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Ronald Asch: Absolutismus s. Reinalter Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus und
Peter Wilson (Hg.). A companion to Eighteenth Century Europe , 2009
"Absolutismus" ist im Gegensatz zu "absoluter Monarchie" kein zeitgenössischer Begriff des
17. und 18. Jahrhunderts, sondern des beginnenden 19. Jahrhunderts, das damit in bewußt
kritischer Weise eine noch in die Gegenwart hineinreichende, aber eigentlich der Vergangenheit
angehörende Herrschaftsform kennzeichnen wollte. Allerdings wurden diese eher pejorativen
Konnotationen des liberalen Absolutismusbegriffs in der späteren Historiographie des 19.
Jahrhunderts insbesondere in Deutschland ins Positive gewendet. Absolutismus bezeichnete nun
die notwendige Überwindung des "dualistischen Ständestaates" durch einen modernen, ganz auf
den Monarchen hin zentrierten Anstaltsstaat, der zusammen mit der Souveränität nach außen
und nach innen und einem unbestrittenen Gewaltmonopol vor allem auch die legislativen
Kompetenzen der Staatsgewalt festigte. Auch heute noch wird unter Absolutismus meist "die
Entfaltung einer Staatsform" verstanden, "die in Theorie und Praxis auf die unumschränkte
Herrschaft von Monarchen angelegt war, deren Legitimation auf dem Gottesgnadentum der
Dynastien und der Gewährleistung von Sicherheit und Wohlfahrt beruhte." (Kunisch,
Absolutismus, S. 20). Allerdings ist dieser traditionelle Absolutismusbegriff schon nach dem
zweiten Weltkrieg auf deutliche Kritik gestoßen. Er ließ nicht in ausreichendem Maße erkennen,
wie sehr selbst noch in den scheinbar klassischen absoluten Monarchien des 17. und 18.
Jahrhunderts, wie z. B. Frankreich - dem Paradigma absoluter monarchischer Herrschaft
schlechthin -, die ständischen und korporativen Kräfte es verstanden, zumindest auf der lokalen
und regionalen Ebene ihren Einfluß zu wahren und der Monarch sich seinerseits immer noch
mindestens ebenso stark als Wahrer des überkommenen Rechtes wie als Inhaber einer - in der
Theorie - unbegrenzten legislativen Gewalt verstand. Darüber hinaus leidet der
Absolutismusbegriff, wenn er als Epochenbezeichnung verwandt wird, darunter, daß er die
Phasenverschiebungen der Entwicklung in den einzelnen europäischen Ländern nicht
ausreichend erkennen läßt. So befanden sich die spanische Monarchie und die Machtstellung der
Krone in Kastilien und seinen Nebenlanden in der Mitte des 17. Jahrhunderts, als in Frankreich
vor allem nach 1661 (Beginn der selbständigen Regierung Ludwigs XIV.) die volle Entfaltung der
monarchischen Machtvollkommenheit erst einsetzte, bereits in einer Phase des Niedergangs und
andererseits erlebte z. B. in Preußen die Autorität der Krone ihre Vollendung unter Friedrich II.
nach 1740, als sich in Frankreich schon deutliche politische Krisensymptome zeigten.
Gerade in jüngster Zeit hat es daher auch nicht an Versuchen gefehlt, den
Absolutismusbegriff ganz zu verwerfen und als einen Mythos der neueren Historiographie zu
entlarven. Besonders intensiv wurde diese Opposition gegen den Absolutismusbegriff von
angelsächsischen Historikern wie u. a. Nicholas Henshall artikuliert, die als Gegner der
traditionellen, fortschrittsgläubigen liberalen Deutung der englischen Geschichte den Gegensatz
zwischen der englischen und der kontinentaleuropäischen Verfassungsentwicklung zu relativieren
versuchten. Diese Kritik unterschätzt allerdings ihrerseits zum Teil, daß, wenn schon nicht der
"Absolutismus", so doch die "absolute Monarchie" durchaus bereits ein Kampfbegriff der
Staatstheorie und politischen Publizistik der frühen Neuzeit war, und daß auch "Mythen"
geschichtsmächtige Kräfte sein können. Die Selbstdarstellung, aber auch die Selbstauffassung
von Herrschern wie Ludwig XIV. von Frankreich oder der preußischen Könige des 18.
