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Die patentierten Erfindungen von WolfgangGaede aus der Zeit von 1905 bis 1945The Patented Inventions from Wolfgang Gaede from 1905 to 1945
Hinrich Henning
26Vakuum in Forschung und Praxis 21 (2009) Nr. 1 26–31� 2009 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI:10.1002/vipr.200900374
Zusammenfassung
Die Liste von Gaedes Patenten ist ein Bei-
spiel aus fruher Zeit fur eine fruchtbare
Zusammenarbeit zwischen Industrie und
Wissenschaft, aus der mehrere bis in unsere
Zeit wichtige Erfindungen hervorgegangen
sind. Die Verbindung hat schwere Zeiten
uberdauert und hielt selbst dann, als Gaede
von den Nazis widerrechtlich zum Verzicht
auf seinen Lehrstuhl gezwungen wurde.
Summary
The collection of Gaede’s patents shows
how successfully cooperation between
science and industry could bee. Several up
to now important inventions in vacuum
technique have been made and this in
sometimes hard and difficult circumstan-
ces. Even when Gaede has lost his chair at
the university of Karlsruhe from illegal in-
trigues by the Nazis.
Einleitung
Im Herbst 1905 stellte Wolfgang Gaede auf
einer Tagung eine neuartige Hochva-
kuumpumpe vor, die den Eigentumer der
Fa. E.Leybold’s Nachf. in Koln Alfred
Schmidt so sehr interessierte, daß er mit
dem Erfinder so bald wie moglich Kontakt
aufnahm. Bald darauf vereinbarten beide
eine wissenschaftliche Beratung der Firma
durch Gaede.
Die Liste der Patente, die aus dieser Zu-
sammenarbeit von Wolfgang Gaede mit E.
Leybold’s Nachf. entstanden, spiegelt nicht
nur den damaligen Stand der Vakuum-
technik wieder; in ihr wird deutlich, dass
Gaede die Einfuhrung der Vakuumtechnik
in die moderne industrielle Produktion
gebahnt hat. Die von ihm erfundene ro-
tierende Quecksilberhochvakuumpumpe
[1] war so viel einfacher in der Bedienung,
bequem elektrisch anzutreiben und deut-
lich robuster als die bisherigen Hochva-
kuumpumpen nach dem “Barometer”-
Prinzip von Geissler, Sprengel, Toepler oa.,
dass “alle Welt” sich lebhaft fur die Pumpe
interessierte. Die Anwendung von Ferti-
gungsverfahren unter Einsatz von Hoch-
vakuum wurde damit sehr erleichtert. Auch
wenn Gaedes Pumpe die Quecksilber-
Pantscherei noch nicht beseitigte, war
dennoch die Moglichkeit, durch 15min
Drehen an einem Handrad ein Hochvaku-
um zu erzeugen, fantastisch.
Die Liste ist lang: 37Erfindungen wurden
in Deutschland patentiert, davon acht zu-
satzlich in verschiedenen anderen Landern,
zwei nur im Ausland. Es handelt sich vor-
nehmlich um Erfindungen aus verschiede-
nen Bereichen der Vakuumtechnik, aber
auch zur Signalubertragung bei der Eisen-
bahn und ein Patent uber einen Mund-
spiegel. Letzteren hat Gaede zur Selbstdia-
gnose und -behandlung bei einer vermut-
lich chronischen Erkrankung seiner Man-
deln konstruiert.
Die Bedeutung der Patente von Gaede
auf vakuumtechnischem Gebiet kann man
dadurch ermessen, dass drei grundlegende
Erfindungen auch heute noch allgemein im
Gebrauch sind, selbst wenn die Schutz-
rechte langst erloschen sind:
die Reibungspumpe von 1910
die Diffusionspumpe von 1915
der Gasballast von 1935.
Man kann mit Fug und Recht diese drei
Erfindungen zusammen mit der Quecksil-
berhochvakuumpumpe zu damaliger Zeit
als epochemachende Neuerungen in der
Vakuumtechnik bezeichnen.
