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für nachfolgende weiße Blutplättchenbilden. Der anfängliche Verschluss ausThrombozyten wird mit einem Fibrin-netz stabilisiert. Das entscheidende Ge-rinnungsenzym ist das Thrombin, dasaus dem Gerinnungssystem Fibrin frei-setzt, welches dannwiederum von ande-ren Enzymen miteinander vernetzt wird[8]. Durch Aktivierung des Thrombinsläuft eine enzymatische Kettenreaktionab, wobei durch weitere Faktoren eine100000-fache Beschleunigung der enzy-matischen Reaktionskette erreicht wird.Dabei sind einige enzymatische Reaktio-nen an die vor Ort befindlichen Zell-membranen gebunden, um das Systemlokal begrenzt zu gestalten. Die sichdaran anschließende Entzündungsphaseist durch eine Infiltration der Wundrän-der mit Leukozyten (Granulozyten, Lym-phozyten) und Monozyten charakteri-

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Zusammenfassung

Die Einschätzung der Schwere desWeichteilschadens stellt einen wichti-gen Faktor in der Beurteilung des Ma-nagements von offenen und geschlos-senen Frakturen dar. Die Reaktion derWeichteile auf eine Verletzung betrifftmikrovaskuläre Veränderungen undEntzündungsprozesse, die ihrerseitslokal eine Gewebshypoxie und Azido-se bewirken. Operative Zugänge, diediese pathophysiologischen Mecha-nismen nicht bedenken, können zuGewebsnekrosen und sekundären In-fektionen führen. Somit kommt denpathophysiologischen Mechanismenund der korrekten Einschätzung einesWeichteilschadens eine wesentlicheoperationstaktische Bedeutung zu.

er Weichteilschaden bei einer offenener geschlossenen Fraktur führt zu ent-rechenden Reaktionen, die phasenhaftlaufen.

Im Allgemeinen werden 4 Phasen unter-schieden:

1. Gerinnungsphase2. Entzündungsphase3. Granulationsphase4. Narbenbildung

siert. Die Leukozyten werden durch Che-motaxine angelockt, die von Gewebs-nekrosen, Bakterien und Blutbestandtei-len freigesetzt werden. Anschließendwerden chemotaktisch neutrophile Gra-nulozyten, Makrophagen und Lympho-

-JOURNAL 2009; 25: 154–159Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New YorkI http://dx.doi.org/10.1055/s-0029-1240663

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Soft Tissue Injuries inOpen or Closed Fractures

Determination of the severity of injuryto the soft tissues is an important com-ponent of patient assessment and im-pacts on the management of closedfractures. The response of soft tissueto blunt injury involves microvascularand inflammatory processes that pro-duce localised tissue hypoxia andacidosis. Incisions placed through suchcompromised tissue can lead towound breakdown and deep infection.Therefore, recognising the signs of softtissue injury is the foundation for asuccessful management of closed frac-tures. Many treatment options, includ-ing splinting, cryotherapy, compres-sion, and delayed surgery, help limitfurther soft tissue injury and facilitateits rapid recovery before surgical inter-vention. Emerging surgical techniquesbased on improved management haveresulted in decreased rates of soft tis-sue complications.

Gerinnungsphase

Das Ziel der Gerinnungsphase besteht inder Vermeidung eines weiteren Blutver-lusts. Durch die Verletzung werden Ge-fäße zu einem Vasospasmus angeregt,der ca. 10 s anhält. Dieser Effekt hat nureinen geringen Einfluss auf die Blutstil-lung, da 90% des Blutverlusts aus Kapil-laren stammt, die über keine Gefäßmus-kulatur verfügen. Maßgeblich für dieGerinnungsprozesse sind die Thrombo-zyten, die an der Gefäßwand haften blei-ben. Dieser Haftungsprozess wird durchdasanThrombozytenmembrangebunde-ne Glykoprotein Ib-1X-V initiert. Durchdie aktiven Aggregationsrezeptoren aufder Thrombozytenoberfläche könnensich die Fibrinfilamente des Blutstromsmit den Thrombozyten vernetzen undauf der Gefäßläsion eine Art Landeplatz

