemeinsame Aufgabe, Christus zu bezeugen.

Michael Putzke

von der Grenze zum Horizont ist der Weg nicht weitMit dem Konzept der »regionalisierung« lassen sich auch klein gewordene Gemeinden versorgen. Sie fördert die gabenorientierte Zusammenarbeit und hat missionarisches Potenzial – wenn die Gemeinden lernen, über die eigenen Grenzen hinauszudenken. die Grenzen des Konzepts liegen in den Entfernungen. das zeigen drei Beispiele aus dem Essener distrikt.

bezirk Rheinlandn vier Gemeinden mit 236 Mitgliedern und 268 angehörigennZwei Pastorenstellen, eine ist zurzeit unbesetztbezirk Ruhrgebiet ostn fünf Gemeinden mit 330 Mitgliedern und 208 angehörigenn Zweieinhalb Pastorenstellenbezirk bergisches landn vier Gemeinden mit 396 Mitgliedern und 208 angehörigen,

einschließlich die Schwesternschaft Bethesdan drei Pastorenstellen

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Was verbinden Sie spontan mit dem Wort »Regionalisierung«? HolgER mittElStÄdt: Vor allem die Hoffnung auf Sy-nergieeffekte – die dann aber nur bedingt eingetreten sind. gabRiEl StRaKa: Als ich zum ersten Mal davon hörte, dachte ich: Das ist der Versuch der Kirche, auf verän-derte Rahmenbedingungen zu reagieren. Und dass das mit Chancen und Vorteilen, aber auch mit Nachteilen verbunden ist.

Was stand zu Beginn der Regionalisierung in Berlin?gabRiEl StRaKa: Es gab vor zehn Jahren 18 Gemein-den, von denen jede einen eigenen Gemeindebezirk bildete und – von einigen Ausnahmen abgesehen – ei-nen Pastor hatte. Die Gemeinden wurden kleiner, und irgendwann ging es nicht mehr, dass jede Gemeinde einen Pas-tor hatte. Größere Lösungen waren nötig.

Am Anfang stand also die Not?HolgER mittElStÄdt: Nicht unbedingt. Natürlich stellte sich für uns die Frage, wie wir mit den kleiner werden-den Gemeinden umgehen sollen. Aber es geht bei der Regionalisierung auch darum, so zu arbeiten, dass für alle Seiten etwas Positives herauskommt – also mehr zu haben als die Summe des Einzelnen.gabRiEl StRaKa: Ich vermute, es wäre niemand auf den Gedanken gekommen, größere Bezirke zu bilden, wenn alle Gemeinden gewachsen wären.

Wie ist der Weg der Regionalisierung gewesen?gabRiEl StRaKa: Gedanklich vorbereitet wurde die-ser Prozess über viele Jahre in intensiven Gesprächen. Dabei waren viele verschiedene Gemeinden einbezo-gen. Am Ende waren es dann fünf Bezirke mit sechs Gemeinden, die diesen Weg gegangen sind. Es war im-mer ein Ausloten, und auch die Beweggründe der ein-zelnen Gemeinden waren unterschiedlich. Hinzu kam ein gewisser Druck des Kabinetts, das für Personalent-scheidungen in der EmK zuständig ist, beziehungswei-se des Superintendenten.

Wie kam die Idee der Regionalisierung in den Gemeinden an?HolgER mittElStÄdt: Sehr unterschiedlich! Auch des-halb haben von den acht Gemeinden, die zu Beginn

der Gespräche dabei waren, letztlich nur fünf mitgemacht. Es gab Gemeinden, die klar ge-sagt haben, dass sie in der jetzi-gen Lage nicht dazugehören wollen. Am Anfang gab es aber schon die Hoffnung, mehr Ge-meinden an einen Tisch zu be-kommen.

gabRiEl StRaKa: Um es gleich zu sagen: Euphorie war nicht im Spiel. Es gab Gemeinden, die hatten den Verdacht, bei diesem Prozess zu verlieren – zu Unrecht, wie ich meine!

Was haben die Gemeinden durch die Regionalisierung gewonnen?HolgER mittElStÄdt: Zum einen gibt es natürlich Sy-nergieeffekte. Vor allem aber stimmen sich die Pasto-ren des gemeinsamen Bezirks viel stärker miteinander ab, und das stärkt die einzelnen Pastoren. Das würde es nicht geben, wenn jeder Pastor quasi als Einzel-kämpfer in seiner Gemeinde stünde. Das ist ein Ge-winn für die einzelnen Gemeinden – auch wenn das vielleicht auf den ersten Blick nicht so deutlich aus-sieht.

dreh- und angelpunkt bleibt die Gemeindedie Berliner EmK hat Erfahrung mit der so genannten »regionalisierung«: Weil die Gemeinden kleiner geworden sind, haben sich Bezirke zusammengeschlossen. Pastorinnen und Pastoren sind nun für fünf Gemeinden zuständig. Über die Erfahrungen hat volker Kiemle mit dem leitenden Pastor des Bezirks Berlin-Stadt, Gabriel Straka, und mit dem Laiendelegierten Holger Mittelstädt gesprochen.

nIn Berlin bilden die Gemeinden Kreuzberg, Mitte, Marzahn, Zepernick sowie die englischsprachige Gemeinde den Bezirk Berlin-Stadt. nLeitender Pastor ist Gabriel Straka. Zum Pastorenteam gehören zudem Caroly Kappauf, Thomas Steinbacher, romesh Modayil und Lars Weinknecht.

www.emk-berlin.de

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»Je stärker die einzelnen Gemeinden sind, desto stärker ist der Bezirk.«Pastor Gabriel Straka

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gabRiEl StRaKa: Es sind jetzt ganz andere Dinge möglich. Ein aktuelles Beispiel ist das Projekt »Kinder in die Mitte«, dessen Trägerschaft wir als Bezirk jetzt übernehmen werden. Die Gemeinde Berlin-Mitte, wo das Projekt bisher in der Trägerschaft der Bethesda-Schwesternschaft beheimatet ist, hätte das alleine nicht geschafft. Als Bezirk haben wir eben doch etwas brei-tere Schultern als eine kleine Gemeinde.

Welche Synergieeffekte hätten Sie sich noch gewünscht?HolgER mittElStÄdt: Die Hoffnung, dass es überge-meindliche Schwerpunkte in den Gemeinden gibt, hat sich nicht so erfüllt. So scheitert etwa ein gemeinde-übergreifender Jugendkreis nach meiner Beobachtung an der räumlichen Entfernung. Problematisch finde ich es auch, dass drei Pastoren noch Dienstzuweisungen außerhalb des Bezirks haben.

Sie haben einen »Druck des Kabinetts« erwähnt …gabRiEl StRaKa: Druck ist nicht das richtige Wort. Das Ka-binett kann ja Regionalisierung auch über Dienstzuweisungen erzwingen. Aber in Berlin hat man die Gemeinden aufgefor-dert, eine Lösung zu finden. So konnte die Regionalisierung von unten wachsen. Natürlich stand immer die Möglichkeit im Raum, dass das Kabinett eingreift und per Dienstzuweisung Strukturen auf den Weg bringt, die einer Regionalisierung im Ergebnis gleichkommen. Das wäre aber von oben draufgesetzt worden.

Was würden Sie heute anders machen auf dem Weg zu einem großen Bezirk?gabRiEl StRaKa: Ich würde von vornherein darauf bestehen, dass Pastorinnen und Pastoren keine Dienst-zuweisungen außerhalb des Bezirkes haben. Das wäre

für mich sogar eine Grundvoraussetzung für eine ge-lungene Regionalisierung. HolgER mittElStÄdt: Aus Gemeindesicht würde ich noch stärker darauf achten, dass Gremien auch über-gemeindlich mehr zusammenarbeiten. Und dass es et-wa nur noch eine Bezirkskasse und nur einen Finanz-ausschuss gibt. Aber mit den jetzigen Strukturen ar-beiten wir ganz gut.