Die Erfindungen
Alle Erfindungen von Gaede uber die
40jahrige Zusammenarbeit mit der Firma
E.Leybold’s Nachfolger hinweg galten
a) der Entwicklung neuer Pumpen-Arten
oder Pumpverfahren (8 Patente)
b) der Verbesserung der rotierenden ol-
gedichteten Pumpen (14 Patente)
c) der Verbesserung der Diffusionspum-
pen (7 Patente) und
d) verschieden Bereichen der Vakuum-
technik – Druckmessung, Vakuumde-
stillation, ... (7 Patente)
Als Treppenwitz in der Leybold-Ge-
schichte ist zu vermerken, daß ausgerech-
net die Erfindung einer Hochvakuumpum-
pe von 1905, mit der die 40jahrige Zu-
sammenarbeit begann, in Deutschland
nicht patentiert wurde. Es mag sein, daß
Gaede bei der Sicherung seiner Anspruche
noch zu unerfahren war, auch dass Leybold
in dieser Sache nicht hinreichend gut von
seinem Patentanwalt betreut wurde. Aber
in vielen Landern –darunter Frankreich,
Großbritannien, die Schweiz und USA–
wurden Schutzrechte erteilt: “Vakuum-pumpe” ist der schlichte Titel des
Schweizer Patents Nr. 37806 - Bild 1. Nur in
Deutschland konnte die Konkurrenz die
rotierende Quecksilber-Hochvakuumpum-
pe ungehindert nachbauen und verkaufen.
Die rotierende Quecksilberhochva-
kuumpumpe hatte so viele Vorteile ge-
Vakuum in Forschung und Praxis 21 (2009) Nr. 1� 2009 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.vip-journal.de 27
genuber den bisher gebrauchlichen Pum-
pen, daß alle Welt sich dafur interessierte.
In den im Gaede-Archiv vorhandenen Be-
stelllisten geben sich die Namen zahlrei-
cher Universitatsinstitute ein Stelldichein,
aber eben auch die Elektroindustrie, vor
allem die Gluhlampenhersteller aus vielen
Landern. Die bildeten fur Alfred Schmidt,
den Eigentumer von E. Leybold’s Nachf.
zunachst die eigentliche Zielgruppe.
Als er den Bericht von Gaedes Erfindung
las, wurde ihm die Bedeutung der neuen
Pumpe fur dieses Geschaftsfeld sofort klar.
Schnellstens machte er sich auf, Gaede zu
treffen, um die Rechte an dieser Erfindung
zu erwerben.
Jetzt war es einfach, mit der neuen
Pumpe schnell gutes Hochvakuum zu er-
zeugen. Eine Vorvakuumpumpe war not-
wendig, weil der Hohenunterschied zwi-
schen Auspuff und Saugseite nur wenige
Zentimeter betrug. Dafur genugte aber
schon eine einfache Wasserstrahlpumpe.
Aber die erste Ausfuhrung war durchaus
noch storanfalig. Plotzliche Lufteinbruche
ließen haufig die Porzellantrommel platzen,
wenn das schwere Quecksilber im Innern
der Trommel in das Vakuum der Kanale
schoß und mit hoher kinetischer Energie
gegen die Wand prallte. Abhilfe brachte
1908 die 2. Erfindung von Gaede: “Vor-richtung zur Verhinderung des Sprin-gens von Schopftrommeln rotierenderQuecksilber-Pumpen” (DE-202451), die
Sicherheitsventile in den Kammerwanden
vorsah. Damit konnte der Stoß des anstro-
menden Quecksilbers abgemildert werden.
Das 3. Patent 1909 betraf die Herstel-lung von kegelformigen Glasschliffen
(DE-206609), die seinerzeit haufig als
einfache, aber sichere Hochvakuumver-
bindung benutzt wurden. Dabei war es
nicht selbstverstandlich, daß jeder Außen-
schliff einen beliebigen Innenschliff auf-
nehmen konnte, zumal fur Hochvakuum
die als Dichtmittel verwendete Fettschicht
moglichst dunn sein sollte. So konnte ein
zerbrochenes Schliffteil nur ersetzt wer-
den, wenn das Gegenstuck vorhanden war
und als Muster diente. Gaede hat vorge-
schlagen, einen “Lehrkegel” aus geharte-
tem Stahl zu benutzen, der sehr genau
gefertigt wurde. Damit wird dann eine
großere Zahl von Werkzeugen durch Pres-
sen erzeugt fur die Herstellung der Glas-
schliffe. Um die Abnutzung dieser Werk-
zeuge zu berucksichtigen, wurden fur die
grobe Bearbeitung zunachst alte, schon
langer verwendete Werkzeuge, dann in
mehreren Schritten immer neuere einge-
setzt, sodaß der letzte Schliff mit einem
noch neuen paßgenauen Werkzeug ausge-
fuhrt wurde.
