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Einführung in die Astronomie und AstrophysikII
A. Schweitzer
Sommersemester 2011
Das Milchstraßensystem
Allgemeines und Historisches
Entfernungsbestimung
Das galaktische Koordinatensystem
Rotation der Milchstraße
Aufbau und Struktur der Milchstraße
Allgemeines
I Unsere Galaxie: „Milchstraße”I vgl. andere GalaxienI sichtbar als helles Band am dunklen NachthimmelI besteht aus
I SterneI Gas und Staub
I untersucht werden mussI Form und GrößeI KinematikI chemische ZusammensetzungI statistische Zusammensetzung
Historisches
I Galileo hat als erster erkannt, dass die Milchstraße ausEinzelsternen besteht
I Erste Spekulationen, dass es sich um eine Scheibehandelt von Kant und Wright
I Erste Entfernungsmessungen und Formbestimmungendurch Shapley und Kapteyn (Anfang 20. Jahrhundert)
Das Milchstraßensystem
Allgemeines und Historisches
Entfernungsbestimung
Das galaktische Koordinatensystem
Rotation der Milchstraße
Aufbau und Struktur der Milchstraße
Trigonometrische Parallaxen
Wiederholung:I Trigonometrisch:
sinπ = a/d
I a Entfernung Sonne–ErdeI d Entfernung zum Stern
I Für kleine Winkel:π = 1/d
I π in BogensekundenI d Entfernung zum Stern in pc
I Für die Sonnenumgebung
Photometrische Parallaxen
I Bei bekanntem M:
m −M = 5m log d − 5m + A(d)
I M z.B. von Cepheiden oder SNIaI d Entfernung in pcI m −M EntfernungsmodulusI A(d) interstellare Extinktion
I A(d)I messbar, falls d und M unabhängig messbarI abschätzbar aus empirischen Gesetzen
I Für die Milchstraße und andere Galaxien
Parallaxen
I Weitere MethodenI StermstromparallaxenI Sternhaufenparallaxen
I Methoden müssen aneinander geeicht werdenI z.B. Cepheiden an trigonometrischen
Distance Ladder
Das Milchstraßensystem
Allgemeines und Historisches
Entfernungsbestimung
Das galaktische Koordinatensystem
Rotation der Milchstraße
Aufbau und Struktur der Milchstraße
Galaktische Koordinaten
I Galaktischer Äquator durch das Band der MilchstraßeI Galaktische Pole senkrecht dazuI Galaktische Breite b und Galaktische Länge `
I Ursprung in der Sonne(!)I b in Grad nördlich und südlich des galaktischen ÄquatorsI ` in Grad entlang des galaktischen ÄquatorsI b = 0, ` = 0 ist nahe (aber nicht exakt) am Galaktischen
ZentrumI Transformation (RA, δ) in (`, b) durch Formeln oder Tabellen
Galaktische Koordinaten
Galaktische Koordinaten
Das Milchstraßensystem
Allgemeines und Historisches
Entfernungsbestimung
Das galaktische Koordinatensystem
Rotation der MilchstraßeDifferentielle Rotation und Oort’sche KonstantenRotationskurve
Aufbau und Struktur der Milchstraße
Geschwindigkeiten von Sternen
Kinematik der Galaxie
Lokales Bezugssystem (Local Standard of Rest, LSR):I beschreibt die Rotation einer gedachten Scheibe bzw.
