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Diewerkvertragliche Abweichung von denAllgemein anerkannten Regeln der Technik Dr.Traudel Blecher Die Allgemein anerkannten Regeln der Technik spielen im Werkvertragsrecht, insbesondere im Bauvertragsrecht, einewichtige Rolle. lhnenkommt vor allembei der Bestimmung des Sach- mangelbegriffes eine wesentliche Be- deutung zu. Denn eine abschließende vertragliche Festlegung der Beschaf- fenheitsmerkmale des Werkes gelingt in der Praxis angesichts der Komplexi- tät der meisten Werke - gerade im Be- reich desBauvertrages - nicht. Allerdings bringt der Rückgriff auf die Allgemeinanerkannten Regeln der Technik aucheine Reihe von Proble- menmit sich. Anliegen des vorliegen- den Beitrages ist es, zu untersuchen, inwieweit dieseProblemstellungen be- reits vorder zum11.2002 in Kraft ge- tretenen Schuldrechtsreform bestan- den, ob und unter welchen Gesichts- punkten diese einer kodifikatorischen Lösung durch den Gesetzgeber zuge- führt wurden, ob sichder Gesetzgeber für einenSystemwechsel entschieden hat undinwiefern sichdas neue Recht als in sich stimmig erweist. Zunächst erscheint jedoch einenähere Bestim- mungdes Begriffes "allgemein aner- kannte Regeln der TechniK' erforder- lich. L Begriffsbestimmung Der Begriff der allgemein anerkannten Regeln der Bautechnik lässtsich be- stimmen als ,,technische Regelnfür den Entwurf unddieAusführung bauli- cher Anlagen [...1, die in der techni- schen Wissenschaft als theoretisch richtig anerkannt sind und feststehen sowie insbesondere in demKreise der für die Anwendung der betreffenden Regeln maßgeblichen, nach dem neu- esten Erkenntnisstand vorgebildeten Techniker durchweg bekannt und auf Grund fortdauernder praktischer Erfah- rung alstechnisch geeignet, angemes- sen und notwendig anerkannt sind."1 Es sindfolglich zweiKrlterien von Be- deutung, die in Rechtsprechung2 und Schrifttum3 genannt werden: Dietheo- retische Richtigkeit der Regel muss enryiesen sein. Daneben muss eine Anerkennung dertechnischen Regel in der Praxis bestehen. lm Rahmen desersten Kriteriums wird eine bautechnische Regel als theore- tischrichtig angesehen, wennsie sich nach wissenschaftlicher Erkenntnis als unanfechtbar darstellt.4 Hinsichtlich ' Ingenstau/Korbion, VOB/B, $ 4 Rn. 151 ' RGSI44, 76 (79 ff); RGSI56, 343 (346 f.); BGH NJW 1971,S. 92 (92 f.); BGH BauR '1975, S. 130 (130ff.); OLG FranKurt BauR 1980, S.361 (361); OLG Celle, BauR 1984, S. 522 (522); OLG Hamm BauR 1997, S. 309 (311) 3 Staudinger/Peters (13. Aufl.), S 633 Rn. 37; ebenso lgenstau/Korbion, VOB/B, $ 4 Rn. 151; MünKomm/Soergel (3. Aufl.), S 633 Rn. 37; Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1021 ff.; Nick- lisch/Weick/Nicklisch, VOB/B, S 4 Rn. 44; Hei- ermanrvRiedyRusam/Schwab/ Riedl, VOB/B, S 4 Rn. 23; Hamann, DB 1961, S. 701 (701); Weber ZfBR 1983, S. 151 (153); Klingmuller, FGOftinger, S. 121 (125) ' RGSI44, 76 (79); lgenstau/Korbion, VOB/B, S 4 Rn.151; Hamann, DB 1961, S. 701(701); Klingmüller, FG Oftinger, S. 121(125); Weber, zfBR1983, 151 (153)

Die werkvertragliche Abweichung von allgemein anerkannten Regeln der Technik von Traudel Blecher

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Die werkvertragliche Abweichung von allgemein anerkannten Regeln der Technik von Traudel Blecher In der Praxis kommt es öfters vor, dass eine von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichende Ausführungsart gewählt wird.

