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"Hauptdreiecke", VII. Teil, Trigonometrische Abteilung der Landesaufnahme, Berlin 1895 (Die Karte ist verkleinert wiedergegeben)
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Herausgeber: Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen V Mansfelder Straße 16, 10713 Berlin
Text und Gestaltung; Bezirksamt Köpenick von Berlin, Vermessungsamt, K. Hergt Postfach 1137, 12532 Berlin und Senatsverwaltung für Bau- und Wohnungswesen V, G. Rosenthai
Oktober 1994
Druck: H. Heenemann GmbH & Co, Bessemerstraße 83-91, 12103 Berlin
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DER TRIGONOMETRISCHE PUNKT I. ORDNUNG
MÜGGELBERG
Koordinatenanfangspunkt Berlin
Als Grundlage der Landesvermessung wurden im 19. Jh. die trigonometrischen Punkte (TP) I. Ordnung geschaffen. Wegen der erforderlichen Sichtverbindungen wurden die TP zumeist auf Bergen gelegen vermarkt, darüber für die Messungen Beobachtungsgerüste errichtet, oder sie wurden auf vorhandenen Turmbauten festgelegt. Die Entfernungen zwischen den TP I. Ordnung betragen 20 bis 70 km.
Ausgehend von Streckenmessungen zur Bestimmung ausgewählter Basen mit einer Länge von 2 bis 7 km zur Festlegung des Maßstabs und von den Richtungsmessungen auf den trigonometrischen Punkten erfolgten die Berechnungen zur Bestimmung der geographischen Koordinaten der Punkte.
Das trigonometrische Netz I. Ordnung für Berlin und Umgebung ist historisch folgendermaßen einzuordnen:
1832-1834 Ostpreußische Gradmessung (Memel-KönigsbergTrunz entlang der Ostseeküste, ausgeführt von F. W. Bessel und J. J. Baeyer)
1837-1842 Küstenvermessung (Verbindung der Ostpreußischen Gradmessung mit dem Dänischen Anschluß, Hiddensoe-Moen-Lübeck)
1842-1846 Erweiterung der Küstenvermessung zum Anschluß an die alte preußische Dreieckskette von Berlin nach dem Rhein aus den Jahren 1817-1822 (Berlin-Brocken-Nürburg).
Nach Abschluß der eigentlichen Beobachtungen der Küstenvermessung fand 1846 die Messung der Grundlinie bei Berlin mit dem Besselschen Basis-Meßapparat und der Verbindung der Grundlinie mit der Dreieckskette duch ein Vergrößerungsnetz statt. Das Vergrößerungsnetz wurde als unmittelbarer Bestandteil in das trigonometrische Netz eingefügt. Die Berliner Basis hat eine Länge von 2336 m und befand sich zwischen Mariendorf und Lichtenrade.
Die Beobachtung der Küstenvermessung erfolgte unter der Leitung des Oberst Johann Jacob Baeyer (* 5. 11. 1794 in Müggelheim, t 10. 9. 1885 in Berlin), der 1862 die Mitteleuropäische Gradmessung begründete. Die Beobachtungswerte wurden nach der Methode der kleinsten Quadrate ausgeglichen, wobei der in dieser Zeit berühmte Rechenkünstler Zacharias Dase zur Hilfe herangezogen wurde. Die Berechnung unter Verwendung dekadischer Logarithmen stellte einen erheblichen Aufwand dar, da es keine geeigneten Rechenmaschinen gab.
Denkmal zu Ehren J. J. Baeyers in Müggelheim
Unter Einbeziehung älterer Messungen wurde die Landesfläche Preußens bis zum Jahre 1899 vollständig mit Dreiecksnetzen I. Ordnung durch die Trigonometrische Abteilung der Königlich Preußischen Landesaufnahme überzogen. In Berlin und Umgebung entstanden so die TP I. Ordnung, die hier in ihrer ursprünglichen Schreib-
weise angegeben sind: Berlin Marienkirche, Rauenberg, Müggelsberg, Eichberg (nordöstl. BAB-Abzweig Drewitz), Götzer Berg (20 km westl. Potsdam), Eichstädt (westl. Velten), Prenden (11 km nördl. Bernau), Freienwalde, Krugberg (13 km östl. Strausberg), Colberg (8 km westl. Storkow) und Glienicke (8 km südöstl. Ludwigsfelde) .