Wie ist das derzeit?gabRiEl StRaKa: Die Gemeinden sind finanziell auto-nom, wir überwachen und steuern die Haushalte aber gemeinsam. HolgER mittElStÄdt: Das ist auch wichtig, weil es die Identifikation der Mitglieder mit ihrer Gemeinde stärkt. Es gibt keinen Bezirk irgendwo, der finanzielle Probleme der Gemeinde löst. Deshalb ist es auch wich-tig, dass das bestehen bleibt.

Die Gemeinde ist also Dreh- und Angelpunkt?gabRiEl StRaKa: Ja, und das ganz bewusst. Uns geht es ja nicht nur um die Menschen, die schon zur Gemeinde gehören, sondern auch um die, die hin-zukommen. Die wollen einer Gemeinde angehören, nicht ei-

nem Bezirk. Der Bezirk ist eine Verwaltungseinheit. HolgER mittElStÄdt: Nur so können Gemeinden ganz unterschiedlicher Prägung unter einem Dach zu-sammenarbeiten.

Wird die Regionalisierung zurückgedreht, wenn die Mitgliederzahlen steigen?gabRiEl StRaKa: Nein, das glaube ich nicht. Je stärker die einzelnen Gemeinden sind, desto stärker ist der Bezirk. Und dann wachsen auch die angesprochenen Synergieeffekte.

»Regionalisierung ist ein Gewinn für alle Gemeinden.«Holger Mittelstädt

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Karlsruhe, die »Stadt des Rechts« im Südwesten Deutschlands, hat seit 150 Jahren methodisti-sche Gemeinden. In dieser langen Zeit gab es

Gründungen und Schließungen von Gemeinden, neue Bezirkszuordnungen und Vereinigungen. Durch den Re-gionalisierungsprozess in der Süddeutschen Jährlichen Konferenz kamen im Jahr 2005 die Bezirke Karlsruhe-Durlach, Karlsruhe-Erlöserkirche, Karlsruhe-Grötzin-gen sowie der Bezirk Baden-Baden/Loffenau in einen Verbund. Im Sommer 2009 vereinigten sich die drei Karlsruher Bezirke zu einem Bezirk Karlsruhe.

Wie kam es in so kurzer Zeit zu diesem Schritt? Wie lebt es sich jetzt in einem Bezirk mit sieben Gemein-den, vier Pastoren, einer Lokalpastorin und rund 800 Menschen, die mit den Gemeinden verbunden sind?

Die Bildung eines gemeinsamen Bezirks in Karlsru-he hat vor allem zwei Gründe: Bei den Pastoren wuchs der Wunsch nach einer intensiven Zusammenarbeit in einem Team. Die Bezirke wollten ein gemeinsames Projekt (die »Jugendkirche«) umsetzen. Beide Fakto-ren schienen in der Struktur eines gemeinsamen Be-zirks einfacher umsetzbar zu sein als mit drei unab-hängigen Bezirken.

die große chance der größeren EinheitNatürlich gab es auch Vorbehalte. Die Gemeinden ha-ben unterschiedliche Prägungen. Die lokalen Rivalitä-ten zwischen den Karlsruher Ortsteilen finden sich auch in der EmK. Man hat jahrzehntelang gut neben-einander und ohne große Berührungspunkte leben können. Aber schnell zeigte sich, dass ein gemeinsamer Bezirk auch Chancen bietet. Die Jugendkirche lässt sich in einem größeren Rahmen besser mit der kirchli-chen Arbeit vernetzen. Wir stehen vor gemeinsamen Herausforderungen: Wie kann in Zukunft ein mögli-cherweise kleinerer Kreis von Hauptamtlichen die Ar-beit in den Gemeinden fördern? Wie können die örtli-chen Schwerpunkte richtig gesetzt werden? Wie lässt sich die Vielfalt an Mitarbeitenden und Gemeinden fruchtbar einsetzen? Ein gemeinsamer Bezirk kann mit seinen Gremien als »Verwaltungs- und Verantwor-tungseinheit« diese Aufgaben anpacken.

Durch intensive Beratungen in einem fünfzehn-köpfigen Lenkungsausschuss wurde die Bildung ei-nes gemeinsamen Bezirks vorbereitet. Alle drei Be-zirkskonferenzen stimmten am Ende einstimmig (!) dem »Vereinigungsvertrag« zu. Diese einmütige Ent-scheidung kam sicherlich auch dadurch zustande, dass heikle Punkte wie Gemeindevereinigungen oder Gebäudeverkäufe kein Thema waren. Für die Orts-gemeinden änderte sich zunächst nichts. Die Regio-nalisierung soll die Ortsgemeinden in ihrer Mission stärken.

Sehr positiv erleben wir die Zusammenarbeit im Pastoren-Team. Die Teamfähigkeit der Hauptamtli-chen wird gefördert – ein wichtiger Nebeneffekt der Regionalisierung. Wir sind auf dem Weg, die einzel-nen Gemeinden in ihrer Schwerpunktsetzung und Profilierung zu fördern. Das fällt im größeren Ver-bund leichter. Wir hoffen, dass die gemeinsame Ver-antwortlichkeit wächst und so auch schwierige Ent-scheidungen, die Einschnitte bringen werden, besser zu tragen sind.

Dass auch der 45 Kilometer entfernte Bezirk Baden-Baden/Loffenau zum Verbund gehört, ist leider bisher nicht in den Blick gerückt. Wenn ein großer Teil im Verbund sich intensiv verbindet, bleibt der Rest leicht auf der Strecke. Die nächste Herausforderung in der Region steht also schon vor der Tür.

Leichter im großen verbundIn Karlsruhe war es vor allem das Projekt »Jugendkirche«, das die sieben Gemeinden einander näher brachte. der Zusammenschluss zu einem großen Bezirk ging dann relativ einfach über die Bühne, wie Pastor Gottfried Liese berichtet.

GOTTfrIEd LIESE ist leitender Pastor des Bezirks Karlsruhe.

die Jugend-kirche ist ein Projekt des vereinigten Bezirks Karls-ruhe.

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Was bedeutet es für ein Kind, wenn es erlebt, dass seine Eltern sich streiten? »Für ein Kind kann es sogar wichtig sein, etwas vom Strei-

ten der Eltern mitzuerleben«, sagte ein Studiogast in einer Radiosendung zum Thema. Als einer, der seine Eltern kaum hat streiten sehen, habe ich aufgehorcht und war gespannt auf die Begründung: Gerade so kön-ne das Kind die Erfahrung machen, dass ein Streit auch wieder beigelegt wird. Wenn das allerdings nicht ge-schieht, dann kann der Streit der Eltern leicht zu großen Verunsicherungen führen. Nicht selten fühlt sich ein Kind für den Streit der Eltern sogar persönlich verant-wortlich. Diffuse Schuldgefühle bleiben zurück, die manchmal ein Kind bei seiner weiteren Entwicklung belasten können. Denn grundsätzlich sehnen sich alle Menschen nach einem Leben in Frieden und Harmonie.

vertrauen gewinnenNicht von ungefähr üben sich zurzeit fast alle politi-schen Parteien hierzulande in Einmütigkeit. Denn wie immer ihr Programm aussieht, eines führt garantiert zu Stimmenverlust: Wenn Angehörige einer Partei sich gegenseitig »zur Schnecke machen« oder sich abfällig über einen Koalitionspartner äußern.

