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Aus der KSnigl. Universit~ts-Ohrenklinik zu Halle a. S. (Geh. Med..Rat Prof. Dr. H. Sehwar tze ) .

Znr Prognose der Schussverletzungen des Ohres, Von

Prof. Dr. K. Grunert~ erstem Assistenten der Klinik.

Es empfiehlt sich, die Schiisse i n den GehSrgang zu trennen yon den Streifsehilssen des Ohres. Bei den ersteren nimmt das Projektil seinen Ausgang yon der ~ufieren OhrSffnung und seine Riehtung in die Tiefe des Seh~dels, bei den letzteren dagegen liegt die Einsehu135ffnung in der Umgebung des Ohres; das Ohr wird an denjenigen Stellen in Mitleidensehaft gezogen, in denen die mehr seitlieh geriehtete Schuf~linie das naeh der Tiefe hin gerichtete Felsenbein kreuzt. Diese Kreuzungsstelle liegt in :der Regel :in den lateralen Teilen des Felsenbeins und maeht es ohne weiteres verstaadlieh, weshalb die Streifsehtisse des Ohres im allgemeinen eine bessere Prognose geben als die tiefen Ge- hSrgangsschUsse. Fi|r letztere hat v. B e r g m a n n (1) noeh im Jahre 1880 die Prognose als fast ausnahmslos ungUnstig be- zeiehnet. Bis zu jenem Zeitpunkte konnte er aus der Literatur nut zwei einschl~gige F~Ile anfahren~ bei welehen sieh die infauste Prognose nieht best~tigt hatte. Indessen h~uften sieb bald die Beobaehtungen, welehe zeigten, daft die yon v. Berg- mann aufgestellte Prognose zu dtlster gef~rbt war. Bereits 1885 konnte S e h w a r t z e (2) eine Anzahl yon F~llen zusammenstellen~ bei denen sieh die infauste Prognose v. B e r g m a n n s nieht be- wahrheitet batte. Da der auf den GehSrgang aufgesetzte Lauf der SehuBwaffe gewShnlieh naeh hinten geriehtet ist, erkl~rt es sieh, dal~ sehr h~ufig das Projektil die hintere GehSrgangswand perforiert und sieh in den Warzenfortsatz einkeilt. Hierdurch wird einerseits die direkte Wirkung des Gesehosses auf den resistenten Warzenfortsatz besehr~nkt; die grofien Gef~e werden nieht verletzt,

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die Carotis nicht, weil sie zu tief liegt, und der Sinus sigmoideus nicht, well sieh die Kugel gewShnlieh medianw~rts yon ihm in den Warzenfortsatz einkeilt; und andererseits sind die Chaneen far die operative Entfernung des Projektils relativ gtlnstige. So konnte B e z o l d (3) im Jahre 1893 bereits eine grSl~ere Anzahl yon F~llen zusammenstellen, bei denen durch operative Entfer- nun~ der Kugel aus dem Warzenteil des Sehl~fenbeins das Leben des Verletzten erhalten wurde. Aueh im letzten Jahrzehnt ist eine Anzahl einsehl~giger, gtinstig verlaufener F~lle yon Sehul~- verletzungen ins Ohr mitgeteiit women. Ieh verweise nur auf die Zusammenstellung P a s s o w s (4) in der Euzyklop~die yon B 1 a u , sowie auf die Literaturaugaben yon B e r n h a r d t (5).

Indessen ist trotz all der gtinstigen Ausg~nge in eiuzelnen Fallen der letale Ausgang h~ufiger. Meistens ist derselbe die unmittelbare Folge der Verletzung, in seltenen F~llen abet ftihrt die Sehul~verletzung nieht unmittelbar zum Tode, soudern nur mittelbar, indem sieh letale intrakranielle Komplikationen an die- selbe ansehliet~en. Auf dicse Weise kann zwisehen Sehufiver- letzung und tSdliehem Ausgauge ein kilrzerer oder l~ngerer Zeit- raum liegen, lnteressant in dieser Hinsieht ist der yon P r e y - sing' und S c h w a r t z (6) aus der Rostocker Klinik mitgeteilte Fall~ bei welchem zwisehen Trauma und dem an Leptomenin~ gitis erfolgten Tode ein Zeitraum yon 31/2 Jahren lag. Die Lepto- meningitis war induziert worden dureh eine sehleiehende Eite- rung und Karies der oberen GehSrgangswandl welehe unterhalten wurde durch einen hirsekorngrof6en Kugelsplitter, welehe bei der 1 Jahr zurllekliegenden operativen Entfernung der Kugel nieht mit entfernt worden war.

