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Zur Ökonomie der Betriebswirtschaftslehre Leonhard Dobusch Freie Universität Berlin Fachbereich Wirtschaftswissenschaft 7. Wintertagung des ICAE: Ökonomie! Welche Ökonomie? Zu Stand und Status der Wirtschaftswissenschaft 4.-5.12.2015, Wissensturm Linz

Zur Ökonomie der Betriebswirtschaftslehre

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Page 1: Zur Ökonomie der Betriebswirtschaftslehre

Zur Ökonomie der Betriebswirtschaftslehre

Leonhard Dobusch Freie Universität Berlin

Fachbereich Wirtschaftswissenschaft

7. Wintertagung des ICAE: Ökonomie! Welche Ökonomie? Zu Stand und Status der Wirtschaftswissenschaft

4.-5.12.2015, Wissensturm Linz

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BWL als Gemeinwirtschaftslehre (1919-1945)

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BWL als von „gemeinwirtschaftlichen Gesichtspunkten beherrscht[e]“ Kunstlehre

Die BWL Eugen Schmalenbachs

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„die Fabrik als Fabrik und nicht als Veranstaltung eines Unternehmers“““

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Und so ist es nicht der Sinn unserer Betriebswirtschaftslehre, zuzuschauen, ob und wie irgend jemand sich ein Einkommen oder ein Vermögen verschafft. Sinn unserer Lehre ist lediglich zu erforschen, wie und auf welche Weise der Betrieb seine gemein-wirtschaftliche Produktivität beweist.

Eugen Schmalenbach (1931)

Die BWL Eugen Schmalenbachs

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Historisch-bedingte Kernfragen

(1) Bewertungsfrage als folge der Hyperinflation „Zerrüttung des Geldwesens“ als betriebswirtschaftliche Herausforderung

(2) Fixe Kosten als Erklärung für Deflation „Man wirkt den Folgen der Überkapazität durch Steigerung der Überkapazität entgegen“

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Die Rieger-Schmalenbach-Kontroverse

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Kritik an Schmalenbach

‣Wirtschaftlichkeits-normativismus

‣ „ethischer“ und „parasitärer“ Gewinn

‣Gemeinwirtschaftlicher BWLer „fühlt sich ... als Staatswirtschaftler“

>> Aufnahme Riegers in 1921 gegründeten VHB verweigert, Entscheidung auf Linie der Nationalökonomie

‣ „reine Wissenschaft“

‣ Einheit mit Nationalökonomie

‣ Neoklassisches Fundament

‣ Unternehmung als „Geldfabrik“

Riegers BWL als Privatwirtschaftslehre

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Die BWL im Nationalsozialismus

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Der Betriebswirt als Wirtschaftstreuhänder“‣ Übergang von der „freien“ zur „gebundenen“ Wirtschaft

theoretisch bei Schmalenbach angelegt (Hundt 1977) ‣ „raffendes“ vs. „schaffendes“ Kapital

Heinrich Nicklisch: „Betriebsgemeinschaft“

In einer Wirtschaft, die ein Instrument in der Hand des Führers ist, [wird] das staatspolitisch Gewollte zum betriebswirtschaftlichen Datum.“

Erich Gutenberg (1938)

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BWL als Produktivitätswissenschaft(~1945-1970)

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Die Geschichte des kapitalistischen Systems ist schließlich auch nicht arm an Exzessen, zu denen das erwerbswirtschaftliche Prinzip als gewinnmaximales Prinzip geführt hat. Aber gleichwohl bleibt [es] ein konstitutives Element des liberalistisch-kapitalistischen Systems[.]

Erich Gutenberg (2013[1951], S. 455)

Die BWL Erich Gutenbergs

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Ökonomische Bezüge bei Gutenberg

(1) Orientierung an neoklassischem Programm - Rentabilität vs. Wirtschaftlichkeit: Ober- vs. Unterziel - Aufgabe des Wertbegriffs

!(2) Normativismus via Einbettung in Wirtschaftssystem

- „Systemindifferente“ vs. „systembezogene Tagebestände“

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Betriebswirtschaft und Systemkonkurrenz

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Sozialistische Planwirtschaft

‣Organprinzip (zentraler Volkswirtschaftsplan)

‣ Plandeterminierte Leistungserbringung

‣Gemeineigentum an Produktionsmitteln

‣ Autonomieprinzip

‣ Erwerbswirtschaftliches Prinzip (Gewinnmax.)