Durch Beschluß des Zentraldirektoriums der Vermessungen in Preußen vom 29. Dezember 1879 wurde für Spezialvermessungen, insbesondere für die des Katasters, der Anschluß an die preußische Landestriangulation vorgeschrieben. Für die Berechnung wurden 40 rechtwinklig sphäroidische Soldner Koordinatensysteme eingeführt, deren Anfangspunkt mit TP I. und 11. Ordnung zusammenfielen und deren Ost- und Westausdehnung mit Rücksicht auf die Projektionsverzerrungen auf jeweils 64 km begrenzt wurden. Die Meridiane der Anfangspunkte sind die Abszissenachsen dieser Soldnerschen Koordinatensysteme. Die Abszissen zählen vom Anfangspunkt aus nach Norden positiv, die Ordinaten nach Osten. Soldnersche Koordinatensysteme wurden gewählt, weil Koordinatenberechnungen in einem metrischen Koordinatensystem einfacher durchzuführen sind als im geographischen, das ja bekanntlich auf der 360°Winkelteilung beruht. In diesem Zusammenhang erhielt der TP Müggelberg seine besondere Bedeutung: Er wurde zum Koordinatenanfangspunkt des 18. Soldnersystems bestimmt.
Dieses Koordinatensystem bildet auch die Grundlage des Blattschnitts des amtlichen Berliner Kartenwerks der Maßstäbe 1:1000 bis 1:10000. Deren Kartenblattnummern bfi!ginnen jeweils mit der dem Quadranten entsprechenden Ziffer: nordöstl. des TP Müggelberg mit 1, südöstl. mit 2 usw. Das ehemals auf das Berliner Rathaus bezogene Kartenwerk der Berliner Innenstadt wurde erst nach 1945 auf das 18. Soldnersystem Müggelberg umgestellt.
Das Hauptdreiecksnetz wurde im Anschluß durch trigonometrische Netze niederer Ordnungen verdichtet. In der Zeit ab 1876 folgten für das Gebiet des heutigen Berlins weitere städtische Triangulationen und Polygonierungen, diese jedoch zumeist ohne Anschluß an die Netze benachbarter Städte und Gemeinden. Das so entstandene Berliner Liniennetz weist Klaffungen bis zu 45 cm auf, insbesondere an den Bezirks- und Ortsteilgrenzen. Die innerhalb einzelner Netzteile auftretenden Spannungen sind u. a. auf aus heutiger Sicht ungenaue P.unktwiederherstellungen zurückzuführen.
Der alte Müggelturm, 1958 abgebrannt
Es gelang auch nicht, dem Berliner Netz ein einheitliches Koordinatensystem zugrunde zu legen, so daß vier Koordinatensysteme die Grundlage bildeten:
Konformes System Müggelberg (Reinickendorf, Pankow) ,
Konformes System Berliner Rathausturm (Mitte, Wedding, Tiergarten , Kreuzberg, Prenzlauer Berg, Friedrichshain) ,
18. Soldnersystem Müggelberg (Charlottenburg, Wilmersdorf, Zehlendorf, Schöneberg, Steglitz, Tempelhof, Neukölln, Treptow, Köpenick, Lichtenberg, Weißensee),
19. Soldnersystem Götzer Berg (Spandau).
Um den Anforderungen an ein modernes Lagefestpunktfeld gerecht zu werden , wurde 1970 mit der syste-
matischen Erneuerung des Lagefestpunktfeldes begonnen. Das erneuerte Lagefestpunktfeld gliedert sich in zwei Hierarchiestufen: die übergeordneten Lagefestpunkte und die Aufnahmepunkte. Das zunächst 1992 für die westlichen Bezirke, Mitte und Weststaaken fertiggestellte übergeordnete Lagenetz wird zur Zeit auf die Bezirke des östlichen Teils der Stadt ausgedehnt. Den Anforderungen und Möglichkeiten entsprechend wird das übergeordnete Lagenetz durch Aufnahmepunkte verdichtet. Ergebnis ist ein spannungsfreies und homogenes Lagefestpunktfeld hoher Genauigkeit, das die Grundlage für ein einheitliches Koordinatenkataster und für verantwortungsbewußtes planerisches, wirtschaftliches und rechtseindeutiges Handeln in Berlin bildet.