zyten in den Weichteilschaden angezo-gen. Die Reize für das Einwandern sindZytokine wie Interleukin-1, Tumor-Ne-krose-Faktor und TGF-β. Es sind wahr-scheinlich mehrere Signale involviert,die bisher jedoch noch nicht alle identifi-ziert werden konnten. Nach dem Ein-wandern dieser Zellen kommt es zueiner lokalen Freisetzung von Zytokinenund Wachstumsfaktoren. Von Letzteremsind inzwischen über 400 identifiziertworden [8]. Anschließend erfolgt die Ak-tivierung migrierender Zellen, da nuraktivierte Zellen im Wundgebiet funk-tionell wirksam sind und zu einer Modu-lation der Wundheilungskaskade führenkönnen. Die Zellen, die in das Wund-gebiet migrieren, haben eine unter-schiedliche Funktion. Makrophagen sindfür die Phagozytose, Débridement, Ma-trixsynthese, Zellaktivierung und Angio-genese zuständig, Fibroblasten sind ver-antwortlich für die Kollagensynthese,Lymphozyten für die humerale Abwehr

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und neutrophile Granulozyten zur Ab-wehr bei bakteriellen Kontaminationen.Von allen beteiligten Zellen haben je-doch die Makrophagen die wichtigsteFunktion.

Frakturheilung

In gleicher Weise läuft die Frakturhei-lung ab, bei der ebenfalls lokale und sys-temische Prozesse bestimmend sind.Auch hier sind lokale, molekulare undzelluläre Abläufe bestimmend. Ebensogibt es Hinweise für eine systemischeFreisetzung mesenchymaler Stammzel-len im Frakturbereich. Extrinsische Fak-torenwie Medikamente und Alter beein-flussen die lokalen Prozesse und verän-dern das Outcome der Frakturen, wäh-rend die Biomechanik der Frakturstabili-sierung die Biologie der Frakturheilungbeeinflusst.

n Die Regeneration des Knochens hängtvon 3 wesentlichen Elementen ab:

1. von den Vorläuferzellen2. denWachstumsfaktoren

(Osteoinduktion)3. von einer adäquaten Umgebung

(Osteokonduktion)

Hypoxie beeinflusst die osteogene Diffe-renzierung von menschlichen mesen-chymalen Stammzellen durch Reduzie-rung der Zahl lebender Zellen und durchVeränderung der molekularen Signale [6,7].

Man glaubt heute, dass mesenchymaleStammzellen eine trophische Aktivitätin den frühen Stadien der Frakturheilungausüben. Mesenchymale Stammzellenwerden lokal freigesetzt vom Knochen-mark, Periost, dem kortikalen Knochenund vor allen Dingen dem umgebendenWeichteilgewebe.

n Die Anwesenheit adulter Stammzellen inder Muskulatur wird durch 2 Beobach-tungen unterstützt:

1. Muskulatur kann sich in Knochen um-wandeln, z.B. bei heterotoper Ossifi-kation.

2. In der Originalbeschreibung der Os-teoinduktion durch Urist wurden dieEffekte von BMP auf Vorläuferzelleninnerhalb des Muskelgewebes be-schrieben.

Die Bedeutung derMuskulatur als Quellevon Osteoprogenitorzellen wird unter-strichen durch die schlechte knöcherneHeilung bei offenen Frakturen mitschwerem Muskeltrauma.

Definition der Wunde

Die Definition der Wunde lautet: Einemehr oder weniger klaffende Gewebe-durchtrennung der äußeren Haut, derSchleimhäute und der Oberfläche vonOrganen.

An der Haut unterscheiden wir eineoberflächliche Schürfwunde, die auf dieEpidermis beschränkt ist und durchoberflächlich tangential wirkende Kräfteentsteht. Eine tiefere Schürfwunde be-deutet eine Beteiligung des Coriumsdurch eine stärker wirkende Gewaltein-wirkung.

Die Kontusion entsteht durch Übertra-gung der kinetischen Energie beim Zu-sammenprall und umfasst die Haut undunter Umständen auch tiefer liegendeStrukturen. Es kommt zu einer Verlet-zung von Gefäßen und zu Einblutungenunter der Haut.