‣ Privateigentum an Produktionsmitteln

Kapitalistische Marktwirtschaft

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BWL als Sozialwissenschaft(post 1970)

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Paradigmatische Vielfalt in (Teilen) der BWL

Ökonomische Ansätze Soziologische AnsätzeTransaktionskostenansatz (Williamson)

Neo-Institutionalismus (Meyer/Rowan; DiMaggio/Powell)

Industrieökonomie (Porter) Ressourcenabhängigkeitsansatz (Pfeffer/Salancik)

Ressourcenbasierte Ansätze (Barney, Hamel)

Critical Management Theory (Alvesson, Willmott, a.o.)

Populationsökologie (Hannan/Freeman)

Strukturations- und Praktiken-theorie (Jarzabkowski, Sydow)

Netzwerktheoretische Ansätze (Burt, Coleman)

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>> Aber: mehrheitlich Rational-Choice-Ansätze

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Paradigmatische Vielfalt in (Teilen) der BWL

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Ökonomische Ansätze Soziologische AnsätzeTransaktionskostenansatz (Williamson)

Neo-Institutionalismus (Meyer/Rowan; DiMaggio/Powell)

Industrieökonomie (Porter) Ressourcenabhängigkeitsansatz (Pfeffer/Salancik)

Ressourcenbasierte Ansätze (Barney, Hamel)

Critical Management Theory (Alvesson, Willmott a.o.)

Populationsökologie (Hannan/Freeman)

Strukturations- und Praktiken-theorie (Jarzabkowski, Sydow)

Netzwerktheoretische Ansätze (Burt, Coleman)

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Transaktionskosten: Primat des Marktes

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in the beginning, there were the markets“ Williamson (1975, S. 20)

Verhaltensannahmen: (1) Begrenzte Rationalität !(2) Opportunismus: »seeking of self-interest with guile« !(3) Risikoneutralität

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Neo-Institutionalismus: Primat der Legitimität

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(1) Legitimität im organisationalen Feld - Legitimität > Effizienz - Rationale Akteure kämpfen mit Rationalitätsmythen

(2) Märkte als Institutionen - Unhinterfragte Regeln und Erwartungen („taken for granted“)

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Transaktionskosten: »Bad for Practice?«

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In business circles, a story is often told of two hikers who wake up one night to find a tiger lurking near their tent. One of the hikers immediately reaches for his running shoes. On being reminded by his partner that he could not possibly outrun the tiger, he responds that all he has to do is to outrun the partner.

Goshal und Moran (1996, S. 13)

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Transaktionskosten: »Bad for Practice?«

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Goshal und Moran (1996, S. 24)

In focusing attention on the relatively few activities or outcomes that lend themselves more easily to observation, measurement, and evaluation, rational controls give rise to opportunism by enhancing any negative feeling feelings (e.g., perceptions of biases, inequities or unfairness) toward the organization

‣ Versuche des Transaktionskostenansatzes Opportunismus vorzubeugen, bringen diesen erst hervor.

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Folgen der Transaktionskostenkritik

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Anstoß für allgemeine Debatte zu Performativität von ökonomischer Theorie

‣ »how theories can become self-fulfilling« (Ferraro et al. 2005)

‣ »different disciplinary maps which provide orientation in a complex territory« (Osterloh/Frost 2009)

‣ »the performative effects of theories on social welfare« (Marti/Scherer 2015)

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< Fazit >

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Ökonomie der BWL lange von Verhältnis zur VWL bestimmt

Paradigmenvielfalt nach Entkopplung in den 1970er Jahren

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Reflexion performativer Wirkung ökonomischer Theorie

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Thank you.

E-Mail: [email protected] Twitter: @leonidobusch Web: www.dobusch.net !Research blog: www.governancexborders.com

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Literatur

‣ Ferraro, F./Pfeffer, J./Sutton, R.I. (2005): Economics Language and Assumptions: How Theories become Self-fulfilling. Academy of Management Review, 30 (1), 8-24.

‣ Franz, H. (1998): Zwischen Markt und Profession. Vandenhoeck & Ruprecht.

‣ Ghoshal, S./Moran, P. (1996): Bad for Practice: A Critique of the Transaction Cost Theory. Academy of Management Review 21 (1), S. 13-47

‣ Gutenberg, E. (2013[1951]): Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre: Die Produktion. Springer.

‣ Marti, E./Scherer, A.G. (2015): Financial Regulation and Social Welfare: The Critical Contribution of Management Theory. Academy of Management Review, im Druck

‣ Hundt, S. (1977): Zur Theoriegeschichte der Betriebswirtschaftslehre. Köln: Bund-Verlag.

‣ Schmidt, Reinhard H. (1998) : Erich Gutenberg und die Theorie der Unternehmung, Working Paper, http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hebis:30-16688 23