Auch für das erneuerte Lagefestpunktfeld, dem immer noch Lagerung und Orientierung der preußischen Landesaufnahme zugrunde liegen, hat der TP I. Ordnung
Der Müggelturm, zum Jahreswechsel 1960/61 fertiggestellt
Müggelberg seine Bedeutung nicht verloren: Mit seinen geodätischen Koordinaten
Länge 13° 37' 37'; 9332, Breite 52° 25' 07'; 1338
ist er der Koordinatenanfangspunkt des Landeskoordinatensystems Soldner-Berlin. Zur Unterscheidung der Koordinaten von denen des alten Netzes und um negative Koordinatenwerte zu vermeiden, wurde ein fiktiver Nullpunkt der Soldner-Berlin-Koordinaten 40 000 m westlich und 10 000 m südlich des Koordinatenanfangspunkts gewählt.
Der TP Müggelberg wird seine besondere Bedeutung erst verlieren, wenn dem Beschluß der Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsverwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland vom Mai 1991 folgend in Berlin das neue Bezugssystem "European Terrestrial Reference System 1989" (ETRS 89) eingeführt wird. Dieses System wurde durch satellitengeodätische Messungen im Global Positioning System (GPS) im europäischen Raum durch das European Reference Frame 1989 (EUREF 89) realisiert und für das Gebiet der Bundes republik Deutschland durch das Deutsche Referenznetz 1991 (DREF 91) verdichtet. Die Auswertung des DREF 91 wird noch im Jahre 1994 abgeschlossen sein. In Kürze wird dieses Netz durch die Referenznetze der Länder Brandenburg (BRAREF) und Berlin (BREF) verdichtet werden . Das erneuerte Berliner. Lagefestpunktfeld wird in das BREF eingerechnet werden. Aufgrund dieser Arbeiten stehen so über längere Zeit erstmals für die Bundesrepublik Deutschland geodätische Grundlagen mit hoher Genauigkeit in einem einheitlichen Bezugssystem zur Verfügung.
Die Beobachtungen der Küstenvermessung auf dem TP Müggelberg erfolgten auf einem hölzernen Pfeiler, der später durch einen Pfeiler aus Ziegelsteinen ersetzt wurde. Im Zeitraum von 1884 bis 1887 wurden Verdichtungsmessungen auf einem 9,25 m hohen Beobachtungsgerüst ausgeführt. Im Jahre 1889 mußte der TPPfeiler abgebrochen werden, weil auf dem Müggelberg ein 27 m hoher, hölzerner Aussichtsturm im Pagodenstil errichtet wurde. 1926 entstand östlich des Turms ein Ausflugslokal. Zwischen diesem und dem Turm befand sich auf der Terrasse der wiederhergestellte , eingezäunte TP.
Bei Schweißarbeiten zur Sanierung des Aussichtsturms, brannte dieser im Jahre 1958 ab. Durch vielfälti-
Ausschnitt aus der Bezirkskarte Köpenick (verkleinert auf ca. 1: 30 000)
ges Engagement der Berliner entstand bis zum Jahreswechsel 1960/61 der 29 m hohe neue Müggelturm, dem sich ein Gaststättenkomplex anschloß. In dessen Realisierung wurde der TP einbezogen, dieser befindet sich jetzt im Blumenfenster des Terrassenrestaurants. Er ist gekennzeichnet durch einen Granitstein mit der Inschrift "TP" (nach Süden) und "System Müggelberg 1857" (nach Norden). Unter dem Stein befindet sich ein Messingbolzen, das Zentrum des TP, der durch exzentrisch angeordnete Festlegungsbolzen gesichert ist.
Im Zusammenhang mit GPS-Messungen im übergeordneten Lagenetz von Berlin wurde 1993 der Punkt auf das Dach des Gebäudes gelotet und durch eine Messingplatte gekennzeichnet.
KLEINES GEODÄTISCHES GLOSSAR
Abszisse: Koordinatenwert (x) auf der nach Gitternord ausgerichteten Achse eines rechtwinkligen Koordinatensystems. Die Ordinaten (y) zählen senkrecht hierzu. Der Schnittpunkt der beiden Achsen (y=x=O) ist der Koordinatenanfangspunkt.