Jahrhunderts unterschieden sich deutlich vom Herrscherbild des 16. Jahrhunderts in den
jeweiligen Ländern oder ihrer Vorläuferterritorien, als ständisch geprägte Rechtsvorstellungen
noch ein größeres Gewicht hatten. Man mag zweifeln, ob der "Absolutismus" jemals
systematisches politisches Programm - im Gegensatz zu einer pragmatischen Politik, die auf
Krisensituationen reagierte - war, auch wenn etwa die dänische lex regia (Kongelov) von 1665 ein
Beispiel dafür bietet, wie eine ständisch geprägte Wahlmonarchie bewußt zu einer dem Anspruch
nach unumschränkten Erbmonarchie umgestaltet wurde; die böhmische Verneuerte
Landesordnung von 1627, die den 1620 errungenen Sieg des Kaisers über seine ständischen und
konfessionellen Gegner festschrieb, bietet dazu eine gewisse Parallele. In jedem Fall gab es aber
eine offizielle politische Sprache der absoluten Monarchie, die die realen Schwächen der
monarchischen Autorität bewußt verbergen wollte, und auch noch als Rhetorik die realen
Handlungsmöglichkeiten sowohl des Herrschers als auch der Beherrschten mitbestimmte. In der
politischen Kultur der absoluten Monarchien der frühen Neuzeit hoben das offizielle Staatsrecht,
aber auch die höfische Selbstdarstellung des Monarchen und die politische Theorie den
unüberbrückbaren Abstand zwischen Herrscher und Untertanen und das Recht des Herrschers,
sich jeder menschlichen Kritik zu entziehen, um nur Gott allein oder seinem Gewissen
Rechenschaft abzulegen, hervor. Die politische Rhetorik der absoluten Machtvollkommenheit
des Monarchen, so wenig sie im einzelnen den Realitäten entsprechen mochten, schränkte die
Möglichkeiten politischer Kritik deutlich ein. So konnte und wollte der absolute Monarch des 17.
und 18. Jahrhunderts es sich in der Regel auch nicht leisten, offen mit seinen eigenen Untertanen
zu verhandeln oder gar Verträge mit ihnen zu schließen, wie es seine Vorgänger im späten
Mittelalters und zum Teil noch im 16. Jahrhundert getan hatten. In einer barocken politischen
Kultur, in der Rang und Status alles waren, hätte es einen gefährlichen Prestigeverlust für die
Krone mit sich gebracht, sich auf öffentliche Verhandlungen mit den Untertanen oder einzelnen
privilegierten Korporationen einzulassen (siehe P. Campbell, Power and Politics). Verhandlungen
fanden zwar statt, aber meist hinter den Kulissen des barocken Herrscherkultes. Dennoch war
dieses politische System, das vielleicht eher als barocke denn als absolute Monarchie bezeichnet
werden sollte - ein Begriff, der nicht zuletzt auf den theatralischen, durchinszenierten Charakter
der monarchischen Herrschaft anspielt -, durchaus effizient, wenn es um den Ausgleich zwischen
unterschiedlichen Interessen ging. Nur schwer waren freilich ideologische Konflikte zu
kanalisieren, die eigentlich gar nicht vorgesehen waren. Hier liegen wesentliche Unterschiede zu
jenem vom Parlament geprägten politischen System, wie es sich insbesondere in England seit
1688 entwickelte. Diese Unterschiede sollte auch eine legitime Kritik am überkommenen
Absolutismusbegriff nicht verwischen.
Allerdings, eine Definition des Absolutismus als Herrschaft unter Zurückdrängung oder
vollständiger Ausschaltung der Stände und ihrer Versammlungen und Vertretungen wie man sie
oft findet, bleibt dennoch in vieler Hinsicht unbefriedigend, denn das Verhältnis zwischen
Herrscher und Ständen war nie ein Nullsummenspiel, so daß einer Schwächung der Stände
notwendigerweise ein proportionaler Machtzuwachs der Krone entsprochen hätte und
umgekehrt. In Kastilien etwa bewältigte die Krone im späten 16. und zu Beginn des 17.