Die Verletzungen~ welche die direkten Ohrschtlsse setzen, sind je nach der SchuSrichtung verschieden. Die Unregelm~l~ig- keit ist bier Regel. Alle Teile des Ohres kSnnen betroffen sein; gewShnlieh partizipieren die heterogensten Teile an der Ver- letzung, sind doeh auf den engen Bezirk des Sehl~fenbeins die heterogensten Teile dieht zusammengedr~ngt.

Der Fall yon direkter Schufiverletzung des Ohres~ welchen wit im letzten Jahre beobaehtet haben~ bietet ja beztiglich des giinstigen Ansganges nichts besonderes dar. Indessen unter- scheidet er sieh doeh so yon den in der Literatur mitgeteilten Fallen~ daft wir nieht VermSgen, ihm aus der Literatur ein Pen- dant zur Seite zu stellen. Diese Sonderstellung desselben macht es uns zur Pfiicht~ ihn den Faehgenossen ausftthrlieh mitzuteilen.

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Reinhold T., 29 Jahre alt, Schuhmacher aus Ch.~ rez. am 20. Jani, entlassen am 26. Juli 1902.

Patient hat angeblich niemals Ohreiterung gehabt, aber immer etwas schwer gehSrt auf dem rechten Ohre. Nach seiner Beschreibung scheint er 5fter an CerumenpfrSpfen gelitten zu haben.

Am 17. M~rz 1902 hat sich Patient in Verzweiflung fiber eiue chronische Gonorrhoe mit einem 8 ram-Revolver in selbstmSrderiscber Absicht in das rechte Ohr geschossen, indem er die Schul~waffe direct in die Aul~ere Ohr- 5ffnung setzte. Patient wurde nicht bewul~tlos, sondern verspfirte nur un- mittelbar nach dem Schusse ein starkes Ohrensausen; ,,der gauze Kopf brummte". Zugleich trat eine starke Blutung aus dem Ohre auf and erheb- liche Schwerb6rigkeit, aber kein Schwindel. Am n~chsten Tage stelIten sich Halssehmerzen ein, und nach 13Tagen h u s t e t e de r V e r l e t z t e d i e K u g e l aus.

S t a t u s p r a e s e n s : Kr~ftiger, !his auf eine ebronische Gonorrhoe ge- sunder Mann.

Umgebung des reehtea Ohres ohne abnormeu Befuud. G e h S r g a n g - u n d T r o m m e l f e l l b e f u n d : Der rechte GehSrgang

welt. An der vorderen unteren GehSrgangswand eine l~ngliche Narbe. Trom- melfell verdiekt und etwas gerStet. Hammer nicht deutlich sichtbar. Un- ef~hr in der Mitre, docb etwas mehr nach vorn und unten oine l~ngliche erioration, in welcher Eiter pulsiert. Siebtbare Paukensehleimhaut geschwolien.

Links: Trommelfell triib, ohne Lichtreflex, binten unten Narbe. H 6 r p r a fun g: Leise Fltlsterworte rechts wenigstens I Meter, ffir Zahlen

0,25 Meter. C veto Scheitel und fiber die Mittellinie hinaus nach reehts. C recbts wenig herabgesetzt, links normal. C veto Scheitel und fiber die Mittellinie hinaus nach rechts. Beim K a t h e t e r i s m u s t u b a e rechts Rasseln und Perforatiousger~usch.

Fieberfrei. Die Heilung der Eiterung nahm eine, n ungestSrten Verlauf, am 19. Juli

war die Perforation geschlossen. Am 26. Jali wurde Patient geheilt en~- lassen. Leise Fl~isterworte 0,50 m.

