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LS Volkswirtschaftslehre (Mikrookonomie)
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultat
Universitat Dortmund
D-44221 Dortmund
Industrieokonomik
von
Prof. Dr. Wolfgang Leininger
Sommersemester 2009
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung 1
1.1 ‘Industrie’ und ‘Markt’ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2 Elemente der Marktstruktur 8
3 Marktstruktur 15
3.1 ‘Traditionelle’ Industrieokonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16
3.2 “Neue” Industrieokonomik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
4 Oligopole und Oligopolverhalten 22
4.1 Das Cournot–Oligopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22
4.2 Das Bertrand–Oligopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35
4.3 Das (Bertrand–) Edgeworth–Oligopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40
4.3.1 Kapazitatsschranken und Bertrand–Gleichgewicht . . . . . . . . 41
4.3.2 Das Edgeworth–Duopol (Bertrand–Edgeworth) . . . . . . . . . 41
4.4 Endogene Bestimmung der Kapazitaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51
4.4.1 Eine Synthese von Cournot– und Bertrand–Wettbewerb . . . . . 51
5 Dynamische Oligopoltheorie 56
5.1 Geknickte Nachfragefunktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58
5.2 Wiederholter Preiswettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61
6 Strategisches Wettbewerbsverhalten 75
i
Industrieokonomik ii
6.1 Strategisches Verhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
6.2 Strategisches Verhalten und Marktzutritt . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
6.3 Bestreitbare Markte (Contestable Markets) . . . . . . . . . . . . . . . . 88
7 Wettbewerb und technischer Fortschritt 103
7.1 Innovationsanreiz und Marktstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106
7.1.1 Soziales Optimum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107
7.1.2 Monopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108
7.1.3 Vollkommener Wettbewerb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109
7.1.4 Oligopol . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111
7.2 Innovationswettbewerb: Patentrennen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114
7.3 Marktstruktur und Innovation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
Literatur 135
Kapitel 1
Einleitung: Industrie– und
Marktkonzept
Industrieokonomik beschaftigt sich mit der Analyse von Industrien und Markten und
dem Verhalten von Firmen in diesen Markten.
Sie hebt sich von der Standard–Mikrookonomik insofern ab, als sie als ihren Aus-
gangspunkt den aus der Betrachtung real existierender Markte gewonnenen Sachverhalt
nimmt, daß Wettbewerb in aller Regel unvollkommen (im Sinne der Mikrotheorie) ist.
Mit der Seltenheit der extremen Marktform ‘vollkommenen Wettbewerbs’ einher geht
dabei die relative Seltenheit des ‘reinen Monopols’, vielmehr sind Mischfalle dieser bei-
den Extremformen die Regel. Das heißt, in den meisten realen Markten herrscht einer-
seits (unvollkommener) Wettbewerb und andererseits eine gewisse Konzentration vor,
die jedem einzelnen Wettbewerber Marktmacht belaßt. Eine theoretische Erklarung
dieses Sachverhaltes erfordert denn auch weitere Abweichungen von dem Standard-
wettbewerbsmodell der Preistheorie, in dem als Wettbewerbsinstrumente nicht nur
idealisierte Preise bzw. Mengen betrachtet werden, sondern auch Nichtpreisvariable
wie F & E, Werbung, Marketing, Produktdesign, Investmentverhalten etc. In einigen
Markten konnen solche Variablen eine großere Bedeutung fur die Erklarung des Wett-
bewerbsgrades haben als die klassische Preisvariable selbst.
Nun verbinden wir alltagssprachlich mit den Worten ‘Industrie’ und ‘Markt’ schon ge-
wisse Vorstellungen, die, wenn sie auch nicht ganz synonym sind, so doch sich sicherlich
uberlappen. Wir wollen daher diese Begriffe etwas naher eingrenzen.
1
Industrieokonomik 2
Industrie
(−→ “Industrielander”)
Ublicherweise unterscheiden volkswirtschaftliche Gesamtstatistiken 3 Bereiche gesamt-
wirtschaftlicher Aktivitat:
• den landwirtschaftlichen Sektor (Primarsektor): Land–, Forst– und Fischereiwirt-
schaft,
• den industriellen Sektor (Sekundarsektor): Produzierendes Gewerbe (Industrie,
Bergbau, produzierendes Handwerk, Baugewerbe, Energie- und Wasserwirtschaft)
und
• den Dienstleistungssektor (Tertiarsektor): Handwerk, Handel, Verkehr etc., Ban-
ken, Versicherungen.
Bedeutung der Sektoren 2004:(Deutschland in Zahlen 2005, Tab. 2.3)
Bruttowertschopfung: 1994,9 Mrd. in Prozent 1995 1970
Primarsektor: 21,7 Mrd. ∼ 1,1% 1,3% 3,4%
Sekundarsektor: 580,6 Mrd. ∼ 29,1% 32,2% 51,7%
Handel u. Verkehr: 361,2 Mrd. ∼ 18,1% 18,0% 16,0%Tertiar-
sektor
{Dienstleistung (Staat): 1031,4 Mrd. ∼ 51,7% 48,6% 28,9%
Fur die Erwerbstatigen ergibt sich folgendes Bild: (Deutschland in Zahlen 2005, Tab.
1.9)
Erwerbstatige (Inland): 38,4 Mill. in Prozent 1995 1970
Primarsektor: 0,9 Mill. ∼ 2,3% 3,0% 8,5%
Sekundarsektor: 10,3 Mill. ∼ 26,7% 32,7% 48,9%
Handel u. Verkehr: 9,8 Mill. ∼ 25,5% 24,9% 17,9 %Tertiar-
sektor
{Dienstleistung + Sonstige: 17,4 Mill. ∼ 45,5% 39,4% 24,7%
Grobe Feststellung: Der Sekundarsektor, d.h. das produzierende Gewerbe, das man in
etwa mit dem Untersuchungsgegenstand der Industrieokonomik identifizieren kann, ist
nur ein Teil, wenn auch ein großer, der gesamten Volkswirtschaft. Fur die Bundesrepu-
blik gilt zudem, daß der Sekundarsektor im internationalen Vergleich besonders groß
proportioniert ist. (−→”Exportnation“!)
Industrieokonomik 3
Das sogenannte ‘Verarbeitende Gewerbe’ umfaßte 2003 39 320 (1988: 35 871) Unterneh-
men. Eine genauere Unterteilung dieser Unternehmen auf Basis der ’Wirtschaftszweig-
Klassifikation der Europaischen Union’ (NACE Rev.1.1) kann im “Statistischen Jahr-
buch fur die Bundesrepublik Deutschland 2005” (Tab. 14.1) nachgeschlagen werden.
Die 39 320 Unternehmen bestanden im September 2003 aus 46 846 Betrieben, davon
hatten
24031 zwischen 1 – 49 Beschaftigte
10494 zwischen 50 – 99 Beschaftigte
11668 zwischen 100 – 999 Beschaftigte
653 1000 und mehr Beschaftigte
Großunternehmen werden in ihrer Anzahl und mithin Bedeutung allgemein uberschatzt
(vor allem fur den Arbeitsmarkt). Der Beobachtung zunehmender “Konzentration” in
den industriellen Markten steht die Beobachtung einer zunehmenden Anzahl kleiner
Unternehmen (vor allem durch die Ausweitung des Tertiarsektors, der in weit geringe-
rem Maße durch Skalenertrage gekennzeichnet ist als der industrielle Sektor) gegenuber.
Nun konnte man – sogar mit einiger Berechtigung – behaupten, alle diese 39 320 Unter-
nehmen stehen in Konkurrenz miteinander, da sie alle letztlich um das Ausgabevolumen
der Konsumenten buhlen. Dies ware ein strikter “allgemeiner Gleichgewichtstheorie“ –
Standpunkt, der die Interdependenz aller Markte (mittel– und unmittelbar) berucksich-
tigt. Von der praktischen Seite ist eine solche Totalanalyse jedoch wenig handhabbar.
Die Industrieokonomik unternimmt daher den Versuch, Wettbewerb von Industrien auf
noch zu definierenden relevanten Markten zu bestimmen und zu analysieren.
1.1 Begriffliche Abgrenzung von ‘Industrie’ und ‘Markt’
Gesucht ist eine partialanalytische Abgrenzung derart, daß etwa eine Gruppe von Un-
ternehmen existiert, die in direkten Wettbewerbsbeziehungen zueinander stehen, so daß
absatzpolitische Aktionen einer Firma direkt, und nicht erst uber Ruckkopplungseffek-
te aus dem Gesamtsystem, die Absatzsituation der anderen Unternehmen beeinflußt.
Naturlich sollte die Abgrenzung auch so gewahlt werden, daß Ruckkopplungseffekte
nur geringfugiger Natur sind.
Industrieokonomik 4
Da die meisten Unternehmen Mehrproduktunternehmen sind, die ihre Erzeugnisse auf
unterschiedlichen Markten anbieten, ist eine Abgrenzung nach Kriterien wie “Ahn-
lichkeit” (Substituierbarkeit) von Gutern oder, negativ gesehen, durch Auffinden von
Substitutionslucken (aus Sicht der Nachfrager) nicht sinnvoll.
Beispiel: Schuhindustrie, Schuhproduzenten: Fur einen Verbraucher mit Schuhgroße
43 besteht eine erhebliche Substitutionslucke zwischen Schuhen der Große 43 und
37. Jeder Markt fur Schuhe (z.B. solche mit hohen Absatzen) mußte demnach
in voneinander unabhangige Teilmarkte unterteilt werden, deren Anzahl minde-
stens so groß ist wie die Zahl der verschiedenen Schuhgroßen. Dazu kamen Sub-
stitutionslucken wie z.B. zwischen Skistiefeln und Turnschuhen etc., die ganzlich
verschiedene Bedarfsdeckungen erlauben. Dennoch wird man mit einigem Recht
einen Schuhmarkt als den Markt bezeichnen konnen, in dem alle Schuhproduzen-
ten mit ihrem gesamten Sortimenten gegeneinander konkurrieren! Eine auf den
ersten Blick etwas leere Definition besagt denn auch, ein Markt ware ein “Bereich
wirksamer Konkurrenz”, der in diesem Fall von der Schuhindustrie bedient wird.
Eine Industrie kann also definiert werden als eine Gruppe von Unter-
nehmen mit gleicher Produktionsbasis.
Zwei Unternehmen haben dieselbe Produktionsbasis, wenn sie gleiche oder ahnliche
Produktionstechniken und –prozesse, die zur Produktion gleichartiger Produkte ver-
wendet werden konnen, benutzen. In der Erzielung von Erlosen stehen sie daher in
allen Markten, die mit dieser Produktionsbasis beliefert werden konnen, in (aktueller
oder potentieller) Konkurrenz miteinander. Aus der Gleichheit oder Ahnlichkeit von
Produktionsbasen folgt auch sofort, daß zumindest potentiell beide Unternehmen einem
“Bereich wirksamer Konkurrenz” und daher einem Markt zugeordnet werden konnen.
Beispiel: Im Schuhbeispiel ist offensichtlich, daß Anlagen zur Produktion von Schu-
hen der Großen 37 leicht auf die Produktion von Schuhen der Große 43 umgerustet
werden konnen. Es ware einem Schuhhersteller also ein Leichtes, einem Exklu-
sivanbieter von Schuhen der Große 47 Konkurrenz zu machen (−→ potentieller
Wettbewerb).
Industrieokonomik 5
Aus demselben Grund ist es zu rechtfertigen, wenn z.B. Spulmaschinen und Elek-
troherde einem Markt (Zur Erinnerung: als Bereich wirksamer Konkurrenz) zuge-
ordnet werden (sog. ‘weiße Ware’), obwohl sie von der Nachfrageseite eine große
Substitutionslucke aufweisen, da sie produktionstechnisch einer Produktionsbasis
zuzuordnen sind (weshalb Spulmaschinenhersteller auch fast immer Herde her-
stellen).
Eine leichte Umrustbarkeit der Produktionsanlagen druckt sich okonomisch aus in ei-
ner hohen Kreuzpreiselastizitat des Angebots. (Vorsicht: Elastizitaten konnen vom Fir-
menverhalten beeinflußt werden.) (Genauso wie sich Substituierbarkeit in der Kreuz-
preiselastizitat der Nachfrage widerspiegelt.) Marktstruktur konnte man daher in erster
Naherung als Anzahl und Großenverteilung von Unternehmen gleicher Produktionsba-
sis definieren.
Die statistische Klassifizierung von Industrien folgt ebenfalls produktionstechnischen
Gesichtspunkten, wenngleich nicht unbedingt dem okonomischen Konzept der Produk-
tionsbasis. Dies birgt insofern Probleme, als der Empiriker nur auf nach bestimmten
(z.T. historisch bedingten) Klassifizierungen erhobene Daten zuruckgreifen kann, und
es daher problematisch wird, Modelle, die auf anderen Konzepten beruhen, auch zu
testen.
Die Standard–Industrieklassifikation der BRD, welche auf der Wirtschaftszweigklassi-
fikationen der Europaischen Union ( NACE Rev.1.1 ) basiert, nimmt eine Unterteilung
in Großgruppen vor, die immer weiter disaggregiert werden.
In der BRD gibt es 17 Abteilungen, welche mit dem Buchstabencode A-Q bezeichnet
werden. Diese sind in einigen Bereichen in Unterabschnitte mit einem zweistelligen
Buchstabencode untergliedert.
z.B. Abteilung D : Verarbeitendes Gewerbe
Abteilung DM: Fahrzeugbau
Abteilung G : Handel
Abteilung J : Kreditinstitute und Versicherungen
Abteilung L : offentliche Verwaltung, Verteidigung, Sozialversicherungen
Die Abteilung D ‘Verarbeitendes Gewerbe’ ist in der BRD in 23 Unterabteilungen
zerlegt (Nummern 15 – 37)
Industrieokonomik 6
z.B. Nr. 15 Herstellung von Nahrungs– und Futtermitteln
sowie Getranken
Nr. 16 Tabakverarbeitung
Nr. 18 Herstellung von Bekleidung
Nr. 21 Herstellung von Papier, Pappe
und Waren daraus
Nr. 24 Herstellung von chemischen Erzeugnissen
Nr. 27 Metallerzeugung und Bearbeitung
Nr. 30 Herstellung von Buromaschinen,
Datenverarbeitungsgeraten und –einrichtungen
Nr. 34 Herstellung von Kraftwagen und
Kraftwagenteilen
Nr. 37 Ruckgewinnung
Die Unterabteilungen sind wiederum in (dreistellig bezeichnete) Industriegruppen, diese
in (vierstellig bezeichnete) Produktklassen unterteilt.
Beispiel:
35 Sonstiger Fahrzeugbau
35.1 Schiff– und Bootsbau −→ Industriegruppe
35.12 Boots– und Yachtbau −→ Produktklasse
Womit sich die Industrieokonomik als Markt oder “Industrie” in nunmehr fast syn-
onymen Sinn befaßt, sind Produktgruppen auf der 3–4 stelligen Aggregationsebene,
abhangig von der Fragestellung. Sehr grob gesprochen wird die gesamte Volkswirt-
schaft als ein System von etwa 200 Markten aufgefaßt.
Logischerweise gibt es in keinem dieser Markte ‘unendlich viele’ Anbieter (und Nach-
frager), ja in einigen sogar sehr wenige. Die Theorie des allgemeinen Gleichgewichts
unter vollkommenem Wettbewerb durfte daher fur industrieokonomische Fragestellun-
gen direkt nur begrenzt aussagefahig sein. Dennoch sollte die indirekte Aussagefahigkeit
uber einen Vergleich zu dieser idealtypischen Kostellation nicht unterschatzt werden.
Sie sollte Grundlage wirtschaftpolitischer Empfehlungen sein, falls der Staat in nicht
vollkommen kompetitive Markte eingreifen will. Das vollkommene Wettbewerbsmodell
ist daher als theoretischer Unterbau zu den beabsichtigten Analysen zu verstehen. Das
wird sich auch unmittelbar methodisch ausdrucken, wenn wir in kurzem Vorgriff auf
spateres zum Schluß dieses einleitenden Kapitels das Marktstruktur–Marktverhalten–
Industrieokonomik 7
Marktergebnis–Untersuchungsschema der Industrieokonomik beleuchten.
Idealtypisch sieht dies so aus:
Struktur Verhalten Ergebnis
vollkommener Preissetzung allokative
Wettbewerb −→ nach Grenzkosten −→ Effizienz
(viele Anbieter) (Pareto–Optimum)
An diesem Referenzmodell werden nun viele nicht idealtypische Situationen gemessen,
was sich allgemein hier so darstellen laßt:
Struktur Verhalten Ergebnis
unvollkommener Abweichen von der mogliche
Wettbewerb −→ Grenzkostenpreisregel −→ Ineffizienz
(Monopolgewinne)
Welche Auspragung findet dieses Schema in unterschiedlichen Industrien und welche
wirtschafts– oder strukturpolitischen Maßnahmen erlauben eine bessere Approximation
des idealtypischen Leitbildes? Fuhrt beispielsweise die Kontrolle von Preissetzungsver-
halten durch eine Behorde (Kartellamt), die Daten zur Errechnung von Grenzkosten-
preisen erhebt, zu mehr Effizienz, wenn Anbieter in einem oligopolistischen Markt zur
Benutzung der Grenzkostenpreisregel gezwungen werden?
Kapitel 2
Elemente der Marktstruktur (und
ihre Messung)
Nachdem wir nun in etwa das Gebilde ‘Markt’ eingegrenzt haben, wenden wir uns nun
der Beschreibung eines Marktes bzw. der Marktstruktur zu.
Als klassifizierende Hauptmerkmale einer Marktstruktur gelten:
1. Grad der Anbieterkonzentration, charakterisiert durch Zahl und Großenvertei-
lung der Unternehmen
2. Grad der Nachfragekonzentration
3. Grad der Produktdifferenzierung
4. Marktzutrittsbedingungen fur potentielle Konkurrenten
5. (Seltener: Ausmaß vertikaler Intergration bzw. Diversifikation der Unternehmen
−→ Marktverhalten)
Eine uberragende Bedeutung in der industrieokonomischen Literatur nimmt hierbei das
Konzept der Marktkonzentration ein, das auch fur die traditionelle Marktformenlehre
von großer Bedeutung ist.
Ceteris paribus heißt dabei ein Markt konzentrierter als ein anderer, wenn er weniger
aktive Firmen umfaßt oder eine ungleichere Verteilung der Marktanteile aufweist.
Meist wird dieser Sachverhalt mit Hilfe eines Indices numerisch gemessen und so ver-
gleichbar gemacht.
8
Industrieokonomik 9
Das einfachste und historisch am haufigsten verwendete (−→ beste ‘Datenlage’) (Kon-
zentrations-) Maß ist dabei der sogenannte
Konzentrationsgrad (concentration ratio), der angibt, wie groß der Anteil der r großten
Betriebe (r = 4, 8, 10) am Gesamtmarkt ist (Output, Beschaftigung, Umsatz,
Wertschopfung etc.).
Wird er – was seltener geschieht – fur alle moglichen n Firmen der Industrie
berechnet, so liefert er die sogenannte
Konzentrationskurve. Sie gibt an, welcher kumulierte Anteil des Outputs (in Prozent)
auf die (von oben) kumulierte Firmenanzahl entfallt.
�
� kum. Anzahl der Firmen
(von großter an)
kum. Output (in% )
10 20
75
100
........
........
........
........
........
........
........
........
........
........
........
........
........
........
........
........
........
........
........
........
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........
........
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........
........
........
........
........
........
........
........
........
........
.....
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- Gesamtzahl der Firmen in der Industrie: 20
- Die Konzentrationskurve muß konkav sein, da kumuliert von der großten Firma
an
- Ahnlichkeit zur Lorenzkurve! (muß konvex sein, da kumuliert von kleinster Aus-
pragung an!)
Industrieokonomik 10
Betrachtet seien nun die Konzentrationskurven dreier Industrien A, B, C:
�
�
A C B
10 12 15
100
Monopol
���
........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
.....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
..............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
...............................
....................
Aussage: A ist konzentrierter als B, C ist konzentrierter als B, keine Aussage zwischen
A und C moglich (−→ Gewichtung!). (−→ Analogie zu Einkommensverteilungsverglei-
chen!)
Frage: Welche Eigenschaften sollte ein Konzentrationsmaß haben? (theoretische Uber-
legung!)
Weithin – aber bei weitem nicht allgemein – akzeptiert sind folgende Kriterien von
Hannah und Kay [1977]:
Ein vernunftiges Konzentrationsmaß sollte folgende Kriterien erfullen:
1. Konzentrationskurvenkriterium: Ein Konzentrationsmaß sollte einer Industrie,
deren Konzentrationskurve ganzlich oberhalb der einer anderen Industrie liegt,
einen hoheren Wert zuordnen.
2. Absatztransfer–Prinzip: Ein Absatztransfer von einer kleineren Firma zu einer
großeren sollte einen Anstieg des Konzentrationsmaßes bewirken.
3. Zutrittskriterium: Der Zutritt zur Industrie einer neuen, kleinen Firma sollte bei
unveranderten relativen Marktanteilen der alten Firmen ein Absinken des Kon-
zentrationsmaßes bewirken.
4. Fusionskriterium: Die Fusion zweier oder mehrerer Firmen sollte einen Anstieg
des Konzentrationsmaßes bewirken (−→ vgl. zu 2.!).
Industrieokonomik 11
Beurteilung einiger Konzentrationsmaße:
Sei eine Industrie mit n Firmen betrachtet, die jeweils einen Output xi (i = 1, ..., n)
produzieren mit x1 > x2 > ... > xn.
Sei x =n∑
i=1
xi und somit si =xi
xder Marktanteil von Firma i.
A) Der Konzentrationsgrad (fur ein bestimmtes r mit 1 ≤ r ≤ n) ist dann definiert als
CR(r) =r∑
i=1
xi
x=
r∑i=1
si
d.h. CR ∈ [0, 1] mit CR = 0 : atomistische Struktur
und CR = 1 : Monopol
Beispiel: r = 5 , n = 25
s1 = 0.15 s2 = 0.12 s3 = 0.06 s4 = 0.04 s5 = 0.03
=⇒ CR(5) = 0.4 (empirisch sehr beliebt (da schon lange erhoben)).
Konzentration der Unternehmen im Verarbeitenden
Gewerbe gemessen am Umsatz und an den Beschaf-
tigten (2003/2004):
Die ... großten Umsatzanteil Beschaftigungs-
Unternehmen anteil
2003 2004 2003 2004
15.3 Obst- und Gemuseverarbeitung
6 31.1 29.3 17.2 17.2
25 64.5 63.0 48.3 50.8
50 79.8 78.9 63.7 65.1
15.86 Verarbeitung von Kaffee und Tee
6 70.6 74.5 53.4 52.8
25 98.4 98.3 93.0 91.4
50 - - - -
43.0 Herst. von Kfz und Kraftwagenteilen
6 67.4 66.4 56.6 56.3
25 83.1 82.7 72.7 71.9
50 88.0 88.0 78.2 78.0
Industrieokonomik 12
Probleme mit diesem Maß ergeben sich aus der willkurlichen Festlegung von r, (wieviel
Firmen mussen betrachtet werden, um den Konzentrationsgrad moglichst hoch/niedrig
erscheinen zu lassen?) und der Tatsache, daß man sich praktisch auf einen Punkt der
Konzentrationskurve beschrankt. Bei sich schneidenden Konzentrationskurven kommt
es also insbesondere darauf an, ob man einen Punkt links oder rechts vom Schnittpunkt
gewahlt hat, um die Aussage “ist konzentrierter als” festzulegen!
Der Konzentrationsgrad ist sehr insensitiv und genugt nur den
Konzentrationskriterien 1 und 3.
B) Der (Hirschman–) Herfindahl–Index berucksichtigt alle Punkte auf der Konzentra-
tionskurve und ist wie folgt definiert:
H =n∑
i=1
(xi
x
)2
=n∑
i=1
s2i
Er ist also die “Summe der Quadrate der Marktanteile” und nimmt insofern eine Ge-
wichtung der Marktanteile mit sich selbst vor. (−→ Jedes Maß ist gewichtet und insofern
nicht ‘naturlich’.)
Beispiel: s1 = 0.4 s2 = 0.3 s3 = 0.2 s4 = 0.1
=⇒ H = 0.16 + 0.09 + 0.04 + 0.01 = 0.3
Die großte Firma tragt uberproportional zum Wert von H bei (mehr als die
‘Halfte’ bei s1 = 0.4)
Andere Schreibweisen von H : Sei
x =1
n
n∑i=1
xi
die durchschnittliche Firmengroße im betrachteten Markt.
Dann gilt fur die Varianz der Firmengroße:
σ2 =1
n
n∑i=1
(xi − x)2 =1
n
n∑i=1
x2i − x2 =
1
n
n∑i=1
(x2i − x2)
und wir konnen als maßeinheits–freien Parameter den Variationskoeffizienten c berech-
nen:
c =σ
xund somit c2 =
σ2
x2
Industrieokonomik 13
und daher
c2 =1
n
n∑i=1
(x2
i
x2− 1
)=
1
n
n∑i=1
x2i
x2− 1 = n
n∑i=1
(xi
nx
)2
− 1 = nH − 1
Man sieht:
H =c2 + 1
n=
c2
n+
1
n=
nσ2
x2+
1
n(x = n · x)
Dies zeigt, daß H sowohl von der Firmenanzahl n als auch der Verteilung der Markt-
anteile abhangt und daher wesentlich reagibler als CR ist.
Es gilt:
H genugt den Konzentrationsmaßbedingungen 1. - 4.
An dieser Darstellungsweise von H ist auch leicht abzulesen, daß H zwischen 0 und 1
schwankt:
• Monopol: c2 = 0 und n = 1 : H = 1
• Vollkommener Wettbewerb (mit vielen kleinen ‘gleichgroßen’ Firmen): c2 ∼ 0
und n −→ ∞ : H = 0
1
Hergibt ebenfalls eine nutzliche Interpretation:
1
H=
n
c2 + 1≈ Anzahl gleichgroßer Firmen, die denselben H–Index ergaben.
Grund:n
c2 + 1Firmen gleicher Große ergaben eine Marktstruktur, in der jede Firma
einen Marktanteil si =c2 + 1
nhatte. Diese Marktstruktur hatte den H–Index
H =
nc2+1∑i=1
(c2 + 1
n
)2
=n
c2 + 1·(
c2 + 1
n
)2
=c2 + 1
n= H .
Industrieokonomik 14
Einschub: Konzentrationsmaße und Werturteil
Jede bei der Ermittlung eines Konzentrationsmaßes implizit vorgenommene Gewich-
tung ist nicht naturgegeben oder ‘statistisch’ begrundet, sondern willkurlich und bedarf
daher der Rechtfertigung.
↪→ Im Herfindahl–Index vorgenommene Gewichtung ‘geschickt’.
(↪→ “Anonymitat” eines Konzentrationsmaßes)
Wir werden jedoch sehen, daß ein Konzentrationsmaß nicht nur abhangig von der ver-
wendeten Gewichtungsprozedur ist, sondern auch abhangig vom Verhalten der Firmen,
die in seine Ermittlung eingehen. D.h. genauer, es ist abhangig davon, welche Aus-
pragungen Wettbewerb in bestimmten Industrien nimmt (z.B. Preis– gegen Mengen-
wettbewerb). Zwei Industrien mit gleichem (gemessenen) Konzentrationsgrad konnen
ordnungspolitisch sehr unterschiedlich zu beurteilen sein, wenn in der einen Mengen-
wettbewerb und in der anderen Preiswettbewerb dominiert. Wir werden dies im fol-
genden noch genauer sehen.
Kapitel 3
Marktstruktur – Marktverhalten –
Marktergebnis: Dynamischer
Wettbewerb
Die zuvor gegebene Beschreibung von ‘Marktstruktur’ und ihre statische Messung
durch Konzentrationsmaße soll nun erganzt werden durch eine ebenso heroische Cha-
rakterisierung von ‘Marktverhalten’ und ‘Marktergebnis’, bevor wir uns den Interde-
pendenzen dieser Konzepte zuwenden.
‘Marktverhalten’ wird durch folgende Merkmale charakterisiert:
1. Absatzpolitik (Preise, Mengen)
2. Produktpolitik (Produktdifferenzierung)
3. Werbepolitik
4. Kooperation (heimlich oder offen)
5. Abschottungsverhalten gegenuber etablierten oder potentiellen Konkurrenten
Hier konzentrieren wir uns also auf das Marktverhalten der Anbieter (ahnliche Cha-
rakteristika konnten das Verhalten der Konsumenten beschreiben −→ Marketingpro-
blem in der ehemaligen DDR). Dies kommt auch bei einer wertenden Betrachtung der
‘Marktergebnisse’ zum Ausdruck:
15
Industrieokonomik 16
‘Marktresultate’ konnen gemessen werden in bezug auf:
1. erreichte Effizienz (Bezug: kostenminimale Allokation): ungenutzte Kapazitaten
2. Hohe der Preise relativ zu Stuckkosten: Unternehmensgewinne
3. Verhaltnis der Werbeaufwendungen zu Produktionskosten
4. Qualitat der angebotenen Produkte
5. technischer Fortschritt und Innovationsrate
6. Beschaftigung, Arbeitsproduktivitat etc.
3.1 ‘Traditionelle’ Industrieokonomik
Die ‘traditionelle’ Industrieokonomik verbindet die drei grundlegenden Konzepte der
Struktur, des Verhaltens und der Ergebnisse in einem Markt nun dergestalt, daß sie
die Hypothese von eindeutigen Kausalbeziehungen zwischen ihnen aufstellt.
Die Marktstruktur bestimmt das Marktverhalten,
das Marktverhalten bestimmt das Marktergebnis.
Um diese klare Argumentationskette nicht durch die Frage ‘Und woher kommt die
Marktstruktur?’ ins Wanken zu bringen, postulierte man obendrein das Vorhanden-
sein sogenannter Grundbedingungen, technischer und umfeldbezogener Natur, die die
Marktstruktur (ein– fur allemal?) festlegen. Dazu zahlen
• Verteilung der Ressourcen (Orte, Eigentumer)
• verfugbare Technologie
• Produkteigenschaften (Dauerhaftigkeit)
• politisch–institutionelles Umfeld (Gewerkschaftsmacht etc.)
• Nachfragestruktur
Industrieokonomik 17
Grundbedingungen
Marktstruktur
Marktverhalten
Marktergebnis
�
�
�
Erklarungsziel: Bereits aus nichtokonomischen Grundbedingungen heraus Marktstruk-
tur zu erklaren oder zu prognostizieren; zu postulieren, daß ahnliche Marktstruk-
turen aufgrund von “Wettbewerbsdruck” zu ahnlichem Verhalten fuhren mussen,
welches wiederum zu ahnlichen Ergebnissen fuhren muß.
Absolut gesehen ist dieser Ansatz, aus einer Morphologie von Markten die gesamten
Marktprozesse zu erklaren, nicht erfolgreich gewesen. Die Hypothesen wurden daher ab-
geschwacht und uber den “Grad der Eindeutigkeit” von Kausalbeziehungen bestritten.
Dies – noch dazu – aufgrund empirischer Untersuchungen, deren Korrelationsergebnis-
se flugs als Kausalbeziehungen gemaß der Hypothese gelesen wurden (−→ How to lie
with statistics).
Der allgemeine Modellansatz eignet sich naturlich in mannigfaltiger Weise zur empi-
rischen Uberprufung, da man aus der Fulle von Merkmalen, die Struktur, Verhalten
und Ergebnis charakterisieren konnen, nur jeweils eines herauszugreifen braucht, um
mit Hilfe der unterstellten Kausalbeziehungen zu einer empirisch testbaren “Theorie”
zu gelangen.