Zwei weitere Erfindungen betreffen die
olgedichteten Drehschieberpumpen,
“Kapselpumpen” wie sie damals genannt
wurden. Sie sind bis heute quasi das Ar-
beitspferd in der Vakuumtechnik, unkom-
pliziert und robust. Aber sie haben kon-
struktionsbedingte Nachteile, die nicht
immer in Kauf genommen werden konnen.
Insbesondere Ol- und Wasserdampfe ver-
schlechtern und verunreinigen das er-
zeugte Vakuum. So beschreibt die eine Er-
findung eine Kapselluftpumpe mit “Ol-sack” im Wellenlager (DE-214504),
durch den das geforderte Gas vor dem
Ausstoßen geleitet wird, “ … so daß etwa
aus der Pumpe mitgefordertes Ol oder
Wasser in den Olsack fließen und dort sich
trennen konnen.”
Um zu verhindern, daß Luft von Atmo-
spharendruck gegen die Pumprichtung in
das Innere eindringt, wird ein Ruck-schlagventil fur die Austrittsoffnungvon Kapselpumpen zur Forderung vonGasen (DE-225286) im Auspuff eingebaut.
Um die Kompressionskammer moglichst
klein werden zu lassen, den freien Gas-
austritt dicht an die Anlagestelle von
Pumpenzylinder am Gehause zu rucken,
dabei aber groß zu halten, schlagt Gaede
vor – Bild 2, den Gasaustritt als schmalen
aber langen Schlitz parallel zur Pumpen-
achse auszubilden, der gleichzeitig als Sitz
eines stabformigen Ruckschlagventils
dient. Damit konnte er den Enddruck
deutlich verbessern, ohne den Auspuff
vollstandig mit Ol zu uberlagern.
In 1909 meldete Gaede ein Patent fur
eine rotierende Vakuumpumpe (DE-
239213). Diese Erfindung wurde weltweit –
ahnlich der Quecksilberhochvakuumpum-
pe – als Sensation empfunden. Tatsachlich
hat Gaede hier den physikalischen Effekt-
die außere Reibung der Gase - zum ersten
Mal fur die Vakuumerzeugung benutzt. Eine
schnell bewegte Wand nimmt Gas im nahen
Bereich ihrer Oberflache mit sich. Ist die
bewegte Wand Teil eines langeren Kanals,
baut das mitgenommene Gas darin am Ende
einen Druckanstieg auf. Fuhrt man hier das
Gas ab, wahrend am anderen Ende mit
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Abb. 1. Die rotierende Quecksilberhochvakuumpumpe; sie saugt Gas bei 8a an unddruckt durch die Kanale 13a/b bei 12 ins Vorvakuum.
Abb. 2. Das Ruckschlagventil V ist obenrechts in Langs- und Querschnitt gezeigt;der schadliche Totraum ist auf ein Mini-mum reduziert.
Vakuum in Forschung und Praxis 21 (2009) Nr. 128 www.vip-journal.de � 2009 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
geringerem Druck Gas nachstromen kann,
hat man bereits eine Pumpe.
G. nahm einen schnell in einem Gehause
rotierenden Zylinder mit in die Mantelfla-
che einige Millimeter tief eingefrasten Nu-
ten. Feststehende Nocken ragen in die
Nuten hinein und bilden Anfang und Ende
der Kanale, sodaß fast der ganze Umfang fur
die Pumpwirkung verfugbar ist – Bild 3. Der
originale Versuchsapparat zu dieser Erfin-
dung ist heute im Deutschen Museum in
Munchen zu sehen. Die Abstande zwischen
bewegten und feststehenden Teilen mus-
sen sehr klein sein, um Verluststromungen
zu vermeiden. Das stellte hohe Anforde-
rungen an die Fertigung des Gerats. Eine
geschickte Anordnung der hintereinander
geschalteten Kanale vermied das Eindrin-
gen von Oldampfen aus den Wellenlagern
ins Hochvakuum. Es war schon fast eine
“trockene” Vakuumpumpe nach heutigem
Maßstab. So konnte die “Molekularpumpe”
ein sehr gutes sauberes Vakuum bei
10 -6 mbar erzeugen, mit nur sehr geringer
Verunreinigung.