E p i k r i s e . W~thrend in de r Mehrzahl der GehSrgangs - schlisse das Gesehol~ die h intere G e h S r g a n g s w a n d per for ie r t und sieh in den Warzenfor t sa tz e inke i l t , hubert wi r in unserem F a l l e e ine ganz ande re Schul~richtung v o r u n s . Die u n v e r k e n n b a r e I~arbe der vorderen unteren G e h S r g a n g s w a n d in V e r b i n d u n g

mi t de r Ta t s ache , dab tier Ver le tz te das Gesehol~ ausgehus t e t hat , ze igt a u f das deu t l i ehs te , da~ hier das P r o j e k t i l se ine R ieh tung nach vorn unten innen genommen hat . Es is t in de r

T a t i,n hohem G r a d e w u n d e r b a r , wie diese R ieh tung ha t zu- s t ande kommen kSnnen. Se lbs t wenn man a n n i m m t , dal~ der Yer le tz te im Moment des Abdr i i ekens des Revolvers mi t de r H a n d gez i t t e r t hat , so k a n n man sieh doch das Z u s t a n d e k o m m e n

d iese r R ieh tung k a u m erkl~tren. Um diese Sehu•riohtung zu e r m S g l i c h e n , muI~ tier E l lbogen bei dem Suic idversuch abno rm we l t nach h in ten oben ges t anden h a b e n , und zwar in e ine r Stellung~ die nur dureh e ine l iberaus kr~f t ige , fast schmerzhaf te M u s k e l a n s t r e n g u n g zu e r re iehen war . De r Pa t i en t konn te l e ide r

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keine genaueren Angaben darUber machen, wie er die Revolver- miindung auf das Ohr aufgesetzt hatte.

Die genaue Rekonstruktion tier Schul~linie ist in unserem Fatle auch nicht mSglieh, da die Untersuehung yon Mund und RaehenhShle die Austrittstelle des sparer ausgehusteten Ge- schosses;nicht erkennen lie~. Bedauerlieh ist, dab ein genaues Beobachtungsresultat des Falles im unmittelbaren AnsehluB an die Schul~verletzung aussteht. Der Kranke selbst gibt an, yore Tage bach der Verletzung an Halsschmerzen und Sehlu¢k- besehwerden gehabt zu haben. Ob und wo eine Anschwellung im Halse aufgetreten ist~ weil~ er ebensowenig anzugeben, als tiber die naheren ¥organge bei dem am 13. Tage naeh dem Trauma er- folgten Aushusten des Gesehosses. Dieses letztere, unerwartet gfinstige Ereignis, welches den Fall geradezu zu einem Unikum stempelt, ist ja an und ftlr sich nicht so auffallig. Wunderbar ist nur, da~ die Kugel auf ihrer tlberaus gefahrlichen Bahn keine grS[~eren Verletzungen gesetzt hat, wie das Fehlcn irgend- welcher sekundaren St5run~en beweist.

Als wir den Kranken am 20. Juni v. Js., d. h. ca. 3 Monate nach der Schul~verletzung~ zuerst zu Gesicht bekamen~ bestand eine Mittelohreiterung mit grSl~erer l£nglicher Perforation des Trommelfells. Ob diese Perforation als traumatische aufzufassen ist, an die sich schliel~lich die Eiterung angesehlossen, entzieht sich dem sicheren Nachweise. So lange Zeit nach der Ver- tetzung waren ja auch, besonders bei bestehender Eiterung, keine sieheren Anzeichen fllr den traumatischen Charakter des Trommelfellloehes~ insbesondere keine Blumngsresiduen~ mehr zu erwarten. Trotzdem ist mit grol~er Wahrseheinlichkeit die traumatisehe Natur der TrommelfelldurehlSeherung anzunehmen. Zun~ehst sprieht dafllr der ganze Meehanismus des ¥erletzungs- herganges.

Der Lauf des Revolvers ist bei dem Selbstmordversuch direkt in die auBere OhrSffnung hineingehalten. Da ware es bei dem doch mehr oder weniger dieht erfolgtem Abschlusse des ~uferen GehSrganges dureh den Revolverlauf geradezu un- begreiflieh~ wenn es bei dem Sehul~ nicht zu einer indirekten Ruptur des Trommelfelles infolge des erhebliehen Luftdruckes gekommen ware. Ftir die traumatisehe Entstehungsweise kann man mit einigem Rechte aueh auf die ungewShnliche langliche Gestalt der Perforation verweisen. Schliel}lich spricht auch die bestimmte anamnestisehe Angabe des Patienten~ vorher niemals

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eine Ohreiterung gehabt zu haben, ftlr die gleiehe Auffassung, wean wir aueh im allgemeinen auf derarfige anamnestisch~ Angaben kein allzugroBes Gewieht legen dUrfen.

