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llei'~ ad: ~ Timerding= Zum ers~en Bande der Gesamtausgabe yon F. Kleins wissenschaftl. Abh. 8~7

E s l~iBt sich somit aus der Sedimententwiektung ein allm~liches zentripetal ger~chtetes W6iter- ~greifen des gebir.gsbildenddn Vorganges heraus- lesen, .glelehsam ein wellenfdr~ni~ges Fortp~lanzen, das immer neue Falienzi~'ge dem Meere ent,reil~t nnd dem ~estlan& a~gliedert. Allerdings ,ist die- ser Vorgang nlcht in ununterbrochener Steti~keit verlaufen, .sondern meh.r~ach yon Stillst~inden, so- gar such yon !okal~rdie.kliiufigen Bewegung~n (Senkungen) unterbrochen gewesen~); ' i hre Be- de~utung tritt jedoch voltkommen zurfiek gegen- iiber dem allgemeinen, seit Beginn des J~ng- ~ert.i~.rs unverriickbar einem Ziete zustreben<lea Werdegang unseres Gebietes.

Fassen wi.r zum Schlusse die ~rgebnisse aus dem tekto'n.iseh bewegten niederalbanischen Sedl- mentationsbezirke zusammen ~nd vergleichen sie mit jenen aus den Schweizer Alpen, so konnten Wit ~hier (.in Albanien) die Ab]Mingigkei~ tier Se- dimentation sozusagen yon Kleinformen tier Ge- birgsbi]dung studieren, w~ihrend sich dor tde r Zu- sammenhang zwischen Sgdiment£acies und ge- wissan tek~on:ischen GroB£ormen (den (~roi]falten bzw. den GeoantiklinMen und -synklinalen der Schwelzer) ergeben hat; bier in der Schweiz ~ritt dee Untersehie5 zwischen der monotonen ,,Geo- sy~iktinalfacies" and der- ,,orogenetischen Facies" der Geoa~nti~kli~nalen hervor, w~ihrend sieh ir~ AI: banien der Vorgang der FaMesdif~erenzlerung sis solcher in se~ner hnmitteibaren Abh~ingi~keit yon der Auubil~d'ung tektonisc]~er GehiId'e yon nor- mMen Di,mensionen zeigt, so da~ man hier Yon ,,Antiklinal-" und ,,Synklinalfaeies" spreohen kann. I n beiden F~llen sind wir jedoch zu der ]~r~k,enntnis ge]angt, dM] d:ie Ausbilddng von echt orogene- tisehen Formen niche durehwe~s ~auf ~rol~.e Rind en¢,iefen ,beschrSnkt 4st und etwa die Gebings- bildung n o r in Formen ~ihntich den Epirogenesen an die E?d6berfliiche <turehgredft, ,sonde.rn dab vielmehr dle submarin sieh abspielen:den Faltungs- und ~berschiebungsvorg~inge die Grundursache der die Sedimententwickl.u*ng der ,,akfivenZonen" beherrschenden Erseheinung y o n Zykhsstdrung und hochgradiger facieller Differenzierung si~d.

Wivhtigste SpezdaUiteratur : Arbenz, Probleme der Sedimentatio~ und ihre Be-

zielm~gen zur Gebirg.sbild~ng in den Alpeni "v'ier~.- Jahrsschr. Naturf. Ges. Ziirich 19i9.

Horn, ?tiber die geologisehe Bedeutun,g der Tiefsee- gr~ben; Geol. Rundschau V (1914).

Rothan, Tektonische Untersuchungen.im n ordSstlichen Teil der A~uia; Viert.-Jahr~hr. Nat~arf. Ges. Ztirich 1918.

Sta~tb, ?dber Facie~verteilu~g und Orogenese in den siid- 5stl. Sch~ei~zer Alpen; Beitr. z. geol.-Karte der Schv~eiz XLVL 3 (1917).

Tornquist, Die Annahme tier submarinen Erhebung des Alpenzuges. Sitzber. PreuS. Ak. d. Wiss. Berlin 1909.