Nicht anders ist auch für Jesus klar: Nur wenn seine Jünger eins sind, können auch andere durch sie Ver-trauen gewinnen, dass Jesus wahrhaftig vom himmli-schen Vater in die Welt gesandt wurde und Gottes Liebe uns in ihm persönlich begegnet. Deshalb betet Jesus inständig für die Einheit seiner Jünger. Umso wichtiger ist damit die Frage: Was meint Jesus eigent-lich mit dieser Einheit? Meint er, dass wir Christen nach außen so wirken sollten, als wären wir alle Freunde? Millionen von Menschen könnte ich dann zu meinen Freunden rechnen. Sehr wahrhaftig würde mir das aber nicht erscheinen. Auch bei Jesus höre ich nicht, dass wir uns einen solchen Krampf antun sollen. Oder meint Jesus, wir sollten in allem einer Meinung sein? Müssen wir eine ähnliche Lebensführung prakti-

zieren? Sollen wir uns in politischen Fragen einig sein? Meint diese Einheit, wir sollen unsere Kinder in der gleichen Weise erziehen? Müssen wir vielleicht sogar ein einheitliches Äußeres pflegen?

verwurzelt in JesusWer genau auf Jesu Worte hört, kann feststellen: All das ist von Jesus nicht gemeint. Jesus spricht gar nicht von einem einheitlichen Auftreten, sondern von einer einheitlichen Verwurzelung. »Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein«, so betet Jesus für seine Jünger. Die Liebe, die Vater und Sohn miteinander verbindet, diese Liebe soll auch die Ein-heit der Jünger und Jüngerinnen Jesu ausmachen.

Das heißt nicht, dass unter Christen und Christin-nen immer nur »Friede, Freude, Eierkuchen« herr-schen muss; dass strittige Themen und Verletzungen nicht angesprochen werden dürfen. Aber gewiss heißt es wohl, dass wir, wenn wir miteinander streiten, es im Geist der Liebe tun; dass wir versuchen, den anderen zu verstehen, ohne ihn zu verurteilen. Und dass wir darum beten, erfüllt von der Barmherzigkeit Jesu ver-geben zu können, wo uns Unrecht geschehen ist, und um Vergebung zu bitten, wo wir Unrecht getan haben.

Wenn solches geschieht, dann mache ich mir keine Sorgen, wenn Christen sich streiten. Dann spüre ich die Verwurzelung in der liebenden Gemeinschaft zwi-schen Jesus Christus und unserem himmlischen Vater. Dann erlebe ich Beziehung, die wirklich trägt und mit Freude erfüllt. Dann erlebe ich auch beim gemeinsa-men Ringen Gottes Frieden, den Jesus Christus uns schenkt und den ich jedem von Herzen wünsche!

Einheit in Jesus trägt – auch im Streit

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MarCO aLfErINKist Pastor im Bezirk ruhrgebiet Ost und

wohnt mit seiner familie in recklinghausen.

»Wie du, Vater, in mir bist und ich in dir, so sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaube, dass du mich gesandt hast.« Johannes 17,21

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leserbriefe

Ihre Leserbriefe erreichen uns am schnellsten per E-Mail:[email protected] Leserbriefe geben nicht in jedem fall die Meinung der redaktion wieder. Wir behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen. Ein anspruch auf veröffentli-chung von Leserbriefen besteht nicht.

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Hoffnung gilt nichts mehrZu »Warum die Ewigkeit frei macht« (24/2010 )Wie richtig geschrieben: Es gehört zum Menschsein die Sehnsucht

nach dem Ewigen. Die Vorstellung von der Ewigkeit hat sich im Lau-fe der Zeit grundlegend verändert und damit auch die

Vorstellungen, wie ein irdisches Leben aussehen kann. Eine total zutreffende Analyse, eine gute Di-agnose. In dieser Diagnose liegt sehr viel Zündstoff, welcher leider vom Satan gut verwässert wurde und somit selten diskutiert wird. Wie ist es sonst erklärlich, dass ge-gen diesen Zeitgeist nichts gesagt oder geschrieben wird? Es wird nur sehr gut festgestellt, wie auch Vol-ker Kiemle richtig schreibt: Die Lebenseinstellung der Menschen, auch vieler Christen, hat sich radi-kal geändert. Unser irdisches Leben wird nicht mehr bestimmt durch die Hoffnung auf das Leben nach dem Tod. Damit werden auch die zahlreichen Aussagen der Bibel, be-sonders die unseres Herrn Jesus Christus, nicht mehr erwähnt. Das Ergebnis sind leere Kirchen und schrumpfende Gemeinden.

Joachim Prusok, Barsbüttel bei Hamburg

Kein realistisches bildZu »Wie du mir, so schenk ich dir ...« (26/2010)Die Verallgemeinerungen »Schon die alten Griechen« und »Und bei den alten Römern« geben keine realistische Wiedergabe von den antiken griechischen und römi-

schen Verhältnissen. Es bedarf ei-ner genaueren Betrachtung. Das Schenkverhältnis der Griechen wird beispielsweise in Platons »Eutyph-

ron (Von der Frömmig-keit)« erfüllt: »Wie du mir, so schenk ich dir ...«. Hin-sichtlich der Schenkfreu-digkeit der römischen Kaiser ist zu

beachten, dass Kaiser nicht gleich Kaiser war. Drei Gruppen Kaiser gab es im antiken Rom: Kaiser im Prinzipat, Kaiser im Dominat (der Kaiser als unumschränkter Herr-scher) und die Soldatenkaiser (die Kaiser aus Heeresmacht und -wahl). Im Prinzipat galt, als Für-sorgepolitik, die Regel: »Brot und Spiele«. Die Soldatenkaiser fühlten sich im Wesentlichen dem Heer verpflichtet. Die Kaiser des Domi-nats übten die Politik der Gunster-weisung und spielten Parteien ge-geneinander aus. Sonderbarerweise kommt von Traianus, einem Kaiser des Prinzipats, der Ausspruch: »Das römische Volk kann in der Hauptsache nur durch zwei Dinge in Zaum gehalten werden: dass man ihm genügend zu essen gibt und ihm spektakuläre Schauspiele bietet.« In der Apostelgeschichte heißt es von Jesus: »Geben ist seli-ger als Nehmen« (20,35). Ein nai-ves Schenken ist selten geworden.

Werner Ribock, Hamburg

vielen dank!Zu »Nicht perfekt und trotzdem auf einem guten Weg« (3/2011)

Vielen Dank an die Redak-tion und an die Autorin Petra Plaum für diesen Ar-tikel. Er spricht mir aus der Seele, weil darin

der manchmal recht schwierige All-tag im Umgang mit Teenagern sehr realitätsnah dargestellt wird. Sol-che Erfahrungen tun gut.

Sabine Mozer, Wüstenrot-Neuhütten

Erschreckend!Zu »kurz gesagt« (4/2011)Die Unterstützung homosexueller Menschen kann nur darin beste-hen, ihnen seelsorgerlich zu helfen, die falsche Lebensauffassung zu

überwinden und aufzuge-ben. Es ist er-schreckend, von »spärli-chen« Aussa-gen der Bibel lesen zu müs-sen, wo doch das Alte und das Neue Tes-

tament genügend Aussagen ma-chen, wie Homosexualität zu beur-teilen ist. Die Steigerung, bestehend darin, Homosexualität als Pfarrer zu praktizieren und sie aufgrund von »Gerechtigkeitswidrigkeiten« zu befürworten, ist schlicht uner-träglich. Friedrich Hauser,

Villingen-Schwenningen

Kann gott »funktionieren«?Zu »Hier erleben Menschen Befreiung« (4/2011)Wir schaffen es – 36 Menschen haben sich in der Gemeinde Berlin-Lankwitz an einem Sonntag als Glied aufnehmen lassen. Für mich sind das 36 Wunder, die Gott ge-wirkt (»geschaffen«) hat. Denn ER ist jedem dieser Menschen in ein-