eines gedachten RingsI statistisch aus den Sternen der SonnenumgebungI pekuliare Sonnengeschwindigkeit relativ zum LSR:
I v ≈ 20 km s−1
I Apex: ` = 53, b = 25 (in Richtung Herkules)
Kinematik der Galaxie
Das Milchstraßensystem
Allgemeines und Historisches
Entfernungsbestimung
Das galaktische Koordinatensystem
Rotation der MilchstraßeDifferentielle Rotation und Oort’sche KonstantenRotationskurve
Aufbau und Struktur der Milchstraße
Differentielle Rotation
I Die Galaxie rotiert differentiell, d.h. Winkelgeschwindigkeitist nicht konstant:
Ω =VR
= Ω(R)
I Oort hat kinematische Beziehungen hergeleitetI im folgenden: Kreisbahnen
Differentielle Rotation
Differentielle Rotation
Differentielle RotationI in der Skizze:
Θ = V Θ0 = V0
I Für die radiale und transversale Geschwindigkeit gilt:
vr = V cosα− V0 sin `vt = V sinα− V0 cos `
I Mit der Winkelgeschwindigkeit
Ω(R) =V (R)
RI damit ist:
vr = RΩ cosα− R0Ω0 sin `vt = RΩ sinα− R0Ω0 cos `
Differentielle Rotation
I Aus den Dreiecken OTC und STC (je rechter Winkel beiT !):
R cosα = R0 sin `R sinα = R0 cos `− d
damit lässt sich α eliminieren:
vr = (Ω− Ω0)R0 sin `vt = (Ω− Ω0)R0 cos `− Ωd
Differentielle Rotation
Damit ist Ω(R) messbar, falls der Rest bekanntI R0 und Ω0 nicht gut bestimmtI Entfernung d schwer zu messen (Interstellare Absorption)
Differentielle Rotation
Näherungen in der Sonnenumgebung (nach Oort):I Für Ω(R) stetig und differenzierbar kann man eine Taylor
Entwicklung um Ω0(R0) machen:
Ω(R) = Ω0(R0) +dΩ
dR
∣∣∣∣R0
(R − R0) + · · ·
I daher:
Ω− Ω0 ≈dΩ
dR
∣∣∣∣R0
(R − R0)
Differentielle Rotation
Mit V = ΩR gilt:
dVdR
∣∣∣∣R0
=dΩ
dR
∣∣∣∣R0
R0 + Ω0
so dassdΩ
dR
∣∣∣∣R0
R0 =dVdR
∣∣∣∣R0
− V0
R0
und schließlich
(Ω− Ω0)R0 ≈
[dVdR
∣∣∣∣R0
− V0
R0
](R − R0)
Differentielle Rotation
I Dies kann man in die Ausdrücke für vt und vr einsetzen,und Ω ≈ Ω0 (da Taylor) ausnutzen:
vr ≈
[dVdR
∣∣∣∣R0
− V0
R0
](R − R0) sin `
vt ≈
[dVdR
∣∣∣∣R0
− V0
R0
](R − R0) cos `− Ω0d
I R kann man noch mittels der Geometrie ersetzen:
R0 = d cos `+ R cosβ ≈ d cos `+ R
da cosβ ≈ 1 (kleines β) da d R0.
Differentielle Rotation
I Die Oort’schen Konstanten kann man dann wie folgtdefinieren:
A = −12
[dVdR
∣∣∣∣R0
− V0
R0
]
B = −12
[dVdR
∣∣∣∣R0
+V0
R0
]
so dass mit den trigonometrischen Regeln für 2` gilt:
vr ≈ Ad sin 2`vt ≈ Ad cos 2`+ Bd
Differentielle Rotation
Differentielle Rotation
Beziehungen zwischen A, B und den lokalen Parametern R0,V0, Ω0, dV/dR|R0
:I Ω0 = A− BI dV
dR
∣∣R0
= −(A + B)
Für gegebenes l ist die maximale Radialgeschwindigkeit amTangentialpunkt (T ). Dort ist
I R = Rmin = R0 sin `I d = R0 cos `I → V (R) ist maximal (wenn es mit abnehmendem R
monoton wächst)
vr ,max = V (Rmin)− V0(R0) sin `
Differentielle Rotation
Differentielle Rotation
Standardwerte für die Oort’schen Konstanten:
A = 14.4± 1.2 km s−1 kpc−1
B = −12.0± 2.8 km s−1 kpc−1
Nützlich fürI Messung der Rotationsparameter der MilchstraßeI Entfernungsmessung in der erweiterten Sonnenumgebung
Das Milchstraßensystem
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Das galaktische Koordinatensystem
Rotation der MilchstraßeDifferentielle Rotation und Oort’sche KonstantenRotationskurve
Aufbau und Struktur der Milchstraße
Rotationskurve
Jenseits der Sonnenumgebung:I nicht mehr mit Oort’schen KonstantenI Messung von d ist schwierigI außerdem sehr hohe Extinktion nahe dem galaktischen
ZentrumI Infrarot und Radiobeobachtungen (z.B. H I 21 cm Linie)
Rotationskurve
Aus Kräftegleichgewicht und Gravitation muss gelten:
mV (r)2
r=
GMr mr2
bzw.