Sehliel~lieh erweist sieh unser Fall aueh aoch hinsic~'fl!ioh tier Funktionsprtifung als eine seltene Ausnahme yon d~)Reget.

des Ohres, die Verletzten taub maehea und zw~2-'~w~wean das Labyrinth nicht direkt verletzt i~, dureh iad4~'~te Gewalt- einwirkung auf das Labyrinth. Ftir diese F~lle mtlssen wit als anatomisehes Substrat der Taubheit griigere Ver~nderungen im sehallperzipierenden Organe annehmen, n~mlieh ausgedehnte ZertrUmmerungen des akustisehen Eudapparates dureh Blut- ergtisse. Anatomische Labyrinthbefunde bei Leutenr die durch Ohrsehiisse und zwar dureh indirekte Gewalteinwirkung auf alas Ohrlabyrinth taub geworden, aber mit dsm Leben davoa gekommen sind, stehen meines Wissens zur Zeit noch aus. Nur in reeht seltenen Fiillen bildet sieh die ursprtinglich hoehgradige FunktionsstSrung mehr oder weniger wisder zurtick; ein derartig gUnstiger Ausgang ist nur dann mSglieh, wean die Ursaehe der FunktionsstSrung nur eine Commotio labyrinthi gewesen ist. Zu diesen seltenen, quoad funetionem gUnstig verlaufenen F~llen gehSrt aueh der unsere. Dal~ aueh in unserem Falle dureh den Sehul~ sine Labyrinthersohtltterung gesetzt gewesen ist~ erhellt aus der Angabe des Kranken, dal~ er direkt naoh dem Trauma hoehgradig sehwerhSrig gewesen sei. Diese An- gabe bereshtigt zu der Mutma~ung, dal~ aueh das nieht verletzte Ohr an der Ersehtltterung teilgenommen hat. Einen MaBstab ftir den Grad der damaligen FunktionsstSrung haben wir leider mangels einer damals aufgenommenen HSrprtifuag nieht. Auf- fallend ist immsrhin, dal~ der Verletzte keinen Sehwindel gehabt haben will, sin Symptom, welches dooh in der Regel in das klinisehe Bfld der Labyrinthersehtitterung hineingeh5rt. Als wir den Kranken zu sehen bekamen, bestand jedenfalls, naeh dem Ergebnis unserer Hiirprllfung, kein Anzeiehen yon Labyrinth: kommotioa mehr. Der gUnstige funktionelle Endausgang -- l/2 Meter fur leise Fltlsterspraehe - - naeh Heilung der Trommel- fellperforation ist jedenfalls bemerkenswert.

Der zweite glUeklieh verlaufene Fall yon Sehui~verletzuag des Ohres stellt sieh als ein Streifsehul~ dar und bietet als soleher niehts yon ~ihnliehen in tier Literatur mitgeteilten Fgllen Abweieheades dar. Seine Bedeutung ftir uns gewana e rda-

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dureh, dab lange naeh der operativen Entfernung des Projektils in der hiesigen chirurgischen Klinik (Prof. yon B r a m a n n ) die dureh die Schul3verletzung entstandene hoehgradige Striktur des GehSrganges mit Eiterretention dahinter einen zweiten operativen Eingriff erheischte.

Der Fall ist der folgende: Hermann St., 35 gahre alt, Arbeiter aus Ha l l e , fez. am 25. Febr. 1903. Der frQher stets ohrgesunde Kranke schoss sieh am 16. September 190t

in selbstmSrderiseher Absieht in die Gegend vor dem reehten Ohr. Bewugt- losigkeit; starke Blatung aus tier Sehul~wunde. Patient wurde in die K6nigl. ehirurgisehe Klinik iiberffihrt. Als er am nflchsten Tage wieder zu sich kam, bestanden hochgradige Sehwerh6rigkelt and Ohrensausen des rechten Ohres sowie heftiger Sehwindel und zwei Tage lang anhaltendes Erbreehen. In der n~ehsten Zeit bestand tier Sehwindel fort und gesellten sich anfallsweiseSchmer- zen im rechten Ohre hinzu. 3 Woehen naeh dem Trauma wurde die Kugel, welche die vordere Gehfirgangswand durehschlagen hatte, in tier chirurgi- sehen Klinik operativ entfernt. Danach h6rten die Schmerzen auf, der Schwindel aber dauerte fort, besonders beim Btleken, beim Treppensteigen and bei Drehbewegungen des Kopfes. Zugleich Eiterung aus dem Ohr seit tier Verletzung. In der letzten Zeit die Schwindelanfalle seltener.

