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Page 1: Verhaltensstörungen empirische Befunde, theoretische Erklärungsmodelle und diagnostische Konsequenzen

Verhaltensstörungen

empirische Befunde, theoretische Erklärungsmodelle und diagnostische Konsequenzen

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Häufigkeit von Verhaltens-störungen I

Metaanalyse verschiedener Lehrerbefragungen in den USA (Kaufmann 1989):- 20 – 30% „problematische Schüler“- ca. 7% „schwere Fälle“

Medizinische Untersuchungen in den USA (National Institut of Medicine, Washington 1989): - 12% schwere psychische Störungen

Metaanalyse verschiedener medizinischer Untersuchungen in der BRD (Myschker 1993):- 12,5 – 31% psychische Störungen

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Häufigkeit von Verhaltens-störungen II

Deutscher Bildungsrat 1973:-1% verhaltensgestörte Kinder und Jugendliche- 4 –5% von Verhaltensstörung bedroht

Staatl. Anerkannter sonderpädagogischer Förderbedarf in den USA („seriosly emotionally disturbed“) (Bahr 1989):- 1% verhaltensgestörte Kinder und Jugendliche

Metaanalyse wissenschaftlicher Studien in der BRD zu speziellen Auffälligkeiten (Borchert 1996):Aggression 2 –10%Delinquenz 4 – 10%Aufmerksamkeitsstörung 2 – 5%Angst 2 – 5%

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Grundkomponenten des Verhaltens und Erlebens

Individuale Disposition

somatischemotionalkognitiv

Bedingungen des Verhaltens und Erlebens

materiellsozialkulturell

Anforderungen des Umfeldes

Inhaltlich formal

Quelle: Bach: Grundlagen der Sonderpädagogik. Verlag Paul Haupt; Bern, Stuttgart, Wien 1999, S. 13

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Klassifikationsansätze von Verhaltensstörungen

-externalisierende und internalisierende Verhaltensstörungen

-primäre und sekundäre Verhaltensstörungen

•Aggression, •Hyperaktivität, •Regression, •Delinquenz, •Sucht•Angst

Verstoß gegen Regeln •der Schule,•des Unterrichts,•der Eltern,•der Gemeinschaft,•der Gesellschaft

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VerhaltensbeeinträchtigungPseudoverhaltensstörung-unterstellte Verhaltensstörungen-Wahrnehmungsfehler des Beobachters-Unangemessener Beurteilungsmaßstab- zufälliges Verhalten- Verhalten unter Zwang- Unkenntnis der Norm

Verhaltensstörung

Verhaltensbehinderung-extrem autistisch,-Psychotisch,-Auf Grund von Hirnschädigungen auftretend

Quelle: (Bach: Verhaltensstörungen und ihr Umfeld. In: Goetze/Neukäter (Hrsg.): Pädagogik bei Verhaltensstörungen. Wissenschaftsverlag Volker Spiess; Berlin, 1993 S. 8)

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„Unter Verhaltensstörung soll die Art des Umgangs eines Menschen mit anderen, mit sich selbst und mit Sachen verstanden werden, die von der erwarteten Handlungsweise negativ abweicht, indem sie als sinnvolle Zustände oder Handlungsabläufe, Zusammenleben oder individuale Entwicklung gefährdend, beeinträchtigend oder verhindernd angesehen wird“

(Bach: Verhaltensstörungen und ihr Umfeld. In: Goetze/Neukäter (Hrsg.): Pädagogik bei

Verhaltensstörungen. Wissenschaftsverlag Volker Spiess; Berlin, 1993 S. 6)

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Erzieherischer Anspruch

„Der speziell sonderpädagogische Aspekt vorliegender Verhaltensstörungen liegt in der Frage nach den erzieherischen Möglichkeiten, Zielen und Verfahren einer Anbahnung fehlender oder einer Korrektur negativ wirkender Dispositionen von Personen“ (Bach 1999, S. 9).

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Normabhängigkeit von Verhaltensstörungen

Normüberschreitung(zu häufig, stark, lange)

Toleranzbereich

Norm

Toleranzbereich

Normunterschreitung (zu selten, schwach, kurz, gar nicht)

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NormenStatistische NormDie Tatsache, dass dieser oder jener Deutsche über 40 Jahre nicht täglich Sport treibt, entspricht einer statistischen Norm

IdealnormDie Forderung, dass sich alle Deutschen über 40 Jahre jeden Tag sportlich betätigen sollen, setzt eine Idealnorm

Funktionale NormTreibt jemand täglich Sport, wobei es ihm um seine körperliche Gesundheit geht, ihm aber gleichgültig ist, was andere tun, so richtet er sich nach einer funktionalen Norm

Quelle: Mutzeck: Verhaltensgestörtenpädagogik und Erziehungshilfe. Klinkhardt; Bad Heilbrunn 2000, S. 18