Gaede meldete anders als sonst diese
Erfindung in einem sehr fruhen Stadium an.
Sie war Teil seiner geplanten Habilitati-
onsarbeit. Darum hieß es abzuwagen zwi-
schen Sicherung seiner Anspruche und
Vollstandigkeit der geplanten Veroffentli-
chung. Eine zu fruhe Teilveroffentlichung
war fur alles schadlich.
Weitere Erfindungen betrafen zum einen
eine Vakuum-Kolbenpumpe (DE-
281977) mit einem Auspuffventil zwischen
Kolbenteller und -stange und zum anderen
eine Wasserabscheidekammer fur Va-kuumkolbenpumpen (DE-281595).
Dieser Pumpentyp war seinerzeit (1913)
noch weit verbreitet, weil billig und einfach
zu bedienen. Man muß bedenken, daß
Leybold damals immer noch viele Gerate
fur den Schulunterricht vertrieb. Die Qua-
litat des erreichbaren Vakuumdrucks wur-
de leicht durch unsorgfaltiges Arbeiten
beeintrachtigt, vor allem infolge Ver-
schmutzung des als Dichtung verwendeten
Ols durch Wasser. Gaede konstruierte eine
3-stufige Kolbenpumpe, die das Patent DE-
281977 in allen drei Stufen, die Wasser-
abscheidekammer in der letzten Stufe be-
nutzte. In der Preisliste vom Nov. 1914
schreibt Leybold: “Vor der [rotierenden]
Kapselpumpe hat sie den Vorzug, daß sie
ein weit hoheres Vakuum erzielt (bis
0,00005 mmHg) und außerdem keines
Motors … benotigt”. Aus den Aufzeich-
nungen von Leybold geht hervor, daß mehr
als 550 Stuck vor allem von Schulen gekauft
wurden.
Mit der Vorrichtung zum Evakuieren(DE-286404) gelang Gaede unter dieser
wenig aufregenden Bezeichnung eine
weitere bis heute ganz bedeutende Erfin-
dung – Bild 4. Wird ein standiger Strom von
reinem Wasser- oder Quecksilberdampf
(heute nimmt man zumeist Oldampf) an
einer Offnung zu einem Rezipienten vor-
beigefuhrt, diffundieren Gasmolekule aus
dem Rezipienten in den Dampfstrom hin-
ein, da dort der Partialdruck des Rezipien-
tengases gleich Null ist. Eine geeignete
Kuhlfalle verhindert, daß der Dampf selbst
in den Rezipienten dringt. Im Bild 4 besteht
die Offnung zum Rezipienten aus einer
porosen Keramikwand. Die Vorrichtung
wirkt also wie eine Pumpe, spater Diffusi-
onspumpe genannt. Im Unterschied zur
Dampfstrahlpumpe, die mit der Strahlge-
schwindigkeit einen relativ begrenzten
Unterdruck erzeugt, arbeitet die Diffusion
auch bis zu sehr niedrigen Drucken, bis in
den Hochvakuumbereich.
Erstmals im Dezember 1912 erwahnt
Gaede dieses Pumpenprinzip in einem
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Abb. 3. Die rotierende Vakuumpumpe: 8Kanale in der Trommel werden durch diefeststehenden Nocken E begrenzt. Je 4Kanale sind hintereinander-geschaltet,um die Druckdifferenz stufenweise zuerhohen.
Abb. 4. Die Vorrichtung zum Evakuierenwird zum Betrieb mit Wasserdampf ge-zeigt: dieser stromt uber die Außenseiteeiner porosen Tonzelle 1 und nimmt dabeiGasmolekule aus den Poren mit sich fort.Der Druck im inneren Volumen 3 sinkt.
Abb. 4a. die Patenturkunde zu DE –P 286404.