~o) Das lehrt uns das Vorkommen yon tokalen Transgressionen und der Charakter der Ablagerungen gewisser Zeitabsehnitte.

E. Nowack, ?3ber Beeinflussung de~ Sedimentation 4urch Gebi~gsbfldun~; Mi~t. Geol. Ges. Wien 1920.

E. Nowack, Cber nachterti~re FMte~bewegungen in Albanien; Geol. Rundschau XII (1921);

Zum ersten Bande der Gesamtausgabe yon Fel ix Kleins wissenschaft l ichen

Abhandlungen. Von H. E. Tiinerding, Braunschweig.

Am 10. Dezember 1918 wu~de Fell2 Klein zu seinem goldenen Doktorjubiliium ~ eine Adresse ii.berreicht, in der die Schaffung einer Stiftung ~iir die Herausgabe seiner wissenscha~tlichen Abhandluixgen ausgesprochen war. Unmi¢t~bar d~arau~ wurde das UnCernehmen se~bst J~a An- grill gen0mmen, 'als dessen erste Frucht jetzt tier die geometrischen Arbeiten des gro~en ]~[a- thematikers enthaltende Band vorliegtt), t~ber diesen Band sell ,bier kurz berichtet Wer~den. I n den 33 darin vereinigten Abhand~ungen Jst eln Gehalt an Forscllungsartbeit niedergele~, der ,se~l~s~verst~indlich zu reich ist, ale :dat~ ~r. in einer knappen, allge'inein verstiindlichen Darstellung auch nur einigermal~e~ gekennzei¢hne~ werden kdnnte. Es kann al]'ein ,gesag¢ werden, welche Rolle diese Un~ersuchungen in der persdntiohen Ent~ieklung Kleins und' in d~r Gesehiehte der :mathematlschen Wissenschaft ,gespielt ha~ben.

Die Geomet~ie war das erste Gebiet, dem sich der junge Gelehrte-in seinem gI~inzen,den Auf- stieg zuwandte: Er war . in Bonn Plueclcers Schiller geworden. Kaum neunzehnj~ihrig schl0B er seine Studien mit der Promotion ab ,and ~ h l t e als Gegen,stanc~. seiner DisseTta¢i,a~ eine Frage der Liniengeomeirie, die gerade damals Plueclcer bear'beitete, usa damit seinem Lehrgebiiucle der anMytisehen Geometrie den Sc~hluBstein einzu- ~[igen. Klein selbst wa.r es, der die zusammen- fassende Darstellung seines Lehrers nach dessen Tode zum A b~chluB brachte . . In seiner eigenen Arbeit aber ging er sofort wesentlieh fiber die Betrachtungsweise, der Pluec~er se]bst folgte, hinaus, indem er~ in kfihner ~berwindung der dutch .die Realit~it gesetzten Schranken zu der Bil~dung einer kanonischen "Gleiehnngsform fiir die Linienkomplexe °zweiten G, rades aufstieg. Es ist hier vlellelcht die Ste]le, we sich die ~iltere Geometrie, die an der Anschauung und damit an der Realit~it der betrach¢eten G~bilde halter, am sch~irfsten yon der neuen Richtung scheidet, die in tier Geometrie denselben Schrltt rut, wie er in der ALgebra durch die Einfiihrung der komplexen Zahlen geschieht. Wie die Ausbildung tier Al- gebra erst mdglich wurde dutch die Benutzung der kamptexen Zahlen, so hat such die Geometrie, die, we nieht ReaHtiitsbetrachtungen unmittelbar

~) Felix Klein, Gesammelte mathematisehe Abhan.d- lun~en. Ersier Band: Ltnieageometrie, Grundlegung der Geometrie, zum Erlanser Programm. tteraus- g e~eben ~on R. Fricke u ~ A° Ostrowski. Berlin, Julius Springer, 1921; XII, 612 S. Preie ~L 186,--.