Mr =V (r)2r
Goder
V (r) =
√GMr
r
Rotationskurve
I Für Zentralmasse, Mr = const:
V ∝ r−1/2
(Keplerrotation)I Ansonsten gilt die Massenerhaltung:
dMr
dr= 4πr2ρ
→ ρ(r) berechenbar und mit Stern-, Staub- undGasdichteverteliung vergleichbar.
Rotationskurve
Rotationskurve
Flache Rotationskurve
I V = const beobachtet außerhalb des innersten BereichsI auch alle anderen Spiralgalaxien zeigen diesI aus Kräftegleichgewicht:
dMr
dr=
V 2
G
I Zusammen mit Massenerhaltung:
ρ(r) =V 2
4πGr2
I → ρ ∝ r−2
I aber die Sternverteilung: ∝ r−3.5!I → dark matter oder missing light
Rotationskurve im innersten Teil
I Innen gilt: V (r) ∝ r bzw. Ω = const.I → Rotation eines starren KörpersI → ρ ≈ const.
Rotationskurve
Ansatz für die beiden Teile (Starrer Körper innen und flacheKurve außen):
ρ(r) =C0
a2 + r2
I C0 ≈ 4.6× 108 M, a ≈ 2.8 kpcI r a→∝ r−2
I r a→ a−2 = const.I r−2 kann nichr für alle r gelten, da die Masse bzw. das
Integral über ρ(r) unendlich wird
Das Milchstraßensystem
Allgemeines und Historisches
Entfernungsbestimung
Das galaktische Koordinatensystem
Rotation der Milchstraße
Aufbau und Struktur der MilchstraßeDie Scheibe und BulgeDer HaloDas galaktische Zentrum
Überblick
Überblick
I Scheibe:I . 50 kpc DurchmesserI 0.6 kpc Dicke
I Bulge (Zentralellipsoid):I in den inneren 1− 2 kpc
I HaloI kugelförmigI & 50 kpc Durchmesser
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Entfernungsbestimung
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Rotation der Milchstraße
Aufbau und Struktur der MilchstraßeDie Scheibe und BulgeDer HaloDas galaktische Zentrum
Form
I Beobachtungen durch Staub und Gas erschwertI Nahes Infrarot (Sterne)I Fernes Infrarot (Staub)I Radio (Gas)
Form
Spiralstruktur
Radiobeobachtungen von neutralem HI H in Grundzustand, da kaltI → 21 cm RadioemissionI H I Wolken fast überall in der ScheibeI einzelne Wolken durch Radialgeschwindigkeit
unterscheidbarI H I Wolken konzentrieren sich in gebogene Spiralarme
Spiralstruktur
Weitere Indikatoren:I Junge, massereiche Sterne und EmissionsnebelI SternentstehungsgebieteI AssoziationenI Radiobeobachtungen von CO
Spiralstruktur
Spiralstruktur
Ergebnis:I 4 HauptarmeI Sonne im Orion-ArmI Sagittarius-Arm weiter innenI Perseus-Arm weiter außen
Spiralstruktur
Sternhaufen I: Assoziationen
Assoziationen:I Statistische Häufung bestimmter Typen:
I O-Assoziationen: O SterneI T-Assoziationen: T Tauri Sterne
I andere Sterntypen i.A. nicht überhäufigI (sehr) jungI gravitativ nicht gebunden, Lebenszeit 106...7 yrI ca. 100 bekanntI Durchmesser 30-200 pcI 10-1000 Mitglieder
Sternhaufen II: Offene Sternhaufen
Offene Sternhaufen:I 2-50 fach erhöhte Sternanzahldichte zur UmgebungI Sternanzahldichte steigt zum Zentrum anI relativ jung, Lebenszeit 106...9yrI ca. 1000 bekannt, geschätzt > 104 in der MilchstraßeI Durchmesser 1-20 pcI 50-10 000 MitgliederI Bsp.: Plejaden, Hyaden, ...
