Das Wiegen der Erde

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Nr. 5| 33. Jahrgang 2002 | Physik in unserer Zeit | 217

| M AG A Z I N

Im Jahre 1798 erschien in den Philo-sophical Transactions der Royal So-ciety of London ein Aufsatz von SirHenry Cavendish, in dem er Experi-mente zur Bestimmung der Dichteder Erde beschrieb. Zu diesem Zeit-punkt hatte sich der reiche englischePrivatgelehrte bereits durch die vonihm veröffentlichte mathematischeTheorie der Elektrostatik sowie seinechemischen Untersuchungen von Ga-sen einen Namen gemacht. In Letzte-ren wies er nahezu zeitgleich mit Joseph Priestley und Antoine-LaurentLavoisier den Wasserstoff nach.

Bei seinen Experimenten zur Be-stimmung der Dichte der Erde ver-wendete Cavendish eine Torsions-waage (Abbildung 1). Sie bestand auseinem Waagebalken, der an einemDraht aufgehängt war. An den beidenEnden war jeweils eine kleine Blei-kugel befestigt. Der Waagebalkenund die Aufhängung befanden sich ineinem Gehäuse, um jeglichen Luftzug

des Erdradius konnte er dannaus seinen Messungen dieDichte der Erde als das 5,48-fache von Wasser berechnen.Dieser Wert lag nur etwa 1,3% unter dem heute gültigen.

Neben anderen Methodenwerden auch heute noch Torsionswaagen verwendet,um die Gravitationskonstanteexperimentell zu bestimmen.Diese ist mit einem – ver-glichen mit anderen Naturkon-stanten – großen Fehler be-haftet. In den letzten Jahrendurchgeführte Messungen ver-schiedener Forschergruppen variier-ten derart, dass der 1998 von dem internationalen Komitee CODATAveröffentlichte Wert mit einer Unsicherheit von 0,15% behaftet war.

Kürzlich veröffentlichten Wissen-schaftler der University of Washing-ton in Seattle einen neuen Wert miteiner bis dahin unerreichten Genau-igkeit (J. Gundlach, Physik in unsererZeit 2000, 31 (4), 177). Auch sie hat-ten eine Torsionswaage verwendet,in der allerdings der Waagebalkendurch eine Scheibe ersetzt war, ummögliche Ungenauigkeiten bei derMassenverteilung zu vermeiden. DieScheibe hing an einem Wolframfa-den, außerhalb befanden sich vierbzw. acht Stahlkugeln. Bei der Mes-sung wird die gesamte Torsions-waage gedreht. Die Drehung wirdmittels eines Computers so geregelt,dass der Faden torsionsfrei bleibt.Hierdurch lassen sich eine Reihemöglicher Fehlerquellen frühererMessungen ausschließen.

LLiitteerraattuurrC. Jungnickel, R. McCormmach, Cavendish: The Experimental Life. 2. Aufl., Cranbury (NJ),Bucknell1998B. E. Clotfelter, American J. of Phys. 11998877, 55,210.

Internetwise.fau.edu/~jordanrg/bios/Cavendish/Cavendish_bio.htmwww.aps.org/meet/APR00/baps/vpr/layp11-03.htmlphysicsweb.org/article/news/5/8/4/1

Peter Heering, Uni Oldenburg

PH YS I K G E S T E R N U N D H EU T E |Das Wiegen der ErdeKeine Naturkonstante lässt sich so schwer bestimmen wie die der Gravi-tation, da die Schwerkraft die schwächste der vier Fundamentalkräftenist. In den letzten Jahren erschienen eine Reihe von Arbeiten mit von-einander abweichenden Werten. Die erste Messung überhaupt, welchedie Bestimmung dieser fundamentalen Konstanten ermöglichte, hatteallerdings eine andere Zielsetzung: die Bestimmung der Dichte der Erde.

abzuhalten. Außerhalb dieses Gehäu-ses wurden zwei große Bleikugeln so angeordnet, dass sich eine dicht voreiner der beiden Kugeln am Waage-balken befand, die zweite dicht hinterder anderen.

Die Massenanziehung zwischenden großen und den kleinen Kugelnverdreht den Waagebalken gering-fügig. Anschließend wurden die großen Kugeln auf die jeweils andereSeite der kleinen gebracht, so dassder Waagebalken nun in die andereRichtung ausgelenkt wurde. Caven-dish war sich der Empfindlichkeitder Apparatur bewusst, daher erfolg-te die Ablesung der Auslenkung mit-tels eines im Nachbarraum befindli-chen Teleskops.

Für die Auswertung betrachteteCavendish den Arm der Torsionswaa-ge als Pendel. Dessen Auslenkung re-sultierte aus der Anziehungskraft zwi-schen der Kugel am Ende und derBleimasse. Die Schwingungsdauer

verglich er mitder eines identi-schen Schwere-pendels. DieSchwingungspe-riode ist nachNewton propor-tional zur Wur-zel der Rück-stellkraft. Unterdieser Annahmekonnte er seineMessungen aufdie Erde bezie-hen. Zunächstrechnete er dieBleimasse in ei-ne imaginäreWasserkugel um.Mit dem Wert

Skizze von Cavendishs Experiment aus dem Jahre 1798 (Phil.Trans. Roy. Soc London, Vol 88).

A B B . 1 | TO R S I O N S WA AG E

Abb. 2 Die mo-derne Torsions-waage desSeattle-Experi-ments. Erkennbarsind drei der viergroßen Kugeln.

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