898 Timerding': Z u m e r s t e n Bande der Gesamtausg'abe yon F .Kle ins wissensehaft l . Abh. I D,. 2~atur- [wissensehaf~ea

gefordert sind, die algebraisehe Allgemeiagfiltig~ kelt auf die r~iumHehen Gebilde iibertrii, gt, dutch die Einbezleh'ung des Imaginii.ren sofort die be, deutungsvollsten Ergebnisse gezeitigt, nament- ]ieh aueh, indem sie die Trennung yon Analysis und Geometrie iiberwinden und beide befrueh- tend aufeinander einwirken lassen konnte. So ergab sleh auf diesem Wege in KIeins Disser- tation sofort die fiberrasehend einfaehe Her- ]eitung der quadratisehen Linien'komplexe, welehe dieselbe S'ingularitatenfliiehe besitzen, und gleieh- zeltig eine Ffille geometriseher Eigensehaften dieser Fliiehe, 'der bekannten Kummersehen Ftiiehe 4. Ordnung und 4. Klasse mit t6 Doppel- punkten un.d 16 Doppelebenen.

Klein hat die hier angestelhen Betraehtungen ia einer Reihe weiterer Ar'bei~en fortgef.ii,hrt, die im vorliegenden Bande ebenfalls ihre Stelle ,gefun- den haben (Abh. I I his XI). ttierbe'i drang er auf der einen Seite immer ti.efer in die E,igensehaften der Kummersehea Fliiehe eln und wurde na- mentlieh tiber die algebraisehe Darstellung hin- aus den funktiontheoretisehen Zusammenhiingen, die bei der K'ummersehen Fl~ehe in besonders sehbner und einfaeher Weise hervortreten, zuge- fiihrt (Abh. IX) . So wurde er auf die Bahn hingelenkt, auf der er spiiter die gliinzendsten Erfolge erzielte: die Synthese der Geometrie mit der Algebra und Funktion.entheorie. Aus der Fiille der damit erlangten Gesiehtspunkte heraus ist er sp~ter (1885 "ttn,d 1886) wleder auf .die Kummersehe F]iiehe eingegangen (Abb. X I I und X I I I im vorliegenden Bande), die friiheren Untersuchungen damit z u einem gewissen Ab- sehhfl b,ringend. Auf der anderen Selte wurde aber Klein in seinen linien.geometrisehen Be- traehtungen. -veranlaBt, an diesem Beispiel zu zeigen, wie die algebraisehe Behandhng dazu ftihrt, yon der geometrisehen Besonderheit eines riiumliehen Gebil, des wie der geraden Linie an sieh abzusehen und das Augenmerk allein auf den Charakter der Nanni,gfalt~gkeit zu lenken, welehe die Gesamtheit alter gleiehartigen Ge- bilde, also im besonderen Falle die Gesamtheit aller geraden Linien, darstellt. Dieser Charakter wi.rd im Falle der-Liniengeometrio erst gekliirt, wenn als das Element nleht .die gerade Linie, son dern der Linienkomplex ersten Grades gew~h]t wird; der speziell in ,die Gesamtheit aller eine gegebene gera,de LiMe treffenden Strahlen aus- arten &ann und dann einfaeh du,re.h diese. L~nie bestimmt wird, sle also gewissermaBen repr~sen- tiert. Der Charakter der Liniengeomet'rie wi, rd d'ann gekennzeiehnet dureh elnen Ausd'r:uek wen- cher als das :~foment zweler llnearer. Komplexe t)ezeiehnet werden un,d zur allgemei,nen Fest- le~gung elnes veriinderliehen Komptexes dutch seebs test gegebene FundamentalkompIexe dienen kann. E.ine Verii~derung dieses Bezugssystems tier seehs Fundamentalkomplexe bedeutet eine linen.re Transformation der zug'eh5rigen allgemei- non Linienkoordinaten. Dabel rout3 aber j e d e r

spezlelle Komplex in einell speziellen Kolnplex. fibergehen, denn dann gehen auch ,die durch dlese Komplexe reprfisentierten geraden Linien inein- ander fiber. A]gebraiseh bedeutet das aber, dat~ eine bestimmte quadratische Form der Linien- koordinaten durch die linearen Transformationen in sieh iibergefiih.rt wird, :und dureh diese Trans- formationsgruppe nn,d die zugehbrige invariante q~uadratische Form wird die Gesamthelt der ge- raden Linien des ]t, aumes charakterisidrt.