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Die werkvertragliche Abweichungvon den Allgemein

anerkannten Regeln der Technik

Dr. Traudel Blecher

Die Allgemein anerkannten Regeln derTechnik spielen im Werkvertragsrecht,insbesondere im Bauvertragsrecht,eine wichtige Rolle. lhnen kommt vorallem bei der Bestimmung des Sach-mangelbegriffes eine wesentliche Be-deutung zu. Denn eine abschließendevertragliche Festlegung der Beschaf-fenheitsmerkmale des Werkes gelingtin der Praxis angesichts der Komplexi-tät der meisten Werke - gerade im Be-reich des Bauvertrages - nicht.

Allerdings bringt der Rückgriff auf dieAllgemein anerkannten Regeln derTechnik auch eine Reihe von Proble-men mit sich. Anliegen des vorliegen-den Beitrages ist es, zu untersuchen,inwieweit diese Problemstellungen be-reits vor der zum 11.2002 in Kraft ge-tretenen Schuldrechtsreform bestan-den, ob und unter welchen Gesichts-punkten diese einer kodifikatorischenLösung durch den Gesetzgeber zuge-führt wurden, ob sich der Gesetzgeberfür einen Systemwechsel entschiedenhat und inwiefern sich das neue Rechtals in sich stimmig erweist. Zunächsterscheint jedoch eine nähere Bestim-mung des Begriffes "allgemein aner-kannte Regeln der TechniK' erforder-lich.

L BegriffsbestimmungDer Begriff der allgemein anerkanntenRegeln der Bautechnik lässt sich be-

stimmen als ,,technische Regeln fürden Entwurf und die Ausführung bauli-cher Anlagen [...1, die in der techni-schen Wissenschaft als theoretischrichtig anerkannt sind und feststehensowie insbesondere in dem Kreise derfür die Anwendung der betreffendenRegeln maßgeblichen, nach dem neu-esten Erkenntnisstand vorgebildetenTechniker durchweg bekannt und aufGrund fortdauernder praktischer Erfah-rung als technisch geeignet, angemes-sen und notwendig anerkannt sind."1Es sind folglich zwei Krlterien von Be-deutung, die in Rechtsprechung2 undSchrifttum3 genannt werden: Die theo-retische Richtigkeit der Regel mussenryiesen sein. Daneben muss eineAnerkennung der technischen Regel inder Praxis bestehen.

lm Rahmen des ersten Kriteriums wirdeine bautechnische Regel als theore-tisch richtig angesehen, wenn sie sichnach wissenschaftlicher Erkenntnis alsunanfechtbar darstellt.4 Hinsichtlich

' Ingenstau/Korbion, VOB/B, $ 4 Rn. 151

' RGSI 44, 76 (79 ff); RGSI 56, 343 (346 f.);BGH NJW 1971, S. 92 (92 f.); BGH BauR'1975, S. 130 (130 ff.); OLG FranKurt BauR1980, S.361 (361); OLG Celle, BauR 1984, S.522 (522); OLG Hamm BauR 1997, S. 309(311)

3 Staudinger/Peters (13. Aufl.), S 633 Rn. 37;ebenso lgenstau/Korbion, VOB/B, $ 4 Rn. 151;MünKomm/Soergel (3. Aufl.), S 633 Rn. 37;Werner/Pastor, Bauprozess, Rn. 1021 ff.; Nick-lisch/Weick/Nicklisch, VOB/B, S 4 Rn. 44; Hei-ermanrvRiedyRusam/Schwab/ Riedl, VOB/B, S4 Rn. 23; Hamann, DB 1961, S. 701 (701);Weber ZfBR 1983, S. 151 (153); Klingmuller,FG Oftinger, S. 121 (125)

' RGSI 44, 76 (79); lgenstau/Korbion, VOB/B,S 4 Rn. 151; Hamann, DB 1961, S. 701 (701);Klingmüller, FG Oftinger, S. 121 (125); Weber,zfBR 1983, 151 (153)