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zigartiger Weise begegnet und hat sie zu diesem Glau-bensschritt geführt. Dabei hat er sicherlich viele Mitar-beiter der Gemeinde als Werkzeuge benutzt. So hätte ich es bisher ausgedrückt. Das Interview aber beginnt mit der Frage: »36 neue Mit-glieder an einem Sonntag – wie schafft man das?« Der Pastor liefert das Rezept, das, so heißt es am Schluss, ganz »klar« auch in anderen Gemeinden »funktioniert«. Fazit: Wir können so viele Gliederaufnahmen also wirklich »schaffen«. Denn Gott »funktioniert«, wenn wir wirklich wollen, viel be-ten und es richtig machen. Pastor Knut Neumann, Hof

bitte weniger Fremdwörter!Zu »Auf dem Weg zu einer gerechten Welt« (4/2011)Es ist bestimmt nicht jedem Leser möglich, in Artikel ein-gestreute Fremdwörter ohne Zuhilfenahme von Lexika zu verstehen. Dazu gehört das

wiederholt verwendete Wort »Konvokation«. Das laut Lexikon verwendbare Wort »Einberufung« wäre im vor-liegenden Fall mit Sicherheit besser verständlich. Auch diejenigen Autoren, die auf Grund ihrer Bildung durch das Erlernen der lateinischen Sprache unbekümmert ent-sprechende Formulierungen verwenden, dürften sich un-ter anderem auf den Bil-dungsstand der Allgemein-heit unter dem Kirchenvolk zu verständigen versuchen. Ansonsten ist das Thema der Kriegführung und der Schaf-fung von Frieden mit gewalt-losen Mitteln sehr auf-schlussreich dargestellt. Für mich war es erstaunlich, dass der ehemalige Verteidigungs-minister Peter Struck grund-sätzlich falsch zitiert wird: »Unsere Sicherheit ...«, an-statt bedauerlicherweise meist zu lesen: »Deutsch-lands Freiheit wird am Hin-dukusch ...« Ernst August

Schaub, Grebenstein

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An: [email protected]

Von: [email protected]

Betreff: E-Mail von Fachgruppe GFS

Trinkgewohnheiten

Gerechtigkeit, Frieden, Bewahrung der Schöpfung: Große Worte! Wo fängt man an? Und wenn schon: nur ein Tropfen auf den heißen Stein! Apropos Tropfen: Da bin ich bei meinem Thema. Es geht um Trinkgewohnheiten. Nein, nicht der Alkohol, sondern der O-Saft! Vor kurzem tauchte in einem der GFS-Ausschüsse die Frage auf: Wie wär’s mit einem Artikel für die Gemeindebriefe mit dem Thema Orangensaft? Wer schreibt ihn? Nun, zu zweit sagten wir zu. Ich wusste allerdings nicht, worauf ich mich einließ.

Die Tatsache: Deutschland ist Spitzenreiter beim Orangensaft mit einem Pro-Kopf-Verbrauch von 10 Litern. Normalverbraucher – so wie ich – kaufen ihn im Getränkemarkt ein und richten sich nach Preis und Geschmack, ohne sich über die Herkunft Gedanken zu machen. Doch bei der Beschäftigung mit den Herstellungsbedingungen von Orangensaft ging mir ein Licht auf!

Der größte Teil des bei uns konsumierten Orangensafts wird mit Hilfe von Kinderarbeit produziert: Kinder schleppen die Früchte in schweren Säcken, ziehen sich dabei orthopädische Schäden zu, vergiften sich durch den ständigen Kontakt mit Pestiziden. Kinderarbeit ist Ausbeutung und hindert am Schulbesuch. Kinderarbeit ist Gift für die Entwicklung eines Landes. Will ich dieses System stützen?

Die Alternative: Der zum Beispiel im Weltladen angebotene Saft aus Mexiko sichert die Existenz von Maya-Bauern, die für ihr Orangensaft-Konzentrat einen Preis erhalten, der etwa 20 Prozent über dem Weltmarktpreis liegt. Mit dem Mehrpreis werden Gemeinschaftsaufgaben in den Siedlungen der Kleinbauern und der ökologische Landbau gefördert, also auch der Schulbesuch von Kindern ermöglicht!

Nachdem der Artikel fertig war, stand mein Entschluss fest: Für mich kommt nur noch der O-Saft mit Fair-Trade Siegel in Frage. Vielleicht können Sie, liebe Leserschaft von Unterwegs, einmal Ihre Trinkgewohnheiten überdenken? Der Kauf von Produkten aus fairem Handel ist ein Schritt hin zu mehr Gerechtigkeit. Mehr darüber finden Sie unter www.emk-gfs.de (> Gemeindebrieftexte).

nBernd-dieter fischer ist vorsitzender der fachgruppe für Gerechtigkeit, frieden und Bewahrung der Schöpfung (GfS) der EmK

nIn dieser rubrik werden künftig die vertreterinnen und vertreter von EmK-Werken über aktuelles und Bemerkenswertes aus ihren arbeitsgebieten schreiben.

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dern wird derzeit in zwei Sonntags-schulen und einer kleinen Jungschar geleistet sowie in jährlichen Kinder-wochen oder -musicals. Der Teenie- und Jugendkreis findet gemeinde-übergreifend mit etwa 20 Jugendli-chen statt. Der Bezirk veranstaltet alle zwei Jahre den Sponsorenlauf »Lauf für eine Welt« bei dem in der Regel zwischen 25.000 und 30.000 Euro für Projekte der Weltmission erlaufen werden. In Oberkollbach gibt es seit 2005 den Gästegottes-dienst »Lichtblicke«, der von einem Team gestaltet wird. 2009 hat die Gemeinde Stammheim das kirchli-che Umweltzertifikat »Grüner Go-ckel« sowie das europäische EMAS-Zertifikat erhalten.

deshalb machen wir das alles2009 hat der Bezirksvorstand für die Gemeinde Stammheim das Bild eines Baumes entwickelt. Darin bilden die Wurzeln die Glaubens-

Mehr als 260 Bezirke gibt es in der Evangelisch- methodistischen Kirche in deutschland. alle haben ihre eigene Prägung. um diese vielfalt zu zeigen, stellen sich in »unterwegs« regelmäßig EmK-Bezirke vor. In dieser ausgabe geht es nach Calw.

grundlagen aus der Bibel, den gro-ßen christlichen und methodisti-schen Bekenntnissen sowie der (methodistischen) Tradition und Connexio. Der Stamm soll unsere Lebenskultur aus Vielfalt und Le-bendigkeit und einer gut gemisch-ten Altersstruktur ausdrücken. Die Äste sollen ein Bild für unsere Schwerpunkte sein. Die Zweige sind Aktivitäten, die mit diesen Schwerpunkten verbunden sind.

das haben wir noch vor2009 hat die bezirksweite 40-Tage-Aktion »Expedition zum Ich« gute geistliche Spuren hinterlassen. Im März und April 2011 wollen wir uns in einer zweiten 40-Tage-Akti-on mit dem Buch »Fruchtbare Ge-meinden« von Robert C. Schnase beschäftigen. Seit Herbst 2010 gibt es eine parallel entstandene Grup-pe von rund 20 Personen, die sich »Gemeinde missionarisch entwi-ckeln« nennt. Blickrichtung ist be-sonders das methodistische Ge-samtziel, »Menschen für Jesus Christus zu gewinnen, damit die Welt verändert wird«. Die Heraus-forderung für die Gemeinden Oberkollbach und Stammheim wird sein, wie die Gemeinden in ihren dörflichen Strukturen zu-kunftsfähig werden können.

Joachim Schumann und Barbara Blaich

nZum Bezirk Calw gehören die Gemeinden Calw-Stammheim, Oberkollbach und Schwarzenberg.

nder Bezirk hat 180 Mitglieder, 220 Kirchenangehörige und –zugehörige und knapp 100 freunde. 19 Prozent sind Kinder und Jugendliche, 16 Prozent junge Erwachsene,

45 Prozent Erwachsene und 20 Prozent Senioren.nCalw liegt etwa 40 Kilometer südwestlich von Stuttgart am rande

des Schwarzwaldes und ist eine Kreisstadt mit 23.000 Einwohnern. Stammheim ist ein Stadtteil mit 4.500 Einwohnern und hat dörfliche Strukturen. Oberkollbach hat etwa 1.100,

Schwarzenberg knapp 700 Einwohner. www.emk-calw.de

bEziRK calW

Im Bezirk Calw gibt es eine starke musikali-sche arbeit.

da ist Musik drin ...

fOTO

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da kommen wir herBegonnen wurde die Arbeit im Be-zirk Calw 1865 von Pforzheim. 1868 wurde der Bezirk selbststän-dig. 1870 wurde die Calwer Kapel-le eingeweiht, 1888 die in Stamm-heim. Ab etwa 1890 hat die Arbeit in Schwarzenberg begonnen. 1925 wurde die Zionskapelle in Ober-kollbach eingeweiht. 1980 wurden in Schwarzenberg und 1991 in Stammheim die neuen Christuskir-chen eingeweiht. Die Gemeinde Calw wurde 1991 mit Stammheim vereinigt.