Eine Ablederungswunde (Décollement)entsteht aufgrund einer tangentialenGewalteinwirkung, wobei Haut und Un-terhaut von der resistenteren Unterlageabgestreift werden. Auf diese Weise bil-den sich unter Umständen flächenhafteHämatome.

Als Zertrümmerung bzw. Zermalmung(Conquassatio) bezeichnen wir einehochgradige mechanische Zerstörungvon Geweben, Organen oder Körpertei-len. Häufig kann jedoch von der äußer-lichen Inspektion keine definitive Klassi-fizierungeinesWeichteilschadens vorge-nommen werden. Eine Hilfe kann unterUmständen das Röntgenbild liefern.

Weichteilschaden und Röntgenbefund

Ausgedehnte Dislokation, Knochenzer-trümmerung sowie röntgenologischsichtbare Veränderungen der Weichteile(Fremdkörper- und Lufteinsprengungen,Geschosse, Weichteildefekte) könnenbereits einen Hinweis auf das Schwere-bild der Weichteilschädigung geben.

Andererseits kann jedoch auch eine ein-fache Frakturform von einem aus-gedehnten Weichteilschaden begleitetsein, da die Spontanreposition oder dieEinrichtung des Bruches am Unfallort zueiner falschen Deutung des primärenRöntgenbefunds führen kann. GlatteQuerfrakturen oder auch 2-Etagen-Brü-che am Unterschenkel sind jedoch zu-meist Folge eines direkten Traumas unddamit durch einen entsprechenden

Weichteilschaden charakterisiert. Mehr-etagenbrüche haben eine schlechtePrognose hinsichtlich der Frakturhei-lung.

Weichteilschaden beigeschlossenen Frakturen

Als besonders problematisch erweistsich der Weichteilschaden bei den ge-schlossenen Brüchen, dessen Erfassungvielfach schwieriger ist, sodass er unter-schätzt oder sogar ignoriert wird. Schoneine einfache Hautkontusion einer ge-schlossenen Fraktur kann differenzier-tere therapeutische und prognostischeProbleme aufwerfen als die Hautdurch-spießung einer offenen Fraktur. DieHauptkomplikation dieser Hautkon-tusionen ist die Nekrose, die damit einenInfektionsweg bahnt. In gleicher Weisekann die Kontamination einer tiefenSchürfung zu einer Infektion beitragen.In diesem Fall ist die natürliche Hautbar-riere gegenüber einer Infektion erheb-lich geschwächt. Bei den offenen Brü-chen wird das Ausmaß der Weichteil-schädigung noch durch zusätzliche Fak-toren bestimmt. Außer dem Schwere-grad der knöchernen Verletzung, demVerletzungsmechanismus und der Zeit,die vom Unfall bis zur Versorgung derWeichteile und der Fraktur entsteht, ent-scheidet der Grad der Kontaminationüber Verlauf und Prognose der offenenFraktur.

Klassifikation des Weichteilschadens

Ziel einer Klassifizierung von Weichtei-len muss es sein, möglichst umfassendzu beschreiben und zu graduieren, umeine Hilfestellung für die einzuschlagen-de operative Therapie zu leisten. Darü-ber hinaus dient sie auch der Vergleich-barkeit der Resultate und natürlich zurinternen und externen Qualitätskontrol-le.Darüberhinausdient siederVergleich-barkeit bei gesundheitsökonomischenBerechnungen.

Bisherige Einteilungendes Weichteilschadens

Anerkannt ist lediglich die Fraktureintei-lung geschlossener und offener Brüche.Während für die geschlossenen Fraktu-ren nur eine Einteilung zur Verfügungsteht, werden die offenen Frakturennach unterschiedlichen Gesichtspunktenbeurteilt. Allgöwer [1] teilte im Jahr 1971die offenen Brüche in 1., 2. und 3. Gradein. Eine erstgradig offene Fraktur um-fasst eine Durchspießung von innen, die