Yon hier aus war es nur eln Schritt zu den epochemachenden, Arbeiten Kleins fiber .die nicht- euk]idische Geometrie, .welche in dem vo.rliegenden Bande die Abhandlungen XV bis X I X bilden und in den Jahren 1871 his 1874 erseh~enen sind. Klein ging dabei aus yon Untersuchungen Cay- leys, der die Mal3bestimmung der metrischen Geo- metrie der Lagenbestimm'ung der projektiven Geometrie unterordnete. Die auf diesem Wege sieh ergebenden algebralschen-Forme]n brauchte Klei~n nur za veratltgemeinern, um mit einem Sob]age alas Pr.o,blem ,der niehteuklidisehen Geo- metrie in ein neues Licht zu riicken. Die Bolyai- Lobatschewskysehe Geometrie erschien dabei nut als einer yon, dret mbgliehen F~illen, den KleM als hyperbolische Geometrie kennzeichnet. Die eukl'idische Geometrie erscheint als parabolische Geometrie, un, d' a]s dritter Fall, der elnem un- ~begrenzten, abet nicht unendliehen Raum ent- spreehen wiirde, tritt die elllptische Geometrle hinzu, deren eigenartlgen und mer.kwfirdigm~ Charakter bald darauf Clifford mit genialer I1t- tuition, b]ol31e.gte.

Die K]einschen Arbeiten tiber die nicht- euk]idische Geometrie sind durch augergewbhn- tiche Klarheit und Sehbnheit ausgezeichnet. Sie sind aber aueh ein merkwiirdiges Beispiel fiir die Art, wle sich ,die mat.hematische Forschun~ ent- wiekelt. Kleins Ausgangspunkt ist n~imlich durch- aus die intuitive E rfassung des Problems. Ge- fade dadurch, dab man, wie er es tut, in der Ebene einen Kege]schnitt, im Raume eine Fliiehe Zweiter Ordnung (die aber nleht reell zu seiu brauehen) aIs Grundlage einer projekiiven ]~[at~- bestimmung wiihlt, w.i~rd die niehteuklidisehe Geometrie auf das hbehst erreiehbare ]~Ial3 geo- metriseher Einfaehbeib gebraeht. Die sehbne Beltramisehe Interpretation ,der drel Geometrie- arten (als die Geometrien auf den Fliiehen kon- stanter positiver, versehwindender o.der n egativer Kriimmung) verliert ihre ansehauliehe Bed'eutung. sowie es sieh um den Raum ,handelt. Kleins Darstellung umfaflt abet das d.reldimensionale Gebiet mit derselben ansehauliehen Klarhelt, uml sic hat aul]erdem den grol]en Wert, dab sie den drei metrischen Geometrien die projektive Geo- me~rie in gleieher Weise fiberordnet. Es ist nun hbehst bezeiehnend, d.ag gerade .die seharfe ]o- gisehe Zergliederun.g der Geometrie doeh wesent- lieh an die Kleinsehen Arbelten ankniipft. Diese logisehe Zergliederung verkibrpert sleh in der so- genamlten Axiomatik, indem es sleh wesentlieh

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daruTa handelt die unbewiesen bleibenden Vor- atlssetzungen tier logisehen Ableitang blol]- zutegen. So zeigt sich deut}ich an diesem Bet- spiel die merkwfirdige Tatsache, d.al] die geniale Intuition, wenn nicht immer, so doeh in vieIen F~llen auctl die Quelle der nach dsr Meinnng des Laien dem Gebiete der schSpferischen Phantasie am weitesten entrfickten Wissenschaft, der Ma- thematik, ist.