das machen wirIn unserem Bezirk gibt es eine star-ke musikalische Arbeit. Wir haben zwei Singchöre und einen großen Posaunenchor mit 32 Bläserinnen und Bläsern und einer lebendigen Jungbläserarbeit. Frauen tragen ei-nen Großteil unserer Arbeit mit. Die

Arbeit mit den Kin-

::: gemeindeportrait14

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unterwegs 6/2011 ::: 13. März 2011

Regionalisierung in der EmK ::: 15da ist Musik drin ...

kommentarJa, ich habe auch schon mal abge-schrieben. In der 3. Klasse muss

das gewesen sein, bei einer Mathe-arbeit. Tagelang habe ich mich seiner zeit mit einem schlechten Gewissen geplagt, denn ich hatte ge-lernt: So etwas tut man nicht. Es war ein fehler, den ich damals begangen habe, da das abgeschriebene dann auch noch falsch war. vor allem aber war es Schuld – dem 10-Jährigen wohl nachzusehen. Schuld, weil auch geistiges Eigentum Eigentum ist und

seine nicht nachgewiesene aneignung diebstahl. Nun behauptet Herr zu Guttenberg, dies sei ihm aus versehen unterlaufen – der Kinder und der arbeit wegen. Ein solcher Lapsus aber kann in diesem ausmaß einem auch nur halb-wegs gebildeten Menschen nicht passieren. also wäre dem ehemaligen Minister entweder ein dramatischer Mangel an Intelligenz zu bescheinigen, was ich gewiss nicht tue. Oder aber er belügt dreist das volk, dessen Minister

er war. dies zu bagatellisieren oder zu ignorieren, halte ich für katastrophal. Pastor Frank Eibisch ist Direktor des Diakoniewerkes Bethanien, Theologischer Geschäftsführer der Bethanien Krankenhaus Chemnitz gGmbH und der Fachklinik Klosterwald gGmbH.

Zumindest ein Wunsch blieb Horst Marquardt versagt: Man möge doch bitte, sagte der Vor-sitzende des Kongresses christlicher Führungs-

kräfte, den Fall Guttenberg nicht zum Hauptthema der Tagung machen. Aber angesichts der Plagiatsaffäre wurde die Einladung des Verteidigungsministers kon-trovers diskutiert. Ist es klug, ihn auf einem Kongress, der mit dem Slogan »Mit Werten in Führung gehen« wirbt, sprechen zu lassen? Ja, sagte Marquardt: Der Kongress stelle sich auch den Niederlagen im Leben, daher müsse auch der in Schwierigkeiten steckende Minister sprechen dürfen. Es könne keinen christlichen Wertekongress geben, wenn man nur Referenten ein-laden dürfte, die makellos wären. Fast alle großen bib-lischen Gestalten könnten dann nicht auftreten: »Mo-se nicht wegen Totschlags, Abraham nicht wegen Lüge, David nicht wegen Mordes und Ehebruchs und Paulus nicht, weil er als einstiger Christenverfolger gleich mehrere Menschen auf dem Gewissen hatte.«

Das Problem erledigte sich, der Minister sagte selbst ab. Trotzdem setzte die Kongressleitung eilig eine Po-diumsdiskussion an. Dabei wurden die bekannten Ar-gumente ausgetauscht: Albrecht Fürst zu Castell-Cas-tell wies auf die klare Entschuldigung hin, um die zu Guttenberg im Bundestag gebeten habe. Er sei besorgt um die politische Kultur, wenn ein Schuldbekenntnis und die Bitte um Vergebung nicht mehr anerkannt würden. Für den Dekan der Freien Theologischen Hochschule Gießen, den Ethiker Stephan Holthaus, sind die Enthüllungen über zu Guttenbergs Doktorar-beit zwar ein »Super-GAU«, zwischen dem Fehlver-halten und dem anschließenden Umgang mit zu Gut-tenberg will er aber unterscheiden. Die Debatte habe etwas Pharisäerhaftes an sich. Die Kirche Jesu Christi

sei jedoch eine Kirche der zweiten Chance. Es gelte: »Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein« (Johannes 8,7). Der Paderborner Student Jo-hann Kornelsen gab zu bedenken, Vergebung sei da-ran gebunden, dass man Schuld eingestehe.

Dennoch wäre es ungerecht, den Kongress auf den Fall Guttenberg zu reduzieren. Die insgesamt 3.800 Besucher konnten unter mehr als 60 Seminaren mit zum Teil bekannten Referenten wählen, dazu gab es spezielle Angebote etwa für Familienunternehmer und Berufseinsteiger. In einer Ausstellung präsentier-ten sich rund 280 Unternehmen, vor allem aus der Berater- und Medienbranche. Erfolgreiche Unterneh-mer wie der Gründer der Baumarktkette OBI, Man-fred Maus, oder der Konzerneigentümer Friedhelm Loh – nach Berechnungen des amerikanischen Wirt-schaftsmagazins »Forbes« einer der 600 vermögend-sten Menschen der Welt – sorgten sowohl für den Promi-Faktor als auch für authentische Aussagen. So berichtete Loh, er habe noch nie in seinem Leben so viel Gebetsunterstützung erhalten wie in der Wirt-schaftskrise im Jahr 2009. Da habe auch sein Unter-nehmen mehr als ein Drittel des Umsatzes verloren.

Zum Schluss wurde die »Nürnberger Erklärung« verabschiedet. Darin wird betont, dass ohne ein ethi-sches Fundament keine Wirtschaftsordnung dauer-haft zum Wohl aller Menschen funktionieren kann. Stattdessen brauche es die Maßstäbe Gottes für die Menschen, wie sie in den Zehn Geboten zum Aus-druck kommen. Das bedeute Integrität, Ehrlichkeit, Fleiß, Verlässlichkeit, Barmherzigkeit und Fairness in allen Lebensbereichen. Korruption, Betrug, unfaire Löhne, überzogene Gehälter und Abfindungen müss-ten abgelehnt werden. kie/idea

Wie man mit Werten führt3.800 Teilnehmer. 60 Seminare und eine zentrale frage: Beim Kongress christlicher führungskräfte vom 23. bis 26. februar wurde in Nürnberg danach gesucht, mit welchen Werten sich unternehmen christlich führen lassen. Zum Thema wurde auch der geplante auftritt des verteidigungsministers.

zeitgeschehen :::

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::: Regionalisierung in der EmK

unterwegs 6/2011 ::: 13. März 2011

16

Vom Nordbahnhof südwärts – das ist noch zu lesen auf dem Zettel aus meiner Hosentasche, der Rest ist nur noch Brösel. Ich laufe ein Stück

und frage eine Passantin: Guten Tag, ich suche die Kirche in der Schröderstraße. Ach, Sie wollen zu »Kin-der in die Mitte«? Dann gleich die nächste links. An einem weithin sichtbaren Kirchturm kann man sich jedenfalls nicht orientieren, wenn man zur Erlöserkir-che in der Schröderstraße will. Aber woher wusste die Frau von »Kinder in die Mitte«? Ich hatte doch nur nach der Kirche gefragt.

Das Wohngebäude aus Backstein verrät durch sei-nen Torbogen und zwei beleuchtete Schaukästen, dass sich im Hinterhof eine Kirche befindet. Rechts und links stehen sanierte Häuser aus der Gründerzeit, auf der Straße drei Mercedes, ein Por-sche, ein Maserati zwischen eher gewöhnlichen Autos. Ist hier der Ort für ein Sozialpro-jekt? Das schmiedeeiserne Tor ist zu. Ein Mädchen mit Schul-rucksack und Beutel kommt und klingelt, ein Knacken in der Gegensprechanlage. Ich bin’s, Clara! (Name geändert) Ein Surren, das Tor lässt sich öffnen. Ich schlüpfe mit rein. Drinnen erwar-tet uns Lars Weinknecht. Zuerst begrüßt er Clara ganz herzlich, dann mich. Wir sind verabredet.