Das Milchstraßensystem
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Aufbau und Struktur der MilchstraßeDie Scheibe und BulgeDer HaloDas galaktische Zentrum
Halo
Komponenten des Halo:I Sterne
I große GeschwindigkeitenI große Geschwindigkeiten senkrecht zur ScheibeI altI niedrige Metallizität [Fe/H]
I KugelsternhaufenI sehr alte, metallarme [Fe/H] < −0.8):→ sphärischer Halo
I relativ junge ([Fe/H] > −0.8):→ flache Verteilung (evtl. eine sogenannte thick disk)
I kaum Gas, kein Staub
NB: [FeH
]≡ log
(NFe
NH
)− log
(NFe
NH
)
Sternhaufen III: Kugelsternhaufen
Kugelsternhaufen:I 103...4 fach erhöhte Sternanzahldichte zur UmgebungI Sternanzahldichte stark zum Zentrum konzentriertI alt, ca. 1010yrI ca. 150 bekannt, geschätzt mehrere hundert in der
MilchstraßeI Durchmesser 15-150 pcI 104...7 MitgliederI Bsp.: M4, M13, ...
Dunkle Materie Halo
Dunkle Materie:I sphärisch verteiltI bis > 100 kpcI Wdh. aus Rotationskurven:
ρ(r) =C0
a2 + r2
C0 ≈ 4.6× 108 M, a ≈ 2.8 kpc
Dunkle Materie Halo
Für r < 25 kpc:I Halo-Masse 1.9× 1011 M
I Masse der Milchstraße M ≈ 2.8× 1011 M
I → 70% der Masse im Halo!Außerhalb r > 25 kpc:
I Dichte des Halo fällt langsamer als SternanzahldichteI → > 90% der Masse im Halo möglich
Dunkle Materie Halo
Zusammensetzung der dunklen Materie des Halo:I unbekannt, keine direkte BeobachtungenI kein Staub, da keine ExtinktionI kein Gas, da keine Absorptionslinien
Dunkle Materie Halo
Wichtige Kandidaten:I Weakly Interacting Massive Particles (WIMPs)
I Neutrinos, Teilchen aus Supersymmetrie, Stringtheorie usw.I z.Zt. wahrscheinlichere Kandidaten
I Massive Compact Halo Objects (MACHOs)I Braune Zwerge, Neutronensterne, Schwarze Löcher,
dunkle Weiße ZwergeI gezielte Suche danach erfolglos, z.Zt. unwahrscheinlichere
Kandidaten
Das Milchstraßensystem
Allgemeines und Historisches
Entfernungsbestimung
Das galaktische Koordinatensystem
Rotation der Milchstraße
Aufbau und Struktur der MilchstraßeDie Scheibe und BulgeDer HaloDas galaktische Zentrum
Galaktisches Zentrum
Entfernung zum galaktischen Zentrum:I Standardwert: R0 ≈ 8.5 kpcI Messmethoden:
I Zentrum sphärisch verteilter alter Objekte(Kugelsternhaufen, RR Lyr, Miras)
I Umlaufbahnzentrum junger Objekte (OB Sterne, H IIRegionen, Cepheiden)
I H2O Maser, die in einer sich ausdehnenden Hülleentstehen (Radialgeschwindigkeit und Eigenbewegungmüssen gleich sein)
Galaktisches Zentrum
I durch Staub und Gas nicht im visuellen beobachtbarI Sterne im IRI Gas im Radio
Wichtige Komponenten:I Sagittarius A: starke RadioquelleI Sagittarius A∗: Massenzentrum der Gas- und
Sternverteilung im Zentrum, wahres Zentrum
Galaktisches Zentrum
Galaktisches Zentrum
I sichtbare Masse in Gas und Sterne ≈ 3× 104 M
I innerhalb 2 pc um Sagittarius A∗: vollständig ionisiertI Sterne haben Bahngeschwindigkeiten von ca. 1500 km s−1
I → Kepler III→ Masse von Sagittarius A∗ ≈ 2.6× 106 M
I Sagittarius A∗ ist wahrscheinlich ein supermassivesschwarzes Loch
Galaktisches Zentrum
Galaktisches Zentrum
Galaktisches Zentrum
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