Jahrhundert, auf dem Höhepunkt der spanischen Hegemonialstellung, die Herausforderung, die
die Herrschaft über ein Weltreich darstellte, zeitweilig in enger Zusammenarbeit mit den Ständen,
den Cortes. Der Niedergang der Cortes nach 1660 fiel andererseits zusammen mit einem Verfall
der monarchischen Autorität, da die Krone zunehmend Vollmachten an lokale Herrschaftsträger,
Adlige genauso wie städtische Obrigkeiten, hatte delegieren müssen, mochte unter den
Bourbonen nach 1700 diese Entwicklung auch ganz oder teilweise revidiert werden. Auch für
Frankreich war die Zurückdrängung der Ständeversammlungen nicht das entscheidende
Kriterium für den Absolutismus, denn zumindest die Generalstände - im Gegensatz allerdings zu
manchen Provinzialständen - waren auch vor der Mitte des 17. Jahrhundert weitaus mehr ein
eher seltenes Ereignis gewesen als eine feste Institution. Daß sie nach 1614 (bis 1789) nicht mehr
einberufen wurden, sagt über den Charakter der monarchischen Herrschaft in dieser Epoche
noch nicht sehr viel aus. Wichtiger war gerade in Frankreich, daß es nach 1660 gelang, die etwa
100-jährige Schwächeperiode des französischen Staates zu beenden, die durch die
Religionskriege, bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen unter den adligen Magnaten und
zwischen diesen und der Krone und die zeitweilige vollständige Zerrüttung der Staatsfinanzen
gekennzeichnet war. Die Wiederherstellung der monarchischen Autorität, zu der die Beendigung
der Herrschaft von Favoriten und von übermächtigen leitenden Ministern ebenso gehörte wie die
zumindest partielle Abkehr von den rechtlich problematischen administrativen Notmaßnahmen
der vorhergehenden Krisenjahre, bei gleichzeitiger Intensivierung der staatlichen Herrschaft
wurde von den traditionellen Eliten grundsätzlich durchaus begrüßt, da damit auch ihr eigener
Status und ihr lokaler Einfluß weitgehend abgesichert wurden. Der klassischen Vorstellung vom
Absolutismus als einer Herrschaft ohne ständische Mitsprache findet ihre Bestätigung, auf
entgegengesetzte Weise, noch am ehesten in Brandenburg-Preußen und - ex negativo - in
England. In Preußen wurden die Ständeversammlungen in den meisten Provinzen - die
westlichen Landesteile behielten hier freilich eine Sonderstellung - nach 1648 in der Tat
zurückgedrängt und marginalisiert und traten dann spätestens im 18. Jahrhundert nicht mehr
zusammen. In England hingegen war es doch wesentlich die erfolgreiche Selbstbehauptung des
Parlamentes im Bürgerkrieg der 1640er und erneut in der Verfassungskrise der späten 1680er
Jahre, die die politische Entwicklung dieses Landes im 18. Jahrhunderts in andere Bahnen als die
der meisten kontinentaleuropäischen Monarchien lenkte, obgleich das traditionelle Bild vom
einem Kampf zwischen parlamentarischer Freiheit und monarchischem Absolutismus, der sich
unter den Stuarts mit innerer Zwangsläufigkeit entfaltete, auf weite Strecken eine in teleologischer
Absicht vorgenommene Konstruktion der späteren Geschichtsschreibung oder bestenfalls der
zeitgenössischen Propaganda ist. Die Habsburgermonarchie schließlich bietet im späteren 17.
Jahrhundert ein Beispiel für die Zusammenarbeit der Dynastie mit einer Koalition konfessionell
und politisch loyaler ständischer Kräfte, nachdem zuvor die regionalen Eliten unter Ausschluß
der ständisch-konfessionellen Opposition neu konstitutiert worden waren. Die traditionellen
Mitspracherechte der Stände vor allem im finanziellen Bereich blieben dabei bis weit ins 18.
Jahrhundert hinein durchaus erhalten, mochten diese auch eine ganze Reihe politischer
Kompetenzen einbüßen.