Vakuum in Forschung und Praxis 21 (2009) Nr. 1� 2009 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.vip-journal.de 29
Brief an A. Schmidt, den Eigentumer von
Leybold, und meldet es 1913 zum Patent
an, das 1915 erteilt wird. Die ersten
Quecksilber-Diffusionspumpen aus Glas
werden bereits im November 1913 zu-
nachst nur an Universitaten verkauft. Im
Katalog erscheinen sie 1914.
Diffusionspumpen werden bald zu den
wichtigsten Hochvakuumpumpen, wie
sich an der Vielzahl der Patente in der Folge
zeigt. Zunachst betreffen alle weiteren Er-
findungen Diffusionspumpen mit Queck-
silber.
Allerdings gibt es eine Pause von sieben
Jahren, bevor Gaede das nachste Patent
anmeldet, vermutlich infolge des 1. Welt-
kriegs. Es gab aber auch Probleme mit an-
deren Erfindungen, so von Langmuir in den
U.S.A., die zu umgehen ebenfalls nicht
leicht moglich war.
Erst 1921 konnte er eine Ausfuhrung der
Diffusionspumpe (DE-401048) aus Metall
zum Patent anmelden, die mit Quecksil-
berdampf betrieben wurde. Sie hatte eine
besonders ausgebildete Ruckfuhrung des
wieder kondensierten Treibmittels in den
Verdampfer, die ein Zuruckstromen von
Dampf verhinderte.
Im gleichen Jahr folgt eine andere Aus-
fuhrung der Diffusionspumpe mitmehreren, verschiedene Druckstufenbildenden Strahldusen (DE-416065),
ebenfalls aus Metall und mit Quecksilber als
Treibmittel. Patentiertes Hauptmerkmal ist
ein als Ganzes nach oben herausziehbares
“Innenleben”, z.B. zur Reinigung der
Strahldusen – Bild 5.
Gut ein Jahr danach wird 1923 unter dem
Titel Hochvakuumpumpe (DE-417275)
die Anordnung eines Nadelventils in der
Saugleitung angemeldet, das als Regler den
Hochvakuumdruck einzustellen erlaubt,
wobei die eingestellten Betriebbedingun-
gen der Pumpe unverandert bleiben.
Eine hochentwickelte Diffusionspum-pe (DE-419054) mit mehreren Druckstu-
fen wird 1925 patentiert, aus Metall ge-
fertigt und mit Quecksilberdampf betrie-
ben. Sie hat eine besonders effektive Kuh-
lung der durch den Dampf aufgeheizten
Dusenteile. Das komplexe Dusensystem als
Ganzes kann aus dem Pumpenkorper her-
ausgezogen werden fur Justier- und Reini-
gungsarbeiten.
Ein weiteres Patent im gleichen Jahr
betrifft eine Diffusionspumpe (DE-
436016) mit einer besonderen Kuhlung des
Gases, das von der Vorvakuumpumpe ab-
gesaugt wird. Dadurch wird erreicht, daß
der darin enthaltene Quecksilberdampf
kondensiert und so in der Diffusionspumpe
verbleibt.
Mit einem Problem bei rotierenden Va-
kuumpumpen befassen sich zwei Patente
1927 und 1929 unter gleichem Titel Ein-richtung fur Vakuum-Drehkolben-pumpen mit Olabschluß zur Verhin-derung des Oleintritts in die Vakuum-leitung bei Stillstand der Pumpe (DE-
442185 und -471827). Beide haben zum
Ziel, die Olmenge, die durch den anstei-
genden Luftdruck in die Ansaugleitung
gedruckt werden kann, auf wenige mm3 zu
begrenzen.
Zwischen diesen beiden Patenten mel-
det Gaede zusammen mit Herrn Dr.ing.
Hans Thoma von der TH Karlsruhe drei
Erfindungen an, die nicht die Vakuum-
technik betreffen, sondern Signaltechnikzur Zugbeeinflussung bei der Eisen-bahn.
Die nachste Erfindung 1929 bezieht sich
wiederum auf eine Diffusionspumpe mit
gekuhlten Dusenelementen, die die
Pumpwirkung verbessern. Wegen Vorver-
offentlichung wurde in Deutschland kein
Patent erteilt, wohl aber in Großbritannien
und der Schweiz (CH-144942).