Beispiel: Konzentration =⇒ Werbung =⇒ Gewinne
(Je hoher der Konzentrationsgrad, desto hoher die Aufwendungen fur Werbung,
desto hoher die beobachtbaren Gewinne)
Industrieokonomik 18
Viele Untersuchungen uber viele Industrien ergaben kein einheitliches Bild, aber soge-
nannte ‘stilisierte Faktoren’ (stylized facts). Im Grunde ist es verwunderlich, daß man
jemals die Hoffnung auf eindeutige Antworten hegen konnte.
Es ist aber interessant, schon hier festzuhalten, daß der traditionelle Untersuchungs-
rahmen Marktstruktur – Marktverhalten – Marktergbnis eine erstaunliche Analogie
zur spieltheoretischen Untersuchungsmethode aufweist. Reduziert man beispielsweise
(was oft getan wurde) Marktstruktur auf die Anzahl und Identitat der im Markt be-
findlichen Firmen, so erhalt man eine Spielermenge, spezifiziert man Marktverhalten
der einzelnen Firmen (sprich: Spieler), so erhalt man Strategien und Zielfunktionen.
Die Wahl eines Losungskonzeptes fuhrt dann zur Interpretation des Gleichgewichtes
als Marktergebnis.
Da sich die Industrieokonomik vorwiegend mit unvollkommenen kompetitiven Mark-
ten beschaftigt, also Fallen, die zwischen den Extremen “Monopol” und “vollkommener
Wettbewerb” liegen, ist Spieltheorie als eine Theorie interaktiver Entscheidungen auch
die ‘naturliche’ Grundlage einer Theorie der Industrieokonomik. Wahrend es sich beim
Monopol (offensichtlich) und beim vollkommenen Wettbewerb (weniger offensichtlich)
um ein klassisches Entscheidungsproblem fur jede einzelne Firma handelt (d.h. eine
Firma reagiert optimal auf die gegebenen parametrischen Umstande, wozu unter voll-
kommenem Wettbewerb insbesondere der Preis zahlt!), liegen bei unvollkommenen
kompetitiven Marktformen (z.B. Oligopol) interaktive Entscheidungsprobleme fur die
einzelnen Firmen vor; d.h. sie konnen einige Großen, die in ihre Zielfunktion einge-
hen (z.B. Gewinnfunktion) nicht parametrisch fixiert behandeln, sondern mussen in
Betracht ziehen, daß diese von ihren Konkurrenten bestimmt werden. Bei der Bestim-
mung dieser Großen ziehen die Konkurrenten wiederum in Betracht, daß sie in gleicher
Weise vom Verhalten der ursprunglich betrachteten Firma abhangen. Akzeptiert man
also Grundbedingungen als exogen gegeben, so kann ein Markt theoretisch als stati-
sches Spiel beschrieben werden (wobei wir die problematischen Kausalitatsbeziehungen
absichtlich unterdruckt haben.) 1
1Eine Berucksichtigung wurde zu einem ziemlich langweiligen Spiel fuhren.
Industrieokonomik 19
3.2 “Neue” Industrieokonomik
Die ‘neue’ Industrieokonomik ist durchaus bereit, den Analyserahmen von Marktstruk-
tur – Marktverhalten – Marktergebnis zu ubernehmen. Ja, bei genauerer Betrachtung
konnte man sogar sagen, ihn erst richtig nutzbar zu machen. Denn bei strikter Lesart
der unterstellten Kausalbeziehungen ist nicht einzusehen, warum es die Zwischenin-
stanz ‘Marktverhalten’ in eigenstandiger Bedeutung uberhaupt geben sollte. Da die
Struktur S das Verhalten V bestimmt und jenes das Marktergebnis E, ist es schon die
Marktstruktur S allein, die das Marktergebnis E bestimmt:
V = F (S) und E = G(V ) =⇒ E = G(F (S)) =: H(S)
Da S wiederum technologisch und ‘sozial’ von den Grundbedingungen determiniert
wird, bleibt eigentlich kaum Raum fur okonomische Erklarungen. Das gesamte Wett-
bewerbsverhalten und Ergebnis wird als extrem determiniert angesehen. Der einzelne
Unternehmer Schumpeterschen Typs taucht gar nicht auf, er wird als ‘graue Maus’, die
sich externen Umweltprozessen optimal anzupassen versucht, portratiert, aber nicht
eigentlich als ‘Akteur’, der in aktivem Wettbewerb mit Mitstreitern steht.
Dies andert sich, wenn man innerhalb des Schemas 1 die Interdependenzen neu in-
terpretiert, ohne den Zwang zu deterministischer ‘Einbahnstraßenregelung’. Dies wird
gewissermaßen unabdingbar, wenn man eine zeitliche Dimension in die Beschreibung
von Wettbewerb aufnimmt. Die Beobachtung und der Versuch einer Erklarung der
Evolution von Marktstrukturen fuhrt zwangslaufig dazu, den Einfluß von Marktver-
halten und Marktergebnis auf zukunftige Marktstrukturen zu untersuchen, ja in einem
dynamischen Kontext mussen die Grundbedingungen der Periode t + 1 als vom Markt-
verhalten und Marktergebnis der Periode t mitbestimmte Großen angesehen werden.
Verengt man die Grundbedingungen fur den Augenblick auf die technologischen Ge-
gebenheiten einer Industrie, so kommt insbesondere dem technischen Fortschritt eine
große Bedeutung zu. Da sich dieser jedoch nicht automatisch und sozial ‘von selbst’ ein-
stellt, ist das Innovationsverhalten der Firmen genauer zu untersuchen, und die Form
von Wettbewerb, die sich Firmen durch F & E–Aufwendungen liefern. Es offenbart sich
dann, daß ein – und vieleicht das uberragende – Motiv fur die einzelne Firma, F & E
zu betreiben, die Aussicht auf eine gunstigere Position in der neuen Marktstruktur
sein wird. Das aber heißt, daß das Marktverhalten einer Firma strategisch gezielt auf
die Beeinflussung der zukunftigen Marktstruktur ausgerichtet ist. Die im statischen
Schema unterstellte Kausalbeziehung ist damit gerade umgedreht!
Industrieokonomik 20
Weitere Beispiele wichtiger im Statischen Schema unberucksichtigter Interdependen-
zen sind:
1. Koordinierte Preispolitik zur Erhohung von Marktzutrittsschranken
2. Fusionsbestrebungen
Damit soll zunachst nur gesagt werden, daß es nicht nur die Grundbedingungen sind,
die das Marktergebnis im wesentlichen determinieren, sondern auch (und manchmal
ausschließlich) das Marktverhalten der Wettbewerber in fruheren Perioden. Jedenfalls
ist klar, daß sich Marktstruktur und Marktergebnis auch ohne Veranderung in den
Grundbedingungen verandern konnen. Im statischen Modell ist dies ausgeschlossen.
In dieser neuen Sichtweise kommt nun auch dem Marktverhalten und damit dem einzel-
nen handelnden Unternehmer die gebuhrende qualitative Bedeutung zu, vor allem wenn
man bedenkt, daß in den vorwiegend zu betrachtenden unvollkommenen Wettbewerbs-
situationen jedem einzelnen Unternehmen zumindest etwas ‘Marktmacht’ zukommt,
was man getrost als etwas Einfluß auf ‘Marktergebnis heute’ und ‘Marktstruktur mor-
gen’ interpretieren kann.
So gesehen ist eine prazise Formulierung der Verhaltensmoglichkeiten in der indu-
strieokonomischen Theorie bedeutsam, was wiederum auf direktem Wege zur Verwen-
dung mikrookonomischer – und das heißt hier spieltheoretischer – Methoden bei der
Analyse von dynamischen Wettbewerbsprozessen fuhrt. Die neue Industrieokonomik
tragt diesem Umstand denn auch in zunehmendem Maße durch die Modellierung von
Markten und Marktvorgangen als dynamische Spiele Rechnung.
Aufgegeben wird hierbei – fast zwangslaufig und wohl zurecht – die Suche nach dem
Modell, das Verallgemeinerungen ermoglicht, die fur mehr oder weniger alle Industrien
oder Markte gultig sind.
Sie “erganzt” das Schaubild insofern um einige neue Wirkungszusammenhange, deren
Auswirkungen sie simultan zu bestimmen sucht:
Industrieokonomik 21
Grundbedingungen
Marktstruktur
Marktverhalten
Marktergebnis
�
�
�
�
�
�
Die Denkrichtung, der sich die neue Industrieokonomik verpflichtet fuhlt, ist daher
stark auf die Bemuhungen abgestellt, die Firmen im Wettbewerb untereinander unter-
nehmen, um Grundbedingungen zu ihrem Vorteil zu verandern. Dabei kann es sich –
wie etwa im Fall von Patentwettlaufen und Innovationen – um die Veranderung tech-
nologischer Grundbedingungen handeln, als auch – wie etwa im Falle von Verbands-
und Lobbyaktivitaten – um die Veranderung soziopolitischer Rahmenbedingungen. In
beiden Fallen versuchen die Wettbewerber zu ihrem Vorteil zusatzliche Gewinne in
Form von Renten zu beziehen. Die jeweilige Marktstruktur wird also als Ergebnis von
Grundbedingungen und bewußter Strategien der Marktteilnehmer aufgefaßt; d.h.
St = Ht(St−1, Vt−1) = Ht(Ht−1(St−2, Vt−2), Vt−1).
Diese Darstellung zeigt, daß die beiden Ansatze sich keineswegs (zumindest nicht fur
den Theoretiker) diametral gegenuberstehen (der traditionelle Ansatz kann als extre-
mer Spezialfall des neueren aufgefaßt werden).
Kapitel 4
Oligopole und Oligopolverhalten
4.1 Das Cournot–Oligopol
Sowohl das Modell vollstandigen Wettbewerbs als auch das Modell des reinen Mono-
pols, die eine zentrale Stellung in der Wirtschaftstheorie der Markte und des Markt-
verhaltens beanspruchen, sind von der Entscheidungsstruktur her uberaus einfach: sie
beinhalten keinerlei interaktive Entscheidungsprobleme. Im ersten Modell verhalten
sich die konkurrierenden Firmen als Preisanpasser, ohne die Entscheidungen anderer
Firmen zu berucksichtigen oder besser: berucksichtigen zu mussen; in letzterem ist von
der Marktform her a priori keinerlei Interaktion mit Konkurrenten vorgesehen. Ein rea-
listisches Bild der Wettbewerbssituation in vielen Markten zeichnet sich jedoch dadurch
aus, daß zwar mehr als eine Firma im Markt aktiv ist, andererseits aber nicht so viele
Firmen, daß die vollstandige Wettbewerbsannahme der Preisnehmerschaft akzeptabel
ware. Dieses Szenarium liegt also zwischen den beiden Extremen und zeichnet sich –
im Gegensatz zu diesen – gerade dadurch aus, daß der Verbleib von Marktmacht bei
mehr als nur einer Firma theoretisch nur durch ein interaktives Entscheidungsproblem
adaquat modelliert werden kann.
Dies hat als erster Cournot [1838] erkannt, der als erste Referenz des (spieltheoreti-
schen) Gleichgewichtsbegriffes a la Nash gilt. Ihm zu Ehren wird das Nash–Gleich-
gewichtskonzept in den Wirtschaftswissenschaften (im Zusammenhang mit Wettbe-
werbsmodellen) auch Cournot–Nash–Gleichgewicht genannt. Cournot betrachtete und
analysierte das Wettbewerbsverhalten zweier Firmen in einem Markt fur ein homoge-
nes Gut, wenn diese – unter Berucksichtigung des daraus resultierenden Marktpreises
22
Industrieokonomik 23
– unabhangig voneinander ihr Angebot bzw. ihre Produktionsmengen wahlen.
Sei also x(p) bzw. p(x) die Nachfragefunktion bzw. inverse Nachfragefunktion fur den
betroffenen Markt. x bezeichne dabei die Gesamtnachfrage, die von den beiden Firmen
mit ihrem (Gesamt– ) Angebot x1 plus x2 befriedigt werden soll, d.h.
x = x1 + x2 ,
wobei x1 die Ausbringung von Firma 1 und x2 die Ausbringung von Firma 2 kenn-
zeichnet.
p(x) heißt auch Preisabsatzfunktion, da das Gesamtangebot x genau zum Preise p(x)
(an die Nachfrager) abgesetzt werden kann; d.h.
p(x) = p(x1 + x2) .
Der Preis pro verkaufte Einheit, den eine Firma erzielen kann, hangt also ab von der
Ausbringungsmenge – und daher der Produktionsentscheidung – der anderen Firma:
Erlos Firma 1: p(x) · x1 = p(x1 + x2) · x1
Erlos Firma 2: p(x) · x2 = p(x1 + x2) · x2
Die beiden Firmen haben die Kostenfunktionen
c1(x1) und c2(x2) ,
so daß sich die Gewinnfunktionen zu
Πi(xi|xj) = p(xi + xj) · xi − ci(xi)
(i = 1, 2, j = 1, 2, i �= j) ergeben.
Wir unterstellen nun als Verhaltensmaxime Gewinnmaximierung; d.h. gewahlt wird
von jeder einzelnen Firma genau die Ausbringungsmenge, die ihren Gewinn maximiert.
Da jede Firma weiß, daß ihre Ausbringungsmenge uber den Preis Einfluß auf die Ge-
winnmoglichkeiten der anderen Firma hat, mussen diese Auswirkungen wechselseitig
bei der Festlegung der Produktionsentscheidung berucksichtigt werden.
Industrieokonomik 24
Ein Cournot–Nash–Gleichgewicht liegt genau dann vor, wenn die An-
gebotsmengen (x∗1, x
∗2), a = x(0), die Eigenschaft haben, daß
Π1(x∗1, x
∗2) ≥ Π1(x1, x
∗2) fur alle x1 ∈ [0, a]
und
Π2(x∗1, x
∗2) ≥ Π2(x
∗1, x2) fur alle x2 ∈ [0, a] .
Beide Firmen maximieren also – gegeben das Angebot ihres Konkurrenten – ihren
Gewinn und die insgesamt angebotene Menge wird gerade abgesetzt.
Jede Firma lost also folgendes Gewinnmaximierungsproblem:
maxxi
p(xi + xj) · xi − ci(xi)
Bedingung erster Ordnung:
p(xi + xj) + p′(xi + xj) · xi − c′i(xi) = 0
↑ ↑ ↑Preis Preiseffekt Grenzkosten
(marginal) (inframarginal) (marginal)
Bereits an dieser Bedingung fur ein Gewinnmaximum kann man okonomisch uberaus
wichtige Resultate ablesen:
Da jede Firma beim Preiseffekt p′(xi + xj) · xi nur den negativen Effekt der (Markt–
) Preiserhohung auf ihren eigenen Output xi berucksichtigt (und nicht den auf den
gesamten Output, also (xi + xj) · p′(xi + xj)), wird jede Firma einen Output wahlen,
der hoher liegt als der, der den Industriegewinn Π1 + Π2 maximieren wurde. D.h.
der Marktpreis im Cournotgleichgewicht wird niedriger als der Monopolpreis sein, die
Gesamtgewinne niedriger als im Monopol und die Gesamtausbringungsmenge hoher als
im Monopolfall.
Aus obiger Gleichung folgt auch direkt, daß im Cournotgleichgewicht Preis und Grenz-
kosten nicht ubereinstimmen. Falls die Kostenfunktionen verschieden sind, mussen noch
nicht einmal die Grenzkosten im Gleichgewicht fur beide Firmen gleich sein!
Industrieokonomik 25
Die Bedingung erster Ordnung kann wie folgt umgeformt werden:
p(xi + xj) − c′i(xi) = −p′(xi + xj) · xi
p(xi + xj) − c′i(xi)
p(xi + xj)= −p′(xi + xj) · xi
p(xi + xj)· xi + xj
xi + xj
Li =si
ε
Somit kann die Gleichgewichtsbedingung erster Ordnung fur Firma i aquivalent aus-
gedruckt werden als
Li =si
ε
Bemerkung: Im Monopol (n=1) gilt s1 = 1 und somit L1 =pm − c
pm=
1
ε.
An dieser Beziehung andert sich nichts, falls wir statt nur 2 Firmen n Firmen betrach-
ten. Die Bedingung erster Ordnung fur eine einzelne Firma bleibt strukturell gleich!
Obige Beziehung liefert nun als testbare Hypothesen Aussagen wie:
• Im Cournot’schen Gleichgewicht ist ceteris paribus der Marktanteil der Firma i
umso hoher, je mehr Marktmacht sie besitzt!
• Ein hoher Marktanteil ist jedoch nicht notwendigerweise auf Monopolmacht zu-
ruckzufuhren: Bei gegen ∞ gehender Nachfrageelastizitat kann si ∼ 1 sein, und
dennoch Preis ≈ Grenzkosten; d.h. Li = 0!
Auf individueller, d.h. auf eine einzelne Firma bezogener Ebene ist also keine klare
Zuordnung zwischen Monopolmacht und Konzentrationsgradanteil festzustellen.
Auf Industrieebene kann eine solche Beziehung im Mittel hergestellt werden, wenn wir
uber die Li aggregieren. In das Aggregationsverfahren geht jedoch eine nur subjektiv
begrundbare Gewichtung ein, die wir im folgenden so vornehmen wollen:
Seien L1, ..., Ln die Lerner–Indices fur die n Firmen. Daraus gewinnen wir den Lernerin-
dex L fur die ganze Industrie, indem wir jeden einzelnen Index Li mit dem Marktanteil
der Firma i gewichten:
L = L(L1, ..., Ln) =n∑
i=1
si · Li
Industrieokonomik 26
L ist ein Maß fur Monopolisierungsgrad in der gesamten Industrie bzw. dem gesamten
Markt (industry–wide average mark–up p−cp
).
Da in einem Cournot–Gleichgewicht Li =si
εgilt, folgt (aus dem Cournot Modell, nicht
allgemein), daß
L =n∑
i=1
si · Li =n∑
i=1
si · si
ε=
1
ε·
n∑i=1
s2i =
1
ε· H.
wobei H = Herfindahlindex! D.h. H korreliert positiv mit L! (Ruckschluß von H – si
ist “einfach” zu messen – auf L!).
Entsprechend gilt fur die Profitabilitat der Industrie:
Π =n∑
i=1
Π∗i
=n∑
i=1
(p∗ − ci) · x∗i
= p∗n∑
i=1
(p∗ − ci)
p∗· x∗
i
= p∗n∑
i=1
Li · x∗i
= p∗n∑
i=1
si
ε· x∗
i
=p∗ · x
ε·
n∑i=1
s2i , da xi = si · x
=p∗ · x
ε· H
d.h. H ist positiv korreliert mit der Profitabilitat der Industrie.
Profitabilitat ist im Gleichgewicht nach Cournot eine zunehmende Funktion der Kon-
zentration und eine abnehmende Funktion der Nachfrageelastizitat.
Beispiel 1: Sei n = 2 und die Nachfrage linear
p = a − b(x1 + x2) = a − b · x
Bei ebenfalls linearen Kostenfunktionen
c1(x1) = c1 · x1 und c2(x2) = c2 · x2
Industrieokonomik 27
lauten die Gewinnfunktionen
Πi = p · xi − ci · xi
= [a − b(xi + xj)] · xi − ci · xi
= (a − ci) · xi − b · x2i − b · xi · xj
Bedingung 1. Ordnung:
δΠi
δxi
= (a − ci) − 2b · xi − b · xj = 0
d.h. (a − c1) − 2b · x1 − b · x2 = 0
(a − c2) − 2b · x2 − b · x1 = 0 woraus folgt, daß
x1 =a − c1
2b− 1
2x2 und x2 =
a − c2
2b− 1
2x1
x1(x2) und x2(x1) sind die sogenannten optimalen Reaktionsfunktionen.
Im “Schnittpunkt” (= Gleichgewicht) gilt:
x∗1 =
a − (2c1 − c2)
3bund x∗
2 =a − (2c2 − c1)
3b
(c1 = c2 = c : x∗1 = x∗
2 = a−c3b
)
also: x∗1 > x∗
2 ⇐⇒ c1 < c2
Damit i uberhaupt produziert, muß mindestens a > ci gelten (klar), und außerdem
darf cj nicht zu niedrig im Vergleich zu ci sein!
�
�
a−c22b
a−c12b
x∗1
x1
x∗2
x2
x1(x2)
x2(x1)
Industrieokonomik 28
=⇒ GG–Preis: p(x∗1 + x∗
2) = a − b · (x∗1 + x∗
2)
=a + c1 + c2
3= p∗
p∗ =a + c1 + c2
3≤ a + ci
2= Monopolpreis der Firma i, i = 1, 2
Zahlenbeispiele:
a) p = 4− x d.h. a = 4 und b = 1, sowie c1(x1) = 2x1 und c2(x2) = 1x2, d.h. c1 = 2
und c2 = 1.
x∗1 =
4 − (4 − 1)
3=
1
3und x∗
2 =4 − (2 − 2)
3=
4
3
=⇒ x∗ = x∗1 + x∗
2 =5
3=⇒ p∗ =
4 + 2 + 1
3=
7
3
D.h. s1 =x1
x=
1353
=1
5, L1 =
73− 273
=1
7
s2 =x2
x=
4353
=4
5, L2 =
73− 173
=4
7
d.h L = s1 · L1 + s2 · L2 =1
5· 1
7+
4
5· 4
7=
1
35+
16
35=
17
35≈ 1
2
und H = s21 + s2
2 =1
25+
16
25=
17
25
Da1
ε· H = L, folgt
1
ε· 17
25=
17
35=⇒ 1
ε=
5
7=⇒ ε =
7
5
Probe: −dp
dx· x
p= +1 ·
5373
=5
7
b) p = 4 − x, aber nun: c1 = c2 = 1.
=⇒ x∗1 = x∗
2 =4 − 1
3= 1 =⇒ p∗ =
4 + 1 + 1
3= 2
D.h. s1 = s2 =1
2und somit H =
1
4+
1
4=
1
2
Andererseits L1 =2 − 1
2=
1
2= L2
L =1
2· L1 +
1
2· L2 = L1 = L2 =
1
2
Industrieokonomik 29
Vom Standpunkt des Lerner’schen Monopolmaßes ist der Monopolisierungsgrad in bei-
den Industrien in etwa gleich 1735
∼ 12, wahrend in der Industrie (b) die Grenzkosten
industrieweit um 1 (die Halfte!) unter dem Preis liegen, weichen die Firmen in Industrie
(a) um 1/3 bzw. 4/3 von den Grenzkosten ab; die mittlere Abweichung liegt hier also
niedriger (5/6 < 1), doch fallt durch die angewandte Gewichtung mit den Marktantei-
len bei der Ermittlung des Monopolgrades die dominante Stellung von Firma 2 stark
ins Gewicht.
Folgerichtig zeigt der Herfindahl–Index fur Industrie (a) mit Ha = 1725
= 0, 68 eine
deutlich hohere Konzentration an als in Industrie (b), in der Hb = 0, 5 gilt. Da auch
unter (b) L = 1ε· H gilt, folgt hier
1
2=
1
ε· 1
2=⇒ 1
ε= 1 = ε .
D.h. man konnte sagen, daß die Situation (a) auch deswegen “naher” zur Monopolsi-
tuation liegt, weil nun die Nachfrageelastizitat im Gleichgewicht von 1 auf 75
gestiegen
ist, und sich damit “in Richtung” der Monopolsituation verandert hat. (Ein Monopolist
wahlt sein Angebot immer in einem Bereich der Nachfragefunktion, fur den der Wert
der Preiselastizitat großer als 1 ist.)
Numerischer Vergleich:
a) x∗ = x∗1 + x∗
2 =1
3+
4
3=
5
3
b) x+ = x+1 + x+
2 = 1 + 1 = 2
Πa =p · xε
· H =73· 5
375
· 17
25=
17
9<
2 · 21
· 1
2= 2 = Πb
Die Ausbringungsmenge unter (a) ist niedriger, der Preis hoher. (a) zeigt auch, daß
die effizientere Firma (Firma 2) einen hoheren ‘mark–up’ uber den Grenzkosten setzen
kann. (−→ Anreiz!!)
Beispiel 2: Symmetrisches Cournot–Oligopol mit n Firmen und linearer Nachfrage:
p = a − b · x = a − b(x1 + ... + xn)
Bei ebenfalls linearen Kostenfunktionen
ci(xi) = c · xi, i = 1, ..., n
Industrieokonomik 30
lauten die Gewinnfunktionen
Πi = p · xi − ci(xi)
= (a − b · x)xi − c · xi, wobei x =n∑
i=1
xi .
Im Gleichgewicht gilt:
x∗i =
a − c
(n + 1)bi = 1, ..., n
Π∗i =
1
b· (a − c)2
(n + 1)2i = 1, ..., n
=⇒ x∗ =n∑
i=1
x∗i =
n
n + 1· (a − c)
b
=⇒ p∗ =a + n · cn + 1
=a
n + 1+
n
n + 1· c (> c, da a > c)
Der Gleichgewichtspreis liegt also immer uber den Grenzkosten, doch wird mit zuneh-
mender Firmenzahl n die Differenz immer kleiner. Ja, es gilt
limn−→∞ p∗n = lim
n−→∞
(a
n + 1+
n
n + 1· c)
= c .
Die Gleichgewichtslosung ergibt also mit zunehmendem n eine immer bessere Annahe-
rung an die vollkommene Wettbewerbslosung!
Ein Blick auf die Gewinnlage der Firmen verdeutlicht dies:
limn−→∞Π∗
i (n) =1
b· (a − c)2
(n + 1)2−→ 0
Auch die Industriegewinne sinken mit steigender Firmenzahl:
Π∗ = n · Π∗i =
n(a − c)2
b(n + 1)2−→ 0, n −→ ∞
Die zunehmende Kompetitivitat des Marktes mit steigendem n spiegelt sich auch im
Lerner–Index bzw. dem Konzentrationsmaß H (= Herfindahlindex) wider:
Es gilt: si =x∗
i
x∗ =x∗
i
n · x∗i
=1
n(i = 1, ..., n)
=⇒ H =n∑
i=1
s2i = n · 1
n2=
1
n−→ 0, n −→ ∞
und L =H
ε=
1
n · ε −→ 0, n −→ ∞
Diese Formel zeigt, daß der ‘mark–up’ nun immer geringer wird!
Industrieokonomik 31
Zur Interpretation:
Diese rein rechnerisch erzielten Ergebnisse mussen nun mit Vorsicht interpretiert wer-
den. Strikte Interpretation wurde bedeuten, daß der Output pro Firma fur n → ∞gegen 0 gehen muß, da die Nachfrage endlich bleibt:
x∗i =
a − c
(n + 1)b−→ 0, n −→ ∞
aber : x∗ =n∑
i=1
x∗i = n · x∗
i =n
n + 1· a − c
b−→ a − c
b> 0 ,
wobei a−cb
dem Angebot unter vollkommenem Wettbewerb entspricht!
Sobald eine einzelne Firma – was naturlich ist – zumindest einen Bereich der Produk-
tion mit sinkenden Durchschnittskosten aufweist, konnen nicht beliebig viele Firmen
unter Vermeidung von Verlusten positive Ausbringungsmengen erzielen. Aus der Mi-
krookonomie–Vorlesung ist denn auch bekannt, daß bei Vorliegen u–formiger Durch-
schnittskostenkurven auch bei Grenzkostenpreisen, die dem vollkommenen Wettbe-
werbsideal entsprechen, jede Firma eine strikt positive Ausbringungsmenge haben muß
und es somit – bei endlicher Nachfrage – auch nur endlich viele Firmen im Markt gibt.
Festzuhalten bleibt jedoch, daß das Cournot–Modell eine positive Beziehung zwischen
Konzentration (gemessen durch H = 1n) und Profitabilitat erzeugt und eine negative
Beziehung zwischen Profitabilitat und Nachfrageelastizitat. Wir werden bald sehen, daß
das Bertrand–Modell dies nicht leistet. Dies gilt auch, wenn die Firmen nicht identisch
sind, also unterschiedliche Kostenfunktionen haben.
Komparative Statik:
Bedingung 1. Ordnung:
Li =p − ci
p=
si
ε=⇒ ∑
Li = n − 1
p
n∑i=1
ci =1
ε
=⇒ p∗, x∗ sind abhangig vonn∑
i=1
ci, der Summe der Grenzkosten!!
Zwei Situationen mit konstanter Summe von Grenzkosten haben gleiche Outputmengen
und Preise.
Shift: Firma 1 verbessert ihre Kostenstruktur um �c, Firma 2 verschlechtert ihre
Industrieokonomik 32
Kostenstruktur um �c.
p(x) + xi · p′(x) = ci =⇒ xi =ci − p(x)
p′(x)
�xi =1
p′(x)· �c
Die effizientere Firma gewinnt proportional mit Faktor 1p′(x)
Marktanteil hinzu, die
weniger effiziente Firma verliert Marktanteil proportional zu 1p′(x)
.
Vorheriges Beispiel: Angenommen, beide haben in der Ausgangssituation c1 = c2 =
1, 5; dies andert sich zu c1 = 2 und c2 = 1:
x∗1 =
4 − 1, 5
3=
5
6= x∗
2, x∗1 + x∗
2 =5
3
�x1 = −1
b� c = −1
1· 1
2= −1
2
�x2 = −1
b� c = −1
1· (−1
2) =
1
2
x∗1 + �x1 =
5
6− 3
6=
1
3und x∗
2 + �x2 =5
6+
3
6=
4
3
Eine Auseinandersetzung mit der Annahme, daß die Anzahl der Firmen n exogen
festgelegt ist, findet an spaterer Stelle statt, wenn insbesondere Marktzutritt (in einem
dann notwendigerweise dynamischen Modell) untersucht wird.
Schlußbemerkung:
Unter Bezug auf das traditionelle industrieokonomische Schema
Struktur – Verhalten – Ergebnis
ist das Cournot–Modell also so einzuordnen:
Je weniger Firmen die Struktur ausmachen, desto großer die Abweichung im Gleichge-
wicht von der Grenzkostenpreisregel im Verhalten, desto großer die Effizienzverluste in
der Allokation im Marktergebnis.
Industrieokonomik 33
Bemerkenswert ist jedoch, daß schon dieses statische Modell zeigt, daß die Konzentrati-
on endogen bestimmt ist. Das verwendete Losungskonzept, das letzlich auch Ausdruck
des unterstellten Marktverhaltens ist, geht uber die Festlegung der Marktanteile ent-
scheidend in die Berechnung von H (oder L) ein. Es mutet daher seltsam an, wenn
praktische Industrieokonomen einerseits diesen theoretischen Sachverhalt als einsichtig
anerkennen, andererseits aber Firmenanzahl und Marktanteile in empirischen Studien
zur alleinigen Beschreibung der Marktstruktur heranziehen und diese so gewonnene
Basis zum Ausgang der Kausalkette ‘Struktur determiniert Verhalten, Verhalten deter-
miniert Ergebnis’ nehmen. Insgesamt kann gesagt werden, daß das Cournot’sche Oli-
gopolmodell den weitaus meisten angewandten industrieokonomischen Marktstudien
explizit oder auch nur entfernt ‘schulmaßig’ als theoretisches Wettbewerbsmodell zu-
grunde liegt. Seine Theorie hat Existenzbeweise unter ziemlich allgemeinen Annahmen
an Kosten– und Nachfragestrukturen erbracht und ruht daher auf breitem Fundament.
Schwieriger gestaltet es sich fur die Theorie, plausible und moglichst schwache Annah-
men zu finden, die auf Eindeutigkeit des Cournot–Gleichgewichtes schließen lassen. Im
allgemeinen gibt es mehrere Gleichgewichte, was Aussagen zur komparativen Statik
erheblich erschweren kann.