Klein hat seine Theorie der nichteukKdischen Geometrie sparer in ¥orlesungen behand~e]t, die in autographiseher :Repr(>duktion erschienen sind. Eine LReihe dabei neu hervortretender Gesiehts- punkt.e, sind in einer besonderen Abha~dlung (G~r. X X I im vorliegenden Bande) niedergelegt. Besonders tiehtvo]l hat er sieh fiber seine Ansieh- ten yon der al]'gemeinen Bedeutung und Be~,rfin- dung der Geometrie in dem Crutaehten zur ersten Verteitun,g des Lobatsehewskypreises im ffahre i897 (Abh. X X I t ) ausgesproehen, tiler ist aueh das Gebiet b~riihrt, auf d,as sich der letzte Tell der in dem vorliegenden Bande vereinigten Ab- hand'Iur~gen bezieht, soweit es slch mn geome- trisehe oder physikalische Probleme handel t . :Es ist ,dies das Gebiet der kontinuierliehen Transfor- mationsgrupperi. Die Kteinsehe Deutung deer nichteuklldfsehen Geomet, rie wie seine :Behand- lung der Liniengeometrie liitlt s ich damit un- mittelbar in Zusammenhang bringen, in,dem sich die Besonderheit der einzelnen Geometrien ge- radeztt durch die ]hnen zugewiesene Transforma- tionsgruppe kennzeichnen lallV. Es han delt sich dabei um die T ransformationen, welche wie die Kongruenzen der euklid'isehen Geometrie die Mal~beziehungen unge~ndert lassen, und' es ist sofort klar, dal~ d iese Transformationen die pro- jektNen (kollinearen) Transformationen sind, welche die de r Mal]bestimmung zugrundegelegte Kurve oder Fl~che zweiter Ordnung in sieh transformieren.

Die Fragestellung, die Klein gemeinsam mit Soph.us Lfe znerst an die kontinuierliehen Trans- formationsgruppen herange~fih, rt. hatte, war frei- ]ich eine andere gewesen. Es war das Problem der sogenannten W-IKurven, d. h. der Kurven, zu denen such die ]ogarithmischen Spira]en gehSren und die dutch eine kontlnuierliche Gruppe yon einfaeh unendlieh vlelen vertauschbaren kotli- nearen Transformationen in sieh fibergeffihrt werden. Diese Betrachtungen sind dfirch eine grol~e Einfaehheit und E]eganz ausgezeichnet. Ihr \Vert liegt aber haupts~ehiieh darin, dal~ sie den Weg zu den Forsehungen gebahnt haben, die emen groi~en, Tell der Lebensarbeit yon Klein und Lie ausgemacht und die matt~ematisehe Welt eine Zeitlang geradezu beherrscbt haben. D~r Gedanke, die Geometr~e dureh den Gruppenbe- griff durchaus zu bestlmmen nnd zu leiten, is t such die leitende Idee der bekannten Erlanger Prog.rammsehrift, mit der Klein zweiundzwanzig- j~hrig sein Amt a]s or,dentlicher Professor an der Universitiit Erlangen antrat. Diese Sehrift, die

Timerding: Zum ersten Ban(le der Gesamtausgabe yon F. Kleins wissenschaffl. Abh. 89~

sich als ,ve rgleich.ende Betraehtungen fiber neuere geometrische Forschungen" darbietet, ist im wahren Sinne ein Programm. Sie will nieht sowohl iib6r vorliegende Untersuehungen berich- ten als vielmehr den Weg ffi¢ die weitere Ent- wicklung weisen, und ein Vierteljahrhundert ist aueh die Entwlcklung durch die hier aiedergeleg- ten Ideen bestimmt gewesen, bis andere I%ichtun- gen mehr und mehr zur I-Ier.rsehaft gelangten.