Es folgt im gleichen Jahr eine Diffusi-onspumpe mit Wirbelstromheizung(DE-487263), bei der der Quecksilberbe-
halter ringformig ist und die Sekundar-
wicklung eines Transformators bildet.
Erstmalig wird eine Ol-Diffusions-pumpe 1931 zwar nicht als Patent, aber als
Gebrauchsmuster Nr.1237393 registriert.
Sie ist zum Betrieb mit Olen geeignet die
wegen deren Zusammensetzung aus ver-
schiedenen Komponenten (“Schmierol”)
bei unterschiedlichen Siedetemperaturen
Vakuum erzeugen sollen.
Eine Erfindung außerhalb der Vakuum-
technik ist ein Mundspiegel (DE-535766)
mit Beleuchtungseinrichtung, der fur Gae-
de wegen seiner haufigen Halsbeschwer-
den von Interesse war. Gaede konnte Ley-
bold uberreden, diesen zum Patent anzu-
melden. Die Firma hatte ja ein umfangrei-
ches Lehrmittelprogramm. Ob er je pro-
duziert wurde, ist nicht bekannt.
Die Naß-Trocken-Luftpumpe, insbe-sondere Drehkolbenpumpe (DE-
569212) von 1931 arbeitet mit einer Ol-
Uberlagerung, um gutes Vakuum zu erzie-
len. Bei starkerem Luftstrom, z.B. im Be-
trieb als Druckluftpumpe, wird das uber-
lagernde Ol weggeblasen, aber so, dass
praktisch keine Oltropfchen in den Aus-
puffstutzen gelangen konnen. Ist der Gas-
durchsatz aber gering, fließt das dichtende
Ol wieder zum Ruckschlagventil zuruck.
Wie man erkennt, war damals der Begriff
“trocken” weniger anspruchsvoll definiert
als heute.
Die Erfindung von 1931 zu einer ol-uberdeckten Drehkolbenvakuum-pumpe (DE-596978) beschreibt eine Aus-
fuhrung, bei der von außen eindringende
Luft in die jeweils zur Verdichtung anste-
hende Druckkammerhalfte gelenkt wird.
So wird der Ansaugvorgang durch Leckage
nicht beeinflußt.
Fur ebendiesen Pumpentyp wird 1933
wie schon haufig, eine Erfindung zum Pa-
tent angemeldet, die das Zurucktreten von
Pumpenol in die Ansaugleitung oder den
VIP R&D
Abb. 5. Die Diffusionspumpe mit mehre-ren, verschiedene Druckstufen bildendenStrahldusen hat wegen des kompliziertenAufbaus ein Innenteil, das ganz nach obenherausgezogen werden kann.
Vakuum in Forschung und Praxis 21 (2009) Nr. 130 www.vip-journal.de � 2009 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim
Rezipienten verhindert, diesmal fur eine
Drehkolbenpumpe mit beweglichemAbsperrschieber, Oluberdeckung desDruckventils und Olabsperrvorrich-tung in dem Druckkanal (DE-602226).
Die folgende Patentanmeldung 1933 be-
trifft das Vakuum selbst und die Messung
seines Drucks. Man beobachtet bei Auftre-
ten einer ionisierenden Gasentladung einen
Druckabfall – eine Verbesserung des Vaku-
ums. Zudem waren seit einigen Jahren zur
Druckmessung im Hochvakuum Ionisati-
onsmanometer bekannt. Deshalb schlagt
Gaede vor, eine Einrichtung zur regel-baren Verstarkung der Gasionisation invorevakuierten Gluhkathodenrohren(DE-634981). Durch ein Magnetfeld wird
die Ionenausbeute verstarkt, sodass sowohl
der Vakuumdruck zu verbessern als auch
die Druckmessung zu steuern (z.B. zu ka-
librieren usw.) ist – Bild 6.