»Alles fing mit einem Springseil an«, erklärt Pastor Weinknecht. Er leitet das Kinder- und Jugendwerks der Norddeutschen Jährlichen Konferenz und ist mit einem Viertel seines Dienstauftrags für »Kinder in die

Mitte« zuständig. Mit dem Springseil waren Bethes-da-Schwestern aus Wuppertal in Berlin unterwegs. Gefragt hatte sie der damals für die Gemeinde zu-ständige Pastor Matthias Götz, denn ihm waren auf dem Nachbargrundstück der Kirche, dem großen Zil-le-Spielplatz, viele Kinder aufgefallen, die immer oh-ne Begleitung dort waren. Einsame Kinder. Die Schwestern folgten nach Beratung und Gebet der Bit-te. Und fingen an, mit den Kindern auf dem Spielplatz zu spielen.

der gemeindesaal fest in KinderhandMittlerweile sind zwölf Jahre ins Land gegangen. Montags bis freitags von 14 bis 18 Uhr ist der Ge-

meindesaal fest in Kinderhand. Im abgetrennten Spielbereich ist Platz für freies Spielen. Fast täglich werden besondere an-geleitete Aktivitäten angebo-ten: dienstags gemeinsames Musizieren, mittwochs ein Teenie-Kreis, donnerstags ein biblisches Thema, einmal im

Monat ein gemeinsamer Jugendkreis. Im Sommer geht’s weiterhin so oft wie möglich auf den Spielplatz.

Noch wichtiger aber sind die täglichen Angebote. Ab 15 Uhr gibt es ein gemeinsames warmes Mittages-sen, das von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern aus verschiedenen Berliner EmK-Gemeinden gekocht wird. Für einige Kinder ist das die erste Mahlzeit des Tages. Für viele von ihnen auch eine neue Erfahrung, Zeit zum Essen und Reden zu haben, ohne dass der Fernseher läuft, gemeinsam mit einem Gebet zu be-ginnen und gemeinsam aufzuhören.

Auch die Hausaufgabenhilfe und vor allem die of-fenen Ohren und die Zeit für die Kinder und Jugend-lichen sind sehr wichtig. Täglich kommen etwa 15 Kinder vorbei, die meisten aus der direkten Nachbar-schaft. In die strahlt das Projekt auch aus. Man könnte es auf die – in diesem Falle positive – Formel von den »3 K« bringen: Kinder, Kirche, Kiez. Mittlerweile er-

Wie ein Springseil Kirchentüren öffnetdie aufgabe wurde der Gemeinde Berlin-Mitte vor die füße gelegt: auf dem Spielplatz neben der Kirche waren viele Kinder ohne Begleitung. Bethesda-Schwestern begannen, mit den Kindern zu spielen – der Start für »Kinder in die Mitte«. Jetzt ziehen sich die Schwestern zurück, die arbeit geht unter der regie des Bezirks Berlin-Stadt weiter. Benjamin Huth hat sich umgesehen.

n »Kinder in die Mitte« wurde 1998 von diakonissen der Bethesda-Schwesternschaft Wuppertal ins Leben gerufen. n Zum 1. april 2011 übernimmt der EmK-Bezirk Berlin-Stadt die Trägerschaft. der Wechsel wird am 27. März, 11 uhr, mit einem festlichen Gottesdienst in der Erlöserkirche (Schröder-straße 5) gefeiert. dazu sind alle Interessierten herzlich eingeladen.

www.atlas.emk.de/emk_berlin_mitte.html

KiNdER iN diE mittE

»Unsere Formel: Kinder, Kirche, Kiez.«

Pastor Lars Weinknecht

::: Reportage

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unterwegs 6/2011 ::: 13. März 2011

Regionalisierung in der EmK ::: 17

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wachsen weitere Kiezaktivitäten aus der Arbeit mit Kindern. Eine Nachbarschaftsinitiative wurde gegrün-det, die sich in den Räumen der Kirchengemeinde trifft. Aber auch als Vermittler in Problemfällen, etwa zwischen Eltern und Jugendämtern, wird das Projekt mehr und mehr anerkannt.

alles anders, alles gleichNach dieser langen, segensreichen Zeit wird die Schwesternschaft Bethesda/Wuppertal die Trägerschaft des Projektes zum 1. April diesen Jahres an den Ge-meindebezirk Berlin-Stadt abgeben. Die nötigen Struk-turen dafür sind schon auf den Weg gebracht, ein Ver-waltungsrat hat die Arbeit aufgenommen, ein Förder-verein ist in Gründung. Viele der bisherigen Unterstüt-zerinnen und Unterstützer haben schon signalisiert, sich weiterhin finanziell und auch im Gebet an der Ar-beit zu beteiligen. Auch die etwa zehn ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer wollen weiterhin mitarbeiten. Dennoch kommen mit der Schaffung der Personal-stellen für die neue pädagogische Leiterin, eine weitere Mitarbeiterin (50 Prozent) und die schon bestehenden zwei FSJ-Stellen hohe Kosten auf das Projekt zu, die erst einmal aufgebracht werden müssen.

Im ersten Jahr wird Schwester Heidi noch in Berlin bleiben, um die neue Leiterin zu unterstützen und sich besonders dem Besuchsdienst bei den Familien der Kinder zu widmen. Die Gemeinde, der Bezirk, aber auch die ganze EmK sind nun gefragt, dieses Projekt bei seinem Neuanfang verstärkt zu unterstützen.

Kommst du mal wieder?Ob denn in absehbarer Zeit weniger Kinder kommen würden, weil in die teuer sanierten Häuser jetzt weni-ger arme Familien zögen, möchte ich noch von Lars Weinknecht wissen. Auch hier im ‚hippen’ Berlin-Mit-te gibt es viel Armut. Aber das ist nicht nur eine Frage des Materiellen, eher eine bleibende und wachsende soziale Frage. Wenn Mama und Papa jeden Tag bis abends arbeiten sind, sind die Kinder auch einsam. Und für die wollen wir da sein.

Als ich gehe, kommen noch viele Fragen von den Kindern: Wohin ich ginge, wie alt denn meine Kinder seien, ob sie auch mal die Zeitung lesen können, für die ich schreibe. Am meisten aber freue ich mich über die Frage: Kommst du mal wieder?

Auf dem S-Bahnsteig am Nordbahnhof zieht es. Ich friere. Ich drehe mich in Richtung der Erlöserkirche. Kein Kirchturm ist von hieraus zu sehen. Und doch scheint es aus dieser Richtung irgendwie warm zu sein. Ich werfe den Zettel aus meiner Hosentasche in den Papierkorb. Wenn ich der Einladung der Kinder folge, werde ich ihn nicht brauchen. Antoine de Saint-Exupéry würde in Anlehnung an 1. Samuel 16,7 sagen: Man sieht nur mit dem Herzen gut.

BENJaMIN HuTH ist Liedermacher, Theologe, Laienprediger und Laienmitglied

des Bezirks Berlin-friedrichshain. Er lebt mit seiner familie

in Berlin.

Nachmittags gehört die Erlöserkirche den Kindern. für viele ist das der einzige Ort, wo sie spielen und zur ruhe kommen können.

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18unterwegsinfounterwegs 6/2011 ::: 13. März 2011

wie in Israel die Heiligkeit und ge-radezu Unnahbarkeit des Namens Gottes gesehen wurde und ging dann weiter zu der Frage, was denn Christen heute verbinden mit dem »Geheiligt werde dein Name« als Teil des »Vater unser«-Gebets.

In Arbeitsgruppen tauschten die Teilnehmer Erfahrungen aus und sprachen neue Wege an zu wesent-lichen Elementen für die Gestal-tung des Gottesdienstes. Dabei zeigten die Vielfalt vorgestellter Möglichkeiten und die Erfahrun-gen von Teilnehmern Wege auf, wie

gerade Eingangswort und Segens-bitte und -zuspruch vielfältiger und situationsangepasster gestaltet und so der ganze Gottesdienst lebendi-ger werden kann: Gefragt ist dann Mut zu Neuem und Ungewohntem.