S t a t u s p rae sons : Innere 0rgane gesund, Augenbefund normal. Keine Zeiehen einer intrakraniellen Erkrankung.

Leiehte Facialisparese rechts; bei Bewegungen, z. B. beim Sprechen, bleibt die rechte Gesichtshhlfte etwas gegen die linke zurtick. Ab und zu Spasmen im rechten Facialis. 0bjektiv Gleich~ewiehtsst6rungen nachweisbar.

U m g e b u n g d e s r e e h t e n 0 h r e s : Yor dem Tragus eine ca. 8 cm lange, mit der Ansatzlinie der Obrmusehel parallel verlaufendeNarbe. Eine zweite horizontale~ ungefahr dem Jochbogen parallele Narbe schneidet die erste dieht vor and tiber dem Tragus.

G e h 6 r g a n g - u n d T r o m m e l f e l l b e f u n d : R e e h t s : Der l~ul~ere Toil des Geh6rganges yon normaler Weite. Ira kn6ehernen Teile ist der Ge- h6rgang hliutig strikturiert. Die Striktur ist eben noch ftir die gerade M e y e r sche Sonde passierbar. Hinter der Striktur Eiterretention; der Eiter quint in grol~er Menge pulsierend aus derselben hervor.

L ink s: Gehfirgang normal welt. Trommelfell getriibt, ohne Lichtreflex, vorn unten Narbe.

B 6 r p r l i f u n g : Fliisterspraehe rechts nicht geh6rt, aueh nicht durch H6rschlauch C yon allen Stellen des Sch~dels nur nach dem linken Ohre projiziert. Fis4 reehts erheblich herabgesetzt. Links: Leise Fltlstersprache ca. 4 Meter.

l~eim K a t h e t e r i s m u s t u b a e rechts Rasseln, kein ausgesproehenes Perforationsger~usch. - - Fieberfrei.

26. Februar. M a s t o i d o p e r a t i o n und S t r i k t u r o p e r a t i o m Nach Vorklappung der Ohrmusehel und des b~utigen Geh6rganges zeigt sieh der knScherne Geh6rgang an mehreren Stellen schw~rzlich verf~rbt {t~lei). Voll- kommene Freilegnng der Mittelohrr~ume. ]m Antrum Eiter. Weiehe, gra- nul~re Besehaffenheit der medialen hntrumwand sowie medialen Attikwand. Ambol~ ins A n t r u m l u x i e r t . Exzision der hhutigen, im kn6chernen Ge- h6rgang silzenden Striktur. Wel l die yon der hf~ut igen G e h 6 r g a n g s - wand r e s t i e r e n d e g e s u n d e H a u t zu k l e i n war, u ranus d e r s o l b e n gen l igend grol~e L a p p e n zu b i l d e n , wurde durch e i n e r e t r o a u r i - k u l ~ r e P l a s t i k e i n L a p p e n a u s d e r U m g e b u n g d e s O h r e s g e b i l d e t u n d i n d i e g r o ! ~ e T o t a l a u f m e i ~ e l u n g s h 6 h l e v e r p f l a n z t . E r w u r d e an die H 6 h l e n w a n d a n t a m p o n i e r t .

Eine St6rung im Heilungsverlaufe trat nicht ein. Zur Zeit ist die retro- aurikul~re 0ffnung vernarbt -- m~l~ig eingezogene l~arbe - ~ die Striktur voll- kommen geheilt, und die Epidermisierung der grol~en Operationsh6hle bis auf eine stecknadelkopfgrol~e Stelle in der Paukenh6hle vollendet. Die leichte

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Facialisparese besteht fort, ebenso, wenn auch nur andeutungsweise, Schwindel. Eine Besserung des HSrvermSgens ist nicht eingetreten.