Einmal mit dem Zustand des Vakuums
befaßt, erfindet er ein Verfahren zur Be-stimmung sehr kleiner Drucke vonGasen und Dampfen (DE-648380): eine
sehr dunne Folie wird in Torsionsschwin-
gungen versetzt. Aus der Schwingungs-
dauer kann der Gasdruck und aus dem
Abklingen der Schwingung auch noch das
Molekulargewicht des Gases bestimmt
werden. Obwohl kompliziert und emp-
findlich, kommt das Verfahren Gaedes
Vorstellung von “direkter Messung” der
interessierenden Große entgegen: den
Gasdruck aus dem Druck von Molekulen
hoherer Temperatur zu ermitteln. Das
Meßgerat wurde 1937 im Katalog als Mol-
vakumeter nach Gaede angeboten.
Eine Anmeldung aus dem Jahr 1936 be-
trifft das Problem der Olverschmutzung
durch Abpumpen von Wasserdampf- und/
oder anderen Dampfen. Vor allem die we-
niger warmen Raume der Pumpe im Aus-
puff sollen bei der Saugpumpe mit ol-uberdecktem Auslaßventil zur Erzeu-gung tiefer Drucke (DE-661031) durch
Einblasen von Frischluft von den schadli-
chen Dampfen befreit werden.
Ein Jahr spater meldet er den Zusatz
Saugpumpe zur Erzeugung tieferDrucke (DE-687216) an, der nun auch
“Pumpen mit olfreiem Auslaß” einbezieht.
Bei der Vakuumpumpe mit oluber-decktem Ruckschlagventil 1937 (DE-
678962) wird das Absperrventil aus dem
Patent jetzt von der Bewegung des Ab-
sperrschiebers unabhangig, sodass alle
Pumpentypen diese Vorrichtung erhalten
konnen.
Zwischen Diffusionspumpe und Vor-
vakuumpumpe dient eine Vakuum-Ab-sperr-Vorrichtung (DE-684664 von 1939
mit Zusatzpatent DE-696470) dazu, die
Hochvakuumpumpe vor Lufteinbruch
durch die Verbindungsleitung zu schutzen,
falls die Vorpumpe ausfallt. Die Sperre er-
folgt durch eine bis 760 mm hohe Queck-
silbersaule im Vorvakuumrohr der Diffusi-
onspumpe. Ein Zusatzpatent von 1938
unter gleichem Titel beschreibt eine
leichter zu bauende Version.
Eine modifizierte Dampfstrahlpumpe(DE-693781) meldet Gaede 1937 an. Ihr
Aufbau verhindert, dass Tropfchen aus dem
Treibdampf in die Treibduse gelangen und
dabei Druckstoße verursachen
Schon 1935 wird eine der wichtigsten
Erfindungen von Wolfgang Gaede ange-
meldet, aber erst 1941 patentiert: die ein-oder mehrstufige Vakuumpumpe zurErzeugung tiefer Drucke zum Absau-gen von Dampfen und Gas-Dampf-Ge-mischen (DE-702480) – Bild 7. Auch heute
noch ist diese Erfindung des “Gasballasts”
bei all den Pumpen im Einsatz, bei denen es
gilt, die Pumpe vor kondensierenden
Dampfen zu schutzen. Dazu geschieht im
Lauf eines Pumpzyklus fogendes:- nach
Abschluß des Ansaugvorgangs wird durch
ein Ventil eine zusatzliche Menge Luft (oder
ein anderes Gas) eingelassen. Die so ver-
großerte Gasmenge wird beim Verdichten
fruher ausgestoßen. Das Gas “spult” dabei
die angesaugten Dampfe in relativ gesehen
VIP R&D
Abb. 6. Die Einrich-tung zur regelbarenVerstarkung derGasionisation invorevakuiertenGluhkathodenroh-ren wird als Prinzip(oben) und als An-bau an Rontgenroh-ren gezeigt.
Vakuum in Forschung und Praxis 21 (2009) Nr. 1� 2009 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.vip-journal.de 31
noch geringer Konzentration heraus, bevor
sie kondensieren konnen.
Nachdem W. Gaede (zusammen mit W.
Straub, Munchen) schon 1921 ein Ver-fahren zum Trocknen und Konzen-trieren von Flussigkeiten im Vakuum(DE-411947) patentiert hat, folgt 1939 eine
Erfindung uber ein Destillationsverfah-ren im Vakuum (DE-748618). Um die
Verdampfung hochmolekularer Stoffe aus
einer Losung zu verbessern, wird letztere
in besonderer Weise mit laminarer Stro-
mung uber die Verdampfungsschalen ge-
fuhrt.