Zum Schluß dieses Unterkapitels sei auch noch kurz auf eine normative Bewertung
des Cournot–Gleichgewichtes eingegangen. Es ist einerseits nicht effizient, da es (we-
gen der Abweichung des Geichgewichtpreises von den Grenzkosten) die soziale Wohl-
fahrt nicht maximiert, andererseits aber auch nicht wieder so schlecht, da es auch
nicht die Industriegewinne allein (auf Monopolhohe) maximiert. Was “maximiert” eine
Cournot–Gleichgewichtsallokation also? Hierauf haben Bergstrom und Varian [1985]
eine originelle Antwort gegeben:
Sie haben gezeigt, daß eine Gleichgewichtsallokation la Cournot eine gewichtete Summe
von sozialer Wohlfahrt und Industriegewinnen maximiert!
Der gesamte Nutzenbeitrag eines Gutes kann gemessen werden als die Gesamtflache
unterhalb der Nachfragekurve nach diesem Gut. Werden also x Einheiten produziert
und nachgefragt, so mißt
B(x) =∫ x
0p(z)dz (B = Benefit)
diesen Gesamtbeitrag als Summe von Produzentenrente und Konsumentenrente. p(z)
ist dabei die Preisabsatzkurve (inverse Nachfragefunktion), z eine Integrationsvariable.
Industrieokonomik 34
Von diesem Gesamtnutzen mussen die Gesamtkosten abgezogen werden, um den ge-
samten Wohlfahrtsbeitrag des Gutes zu erhalten. Bei n identischen Firmen betragen
diese Kosten in einem symmetrischen Cournot–Gleichgewicht gerade
C(x) = n · c(
x
n
)(C = Cost),
wobei c(·) die fur alle n Firmen gultige Kostenfunktion ist. Also erhalten wir fur den
Wohlfahrtsbeitrag des Gutes bei einer Ausbringung von x:
W (x) = B(x) − n · c(
x
n
)(W = Welfare).
Ein wohlfahrtsmaximierender Planer wurde sich ausschließlich an der Zielfunktion ori-
entieren. Bergstrom und Varian zeigen nun, daß ein Planer, der sich folgende Zielfunkti-
on vorgeben wurde, zu genau derselben Allokation wie in einem Cournot–Gleichgewicht
(in dem ein Planer uberhaupt keine Rolle spielt!) gelangen wurde:
Sei Z(x) = (n − 1) · W (x) + 1 · Π(x),
wobei Π(x) = p(x) · x − n · c(
x
n
)= Industriegewinne
Der Planer versucht also sowohl den Wohlfahrtsbeitrag W als auch die Gesamtgewinne
Π der Industrie zu berucksichtigen. Dabei gewichtet er den Wohlfahrtsbeitrag umso
starker, je mehr Firmen die Industrie ausmachen. Es ist leicht einzusehen (Ubung!),
daß die Bedingung erster Ordnung fur ein Maximum von Z(x) ubereinstimmt mit der
Bedingung erster Ordnung fur ein Cournot–Gleichgewicht! Zum besseren Verstandnis
wollen wir Z(x) noch kurz umformen: den Wohlfahrtsbeitrag W (x) kann man auch so
schreiben:
W (x) = B(x) − n · c(
x
n
)= S(x) + p(x) · x − n · c
(x
n
)= S(x) + Π(x) ,
wobei S(x) nun die Kosumentenrente mißt und p(x) · x die Erlose der Unternehmen
darstellt. D.h.
Z(x) = (n − 1) · W (x) + Π(x) = (n − 1)[S(x) + Π(x)] + Π(x)
= (n − 1)S(x) + n · Π(x)
d.h. Z gewichtet Profite um mehr (insbesondere bei kleinem n) als die Konsumenten-
rente. Mit steigendem n wird die Differenz allerdings immer geringer, so daß im Limes
wieder ein Vielfaches der Summe S(x) + Π(x) (= W (x)) maximiert wird, was auch ein
Planer tun wurde!
Industrieokonomik 35
D.h. fur n → ∞ wird das Cournotergebnis effizient, weil die das Cournotergebnis
rationalisierende Planerzielfunktion identisch wird zu der, die das vollkommene Wett-
bewerbsergebnis rationalisiert! Der Grund fur das Auftreten der Konsumentenrente
S(x) in der die Cournot–Losung “rationalisierenden” Zielfunktion Z(x) ist darin zu se-
hen, daß die wettbewerbliche Interaktion der Firmen in einem Cournot–Gleichgewicht
beschrankend auf die Ausubung von Marktmacht einer einzelnen Firma wirkt, was den
Konsumenten in Form einer hoheren Konsumentenrente zugute kommt. Das Konzept
der Konsumentenrente, oder deren Große, spielt naturlich explizit fur die Wettbewerber
keine Rolle, da sie sich nur an ihrer Zielfunktion Πi(x) ausrichten. Es ist die gleich-
gewichtige Interaktion und damit das Ergebnis von Wettbewerb, das implizit zur Mit-
berucksichtigung von S(x) fuhrt. Je mehr Firmen miteinander in Cournot–Wettbewerb
stehen, desto starker findet S(x) im Wettbewerbsergebnis Berucksichtigung.
4.2 Das Bertrand–Oligopol
Cournot’s klassische Arbeit ist in einer – mittlerweile als ebenso klassisch zitierten,
wissenschaftlich aber weit weniger gehaltvollen – Arbeit von Bertrand [1883] attackiert
worden, deren Hauptargument darin bestand, nicht Mengen seien die entscheidenden
Variablen fur die Beschreibung und Analyse von Wettbewerb unter Firmen, sondern
die von ihnen gesetzten Preise. In seiner reinsten Form fuhrt dieses Argument zu einem
ungewohnlichen theoretischen Ergebnis, das auch unter dem Begriff Bertrand–Paradox
bekannt ist. Es besagt, daß im Falle eines homogenen Produktes schon Wettbewerb
zwischen Duopolisten unausweichlich zu einer Losung fuhrt, in der der Produktpreis
gleich den Grenzkosten ist und damit ein Ergebnis erreicht wird, das i.a. dem Falle
vollkommenen Wettbewerbs vorbehalten ist. Das Ergebnis gilt uberdies ohne jede An-
drohung von Marktzutritt oder ahnlichen zusatzlichen Argumenten. Wir wollen es kurz
illustrieren (eine Verallgemeinerung auf den Fall von n > 2 Wettbewerbern ist trivial):
Betrachtet seien zwei Firmen i = 1, 2, die identische Guter zu konstanten Einheitsko-
sten von c produzieren, d.h. die Kostenfunktion fur Firma i sei:
ci(xi) = c · xi i = 1, 2 .
Die Gesamtnachfragefunktion nach dem betreffenden Gut sei durch x = D(p) beschrie-
ben.
Industrieokonomik 36
Da die Produkte der beiden Firmen in den Augen der Konsumenten gleich sind, werden
Nachfrager bei der Firma kaufen, die den niedrigeren Preis verlangt. Die Nachfrage-
funktion fur Firma i, i = 1, 2, lautet daher:
Di(pi, pj) =
⎧⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎩
D(pi) falls pi < pj
12D(pi) falls pi = pj
0 falls pi > pj
Beachte: Die Nachfrage, die Firma i anzieht, ist abhangig von beiden Preisen, die im
Markt verlangt werden. Klar:
D1(p1, p2) + D2(p1, p2) = D(p) ,
wobei p = min(p1, p2) fur alle (p1, p2); d.h. die Gesamtnachfrage wird jeweils gerade
auf die beiden Firmen aufgeteilt.
Die Gewinnfunktion fur Firma i lautet daher
Πi(pi, pj) = (pi − c)xi = (pi − c)Di(pi, pj)
Beide Firmen setzen ihre Preise nun unabhangig voneinander, aber simultan fest und
produzieren anschließend die zu den festgelegten Preisen auf sie entfallende Nachfrage.
Welchen Preis sollte Firma i verlangen? Wir unterstellen nach wie vor als Verhaltens-
maxime Gewinnmaximierung, doch nun soll dieses Ziel uber Veranderung der Variablen
Preis unter Berucksichtigung des Verhaltens der Konsumenten realisiert werden.
Ein Bertrand–Gleichgewicht liegt genau dann vor, wenn die verlangten
Preise (p∗1, p∗2) die Eigenschaft haben, daß
Π1(p∗1, p
∗2) ≥ Π1(p1, p
∗2) fur alle p1
und
Π2(p∗1, p
∗2) ≥ Π2(p
∗1, p2) fur alle p2.
Obwohl die Zielfunktionen der beiden Konkurrenten nun unstetig sind – wegen der
Unstetigkeit der individuellen Nachfragen –, ist leicht einzusehen, daß gilt:
Satz: Das (eindeutige) Bertrand–Gleichgewicht lautet
p∗1 = p∗2 = c (d.h. Π∗1 = Π∗
2 = 0)
und x∗1 = x∗
2 =1
2D(c) (bzw. x∗
1 + x∗2 = D(c)) .
Industrieokonomik 37
Beweis:
1. (c, c) ist Gleichgewicht: Falls i pi = c setzt, kann j keinen hoheren Gewinn als
Πj = 0 erzielen, da ein hoherer Preis pj > c zu einer Nachfrage von 0 fuhren
wurde und ein niedrigerer Preis, der die gesamte Nachfrage anziehen wurde, die
Kosten nicht mehr deckte. c ist also optimale Reaktion auf c.
2. (c, c) ist einziges Gleichgewicht:
(a) p∗i > p∗j > c ist kein Gleichgewicht:
Πi(p∗i , p
∗j) = 0, aber
Πi(pi, p∗j) > 0 moglich
z.B. pi = p∗j − ε, wobei ε < p∗j − c.
(b) p∗i = p∗j > c ist kein Gleichgewicht:
Πi(p∗i , p
∗j) = (p∗i − c) · D(p∗i )
2, aber
Πi(pi, p∗j) > (p∗i − c) · D(p∗i )
2moglich
z.B. pi = p∗i − ε, ε klein
=⇒ Πi(p∗i − ε, p∗j) = ((p∗i − ε) − c) · D(p∗i − ε)
(c) p∗i > p∗j = c ist kein Gleichgewicht:
Πj(p∗i , p
∗j) = 0 aber
Πj(p∗i , pj) > 0 moglich
z.B. pj = p∗j + ε = c + ε, mit ε < p∗i − c q.e.d.
Die beiden Firmen setzen also Grenzkostenpreise, was fur sie zu Nullgewinnen fuhrt.
D.h. das Gleichgewicht ist effizient in bezug auf die erreichte Allokation, da es der
vollkommenen Wettbewerbslosung entspricht:
L1 = L2 = 0 =⇒ L(L1, L2) =2∑
i=1
si · Li =1
2· 0 +
1
2· 0 = 0
wohingegen H = (12)2 + (1
2)2 = 1
2; d.h. H ist nicht mehr mit L korreliert! Insbesondere
sind Industriegewinne und Konzentration nicht mehr korreliert.
Allgemein: n Firmen (identisch ) (i = 1, ..., n)
Li = 0 =⇒ L = 0
Industrieokonomik 38
H =n∑
i=1
(1
n
)2
= n · 1
n2=
1
n
p∗ = c : Preis unabhangig von Firmenanzahl im Markt.
Bemerkung: Sind die betrachteten Firmen nicht mehr identisch, so muß man obige Er-
gebnisse relativieren. Haben die (beiden) Firmen z.B. unterschiedliche Kostenfunktio-
nen, c1(x1) = c1x1 und c2(x2) = c2x2 mit c1 �= c2, so gilt: o.B.d.A. c1 < c2 (≤ c3 ≤ ...).
Im Gleichgewicht verlangt Firma 1 p∗1 = c2 − ε, ε klein, und Firma 2 p∗2 = c2, falls
c2 < pm(c1), oder p∗1 = pm(c1), falls c2 ≥ pm(c1).
Firma 1 macht also positive Gewinne:
Π∗1(p
∗1, p
∗2) = (c2 − c1) · D(c2) > 0 bzw.
Π∗1(p
∗1, p
∗2) = Πm = max
p(p − c1) · D(p) .
Firma 2 macht Nullgewinne, da sie keine Nachfrage findet.
Nun ist also auch das Bertrand–Gleichgewicht nicht mehr effizient, aber bei einander
relativ ahnlichen Kostenstrukturen konnen Firmen nur sehr niedrige Gewinne erzielen.
Die Annahme konstanter Skalenertrage (d.h. hier konstanter Grenzkosten) ist wichtig
fur obige Analyse. Mit steigenden Skalenertragen ist schon die Existenz eines Gleichge-
wichtes in reinen Strategien nicht mehr gewahrleistet: Preiswettbewerb ist nun ruinos,
da bei Grenzkostenpreisen nun die Durchschnittskosten nicht mehr gedeckt werden und
die Firmen Verluste machen.
Bei abnehmenden Skalenertragen (d.h. konvexen Kostenfunktionen) ergeben sich eben-
falls Existenzprobleme fur Gleichgewichte in reinen Strategien. Ein prominenter Spezial-
fall hiervon, den wir im folgenden fur unsere Analyse noch weiter verwenden wollen,
ist der beschrankter Kapazitaten, den insbesondere Edgeworth [1925] analysiert hat.
Der einfachste Fall ist wiederum der, konstante Grenzkosten bis zum Erreichen der
Kapazitatsgrenze anzunehmen, von wo an die Grenzkosten unendlich sind (auch unter
Aufwendung beliebig hoher Kosten kann keine weitere zusatzliche Einheit (kurzfristig)
mehr ausgebracht werden).
Industrieokonomik 39
�
�K
Grenzkostenkurve: (‘konvex’)
K = Kapazitatsgrenze
x
Bevor wir unsere Analysen aufbauend auf Edgeworth fortsetzen, sei noch einmal grund-
satzlich auf die Grunde fur die so unterschiedlichen Ergebnisse im Gleichgewicht la
Cournot und Bertrand eingegangen. Ganz offensichtlich fuhren Preis– und Mengen-
wettbewerb (wie sie im Cournot- resp. Bertrand-Modell modelliert werden) zu ganz-
lich unterschiedlichen firmenspezifischen Nachfragefunktionen. Im Duopolfall kann man
dies leicht graphisch darstellen:
�
�
GK = c
p∗
x1
p1
GE
Gesamtnachfrage D(p)
x∗1
D(p1) − x∗2
...................................................................................................................................................................................................................................................................
..............................................................................................................................................................................................................................................................................................
.................................................................................................................................................................................................................................................................................................��������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������������
Preiswettbewerb a la Bertrand fuhrt also zu einer elastischeren firmenspezifischen Nach-
fragefunktion und daher sind i.a. in diesem Falle (auch bei differenzierten Gutern) die
Preise im Gleichgewicht niedriger. Die dickgezogene Linie gibt bei p2 = p∗ die firmen-
spezifische Nachfrage fur Firma 1 im Bertrand–Fall an, die Kurve D(p1)−x∗2 diejenige
(bei Ausbringung x∗2 durch Firma 1) im Cournot–Fall. Dies legt einen entscheidenden
Industrieokonomik 40
Unterschied in der Modellierung der Konsumentenseite in den beiden Modellen offen.
Im Bertrand-Modell sind die Konsumenten als strategische Akteure vorhanden: sie ent-
scheiden nach der Preissetzung der Firmen, wo sie kaufen. Im Grunde suchen sie sich
den gunstigsten Preis aus, ohne das ihnen dabei Suchkosten entstehen. Dieses (nutzen-)
maximierende Suchverhalten der Konsumenten fuhrt zu der ‘gespaltenen’ firmenspe-
zifischen Nachfrage im Bertrand-Modell. Im Cournot-Modell hingegen sind die Kon-
sumenten vollstandig nicht-strategische Akteure; als Spieler im Sinne der Spieltheorie
sind sie reine ‘dummies’, was sich in der simplen Parallelverschiebung der Gesamtnach-
frage zur firmenspezifischen Nachfrage im obigen Bild ausdruckt. Vom Standpunkt der
Spieltheorie aus betrachtet stellt das Cournot-Modell ein simultanes Spiel zwischen
Firmen (und nur Firmen) in Normalform dar. Das Bertrand-Modell ist hingegen als
reduzierte Normalform eines sequenziellen Spieles zwischen Firmen und Konsumenten
zu verstehen, in der das optimale (gleichgewichtige) Verhalten der Konsumenten auf
der zweiten Stufe schon in die Formulierung des Spieles unter Firmen auf der ersten
Stufe (eben in Form der firmenspezifischen Nachfragen) eingeht. Es ist nicht einfach die
“Wahl” der strategischen Variablen, Preise oder Mengen, durch die Firmen, sondern
die unterschiedliche Berucksichtigung des Konsumsektors der den Unterschied in den
beiden Modellen erzeugt. Es ist insbesondere die strategische Rolle der Konsumenten
im Bertrand-Modell, die den ‘Preisdruck’ auf die Firmen erzeugt. Hierfur wiederum ist
wichtig, daß die Konsumenten nach den Firmen, in Kenntnis derer Preise, handeln.
4.3 Das (Bertrand–) Edgeworth–Oligopol
Francis Edgeworth kritisierte bereits 1897 (dt. Ubersetzung: 1925) Bertrand’s Modell
idealen Preiswettbewerbs in bezug auf die unrealistische Annahme, daß bei einem be-
liebig kleinen Preisvorteil der gesamte Markt an den gunstigeren Anbieter fallt.
Er tat dies weniger mit Blickrichtung auf das unterstellte Nachfrageverhalten, als viel-
mehr in bezug auf die notwendige Implikation, ein billigerer Anbieter ware auch in
der Lage, den gesamten Markt zu bedienen. Im Grunde verlangt diese Annahme fur
beliebige Nachfragestrukturen, daß Firmen unendlich große Kapazitaten besitzen. Ed-
geworth analysierte daher Preiswettbewerb zwischen durch endliche Produktionska-
pazitaten beschrankten Anbietern und kam zu interessanten Ergebnissen, die erst im
letzten Jahrzehnt eine uberraschende und fur das Wettbewerbsverstandnis uberaus
aufschlußreiche Renaissance erlebten.
Industrieokonomik 41
Daß Kapazitatsschranken drastische Auswirkungen auf das Bertrand’sche Wettbewerbs-
modell haben konnen, ist an unserem Beispiel unmittelbar einsichtig zu machen:
4.3.1 Kapazitatsschranken und Bertrand–Gleichgewicht
Angenommen, die beiden Firmen 1 und 2, die jeweils Grenzkosten von c (= constant)
haben, befinden sich in der Bertrand’schen Gleichgewichtssituation
p∗1 = p∗2 = c und x∗1 = x∗
2 =1
2D(c) .
Inwiefern unterstellte der Beweis der Gleichgewichtseigenschaft obiger Situation zu-
mindest hinreichend große Kapazitaten? Im Gleichgewicht produzieren beide 12D(c),
der Beweis benutzt jedoch, daß beide zumindest Kapazitaten in Hohe von D(c) haben
(bzw. haben werden, falls die gesamte Nachfrage bei ihnen geaußert wird). Denn: ange-
nommen, eine der beiden Firmen verfuge uber eine Kapazitat k von 12D(c) < k < D(c).
Dann kann (p∗1, p∗2) = (c, c) kein Gleichgewicht sein: die andere Firma konnte nun ih-
ren Preis leicht uber die Grenzkosten von c anheben, ohne ihre gesamte Nachfrage zu
verlieren. Einige Nachfrager mußten bei ihr verbleiben, da der billige Konkurrent nicht
den gesamten Markt bedienen kann. Seine Kapazitat reicht dazu annahmegemaß nicht
aus. Auf diese ihr in jedem Fall verbleibende Nachfrage, sog. Residualnachfrage, macht
die Firma mit dem hoheren Preis nun jedoch positive Gewinne in Hohe von pi − c > 0
je verkaufter Einheit. Daher kann die ursprungliche Bertrand–Losung, in der beide Fir-
men Gewinne in Hohe von 0 machen, nun in Gegenwart von Kapazitatsschranken kein
Gleichgewicht mehr sein. Die Preise im neuen Gleichgewicht und ebenso die Gewin-
ne durften nun hoher liegen. Wesentlicher Grund fur diese Prognose ist die Tatsache,
daß das Vorhandensein der Kapazitatsschranke fur die eine Firma ihrem Konkurren-
ten eine weniger elastische (firmenspezifische) Residualnachfrage belaßt als zuvor. Der
Schlussel zum Verstandnis der wettbewerblichen Interaktion liegt daher nunmehr in
der Erklarung des Zustandekommens der Residualnachfrage.
4.3.2 Das Edgeworth–Duopol (Bertrand–Edgeworth)
Wir folgen nun der Darstellung von Levitan und Shubik [1972], die Edgeworth’s Vorstel-
lung wie folgt modellierten: Betrachtet seien zwei Firmen, die wiederum ein homogenes
Gut in Konkurrenz miteinander produzieren. Beide Firmen haben dieselbe Produkti-
Industrieokonomik 42
onskapazitat von k > 0, und zur Vereinfachung nehmen wir an, sie konnten zu Kosten
von Null produzieren.
Die Marktnachfrage sei x = D(p) bzw. p(x) = D−1(x) und die maximale Nachfrage sei
D(0) = x.
Wir wissen: Fur k ≥ x ergibt sich das Bertrand Gleichgewicht mit p∗1 = p∗2 = 0!
Wir nehmen nun an: k < x, d.h. keine der beiden Firmen kann den Markt immer
alleine bedienen. Was geschieht nun, wenn eine Firma einen niedrigeren Preis als die
andere setzt, dann aber die auf sie entfallende Nachfrage jedoch nicht voll bedienen
kann? Ganz offensichtlich werden (zumindest einige) Kunden dieser Firma rationiert.
Die Niedrigpreisfirma versorgt den Markt bis zum Erreichen der Kapazitatsgrenze k,
der uberschußige Teil der Gesamtnachfrage bildet die Residualnachfrage, die der Firma
mit dem hoheren Preis verbleibt. Von entscheidender Bedeutung ist nun welcher Teil
der Gesamtnachfrage bei der Niedrigpreisfirma zum Zuge kommt und welcher nicht.
Wir konzentrieren uns zunachst auf eine spezielle der vielen denkbaren Rationalisie-
rungsregeln, die sog. effiziente (oder: parallele) Rationierung.
Effiziente Rationierungsregel:
1. Sei also k1 = k2 = k < D(0) und p1 < p2; d.h. Firma 1 ist die Niedrigpreisfirma.
Dann gelte
x1(p1, p2, k) =
⎧⎨⎩ D(p1), falls D(p1) ≤ k
k falls D(p1) > k,
d.h., ist der (niedrigere) Preis, p1, so hoch, daß die Gesamtnachfrage geringer
als k ausfallt, so bedient Firma 1 den ganzen Markt. Ist p1 jedoch so, daß die
Gesamtnachfrage hoher als k ausfallt, so kann Firma 1 nur Nachfrage in Hohe
von k absorbieren. Dies scheint offensichtlich. Welche Nachfrage entfallt nun auf
Firma 2? Die effiziente Rationalisierungsregel besagt, daß
x2(p1, p2, k) =
⎧⎨⎩ D(p2) − k, falls D(p2) > k
0 sonst.
2. Analog ergibt sich (durch Vertauschen der Indices) der Fall p2 < p1, d.h. Firma
2 = Niedrigpreisfirma.
Industrieokonomik 43
3. Fur p1 = p2 = p gilt trivialerweise x1 = x2 = 12D(p).
Was ist nun das besondere an der effizienten Rationierungsregel, die x2(p1, p2, k) fest-
legt?
Dadurch, daß wir sagen, daß die Nachfrage zum Preise p2 (dem hoheren der beiden)
gerade um k, d.h. die Kapazitat von Firma 1, vermindert wird (und nicht etwa um
weniger), mussen wir annehmen, daß gerade die Konsumenten von Firma 1 bedient
werden, die die hochsten Reservationspreise haben. Kame namlich statt eines Konsu-
menten mit Reservationspreis R > p2 ein Konsument mit p1 < R < p2 bei Firma 1
zum Zuge, so ware fur Firma 2 auch noch Nachfrage vorhanden (in Person des Konsu-
menten mit R > p2) fur einige Preise mit D(p2) < k. Effiziente Rationierung bedeutet
also, daß gerade der “beste” Teil der Gesamtnachfrage von Firma 1 bedient wird, und
Firma 2 als Residualnachfrager jeweils gerade das Segment der Gesamtnachfrage ver-
bleibt, dessen Reservationspreis unterhalb p = D−1(k) liegt. Firma 2 verbleiben also
nur die am wenigsten zahlungswilligen Kunden. Das ist auch der Grund fur die Effizi-
enz dieser Regel. Sie maximiert die Konsumentenrente aus der verkauften Menge des
Gutes genau deswegen, weil diejenigen Konsumenten, die das Gut am meisten schatzen,
bei der billigeren der beiden Firmen zum Zuge kommen. Der hohere Preis wird aus-
schließlich von weniger bedurftigen Konsumenten bezahlt. Aus der Sicht von Firma 2,
die den hoheren Preis hat, ist dies die schlechtestmogliche Residualnachfrage, die ihr
verbleiben kann. Sie wurde sich den Residualnachfragern gegenuber gerne als Mono-
polist auffuhren, kann dies aber umso weniger wirklich profitabel tun, je geringer die
Zahlungsbereitschaft (und damit die potentielle Konsumentenrente) derer ist, die sie
schropfen mochte. Dieser Grenzfall verdient auch deswegen besondere Beachtung, weil
er sich ergeben wurde, wenn zum Zuge gekommene Kaufer vollkommene Wiederver-
kaufsmoglichkeiten hatten! Ein Konsument, dessen Reservationspreis R uber p1, aber
unterhalb p2 liegt, wurde seine bei Firma 1 erworbenen Kaufe gerne an einen nicht
zum Zuge gekommenen Konsumenten mit R > p2 zu einem Preis ≥ R weiterreichen.
Dieser ware auch bereit, dafur bis p2 > R zu bezahlen! So ware letztendlich sicher-
gestellt, daß am Ende (und genau so wirkt sich die effiziente Rationierungsregel aus)
kein Konsument (bei beiden Firmen) zum Zuge kame, dessen Reservationspreis nicht
mindestens R = p2 betragt! Anders ausgedruckt, die Zahlungsbereitschaft des letzten
(von der Firma 2) noch bedienten Residualnachfragers ist gerade gleich p2, dem Preis
den er zu zahlen hat.
Industrieokonomik 44
Man konnte sich auch vorstellen, daß zunachst alle Konsumenten, die zum niedrigeren
Preise p1 kaufen wollen, sich bei Firma 1 einfinden und eine Warteschlange bilden,
deren Mitglieder solange bedient werden, bis die Kapazitaten von Firma 1 erschopft
ist. Die nicht zum Zuge gekommenen Konsumenten, die das Ende der Schlange bilden,
wandern dann zu Firma 2, sofern sie bereit sind auch den hoheren Preis p2 zu zahlen,
oder gehen unbefriedigt nach Hause, wenn sie dies nicht sind. Effiziente Rationierung
bedeutet dann gerade, daß sich die Schlange bei Firma 1 von oben herab in der Reihen-
folge der Reservationspreise der Konsumenten bildet. Diejenigen, denen das Gut am
meisten wert ist, sind am ehesten angestanden und werden von Firma 1 auch bedient
(die davon jedoch nichts hat uber den erlosten Preis p1 pro Einheit hinaus). Fur Firma
2 ist dies schlecht, weil nun viele aus der Restschlange nach Hause gehen werden. Es
wurden ihr umso mehr Nachfrager aus der Restschlange erhalten bleiben, als Konsu-
menten mit hoherem Reservationspreis als p2 von Firma 1 nicht bedient wurden. Am
gunstigsten fur sie ware, die heißesten Interessenten stunden am Ende der Schlange.
Effiziente Rationierung wird auch parallele Rationierung genannt, da sie graphisch wie
folgt veranschaulicht werden kann:
�
�Q(p1)Q(p2)q2(p2)
P
p1
p2
a
Q
Nachfrager mit k hochstenReservationspreisen
︸ ︷︷ ︸k1 = q1(p1)
︷ ︸︸ ︷Q(p2) = q1(p1) + q2(p2) = k1 + q2(p2)
hier: k << Q(p1), d.h. k << a
��
���
Aufgrund der Annahme effizienter Rationierung lassen sich die Gewinnfunktionen der
beiden Firmen in Abhangigkeit von ihren Preisentscheidungen nun wie folgt bestim-
men. Zunachst beschreiben wir die firmenspezifische Nachfrage, fur die wie gezeigt die
Industrieokonomik 45
Rationierungsweise von großer Bedeutung ist, direkt in Abhangigkeit der beiden Preise:
xi(pi, pj , k) =
⎧⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎩
min{ki, D(pi)}, falls pi < pj
min{ki, max{12D(pi), D(pi) − kj}}, falls pi = pj
min{ki, max{0, D(pi) − kj}}, falls pi > pj .
Dies ist nichts anderes als eine kompakte Schreibweise fur die zuvor abgeleiteten Aus-
wirkungen effizienter Rationierung. (Es soll weiterhin ki = kj = k gelten, die Indices
in obiger Formel dienen nur zur Verdeutlichung der Interpretation des betreffenden k.)
Naturlich gilt weiterhin, daß
Πi = pixi − ci(xi),
wobei wir nun ci(xi) = 0 als Vereinfachung haben. Also gilt fur die Gewinnfunktionen
der beiden Firmen
Πi = pixi(pi, pj , k),
die beide unabhangig voneinander durch Wahl von pi bzw. pj zu maximieren suchen.
Ein Gleichgewicht ist nun formal genau gleich definiert wie im reinen Bertrand–Fall,
nur daß die Gewinnfunktionen anders interpretiert werden mussen.
�
�Q(p1)q2(p2)
P
p1
p2
Q
d.h. die Residualnachfrage hangt von k
und dem Preis der anderen Firma ab
︸ ︷︷ ︸k1
Q(p2) = q1(p1) + q2(p2) = k1 + q2(p2)
Zur Demonstration der Auswirkungen von Kapazitatsschranken auf das Gleichgewicht
unter Preiswettbewerb betrachten wir nun ein Beispiel mit linearer Nachfragefunktion.
Beispiel:
x = D(p) = a − p, (resp. p = a − x)
k1 = k2 = k und c1 = c2 = 0
Industrieokonomik 46
1. Fall: k ≥ a = D(0) = maximale Marktnachfrage.
Hier gilt offensichtlich, daß p∗1 = p∗2 = 0 (Grenzkosten!) einziges GG ist, da die Kapa-
zitatsgrenzen nicht wirksam sind. Jede Firma kann den gesamten Markt bedienen: wir
haben den reinen Bertrand–Fall.
2. Fall: 0 < k ≤ a3.
Wir behaupten, daß nunmehr
p∗1 = p∗2 = p(k + k) = a − 2k
das (eindeutige) Gleichgewicht darstellt.
1. Es ist klar, daß fur keine der beiden Firmen eine Preissenkung lohnend sein
kann, da beide gerade an ihrer Kapazitatsgrenze produzieren und daher nicht
mehr verkaufen konnten. Die Preissenkung wurde nur die Erlose senken.
2. Eine Preiserhohung lohnt jedoch auch nicht: Falls z.B. p1 > p∗2 = a − 2k, so gilt
(siehe obige Formel)
x1(p1, p∗2, k) < k
und somit
Π1(p1, p∗2, k) = p1(D(p1) − k) = x1 · p(x1 + k)
(die Ausbringung der anderen Firma beim Preis p∗2 ist naturlich weiterhin k).
Es ist nun leicht zu zeigen, daß der Gewinn
x1 · p(x1 + k) = x1 · (a − x1 − k)
unter den Nebenbedingungen:
1. 0 ≤ x1 ≤ k (Kapazitatsschranke) und
2. 0 ≤ k ≤ a
3(Fallunterscheidung),
genau dann maximal wird, wenn x1 = k gesetzt wird.