Besselscher Basis-Meßapparat: Von F. W. Bessel An: fang des 19. Jh . entwickeltes bi metallisches Streckenmeßgerät zur Maßstabsbestimmung in Trigonometrischen Netzen. Er enthält nebeneinander eine Eisen- und eine Messingstange. Zur Bestimmung des Zwischenraums zwei aufeinanderfolgender Stangen wie auch zur Bestimmung des von der Temperatur abhängigen Abstandes zwischen den Enden der Eisen- und Messingstange wurde ein Meßkeii verwandt, der Ablesung bzw. Schätzung der 1/100 mm gestattet.
European Reference Frame 1989 (EUREF 89): Bezeichnung für die im Mai 1989 in Europa durchgeführte GPSKampagne. In den Folgejahren ist das damit geschaffene Netz durch weitere GPS-Kampagnen erweitert worden.
European Terrestrial Reference System 1989 (ETRS 89): An den stabilen Teil der Eurasischen Platte fixierter europäischer Anteil am ITRS 89. Erste Realisierung des ETRS 89 ist das European Terrestrial Reference Frame 1989 (ETRF 89), gegeben durch die in Europa gelegenen Stationen des International Earth Rotation Service mit Ihren Koordinaten zur Epoche 89.0.
Geodäsie: Die Wissenschaft von der Vermessung und Abbildung der Erdoberfläche.
Global Positioning System (GPS): Vom Department of Defense und dem Department of Transportation der USA verfügbar gemachtes System mit schließlich 24 Satelliten. Dieses System für Ortung und Navigation wird in immer stärkerem Maße auch von dem Vermessungswesen genutzt.
International Terrestrial Reference System (ITRS): Weltweit akzeptiertes, vom International Earth Rotation Service realisiertes Bezugssystem auf der Grundlage von Satelliten-Laser-Entfernungsmessungen (SLR), Laser-Entfernungsmessungen zum Mond (LLR) und Very-Long-Baseline-Interferometrie (VLBI).
Kataster (Liegenschafts kataster): Nachweis der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse der Liegenschaften (Grundstücke und Gebäude). Es enthält insbesondere Angaben über die Lage, Größe und Nutzung der liegenschaften und wird von den Vermessungsämtern geführt.
Landesvermessung (Landesaufnahme): Die Landesvermessung tlat die Aufgabe, die Lage-, Höhen- und Schwerefestpunktfelder sowie die Landeskartenwerke herzustellen. Die Ergebnisse der Landesvermessung bilden die geodätische Grundlage aller Vermessungen.
Methode der kleinsten Quadrate: In Ausgleichungs- und Fehlerrechnung angewandtes Prinzip zur Ermittlung der wahrscheinlichsten Werte direkt beobachteter oder aus Beobachtungen abgeleiteter Größen. Erstmals von dem deutschen Mathematiker, Physiker, Astronomen und Geodäten C. F. Gauß 1794 zur Ausgleichung astronomischer Messungen angewendet und 1809 veröffentlicht.
Polygonierung: Bestimmung von Lagefestpu'1kten durch die Messung der Richtungen - aus denen sich'die Winkel ergeben - und der Strecken gebrochener Streckenzüge (Polygonzüge) zwischen trigonometrischen Punkten. Auch das erneuerte Berliner Lagefestpunktfeld basiert auf derartigen Messungen, soweit nicht durch GPS-Beobachtungen bestimmt. Im Gegensatz zu früheren Berechnungen erfolgt die Bestimmung der erneuerten Lagefestpunkten durch eine flächenhafte Ausgleichung aller Beobachtungen nach der Methode der kleinsten Quadrate.
Triangulation: Klassisches Verfahren zur Bestimmung der trigonometrischen Punkte (Lagefestpunkte) durch Richtungs- oder Winkel- sowie Basismessungen. Zur Orientierung des Netzes dienen die astronomisch bestimmten geographischen Breiten und Längen einzelner trigonometrischer Punkte sowie die Azimute einzelner Dreiecksseiten (im preußischen wie im deutschen Hauptdreiecksnetz: TP Rauenberg, Azimut Rauenberg-Berlin Marienkirche). In späterer Zeit, nach Verfügbarkeit elektronischer Distanzmeßgeräte, wurden vielfach Trilaterationen (Dreiecksvermessungen durch Streckenbestimmungen) oder kombinierte Verfahren zur Bestimmung der Lagefestpunkte angewendet. In neuester Zeit kommt verstärkt die Satellitengeodäsie zum Einsatz.
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