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zweitgradig offene Fraktur beinhaltet dieGewebekontusion durch direkte Gewalt-einwirkungen und die drittgradig offeneFraktur wird charakterisiert durch eineausgedehnte Zerstörung von Haut, Mus-kulatur, Gefäßen, Nerven und Sehnen.Gustilo und Anderson [5] klassifiziertendie offene Fraktur in 3 verschiedeneSchweregrade, wobei das Ausmaß derHautverletzung zugrunde gelegt wird.Grad 1 umfasst eine offene Fraktur mit

einer Wunde, die kleiner ist als 1 cm(Abb. 1), Grad 2 beinhaltet eine Frakturmit einer Hautverletzung, die größer als1 cm ist, aber ohne ausgedehntenWeich-teilschaden (Abb. 2), die Grad-3-Frakturumfasst eine offene Segmentfraktur so-wie eine offene Fraktur mit ausgedehn-temWeichteilschaden oder eine trauma-tische Amputation. Die Grad-3-Fraktu-ren wurden dann später noch unterteiltin 3a (Abb. 3), 3b und 3c (Abb. 6). Dabei

beinhaltet 3a die Frakturen, derenWeichteilschaden noch durch lokaleMaßnahmen gedeckt werden kann. DieGrad-3b-Frakturen sind Frakturen, dienur durch Lappenplastiken gedeckt wer-den können (Abb. 4). Die Grad-3c-Frak-turen umfassen die Frakturenmit Gefäß-verletzungen (Abb. 5).

Auch die Einteilung von Cauchoix undMitarbeitern [3,4] basiert im Wesentli-chen auf der Größe der Hautwunde. Dif-ferenzierter ist die Einteilung von Ander-son [2], der die offenen Frakturen nachdem Ausmaß von avaskulärem und devi-talisiertem Gewebe sowie dem Fremd-material in der Wunde differenziert.Demnach bedeutet Typ I eine punktför-mige Wunde mit geringem Weichteil-schaden, Typ II eine ausgedehnte Wundemit nur wenig avaskulärem oder devita-lisiertem Weichteilgewebe und Typ IIIumfasst ausgedehnte Wunden mit be-trächtlicher Weichteilnekrose undFremdmaterial innerhalb der Wunde.Wesentlich komplizierter ist die Eintei-lung der AO, hier werden zusätzlich auchnoch Sehnen- und Muskelverletzungenbewertet, sodass insgesamt 225 Mög-lichkeiten bestehen. Da insbesondereauch die geschlossenen Frakturen nuruniform bewertet wurden, wurde eineeigene Einteilung für geschlossene undoffene Frakturen entwickelt. Demnachwerden die geschlossenen Frakturen in4 Schweregrade eingeteilt (von G0 bisG3) (Abb. 6).

Geschlosssene Frakturen (Abb. 7)

Geschlossene Fraktur Grad 0 (FR.G 0)

Hierbei findet sich keine oder nur eineunbedeutende Weichteilverletzung. DieFraktur G0 umfasst einfache Bruchfor-men, d.h. Frakturen, die durch indirek-ten Verletzungsmechanismus entstan-den sind. Ein typisches Beispiel ist dieUnterschenkeldrehfraktur des Skiläufers[9].

Geschlossene Fraktur Grad I (FR.G I)(Abb. 8)

Hierbei handelt es sich um eine Frakturmit einer oberflächlichen Schürfungoder eine Kontusion durch Fragment-druck von innen. Die Frakturformen sindeinfach bis mittelschwer. Als typischesBeispiel kann die nicht reponierte Pro-nations-Luxationsfraktur des OSG gel-ten, bei der die Weichteilschädigungvom Fragmentdruck durch die Bruch-kante am Innenknöchel entsteht [9].

Abb. 1 Einteilungder offenen Frakturnach Gustilo undAnderson: Die Haut-wunde ist kleiner als1 cm.

Abb. 2 Grad 2 nachGustilo und Ander-son: Die Länge derHautläsion ist größerals 1 cm.

Abb. 3 Grad 3anach Gustilo: Weich-teilschaden, der nochdurch lokale Maßnah-men gedeckt werdenkann.