Der Grund fur dieses Ergebnis ist darin zu sehen, daß (beide) Kapazitaten zu klein
im Verhaltnis zur maximalen Marktnachfrage sind, um – gegeben die Ausbringung der
Konkurrenzfirma – Monopolmacht in bezug auf die Residualnachfrage auszuuben und
weniger als k anzubieten. Selbst bei Ausbringung von k (was einer Randlosung obi-
gen Gewinnmaximierungsproblems entspricht) ist man noch im elastischen Bereich der
Industrieokonomik 47
Nachfrage. In der Tat ruhrt die Fallunterscheidung in k ≤ a3
und k ≥ a3
(Fall 3) daher,
daß x1 = x2 = a3
die Cournot–Ausbringungsmengen der beiden Firmen unter Mengen-
wettbewerb waren (zur Erinnerung c = 0!). Die Kapazitatsschranke zwingt also beide in
einen elastischeren Bereich der Nachfragefunktion, als sie unter Cournot–Wettbewerb,
den wir in Kurze als Wettbewerb in der Wahl von Kapazitaten reinterpretieren werden,
im Gleichgewicht wahlen wurden.
3. Fall: a3
< k < a
Dies ist der interessanteste (und schwierigste) Fall. Auf ihn hat Edgeworth explizit
hingewiesen als er das Erfordernis der Preisfluktuation fur ihn entdeckte. D.h. es gibt
keinen stabilen (GG–) Zustand, in dem beide Firmen feste Preise p∗1 und p∗2 wahlen.
Jeder solche Zustand wurde zumindest einer Firma einen Anreiz zu weiterer Preisande-
rung geben. Edgeworth hat dies wie folgt begrundet.
�
�
34a
D′
D
a
︷ ︸︸ ︷pm
p(x) (resp. D(p))
k = 34a
DD’ ist die Residualnachfrage (relativ gering, da k = 34a) fur Firma 2 im gunstigsten
Falle, namlich p1 = 0.
Gehen wir einmal davon aus, Firma 1 wurde p1 = 0 setzen. Dann wurde sie x1 =
k = 34a verkaufen und Nullgewinne machen. Firma 2 konnte dann bezuglich der Re-
sidualnachfrage DD’ den Monopolpreis pm verlangen und (bei geringer Absatzmenge)
positive Gewinne machen. Dies ist naturlich kein GG, da Firma 1 nun ihren Preis p1 auf
gerade etwas unterhalb pm erhohen konnte ohne wesentlich an Nachfrage zu verlieren.
Dies ist der springende Punkt: da ihre Kapazitat relativ groß ist (das Argument gilt
schon ab k > a3) ist die Residualnachfrage fur Firma 2 relativ gering und daher deren
Monopolausbringungsmenge (relativ zu DD!) entsprechend gering im Verhaltnis zur
Industrieokonomik 48
Gesamtnachfrage beim Preis pm. Firma 1 hat genugend Spielraum fur Preiserhohun-
gen. Ein hoherer Preis von Firma 1 verschlechtert jedoch die Residualnachfrage fur
Firma 2, da nun die Gesamtnachfrage sinkt. Dies wurde Firma 2 veranlassen den Preis
p2 ihrerseits unterhalb pm zu drucken, und auch etwas unterhalb vom neuen (positiven)
Preis p1 des Konkurrenten. Dann wurde das Argument aber von neuem starten, Firma
1 unterbietet das neue p2 usw. bis Firma 1 wieder genugend nahe bei 0 ware und Firma
2 wieder auf pm springen konnte: der Zykel wurde sich dauernd wiederholen. Es gabe
keine stabilen, sondern dauernd fluktuierende Preise.
Dies heißt nun fur unsere Analyse nicht (wie Edgeworth annahm), daß nun kein Gleich-
gewicht des Preisspiels existiere, sondern nur, daß kein GG in reinen Strategien (sprich:
festen Preisen) existiert. Es konnte aber wohl sein (und ist in der Tat der Fall), daß
die Preisfluktuation nicht einem beliebig chaotischen Muster folgen kann, sondern ei-
ne gewisse feste Struktur hat, die von den Marktdaten (Parameter der Kosten– und
Nachfragestruktur) abhangt. Wir ermitteln zunachst nur den Bereich von p, fur den
das Fluktuationsproblem auftreten kann (in Abhangigkeit von k und D(p)).
Annahme: Der Bereich sei von der Form [p, p]; d.h. es gibt einen minimalen Wert p,
den der fluktuierende Preis annehmen kann, und einen maximalen Wert p (sowie
die Werte dazwischen).
Bestimmung von p und p:
Betrachte einen Preis pj von Firma j, der sehr nahe an p liegt: pj ∈ (p, p + ε), ε klein.
Firma i hat nun die Wahl, diesen Preis zu unterbieten, oder einen hoheren Preis zu
setzen.
Gewinn bei Unterbieten: Πi = pk
Gewinn bei Uberbieten: Πi = pi · ((a − k) − pi) mit pi > pj.
Der Gewinn bei Uberbieten wird maximal (und zwar unabhangig von pj !), falls pi = a−k2
gesetzt wird; d.h.
p =a − k
2
(Grund: pi = a−k2
maximiert gerade pi · (a − k − pi) als Monopolpreis in bezug auf die
Residualnachfrage; d.h. a−k2
= pm in obiger Abbildung).
Industrieokonomik 49
Daraus folgt nun, daß Firma i gerade indifferent zwischen Uberbieten und Unterbieten
ist, wenn gilt:
p · k =
(a − k
2
)(a − k − a − k
2
)= pi · (a − k − pi)
=⇒ p =1
k
(a − k
2
)2
Man sieht: Πi = Πi =
(a − k
2
)2
.
Fluktuation ergibt sich also gerade uber dem Bereich
[p, p] =
⎡⎣1
k
(a − k
2
)2
,a − k
2
⎤⎦
Dieses Intervall kommt nun gerade als ‘Trager’ einer Wahrscheinlichkeitsverteilung in
Betracht, die angibt, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine Firma einen bestimmten
Punkt in diesem Intervall wahlt; bzw. die Wahrscheinlichkeit darstellt, mit der ein
Punkt im ‘Fluktuationspfad’ auftreten kann. Als Handlungsanweisung fur Preissetzung
an eine Firma heißt eine solche Wahrscheinlichkeitsverteilung ‘gemischte Strategie’ !
Es gilt nun (was wir hier im Detail nicht zeigen wollen), daß es in diesem Fall immer
genau ein Gleichgewicht des Preisspieles mit Kapazitatsschranken gibt (in gemischten
Strategien).
Wir betrachten stattdessen den Fluktationsbereich noch etwas genauer in Abhangigkeit
von k.
�
�
��
��
a2
a3 a
p, p
a2
k
a−k2 = p
1k
(a−k
2
)2= p
Fluktuationsintervall
..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
Industrieokonomik 50
Wir sehen:
p > p ⇐⇒ 1
k
(a − k
2
)2
<a − k
2
⇐⇒ k ∈(
a
3, a)
Dies erklart (im Nachhinein) unsere Fallunterscheidung. Gilt z.B. k1 = k2 = k = a2, so
folgt: [p, p] = [a8, a
4]. Nahern wir k aber a
3, so sehen wir, daß fur k = a
3gilt: [p, p] = [a
3, a
3];
d.h. nun haben wir wieder einen eindeutigen Preis p1 = p2 = a3
=⇒ x1 = x2 =12(a − a
3) = a
3.
Dies ist aber gerade die Cournot–Losung! D.h. genauer; da dies fur den Fall k = a3
gilt:
Falls die Kapazitaten der beiden Firmen gerade den Cournot–
Ausbringungsmengen entsprechen, ergibt sich als Gleichgewicht des
Bertrand–Edgeworth Preisspieles gerade die Cournot–Losung!
Dies ist insofern sehr bemerkenswert, als wir die (allokative) Cournot–Losung nun in
einem Preisspiel erhalten! Bevor wir darauf naher eingehen, sei noch gesagt, daß dies
auch schon fur den (an k = a3
unmittelbar anschließenden) 2. Fall gilt mit 0 < k < a3,
in dem, wie oben gezeigt, beide Firmen ihre Kapazitat voll nutzen und p = a− 2k gilt.
Dies ware fur diesen Fall auch Losung im Cournot–Spiel in Mengen! (Ubung!) Also
ergibt sich im Vergleich insgesamt:
Kapazitat Gleichgewichtspreise
k Cournot Bertrand–Edgeworth
k ≥ aa
30
a
3< k < a
a
3Fluktuation in [
1
k(a − k
2)2,
a − k
2]
0 < k ≤ a
3a − 2k a − 2k
insb. k =a
3
a
3
a
3
Auf die Ermittlung der genauen (gemischten) Preisstrategien uber dem Fluktuations-
bereich verzichten wir hier.
Industrieokonomik 51
4.4 Bertrand–Edgeworth–Wettbewerb mit endoge-
ner Bestimmung der Kapazitaten
(Kreps / Scheinkman [1983])
Kreps und Scheinkman haben in einem bedeutenden Beitrag [1983] darauf hingewie-
sen, daß die beiden popularsten Modelle fur oligopolistisches Wettbewerbsverhalten,
das Cournot’sche und Bertrand’sche Wettbewerbsmodell, nicht als rivalisierende Mo-
dellierungsmoglichkeiten verstanden werden sollten. Vielmehr eroffne sich ein tiefes und
besseres Verstandnis von wettbewerblicher Interaktion, wenn beide Modelle als wesent-
liche Beschreibung eines Teiles eines umfassenden Modells von Wettbewerb verstanden
werden. Kreps und Scheinkman argumentieren, daß Firmen in nicht nur einer Variablen
miteinander konkurrieren, sondern immer gleichzeitig in mehreren. Einige davon sind
dominant fur kurzfristigen Wettbewerb (hier sind vor allem die leicht veranderlichen
und anpaßbaren Preisvariablen zu nennen), andere fur den mittelfristigen Wettbewerb
(hierunter konnten Kapazitatsentscheidungen fallen), wiederum andere fur langfristi-
gen Wettbewerb (z.B. Forschungs– und Entwicklungsvorhaben). Marktverhalten kann
und sollte daher nicht nur mit Hilfe einer einzelnen Variablen beschrieben werden.
Das Bertrand–Modell wurde nach dieser Sicht eher kurzfristiges Wettbewerbsverhal-
ten uber Preisrivalitat beschreiben, wahrend das Cournot–Modell eher mittelfristige
Wettbewerbsuberlegungen uber die Wahl von Kapazitaten (d.h. geplanten Ausbrin-
gungsmengen) abbilden wurde. Kreps und Scheinkman folgern nun richtig, daß kurz–
und mittelfristige Uberlegungen integriert betrachtet sein mussen. Insbesondere konnte
das mittelfristig orientierte Marktverhalten darauf ausgerichtet sein, auf mittlere Sicht
eine moglichst vorteilhafte kurzfristige Wettbewerbssituation zu erreichen. Anders aus-
gedruckt: mittel– und langfristige strategische Maßnahmen zielen auf eine Beeinflußung
der Marktstruktur, in der der kurzfristige (Preis–) Wettbewerb stattfindet. Kreps und
Scheinkman gelingt durch diese Betrachtungsweise eine elegante Reinterpretation von
Wettbewerb in Preis– und Mengenvariablen.
4.4.1 Eine Synthese von Cournot– und Bertrand–Wettbewerb
Kreps und Scheinkman modellieren ein Zwei–Stufen–Spiel, das Wettbewerb zwischen
Firmen abbilden soll. Zunachst (Stufe 1) mussen die Firmen entscheiden, welche Ka-
Industrieokonomik 52
pazitaten (oder: Mengen) sie wahlen und dann (Stufe 2), nach Erstellung der Kapa-
zitaten, treten sie in durch die gewahlten Kapazitaten beschrankten Preiswettbewerb
la Bertrand–Edgeworth. Dabei ziehen die Firmen bereits auf Stufe 1 bei ihrer Kapa-
zitatswahl in Betracht, welche Auswirkungen die Wahl bestimmter Kapazitaten auf
das Gleichgewicht im anschließenden Preisspiel hat! Es gelingt ihnen so der Nach-
weis, daß das Zwei–Stufen–Spiel ein eindeutiges Gleichgewicht besitzt, in dem die Fir-
men auf der ersten Stufe als Kapazitaten die Mengen wahlen, die sie unter reinem
Cournot–Wettbewerb als Ausbringung wahlen wurden, und auf der zweiten Stufe ihre
Produkte unter Auslastung der Kapazitaten zu Gleichgewichtspreisen verkaufen, die
dem Cournot-Preis entsprechen. Ihre Arbeit tragt daher zurecht den Titel “Quantity
Precommitment and Bertrand Competition yield Cournot Outcomes”.
Kreps und Scheinkman betrachten das folgende Zwei–Stufen–Spiel zwischen zwei Fir-
men, die ein homogenes Gut zu Nullkosten produzieren konnen:
• Stufe 1:
Die Firmen 1 und 2 wahlen Kapazitaten k1 resp. k2 (die nun verschieden sein
durfen!).
• Stufe 2:
Die Firmen treten in Preiswettbewerb a la Bertrand–Edgeworth, wobei sie durch
die auf Stufe 1 gewahlten Kapazitaten beschrankt sind.
Annahme: Um Kapazitaten k bereitzustellen, fallen Kosten in Hohe von b(k) an. Eine
Kapazitat k erlaubt in der zweiten Stufe die kostenlose Produktion von bis zu k
Einheiten des Gutes.
Informationsstruktur: k1 und k2 werden simultan gewahlt; k1 und k2 sind beobachtbar
bevor Preise gewahlt werden. Preise werden wiederum simultan – aber in Kenntnis der
Kapazitaten – gewahlt.
Gesucht: Ein (teilspielperfektes) Gleichgewicht des 2–Stufen–Spieles.
Vorgehensweise: Wir analysieren zunachst alle Teilspiele, die auf Stufe 2, nachdem
die Kapazitatsentscheidungen irreversibel getroffen sind, auftreten konnen. D.h. wir
Industrieokonomik 53
betrachten – wie zuvor im Bertrand–Edgeworth–Fall – Kapazitaten k1 und k2 als gege-
ben. Wie sieht dann das Gleichgewicht des durch k1 und k2 beschrankten Preisspieles
aus? Insbesondere: wie hangt dieses von (k1, k2) ab?
Angenommen jedes Teilspiel, das wir mit (k1, k2) bezeichnen konnen, besitze ein ein-
deutiges Gleichgewicht, in dem die Spieler die Strategien p∗1(k1, k2) und p∗2(k1, k2) ver-
wenden.
Dann wurden sie jeweils Gleichgewichtsgewinne in Hohe von
Π∗i = Πi(p
∗1(k1, k2), p
∗2(k1, k2))
erhalten. Da die Gewinne im Gleichgewicht des Preisspieles offenbar von den gegebenen
Kapazitaten bestimmt werden, konnen wir Π∗i auch als Funktion von (k1, k2) auffassen:
Π∗i (k1, k2) = Πi(p
∗1(k1, k2), p
∗2(k1, k2))
Diese sog. reduzierten Gewinnfunktionen sind nun gerade die Zielfunktionen der beiden
Firmen auf Stufe 1 bei der Festlegung ihrer Kapazitaten. In ihnen ist bereits subsumiert,
welche Konsequenzen im Preisspiel auf Stufe 2 die Wahl von k1 und k2 haben wird.
Beobachtung: Die reduzierten Gewinnfunktionen sind genau vom “Cournot”-Typ! Die
beiden Firmen versuchen Kapazitaten (= Mengen!) zu wahlen, so daß ihre Gewinne
maximal werden.
Konsequenz: Das Zwei–Stufen–Spiel, in dem auf Stufe 2 Preiswettbewerb herrscht, ist
aquivalent zum Ein–Stufen–Spiel von Cournot, in dem Firmen nur Mengen wahlen,
und ein fiktiver Auktionator den zugehorigen marktraumenden Preis findet.
Das Zwei–Stufen–Modell von Kreps und Scheinkman stellt daher eine Rechtfertigung
der Cournot’schen Analyse dar, indem sie sagt, daß das Cournot–Modell eine verkurz-
te Darstellung des von ihnen beschriebenen Wettbewerbsprozesses ist, in dem zuerst
Investitionen (= Kapazitatserstellung) getatigt werden mussen, bevor Output uber
(kapazitatsbeschrankten) Preiswettbewerb abgesetzt werden kann. Man muß die von
Cournot in Abhangigkeit von Mengen postulierten Gewinnfunktionen nur als im obigen
Sinne reduzierte Gewinnfunktionen interpretieren!
Kreps und Scheinkman beweisen nun in der Tat, daß jedes Teilspiel (k1, k2) ein ein-
deutiges Gleichgewicht (moglicherweise in gemischten Strategien −→ Preisfluktuation)
besitzt und man daher tatsachlich in eindeutiger Weise auf reduzierte Gewinnfunktio-
nen schließen kann. Ihr Hauptergebnis besagt dann:
Industrieokonomik 54
Satz (Kreps und Scheinkman, 1983): Sei die Marktnachfragefunktion D(p) diffe-
renzierbar und strikt fallend im Preis, und sei die (Kapazitats– ) Kostenfunktion
b(k) differenzierbar und konvex (b(0) = 0). Unter der effizienten Rationierungs-
regel gilt dann: Das eindeutige Gleichgewicht des Zwei–Stufen–Spieles fuhrt zur
Wahl von Mengen (Kapazitaten) k1 = k2 und Preisen p1 = p2, die auch im
einstufigen Cournot–Spiel gelten wurden; d.h. k1 = k2 = qc und p1 = p2 = p(2qc).
Bemerkungen:
1. In ihrer Originalarbeit verlangen Kreps und Scheinkman auch noch, daß D(p)
konkav sein muß. Hierauf kann jedoch, wie Osborne und Pitchik [1986] gezeigt
haben, ersatzlos verzichtet werden.
2. Die Analyse und ihr Ergebnis bleiben unverandert, falls Produktion auf der zwei-
ten Stufe Kosten verursacht, sofern die zugehorige Kostenfunktion konvex (d.h.
normal) verlauft.
Die Aussage, daß die beiden Firmen im Zwei-Stufen-Spiel auf Stufe 1 gerade die Kapa-
zitaten wahlen, die ihren gleichgewichtigen Mengenentscheidungen im Cournot-Modell
entsprechen, kann nun auch so interpretiert werden:
Die beiden Firmen wahlen ihre Kapazitaten so, daß der Preiswettbewerb auf Stufe 2
moglichst ‘schwach’ ausfallt. Sie wahlen also mit Bedacht nicht zu große Kapazitaten,
um sich anschließend bei ihrer Preisfestsetzung nicht bis in die Nahe des Grenzkosten-
preises herunterkonkurrieren zu mussen . Das Ergebnis besagt dann, daß der Preiswett-
bewerb auf Stufe 2 gerade dann am ‘schwachsten’ ausfallt, d.h. die hochsten Gewinne
zulaßt, wenn die beiden Firmen ihre Cournot-Mengen als Kapazitaten wahlen. Cournot
hat diesen Umstand bei der Formulierung seines Modelles quasi als selbstverstandlich
vorausgesetzt und daher gleich reduzierte Gewinnfunktionen betrachtet.
Daß Firmen versuchen reinem (und daher gnadenlos strengem, siehe Bertrand) Preis-
wettbewerb aus dem Wege zu gehen, indem sie noch in zumindest einer weiteren Va-
riablen miteinander konkurrieren, ist eine grundlegende Erkenntnis der neueren indu-
strieokonomischen Forschung, die dieses Thema in Form von Standortwahl–, Preis-
wettbewerbs– und Produktdifferenzierungsmodellen etc. darstellt und analysiert. Wir
werden ihm in spateren Kapiteln noch begegnen.
Industrieokonomik 55
Zum Abschluß sei noch auf die Rolle der Annahme, daß Rationierung von Nachfragern
bei einer Firma der effizienten Rationierungsregel folgt, hingewiesen.
Davidson und Deneckere [1986] zeigen, daß obiges Ergebnis strikt nur fur den Fall der
effizienten Rationierung gilt. Jede andere Rationierungsregel fuhrt nicht mehr (genau)
zur Wahl der Cournot-Mengen als Kapazitaten. Da es sich bei der effizienten Ratio-
nierungsregel gerade um diejenige handelt, die bei ungleichen Preisforderungen der
hoherpreisenden Firma die schlechtestmogliche Residualnachfrage belaßt, heißt dies,
daß andere Rationierungsregeln (z.B. die sogenannte proportionale) zu ‘besseren’ Re-
sidualnachfragen fuhrt. Davidson und Deneckere zeigen, daß sich dann in jedem Falle
hohere Kapazitaten und niedrigere Preise (und Gewinne) im Gleichgewicht ergeben.
D.h. das Cournot–Modell (das wir gerade als verkurzte Form eines Kapazitats–Preis–
Spieles mit effizienter Rationierung interpretiert haben) unterschatzt die Kompetiti-
vitat einer Duopol– (resp. Oligopol–) Situation und stellt insofern nur eine untere
Schranke fur die in einem Markt herrschenden Kompetitivitat dar.
Was bedeutet diese Analyse nun fur praktische Anwendungen?
Im Zwei-Stufen-Modell ist ganz offensichtlich von großer Bedeutung, daß Kapazitaten
im Vergleich zu Preisen kurzfristig viel schwerer zu andern sind. Ist es wirklich plau-
sibel, Kapazitatsschranken kurzfristig als wirklich so bindend anzusehen? Oder anders
ausgedruckt, haben (Grenz– ) Kostenfunktionen wirklich die (invertierte) L–Form, die
rigide Kapazitatsschranken implizieren? Dies variiert uber unterschiedliche Industrien
sicherlich sehr stark. Fur solche Industrien, die tatsachlich stark ansteigende Grenzko-
sten ausweisen, ist das Zwei–Stufen–Modell (und damit das Cournot-Modell) sicherlich
eine gute Approximation, fur Industrien mit relativ flachen Grenzkostenverlauf hinge-
gen nicht, da dann auch kurzfristig die Variation von Kapazitaten (unter nicht prohi-
bitiv hohen Kosten) moglich ist. Das heißt aber, daß die Firmen ihre Fahigkeiten, sich
glaubwurdig auf Kapazitaten festzulegen, und diese nicht mehr vor dem kurzfristigen
Preiswettbewerb zu verandern, verlieren, und somit durch Kapazitatsfestlegung har-
tem Preiswettbewerb nicht mehr aus dem Wege gehen konnen. Fur solche Industrien
ist das Bertrand–Modell die bessere Modellierung.
Kapitel 5
Dynamische Oligopoltheorie:
(stillschweigende) Preis- und
Mengenabsprachen
Die Analyse oligopolistischen Verhaltens im vorigen Kapitel war insofern eine einge-
schrankte, als nur eine Einmal-Interaktion der betrachteten Firmen untersucht wurde.
Die zuletzt angestellten Uberlegungen hinsichtlich kurz- und mittelfristiger Wettbe-
werbsvariablen legen jedoch nahe, daß - zumindest hinsichtlich der kurzfristig relevan-
ten Wettbewerbsvariablen (sprich: der Preise) - wettbewerbliche Interaktion zwischen
den Firmen wiederholt (beschrankt durch das gleiche Niveau der mittelfristigen Va-
riablen (z.B. Kapazitatsinvestitionen)) stattfinden wird. Wiederholte Wettbewerbssi-
tuationen stellen Firmen jedoch vor ein neues strategisches Kalkul: sie mussen bei-
spielsweise bei einer Preissenkung nicht nur den momentanen Wettbewerbsvorteil, den
dies bringt, abwagen, sondern auch die Folgen fur nachfolgende Interaktionen. Lost die
Preissenkung beispielsweise einen Preiskrieg aus, so durfte sich die aggressive preissen-
kende Firma ins eigene Fleisch schneiden, da die nachfolgenden Gewinnverluste durch
den Preiskrieg ihre momentanen Mehrgewinne mehr als kompensieren durften. In das
Preissetzungsverhalten gehen also neue Erwagungen ein, von denen man schon jetzt
andeuten kann, daß sie Firmen “vorsichtiger”, sprich: weniger kompetitiv werden laßt.
D.h. der Preiswettbewerb durfte schwacher ausfallen, gerade so, als ob die Firmen eine
kartellartige ‘Absprache’ getroffen hatten, ohne tatsachlich jemals miteinander zu kom-
munizieren. Tatsachliche Kommunikation ist in aller Regel auch wettbewerbsrechtlich
untersagt; wenn jedoch strategisches nicht-kooperatives Verhalten bei wiederholter In-
56
Industrieokonomik 57
teraktion zu praktisch ‘absprache-gleichen’ Preiskonfigurationen fuhren kann, entsteht
sowohl fur den Theoretiker wie den Praktiker ein Dilemma: wie kann man diese Art
‘stillschweigender Absprachen’ (tacit-collusion) erklaren, und wie kann man praktisch
entscheiden, wann tatsachliche und wann nur ‘stillschweigende’ Absprachen vorliegen?
Eine theoretische Untersuchung sollte vornehmlich klaren, weshalb tacit-collusion eine
Gleichgewichtserscheinung sein kann und Faktoren isolieren, die das Zustandekommen
solcher Gleichgewichte besonders begunstigen. Dies konnte dann wirtschaftspolitisch
verwertbare Hinweise darauf geben, wie rechtliche und institutionelle Regelungen, in-
nerhalb derer Wettbewerb stattfindet, beschaffen sein sollten, um das Auftreten von
tacit-collusion-Gleichgewichten moglichst zu erschweren. Die folgende - an der Theorie
dynamischer Spiele orientierte - Analyse wird verdeutlichen, daß dies eine sehr diffe-
renzierte Angelegenheit ist, in der die erste Intuition zumeist in die Irre leiten kann.
In der Tat werden wir eine Reihe von auf den ersten Blick wettbewerbsforderlichen
wirtschaftspolitischen Regeln und Maßnahmen als im Grunde wettbewerbsfeindlich
erkennen, weil sie neben der beabsichtigten Verscharfung des Wettbewerbes aufgrund
ihrer unglucklichen Konstruktion die Eigenschaft haben, tacit-collusion-Gleichgewichte
extrem zu begunstigen, so daß sie sowohl in Theorie als auch Praxis in ihr glattes Ge-
genteil umschlagen. Dieses Phanomen ist in der Literatur als ‘topsy-turvy’- Prinzip
bekannt, ihm unterliegt im wesentlichen folgende nicht ganz unintuitive Logik: wieder-
holte Interaktion gibt die Moglichkeit, auf momentanes Verhalten spater zu reagieren,
insbesondere die Moglichkeit, auf momentanes Nichtwohlverhalten strafend zu reagieren
(−→ Preiskrieg). Je hoher die eigene Fahigkeit zu bestrafen, desto eher kann man von
einem Konkurrenten Wohlverhalten ‘erzwingen’ oder einfach erwarten. Zwingt nun der
Wirtschaftspolitiker die Firmen in einer Industrie, sich auf harteren Wettbewerb einzu-
richten, so hat dies zunachst nur die Folge, daß die Firmen sich kompetitiver verhalten
konnten. Doch durch ihr gewachsenes wettbewerbliches Aggressionspotential ist gleich-
zeitig ihr Drohpotential hinsichtlich einer Bestrafung von Nichtwohlverhalten gestiegen.
Eine vorherige tacit-collusion Situation, die moglicherweise den Wirtschaftspolitiker
erst auf den Plan rief, wird daher durch die wettbewerbsverscharfende Anderung der
Rahmenbedingungen vielleicht noch stabiler und auch extremer in ihrer Auswirkung.
Dieses Prinzip kann man oft auch bei sportlichen Wettbewerben feststellen: Je besser
zwei Fußballmannschaften sind, die sich gegenuberstehen, desto kompetitiver konnte
das Spiel werden, muß aber nicht. Es ist kein Zufall, daß gerade beim Aufeinandertref-
fen von Spitzen- oder Nationalmannschaften, wo sich die Erwartungen des Publikums
in der Regel an der aufgrund der Spielstarke moglichen Kompetitivitat ausrichten, sich
Industrieokonomik 58
besonders lange erste ‘Abtast’-Phasen, die manchmal das ganze Spiel uber andauern,
ergeben. Denn jede der beiden Mannschaften weiß, wie stark die andere auftrumpfen
kann, und mochte sie daher nicht unbedingt dazu herausfordern, da das dann bedeuten
wurde, daß sie sich selbst sehr anstrengen muß. Besonders hoch ist die Wahrschein-
lichkeit einer solchen ‘stillschweigenden Absprache’, wenn beide Mannschaften, z.B.
durch ein Unentschieden oder einen knappen Spielausgang, davon profitieren wurden
(Deutschland - Osterreich 1982!). Dies ist jedoch bei wirtschaftlichen Wettbewerbern
gerade immer der Fall; das Problem tritt hier also noch mit viel großerer Scharfe auf.
Zum ersten Mal hat darauf in theoretischer Weise Chamberlin [1929] hingewiesen. Mit
seinem beruhmten theoretischen Konstrukt einer ‘geknickten Nachfragekurve’ wollen
wir uns zunachst kurz beschaftigen.
5.1 Geknickte Nachfragefunktionen
Chamberlin erkannte, daß es im Falle von “only two or a few” Wettbewerbern eigentlich
unwahrscheinlich sei, daß Preiswettbewerb zu Wettbewerbspreisen fuhre (wie Bertrand
behauptet), zumindest dann, wenn die Wettbewerber wiederholt interagieren. Im Ge-
genteil, er behauptete, daß in einer solchen Situation im Gleichgewicht des (Preis-)
Wettbewerbes alle den Monopolpreis verlangen wurden! Er begrundet dies wie folgt:
Betrachtet seien zwei Firmen mit identischen Grenzkosten c , die sich einer Nachfrage-
funktion x = D(p) gegenubersehen.
Beide Firmen stellen nun Uberlegungen an, wie sie einen moglichst hohen Preis im
Wettbewerb miteinander erzielen konnen. Dazu bilden sie Erwartungen, wie der Kon-
kurrent auf eine Preisanderung ihrerseits reagieren wurde.
Es sei angenommen, daß beide Firmen im Augenblick den Monopolpreis pm verlangen
und jeweils D(pm)2
produzieren, was ihnen jeweils Gewinne in Hohe von 12Π(pm, pm) =
12Π(pm) bringt. Wurde es sich fur eine Firma nun lohnen, ihren Preis zu senken, um den
ganzen Markt zu gewinnen? Dies hangt von der vermuteten Reaktion des Konkurrenten
ab. Chamberlin unterstellt, daß die beiden Wettbewerber jeweils folgendes erwarten:
Eine Preiserhohung hat keine Reaktion des Konkurrenten zur Folge (sie wurde ihn
ja “begunstigen”); eine Preissenkung hingegen wurde mit einer entsprechenden genau
gleichen Preissenkung erwidert.
Industrieokonomik 59
Unter solchen Erwartungen lohnt es naturlich nicht, den Preis pm zu verandern. Eine
Erhohung wurde zum Verlust des Marktes und Nullgewinnen fuhren, was schlechter ist
als 12Π(pm). Eine Preissenkung lohnt aber auch nicht, weil sie zu Gewinnen in Hohe
von 12Π(p) (falls p < pm) fuhren wurde (1
2Π(p) < 1
2Π(pm)). Der Monopolpreis ware also
ein “Gleichgewicht”.
In der Tat kann man mit dieser Art von Reaktionsvermutung jeden Preis zwischen c (=
Grenzkosten = Bertrandpreis!) und pm (= Monopolpreis) als Gleichgewicht stutzen:
Sei also p so, daß c ≤ p ≤ pm. Die Firmen vermuten nun (i, j ∈ {1, 2}):
falls pi > p =⇒ pj = p ,
falls pi ≤ p =⇒ pj = pi ;
d.h. Reaktionsfunktionen haben folgende Form:
�
�pip
p
pj
Diese Art von Reaktionsverhalten laßt die Firmen nun folgende Residualnachfragen
erwarten: (z.B. i)
falls pi > p Restnachfrage : 0,
falls pi ≤ p Restnachfrage :1
2D(pi);
d.h. graphisch sieht die firmenspezifische Nachfrage von (i) wie folgt aus:
Industrieokonomik 60
�
�xi1
2D(p)
p
pi
Beide Firmen losen also folgendes Problem (i resp. j):
maxpi
(pi − c) · D(pi)
2unter der NB pi ≤ p .