In den letzten Jahren fand Klein zweimal VeranIassung, die Gesichtspunkte, die ffir ihn beim Eintritt in seine wissensehaftliche For- scbungsarbeit bestimmend waren, noehmals zu entwiekeln. Zuerst um die Wende des ffahr- hun derts, als Sir .Robert Stawell Ball seine ,,Sehraube~ltheorie", die er yon den siebziger ffah- ren an we~ter und welter ausgebildet, hatte, in ether zusammenhangenden Da.rstellurtg herausgab. Ball war schon, gleich bei Beginn seiner ~Unter- suehungen zu BegriffsbiMungen getangL die mit den Fundamentalkomt)lexen in Kleins Liniengeo- metrle wesentllch fi,bereinstimmten. Der leitende Gedanke Balls, die Liniengeometrie mit der Me- ehanik sbsrrer KSrper ztt verkoppeln, w.ar schon in Plueckers ersten YerSffentlichun:gen fiber Linieageometrie hervorgetreten und Klein setbst war diesen I deen bereits 1871 (Abh. XIV des vor- liegenden Bandes) weifer naehgegangen. Er gri l l nun im Ja.hre 1901, nachdem er inzwischen Jn seiner Theorie dee Krelse]s die ~deehanik des s~arr'en KSrpers an eiaem besonderen Problem tiefgriindig behandelt hatte, die frfiheren Be- tra chtungen w%der auf, wesentlicl~ um &e grund- s~itzliehen Gesiehtspunkte einer absehlieBenden KF~rung zuzuffihren (Abh. X I X im vor]iegenden Bande). Er, der sich ursprfnglich ganz der Phy- sik hatte zuwenden wollen u~d seheinbar nur durch einen Zufa]l, in Wirklichkeit aber doeh wshl dureh eine innere Bes¢immung der Mathe- matik zugetrieben worden War, nachdem er eine Zeitlang allen Ernstes gehofft hatte, naeh einer mathematischen Zwischenzeit zur Physik zurfick- zukehren, war im Laufe der ,lahre immer mehr dazu gekomm'en, die physikalischen Vorg~nge nl~ter dem Gesiehtswlnkel des ~athematikers zu sehen, und so steht~ ahch hier das mathematlsche Interesse durchaus im Vordergrunde.

Das Gleiche ist der Fall bet den nun noeh fol- genden Abhand]nngen (XXX bis X X X I I I ) , die ~n die Einsteinsche Relativit~tstheorle an- knfipfen und auf deren mathematisehe Abkl~rung hinzieten. Diese Theorie, ~die me:hr a}s je ein Gebiet der ex~kt wissensehaftliehen Forschung sich die regste Anteilnahme der breitesten 0f- £entliehkeit erobert hat, fand naeh den ersten Ar- beiten Einsteins die seither mal3g'ebende Ansge- staltung dureh Min]cowsl;i, der in seiner ,Raum- zeitwelt" eine fiberraschend elnfache und' kla.re Darstellung der Einsteinsehen Ideen gab. Diese Darstellt~ng aber rtickt elne Gruppe yon llnearen Transfo.rmationei~ der Raumzeltvar~ablen in den Vordergrund, die naeh ihrem Entdecker als die

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]~orentzgruppe bezeichnet wird, und damit wieder ~=amen d ie ?3b¢rlegungen, die im Er langer l~ro - g r amm die entscheid~nde Rot].e gespielt bat ten, er- neut zu Ehren, insbesondere gerade die Begri f fs- bi tdungen, die bei Kleins Grundlegung der nicht- euklidischen Geometrie die F i i h rung hatten. Nu:r daf~ Klein darnels die F~l le auszeichnete~ in denen .der yon .einem Punk te des Raumes ausgehende, die Fundamentat~t~iehe bert ihrende Fundamen ta l - kegel imagiMir ist, 5viihrend b ie r gerade der Fa l l e in t r i t t , dal~ in d'er entsprechenden Uber t ragung au~ .die vierdi.mensionale Raumzei twel t tier yon einem Raumzei tpunkt ausgehende dreidimensio- hale FunYdamentalkegeI ~der ~Nullkegel reell wird. Dami t stehen die paradoxen, aber den eigent l iehen ] (e rn ausmachenden Folg~rungen tier Retat ivi- t~tst.heorie bekannt l ich in unmittel~barem Zusam- menhange. Abet die Unte rordnung unter die pro- jekt ive ]k[at~bestimmung ble ib t auch so erhalten, und da rau f vzesen~lich weist Klein in seine.r A t - belt bin.