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des zweiten Kriteriums ist zu fragen,wie der Kreis der Experten, derenÜbezeugung für die allgemeine Aner-kennung einer bautechnischen Regelmaßgebend ist, bestimmt wird: lhmgehören jedenfalls nur Fachleute desbetreffenden Baugewerbes, nicht hin-gegen Hilfsarbeiter an. Während immanuellen Bereich auch Meister undPoliere einbezogen werden, ist im kon-struktiven Bereich ausschließlich aufdie Beurteilung von Ingenieuren undandere Personen mit entsprechenderVorbildung abzustellen.5

So können zu den anerkannten Regelnder Technik beispielsweise die VOB/C,DIN-Normen oder europäische Nor-men gehören

ll. Das alte Recht

S 633 | BGB a.F. enthielt - im Unter-schied zu den Parallelbestimmungendes $ 13 Nr. 1 VOB/B - keine aus-drückliche Regelung, dass das Werk,um mangelfrei zu sein, den anerkann-ten Regeln der Technik entsprechenmüsse. Hieraus konnte jedoch nichtgefolgert werden, dass sie für die Be-urteilung der Mangelfreiheit des Wer-kes unbeachtlich gewesen wären.6

a. Ausdrückliche Beschaffen-heitsvereinbarung

Nach dem subjeKiven Fehlerbegriffrichtet sich die Sollbeschaffenheit nachdem lnhalt des Vertrages. War dieEinhaltung der allgemein anerkanntenRegeln der Technik ausdrücklich ver-

" Fischer, Regeln der Technik, S. 34

6 Staudinger/Peters (13. Aufl.), S 633 Rn. 36

einbart, so lag bei Abweichung vondiesen freilich ein Fehler vor.7

Enthielt der Werkvertrag ausdrücklicheAnforderungen an die Sollbeschaffen-heit. die über die Mindestanforderun-gen der allgemein anerkannten Regelnder Bautechnik hinausgehen, so wurdebei Abweichung von der vereinbartenBeschaffenheit ein Fehler bejaht, undzwar auch bei Einhalten der anerkann-ten Regeln der Bautechnik.8 Trat eineMinderung oder Aufhebung des Ge-brauchs oder des Wertes des Werkeshinzu, so lag ein Sachmangel vor.

Umgekehrt galt jedoch auch bei Fehleneiner Beschaffenheitsvereinbarung,dass der Werkuntemehmer sich in derRegel, sofern nicht etwas anderes ver-einbart war, stillschweigend verpflichte-te, die Regeln seines Fachs zu beach-ten.e

b. Vertraglich vorausgesetzteBeschaffenheit

Fehlte hingegen im Bauvertrag eineausdrückliche oder stillschweigendeVereinbarung der Sollbeschaffenheit,so war eine Abweichung von der ver-traglich vorausgesetzten Beschaffen-heit zu prüfen. Hier konnte sich ausdem Verwendungszweck der Bauleis-tung, sofern dieser Vertragsinhalt war,ergeben, dass die geschuldete Bau-

' BGH BauR 2003. S. 394 (3% f.)8 BGH BauR 1981, S.395 (395); OLG StuttgartBauR 1977, 5.279 (279); hgenstau/ KorbionVOB/B S 13 Rn.155; NicklischMeicUNicklisch,VOB, S 13 Rn. 32

s OLG Düsseldorf NJW-RR 1999, S. 1656(1657): Regeln des Handwerks; BGHZ 139, 16(16 f.): DIN-Normen; BGH BB 1985, 1561(1561f.): Sicherheitsbestimmungen wie GSGund ProdSG