Die Gewinne sind bei pi = p gerade am hochsten! p ist also ein Gleichgewicht. Da p
beliebig zwischen c und pm gewahlt war, haben wir nun sogar unendlich viele Gleich-
gewichte! Auf welches p sollten sich die beiden Firmen also wie “einigen”? Es spricht
einiges fur die Chamberlin’sche Vermutung, daß sie sich auf den hochstmoglichen Preis
pm einigen werden. 1
Diese Modellierung kann man nun in mancherlei Hinsicht kritisieren. Vor allem weil
sie ein dynamisches Problem und Argument (uber Erwartungen) in ein statisches Mo-
dell zu pressen versucht, in dem wiederum nur einmal Interaktion stattfindet. Dies ist
jedoch eine lang geubte Praxis, da eine dynamische Theorie wiederholten interakti-
ven Entscheidungsverhaltens lange nicht zur Verfugung stand. Dennoch, im Lichte der
bisher betrachteten statischen Gleichgewichte von Cournot- und Bertrand-Duopolen,
sind die Annahmen hinsichtlich der Erwartungsbildung (z.B. nicht zu reagieren bei
Preiserhohung) doch sehr willkurlich, so daß man kaum von einem “Gleichgewicht”
sprechen kann, da die Erwartungen nicht auf ‘optimalen Reaktionen’ beruhen. Em-
pirisch konnte die Theorie einer ‘geknickten’ Nachfrage nicht bestatigt werden. Eine
erste (nur auf Interviews mit 38(!) Geschaftsleuten aufbauende) Untersuchung von Hall
und Hich [1939] schien zwar Anhaltspunkte fur eine Bestatigung zu geben, nachfolgen-
de erste empirische Arbeiten (beginnend mit Stigler [1947]) zeigen jedoch klar, daß
1Ubung: Zeigen Sie, daß auch fur p > pm als Gleichgewicht pi = pj = pm folgt!
Industrieokonomik 61
Preisbewegungen in oligopolistischen Industrien nach oben genauso haufig zu beobach-
ten sind wie nach unten, so daß sich kein Anhaltspunkt fur asymmetrische (rationale)
Erwartungen hinsichtlich der Reaktion von Konkurrenten ergeben. Spatere Untersu-
chungen in einzelnen Markten (z.B. Bomball [1974] fur Elektrizitatswerke in großen
US-Stadten) zeigten sogar eher Gegenteiliges; d.h. Preiserhohungen wurden eher mit-
gemacht als Preissenkungen. Die nachfolgende Theorie wiederholter Spiele wird fur
diese Beobachtungen eine bessere Erklarung liefern konnen.
5.2 Wiederholter Preiswettbewerb
Betrachtet sei nun weiterhin eine Duopolsituation, in der zwei Firmen perfekte Substi-
tute unter denselben Grenzkosten c produzieren. Doch nun betrachten wir wiederholte
Interaktion zwischen den Firmen; d.h. das Preisspiel wird uber T Perioden jeweils ein-
mal pro Periode gespielt. Ein solches Spiel heißt wiederholtes Spiel oder Superspiel. Wir
lassen dabei zu, daß T = ∞ wird.
Es bezeichne also Πi(pit, pjt) (i, j ∈ {1, 2}) den Periodengewinn in t fur Firma i, falls
Firma i in Periode t den Preis pit und ihr Konkurrent den Preis pjt setzt. Im Superspiel
wird dann jede Firma versuchen, den abdiskontierten Gegenwartswert ihrer gesamten
Periodengewinne zu maximieren; d.h. falls wir mit δ den (gemeinsamen) Diskontfaktor
bezeichnen, daß
Πi =T∑
t=0
δt · Πi(pit, pjt).
In jeder Periode werden die Preise simultan wie im klassischen Bertrand-Modell gewahlt.
Betrachten wir zunachst den Fall T < ∞; d.h. das Spiel wird nur endlich oft wieder-
holt. Sequentielles Optimierungsverhalten erzwingt dann folgende Logik fur das gleich-
gewichtige Preissetzungsverhalten beider Firmen:
Angenommen, das Spiel sei schon T-mal wiederholt worden, so daß wir nur noch eine
Wiederholung bleibt. Was sollten die Firmen in dieser letzten Wiederholung, die einem
restlichen verbleibenden Einmalspiel entspricht, tun?
Nun, sie werden - egal wie sie sich zuvor verhalten haben - nunmehr das Bertrand’sche
Gleichgewicht des statischen Spieles realisieren, d.h.
p1T = p2T = c
Industrieokonomik 62
und Nullgewinne machen. Was folgt nun aber fur ihr Verhalten in (T − 1)? Da ihr
Verhalten in T offensichtlich nicht von ihrem Verhalten in (T − 1) abhangt (bzw.
abhangen kann) und unweigerlich feststeht, ist die strategische Situation nun geradeso,
als ware T − 1 die letzte Periode; es muß
p1(T−1) = p2(T−1) = c
gespielt werden. Wiederholte Anwendung dieses Argumentes ergibt schließlich, daß
uber alle t bis zuruck zu Periode 0 gelten muß:
p1t = p2t = c.
Die eindeutige Gleichgewichtslosung des (endlichen) wiederholten Spieles besteht also
aus fortgesetztem Spiel des Bertrand-Gleichgewichtes des statischen Spieles! Die ein-
gefuhrte Dynamik andert also nicht viel. Dies ist jedoch ein vorschneller Schluß, da
sich fur T = ∞ ein ganzlich anderes Bild ergibt:
Naturlich ist die unendliche Wiederholung des Bertrand- Gleichgewichtes weiterhin ein
Gleichgewicht (das zu Nullgewinnen im Superspiel fuhrt). Nun gibt es jedoch auch
Gleichgewichte, die zu Gewinnen in positiver Hohe im Superspiel fuhren. Selbst das
Setzen des Monopolpreises pm, d.h. p1t = p2t = pm, durch beide Firmen kann nun
ein Gleichgewicht sein: Man betrachte folgende Preissetzungsstrategien fur die beiden
Firmen. Beide Firmen beginnen in Periode 0, indem sie den Monopolpreis verlangen.
In den weiteren Perioden behalten sie pm jeweils als ihre Preiswahl bei, sofern sich bis
dahin auch der Konkurrent jeweils so verhalten hat. Sollte dieser jedoch einmal einen
anderen Preis als pm wahlen, so wird man von da an nur noch den Grenzkostenpreis c
setzen; d.h.
pi0 = pm und fur t ≥ 1
pit =
⎧⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎩
pm falls (pi0, pj0; pi1, pj1; ...; pi(t−1), pj(t−1))
= (pm, pm; ...; pm, pm)
c sonst
und analog fur Firma j.
Eine solche Strategie heißt Ausloserstrategie (trigger strategy), da ein erstmaliges Fehl-
verhalten (hier: Abweichen vom Monopolpreis!) dauernde Bestrafung auslost (hier:
fortgesetztes Setzen des Wettbewerbpreises c). Wann sind diese Strategien Gleichge-
wichtsstrategien, die andauerndes Setzen des Monopolpreises beinhalten? Genau dann,
Industrieokonomik 63
wenn es nicht lohnt, vom Standpunkt einer Firma aus gesehen, jemals von pm abzuwei-
chen. Betrachten wir dazu Firma j, die weiß, daß Firma i der obigen Ausloserstrategie
folgt:
Spielt sie pm in Periode t, so erhalt sie den Periodengewinn Πm
2= Πt (Πm = Monopolge-
winn). Unterbietet sie den Preis pm des Konkurrenten jedoch, so erhalt sie den ganzen
Markt und kann daher bei nur leichtem Unterbieten fast den ganzen Monopolgewinn
Πm = Πt als Periodengewinn erzielen. Sie hat also auf kurze Sicht einen starken Anreiz
Firma i zu unterbieten und von pm abzuweichen. Diesem Anreiz wirkt die Konstruk-
tion der Ausloserstrategie nun gerade entgegen: dadurch, daß sie androht, nach einem
Abweichen nur noch außerst aggressiv zu sein und pit = c fur t > t zu setzen, zieht das
kurzsichtige Einheimsen von Gewinnen in Hohe von Πm in t fur j zukunftige Verluste
nach sich: von t + 1 an kann er nur noch mit Nullgewinnen per Periode rechnen. Er
hat also, wenn er sich uberlegt, zum ersten Mal abzuweichen, abzuwagen zwischen den
Gewinnen
Πm = Πm + δ · 0 + δ2 · 0 + 0 + · · ·+ 0 + · · ·und
Πm
2+ δ · Πm
2+ δ2 · Πm
2+ · · · =
Πm
2(1 + δ + δ2 + · · ·) =
Πm
2· 1
1 − δ
Es gilt dann
Πm
2· 1
1 − δ≥ Πm ⇐⇒ δ ≥ 1
2
d.h. wenn den Firmen zukunftige Gewinne wichtig genug sind, d.h. sie nicht zu stark
abdiskontieren (δ ≥ 12), dann lohnt sich ein Abweichen von pm nicht.
Das heißt die Firmen ‘kooperieren’ zunachst wie unter einer Absprache (namlich der,
pm zu setzen). Ein erstmaliges Brechen der ‘Kooperation’, fuhrt zu fortgesetzter Strafe
in Form einer Verweigerung weitere Kooperation des einmal Hintergangenen. Diese
hohe Strafe laßt es daher ratsam erscheinen, die stillschweigende Absprache (ebenso
stillschweigend) einzuhalten. Dies ist individuell rational und Ausdruck strikt nicht-
kooperativen Verhaltens unter Wettbewerbern! Man beachte, daß im Gleichgewicht
‘Bestrafung’ nicht auftritt.
Wiederum kann man leicht zeigen, daß das obige Argument auf alle Preise zwischen c
und pm (d.h. alle Gewinne zwischen 0 (bei p = c) und Πm (bei p = pm)) anwendbar
Industrieokonomik 64
ist: Sei p ∈ [c, pm] und folgende Ausloserstrategie betrachtet (fur Firma i, j):
pit =
⎧⎪⎪⎪⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎪⎪⎪⎩
p, falls t = 0
p, falls (pi0, pj0; ...; pi(t−1), pj(t−1))
= (p, p; ...; p, p)
c sonst
Befolgt man pit (resp. pjt), so ist der Gesamtgewinn gleich
Π(p)
2(1 + δ + δ2 + · · ·) =
Π(p)
2· 1
1 − δ
pro Firma.
Eine Abweichung von pit in Periode t0 ergibt fur i einen maximalen zusatzlichen Gewinn
in t0 von Π(p)2
(da leichtes Unterbieten von p ihr den ganzen Markt sichert), sie verliert
jedoch in der Folge (von to + 1 an)
Π(p)
2(δ + δ2 + · · ·) =
Π(p)
2· δ
1 − δ.
Dieser Verlust ist großer als der Gewinn, genau dann wenn
Π(p)
2· δ
1 − δ>
Π(p)
2⇐⇒ δ > 1 − δ ⇐⇒ δ >
1
2
Das heißt wiederum gilt fur δ > 12, daß fortgesetzte ‘stillschweigende’ Anwendung der
“Preisabsprache” p ein (teilspielperfektes) Gleichgewicht des wiederholten Spieles ist.
Das sog. Folk-Theorem der Theorie wiederholter Spiele liefert sogar folgende Aussage:
Jeder Gewinnvektor (Πi, Πj) mit Πi > 0 und Πj > 0 und Πi+Πj ≤ Πm kann
als Periodengewinn in einem Gleichgewicht erzielt werden, falls δ genugend
nahe an 1 liegt.
Industrieokonomik 65
Mogliche Periodengewinne im unendlich oft wiederholten Spiel (Friedman [1971]):
�
�
Πm
ΠjΠm
Πi
fr δ nahe 1
Der hier dargestellte Weg, einen ‘kollusiven’ Preis zu erzwingen, benutzt einen sehr
einfachen Bestrafungsmechanismus: bei Verweigerung von Wohlverhalten kehrt der
Bestrafende zum nicht-kooperativen Verhalten im Einmal-Spiel zuruck. Bei Bertrand’-
schem Wettbewerb in Preisen ist dies eine harte (und daher als Drohung ‘effektive’)
Strafe, denn im Bertrand’schem Preisgleichgewicht des Einmalspieles gilt Πi = Πj = 0.
Auch der Bestrafende wurde unter Bestrafung des anderen also leiden; dennoch ist es
sinnvoll diese Strafe anzudrohen (und im Zweifelsfalle anzuwenden), um zu erreichen,
daß sie nicht angewendet werden muß!
Folgerungen:
a) Stillschweigende Absprachen und Marktkonzentration
Schon Chamberlin wollte sein Argument auf “two or only a few” Wettbewerb einge-
schrankt wissen. Wir wollen hier die allgemeinere Logik hinter der richtigen Intuition
Chamberlins etwas ergrunden.
Betrachtet seien daher n Firmen (n > 2), die im Markt fur ein homogenes Gut mitein-
ander bei gleichen (konstanten) Grenzkosten konkurrieren. Konnen diese den Monopol-
preis pm als nicht-kooperatives Gleichgewicht in einem wiederholten Spiel erreichen?
Fortgesetztes Setzen von Πm wurde nun jeder Firma pro Periode den Gewinn Πm
nerbrin-
gen (ein Ausdruck, der mit steigendem n sinkt!), eine kurzfristige Abweichung einer
Firma, z.B. j, wurde ihr hingegen (bei nur geringfugigem Unterbieten aller anderen
Industrieokonomik 66
Preise pi = pm, i �= j), den Gewinn in zusatzlicher Hohe von
(1 − 1
n) · Πm − ε = Πm − ε − 1
n· Πm .
erbringen.
Das heißt dem (einmaligen) Gewinn von
Πm − ε − 1
n· Πm
stehen (kumulierte) Verluste infolge der Bestrafung von
Πm
n(δ + δ2 + · · ·)
gegenuber. Daher lohnt Einhaltung der Preissetzung nach pm genau dann, falls
Πm
n(δ + δ2 + · · ·) > Πm − ε − 1
n· Πm
⇐⇒ Πm
n(1 + δ + δ2 + · · ·) > Πm − ε
⇐⇒ 1
1 − δ> n ·
(1 − ε
Πm
)
⇐⇒ 1
n> (1 − δ)
(1 − ε
Πm
)
=(1 − ε
Πm
)− δ
(1 − ε
Πm
)
= 1 − δ
<≈> δ > 1 − 1
n
Fur n = 2 ergibt sich gerade unser fruheres Ergebnis δ > 12. Diese Formel bestatigt
also die Intuition, daß mit zunehmender Firmenzahl Kollusion immer schwieriger wird.
Ist z.B. δ = 0.6, so ware der Monopolpreis pm als Preisgleichgewicht bei Wettbewerb
zwischen nur 2 Firmen moglich, da 0.6 > 12. Bei 3 Firmen jedoch schon nicht mehr, da
(nach obiger Formel) 0.6 < 1− 13
= 0.66. Gute, Kollusionsgleichgewichte verhindernde
Politik ware also beispielsweise, Marktzutritt zu begunstigen und unter Aufwendung
moglichst niedriger Kosten zu ermoglichen.
Industrieokonomik 67
b) Eingeschrankte (verzogerte) Beobachtbarkeit von Preisen
Die bisherige Analyse ging von idealen Informationsbedingungen aus: alle Preisent-
scheidungen waren ex post unmittelbar (d.h. am Ende der jeweiligen Periode) beobacht-
bar. Sehr oft konnen Firmen die Preise ihrer Konkurrenten nur mit Verzogerung oder
manchmal auch gar nicht beobachten. Welche Auswirkungen hat dies fur die Moglich-
keit, Gleichgewichte mit ‘stillschweigenden Absprachen’ zu realisieren? Sicherlich wird
man sagen konnen, daß der Anreiz, von abspracheartigem Verhalten abzuweichen, nun
großer wird: die Abweichung wird erst spater entdeckt und somit kann auch erst spater
bestraft werden. Diese Intuition wird von folgendem einfachen Beispiel bestatigt:
Wir nehmen nun an, daß die beiden bisher betrachteten Firmen Preise erst zwei Peri-
oden (und nicht schon eine) spater beobachten konnen. Dasselbe mussen wir dann auch
fur ihre (genauen) Gewinne resp. die Nachfragefunktion annehmen (sonst konnte aus
der Beobachtung der Nachfrage und dem eigenen Preis auf den Preis des Konkurrenten
geschlossen werden).
Da nun eine Abweichung erst nach 2 Perioden entdeckt wird, erzielt sie einen Gewinn
von
Πm + δ · Πm = (1 + δ) · Πm
(und nicht nur Πm wie zuvor!). Die dann einsetzende Bestrafung fuhrt zum Verlust
aller weiteren Gewinne. Ohne Abweichung wurden diese
Πm
2(1 + δ + δ2 + ...) =
1
1 − δ· Πm
2
betragen. Also lohnt die Abweichung, falls
Πm(1 + δ) ≥ 1
2(1 − δ)· Πm
bzw. (1 + δ)(1 − δ) ≥ 1
2
d.h. 1 − δ2 ≥ 1
2
bzw. δ ≤ 1√2
Anders gesagt: ‘Kollusion’ ist nur moglich, falls δ > 1√2≈ 0.707. Zur Erinnerung: bei
sofortiger Beobachtbarkeit genugte δ > 0.5. Kollusion wird also durch Beobachtungs-
bzw. Informationsprobleme erschwert. Wettbewerbspolitisch sind solche Hemmnisse
also erwunscht! Daher sind Firmenverhalten und -versprechungen, welche auf eine ver-
besserte Informationslage der Firmen hinsichtlich des Verhaltens ihrer Konkurrenten
Industrieokonomik 68
zielen, als wettbewerbspolitisch bedenklich einzustufen. Dies fuhrt zu folgendem Dilem-
ma, das wiederum als Ausdruck des topsy-turvy-Prinzips interpretiert werden kann:
Einerseits ist Informationsaustausch unter den Firmen (erhohte Markttransparenz)
erwunscht, da dann Wettbewerb unter informierten Konkurrenten zu den fur die Gesell-
schaft besten Ergebnissen fuhrt. Gleichzeitig vergroßert Informationsaustausch jedoch
die Moglichkeiten zu ‘stillschweigenden Absprachen’ und fuhrt daher moglicherweise
gerade nicht zu besseren Wettbewerbsergebnissen, da dieser nicht oder nur in begrenz-
tem Umfange stattfindet (bzw. besser: anders funktioniert).
Hier ist besonders wichtig, noch einmal zu betonen, daß es sich bei einer ‘stillschweigen-
den Absprache’ um ein Gleichgewichtsergebnis eines nichtkooperativen Spieles handelt;
d.h. die Bezeichnung ‘tacit collusion’ oder ‘stillschweigende Absprache’ ist eigentlich
irrefuhrend, weil sie sich auf einen Vergleich mit dem Gleichgewicht des (irrelevan-
ten!) Einmal-Spieles bezieht. Der Schluß, daß irgendeine Form von ‘Absprache’ oder
zumindest kooperativem Verhalten vorliegt, wenn nicht das nicht-kooperative Gleichge-
wicht des Grundspieles (Einmal-Spiel) beobachtet wird, ware nur gerechtfertigt, wenn
tatsachlich nur einmal gespielt wurde. Oligopolisten interagieren aber oft und wieder-
holt miteinander und daher ist das wiederholte Spiel relevant (genauer: sobald die
Firmen nicht genau wissen wie oft das Spiel wiederholt wird, - und davon ist in der
Realitat immer auszugehen -, dann ist (formal) das unendlich oft wiederholte Spiel das
“richtige” Modell). In diesem Superspiel ist die Gleichgewichtsbeobachtung ‘stillschwei-
gende Absprache’ weder auf eine ‘Absprache’ noch auf Kooperation zuruckzufuhren,
sondern strikt Auswirkung nicht-kooperativen (und in diesem Sinne kompetitiven) Ver-
haltens.
Diese Klarstellung ist von großer Bedeutung fur Wettbewerbs- und insbesondere Anti-
trust-Politik, die erst langsam auch Eingang in die aktuelle Wettbewerbspolitik findet.
Denn vor der Entwicklung der Theorie der dynamischen Spiele (insbesondere der Theo-
rie wiederholter Spiele) galt die Beobachtung ‘stillschweigender Absprachen’ - ahnlichen
Verhaltens prima facie als Beleg fur illegale (wortliche, schriftliche etc.) Absprachen,
da sie anders nicht zu ‘erklaren’ waren bzw. waren. So forderte z.B. Mestmacker, ein
einflußreicher Vertreter der deutschen Antitrust-‘Schule’, daß alle Formen des Infor-
mationsaustausches zwischen Oligopolisten fur illegal erklart werden sollten (bis hin
zur Erstellung von Statistiken durch Industrieverbande, die nur der Kontrolle von Ab-
sprachen dienlich waren, um den Wettbewerb zu beschranken). Eine solch radikale
Forderung scheint aber wenig Berechtigung vor dem Hintergrund der neuen Einsich-
Industrieokonomik 69
ten, die die Theorie wiederholten Wettbewerbsverhaltens liefert, zu haben und ware
in ihrer gesamten Auswirkung wohl eher schadlich fur das Wettbewerbsergebnis (ganz
zu schweigen von den Okonomen, die dann keine “Daten” mehr hatten). ‘Richtige’
Wettbewerbspolitik muß auf ‘richtigem’ theoretischen Verstandnis von Wettbewerb
beruhen und ganz offensichtlich scheint dynamischer Wettbewerb (theoretisch) ande-
ren Gesetzen zu unterliegen als statischer Wettbewerb. Wurden wir beispielsweise (was
so abwegig nicht ist) nicht-kooperatives Verhalten der Firmen mit wettbewerblichem
Verhalten gleichsetzen, so wurde die ‘alte Schule’ als Nichtwettbewerb einstufen und
bekampfen wollen, was in der Tat Wettbewerb ist!
Vielleicht ist es hilfreich, an dieser Stelle ein Beispiel aus der jungeren Vergangenheit
zu betrachten: 2
Die EG-Kommission hat wiederholt Maßnahmen gegen Oligopolisten wegen ‘wettbe-
werbsbehindernden Informationsaustausches’ ergriffen und Bußgelder verhangt. Wie
wurde dies gerechtfertigt? So wurden z.B. im Dezember 1984 die Produzenten von
Papierpulpe (wood pulp), es handelte sich um 6 kanadische und 10 amerikanische An-
bieter, illegaler Preisabsprachen fur ihre Exporte in die EG fur uberfuhrt gehalten und
mit Bußgeldern zwischen 50000 und 500000 ECU belegt. Ihnen wurde Herbeifuhrung
‘kunstlicher Markttransparenz’ (in Mestmackers Sinne) vorgeworfen.
Folgende Tatbestande wurden ins Feld gefuhrt:
• im Zeitraum von 1975 - 1981 hatten sich die Preise dieser Unternehmen vollkom-
men parallel bewegt,
• Preisanderungen von Konkurrenten wurden innerhalb weniger Stunden (hochstens
Tage) nachvollzogen,
• Preisnotierungen wurden Kunden, Handelsagenturen, oder auch der Wirtschafts-
presse jeweils 2 - 3 Wochen vor Beginn eines neuen Quartals, fur das sie dann
gultig waren, mitgeteilt,
• Preise lauten immer in Dollar und nicht in den ortlichen europaischen Wahrun-
gen,
• die meisten Transaktionen wurden tatsachlich zu den vorher angekundigten Prei-
sen durchgefuhrt (es gab also in den seltensten Fallen ‘echte’ Rabatte).
2Siehe Phlips, S. 183-192.
Industrieokonomik 70
Einige der verhangten Bußgelder wurden reduziert, nachdem z.B. die skandinavischen
Anbieter sich damit einverstanden erklarten, der “kunstlichen Markttransparenz” da-
durch abzuhelfen, daß sie keine Dollarpreise mehr, sondern Preise in heimischen Wahrun-
gen verlangen wurden, keine Quartalspreise mehr ankundigen wurden und auch kei-
ne Information uber Preise mehr freiwillig zuganglich machen wurden (nach Phlips,
[1989]).
Es fallt auf, daß die Begrundung nicht etwa an Kostenschatzungen und Preisvergleichen
derart festmacht, daß die verlangten Preise offensichtlich weit uber den Grenzkosten
liegen und daher aufgrund obiger Beobachtungen auf fehlenden Wettbewerb schließen
lassen. Schon allein oben gemachte Beobachtungen scheinen daher unvereinbar mit
dem Konzept ‘normalen Wettbewerbs’, den die EG-Kommission verwendet. ‘Normaler
Wettbewerb’ nach EG-Vorstellung muß gekennzeichnet sein, durch
• die Freiheit jedes Wettbewerbers, seinen Preis unabhangig zu verandern,
• die Moglichkeit eines jeden Wettbewerbers, auf Listenpreise (heimliche) Rabatte
zu geben,
• unvollstandige Informiertheit der Wettbewerber untereinander (da vollstandige
Informationen nicht nur eine notwendige, sondern auch hinreichende Bedingung
fur Kollusion ist, da Oligopolisten immer kolludieren wollen).
Folglich sind einseitiger oder
• gegenseitiger Informationsaustausch und einseitiger oder
• gegenseitige Information uber zukunftige Preise
per se schon Indizien fur Kollusion.
Aber ist dies stichhaltig?
Von grundlegender Bedeutung ist zunachst die Frage nach der Meßlatte fur den herr-
schenden Wettbewerbsgrad. Soll eine oligopolistische Marktstruktur am Ergebnis, das
hypothetischer vollkommener Wettbewerb ergabe, gemessen und bewertet werden?
Oder sollte die theoretische Wettbewerbspolitik nicht eher von der nun einmal vorlie-
genden vom vollkommenen Wettbewerbsideal abweichenden Marktstruktur ausgehen,
und die Funktionsweise des Marktes unter oligopolistischer Struktur bestmoglich gestal-
ten? Letzteres wurde heißen, daß zu akzeptieren ware, daß in einem Nash-Gleichgewicht
Industrieokonomik 71
(z.B. a la Cournot oder Bertrand-Edgeworth) keine Ubereinstimmung von Preisen und
(Grenz-)kosten vorliegen muß; die Firmen machen - in der Sprache des vollkommenen
Wettbewerbs-Promoters - “supernormale Gewinne”. Dies ist wie unsere theoretischen
Betrachtungen lehren unumganglich, da z.B. bei Cournot - oder (davon ist in der Rea-
litat immer auszugehen) kapazitatsbeschranktem Bertrand-Wettbewerb Grenzkosten-
preise kein Gleichgewicht sind und daher keine stabile Wettbewerbssituation zwischen
Konkurrenten darstellen konnen. Das ‘bestmogliche’ Nash-Gleichgewicht eines solchen
Marktes fur den Wettbewerbspolitiker stellt daher moglicherweise das ‘tacit-collusion’-
freie Gleichgewicht des Einmalspieles dar, das nur wiederholt (als Gleichgewicht im
Superspiel) gespielt werden mußte. Die Rolle von Wettbewerbspolitik wurde sich dann
darauf zu konzentrieren haben, nicht-kooperative Gleichgewichte mit ‘stillschweigenden
Absprache’-Eigenschaften von solchen ohne oder zumindest nur wenigen zu unterschei-
den, und letztere zu implementieren.
Mit diesem (nicht unumstrittenen bzw. zum großen Teil von Praktikern noch igno-
rierten) theoretischen Hintergrund sind die Entscheidungsgrunde der EG im obigen
Beispiel hochst fragwurdig. Denn - grob gesprochen - die inkriminierten ‘Tatbestande’
waren mit ‘normalen Wettbewerb’ so unvereinbar nicht, wenn wir normalen Wettbe-
werb als die wettbewerbliche Situation interpretieren, die sich in einem ‘kollusionsfreien’
(Nash- ) Gleichgewicht ergabe:
• In einem nicht-kooperativem Gleichgewicht hat jeder Wettbewerber uneingeschran-
kt die Moglichkeit, seinen Preis unabhangig von anderen zu andern. Doch die im
Gleichgewicht vorliegende (stabile) Wettbewerbssituation berucksichtigt (ratio-
nalerweise) gerade die Interdependenz der Wettbewerber untereinander, was im
Gleichgewicht gerade dazu fuhrt, daß kein Wettbewerber mehr einen Anreiz hat,
seinen Preis unabhangig von anderen zu verandern.
• In einem kollusionsfreien Gleichgewicht gibt es (im Unterschied zu ‘tacit-collusion’
Gleichgewichten!) keinen Raum fur ‘heimliche Rabatte’ !
• Simultane oder annahernd simultane Anderungen von Preisen konnten einfach
den Ubergang von einem kollusionsfreien Gleichgewicht (nach einer Parame-
teranderung) zu einem anderen kollusionsfreien Gleichgewicht beschreiben.
• In einem nicht-kooperativen kollusionsfreien Gleichgewicht hat zwar jeder Wett-
bewerber einen Anreiz, Information uber Nachfrage und Konkurrenz zu erwerben,
nicht aber, sie mit den Konkurrenten zu teilen.
Industrieokonomik 72
Man muß also zumindest mit vorschnellen Urteilen vorsichtig sein. Zwar spricht in
obigen Falle der Aspekt des Informationsaustausches fur das Vorliegen eines ‘nicht kol-
lusionsfreien’ Gleichgewichtes; doch ist dies auch weitgehend Interpretation seitens der
EG-Behorden, daß Preisgabe von Information (z.B. an Kunden) eigentlich an die Kon-
kurrenten adressiert sei. Die Indizienlage ist also keineswegs uberwaltigend. Dies kann
naturlich auch nicht fur den Fall gesagt werden, in dem (was wahrscheinlicher scheint)
‘normaler Wettbewerb’ sich am Ergebnis und Preis, den hypothetisch vollkommener
Wettbewerb hervorbringen wurde, orientiert. Da dieser Preis in der oligopolistischen
Marktstruktur kein nicht-kooperatives Gleichgewicht sein muß (bzw. bei Cournot- und
Bertrand-Edgeworth-Wettbewerb sein kann), mussen die Firmen aufgrund unabhangi-
ger Entscheidungen davon zu hoheren Preisen abweichen. Eine (regelmaßig wiederkeh-
rende!) Bußgeldstrafe hatte daher nur den Effekt, ‘normale’ Gewinne aus einer oligo-
polistischen Wettbewerbslage, die aber als ‘supernormal’ erscheinen, wenn der - nicht
vorliegende - vollkommene Wettbewerbsfall als nicht erreichbares Ideal bemuht wird,
sozusagen von Zeit zu Zeit etwas “abzuschopfen”. Es darf bezweifelt werden, daß dies
der Sinn solider Wettbewerbspolitik sein kann.
Nach einem langwierigen rechtlichen Verfahren, in dem auch (industrie)okonomische
Gutachten von Bedeutung waren, hat der Europaische Gerichtshof 1993 der Wider-
spruchsklage der zu Bußgeldzahlungen verurteilten Unternehmen stattgeben und sie
“aus Mangel an Beweisen” (Urteilsbegrundung!) vom Vorwurf wettbewerbsbehindern-
den Verhaltens freigesprochen.
Das grundsatzliche Problem - in diesem Falle der EU-Wettbewerbsbehorde - der Iden-
tifizierung eines ‘tacit collusion’-Gleichgewichtes muß so stichhaltig gelost werden, daß
die Gegenbehauptung betroffener Firmen, es handele sich um ein kollusionsfreies Gleich-
gewicht des Grundspiels, entkraftet oder widerlegt werden kann. Bei nicht vollkomme-
ner Informationslage kann dies ein schwieriges, ja moglicherweise unmogliches Unter-
fangen, sein:
Stellen wir uns z.B. 3 (symmetrische) Firmen in einem Cournot-Gleichgewicht vor. Die
Marktnachfrage sei durch
p(x) = a − b · x = 14 − 2 · x
gegeben; die (gemeinsame) Kostenfunktion sei gegeben durch
c(x) = c · x = 10 · x .