!%un schr i t t .die w~ssenschaftliche Forschung rasch welter, xNeben die spezielle Relativit~itstheo- t ie t r a t die allgemeine. I n dieser fanden die yon Riemann, ausgehenden Untersuchungen f iber ganz allgemeine Riiume von beliebig vielen Dimen- sionen, die hUe im Unendl ichkle inen dem Raum tier Anschauung zu entsprechen brauchen, einen merkwii rdigen ,Niederschlag, un'd' die Worte, mi t denen Riemann dama]s seinen ber i ihmt gew.or- denen Hab i l i t a t ionsvor t r ag geschlossen hatte, e.r- ]angten eiue prophefisehe Bedeutung: ,,Solehe Untersuchungen, welche, wie die hier gefi ihrte, yon Mlgemeinen Begri£~en ausgehen, kSnnen dazu dienen, dal~ die Umarbe i tung der iib'er~ommenen rJiumlich ~mechanisehen ¥ors te l lungen nicht, du tch .die Beschr~inktheit der Begr i f fe gehinder t un, d der F o r t s c h r i t t im Erkennen des Zusammen- han ges tier Dinge nieht durch tiberlie~erte Vor- ur te i le gehemmt wird." Diese Worte hatte Klein selbst 1872 in seinem zweiten Au~satz iiber d~e nich~euklidische Geometr ie angef i ihr t (S. 313 des vor l iegenden Bandes) . Abe t n ieht blo~ die lel- tenden Ideen 2~iemanns, auch die ers t allm~ihlich erschlossenen analyt ischen Ableitunge'n; die er bei dem ¥ o r t r a g unte~c~rficken mu~te , e r langten an dem besonderen Fa l le der vierdimensionalen R aumzeitwett grundlegende Bedeutun.g.

Die Art , wie Klein in die Entwicklung der Relat ivif i i ts theorie ein,~riff, ist durch d ie beson- dere Fo rm bedingt, in der diese vor sich ging. F a s t genat~ g]eiehzei t ig mi t Einstein un.d una.b- hiingig yon ibm hat te n~mlich Hilbert in der GStt iuger Gesel lschaft der Wissensehaften die entscheidenden Dar legungen im :November 1915 gegeben. Klein suchte den mathemat ischen Go- ha l t dieser Da.rlegungen nun wel ter zu k]~ren und f t ihr te seine Betrachtungen, nachdem ~n- zwischen die neuen Arbe i ten yon Einstein und de Sitter erschlenen waren, im 5ahre 1918 noch wel ter aus. Er ha t sich dami t u m die Ausbil- d u n g dieser Theor~e ein Yerdiens t erworben,