Komplex war auch das Verhältnis der absoluten Monarchen zur Kirche, respektive den
Kirchen. Der Konfessionalisierungsprozeß des späten 16. und frühen 17. Jahrhunderts wird
namentlich von der deutschen Historiographie oft als Teil einer allgemeinen Intensivierung
staatlicher Herrschaft und einer damit Hand in Hand gehenden "Sozialdisziplinierung" gesehen,
und scheint damit Strukturmerkmale des Absolutismus vorwegzunehmen. In der Tat verband
sich vor allem in den katholischen Staaten und Territorien die Stärkung der monarchischen
Herrschaftsgewalt meist eng mit der katholischen Reform und Gegenreformation. Die spanische
und die österreichische Habsburgermonarchie bieten dafür besonders anschauliche Beispiel.
Auch in Frankreich blieb die quasi neutrale Schiedsrichterrolle, die die Krone unter Heinrich IV.
(1589-1610) im religiösen Bürgerkriegskrieg übernahm, auf eine kurze Zwischenphase
beschränkt, auch wenn diese Rolle durch die Staatstheorie Jean Bodins, die oft als das
entscheidende intellektuelle Fundament der absoluten Monarchie überhaupt angesehen wird,
schon in den 1570er Jahren intensiv vorbereitet worden war. Doch schon Ludwig XIII. (1610-
1642) und noch mehr Ludwig XIV. (1642-1715) identifizierten sich wieder rückhaltlos mit der
katholischen Kirche bis hin zur Aufhebung (1685) der von Heinrich IV. 1598 gewährten
religiösen Toleranz für die Hugenotten, auch wenn es nun immer mehr die Krone war, die die
Bedingungen der Zusammenarbeit mit der Kirche bestimmte. Die Autorität des Papsttums
wurden daher ebenso eingeschränkt wie die Entfaltungsmöglichkeiten kirchlicher
Reformbewegungen, die nicht bereit waren, den Primat der Politik bedingungslos anzuerkennen
(Jansenismus). In den protestantischen Ländern war die Reformation hingegen oft unter
Mitwirkung der Stände durchgeführt worden. Dem monarchischen oder landesherrlichen
Kirchenregiment waren daher von Anfang an Schranken gesetzt, zum Teil war die Kirche wie in
vielen lutherischen Gebieten geradezu eine Hochburg ständischen Einflusses, der auf der lokalen
Ebene nicht zuletzt über das Patronatsrecht abgesichert war. Hier konnte die Zuwendung des
Herrschers zu neuen Formen des Protestantismus, wie zur calvinistisch geprägten zweiten
Reformation in wichtigen deutschen Territorien im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert, dem
landesherrlichen Kirchenregiment neue Gestaltungsmöglichkeiten - auch gegen die Stände -
eröffnen. Später wandten sich wichtige protestantische Dynastien in Deutschland und Europa (z.
B. die Wettiner in Sachsen in den 1690er Jahren und die Stuarts in England schrittweise nach
1660) hingegen ganz vom Protestantismus ab. Die Anziehungskraft der spezifisch katholischen
barocken Hofkultur und außenpolitische Gesichtspunkte der dynastischen Politik mögen hier
eine Rolle gespielt haben, aber offensichtlich war die Rolle als "summus episcopus" oder
"supreme governor" einer protestantischen Kirche auch nicht mehr wirklich attraktiv, da sie im
Inneren wie nach außen mit zu vielen Einschränkungen des politischen Bewegungsspielraums
verbunden war. Freilich konnte man den Autoritätsanspruch der Kirche in politischen Fragen
auch durch eine dezidierte Toleranzpolitik, wie in Preußen im 18. Jahrhundert, irrelevant werden
lassen.