Der von Teilnehmern gestaltete Sonntagsgottesdienst und die Dis-kussion eingereichter Predigten schlossen diese Fortbildung ab. Die 15 Teilnehmer – zwölf aus der SJK und drei aus der NJK – kehrten neu motiviert und gestärkt heim in den Verkündigungsdienst in ihren Hei-matgemeinden. Klaus Thimm

kurz &bündigum diE WuRSt giNg es kürzlich in

Balingen: Unter dem Motto »Weil uns nicht alles Wurst ist ...« veranstalteten die Sonntag-schulen des Bezirkes Balingen

ihren ersten »Würstle-Sonntag«. Zu einem bunt zusammenge-stellten Salat-büfett wurden sieben ver-

schiedene Wurstsorten angebo-ten, so dass für jeden Ge-schmack etwas dabei war. Ab-gerundet wurde das Mittages-sen mit Kaffee und Kuchen. So füllte sich der Sammeltopf ne-ben dem Ausgang schnell mit reichlich Spenden für den Ren-tenfonds der EmK. Auch Su-perintendent Johannes Knöller »outete« sich als Würstchen-liebhaber und nahm mit seiner Frau an diesem Mittagsangebot der Kinder teil. Eine Aktion, die zur Nachahmung empfoh-len wird. Helge König-Blocher/

Mirabell Schlagenhauf

mit mEHR alS 50 maHNWacHEN haben in Dresden Kirchenge-meinden am 19. Februar ein Zeichen gegen Rechtsextremis-mus gesetzt. Das berichtet die Zeitschrift EANN. Demnach waren evangelische und katho-lische Kirche sowie mehrere Freikirchen, darunter Adventis-ten, Baptisten, Mennoniten und die EmK beteiligt. Bei den Pro-testen gegen den Aufmarsch rechter Gruppen hatte es schwere Ausschreitungen linker Demonstranten gegeben. Dabei wurden mehr als 80 Polizisten verletzt. kie

Lothar Elsner und ulrike Burkhardt-Kibitzki (ganz links) leiteten die fortbildung für Laienprediger und Predigthelfer. fOTO: PrIvaT

Neue Wege in der Gottesdienstgestaltung

unterwegsinfoZweimal im Jahr findet in Stutt-gart-Giebel eine zentrale Fortbil-dung für Laienprediger und Pre-digthelfer statt. Hauptreferent war in diesem Jahr der Alttestamentler Frank Crüsemann.

Die zentralen Fortbildungen werden vom Bildungswerk

der EmK veranstaltet. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass zum einen bedeutende Theologen eingeladen werden, um mit den Teilnehmern Grundsatzfragen von Verständnis und Auslegung der Heiligen Schrift zu diskutieren und ihnen so den aktuellen Stand der Theologie auf verschiedenen Gebieten nahezu-bringen. Zum anderen kommen hier Menschen zusammen, die meist schon viele Jahre im Verkün-digungsdienst tätig sind und Erfah-rungen aus sehr unterschiedlichen Gemeinden austauschen. Sie kön-nen voneinander lernen und neue geistliche Impulse mitnehmen.

Anfang Februar war unter dem Thema »Geheiligt werde dein Na-me – Der Name Gottes in der Bibel und im Gottesdienst« der Alttesta-mentler Frank Crüsemann zu Gast. Er brachte den Teilnehmern nahe,

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unterwegs info ::: 19

unterwegs 6/2011 ::: 13. März 2011

19

persönlich

TErMINE

berlin ::: auferstehungskirche, 9. april, Multimedia im Inter-net, Informationen und anmel-dung im Bildungswerk, Telefon 040 52594293, E-Mail: [email protected], www.emk-bildung.de

Fellbach ::: EmK-Gemeinde-zentrum (Gerhart-Hauptmann-Straße 35), 9. april, Besuchs-dienst-Seminar, Leitung: Jutta Specht, Klinikseelsorgerin, Informationen und anmeldung bei Markus Jung, Telefon 0711 581493 oder E-Mail: [email protected]

leer ::: EmK (friesenstraße 52), 2. april, Tu dir was Gutes – vergib!, Seminartag für frauen der region Weser-Ems, Informationen unter Telefon 0491 9607723.

münchen ::: Krankenhaus Martha-Maria, Wolfratshauser Straße 109, vom 17. März bis 5. Juni, ausstellung »Surreale

Wirklichkeit«, Werke der Münch-ner Künstlerin »don«, vernissa-ge am 17. März, 18 uhr.

Weinsberg ::: Christuskirche (Bleich 38), 27. März, 19.30 uhr, d:Projekt unplugged, Informationen unter Telefon 07134 2782.

Wolfsburg ::: friedenskirche (Heinrich-Heine-Straße 45a), 19. März, 19 uhr, Konzert mit Gospeltrain danndorf.

Wüstenrot-Neuhütten ::: Burgfriedenhalle (öhringer Straße 80), 27. März, 11 bis 18 uhr, 31. Bazar, Informationen unter www.emk-wuestenrot-neuhuetten.de

SEMINarE

gott mit mir – Segen empfan-gen und weitergeben ::: Seminar für frauen, Limburg, 31. März bis 3. april, Informa-tionen unter 07231 26492.

auSS TELLuNGEN

leingarten ::: EmK-Gemeinde-zentrum (Brühlstraße 32), 20. März bis 10. april, Bilder-ausstellung »Schönheit des vergänglichen«, von roland Schweizer, vernissage 20. März, 16.30 uhr.

ruNdfuNK

im internet

radio m kompakt: Podcast- Magazin – engagiert. radio m im gespräch: Podcast-Gespräche über den Glauben. radio m themen: Berichte und reportagen. radio m andachten: Kostenlos zu abonnieren:www.radio-m.deradio m bei Klassik Radio(bundesweit)

andachten »Carpe diem«:21. bis 26.3., kurz nach 6 uhr:mit anja Kieser;Sonntagsmagazin »Klassik und Kirche«: sonntags, 7–8 uhr: mit anja Kieser.

Radio aREF – sonn- und feiertags von 10-12

uhr. www.aref.de und uKW 92,9 MHz (Großraum Nürnberg)

ERFJeden donnerstag,

20 uhr, Bilanz, mit Horst Mar-quardt.23.3., 21.30 uhr, Gott bindet sich an sein Wort, mit Horst Marquardt.

bR2 Radio 27.3., 6.30 uhr, POSITIONEN, mit alfred Mignon.

aufGENOMMEN

altensteig ::: am 20. februar Steffen Schnürer (16).bebra ::: am 30. Januar Nicola rödl (45) und andreas Schade (31).Freudenstadt ::: am 20. februar Christel frey (54) und frank Saßnowski (16).Hamm ::: am 6. März Christine dietz (41).Schweinfurt ::: am 2. Januar ante von Postel (19).

WIr GraTuLIErEN

auerbach ::: Hildegard Günnel zum 90. Geburtstag.chemnitz-Friedenskirche ::: anny Schubert zum 90. Geburtstag.

Heidelberg ::: Else Bastine zum 90. Geburtstag.leonberg ::: ursula frey zum 90. Geburtstag.mühlheim am main ::: auguste Müller zum 90. Geburtstag Reinsdorf ::: ruth Meyer zum 90. Geburtstag.Schleiz ::: Isolde und Immanuel Kögler zur goldenen Hochzeit.Witzschdorf ::: Leonie Keller zum 90. Geburtstag.zschorlau ::: Gertrud Baumgartl zum 90. Geburtstag; Lisbeth Große zum 90. Geburtstag.