Industrieokonomik 73
Dann gilt im Gleichgewicht
p∗ =a + 3 · c
4= 11 und x∗
i =a − c
4 · b =1
2
Beobachtet wird also der GG-Preis p∗ = 11 .
Das extremste Kollusionsgleichgewicht wurde den Monopolpreis stutzen, sodaß die 3
Firmen im Endeffekt gemeinsame Gewinnmaximierung betreiben! Dieser lautet bei der
gegebenen Nachfragefunktion
pm =a + c
2= 12 .
Nehmen wir nun an, der Preis p = 12 wurde tatsachlich als Marktpreis (von der Wett-
bewerbsbehorde) beobachtet. Kann sie daraus auf Vorliegen von Kollusion schließen,
wenn sie die Nachfragefunktion nicht (hinreichend genau) kennt?
Sei also das Absolutglied a nicht beobachtbar. Die Behauptung der Firmen, daß p = 12
ein Cournot-GG-Preis (ohne Kollusion) ist, kann dann nicht widerlegt werden:
p∗ =a + 3 · c
4= 12 = p wird von a = 18 erfullt !
D.h. der Monopolpreis zur Nachfragefunktion p(x) = 14− 2 ·x stimmt mit dem Cour-
notpreis fur p = 18 − 2 · x uberein!
Die Firmen werden sich daher mit dem Einwand, das “wahre” a sei a = 18 gegen den
Kollusionsvorwurf wehren konnen.
Da Nachfragen eh saisonal schwanken konnen und daher nie genau “ermittelt” werden
konnen, verspricht diese Verteidigungsstrategie Erfolg (siehe dazu ausfuhrlich Phlips
(1995)).
Allgemein kann man sagen, daß das Problem von der Definition ‘normalen’ Wettbe-
werbes als statisches Gleichgewicht eines nicht-kooperativen Spieles herruhrt. Diese
verlangt eine Gleichgewichtsauswahl zu treffen, da dieses (zulassige) statische Gleich-
gewicht nur eines von vielen Gleichgewichten des dynamischen (z.B. wiederholten)
Wettbewerbsspieles darstellt. Diese Auswahl setzt genaue Kenntnis des Spieles voraus,
welche in der Praxis selten vorliegt. Es muß daher vor Gericht uber die ’Plausibilitat’
der beiden Behauptungen:
Industrieokonomik 74
i) “Dies ist ein Kollusionsgleichgewicht” (Wettbewerbsbehorde)
genauer: “in Spiel I mit a = 14” und
ii) “Dies ist ein (kollusionsfreies) Nash-Gleichgewicht” (Firmen)
genauer: “in Spiel II mit a = 18”
gestritten werden.
Kapitel 6
Strategisches
Wettbewerbsverhalten
6.1 Strategisches Verhalten
Thomas Schelling definierte in seinem einflußreichen Buch “The strategy of conflict”
[1960] eine Handlung oder - im Spieltheorie-Jargon: einen Zug - als strategisch, wenn
“dieser die Wahl der anderen (Spieler) in einer fur einen selbst vorteilhaften Weise
beeinflußt, indem er die Erwartungen der anderen in bezug auf die eigenen Verhal-
tensweisen modifiziert”. In Situationen vollkommener Information kann man dennoch
strategisch nur dann handeln, wenn man auf glaubwurdiger Weise Erwartungen der
Konkurrenten verandern kann. Dies kann man in aller Regel, indem man bindende
bzw. unwiderruflich verpflichtende Entscheidungen oder Handlungen trifft, die fur den
Gegenuber als solche erkennbar sind. Bei unvollkommener Information muß man zu-
mindest in der Lage sein, einen glaubwurdigen Eindruck solcher Verpflichtung zu ver-
mitteln oder ‘signalisieren’ zu konnen. Sehr oft geschieht dies dadurch, daß man eine
Festlegung derart trifft, daß der eigene Handlungsspielraum freiwillig und unwiderruf-
lich eingeengt wird, um dem Gegner von vornherein die Moglichkeit zu nehmen, auf
allzu ubles (oder allzu friedliches) erwartetes Verhalten unsererseits zu reagieren. (Wer
kennt den Western-Helden nicht, der beim entscheidenden Aufeinandertreffen mit sei-
nem Erzrivalen mit coolem Blick auf diesen zuschreitet wahrend (oder nachdem) er
den Revolvergurtel ablegt?!)
Im okonomischen Kontext nehmen solche irreversiblen Entscheidungen, die den eige-
75
Industrieokonomik 76
nen zukunftigen Handlungsspielraum einengen, in der Regel die Form von Investitionen
im weitesten Sinne an (bzw. das Eingehen langfristiger Kontrakte); die Kosten solcher
Festlegungen werden denn auch als ‘sunk cost’ bezeichnet. Strategische Zuge bzw. ‘sunk
cost’ sind per definitionem nicht-statische bzw. Mehrperioden-Phanomene. Es geht um
eine Handlung, die eine spater erfolgende Reaktion darauf oder auf andere spater er-
folgende Zuge beeinflussen soll. Also ist zur Analyse solchen Verhaltens zumindest ein
Zwei-Perioden-Modell erforderlich. Anhand eines solchen Minimalmodelles wollen wir
denn auch strategische Verhaltensweisen analysieren. In unserem Konzept von Markt-
struktur - Marktverhalten - Marktergebnis bedeutet dies dann, daß Marktverhalten
nicht nur auf unmittelbares Marktergebnis zielt, sondern auch auf Beeinflussung der
Marktstruktur in der nachsten Periode. Ganz deutlich wird dies an Verhaltensweisen, die
weiteren Marktzutritt moglichst zu verhindern trachten. D.h. Firmen legen gegenwarti-
ge Verhaltensweisen an den Tag, die ihnen Kosten (z.B. in Form entgangener Gewinne)
verursachen, nur um zukunftig nicht mehr Konkurrenten zu haben, was den gegenwarti-
gen Gewinnentgang kompensiert und rechtfertigt. Ein Unternehmen, das sich auf sol-
cherlei Geschaftspolitik einlaßt, muß dies naturlich auf glaubwurdige Weise tun, sonst
wird es keinen potentiellen Neukonkurrenten abschrecken konnen; und zweitens muß die
Rentabilitat der Maßnahme gewahrleistet sein. Es ist sinnlos, Marktzutritt eines Kon-
kurrenten unter Aufwand von Kosten in Hohe von 1.000.000 DM abzuwenden, wenn
der Gewinnentgang durch den Marktzutritt allenfalls 600.000 DM betragen konnte.
Das Konzept einer Marktzutrittsschranke ist nicht leicht faßbar. Bain [1956], der sich
als erster mit dieser Thematik beschaftigte, definierte alles als ‘Marktzutrittsschran-
ke’ (barrier to entry), das den etablierten Firmen supernormale Gewinne ermoglicht
(ohne von konkurrierendem Marktzutritt bedroht zu sein). Er fuhrte auch eine (theore-
tisch zunachst noch nicht analysierte) Klassifizierung von Abwehrverhalten gegenuber
potentiellem Marktzutritt ein. Er unterschied die Falle
1. Blockierter Zutritt (blockaded entry)
Die etablierten Firmen verhalten sich, als ob keine potentiellen Konkurrenten
bestunden. Trotzdem ist es fur potentielle Zutreter nicht attraktiv, d.h. lohnend,
zuzutreten.
Hier lagen also ‘objektive’ Zutrittsschranken (wie z.B. im sog. ‘naturlichen Mo-
nopol’) vor, das Verhalten der etablierten Firmen ist in keiner Weise strategisch.
Industrieokonomik 77
2. Abgewehrter Zutritt (deterred entry)
Bei unverandertem (oder ignorantem) Verhalten der etablierten Firmen wurde
Marktzutritt erfolgen. Die etablierten Firmen andern ihr Verhalten jedoch gezielt,
um Marktzutritt unattraktiv zu machen.
Hier liegt eindeutig strategisches Verhalten vor und dieses verhindert Marktzu-
tritt.
3. Zugelassener Zutritt (accommodated entry)
Wiederum wurde bei ignorantem Verhalten Marktzutritt erfolgen. Nun lohnt es
fur die etablierten Firmen jedoch nicht, ihr Verhalten so zu andern, daß Markt-
zutritt unterbleibt. Dennoch verandern sie ihr Verhalten in der Weise, daß ihre
Position nach Eintritt noch moglichst gut ist.
Auch hier liegt strategisches Verhalten vor, doch es verhindert den Marktzutritt
nicht (dies ware zu teuer). Es behindert allerdings die Wettbewerbsfahigkeit des
Marktzutreters.
Wovon der Eintritt dieser Falle abhangt und in welchem spieltheoretisch einfachem
Entscheidungsrahmen alle diskutiert werden konnen, soll nun anhand einer einzelnen
etablierten Firma (Monopolist) und eines einzelnen potentiellen Marktzutreters sche-
matisch demonstriert werden.
Annahme: Πm > Πn > 0 > Πa, c > 0 sunk costs = Kosten der Festlegung.
• Aggression ist lohnend (bei Eintritt), falls Πn − c < Πa.
• Strategisches Verhalten ist lohnend, falls Πm − c > Πn.
• Erforderlich: c mit Πm − Πn > c > Πn − Πa.
Industrieokonomik 78
Monopolist
Monopolist
Marktzutreter Marktzutreter
Monopolist
nicht strategisch strategisch
EintrittEintritt kein Eintritt
aggr. nicht aggr. nicht aggr. aggr.
(Πm
0
) (Πm − c
0
)
(Πa
Πa
) (Πn
Πn
) (Πn − c
Πn
) (Πa
Πa
)
Ein Monopolist, der sich einem potentiellen Marktzutreter gegenuber sieht, wagt ab
zwischen strategischem und nicht-strategischem Verhalten. Ersteres besteht im Einge-
hen eines commitments, das mit Kosten in Hohe von c verbunden ist, die unwiderruflich
angefallen sind unabhangig vom spateren Verhalten des Zutreters. Absichtlich wahlt der
Monopolist die Maßnahme so, daß ihm jetzt Kosten entstehen, die ihm auch spater ent-
stehen wurden, wenn er auf Eintritt aggressiv reagieren wurde. Daher verringern sich im
Teilbaum nach der Entscheidung, sich strategisch zu verhalten, alle Auszahlungen des
Monopolisten um c (außer der, die die Auszahlung nach aggressivem Verhalten angibt).
Ein typisches Beispiel fur eine solche Festlegung c ware die Ausweitung der Kapazitat
durch den Monopolisten, bevor er weiß, ob der Zutreter zutritt oder nicht. Er signalisiert
damit, daß er nunmehr aggressiver auf Zutritt (durch Ausweitung seines Angebotes)
reagieren kann und dies nach Eintritt zu tun, sich moglicherweise fur ihn auch lohnt,
weil es dann nicht mehr sonderlich viel kostet, da ein Großteil der Kosten in Hohe
von c schon ‘sunk’ ist und insbesondere auch als Verringerung des Gewinnes Πn bei
nicht-aggressivem Verhalten anfallt, was seine einzige Verhaltensalternative ware. Der
Monopolist mochte auf diese Weise die Androhung aggressiven Verhaltens glaubwurdig,
weil fur ihn lohnend machen, falls Eintritt erfolgt ist. Ist Aggression glaubwurdig, wird
Industrieokonomik 79
der Zutreter naturlich nicht eintreten, da er dadurch Verluste erleiden wurde. Dem
Monopolisten verblieben dann Gewinne in Hohe des Monopolgewinnes abzuglich der
Kosten c, Πm−c. Diesen Ertrag muß der Monopolist nun mit dem Gewinn vergleichen,
den er erzielen wurde, wenn er Eintritt zuließe, ohne Kosten in Hohe von c erbracht
zu haben (naturlich wird der Monopolist c nie erbringen, wenn er damit Zutritt nicht
verhindern kann!). Dieses waren die Duopolgewinne Πn, die nach Zutritt bei nicht-
aggressivem Verhalten entstunden. Gilt sowohl Πn − c < Πa; d.h. Aggression nach
Zutritt ist lohnend (und daher wird der Monopolist sein Monopol verteidigen, indem
er Marktzutrittsabwehrkosten ex ante aufbringt), als auch Πm − c > Πn; d.h. die Mo-
nopolgewinne abzuglich der Zutrittsabwehrkosten c sind großer als die Duopolgewinne,
so wird der Monopolist die strategische Investition in c vornehmen. Er gibt damit (ra-
tionalerweise) einen Teil seiner Monopolgewinne auf, allerdings ohne daß Konsumenten
etwas davon hatten. Die Abwehrkosten in Hohe von c stellen wohlfahrtstheoretisch ge-
sehen eine Verschwendung dar (im o.g. Beispiel konnte dies etwa durch Nichtnutzen
der zusatzlich bereitgestellten Kapazitat geschehen).
6.2 Strategisches Verhalten und Marktzutritt
Wir geben nun eine detaillierte Darstellung obigen Arguments, indem wir auch das
Verhalten der Firmen im Outputmarkt berucksichtigen. Dies fuhrt auf folgendes
3-Stufen-Spiel:
Stufe I: Die etablierte Firma 1 wahlt einen Kapitaleinsatz K1 (Kapazitat).
Stufe II: Der potentielle Marktzutreter entscheidet, ob er eintritt oder nicht.
Eintrittskosten: c. Bei Eintritt wahlt er K2.
Stufe III: Die aktiven Firmen wahlen (simultan) Outputs (resp. Preise).
Beide Firmen haben Zugang zur selben Technologie bzw. Kostenfunktion:
C(q, K) = f(K) · q + rK mit f ′(K) < 0, wobei q = Output.
Analyse (per Ruckwartsinduktion):
Stufe III: Bei Eintritt (auf Stufe II) verlangt ein teilspielperfektes Gleichgewicht,
daß auf Stufe III ein Nash-Gleichgewicht im Mengenspiel bzgl. der Kapitalstocke
(K1, K2) realisiert wird.
Industrieokonomik 80
Seien die Gleichgewichts-Gewinne mit Π∗i (K1, K2) bezeichnet, i = 1, 2.
Stufe II: Eintrittsentscheidung des Marktzutreters:
Eintritt ⇐⇒ Π∗2(K1, φ(K1)) − c > 0
wobei φ(K1) = K2 das Problem
maxK2
Π2(K1, K2), mit K1 aus Stufe I gegeben, lost.
Marktzutritt findet statt, wenn der potentielle Marktzutreter — gegeben der
Kapitaleinsatz der etablierten Firma 1 — strikt positive Gewinne erzielen kann.
Stufe I: Wahl von K1 durch etablierte Firma:
Da auf Stufe III der Kapitaleinsatz K irreversibel gegeben ist, kalkuliert Firma 1
zu diesem Zeitpunkt nur noch mit dem Kostenterm f(K) · q. Deshalb impliziert
f ′(K) < 0, dass eine hohere Wahl von K1 zu einer hoheren Outputwahl nach
Eintritt fuhren wird, was die Gewinnmoglichkeiten von Firma 2 beschrankt.
Auf Stufe I vergleicht die etablierte Firma 1 ihren jeweils maximalen Gewinn
unter Verhinderung und unter Zulassung von Zutritt:
1. Sei K1 der gewinnmaximale Kapitalstock unter Verhinderung von Zutritt,
d.h.
K1 ∈ arg maxK1
Π∗1(K1, 0) u.d.N. Π∗
2(K1, φ(K1)) ≤ c,
und
2. sei K1 der gewinnmaximale Kapitalstock unter Zulassung von Zutritt, d.h.
K1 ∈ arg maxK1
Π∗1(K1, φ(K1)) u.d.N. Π∗
2(K1, φ(K1)) ≥ c.
Firma 1 wird K1 = K (unter Verhinderung von Zutritt) oder K1 = K1 (unter
Zulassung von Zutritt) wahlen, je nachdem ob
Π∗1(K1, 0)
>=<
Π∗1(K1, φ(K1)).
Industrieokonomik 81
Mogliche teilspielperfekte Gleichgewichtsergebnisse:
Bezeichne Km1 den Kapitaleinsatz, den Firma 1 als Monopolist wahlen wurde. Dann
konnen folgende Falle in einem teilspielperfekten Gleichgewicht auftreten:
kein Zutritt:
⎧⎪⎪⎪⎪⎪⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎪⎪⎪⎪⎪⎩
Π∗2(K
m1 , φ(Km
1 )) ≤ c
−→ ‘naturliche’ Schranke (blockaded entry)
Π∗2(K
m1 , φ(Km
1 )) > c und Π∗1(K1, 0) ≥ Π∗
1(K1, φ(K1))
−→ ‘strategische’ Schranke (deterred entry)
Zutritt:
⎧⎨⎩ Π∗
2(K1, φ(K1)) > c und Π∗1(K, 0) < Π∗
1(K1, φ(K1))
−→ (accommodated entry)
Firma 1 ist ‘dominant’ (i.S. von Stackelberg-Fuhrer)!
Zur Illustration sei nun folgendes Beispiel mit zwei Firmen betrachtet:
Es besteht eine etablierte Firma (Firma 1), die ihre Kapazitat (Kapitalstock) zuerst
wahlt. Es bestehen keine Marktzutrittskosten (c = 0), jedoch muß Firma 2 ihren Kapi-
talstock (Kapazitat) nach Firma 1 wahlen, d.h. sich optimal an diesen anpassen. Diese
Asymmetrie hat nun folgende Konsequenzen:
Wir konnen zunachst annehmen, daß auf Stufe III jeweils ein eindeutiges Preisgleich-
gewicht unter den gegebenen Kapazitatsrestriktionen existiert, so daß wir auf Stufe II
von den sog. reduzierten Gewinnfunktionen
Π∗1(K1, K2) resp. Π∗
2(K1, K2)
(welche - zur Erinnerung - verkurzend fur Πi(p∗1(K1, K2), p
∗2(K1, K2)) stehen) ausgehen
konnen. Wir brauchen also nur noch die Interaktion von Firma 1 und 2 auf den ersten
beiden Stufen zu analysieren.
Annahme: (Begrundung spater!)
Π1(K1, K2) = K1(1 − K1 − K2) ,
Π2(K1, K2) = K2(1 − K1 − K2) .
Wichtig fur das folgende sind nur folgende strukturelle Eigenschaften von Πi:
a)dΠi
dKj
< 0 :
Die Kapital- oder Kapazitatsakkumulation des Konkurrenten mindert die eigenen
Gewinne.
Industrieokonomik 82
b)d2Πi
dK2i
< 0 undd
dKj
(dΠi
dKi
)< 0.
Der Grenzgewinn nimmt mit steigenden (eigenen oder fremden) Kapitaleinsatzen
ab.
Bevor Firma 1 uber K1 entscheidet, muß sie Erwartungen uber das Verhalten von
Firma 2 bilden. Wie wird sich Firma 2 — gegeben ein K1 = K1 — verhalten?
Gewinnmaximierungsproblem fur Firma 2:
maxK2
Π2(K1, K2) bzw. maxK2
K2 · (1 − K1 − K2) .
Bedingung 1. Ordnung: 1 − K1 − 2K2 = 0 bzw. K2 =1 − K1
2;
↪→ optimale Reaktionskurve von Firma 2 (in Abhangigkeit von K1)!
d.h. K2 = K2(K1) =1 − K1
2.
Unternehmen 1 weiß also, welche (optimale) Konsequenz jede ihrer moglichen Entschei-
dungen K1 haben wird, namlich genau K2(K1).
Dies antizipierend lost Firma 1 folgendes Problem:
maxK1
Π1(K1, K2(K1)) bzw. maxK1
K1 ·(1 − K1 − 1 − K1
2
)
Bedingung 1. Ordnung: 1 − 2K1 − 1
2+ K1 = 0
=⇒ K∗1 =
1
2=⇒ K2(K
∗1 ) =
1
4
=⇒ Π∗1(
1
2,1
4) =
1
8und Π∗
2(1
2,1
4) =
1
16.
D.h. also trotz identischer Gewinnfunktionen (Symmetrie!) fallt Firma 1’s Gewinn dop-
pelt so hoch aus wie Firma 2’s Gewinn! Firma 1 hat den Vorteil, zuerst entscheiden
zu durfen und nutzt dies strategisch aus. Hier hatten wir es mit dem Fall von zuge-
lassenem Zutritt zu tun. Firma 1 laßt Firma 2 zwar zutreten, aber nur als ‘kleineren’
Mitbewerber um Gewinne. Der sog. Vorteil des Erstziehenden (‘First-mover’ advan-
tage) wird deutlich, wenn wir uns die (Nash-) Gleichgewichtslosung des simultanen
Spieles (Einstufenspiel) ansehen: Es gilt fur die beiden Reaktionsfunktionen:
K2 = K2(K1) =1 − K1
2, und K1 = K1(K2) =
1 − K2
2.
Industrieokonomik 83
Aufgrund der Symmetrie muß in einem Gleichgewicht gelten:
K1 = K1(K2) = K1(K2(K1))
bzw. K1 =1 − 1−K1
2
2⇐⇒ K∗
1 =1
3=⇒ K∗
2 =1
3
=⇒ Π∗1 = Π∗
2 =1
9.
�
�
K2
K1
R1
R2
1
10
14
13
12
12
13
............................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
........
.....
........
.....
........
.....
........
.....
........
.....
........
.................. ............. ............. ............. ............. .............
........
.....
........
.....
........
.....
........
.....
.................... ............. ............. ............. ............. ............. ............. ............. .............
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D.h. Unternehmen 1 steigert seinen Gewinn durch den Vorteil des Erstziehenden von19
auf 18, wahrend Firma 2 einen Gewinnruckgang von 1
9auf 1
16hinnehmen muß. Die
strategische Mehrinvestition von Firma 1 (K∗1 = 1
2statt K∗
1 = 13) mindert die Grenzge-
winne von Firma 2 von deren Investitionen, was diese zu einer niedrigeren Investition
veranlaßt (K2(K∗1 ) = 1
4anstatt K∗
2 = 13). Es ist wichtig zu sehen, daß der strategische
Vorteil von Firma 1 nicht (nur) darin besteht, zuerst ziehen zu durfen, sondern daß
dieser erste Zug eine irreversible Aktion zulaßt, auf die 1 (und damit auch Firma 2)
im folgenden unwiderruflich festgelegt ist: die Wahl von K∗1 = 1
2zwingt Firma 2 zu
optimaler Anpassung durch Wahl von K∗2 = 1
4. Ex post gesehen ist daher K∗
2 optimale
Antwort auf K∗1 , aber nicht K∗
1 auf K∗2 . Wenn wir uns die ‘Reaktionsfunktion’ von
Firma 1 auf Firma 2 analog zu K2(K1) betrachten wurden, so erhielten wir
K1(K2) =1 − K2
2;
d.h.
K1(1
4) =
1 − 14
2=
3
8<
1
2.
Industrieokonomik 84
Wenn Firma 1 ihr Verhalten, nachdem Firma 2 K∗2 = 1
4gewahlt hat, noch einmal
andern konnte, wurde sie das tun und statt K1 = 12
eine etwas geringere Kapazitat
K1 = 38
wahlen. Ware ihr das aber moglich, so wurde es Firma 2 voraussehen und
nun ihrerseits gar nicht erst die fur Firma 1 so gunstige kleine Kapazitat K∗2 = 1
4
wahlen! Die Entscheidung K∗1 = 1
2von Firma 1 wirkt nur deshalb in glaubwurdiger
Weise auf das Verhalten von Firma 2 disziplinierend ein, weil sie irreversibel ist und
letztlich die eigenen Handlungsmoglichkeiten fur Firma 1 unwiderruflich beschrankt.
Im eben analysierten Beispiel verhindert Firma 1 den Zutritt nicht, sondern wahlt
die strategische Position eines ‘Marktfuhrers’. Dies ist fur sie gewinnmaximierend. Sie
hatte an sich auch die Moglichkeit, Marktzutritt von Firma 2 unprofitabel zu machen:
Firma 2’s Reaktionsfunktion lautet K2(K1) = 1−K1
2; d.h. K2(K1) = 0 (kein Eintritt),
falls K1 ≥ 1. Eine so hohe Investition in Kapazitat druckt aber die Gewinne von Firma
1 auf Π1(K1, K2) = Π1(1, 0) = 1(1−1−0) = 0 und ist daher suboptimal. Es ist besser,
“ein bißchen” Marktzutritt in Form eines ‘kleinen’ Konkurrenten zuzulassen, der relativ
wenig Einfluß auf den Preis hat. In Gegenwart von Fixkosten (oder allgemein (lokal)
steigenden Skalenertragen) lohnt jedoch Zutritt fur einen ‘kleinen’ Konkurrenten nicht
und es eroffnet sich die Moglichkeit der strategischen Abwehr von Marktzutritt fur
Firma 1 (deterred entry):
Angenommen Marktzutritt verursache nun Kosten in Hohe von c > 0. Dann hat Firma
2 die Gewinnfunktion
Π2(K1, K2) = K2(1 − K1 − K2) − c,
falls K2 > 0 und Firma 1 kann sich gerade so verhalten, daß ihre Wahl von K1 = K1
zu maximalen Gewinnen von Π∗2(K1, K2) = 0 fuhrt.
Da
K2(K1) =1 − K1
2
folgt fur die Ermittlung von K1:
1 − K1
2
(1 − K1 −
(1 − K1
2
))− c = 0 bzw. K1 = 1 − 2
√c .
Die Wahl von K1 wurde also Marktzutritt gerade verhindern. Beachte, daß K1 = 1 fur
c = 0 (wie oben).
Industrieokonomik 85
Wenn Firma 1 K1 wie oben wahlt, erzielt sie Gewinne in Hohe von:
Π1(K1, 0) = (1 − 2√
c)(1 − (1 − 2√
c) − 0)
= 2√
c(1 − 2√
c)
= 2√
c − 4c.
Dieser Gewinn ist genau dann großer als Π∗1 = 1
8, der Stackelberg-Fuhrer-Gewinn, falls
2√
c − 4c >1
8⇐⇒ c ∈
(3 −√
8
32,3 +
√8
32
)≈ (0.005, 0.182)
Allerdings tritt Firma 2 nur noch mit K∗2 = 1
4als Reaktion auf K1 = 1
2bei, falls
c < 116
= 0.0625, da
K2 · (1 − K1 − K2) − c =1
4
(1 − 1
2− 1
4
)− c > 0 ⇐⇒ c <
1
16
d.h. Firma 1 wahlt K1 wie oben und damit deterred entry, falls c ∈ [0.005, 0.0625). Wir
wissen schon, daß fur c ∈ [0, 0.005] accommodated entry stattfindet. Trivialerweise folgt
fur c ≥ 116
= 0.0625; d.h.c ∈ [0.0625,∞), daß der Fall von blockaded entry eintritt, da
nunmehr Zutritt fur Firma 2 selbst bei Wahl des Monopoloutputs von Firma 1 unpro-
fitabel ist. Die Fixkosten wirken als exogene oder ‘naturliche’ Marktzutrittsschranke.
Welche Bestandteile unseres Modells sind letztlich fur das aufgezeigte Gleichgewichts-
ergebnis verantwortlich?
i) Zum einen ist sicherlich die zeitliche Struktur von großer Wichtigkeit. Seit Mars-
hall ist es gangige Praxis - und fur die meisten industriellen Prozesse auch si-
cherlich richtig - Entscheidungen uber den Kapitalstock einer Firma zeitlich von
Entscheidungen uber Outputniveaus zu trennen. Zum Zeitpunkt einer aktuellen
Produktionsentscheidung ist die zuvor getroffene Entscheidung uber den Kapi-
talstock irreversibel geworden: der Faktor Kapital wird als fix (bzw. kurzfristig
nicht veranderbar) betrachtet, wohingegen der Faktor Arbeit (kurzfristig) fur die
(ebenfalls kurzfristige) Outputwahl als variabel betrachtet wird. Genau daraus
erwachst das strategische Potential der Investitionsentscheidung, die zu einem
fixen Kapitalstock fuhrt: sie schafft irreversible Fakten, wenn die Entscheidungs-
stufe ‘im Markt’ hinsichtlich des Outputniveaus erreicht ist. Sind die Kapitalko-
sten namlich ‘sunk’, so spielen sie fur die Produktionsentscheidung keine Rolle
mehr (sie sind einfach schon angefallen, unabhangig davon, was spater noch ent-
schieden wird). Dies fuhrt zu einer fundamentalen Asymmetrie zwischen dem
Monopolisten und dem potentiellen Marktzutreter in obigem Beispiel.
Industrieokonomik 86
Die Eintrittsentscheidung des potentiellen Zutreters auf Stufe II hangt ab von den
Gesamtkosten (Kapital- und Eintrittskosten auf Stufe II und den Produktionsko-
sten auf Stufe III) der im Gleichgewicht auf Stufe III abzusetzenden Produktion.
Fur den Monopolisten zahlen aber von Stufe II an, (und erst hier tritt der Kon-
kurrent auf den Plan) aufgrund des ‘sunk’ Charakters der Kosten auf Stufe I nur
noch die variablen Kosten (Produktionskosten auf Stufe III). Und dies muß der
Zutreter in seinem Kalkul fur die Eintrittsentscheidung zugrundelegen, denn sie
findet auf Stufe II statt!
ii) Obiges Argument ist nur richtig, wenn die Kapitalaufwendungen des Monopoli-
sten auf Stufe I wirklich irreversibel sind; d.h. daß die eingesetzten Mittel keinerlei
Wert fur eine alternative Verwendung (oder jedenfalls nur einen sehr geringen)
mehr haben. Waren die gemachten Investitionen reversibel, so waren auf Stufe II
fur den Monopolisten genauso noch die Gesamtkosten fur die Entscheidung auf
Stufe III von Bedeutung wie fur den Zutreter und es gabe keinen strategischen
Vorteil! Um den Charakter irreversibler Investitionen anzunehmen, sollten Kapi-
talaufwendungen auf Stufe I also moglichst ‘firmen-spezifischen’ Charakter haben
(was zu einem geringen ‘Marktwert’ fur alternativen Gebrauch fuhrt). Hierunter
lassen sich nun vielerlei Ausgaben subsumieren:
Auf die Nachfrage gezielt:
Produkt-spezifische Werbung (−→ brand loyality, Markenartikel): z.B. Lacoste-
Hemden, Standortwahl (wenn Umzug hohe Kosten verursacht), z.B. japanische
Autoindustrie in den USA, Schulung von Mitarbeitern, Forschungs- und Entwick-
lungsausgaben, Produktdifferenzierung, falls diese auf die Durchsetzung eigener
Normen oder Systeme zielt (Kompatibilitat von Produkten und Anlagen).
Auf die Kostenstruktur gezielt:
Bildung von Reservekapazitaten, vertikale Integration, langfristige Vertrage.
Generell kann hier gelten: alles was die eigenen Kosten auf Stufe III senkt bzw.
die des potentiellen Zutreters erhoht, ist nutzlich.
iii) Mehrere Incumbents:
Entry-deterrence - ein offentliches Gut? Nein!
iv) Nutzt ein Monopolist die Kapazitat, die er aus Abwehrgrunden gewahlt hat,
nach erfolgreicher Verhinderung von Marktzutritt? In der Regel (abhangig von
Industrieokonomik 87
Nachfragefunktion) ja; d.h. Uberkapazitaten selten!
Theoretisch:
- Fur konkave Nachfragefunktionen: ja.
- Fur (sehr) konvexe Nachfragefunktionen: nein.
p
x
...............................................................................................................................................................................................................................................................................................
p
x
..........................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
v) Entstehung der ‘reduzierten’ Gewinnfunktionen:
Die auf Seite 81 angenommenen Gewinnfunktionen resultieren aus einer linearen
Nachfragefunktion p = a − x = a − (x1 + x2) auf Stufe III mit a = 1 + c (c =
konstante Grenzkosten der Bereitstellung der Kapazitat Ki)1.