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Erklärungsmodelle

- medizinische Sichtweise- psychoanalytische Sichtweise- individualpsychologische Sichtweise- Erklärungsmodell der humanistischen

Psychologie- soziologische Sichtweise- ökologische Sichtweise- lerntheoretische Sichtweise- kommunikationstheoretische

Sichtweise

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Medizinische Sichtweise

Verhaltensstörungen resultieren aus Schädigun-gen oder Besonderheiten des Organismus

- Anlagebedingte Verhaltensstörungen (z.B. Charakter)- Störendes Verhalten als Symptom einer Krankheit (z.B. Unkonzentriertheit durch Schlafstörungen, ...)- Störende Verhaltensweisen aufgrund falscher Ernäh-rung (z.B. Aggressivität wegen Phosphorüberschuss)

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Psychoanalytische SichtVerhaltensstörungen sind Symptome tiefer liegender, relativ konstanter Persönlichkeitsstörungen (z.B. der Triebstruktur, der Motivation, der Steuerungssysteme).

Sie entstehen durch ungelöste Entwicklungsaufgaben (Erikson) oder traumatische Erlebnisse in der Kindheit, die verdrängt wurden (Freud). Das Verhältnis von „Ich“ – „Es“ – „Über-Ich“ ist gestört.

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Individualpsychologische Sichtweise

Jeder Mensch verfügt über einen „Lebensplan“, der sich in der Kindheit (5 –6 Jahre) herausgebildet hat.

Zwei zentrale Motive: - Überwindung der eigenen Mangelhaftigkeit, - Streben nach Zugehörigkeit zur

Gemeinschaft.

Die Überbetonung eines der beiden Motive führt zu Verhaltensstörungen (Adler)

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Das Lebenskonzept

Gesamtidee

Idee von Mir LebensideeWesen der Gesellschaft

Idee der Seele

Idee der Welt

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Lebensgrundplan des Menschen

Wahrnehmungs-und Erlebensmuster

Handlungsstrategien

Zielsetzung

Meinungen, Wertungen, Vorstellungen

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Wahrnehmungsverzerrung

Informationen über eigenes Handeln werden nur aufgenommen, wenn sie das Selbstbild stützen. Andernfalls werden sie

- nicht wahrgenommen, - umgedeutet im Sinne der

Selbstbestätigung, - abgewertet.

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Diagnostische Konsequenzen

Stabilität des individuellen SelbstwertgefühlsGrad des Realitätsbezugs der WahrnehmungErfolgreiche und sozial anerkannte HandlungsmusterGrad der Gemeinschaftsbezogenheit

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Erklärungsmodell der humanistischen Psychologie Personen vermeiden die Selbstauseinandersetzung, sie ist zu schmerzhaft;Personen suchen ihr Fühlen nicht zu beachten, das hängt mit geringer Selbstachtung zusammen;Personen suchen sich im Zusammensein mit anderen durch Unechtsein, Fassade, Rolle, Tarnung zu schützen;Im Stadium geringer Selbstachtung und ungünstigen Selbstkonzepts sind Personen nicht fähig oder willens, für sich selbst zu sorgen (vgl. Tausch/Tausch 1990, S. 302)

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Soziologische Sichtweise

z.B.: labeling approach:

Aufgrund von Einzelbeobachtungen werden einem Menschen von einem Beobachter in Machtposition pauschale Urteile zugeschrieben. Damit ändern sich die Verhaltenserwartungen an den Menschen im Machtbereich des Beobachters. Der Mensch passt sein Verhalten diesen Erwartungen an.

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Soziologische Sichtweise II

Das Milieu, in dem das Kind aufwächst, begünstigt bestimmte Verhaltensweisen, die in anderen Milieus als Störung empfunden werden.

Schule ist mittelschichtdominiert!

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Ökologische Sichtweise

Abweichendes Verhalten entsteht durch wechsel-seitige Störungen der Anpassung des Menschen an seine Umwelt.

Ökosysteme befinden sich im Gleichgewicht, d.h. die Kind-Umwelt-Beziehungen sind harmonisch.

Verhaltensänderungen beim Kind können nur bewirkt werden, wenn das Kind-Umwelt-System insgesamt verändert wird.

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Lerntheoretische Sichtweise

Verhalten wird im wesentlichen gelernt: Verhalten wird durch die vorausgehenden Ereignisse (Präsequenzen) direkt und die folgenden Ereignisse (Konsequenzen) indirekt gesteuert. Erfolgreiches Verhalten wird in vergleichbaren Situationen wiederholt.

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kommunikationstheoretische Sicht

Verhaltensstörungen entstehen aus Kommunikationsstörungen:

- Nichtbeachtung des Beziehungsaspektes,

- unterschiedliche Interpunktionen, - unterschiedliche Interpretation der

Signale.


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