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Geschlossene Fraktur Grad II (FR.G II)(Abb. 9)

Hierbei handelt es sich um eine Frakturmit einer tief kontaminierten Schürfungsowie lokalisierter Haut- oder Muskel-kontusion aufgrund eines entsprechen-den direkten Traumas. Auch das drohen-

de Kompartment-Syndrom wird unterFR.G II eingeordnet. In der Regel liegtein direktes Trauma mit mittelschwerenbis schweren Bruchformen vor. Als typi-sches Beispiel kann die 2-Etagen-Frakturder Tiba durch Stoßstangenanprall gel-ten. Aufgrund des Verletzungsmechanis-mus muss der Weichteilschaden min-

destens FR.G I, meist aber FR.G II sein[9].

Geschlossene Fraktur Grad III (FR.G III)(Abb. 10)

Hierbei handelt es sich um eine Frakturmit ausgedehnter Hautkontusion, Haut-quetschung oder Zerstörung der Mus-kulatur, unter Umständen einem sub-kutanenDécollement. Ebenfalls bedeutetjedes dekompensierte Kompartment-syndrom sowie eine Verletzung einesHauptgefäßes bei einer geschlossenenFraktur die Einordnung unter Grad III.Diese Gruppe umfasst schwere Bruchfor-men und Knochenzertrümmerungen.Durch die Quetschung der Haut und derWeichteile ist der Weichteilschaden inder Behandlung schwieriger als bei eineroffenen Fraktur Grad 3 [9].

Abb. 4 Grad 3b:Offene Frakturen, dienur durch Lappen-plastiken gedecktwerden können.

Abb. 5 Grad 3c:Offene Frakturen mitbegleitenden Gefäß-verletzungen.

Klassifikation offene Frakturen

3 a

3 b

3 c

WT , Frakturdeckung möglich↑

WT , Frakturdeckunglokaler, freier Lappen

WT , Gefäßverletzung(Gustillo 1984)

↑ →

Abb. 6 Einteilung der geschlossenen Fraktu-ren: Die Schwere des Weichteilschadenshängt von der Energieeinwirkung ab.

Abb. 7 Geschlossene Fraktur Grad 0: Keineoder nur unbedeutende Weichteilverletzung.

Abb. 8a bis dGeschlossene FrakturGrad I: OberflächlicheSchürfung oder Kon-tusion durch Frag-mentdruck von innen.

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Offene Frakturen

Die Einschätzung und Behandlung eineroffenen Fraktur sollte ebenfalls an derGröße des Weichteilschadens und darü-ber hinaus noch an der Schwere der Kon-tamination ausgerichtet sein. Nicht dieGröße der Hautwunde ist entscheidend,sondern der Grad der Weichteilschädi-gung und der Umfang der Muskelquet-schung. Dies bedeutet aber auch, dasseine definitive Klassifizierung der Frak-tur häufig nicht vor Behandlungsbeginnerfolgen kann. Erst durch die Freilegungder Fraktur und der Weichteile kanneine endgültige definitive Einteilungvorgenommenwerden.

Offene Fraktur Grad I (FR.O I) (Abb. 11)

Hierbei handelt es sich um eine Durch-trennung der Haut mit fehlender odernur geringer Kontusion und einer unbe-deutenden bakteriellen Kontamination.Die Haut ist gewöhnlich nur durch einKnochenfragment unterschiedlicher Län-ge durchspießt. In der Regel handelt essich um einfache Bruchformen [9].

Offene Fraktur Grad II (FR.O II) (Abb. 12)

Hierbei ist die Haut durchtrennt. Es fin-det sich eine umschriebene Haut- undWeichteilkontusion sowie eine mittel-schwere Kontamination. Alle Frakturfor-men sind möglich [9].

Abb. 9 Geschlossene Fraktur Grad II: Frakturmit tiefkontaminierter Schürfung sowie lokali-sierter Haut- oder Muskelkontusion.

Abb. 10 Geschlossene Fraktur Grad III: Ge-schlossene Fraktur mit ausgedehnter Haut-kontusion oder Hautquetschung (Beispiel:Kompartmentsyndrom).

Abb. 11 Offene Fraktur mit fehlender odernur geringer Kontusion und unbedeutenderbakterieller Kontamination.