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leistung bestimmten technischen Re-geln entsprechen solle.lo Sollten bei-spielsweise laut Vertragsinhalt Luxus-und Komfortwohnungen enichtet wer-den, so konnte im Wege der Vertrags-auslegung gefolgert werden, dass vomBauunternehmer ein erhöhter Schall-schutz zu gewährleisten sei.l1 Ver-spricht etwa der Untemehmer die Sa-nierung bis auf die Grundmauern, soist der Vertrag dahingehend auszule-gen, dass der Unternehmer zu einerKellerabdichtung und Schalldämpfungverpflichtet ist, die den allgemeinenRegeln der Technik entspricht.l2 Diebesondere Zweckbestimmung musstedabei in die vertragliche Vereinbarungmiteinbezogen worden sein. Bloß sub-jektive Wünsche, Absichten und Vor-stellungen des Bauherrn ohne Nieder-schlag im Vertrag genügien dagegennicht.l3

c. Gewöhnliche BeschaffenheitWar die Beschaffenheit des Werkesweder vereinbart noch vertraglich vo-rausgesetzt, so war die gewöhnliche

t0 OLG Stuttgart, BauR 1977, S. 129 (130);Marburger, Regeln der Technik, S' 504; Fi-scher, Regeln der Technik, S. 95; Korbion'Jura 1979, S.393 (400)

11 OLG stuttgart, BauR 1977, 279 (279): "eßt-

klassiges Niveau des Bauvorhabens"; LGMünchen, lJtt.v.24.7.78 - 35 O 9325t6:,aufdie besonderen Forderungen des Schallschut-zes zu achten isf'; LG Heilbronn, Urt. v.29.11.79 - 2 O 395nd ,auf die Schallisolie-rung haben wir besondere Sorgfalt verwendet',,,Luiuswohnung' laut Baubeschreibung; diebeiden letäen Urteile sind nicht veröffentlicht,iedoch bei Bötsch/ Jovicic, BauR 1984, S. 565isoe fn. 11) und Döbereiner, BauR 1980, S.296 (296 f.) auszugsweise wiedergegeben;hiezu auch Locher, BauR 1985, S' 455 (455f.)

t'BGH zfBR 2005, s. 263 (265)13 Fischer, Regeln der Technik, S. 95 f.

Beschaffenheit maßgeblich. Inwieweithier die Sollbeschaffenheit mit Hilfe deranerkannten Regeln der Technik be-stimmt werden konnte und derenNichtbeachtung die Fehlerhaftigkeitdes Werkes indizierte, war umstdtten.

aa. Nichtbeachtung der anerkann'ten Regeln der Technik alsFehler

lngenstau/Koöionla, Petersls undTeichmannlo gingen davon aus, dassder Bauunternehmer beim BGB-Bauvertrag grundsätzlich verpflichtetsei, die Bauleistung gemäß den allge-mein anerkannten Regeln der Technikzu erbringen. Folglich werde die Soll-beschaffenheit durch die anerkanntenRegeln der Technik festgelegt, und ausderen Nichtbeachtung ergebe sich einFehler. Begründet wurde dies zum ei-nen damit, dass derjenige, der ein Ge-werbe ausübt, dafür einzustehen habe,dass er die entsprechenden Kenntnis-se und Kunstfertigkeiten besitä.17Hiermit ist der Grundsatz von Treu undGlauben angesprochenl8. Grund derHaftung ist das Vertrauen in die Fach-kenntnis des Unternehmers. Zum an-deren wurde darauf abgestellt, dass

la Ingenstau/Koöion VOB/B, S 13 Rn 104ls Stäudinger/Peters (13. Aufl.), S 633 Rn. 3616 Soergel/Teichmann (12. Aufl.), Vor S 633Rn. 24: Wemer/Pastor, Bauprozess, Rn. 1020;Schmalzl, Haftung, Rn. 125; Fischer, Die Re-oeln der Technik, S. 99; Klingmüller in: FGöttinger, S. 125 (128 ff.); Heinrich, BauR 1982,S. ziq ezq; Marbach, zfBR 1984, S. I (10);Schmidt, MDR 1963, S.263 (264);

tt BGH WM 1972, s. 76, Ingenstau/Korbion ,VOB/B, S 13 Rn. 104; S 4 Rn. 141; Heinrich'BauR 1982, 5.224 (229)i Schmidt MDR 1963's. 263 (264)