Der Schwerpunkt der Intensivierung staatlicher Herrschaft, die für die volle Entfaltung der
absoluten Monarchie seit der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts charakteristisch ist, lag in der
Regel freilich ohnehin nicht mehr primär auf dem Gebiet des Kirchenregimentes und der
Konfessionspolitik. Wichtiger waren der Aufbau eines stehenden Heeres und einer
bürokratischen Verwaltung und die Mobilisierung immer neuer finanzieller Ressourcen. Die
stehenden Heere des 17. und 18. Jahrhunderts sind oft als ein klassisches Herrschaftsinstrument
der absoluten Monarchie gesehen worden. Der nicht selten nachhaltige ständische Widerstand
gegen ihre Finanzierung bestätigt dieses Urteil auch zum Teil. Auch gelang es nach der Mitte des
17. Jahrhunderts, das vorher weitverbreitete Kriegsunternehmertum zurückzudrängen und das
Heerwesen stärker als vorher zu verstaatlichen. Elemente eines "Mitunternehmertums" der
Offiziere bei der Heeresfinanzierung und -organisation blieben allerdings auf der Ebene der
einzelnen Kompanien und Regimente oft bis weit in das 18. Jahrhundert erhalten, zumal
Offizierspatente nicht selten, wie etwa in Frankreich, käuflich waren. Überdies blieben
Beförderungen und Karrieren im militärischen Bereich genauso wie im zivilen nicht selten von
traditionellen Patronagebeziehungen bestimmt, die die absolute Monarchie hier genauso wie auf
anderen Gebieten weniger zu beseitigen, als vielmehr im eigenen Interesse zu instrumentalisieren
suchte. Insgesamt ist die Rolle des Militärs und des Krieges als Motor der Staatsentwicklung im
der absoluten Monarchie ambivalent. Der zunehmende Finanzbedarf des Staates in Kriegszeiten
konnte zur Beseitigung überkommener Privilegien und ständischer Rechte führen, aber auch als
Hemmnis für durchgreifende Reformen wirken.
Ähnliche Ambivalenzen sind aber auch auf dem Gebiet der Verwaltung sichtbar. In vielen
gemeinhin als absolut geltenden Monarchien blieb die Lokalverwaltung besonders außerhalb der
Städte ganz oder teilweise eine ständische Selbstverwaltung oder auch durch die unmittelbare
Herrschaftsgewalt des Adels (etwa in Form der Gutsherrschaft in Preußen) geprägt, und
ähnliches galt unter Umständen mutatis mutandis sogar für die Verwaltung ganzer Provinzen auf
regionaler Ebene, wie in der Habsburgermonarchie noch in der ersten Hälfte des 18.
Jahrhunderts. Auch konnten wie in Preußen administrative Teilbereiche wie die Justiz und das
Schulwesen - im Gegensatz zu Militär- und Finanzverwaltung - als Domänen des ständischen
Einflusses von einer stärkeren herrschaftlich-monarchischen Durchdringung lange Zeit
ausgespart bleiben. In Frankreich wiederum gelang zwar der Aufbau einer auch zahlenmäßig sehr
umfassenden bürokratischen Verwaltung, die schon im 17. Jahrhundert mit ihren rund 50.000
Amtsträgern theoretisch nahezu omnipräsent war, aber die Ämter dieser Verwaltung waren in
aller Regel käuflich und oft auch erblich. Der König hatte daher über das Heer seiner Beamten,
von den wenigen nicht-käuflichen Schlüsselpositionen abgesehen, nur eine recht eingeschränkte
Verfügungsgewalt, und die patrimonial organisierte Bürokratie stellte nicht nur ein
Herrschaftsinstrument der Monarchie, sondern zugleich ein gewichtiges Hindernis für die
effiziente Umsetzung des monarchischen Herrschaftswillens dar.
Nicht nur in Frankreich pflegten die absoluten Monarchen sich mit dem überkommenen
System ständischer und korporativer Privilegien meist zu arrangieren, solange der wachsende
Finanzbedarf des Staates einigermaßen gedeckt werden konnte. In der Tat gelang es in den
absolutistisch regierten Staaten im 17. und 18. Jahrhundert eine erhebliche Steigerung der
Staatseinnahmen zu erzielen, die z. B. in Frankreich schon zwischen 1620 und 1640 in ihrem
realen Wert annähernd verdoppelt werden konnten. Nach einer anfänglichen, z. T.
konfliktreichen Phase der fiskalischen Expansion kam es dann allerdings nicht selten zu einer
Stagnation, da neue, auch die privilegierten Schichten (Adel, Klerus, städtisches Bürgertum)
stärker belastende Steuern nur schwer durchsetzbar waren, oder der Monarch sich an die
ursprünglichen Vereinbarungen mit den Ständen, auch wenn diese nicht mehr zusammentraten,
gebunden fühlte. Die eigentliche Achillesferse der absoluten Monarchie blieb allerdings das
Kreditwesen. Gerade ein dem Anspruch nach absoluter Herrscher war als Schuldner wenig
vertrauenswürdig, und so scheiterte etwa in Frankreich auch der Versuch, in den Jahren 1718-20
eine Staatsbank nach englischen Vorbild zu errichten. Es blieben als Auswege die Aufnahme von
Krediten zu vergleichsweise überhöhten Zinsen, der Rückgriff auf Steuerpächter, ausländische
Finanziers sowie (besonders in Mitteleuropa) Hofjuden als Bankiers, die vor allem in Preußen
praktizierte Thesaurierung von Geld und Edelmetallen in Friedenszeiten, und schließlich noch
die inflationäre Münzverschlechterung im Krieg, ein in der Habsburgermonarchie in den frühen
1620er Jahren und in Preußen im Siebenjährigen Krieg angewandtes Mittel. Weniger
finanzkräftige Staaten konnten sich im Kriege auch um ausländische Subsidien bemühen oder gar
ihre Untertanen als Soldaten vermieten, wie manche deutsche Territorialfürsten im 18.