Besprechungen, [ Die 17atur- [wissensehaften

dessert BedeuVung erst v511ig ,gekl~rt sein wird, wenn eimnal der ganze Gehat~ der T:hearie in ,allen seinen Fo lgerungen abschliel~end dar- gestet l t ist,. Auf jeden Fa l l haben die Ausf i ih- rungen Klein,s fiber ,die Grund lagen der Geo- metrie, d ie er in seinen ' Ju,gendjahren gegeben hat , du t ch die neue Ent wicklung der W[ssen- schaf~ elne unerwar te te .]3eteuchtung erfahren und ihre Wich t i~ke i t bewiesen. Der Gedanke des in sich geschlossenen Raume's, also eines un- begrenzten, abet n ich t unendl ichen Raumes, der damals als eine blol]e mathematische Spekula t ion ersehien, rt ickte je tz t in gre i fbare N~ihe. A~f die Einzel.heiten einzugehen ist h ier n icht ~nSgI'ich, we es sich nur um eine Anzeige ~nd Inha l t s - arrgabe des vor l iegenden Bandes der Abhand- lungen haade ln konnte: Der kund ige Leser wird sigh an C~r.t und SCel]e am ben ten setbst unter- r ichten. Hoffent l i~h wer.den ,nun auc~]~ ~ e fol- genden B~in.de trotz der Un¢uns t tier -Verh~iltnis,se erseheinen kSnnen, u nd d'as Bild yon Kleins Lebenswerk, soweit es sich in der mathematischen For.schung verkS,rpert, .wird dami t aueh alas B ild dies er e inzigar t igen wissenschaftlic%en PersSn~ li~hkeit klar in die Erseheinung t re ten lassen.

B e s p r e c h u n g e n . Gerlach~ Walther, Die experimentellen Grundlagen der

Quantentheorie. Sammlung Viewe~, Ta~esfrag~n aus den Gebiefsen der Naturw~ssen.schaft.en und der Tech'n~ik. Bra~unsehwei~o Fr. Vieweg & Sohn, 1921. VIII, 143 S. und 43 F, iguren. Prets M. 12,--. Fiir den .na ch dem Kriege zur Besch~ft~@ung mit

seiner Wiasenschaft zurfickk~hrenden Physiker w~r e~ n'ichf~ leicht,, sich tLber die umw~l.ze~den Fortschritbe, ~ie ~n ~ler Kria~szeit auf dem ~ebiete der Atomphy~ik $emacht wordea waren, zu or~entieren, w eil kei.ne zu- sammenfassende Bearbeitung des Gebietes vorlag. Diesem ?dbel~tande v¢ur~te aber .bssld a'bgeholfen. D~s Erscheinen yon Sommerfelds bekann~tem Buche ,,Atom- bau ,and .SpektrM~ini.en" wt~rd, e yon vielen al~ el,he be- frei~nde Tat empfunden, zumal: d~s~ ,es n ieht nur t~en Physikern, ~ondern auch ohlen Natur.wissensck~tlern eiaen Einb],ick zu verschaffen euchre in ,~ie wtmder- baron Er~,ebnisse tier spek~roskopischen Atolnf.orschung, die im Z usammenhamge mit Bohrs Atommo~te]l in rwschester Folge erzielt wor&en waren. Von de,n zahP relchen sonstig~en, in tier Zvcisehenzeit erscMenenen Sehrift~en, die Meh mit dem neu.en Gebiete besch~ftigen, scheint vor ~llem des Buch yon F. Reiche, ,,D~e Quanten- theor.ie, ihr Ursprung nnd .ihre Ent,wicklung", erw~h- nensw.ert, dsss ei,n,en Uberbliek fiber al]e mit tier Quantentheor,ie zusammea.h~ngenden Fragen gibt un/i dessen Lektiire dank ,der hervorrsbgenden D.arstelhngs- kunst .d.es Yerfassers uuf ,d.en Lesser einen eiffenartigen Reiz ~u~fibt und Ehulieh'e Empfind, ung.~n weckt, wie wenn man sich von einem ,re,it gll,en Einz~lh, eiben ver: trenton Ffihrer ~urch ein grebes, merkwfirdiges Ge- bEude ~n, if, vielen interes~a,nten :R~umen, GEngen ,und Trepp,en ffihren l~Bt. D~e~en wen, d~et sieh d,as Btieh- lein, yon dem bier die t~eda sei,n soil, vor a,t'lem an diejenig, en, ,&i,e wissen wellen, auf welehen Fun~damen- ten das stolze C~eb~ude ruht, mit dem wir d~e Qt~ant,en- th.eorie ver~Mehen haben. Es entsteht .so d.l.e Frage