18 Heinrich BauR 1982, 5.224 (229); lnge-stau/Korbion, VOB/B, S 4 Rn. 144

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das Risiko des technischen Fortschrittsdurch Abweichung vom Üblichen unddie Venrvendung neuartiger Bauweisenicht ohne Zustimmung des Bauherrnauf diesen abgewälzt werden dürfe.lsDenn ob neue Baustoffe, Bauteile oderdie angewandte Bauart sich zur Prob-lemlösung eigneten, lasse sich nichtmit hinreichender Sicherheit voraussa-gen, ihre Untauglichkeit zeigte sich ofterst in der Praxis. Neue technischeLösungen seien daher gegenüber her-kömmlichen nicht gleichwertig2o. Wennsie noch nicht den allgemein anerkann-ten Regeln der Bautechnik entspre-chen, sei die Bauleistung fehlerhaft,.S.d. S 633 | BGB a.F.

bb. Abweichung vom Stand derTechnik als FehlerMarburgefl vertrat die Auffassung,dass die mit den allgemeinen Regelnder Technik übereinstimmende Leis-tung des Bauuntemehmers grundsätz-lich ordnungsgemäß sei. Dagegen be-gründe deren Nichtbeachtung nichtnotwendig einen Fehler, sondern dieLeistung sei auch in diesem Fallesachmangelfrei, wenn sie dem ,Standder Technik" entspreche.22 Der,Standder Technik" sei eneicht, wenn dieWirksamkeit fortschrittlicher, vergleich-barer Verfahren in der Betriebspraxiszuverlässig nachgewiesen werdenkönne.23 Dieser Begriff sei wegen sei-

1e Klingm0ller, in: FG Oftinger, S. 125 (128 f.)

20 Fischer, Regeln der Technik, S. 104

2t Marburger, Regeln der Technik, S. 500 f.;Siegburg, BauR 1985 S. 367 (383)

" Maöurger, Regeln der Technik, S. 500 f-

a Obernhaus/Kuckuck, DVBI 1980, S. 154(156)

nes Veaichts auf das Merkmal derallgemeinen Anerkennung durch diejeweilige technische Fachwelt ein ge-genüber den,,allgemein anerkanntenRegeln der TechniK fortschrittlichererEntwicklungsstand. Erst bei Abwei-chung vom Stand der Technik, wennalso der herkömmliche Sicherheits-standard unterschritten werde, handelees sich um ein dem Bauherrn unzu-mutbares Risiko.2a

Ill. Das neue Recht

1. Lösung der Probleme des al'ten RechtsDer Gesetzgeber hat sich auch in derverabschiedeten Gesetzesfassungentgegen dem Vorschlag Weyers' ge-gen die gesetzliche Klarstellung ent-schieden, dass die allgemein aner-kannten Regeln der Technik für denSachmangelbegriff von Bedeutungsind. Den Gesetzgebungsentwürfen istallerdings übereinstimmend zu ent-nehmen, dass, soweit nichts anderesvereinbart ist, die allgemein anerkann-ten Regeln der Technik als Mindest-standard einzuhalten sind. Diese wer-den daher im Rahmen des $ 633 ll S.1 BGB n.F. unter dem Aspekt einerstillschweigenden Beschaffenheitsver-einbarung 'u bmt. im Rahmen des $633 ll S. 2 Nr. 2 BGB n.F. hinsichtlichder Tauglichkeit für die gewöhnlichenVerwendungen nach wie vor eine wich-tige Rolle spielen.26 Auf der zweiten

2a Marburger, Regeln der Technik, S. 501

25 Palandusprau (63. Aufl.), S 633 Rn.6

28 Jauernig/Schlechtriem, (10. Auf.), $ 633 Rn.6; Staudinger/Peters (2003), S 633 Rn. 168;Mundt, NZBaU 2003, S. 73 (78 (,spätestens"im Rahmen der trblichen Beschaffenheit undder gewöhnlichen Verwendungszwecke sind

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Stufe im Rahmen des $ 633 ll S. 2 Nr.1 BGB n.F. sind sie nur beachtlich,wenn die Regeln der Technik aufgrundder sonstigen Vertragsunterlagen alsgeschuldet vorausgesetzt werden.27Natürlich können die allgemein aner-kannten Regeln der Technik auch aus-dräcklich vereinbart werden.28 Ande-rerseits stellt der Kommissionsentwurfnochmals im Sinne der subjektivenTheorie ausdrtlcklich klar, dass einWerk, wenn es zwar den allgemeinanerkannten Regeln der Technik ent-sprich, aber nicht vertragsgemäß ist,gleichwohl einen Sachmangel auf-weist.