E p i k r i s e . Dab die h~utige Striktur im medialen Teile des GchSrgangs die Folge der Schul~verletzung ist, unterliegt nach der Krankengeschiehte keinem Zweifel. Inwieweit die tibrigen, bei der Totalaufmeil~elung hinter der Striktur aufgefun- denen Ver~inderungen Folge des Schusses sind~ oder Folge der ca. 1~]2 Jahre lang bestandenen Eiterung, l~tl3t sich nieht fest- stellen. Doeh e ine Veriinderung mtlssen wir auf das Konto der Schut~wirkung setzen, niimlieh die Luxatioa des Amboi~ ins An- trum mastoideum. Der Umstand~ dab die Kugel in die vordere knSeherne GehSrgangswand eingekeilt gewesen ist, widerlegt die Annahme, dal~ jene Abnormititt als direkte Schuftwirkung aufzu- fassen ist. Die Kugel hat ja die PaukenhShle gar nicht direkt getroffen. Wenn wir somit genStigt sind, die Luxation des Am- bol3 als indirekte Sehul3wirkung aufzufassen~ so erhellt doch aus diesem Befunde, wie erheblieh die indirekte Gewaltwirkung ge- wesen ist, welehe das Mittelohr betroffen hat. Die vorhandene leiehte Faeialisl$ihmung kSnuen wir bei der Lokalisation der Kugel ebenfalls nieht als direkte SehuBfolge anspreehen. Ob sic die Folge der indirekten Gewalteinwirkung des Schusses auf den Canalis Fallopiae ist, oder ob man sie als Folge der Otorrhoe aufzufassen hat, mull umsomehr unentsehiedea bleiben, als an- amnestische Angabcn dartlber, ob sie direkt naeh dem Trauma aufgetreten ist oder nieht, fehlen. Die dauernde Ertaubung des Ohres miissen wir beziehen auf eine indirekte, dutch das Trauma gesetzte Labyrinthverletzung, welche nach dem Grade und der Persistenz der FunktionsstSrung zu schliel~en, eine sehr deletAre gewesea sein mul~.

Die l'~otweadigkeit tier Strikturoperation wird bei der tin- hinter bestehendeu Eiterretention niemaud in Abrede stellen. Der Operationsbefund hat auf das deutliohste gezeigt, dal~ ohne Operation das Leben der Kranken entsohieden bedroht war.

Was die Teehnik der Operation anbetrifft, so verfuhren wir naeh den Grundsiitzen, welche S c h w a r t z e (7) in seiner Striktur- arbeit zum Ausdruek gebracht hat: 1. Priazipiell die Strikturen naeh Vorklappung der Ohrmuschel zu operieren~ und nieht yore Orifieium externum aus, and 2. die Strikturoperation in allen Fallen mit der T0talaufmeiBelung zu verbinden, auoh wean die ~latur der hinter der Striktur vorhaudenen Eiterung nicht an und fiir sich die Totalaufmeil~elung indiziert.

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L i t e r a t u r . 1) v. B e r g m a n n , Die Lehre yon den Kopfverletzungen. Deutsche Chi-

rurgie, Lieferung XXX. S. 255. 1880. 2) S c h w a r t z e , Lehrbuch der chirurgischen Krankheiten des Ohres. Bei

F. Enke, Stuttgart 1885. S. 358. 3) B e z o l d , Die Krankheiten des Warzenteiles. S e h w a r t z e s ttandbuch

der OhrenheUkunde. Bd. II. S. 349. 4) P a s s o w , Schui~verletzungen des Geh{~rorgans. In B l a u s Enzyklop~die

der Obrenheilkunde (bei F. C. W. Vogel, Leipzig 1900). S. 359. 5) B e r n h a r d t , Die Verletzungen des GehSrorgans. Bei Aug. Hirschwald,

Berlin 1903. 6) P r e y s i n g und S c h w a r t z , Kasuistische Mitteilungen aus der Ohren-

und Kehlkopfklinik zu Rostoek. Zeitschr. f. Ohrenh. Bd. XXXII. S. ~Jl. q) S e h w a r t z e , LTber erworbene Atresie und Striktur des Geh~rgangs und

deren Behandlung. Dieses Archly. Bd. XLVIII. S. 277 u. 278.


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