Fur die folgenden und letzten Erfindun-
gen von Gaede wurden erst nach seinem
Tod am 24. Juni 1945 Patente erteilt:
Fur eine Diffusionspumpe aus Metallwird 1942 eine Warmesperre aus schlecht
warmeleitendem Material zwischen Siede-
gefaß und gekuhltem Pumpenkorper vor-
geschlagen, um sowohl die Heiz- als auch
die Kuhlleistung zu optimieren - DE-
871495.
1944 wird ein Verfahren zum Messenvon Dampfdrucken an mit Saugpumpeverbundenen Dampferzeugern ange-
meldet, mit dem eine Verstopfung des
Manometer-Anschlußrohrs durch konden-
sierenden Dampf verhindert wird – DE-
842858.
Im gleichen Jahr erfindet Gaede eine
Gasballastpumpe mit Ruckflußleitungund Dampfabscheider, bei der der ab-
gesaugte Dampf von z.B. wertvollen Lo-
sungsmitteln wiedergewonnen wird – DE-
840745.
Ende 1944 bis zu seinem Tod im Juni
1945 beschaftigte Wolfgang Gaede eine
weitere Erfindung: ein Membran-Druck-
meßgerat fur Drucke zwischen 1mbar und
10mbar, dessen Sensormembran den Druck
gegen einen nur kurzfristig erzeugten sehr
tiefen Referenzdruck als Nullpunkt mißt. In
der ubrigen Zeit sollte die Membran von
beiden Seiten gleichem Druck ausgesetzt
sein.
Heute, mehr als 60 Jahre nach Wolfgang
Gaedes Tod, sind die Patente naturlich
langst erloschen. Doch viele von Gaedes
Ideen sind immer noch aktuell:
– die Reibungspumpe hat eine Renais-
sance erlebt als integrierte Vorpumpe zu
den Turbomolekularpumpen
– die Diffusionspumpe ist Arbeitspferd im
Hochvakuum mit Saugvermogen von
Tausenden Litern pro Sekunde,
– der Gasballast und das Absperrventil
gegen Olverschmutzung sind in jeder
besseren rotierenden Drehschieber-
pumpe mit Oldichtung eingebaut.
Die Erfindung DE-634981: Einrichtung zur
regelbaren Verstarkung der Gasionisation
in vorevakuierten Gluhkathodenrohren ist
beinah die von F. M. Penning 1936 vorge-
stellte Kaltkathoden-Meßrohre oder die
Ionengetterpumpe.
Von allen beschriebenen Patenten sind
Originale oder zumindest Kopien vorhan-
den im Gaede – Archiv der Wolfgang-Gaede-
Stiftung, das von der Firma Oerlikon-Leybold-Vacuum Koln großzugig unter-
stutzt und in ihrem Haus untergebracht ist.
Dazu sind auch alle Auslands-Anmeldun-
gen/-patente dort dokumentiert.
Literatur
1. H. Henning, VIP 19, No.3, 27 – 31 (2007)
Autor:
Dipl.Phys. Dr. Hinrich Henning hat in Kiel 1965
promoviert und nach 2jahriger Forschungstatig-
keit in Frankreich als Produktentwickler in der
UHV-Technik bei Leybold-Heraeus – heute Oer-
likon-Leybold-Vacuum, Koln, gearbeitet. Heute
im Ruhestand betreut er das Gaede-Archiv der
Wolfgang-Gaedestiftung, in dem der Nachlaß von
W.Gaede, soweit uber den Krieg erhalten, be-
wahrt wird.
Kontakt:
Dr. Hinrich Henning, Gaede-Archiv
in Fa. Oerlikon Leybold Vacuum GmbH,
Bonner Str. 498
D-50968 Koln
e-mail: hinrich.henning@oerlikon.com
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Abb. 7. Die Vakuumpumpe zur Erzeugungtiefer Drucke zum Absaugen von Damp-fen zeigt das Gasballastventil 13 , das dieGaszufuhr zu Beginn des Ausstoßens nochvor hoher Kompression freigibt.
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