Die oben angestellten Analysen, die Marktzutrittsschranken nicht nur als ‘naturlich’ ge-
geben, sondern auch als durch strategisches Verhalten gezielt herbeigefuhrt ausweisen,
belegen einmal mehr, daß es nicht sinnvoll ist, eine Marktstruktur als exogen gegebene
Große zu betrachten. Ja, es ist noch nicht einmal unproblematisch, die (technologi-
schen) “Grundbedingungen”, die formend auf die Marktstruktur wirken, als exogen
anzunehmen, da auch sie - uber die Wahl von Technologien und Kapazitaten- Gegen-
stand und Ergebnis strategischen Verhaltens sein konnen. Dies wird insbesondere noch
einmal deutlich werden, wenn wir spater strategisches Verhalten langfristiger Art in
Form technologischen Wettbewerbs untersuchen werden. Marktmacht wachst also ins-
besondere dem Unternehmen zu, das die großte Fahigkeit entwickelt, im Zeitablauf die
Marktbedingungen zu seinen Gunsten zu verandern.
1Vgl. Tirole (S. 317, Remark 1).
Industrieokonomik 88
6.3 Bestreitbare Markte (Contestable Markets)
Im Gegensatz zur oben betrachteten Theorie der Marktzutrittsverhinderung, in der
die Betonung auf den strategischen Moglichkeiten etablierter Firmen zur Wettbe-
werbsbeschrankung liegt, betont die Theorie bestreitbarer Markte die Auswirkungen
‘freien Marktzutritts’ von einer neuen konzeptionellen Seite. Sie ist eine Theorie, die
davon ausgeht, daß etablierte Firmen in keiner Weise vor Marktzutritt geschutzt sind,
und fuhrt zur wichtigen Einsicht, daß unter allokationstheoretischen Aspekten poten-
tieller Wettbewerb fast oder ebenso gut sein kann wie tatsachlicher Wettbewerb. Sie
geht insbesondere von der Abwesenheit jeglicher Asymmetrie zwischen etablierten Fir-
men und moglichen Marktzutretern aus; d.h. diese haben dieselbe Kostenstruktur und
Marktein- (oder auch Aus-)tritt verursacht keine zusatzlichen Kosten. Wenngleich man
zwar sagen kann, daß die wenigsten Markte diesen idealen Voraussetzungen entspre-
chen, so sind die Ergebnisse dieser ‘reinen Theorie’ dennoch von großer Wichtigkeit fur
Theoriebildung wie auch fur Politikempfehlungen. Ihr Ergebnis besagt namlich, daß
bei Vorliegen dieser Voraussetzungen etablierte Firmen - und seien es auch nur wenige
(jedoch mindestens zwei) - keine oder nur sehr wenig Marktmacht besitzen konnen und
daher im langfristigen Gleichgewicht Nullgewinne per Firma anfallen mussen, da jegli-
cher supernormale (positive) Gewinn unweigerlich Marktzutritt nach sich zoge. D.h. in
bestreitbaren Markten gilt aufgrund der potentiellen Marktzutrittsmoglichkeiten selbst
bei nur wenigen aktiven Firmen das vollkommene Wettbewerbsergebnis! Die Theorie
ist daher zurecht als Verallgemeinerung der Bertrand-Wettbewerbstheorie interpretiert
worden (Baumol). Auch hier genugen zwei aktive Firmen, um im Gleichgewicht Grenz-
kostenpreise (Nullgewinne) zu erzwingen. Allerdings aus scheinbar ganzlich anderen
Grunden: im Bertrand-Fall liegen diese in der Wahl der strategischen Wettbewerbs-
variablen (Preise) begrundet, hier allein in der Konzeptualisierung von Markteintritt
(ohne jede weitere spezifische Annahme). Zur Illustration sei ein denkbar einfaches
Beispiel gegeben:
Betrachtet seien n identische Firmen, die ein homogenes Gut x unter Kosten c(x)
produzieren konnen. m dieser Firmen seien aktiv, (n − m) inaktiv (bzw. potentielle
Marktzutreter).
• Ein Marktzustand ist ein Tupel {p, x1, ..., xm}, wobei p den Marktpreis (fur alle
gleich) und xi die Outputmenge der aktiven Firma i (i = 1, ..., m) bezeichnet.
Industrieokonomik 89
• Ein Marktzustand heißt zulassig (feasible), fallsm∑
i=1
xi = D(p) (Marktraumung)
und p · xi ≥ c(xi) (nicht negative Gewinne) fur i = 1, ..., m.
• Ein (zulassiger) Zustand heißt stabil (sustainable), falls es keinen Preis p gibt mit
p ≤ p und x ≤ D(p), so daß px > c(x) (kein profitabler Marktzutritt moglich,
gegeben p).
• Ein Markt heißt danach vollkommen bestreitbar (perfectly contestable), falls jeder
Gleichgewichtszustand stabil in obigem Sinne sein muß.
Bemerkung: Die bisher betrachteten Beispiele und Theorien bedeuten also allenfalls,
daß die betrachteten Markte nicht vollkommen bestreitbar waren. Wir werden
noch genauer sehen, was wirklich Ursache(n) dieses Umstandes sein kann bzw.
ist.
Man kann zeigen (Baumol, Panzar, Willig [1982]), daß in einem stabilen Marktzustand,
falls er existiert, der Marktpreis immer uber den Grenzkosten liegen muß und im Falle
von mehr als einer aktiven Firma diesen immer gleich sein muß! Daher die Sicht der
Theorie als “Verallgemeinerung” von Bertrand. Mit dem Fall nur einer aktiven Firma
wollen wir uns noch etwas naher beschaftigen, da er sich auch gut zum Vergleich mit
dem Beispiel Monopolist / Marktzutreter im vorigen Abschnitt eignet.
Wir gehen also davon aus, daß alle n Firmen Zugang zu einer Kostenfunktion (Tech-
nologie)
C(x) = f + cx
haben. Die Marktnachfrage ist mit D(p) (resp.p(x)) gegeben.
Wir nehmen an, daß im Falle eines Monopoles die Monopolgewinne Πm bei Nachfrage
D(p) zur Deckung der Fixkosten ausreichen; d.h. Πm > f . Der Fall, daß nur eine
Firma in einem stabilen Zustand aktiv sein kann, ist dann bei folgender Marktstruktur
(Kosten- und Nachfragefunktion) gegeben:
Industrieokonomik 90
�
�
x∗
p
c
x
D(p)
p∗ DK(x) =f
x+ c
................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
Der Marktzustand {p∗, x∗, 0, ..., 0} ist der einzig mogliche stabile Zustand: es ist nur
eine Firma (Monopol!) aktiv. Sie setzt den Preis p∗ = DK(x∗) und bietet die Menge x∗
an. Die anderen (n − 1) Firmen bleiben inaktiv. In (p∗, x∗) gilt gerade: (p∗ − c)x∗ = f
und x∗ = D(p∗). D.h. der Monopolist macht Nullgewinne, da der Preis gerade den
Durchschnittskosten bei x∗ entspricht! D.h. der (bestreitbare) Preis p∗ ist geringer als
der Monopolpreis pm und x∗ > xm.
Warum ist (p∗, x∗) stabil?
i) Wurde eine Firma ein p ≤ p∗ wahlen und einen positiven Output produzieren,
so wurde sie Verluste machen, da dann p ≤ AC(x) fur alle x ≤ D(p).
ii) Wurde eine Firma ein p ≥ p∗ wahlen, so konnte eine andere Firma mit p ∈ (p∗, p)
zutreten und Gewinne machen.
D.h. nur p = p∗ kommt als Kandidat fur einen stabilen Marktpreis in Frage. Zu diesem
Preis kann eine Firma in der Tat Verluste vermeiden (und ihre Fixkosten decken). Eine
zweite Firma (oder zwei zusammen) konnten dies nicht mehr. Insgesamt erhalten wir
ein zweitbestes Ergebnis fur diesen vollkommen bestreitbaren Markt: es gibt zwar ein
Monopol (nur eine aktive Firma), doch ist diese durch potentielle Mitbewerber gezwun-
gen, ihren Preis so niedrig anzusetzen, daß sie das “Wegkonkurrieren” ihrer Gewinne
durch Marktzutritt nur vermeiden kann, indem sie solche erst gar nicht entstehen laßt.
Der Monopolist ist sozusagen voll “reguliert”, wie dies ein sozialer Planer, der ohne
Subventionen auskommen muß, sich nur wunschen kann! In bestreitbaren Markten ist
Regulierung bzw. ein Markteingriff also gar nicht vonnoten! Eine solche Theorie ist
also fur die Markte, auf die sie aufgrund der Voraussetzungen angewandt werden kann,
Industrieokonomik 91
von großer Tragweite. Eine zweitbeste Situation ist jedoch nicht immer stabil gegen
Marktzutritt:�
�
x∗
p
p
x
p(x)
p∗
x
DK(x)
....................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
.............................................................................................................................................................................................................................................................................................................
(p∗, x∗) ist nicht mehr stabil! (p, x) erlaubt profitablen Marktzutritt. Es ist leicht zu
sehen, daß es in diesem Falle keinen stabilen Marktzustand gibt!
Vergleich von Marktzutritt in bestreitbaren Markten und im
zuvor betrachteten strategischen Modell:
Wie kommen die so unterschiedlichen Ergebnisse in bezug auf die Auswirkungen von
(potentiellem) Marktzutritt in den beiden Modellen zustande? Eine Moglichkeit sie
zu erklaren besteht darin, die beiden Theorien auf eine ahnliche Modellstruktur zu
beziehen; d.h. sich die Frage zu stellen, welcher Art von Zwei-Stufen-Modell bedarf es,
um das Ergebnis der Theorie bestreitbarer Markte zu erhalten (das strategische Modell
ist ja notwendigerweise ein temporares Zwei-Stufen-Modell).
Die Definition eines stabilen Zustandes gibt uns hierzu einen klaren Hinweis:
Die Marktzutrittsentscheidung (bzw. -bedingung) ist in bezug zu einem gegebenen Preis
formuliert; d.h. ein Preis muß zumindest “da sein”, bevor potentielle Eintreter uber ihre
Mengen (bzw. Kapazitaten) entscheiden konnen. In der Tat konnen wir diese Reihung
auf alle n Firmen ubertragen, um obiges Ergebnis zu erhalten. Die n Firmen wahlen auf
Stufe I (simultan) Preise und danach (bei nicht mehr zu andernden Preisen) auf Stufe
II Mengen (wobei eine positive Menge Zutritt und xi = 0 Nichtzutritt bedeutet). Wir
haben also gerade die umgekehrte Abfolge von Entscheidungen wie in den Abschnitten
zuvor! Alle n Gleichgewichte dieses Zwei-Stufen-Spieles fuhren zu einem stabilen Zu-
stand: auf Stufe I wahlen alle Firmen p∗ und auf Stufe II wahlt io ∈ (1, ..., n) xio = x∗
Industrieokonomik 92
und alle anderen Firmen wahlen xi = 0, i �= io. Dies ist genau, was die Theorie be-
streitbarer Markte liefern wurde! In dieser Zwei-Stufen-Formulierung der Theorie ist
nun auch nicht mehr so verwunderlich, warum das Bertrand’sche Gleichgewichtsergeb-
nis resultiert, da die 1. Stufe mit dem Bertrand-Spiel verhaltensmaßig gleich ist und
die 2. Stufe nur eine (aufgrund der Fixkosten) verscharfte Form der Konsequenzen des
Suchverhaltens (nach dem niedrigsten Preis) der Konsumenten darstellt.
Beachte: Nun wurde angenommen, daß auf Stufe I festgelegte Preise nicht mehr verandert
werden konnen! D.h. wir folgen hier der Vorstellung, daß Preise weniger schnell anzu-
passen sind als Mengen (bzw. Kapazitaten). Zumindest sind sie in dem Sinne “kurzfristig”
nicht veranderbar, daß sie uber den Zeitraum, den die Produktion der Angebotsmenge
in Anspruch nimmt, festliegen. Daher kommt das vielzitierte Bild des ‘hit-and-run’-
entry: angenommen, der Preis eines Monopolisten liegt fur eine Zeitspanne t nicht
veranderbar fest und Marktzu- und -austritt ist kostenlos. Wurde der Monopolist einen
Preis p > p∗ (z.B. p = pm gewahlt haben), so wurde dieser nun fur die Zeit t festliegen,
einem Zutreter aber verbliebe genugend Zeit mit einem p ∈ (p∗, p) einzutreten (hit),
die ganze Nachfrage zu kriegen, Gewinne zu machen, und wieder auszutreten (run)
bevor die ganze Zeitspanne t voruber ist! Der einzige stabile Zustand ist ein Monopol,
das p = p∗ setzt!
Die Theorie bestreitbarer Markte ist daher auch vorwiegend fur solche Markte als rele-
vant reklamiert worden, in denen die Produktionsphase (Stufe II) einen relativ kurzen
Zeitraum umfaßt (die Absicht ist klar, je weniger Zeit auf Stufe II benotigt wird, de-
sto weniger lange mussen Preise unveranderbar sein, desto “realistischer” die Theorie).
Dies heißt jedoch in den Augen der Kritiker gerade nicht, daß der Preisanpassungsvor-
gang nicht in noch kurzerer Zeit vonstatten gehen konnte! Meistdiskutiertes Beispiel
ist der Wettbewerb zwischen Luftlinien auf mehrfach beflogenen Strecken.
Und dies legt nun die ganze “Schwache” der Theorie bestreitbarer Markte fur reale
Markte offen. Kann der Monopolist seinen Preis schnell andern; d.h. braucht er dazu
weniger als die Zeitspanne zwischen Preisankundigung und Produktionsende des Zu-
treters, so wird ‘hit-and-run’-Zutritt unprofitabel und die Drohung des Monopolisten,
z.B. jeden Preis eines Zutreters auch als den seinen zu benennen, sobald ein solcher
auftritt, ware Abschreckung genug.
Alternativ konnte man sich diesem Ergebnis auch nahern, indem man im zuvor be-
trachteten Zwei-Stufen-Modell mit Kapazitatswahl auf Stufe I annimmt, daß Kapa-
zitaten nur fur sehr kurze Frist unveranderbar sind; dann hatte der Monopolist we-
Industrieokonomik 93
nig Drohpotential aufgrund von sunk cost. Waren Mengen und Kapazitaten beliebig
veranderbar (auch auf kurzeste Frist), so ergabe sich auch im vorigen Zwei-Stufen-
Modell die Bertrand-Losung (bzw. im betrachteten Beispiel die “Monopollosung” mit
x∗ als Ausbringungsmenge). Hierbei benotigte man noch nicht einmal die Annahme,
daß die Preise weniger flexibel sein mußten.
In beiden Interpretationen wird jedoch benotigt, daß Marktzutritt keinerlei Kosten ver-
ursacht, die bei Austritt nicht wieder gewonnen werden konnten. Diese Beschreibung
trifft fur die meisten Markte (ausgenommen vielleicht Markte fur Dienstleistungen
(Bsp.: Fitness-Center, Sonnenbank-Studios)) nicht zu. Ein Teil der Zutrittskosten ist
in der Regel sunk; d.h. auch bei Austritt nicht mehr erlangbar. Solche Markte waren
nicht vollkommen bestreitbar und wurden daher Anwendungsterritorium fur Model-
le ‘strategischen’ Verhaltens zur Abwehr von Marktzutritt abgeben! Wie groß diese
Moglichkeiten sind, hangt nun davon ab, wie bestreitbar bzw. nicht bestreitbar diese
einzelnen Markte sind.
Es verbleibt also festzuhalten, daß die beiden Theorien nicht Rivalen in dem Sinne
sind, daß sie fur dieselbe Marktsituation andere Prognosen liefern, denn entweder ist
ein Markt (vollkommen) bestreitbar oder nicht; wohl aber in dem Sinne, welche der
beiden Vorstellungen fur eine zur Analyse vorgelegten Situation die ‘relevantere’ ist.
Wegen der stark unterschiedlichen Implikation fur (staatliche) Wirtschaftspolitik sind
solche Debatten auch stark ideologietrachtig und -abhangig. Man kann sicherlich sagen,
daß es den vollkommen bestreitbaren Markt (der Theorie) ebensowenig gibt wie den
vollkommenen Wettbewerbsmarkt.
Die Theorie bestreitbarer Markte hat dennoch außerst fruchtbare Konsequenzen und
Entwicklungen ausgelost. Zwar wird wohl zugestanden, daß sie in ihrer reinen Form
nur außerst begrenzt anwendbar ist, doch hat sie durch ihren Verweis auf den Nutzen
potentiellen Wettbewerbs unbestreitbare Verdienste. Man kann z.B. vor klarem theo-
retischen Hintergrund der Frage nachgehen, welche wirtschaftspolitischen Maßnahmen
Markte ‘bestreitbarer’ im Sinne der Theorie machen. Die konnte z.B. durch ‘Deregulie-
rung’ geschehen, obwohl selbige gerade mit der Begrundung der Verhinderung von zu
großer Konzentration eingefuhrt worden ist. Recycling - oder generell ‘Second-hand’ -
Markte fur Kapitalguter waren hierzu z.B. hilfreich.
Ein interessantes neueres Beispiel, das diese ‘Moral von der Geschicht’ bestreitbarer
Markte exemplarisch in bezug auf Regulierungsmoglichkeiten aufgreift, ist die Arbeit
von Burnovsky und Zang [1989] uber ‘Costless Indirect Regulation of Monopolies with
Industrieokonomik 94
Substantial Entry Cost’. Ihr indirekter Regulierungsansatz folgt genau der grundlegen-
den Einsicht der Theorie bestreitbarer Markte, daß gute und billige Wettbewerbspolitik
darin bestehen kann, Marktzutritt zu erleichtern. Sie tun dies, indem eine Regulierungs-
behorde ‘Marktzutrittspramien’ auslobt, die von jedem tatsachlichen Marktzutreter zur
Abdeckung der Eintrittskosten reklamiert werden konnen. Ihr Verfahren ist jedoch so
geschickt konstruiert, daß es die strategische Verhaltensweise des Monopolisten, der
den Zutritt - trotz ausgelobter Pramie - naturlich verhindern mochte, gezielt und zu
Nutzen der Regulierungsbehorde in ebenso strategischer Weise berucksichtigt. Ihr Mo-
dell ist im wesentlichen ein Spiel in 4 Stufen. Die Ausgangslage ist ahnlich der, die wir
zuvor betrachtet haben:
Eine aktive Firma (Monopolist) produziert mit einer Kostenfunktion c(x) = f + c(x),
zu der auch weitere Firmen (potentielle Marktzutreter) Zugang haben. Die Marktnach-
fragefunktion ist durch D(p) gegeben, wobei D(p) so beschaffen ist, daß zwei produ-
zierende Firmen in einem symmetrischen Duopol ihre Fixkosten f nicht mehr decken
konnen, wohl aber die eine im Augenblick existierende Firma, der Monopolist. Die Si-
tuation ist also identisch zu der auf Seite 90 in der Abbildung beschriebenen, außer,
daß wir hier annehmen, daß eine Firma, fur die der Markt Platz bietet, bereits zuge-
treten ist und die potentiellen Zutreter somit vor vollendeten Tatsachen stehen. D.h.
wahrend fur den Monopolisten nur noch die variablen Kosten c(x) relevant sind (die
Zutrittskosten f sind bereits erbracht), mussen die Zutreter die Gesamtkosten c(x) in
ihren Entscheidungen berucksichtigen. Es gilt: c′(x) > 0 und c′′(x) ≥ 0.
Die Regulierungsprozedur wird nun in vier Stufen beschreibbar:
Stufe I: Die Regulierungsbehorde G lobt eine Zutrittssubvention (Pramie) s, 0 ≤ s ≤ f
fur jeden potentiellen Zutreter aus, sofern er tatsachlich zutritt.
Stufe II: Gegeben die Zutrittssubvention s, legt der Monopolist seinen Output xm(s)
fest (bzw. seine Kapazitat).
Stufe III: Gegeben s und xm(s) entscheiden die potentiellen Konkurrenten uber Zutritt
(ja oder nein).
Stufe IV: Gegeben s, xm(s) und n (= Zahl der zugetretenen Konkurrenten) spielen die
n zugetretenen Firmen ein Cournot-Spiel um Ausbringungsmengen.
Burnovsky und Zang ermitteln das teilspielperfektes Gleichgewicht dieses Spieles, in-
dem sie es ruckwartsinduktiv analysieren.
Industrieokonomik 95
Auf Stufe IV ermittelt sich das Gesamtangebot als
X =n∑
i=1
xi + xm(s) ,
wobei xi = Ausbringungsmenge des Zutreters i.
Ein Zutreter hat auf dieser Stufe die Gewinnfunktion
Πi = xi · p(X) − c(xi) − (f − s) .
Der Monopolist erhalt den Profit (seine Menge liegt ja schon fest)
Πm = xm(s) · p(X) − c(xm(s)) .
Die Regulierungsbehorde erzielt den pay-off
ΠG =∫ X
0p(x)dx −
n∑i=1
c(xi) − c(xm(s)) − n · f︸ ︷︷ ︸
social surplus
.
Beachte: Darin kommt die Subvention s explizit nicht vor, denn sie bedeutet zwar
Kosten (Ausgaben) fur die Regulierungsbehorde, aber gleichzeitig Ertrag (Ein-
nahmen) fur die Zutreter. Sie tritt nur implizit in ΠG uber die Abhangigkeit der
Mengenentscheidungen von s auf!
Die Struktur des Gleichgewichts ist nun wie folgt:
Da auf Stufe IV ein normales Cournot-Spiel in bezug auf die Residualnachfrage D(p)−xm(s) gespielt wird (unter n identischen Zutreter), wird sich ein symmetrisches Cournot-
Gleichgewicht ergeben, in dem die Firmen positive Gewinne machen, die mit steigender
Zahl n aktiver Firmen sinken.
D.h. - dies voraussehend - werden auf Stufe III sich gerade so viele Firmen fur Zutritt
entscheiden, daß die Gewinne pro Firma auf Stufe IV gerade ausreichen, um die Netto-
Kosten des Zutritts, f − s, abzudecken.
n∗ wird also so bestimmt, daß
Πi = xi · p⎛⎝ n∗∑
j=1
xj + xm(s)
⎞⎠− c(xi) − (f − s) ≥ 0
und
Πi = xi · p(
n∗+1∑i=1
xi + xm(s)
)− c(xi) − (f − s) < 0 .
Industrieokonomik 96
Dies wiederum voraussehend wird der Monopolist auf Stufe II seine Outputentschei-
dung xm(s) treffen; d.h. er wird sich strategisch als Stackelberg-Fuhrer verhalten. Sub-
sumieren wir das aggregierte Angebotsverhalten aller zutretenden Firmen als das Ver-
halten eines (mit ‘n Firmen’ eintretenden) Konkurrenten, so ergibt sich gerade die
Struktur des strategischen Marktzutrittsabwehr-Spieles aus Abschnitt 6.2.!
Um diesen strukturellen Zusammenhang wissend, wird die Regulierungsbehorde auf
Stufe I die Hohe der Subvention s festlegen.
Burnovsky und Zang zeigen nun fur den Fall einer linearen Kostenfunktion c(x) = c ·xund einer linearen Nachfrage p(X) = a − X (und einiger weiterer technischer Annah-
men), daß das eindeutige Gleichgewicht dieses Regulierungsspieles wie folgt aussieht.
Satz (Burnovsky und Zang) Unter konstanten Grenzkosten und linearer Nachfra-
ge gibt es genau ein Gleichgewicht. Die Regulierungsbehorde lobt s = f aus (volle
Ubernahme der Zutrittskosten!), der Monopolist wahlt die (kompetitive) Ausbrin-
gungsmenge xm = a−c, die er zu Grenzkosten c verkauft (Nullgewinne!), da kein
Zutritt erfolgt. Das Budget der Regulierungsbehorde ist ausgeglichen.
Der Monopolist ist sozusagen ‘kostenlos’ reguliert: er muß Marktzutritt aufgrund der
ausgelobten Zutrittspramie furchten, kann ihn strategisch aber nur verhindern, indem
er die Wettbewerbsmenge als Output (Kapazitat) wahlt. Daher tritt niemand zu und
die ausgelobte Pramie, die bei s = f gerade den Effekt hat, den Markt bestreitbar zu
machen, muß nicht bezahlt werden!
Alles, was die Regulierungsbehorde wissen muß, sind die Form der Kosten- und Nach-
fragefunktionen und wie hoch die ‘Zutrittskosten f ’ sind. Sie muß nicht wissen (wie
in anderen Regulierungsverfahren) wie aktuelle Werte von Nachfrage und Grenzkosten
aussehen.
Fur den allgemeinen Fall nicht-linearer Kosten- und Nachfragefunktionen konnen Bur-
novsky und Zang noch immer auf Eindeutigkeit des Gleichgewichtes schließen und
daß es keinen Zutritt beinhaltet! Die Aufgabe ist nun jedoch etwas aufwendiger, da
es durchaus moglich ist, daß bei voller Ubernahme der Eintrittskosten durch die re-
gulierende Behorde (s = f wie zuvor), Zutritt auf Stufe II erfolgen wurde, da es der
Monopolist (anders als im linearen Kostenfall) zu teuer fande, Zutritt vollkommen ab-
zuwehren (d.h. es ergabe sich fur ihn auf Stufe II die Struktur des ‘accommodated entry’
- Falles). Dies ist nun aber nicht im Interesse der Regulierungsbehorde (da sie dazu
Industrieokonomik 97
Subventionen zahlen mußte). Sie setzt die Subventionsmarge s fur Zutritt nun niedriger
als f (=‘Vollkosten’) an und zwar gerade so, daß einerseits noch Zutrittsanreiz fur die
Zutreter vorhanden ist, es andererseits fur den Monopolisten gerade lohnend ist, die-
sen durch eine strategische Ausbringungsmenge zu Grenzkostenpreisen zu eliminieren!
Dies ist optimal, da es zum hochsten Gesamt-Surplus fuhrt. Hierfur wird wesentlich
die Annahme, daß die Kosten subadditiv sind, benutzt, welche im linearen Fall trivia-
lerweise erfullt ist. Bei nicht subadditiver Kostenstruktur sind auch Gleichgewichte mit
Zutritt moglich. Weiterhin muß hier noch angenommen werden, daß die Zutrittskosten
f der einzige Grund fur das bestehende Monopol sind; d.h. Πm > f und ΠDuopol < f .
Beide Annahmen (insbesondere die an die Kostenstruktur) beschreiben also ein sog.
‘naturliches Monopol’.
Diese bemerkenswerten Ergebnisse beruhen auf einer Reihe von Annahmen, die insbe-
sondere von Drottboom und Leininger [1993] einer eingehenden Diskussion unterzogen
werden. Zunachst ist festzustellen, daß die Annahme beliebig vieler potentieller Zutreter
wichtig ist. Nur hinreichend viele (also bestimmt mehr als einer wie in Abschnitt 6.1.)
Zutreter erzeugen genugend “Druck ” auf den Monopolisten, der ihn im Falle von
Marktzutritt zu einem Preisnehmer reduzieren wurde, was die geschilderten Gleichge-
wichte zur Folge hat. Weit wichtiger fur die in diesem Rahmen abgeleiteten Resultate
ist jedoch die Wettbewerbsannahme auf Stufe IV des Spieles. Dadurch, daß postuliert
wird, Zutreter konkurrieren nur um die Residualnachfrage D(p)− xm(s), wird implizit
unterstellt, daß Zutreter die vom Monopolisten auf Stufe II festgelegte Menge xm(s)
nicht nur als bereits als Angebot vorhanden, sondern auch schon als verkauft betrach-
ten (was immer der aus ihren Angebotsentscheidungen mit resultierende Marktpreis
sein moge!). Dieserart unterstellte Erwartungen der Zutreter erleichtern dem Mono-
polisten naturlich Abwehr von Marktzutritt (weshalb der Regulator auch in der Lage
ist, durch Wahl von s den Monopolisten bis zum ‘limit’ der ganzlichen Aufgabe von
Monopolgewinnen zu drangen), indem sie sie zu billig machen. Gleichzeitig werfen
sie ein Glaubwurdigkeitsproblem auf: wurde der Monopolist - nachdem er mit einem
genugend großen xm(s) aufgrund der den Zutretern unterstellten Erwartungen Eintritt
abgewehrt hat - als alleiniger Anbieter auf Stufe IV wirklich die gesamte Menge xm(s)
auf den Markt bringen oder nicht doch wieder versuchen, sich Monopolrente anzueig-
nen, indem er weniger als xm(s) anbietet? Wenn ein solcher Anreiz bestunde, wurde dies
einer weiteren impliziten Annahme im Modell von Burnovsky und Zang gleichkommen,
namlich der, daß der Monopolist eine einmal produzierte Menge (oder Kapazitat) auch
Industrieokonomik 98
ganzlich verkaufen (bzw. nutzen) muß. Diese wollen wir als Verpflichtungsmaßnahme
bezeichnen.
Drottboom und Leininger zeigen nun, daß ein solcher Anreiz in der Tat besteht und er
- falls wahrgenommen - zu enormer Ineffizienz fuhren kann. Dies sei am linearen Fall
von Burnovsky und Zang hier demonstriert:
Sei also p(x) = a − x und c(x) = c · x.
In der Losung von Burnovsky und Zang wird vom Regulator s = f gewahlt, was den
Monopolisten des Schutzes durch die Zutrittskosten beraubt. Er wehrt den Zutritt
daher mit der kompetitiven Ausbringungsmenge xm(f) = a−c ab, die er nur zum Preis
p(a − c) = c absetzen kann (bzw. muß).
Stellen wir uns vor, der Monopolist befinde sich am Beginn der Stufe IV, er hat auf
Stufe II die Menge a − c produziert (also insbesondere die dazu notwendigen Kosten
aufgewendet) und auf Stufe III hat sich keiner fur Zutritt entschieden. Der Monopolist
sieht sich also allein mit gefullten Regalen der Nachfrage D(p) gegenuber. Als Gewinn-
maximierer wird er die Absatzmenge x∗ wahlen, die seinen Gewinn maximiert, welche
wiederum durch die Bedingung Grenzkosten(x∗) = Grenzerlos(x∗) charakterisiert ist.
Es ist nun von entscheidender Bedeutung zu sehen, daß die Festlegung des Monopo-
listen auf Stufe II der Wahl der Kostenfunktion auf Stufe IV gleichkommt. Was ist -
eingedenk der ‘gefullten Regale’ - die Kostenfunktion des Monopolisten auf Stufe IV?
Da die Produktionskosten fur xM (f) = a − c schon erbracht und daher ‘sunk’ sind,
lautet sie
c(x) =
⎧⎨⎩ 0 falls x ≤ a − c
c · (x − (a − c)) falls x > a − c
Das bedeutet aber, daß auch die Grenzkosten fur x ≤ a−c gleich Null sind und sich der
Schnittpunkt von Grenzkostenfunktion (“Treppenfunktion”) und Grenzertragsfunktion
MR bei x = a2
ergibt:
Industrieokonomik 99
�
�a − ca
2a−c2
a
p
c
a2
a+c2
a
x
D
C
B
A
E
Wir sehen sofort: a2
< xm(f) = a− c. Der Monopolist wird sein Angebot beschranken.
Rechnerisch folgt dies aus der Losung des Problems
maxx
(a − x) · x unter der Nebenbedingung x ≤ a − c .