Abb. 12 Offene Fraktur Grad II: Umschriebe-ne Haut- undWeichteilkontusion sowie mittel-schwere Kontamination. Alle Frakturformensind möglich.

Abb. 13 Hautdurchtrennung: Offene Frakturmit ausgedehnter Weichteildestruktion sowiehäufig zusätzlichen Gefäß- und Nervenverlet-zungen.

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Offene Fraktur Grad III (FR.O III) (Abb. 13)

Hierbei handelt es sich um eine Haut-durchtrennungmit ausgedehnterWeich-teildestruktion sowie häufig zusätz-lichen Gefäß- und Nervenverletzungen.Die Wunde ist stark kontaminiert, jedeoffene Fraktur mit Ischämie und aus-gedehnter Knochenzertrümmerung fälltunter eine Grad-III-Fraktur. Ebenso wer-den Schussbrüche und offene kontami-nierte Frakturenbei landwirtschaftlichenUnfällen in diese Kategorie eingereiht.Aufgrund der hohen Infektgefährdung

müssen alle Frakturen mit Verletzungder großen Extremitätenarterien eineroffenen Fraktur Grad III zugeordnet wer-den [9].

Offene Fraktur Grad IV (FR.O IV) (Abb. 14)

Hierbei handelt es sich um eine totaleoder subtotale Amputation. Nach der De-finition ist eine subtotale Amputationdurch die Durchtrennung der wichtigs-ten anatomischen Strukturen, besondersder Hauptgefäßverbindungenmit totalerIschämie charakterisiert. VomWeichteil-mantel darf nicht mehr als maximal ¼der Zirkumferenz erhalten sein. Beste-hen noch wesentliche anatomische Ver-bindungen und deutliche Zeichen einerRestdurchblutung – sogenannte Revas-kularisation –, so kann man nur voneiner offenen Fraktur Grad III sprechen.Auf eine weitere Unterteilung der offe-nen Fraktur Grad IV, die für die Replan-tationschirurgie notwendig ist (Makro-Mikro-Replantation, Zustand des Ampu-tats, Ischämiezeit, Begleitverletzungenetc.) sowie die differenzierteren Unter-teilungen der subtotalen und totalenAmputation wurde aus Gründen derÜbersichtlichkeiten unserer Einteilungdes Weichteilschadens verzichtet [9].

Literatur

1 Allgöwer M. Weichteilprobleme und Infekt-risiko der Osteosynthese. Langenbecks ArchChir 1971; 329: 1127–1136

2 Anderson LD. Fractures. In: Crenshaw AHC.Campbells operative orthopaedics. St. Louis:Mosby; 1971

3 Cauchoix J, Lagneau P, Boulez P. Traitementdes fractures ouvertes de jambe. Resultats de234 cas observés entre le 1er janvier 1955 etle 12 juin 1964. Ann Chir 1965; 19: 1520–1539

4 Cauchoix J, Duparc J, Boulez P. Traitement desfractures ouvertes de jambe. Med Acta Chir1975; 83: 811–822

5 Gustilo B, Anderson JP. Prevention of infectionin the treatment of one thousand andtwenty-five open fractures of long bones.J Bone Joint Surg [Am] 1976; 58: 453–458

6 Hohn DC, MacKav RD, Halliday B et al. Effect ofO2 tension and microbicidal function of leu-kocytes in wounds and in vitro. Surg Forum1976; 27: 18–20

7 Hunt TK, Linsey M, Grislis G et al. The effect ofdifferent ambient oxygen tensions on woundinfection. Ann Surg 1975; 181: 35–39

8 Nerlich M, Berger A. Weichteilverletzungenund ‑infektionen. Heidelberg: Springer; 2002

9 Oestern H-J, Tscherne H. Pathophysiologieund Klassifikation des Weichteilschadens beiFrakturen. Orthopäde 1983; 12: 2–8

Prof. Dr. med. Hans-Joerg OesternChefarztKlinik für Unfallchirurgie, Orthopädieund NeurotraumatologieAllgemeines Krankenhaus CelleSiemensplatz 429223 Celle

[email protected]

Abb. 14 Offene Fraktur Grad IV: Totale odersubtotale Amputation.

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