2. Systemwechsel oder behut-same WeiüErentwicklungDas neue Recht folgt der Konzeptiondes Kommissionsentwurfes, nach demes der Normierung der Maßgeblichkeitder allgemein anerkannten Regeln derTechnik für die Bestimmung der Soll-beschaffenheit des Werkes nicht einerlegislatorischen Klärung bedarf. DerVorschlag Weyers' konnte sich nichtdurchsetzen. In der Sache bestand inden Gutachten und Gesetzesentwürfengleichwohl Einigkeit, dass entspre-chend der Literaturansicht von In-genstau/Korbion, Peters und Teich-mann allgemein anerkannte Regelnder Technik im Rahmen des Sach-mangelbegriffes Bedeutung haben. EinSystemwechsel ist mithin nicht festzu-stellen.

Hinsichtlich der Begründung beschrän-

die anerkannten Regeln der Technik beacht-lich)

2t Kemper, BauR 2002, S. 1613 (1616)26 Mundt, NZBau 2003, 73 (78)

ken sich die Gutachten und Gesetz-entwärfe auf den Hinweis, dass dasalte Recht nicht zu beanstanden sei,und es daher einer gesetzlichen Klar-stellung nicht bedürfe.

3. Stimmigkeit der KonzePtiondes neuen RechtsDiese Konzeption erweist sich auch imÜbrigen als stimmig. Die Beachtlichkeitder allgemein anerkannten Regeln derTechnik erscheint vor dem Hintergrundals notwendig, dass diese diejenigentechnischen Verfahrensweisen wieder-geben, die sich als theoretisch richtigerwiesen haben und in der Baupraxisallgemein anerkannt sind. lhre Einhal-tung ftlhrt regelmäßig zu einem tech-nisch zeitgemäßen und tauglichenWerk. Neben dem Gedanken derSchutzwlirdigkeit des Bestellers in sei-nem Vertrauen in die Beherrschungder allgemein anerkannten Regeln derTechnik durch den Unternehmer - wereine technische Leistung anbietet,muss auch die Regeln des Fachge-biets behenschen - spricht hierfürauch der Aspekt der Rechtssicherheitund -klarheit. In der Praxis wird demUnternehmer ein konkreter Maßstaban die Hand gegeben, bei dessen Ein-haltung, soweit nichts anderes verein-bart ist, eine Gewährleistungshaftungausscheidet. Da die Regelwerke sichzum Ziel gesetzt haben, die technischmaßgeblichen Standards zu erarbeitenund wiedezugeben, würde einem In-genieur gar nicht der Gedanke kom-men, dass die Regelwerke nicht maß-geblich sein könnten.2e Ebenso zeigtein Vergleich mit anderen Rechtsge-bieten, dass technischen Regelwerken

ä Nicklisch, NJW 1983, S.841 (843)

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durchaus rechtlich Bedeutung zukom-men kann. Insbesondere im lmmissi-onsschutzrecht werden im Gesetz ent-haltene Generalklauseln wie,,Standder TechniK,,,schädliche Umweltein-wirkungen" durch technische Regel-werke (2.B. durch die Technische An-leilung zur Reinhaltung der Luft, TA-Luft) näher konkretisiert. s

Einer gesetzlichen Klarstellung dieserRechtsfragen bedurfte es hingegennicht. Das Gesetz sollte sich auf eineRegel beschränken,,,quae breviterenarrat'31. Es sollte im Gegensatz zuLehrbtichern Belehrungen unterlassen- lex iubeat, non disputet.32

s Nicktisch, NJW 1983, S. 841 (841 ff.)31 D. so. 17. 1s2 Behrendts. Bundnis. S. '18 f.