HEIMGEG aNGEN

albstadt-tailfingen ::: Maria Blickle geborene Conzelmann am 20. februar, 100 Jahre.

berlin/Friedrichshain ::: Hans-Joachim rindler am 5. februar, 70 Jahre; Harry Schneidereit am 16. februar, 85 Jahre.crottendorf ::: Edelhard Siebert am 18. februar, 75 Jahre.Halle ::: Irene Brackis am 17. Januar, 85 Jahre.laichingen ::: Benjamin Schäfer am 21. februar, 72 Jahre.Nürnberg-zionskirche ::: Walter Wagner am 14. februar, 82 Jahre.oberkollbach ::: Ida Keppler geborene Lötterle am 14. februar, 83 Jahre; Otto rexer am 16. februar, 86 Jahre.Schönfels ::: Ehrhard Günther am 9. februar, 90 Jahre.

wowannwas

Schönheide ::: Jutta auras geborene Schlesiger am 17. februar, 72 Jahre.Sehma ::: Gerda Pietzsch am 13. februar, 73 Jahre.Stuttgart-Hoffnungskirche ::: anni Sternhuber am 11. februar, 96 Jahre; Marta Zipf am 18. februar, 88 Jahre.Weitefeld ::: renate Krah geborene Müll am 25. Januar, 79 Jahre.Wuppertal-bethesda ::: diakonisse Martha Hübner am 12. februar, 84 Jahre; diakonisse fridl (frida) Müller am 24. februar, 94 Jahre.zwickau-Friedenskirche ::: Margarete Perkolab geborene Körner am 18. februar, 84 Jahre.

unterwegs info ::: 19

Page 16: unterwegs 06/2011

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Sum

unterwegsHerausgegeben von derEvangelisch-methodistischenKirche in DeutschlandLudolfusstraße 2-460487 Frankfurt am MainZeitschriftenredaktionim Medienwerk der EmK:Redaktionsleiter Volker Kiemle Stellvertretender Redaktionsleiter Michael Putzke Ludolfusstraße 2-460487 Frankfurt am MainTelefon 069 242521-150Telefax 069 242521-159E-Mail: [email protected] • Anzeigen- undAbonnementsverwaltung:Blessings 4 you GmbHPostfach 31 11 41 · 70471 StuttgartTelefon 0711 83000-51 Telefax -50Anzeigendisposition:E-Mail: [email protected] gilt der Anzeigentarif 2011.Bezugspreise:Bei Bezug über die EmK-Gemeinde:im Quartal € 13,75. Bei Direktlieferung durch die Post: jährlich € 55,– + Versandkosten.Direkt gelieferte Abonnements verlängern sich jeweils um ein Jahr, wenn bis zum 30. September keine schriftliche Kündigung vorliegt. DTP-Produktion: Grafisches Atelier Arnold, 72581 Dettingen an der ErmsHerstellung: frechdruck GmbH, 70499 Stuttgart

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Besser mit Herz!

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Teu-uwg-Biblwo 90x60-0211-2 03.02.2011 15:05 Uhr Seite 1

Schwarzwald, 1940: Amrei ist erst 14 Jahre alt, als Vater und Bruder in den Zweiten Weltkrieg ziehen und sie sich um Haus und Hof, ihren kleinen Neffen und eine demenzkranke Frau kümmern muss. Unbemerkt beherbergt sie auch einen entflohenen britischen Kriegsgefangenen, der ihr das Leben rettet und dem sie zur Flucht ver-hilft. Nach Kriegsende beschließt Amrei, eine Reitpension zu eröffnen. Unter den ersten Gästen ist Tom, der sich stark zu der burschikosen und doch so reizvollen Frau hingezogen fühlt. Und dann taucht ein weiterer unverhoffter Gast auf. Während Amrei eine Entscheidung treffen muss, trachtet jemand nach dem Leben ihres Neffen...Elisabeth Büchle

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Kirchenmusikdirektor Hans-Ulrich Nonnenmann, Bordposaunenchor

Gert und Marlén von Kunhardt

Ministerpräsident a. D. Dr. h.c. Erwin Teufel

Pastor Dr.Hansjörg Bräumer

Erwin DamsonGeschäftsführer i.R. der Ludwig-Hofacker-Vereinigung

PfarrerinBärbel Wilde

Pfarrer Ulrich Scheffbuch

Musik an Bord:

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Page 18: unterwegs 06/2011

Wir kennen uns inzwischen ein gutes Dutzend Jahre und ich weiß: Wenn ich Jimmy Lieber-mann nicht verstehe, ist er nicht verletzt. Er

weiß, dass er undeutlich spricht, wiederholt alles ge-duldig. Ich habe gelernt, ihn zu verstehen – im doppel-ten Wortsinn. Und er hat mich vieles gelehrt.

Durchhalten zum Beispiel. »Ich bin zäh« sagt er mit Nachdruck. »Sonst kommt man ja zu nichts.« Zuerst hieß das nach einer komplizierten Geburt einfach nur: überleben. Jetzt braucht er diesen Ehrgeiz beim Kampf gegen die Spasmen in Händen und Beinen. Er ist 35 Jahre alt und merkt, dass seine Energie nachlässt. Er hat Angst vor einer gesundheitlichen Verschlechterung. Dennoch akzeptiert er sein Leben, das die Gesunden so gern sein »Schicksal« nennen.

Wenn neben ihm im Straßencafé wegen Banalitäten gejammert wird, schaut er verständnislos hinüber und denkt sich: »Einen Tag, nur einen Tag sollten solche Menschen mit einer Behinderung leben müssen ...« Er kann nicht richtig gehen und er kann nicht richtig grei-fen. Mit ihm ist alles entschleunigt.

Im Gespräch mit Jimmy werden Hedgefonds und Wolkenkratzer und ehrgeizige Höhenflüge entthront. »Natürlich muss man sich Ziele setzen – aber sie müs-sen vernünftig und erreichbar sein. Und man muss zwischen Realität und Traum unterscheiden.« Traum ist: eine Rundreise durch Amerika. Realität ist: alleine ins Musical nach Hamburg zu fahren. Traum ist: eine Frau an seiner Seite. Realität ist: ein großer Freundes-kreis, mit dem er schon auch mal durchfeiert. Traum ist: wenn die Gesunden aufgeschlossen sind und von den Kranken lernen. Realität ist: sich zu freuen an dem, was man hat.

Von Jimmy kann man lernen, trotz negativer Erleb-nisse vertrauensvoll auf Fremde zuzugehen. Wenn düstere Gedanken kommen, lässt er sich nicht hän-gen, sondern packt den Rollator und geht in ein Bi-stro. Weil er kontaktfreudig und zudem ein guter Zuhörer ist, bleibt er nie lang allein. Jimmy Lieber-mann kann kaum lesen und nicht schreiben – aber er möchte die Geschichte seines bewegenden Le-bens in ein Buch packen. In den vergangenen Jahren hat er oft von diesem Traum erzählt und kürzlich ist tatsächlich ein Stückchen davon Wirklichkeit geworden. Ein Kapitel ist ge-

Ein Tanz mit dem Leben Jimmy Liebermann hat Charme und ein strahlendes Lächeln. Zudem ist er hilfsbereit und ein wahres Organisationstalent, obwohl er wegen seiner Behinderung sich nur mühsam artikulieren kann. die Journalistin angela Körner-armbruster aus Nagold erzählt, was man von dem jungen Mann lernen kann.

druckt. Es heißt »Mein Tanz mit dem Leben« und hat Platz in dem Buch »Mehr vom Leben« gefunden. Da-rin erzählen Jimmy und 70 andere Menschen mit Be-hinderungen von ihren Herausforderungen und Ent-behrungen, von ihrem Kampf und ihrem Sieg. Sie er-zählen von ihrem Mut zum Leben und machen damit anderen Mut.

Für Jimmy, den unermüdlichen Kämpfer, war diese Buchvorstellung in Köln ein großes Erlebnis. Ein ech-ter »Promi« hat aus seiner Geschichte vorgelesen und seinen Namen ins Mikrofon gesagt. Er darf stolz sein auf sich und seinen Erfolg, auf seine Lebensfreude und seinen Lebenswillen. Und weil Jimmy Lie-bermann eben »ein wirklich guter Kerl« ist, teilt er seine Freude dankbar mit allen, die mit ihm seinen Weg gehen, damit auch sie »mehr vom Leben« haben.

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