Jahrhundert. In jedem Fall blieben die absoluten Monarchien bei der Mobilisierung von Krediten
Staaten mit einer starken Beteiligung von Ständeversammlungen an der politischen Macht meist
deutlich unterlegen, wie insbesondere der ohne ein außerordentlich leistungsfähiges Steuer- und
Kreditsystem undenkbare Aufstieg Englands zur Großmacht im 18. Jahrhundert und vorher
bereits die erfolgreiche Selbstbehauptung der niederländischen Republik im 17. Jahrhundert
zeigen.
Die Finanz- und Steuerpolitik der absoluten Monarchien blieb letztlich eingebunden in das
Gefüge der traditionellen ständischen Gesellschaft, deren Grundstrukturen vor dem späten 18.
Jahrhundert kaum je offen in Frage gestellt wurden, so sehr der Staat auch einzelne Vorrechte
und überkommene Freiheiten einschränken mochte. Doch gab es nicht nur vielfältige
Kompromisse mit den traditionellen Eliten, es wurden oft auch neue Privilegierungen
vorgenommen, von denen nicht nur die Funktionseliten des Staates (etwa in Frankreich der
Amtsadel) oder die höfische Aristokratie, sondern auch Angehörige der Mittelschichten wie z. B.
zünftisch organisierte Handwerker profitieren konnten. Überdies konnte selbst der Familienvater
sich gegenüber seinen Angehörigen in seiner Position durch die Monarchie gestärkt und geradezu
als ein Abbild des absoluten Herrscher im Kleinen fühlen, da der monarchische Staat etwa in
Frankreich die jurisdiktionellen Sondervollmachten des Königs (lettres de cachet) gezielt einsetzte,
um die überkommene patriarchalische Gesellschaftsstruktur zu stabilisieren.
Die absoluten Monarchen beanspruchten für sich freilich zunehmend die Kompetenz,
sozialen Status und sozialen Rang zu definieren, bis hin zur Zugehörigkeit zum Adel, sei es nun
durch Überprüfung der bestehenden Adelstitel (in Frankreich sog. recherches de la noblesse unter
Ludwig XIV.) oder durch extensive Nutzung des Nobilitierungsrechtes. Es gab tendenziell
keinen vom Urteil der Krone wirklich unabhängigen sozialen Status mehr, und gerade der Hof
des Herrschers wurde zur Schaltstelle für die Anerkennung sozialer Statusansprüche. Schon im
Hinblick auf die Kompetenz des absoluten Monarchen den ständischen Rang seiner Untertanen
innerhalb der überkommenen Ordnung zu definieren, aber auch weil der Herrscher für die
Anerkennung oder Zuerkennung von Status- und Ehrenvorrechten einen zum Teil erheblichen
Preis verlangte - z. B. in Form finanzieller Leistungen oder des oft recht kostspieligen Dienstes in
der Armee - ist es problematisch, in der absoluten Monarchie einfach ein Instrument der
privilegierten sozialen Schichten zu sehen, mit dem sie die systematische "Ausbeutung" der
übrigen Bevölkerung betrieben, wie etwa David Parker dies noch jüngst, die traditionelle
marxistische Interpretation des Absolutismus erneuernd, getan hat. Im erheblichem Maße haben
erst der Staatsbildungsprozeß und die Genese der absoluten Monarchie selbst jene soziale
Ordnung neu geformt, deren Erhaltung dann freilich eine der wesentlichen Aufgaben des Staates
wurde.
RONALD G. ASCH
Literatur
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