Bietet der Monopolist nur a2
an - obwohl er (a− c) produziert und bezahlt hat (!) - so
macht er positiven Gewinn:
Π =(a − a
2
)· a
2− c · (a − c) =
a2
4− c · a + c2 =
(a
2− c
)2
> 0
In der Losung von Burnovsky und Zang macht der Monopolist hingegen Nullgewinne,
eben weil er (a − c) absetzen muß, aber - wie wir jetzt sehen - eigentlich gar nicht
will. Π ist naturlich geringer als der Monopolgewinn Πm, der (siehe Abbildung) aus
der Produktion der noch geringeren Menge a−c2
und dem Absatzpreis pm = a+c2
sich
zu Πm = (a2− c
2)2 ergeben wurde. Diese Reduktion der Monopolrente infolge des Re-
gulierungsversuchs geht jedoch mit erheblicher Ressourcenverschwendung einher: der
Monopolist produziert a2−c = xm(f)−x∗ = (a−c)− a
2Einheiten nur, um Marktzutritt
abzuwehren und sie dann gerade nicht den Nachfragern zukommen zu lassen! Es ist
nun leicht zu sehen, daß diese “schiefgelaufene” Regulierungslosung noch schlechter ist,
als das Ergebnis eines vollkommen unregulierten Monopols! Dies kann man sich nun
wiederum an obiger Abbildung klarmachen:
Ohne jede Regulierung erzielt der Monopolist den Monopolgewinn Πm, der der Flache
(a+c2
)DCc entspricht. Bei Regulierung a la Burnovsky und Zang (ohne Abweichen des
Monopolisten) ist sein Gewinn gleich Null. Mit Abweichen hingegen (zu a2) erhohen
sich die Kosten um AB(a2)(a− c). Dieser Erlos aus dem Verkauf der letzten (a− c)− a
2
Industrieokonomik 100
Einheiten wird ja gerade nicht mehr erzielt. Der Gewinn auf die abgesetzten a2
Einheiten
steigt jedoch um BE(a2)c, da der Absatzpreis nun uber dem Preis p = c liegt. Wir haben
schon nachgewiesen, daß BE(a2)c großer ist als AB(a
2)(a−c). Wie hoch ist nun aber der
‘social surplus’ aus der Summe von Konsumentenrente und Monopolrente minus der
(vergeudeten) Zutrittsabwehrkosten? Offensichtlich ist dieser gerade gleich der Flache
aEBc − AB(
a
2
)(a − c) .
Diese mussen wir mit der Flache aDCc, dem social surplus des unregulierten Monopols,
vergleichen:
aEBc − AB(
a
2
)(a − c) − aDCc
= DEBC − AB(
a
2
)(a − c)
=[c
2
(a
2− c
)+
1
2· c
2· c
2
]−(
a
2− c
)· c
=5
8c2 − 1
4a · c < 0, falls a >
5
2c
Letztere Bedingung konnen wir in der Realitat immer als erfullt betrachten (da a > c
beispielsweise schon gelten muß, um uberhaupt einen (klitzekleinen) Markt zu haben,
den zu bedienen sich lohnt).
Der indirekte Regulierungsversuch ohne (Durchsetzbarkeit der) Verpflichtungsannahme
kann also zu einem Wohlfahrtsverlust im Vergleich zu einem ganzlich unregulierten
Monopol fuhren! Dies zeigt einmal mehr, daß ein Monopol nicht die schlechteste aller
denkbaren Marktformen ist (noch schlechter ist ein in bester Absicht falsch reguliertes
Monopol)!
Dies ist im ubrigen ein schlagendes Beispiel fur eine leider oft zu beobachtende Situati-
on: der Markt “versagt” in irgendeiner Form (hier, weil wir ein Monopol haben). Dies
ruft nach einem “heilenden Markteingriff” durch die Regierung bzw. eine Behorde. Die
Behorde ergreift eine Maßnahme, die das Verhalten der relevanten Marktteilnehmer
verandern (bei Erlaß eines Verbotes beispielsweise beschranken) soll. Die Maßnahme -
in bester Absicht ergriffen - hatte auch einen wohlfahrtssteigernden Effekt, wenn die
Marktteilnehmer sie einfach hinnehmen und nicht strategisch darauf reagieren wurden.
Tun sie letzteres jedoch (und was sollte sie davon abhalten?), tritt nicht nur nicht die
erhoffte Wohlfahrtssteigerung in vollem Umfang ein, sie kann sogar negativ ausfallen!
Industrieokonomik 101
Fur den Regulator oder Wirtschaftspolitiker allgemein bedeutet dies, daß er bei dem
Problem eine moglichst gute - oder gar beste - Politik zu finden, die optimale strate-
gische Reaktion der davon Betroffenen immer als Nebenbedingung mitberucksichtigen
muß. Sehr oft bedeutet dies, daß man sich im Endeffekt mit ‘zweitbesten’ Losungen
bescheiden muß. ‘Marktversagen’ in der Industrieokonomik bedeutet fast immer, daß
Marktteilnehmer Marktmacht besitzen. Es ist dann nur naheliegend, daß sie diese -
bei nicht zu dirigistischer Regulierung - auch strategisch einsetzen werden. Unter un-
vollkommenen Wettbewerbsbedingungen in der Ausgangslage wird Regulierung daher
eher Beschrankung denn (ganzliche) Beseitigung von Marktmacht zur Konsequenz ha-
ben konnen. Dies sollte auch der ‘praktische’ Wirtschaftspolitiker akzeptieren und seine
Ziele daher von vornherein bescheidener (weil richtiger) ansetzen.
Kann “kostenlose” indirekte Regulierung im betrachteten Monopolfall - wenn schon
nicht wie gezeigt Marktmacht beseitigen - Marktmacht des Monopolisten wenigstens
beschranken? Die Antwort auf diese Frage ist positiv. Drottboom und Leininger geben
folgenden Zugang zum Problem des Regulators ohne die Verpflichtungsannahme: der
Regulator nutzt aus, daß nach einer Subventionszusage die marktzutrittsabwehrende
Ausbringungsmenge des Monopolisten großer ist als seine Ausbringungsmenge im un-
regulierten Monopol. Die marktzutrittsabwehrende Menge kann jedoch ebenso großer
sein als die Monopolausbringungsmenge nach erfolgter Zutrittsabwehr (diese ist nun ver-
schieden vom unregulierten Fall, weil der Monopolist eine neue, andere Kostenfunktion
hat (siehe oben!)). Es ist aber immer letztere, die ein gewinnmaximierender Monopo-
list an den Markt bringen wird. Der Regulator sollte die Subvention s also nie so hoch
ansetzen, daß der Monopolist veranlaßt wird, Marktzutritt mit einer großeren Aus-
bringungsmenge als der Monopolausbringungsmenge nach Zutrittsabwehr abzuwehren.
Daß der Monopolist nie veranlaßt werden kann, mehr als letztere Menge tatsachlich
anzubieten, ist die zusatzliche Nebenbedingung, die der Regulator zu beachten hat. Ja,
er sollte sich genauer klar machen, daß er durch Wahl von s diese Menge beeinflussen
kann (s bestimmt xm(s), welches die Kostenfunktion auf Stufe II bestimmt)! Sie ist also
eine endogene Große des Regulierungsprozesses. Im linearen Fall sollte der Regulator
die Subvention gerade so hoch ansetzen, daß der Monopolist genau mit der Absatz-
menge a2
Marktzutritt abwehren kann, die er dann auch ganzlich anbietet. Dies kann
mit einer Subvention in Hohe von s = f − (a4− c
2)2 erreicht werden. Es ist also nicht
wunschenswert, die vollen Zutrittskosten f zu subventionieren, sondern nur einen Teil
davon. Dem Monopolisten verbleibt eine positive Monopolrente, doch ist deren Ver-
Industrieokonomik 102
ringerung durch die Subventionsauslobung noch immer kostenlos erzielt worden! Die
Zutreter treten nicht zu (was die Subventionszahlung erspart), aber der Monopolist
vergeudet auch keine Ressourcen zur reinen Zutrittsabwehr. Im Gegenteil, die Kosten
der Zutrittsabwehr lohnen sich nicht nur fur den Monopolisten, sondern geben den Kon-
sumenten zusatzlich noch einen Teil des ‘toten Verlustes’ des unregulierten Monopols
(zuruck).
Auch fur den allgemeinen Fall mit konvexen oder konkaven Nachfrage- und Kosten-
funktionen kann man die Eindeutigkeit des Gleichgewichtes nachweisen, in welchem nie
Zutritt erfolgt. Die ‘kostenlosen’ Regulierungsgewinne erreichen jedoch nie die ‘first -
best’ - Losung des (hypothetischen) vollkommenen Wettbewerbs (siehe Drottboom und
Leininger [1993]).
Kapitel 7
Wettbewerb und technischer
Fortschritt
In diesem Kapitel wenden wir uns einer wirklich dynamischen Sicht des Marktprozesses
zu, indem wir auch den Einfluß und die Bestimmungsgrunde technischen Fortschritts in
unsere Betrachtung mit einbeziehen. Hierbei wird schon bei nochmaliger Betrachtung
unseres einfachen Ausgangsschemas von Marktstruktur - Marktverhalten - Marktergeb-
nis klar, daß die Determinanten technischen Fortschritts unmittelbar die sogenannten
Grundbedingungen beeinflussen und daher direkt Einfluß auf die Marktstruktur haben
mussen:
Grundbedingungen
(technisch, institutionell)
Marktstruktur
Marktverhalten
Marktergebnis
�
�
�
�
�
�
�
�
103
Industrieokonomik 104
Es ist daher zu erwarten, daß Firmen uber die F&E-Aufwendungen versuchen konnen
(und versuchen werden), auf die zukunftige Marktstruktur Einfluß zu nehmen. D.h.
als neuer Wirkungszusammenhang ergabe sich eine (simultane) Abhangigkeit zwischen
Marktverhalten und Grundbedingungen. Technologischer Wettbewerb muß also auch
als Teil von Marktverhalten interpretiert werden, der in zukunftiger wirtschaftlicher
Interaktion zu strategischer Vorteilnahme benutzt werden kann.
Die Modellierung technischen Wettbewerbs selbst ist daher zunachst notwendig und
sie wirft auch die allerersten Probleme auf. Forschung und Entwicklung (F&E) ist ein
okonomischer Prozeß, der ganz eigenen Gesetzen und Eigentumlichkeiten unterliegt.
Zum einen, weil der damit verbundene ’Produktionsprozeß’ von Wissen und Fahig-
keiten per se mit großen Ungewißheiten (okonomisch: Risiko) behaftet ist und zum
anderen, weil der Output (das Wissen selbst) Charakteristika eines offentlichen Gu-
tes besitzt. Die Unsicherheit der Ertrage von Investitionen in F&E wirft okonomisch
die Frage nach der richtigen Allokation der Risiken (Effizienz nach Versicherungsge-
sichtspunkten) auf, um effizienten Ressourceneinsatz im F&E-Prozeß zu erzielen. Un-
ter Effizienzgesichtspunkten ware daher angezeigt, daß diese Risiken moglichst breit
gestreut und im Grunde von allen Mitgliedern einer Gesellschaft mitgetragen werden
(unter Berucksichtigung ihrer Bereitschaft, Risiken zu tragen). Diesem Prinzip wird
zum Beispiel gefolgt, wenn sogenannte Grundlagenforschung, die erst auf langere Sicht
verwertbare Ertrage zeitigen kann, staatlich finanziert wird und uberwiegend in Uni-
versitaten oder staatlichen Forschungsinstituten betrieben wird. Private Investoren fur
solch unsichere und allenfalls auf lange Sicht profitable Vorhaben durften (freiwillig)
schwer zu finden sein. Doch auch bei F&E-Projekten, die kurzfristig wirtschaftlich von
Nutzen waren, durfte die unzureichende Risiko-Allokation (die Risiken konnen nicht
genugend gestreut werden) zur Beeintrachtigung der Bereitschaft, in F&E zu inve-
stieren, von privater Seite fuhren. Unsicherheit wird also eine Ursache sein, warum
ein dezentrales privat organisiertes Marktsystem ineffizient wenig Ressourcen in F&E
lenken wurde. Dieser Ineffizienz ware im Prinzip abzuhelfen, wenn Firmen ihre Risi-
ken durch Kapitalaufnahme an Kreditmarkten abdecken (und somit streuen) konnten.
Praktisch werden allerdings unbedeutend wenige F&E-Projekte durch risikofreudige
Anleger finanziert. Ein Hauptgrund dafur durfte sein, daß moral hazard (= ‘morali-
sches Risiko’) die (Risiko-)Allokation auf Kreditmarkten sehr stark beeinflussen kann.
Moral hazard liegt im vorliegenden Falle vor, weil der Anreiz erfolgreiche Forschungs-
anstrengungen zu unternehmen fur ein privates Unternehmen eben nicht unabhangig
Industrieokonomik 105
vom damit ubernommenem Risiko ist und die Anleger furchten mussen, daß Arbeits-
und Forschungseifer zu wunschen ubrig lassen, weil das forschende Unternehmen vom
Mißerfolg des Unterfangens nicht wesentlich betroffen ist. Vollstandige Streuung des
Risikos, selbst wenn sie moglich ware, wurde also auch zu Ineffizienz fuhren.
Einen weiteren Grund fur eine ineffiziente Ressourcenallokation durch ein Marktsystem
ergibt der Aspekt, daß Information oder ‘Wissen’ die Charakteristika eines offentliches
Gutes besitzt. Im Grunde kann man fur Information das sog. ‘Ausschlußprinzip’ nur
schwer anwenden, da dies z.B. Eigentumsrechte an ‘Information’ voraussetzen wurde.
Information, sobald sie erstellt ist, kann praktisch zu Grenzkosten von Null weiterge-
geben werden, und — sofern sie weiteren Mitwissern von Nutzen ist — sollte daher
unter Effizienzgesichtspunkten auch weitergegeben werden. Dies fordert naturlich eine
‘free-rider’ - Haltung, in der alle nur warten, um nutzliche Informationen zu erhalten,
aber nur zu wenige selbst investieren, um (unter großer Unsicherheit) Information zu
produzieren.
Eine Strategie zur Abmilderung des Problems ist denn auch in Form des Patentsyste-
mes aus diesen Uberlegungen abgeleitet. Ein Patent soll (zeitlich begrenzt) Eigentums-
rechte an einer Innovation schaffen, so daß der risikofreudige Erfinder allein fur einen
gewissen Zeitraum seine Erfindung wirtschaftlich nutzen kann. Dies schafft gleichzeitig
verstarkte Anreize, F&E -Risiken einzugehen, da im Erfolgsfall hohere Ertragspramien
garantiert werden. Da sich F&E - Projekte naturlich auch nach Nachfragegegebenheiten
(Potential einer Innovation) richten werden, und letztere wiederum die Bedurfnisla-
ge der Konsumenten widerspiegelt, werden die Produkte von F&E - Aufwendungen
Wohlfahrtssteigerungen mit sich bringen. Um diese zu erzielen, wird das Patent gerade
vergeben. Mit der Patentvergabe geht jedoch okonomisch gesehen automatisch auch
ein Effizienzverlust einher, da mit der Patentvergabe ein Eingriff in die Marktstruktur
verbunden ist: das Patent verleiht ein temporares Monopol, dessen zugehorige Mono-
polrente als ‘Risikopramie’ dem erfolgreichen, wagemutigen Unternehmer zufallt. Die
zeitliche Begrenzung soll sicherstellen, daß die Monopolrente nicht zu hoch ausfallt.
Dem Patentsystem liegt also die (mehr oder weniger begrundete) Ansicht zugrunde,
daß die von ihm ausgelosten Anreize zu F&E - Tatigkeit, die den technischen Fortschritt
und das wirtschaftliche Wachstum mehren, dynamisch betrachtet hohere Effizienzge-
winne erbringen als der in statischer Betrachtung anfallende Monopolverlust ausmacht.
Diese Sicht geht wesentlich auf Schumpeter [1942] zuruck, der von der grundlegenden
Einsicht ausging, daß ein System, das seine Ressourcen zu jedem Zeitpunkt am be-
Industrieokonomik 106
sten nutzt, langfristig einem System unterlegen sein kann, das dies nicht tut, weil diese
Unterlassung fur schnellere langfristige Entwicklung sorgt.
In jungster Zeit ist das Verlustargument durch das geschaffene Monopol auch aus dy-
namischer Sicht neu analysiert worden, mit dem Ergebnis, daß die Wohlfahrtsverluste,
die durch ein Monopol entstehen, bei dynamischer Betrachtungsweise noch viel hoher
sein mussen als bei statischer Betrachtungsweise, was auch eine neue Debatte uber die
Berechtigung des Patentsystems ausgelost hat.
Empirische Untersuchungen ergeben eine positive Korrelation zwischen F&E - Auf-
wendungen und der Konzentration der Marktstruktur, die statistisch signifikant ist.
Dies ist traditionell kausal gelesen worden: hohere Konzentration veranlaßt Firmen
zu hoheren F&E - Aufwendungen. Hohe Konzentration hat daher auch positive Aus-
wirkungen. Naturlich konnte die Kausalrichtung auch umgekehrt werden: Industrien
mit hohen F&E - Aufwendungen (moglicherweise aufgrund großerer ‘technologischer
Moglichkeiten’) neigen zu großerer Konzentration, weil z.B. Marktzutritt durch standi-
ge technische Neuerungen erschwert wird, da er vom Zutreter selbst auch sofortiges
Engagement in F&E - Aktivitaten erfordert, um den Zutritt auf Dauer aufrechterhal-
ten zu konnen. Insbesondere konnte ein einmal gewonnenes Patentmonopol nachteilige
strategische Auswirkungen fur potentielle Marktzutreter haben, da sie dem augenblick-
lichen Inhaber, Anreize zur Verteidigung desselben geben.
Wir wollen uns daher zunachst - ohne jede strategische Uberlegung seitens der Firmen
zu unterstellen - uber die Anreizstruktur fur eine einzelne Firma (unter nahezu idealen
Umstanden) in verschiedenen Marktstrukturen klar werden. Diese Uberlegungen gehen
entscheidend auf Arrow [1962] zuruck.
7.1 Innovationsanreiz und Marktstruktur
Arrow [1962] untersuchte folgende Fragestellung: Welche exogen gegebene Marktstruk-
tur bietet den großten Anreiz (fur eine einzelne Firma) zu technischer Innovation?
D.h. welche Marktstruktur wirkt sich am gunstigsten auf das Marktverhalten in Bezug
auf F&E - Anstrengungen aus? Dazu nahm er aus Vereinfachungsgrunden (und auch
um einen extremen Referenzpunkt zu gewinnen) an, daß das Patentmonopol von unbe-
grenzter Dauer ware. Arrow betrachtete dazu die Wirkung einer sog. Prozeßinnovation,
die die Produktionskosten senkt, auf eine Industrie, die mit konstanten Skalenertragen
Industrieokonomik 107
produziert.
Sei also die augenblickliche Kostenfunktion mit c(x) = c · x gegeben, die nach erfolg-
reicher Innovation auf c(x) = c · x gesenkt werden konnte, d.h. c > c. Die Stuckkosten
der Produktion des betreffenden Gutes konnten also gesenkt werden um ∆c = c − c.
Welchen Wert hatte diese Innovation fur einen Monopolisten, einen vollkommenen
Wettbewerber und einen Oligopolisten? Anders ausgedruckt: welche Kosten wird eine
Firma hochstens - in Abhangigkeit von der Marktstruktur - in Kauf nehmen wollen,
um diese Innovation zu realisieren? Und wie vergleicht sich dies mit dem Anreiz, der
der sozial optimale ist?
7.1.1 Soziales Optimum
Der zusatzliche Nutzen, den die Innovation erzeugen konnte, kann offensichtlich gemes-
sen werden, indem der social surplus, der - gegeben die Nachfrage D(p) des Gutes -
beim Marktpreis p = c entsteht, verglichen wird mit dem beim Marktpreis p = c. D.h.
ein Wohlfahrtsplaner wurde gerne p = c vor der Innovation als Marktpreis und p = c
nach der Innovation sehen; d.h. ws =∫ cc D(p)dp wurde den Vorteil/Zeiteinheit der
Innovation messen. Im einfachen linearen Fall ließe sich dies so darstellen:
�
�x
p
c
cD(p)
Der Wohlfahrtsgewinn (= Zunahme der Konsumentenrente bei konstanter Produzen-
tenrente) ware gerade durch die gestrichelte Flache gemessen, die dem Wert des obigen
Integrals entspricht.
Industrieokonomik 108
Bei unbegrenzter Patentdauer und konstanter Diskontrate r folgt daher, daß der dis-
kontierte Wert der Innovation fur die Gesellschaft gleich
Ws =∫ ∞
0e−rt · wsdt =
1
r·∫ c
cD(p)dp =
1
r
∫ c
cD(c)dc
ist (da∫ ∞
0e−rtdt =
[−1
re−rt
]∞0
=1
r).
7.1.2 Monopol
Welchen Wert stellt die Innovationsmoglichkeit fur den Monopolisten dar, der sich der
unveranderten Nachfrage D(p) gegenuber sieht?
Sei dazu
- Πm(c) = Monopolgewinn/Zeiteinheit vor der Innovation und
- Πm(c) = Monopolgewinn/Zeiteinheit nach der Innovation.
Dann gilt:
Wm =1
r[Πm(c) − Πm(c)] =
1
r
∫ c
cD(pm(c))dc
Zu dieser Ableitung: Wie verandern variierende Grenzkosten den Monopolgewinn Πm?
D.h. dΠm
dc= ?
dΠm
dc=
d
dc[(pm(c) − c)D(pm(c))]
=∂Πm
∂pm· dpm
dc+
∂Πm
∂c=
∂Πm
∂c= −D(pm(c))
Ausfuhrlich:
dΠm
dc=
∂pm(c)
∂c· D(pm(c)) + pm(c) · ∂D
∂pm· ∂pm(c)
∂c−[1 · D(pm(c)) + c · ∂D
∂pm· ∂pm(c)
∂c
]
=
((pm(c) − c) · ∂D
∂pm+ D(pm(c))
)· ∂pm(c)
∂c− D(pm(c))
= −D(pm(c)),
wobei der Wert der Klammer in der vorletzten Zeile mit ∂Πm
∂pm ubereinstimmt und gleich
Null ist, da pm die Gewinne Πm maximiert.
Industrieokonomik 109
Also:
Wm =1
r[Πm(c) − Πm(c)]
=1
r
∫ c
c
(−dΠm
dc
)dc
=1
r
∫ c
cD(pm(c))dc wie angezeigt.
Und da pm(c) > c fur alle c, folgt D(pm(c)) < D(c) fur alle c und daher
Wm < Ws.
Der Anreiz fur den Monopolisten ist suboptimal.
�
�
p
c
pm(c)c
pm(c)
x
B C
D
A
D(p)GE
A = Πm(c)
B = Πm(c)
Klar: wm = B − A < ws = B + C + D
Grund: Keine Preisdiskriminierung fur den Monopolisten moglich!
7.1.3 Vollkommener Wettbewerb
Welchen Wert hatte die Innovation fur eine preisnehmende Firma, wenn diese die ein-
zige ware, die sie durchfuhrt? Da alle Firmen zu Grenzkosten c vor der Innovation
produzieren, wurde im Marktgleichgewicht p = c und Πw = 0 gelten. Nach der In-
novation produziert eine Firma (der Innovator) mit Grenzkosten c und die anderen
weiterhin mit c.
Nun sind zwei Falle zu unterscheiden:
Industrieokonomik 110
a) pm(c) < c
Eine Innovation mit dieser Wirkung heißt drastisch. Sie senkt die Kosten so sehr,
daß der Innovator unbeschrankt seinen Preis setzen kann: selbst der Monopolpreis
pm(c) liegt unterhalb der Grenzkosten der Konkurrenten, die diese in ihrer Preis-
setzung naturlich nicht unterschreiten konnen. Der Innovator gewinnt bei dieser
Konstellation von Kosten- und Nachfragestruktur den gesamten Markt und wird
ein Monopolist. Dieser Fall ist in voriger Skizze dargestellt: pm(c) < c.
Der Wert der Innovation fur den Innovator ist daher gerade
ww = B = (pm(c) − c) · D(pm(c))
bzw.
Ww =1
r(pm(c) − c) · D(pm(c)).
Ein Vergleich zeigt nun fur den Fall einer drastischen Innovation, daß
Ww < Ws, da ww = B < B + C + D = ws
und Ww > Wm, da ww = B > B − A = wm
D.h. der Innovationsanreiz in vollkommenem Wettbewerb fur eine Firma ist auch
suboptimal (Ww < Ws), aber hoher als im Monopol (Ww > Ws). Beides ist
intuitiv nachzuvollziehen: die Ineffizienz folgt aus der Tatsache, daß der erfolgrei-
che Innovator eine Monopolstellung im Markt erlangt, die er ungehindert nutzen
kann. Es entsteht ein toter Verlust von C. Der niedrigere Anreiz des Monopolisten
im Vergleich zum Wettbewerber resultiert aus der Tatsache, daß beide Innova-
tionsfalle zwar Monopolisten mit der Kostenstruktur c(x) = c · x hervorbringen,
der Monopolist aber nur sich selbst ersetzt (und schon vorhandene Monopolge-
winne A gegen noch hohere von B eintauscht), der Wettbewerber jedoch schafft
ein neues Monopol und gewinnt die ganze Rente B, die er gegen Nullgewinne
zuvor aufzurechnen hat.
b) pm(c) ≥ c
Dies ist der nicht-drastische Fall einer Innovation, der sich wie folgt ergeben kann:
Industrieokonomik 111
�
�
p
c
pm(c)
c
pm(c)
x
D(p)GE
E
In diesem Falle kann der Innovator nach der Innovation keine monopolistische
Kontrolle uber den Markt ausuben: wurde er den Preis pm(c) setzen, so erhiel-
te er keine Nachfrage, da dieser Preis uber dem Grenzkostenpreis von c seiner
Konkurrenten liegt. Um diese auszuschalten wird er also einen Preis, der gerade
unterhalb von c liegt, setzen mussen. Dann gewinnt er den ganzen Markt. Sein
Gewinn ware dann (wir setzen p = c anstatt p = c − ε)
ww = [c − c] · D(c) = E
und daher
Ww =1
r(c − c) · D(c)
Da c ≤ pm(c) < pm(c) fur c ≥ c folgt D(c) > D(pm(c)) fur c ≥ c und damit
Wm =1
r
∫ c
cD(pm(c))dc <
1
r(c − c)D(c) = Ww;
andererseits ist D(c) < D(c) fur alle c < c und daher
Ww < Ws.
7.1.4 Oligopol
Es ist nun leicht vorstellbar, daß der Oligopolfall — wie ublich — ‘zwischen’ Monopol
und Wettbewerb liegen muß. Wir demonstrieren dies kurz am symmetrischen Fall und
unterscheiden dabei zwischen Preis- und Mengenwettbewerb (eine Unterscheidung, die
in den beiden zuvor betrachteten Extremfallen hinfallig ist!).
Industrieokonomik 112
Symmetrisches Cournot-Oligopol mit n Firmen
Die Grenzkosten seien c, d.h. ci(xi) = c · xi, i = 1, .., n.
Nachfrage: D(p) = a − b · p resp. p = a − b · x ⇐⇒ p =a
b− 1
bx,
d.h. a = ab
und b = 1b.
Gleichgewicht vor Innovation:
x∗i =
a − c
(n + 1) · b i = 1, ..., n
p∗ =a + n · cn + 1
i = 1, ..., n
Π∗i =
(a − c)2
b(n + 1)2i = 1, ..., n
Nachher: i0 macht die Erfindung: sie sei drastisch; d.h. i0 ist Monopolist nach Innova-
tion.
Πmi0
(c) =(a − c)2
4b
Der Wert der Innovation fur i0 ergibt sich nun aus der Differenz von Monopol- und
Oligopolgewinnen:(a − c)2
4b− (a − c)2
b · (n + 1)2= wo
w0 wird mit steigendem n immer großer!
Da Π∗i0(c) < Πm
i0 (c) muß gelten
w0 = Πmi0
(c) − Π∗i0(c) > Πm
i0(c) − Πm
i0(c) = wm
und daher
W0 > Wm .
Andererseits gilt, daß
W0 < Ww,
da w0 = Πmi0
(c) − Π∗i0(c) < Πm
i0(c) − 0 = ww.
Insgesamt ergibt sich also die folgende ‘Reihung’ der verschiedenen Marktstrukturen:
ws > ww > w0 > wm
Mit zunehmender Konzentration der Marktstruktur entfernt sich der individuelle An-
reiz zur Innovation immer mehr vom sozialen Optimum!
Industrieokonomik 113
Symmetrisches Bertrand-Oligopol mit n Firmen
Im reinen Bertrand-Oligopol vor der Innovation gilt Π∗i = 0 fur alle Wettbewerber
i = 1, . . . , n.
Nach erfolgreicher Innovation durch einen Wettbewerber, i0, ist dieser Monopolist. Der
individuelle Anreiz ist daher genauso groß wie im Falle vollkommenen Wettbewerbs!
Dies zeigt, daß nicht nur die Marktstruktur, sondern auch das Marktverhalten (Preis-
versus Mengenwettbewerb) wichtig ist fur die Anreizwirkung eines Patentes bzw. den
privaten Wert einer Innovation. Die gerade aufgezeigte Abhangigkeit tragt gewisse
paradoxe Zuge:
Je kompetitiver der (Output-) Markt vor der Innovation, desto großer ist
der Anreiz zur Innovation. Desto weniger kompetitiv ist der Markt dann
aber nach der Innovation!
Dieser Sachverhalt beruhrt einen Punkt, dessen theoretische (Er-) Klarung nach wie
vor aussteht: warum ist (endogener) technischer Fortschritt (offensichtlich) selbsterhal-
tend?
Die Arrow’sche Analyse zeigt aber zumindest:
1) Jede Innovation, die privat vorteilhaft ist, ist es auch sozial;
aber 2) Nicht jede sozial vorteilhafte Innovation ist auch privat lohnend.
Immerhin kann damit ausgeschlossen werden, daß sozial unerwunschte Innovationen
stattfinden.
Es muß noch einmal betont werden, daß obige Schlußfolgerungen aus einer denkbar
einfachen Modellierung folgen. In ihr konkurrieren Firmen nicht aktiv miteinander um
die Innovation, vielmehr wird von der Vorstellung ausgegangen, ein Erfinder wurde
seine Prozeßinnovation einer (und nur einer) Firma in einer gegebenen Marktstruktur
zur Nutzung anbieten. Gefragt wird dann nach dem Wert dieser Innovation fur die
betreffende Firma in Abhangigkeit von ihrer kompetitiven Umgebung im Outputmarkt.
Ermittelt wird in der Analyse also der maximale Preis, den die Firma fur die Innovation
zu zahlen bereit ware, vorausgesetzt sie ist die einzige, der dieses Angebot gemacht
wurde. Die Analyse weist also nur nach - das jedoch uberzeugend -, daß der private
Wert einer Innovation im allgemeinen von der Marktstruktur abhangen wird (der
soziale Wert hingegen nicht). Dieser Sachverhalt wird insbesondere Konsequenzen fur
die Funktionsweise von Wettbewerb um Innovationen haben.
Industrieokonomik 114
7.2 Innovationswettbewerb: Patentrennen
Wir gehen nun einen ersten Schritt uber die vorherige Betrachtung hinaus, indem wir
Wettbewerb um eine Innovation modellieren. Ausgangspunkt unserer Betrachtung ist
die denkbar einfachste Marktstruktur, namlich die des Monopols.
Betrachtet sei also ein Monopolist, der bei Stuckkosten c den Markt zum (Monopol-)
Preis pm(c) bedient. Weiterhin gebe es eine zweite, im Augenblick inaktive Firma, die
potentiell in den Markt des Monopolisten eintreten konnte. Es handelt sich also nicht
um ein naturliches Monopol, sondern z.B. um ein Monopol, das auf den Besitz eines
Patentes durch Firma 1 zuruckzufuhren ist.
Beide Firmen haben nun die Moglichkeit, durch F&E-Aufwendungen eine patentier-
bare Prozeßinnovation zu realisieren, die die Produktionskosten auf c < c reduzieren
wurde. Alternativ konnte man sich (wie Gilbert und Newbery [1982]) vorstellen, daß
die neue Technologie die Herstellung eines Substitutes zu dem vom Monopolisten ange-
botenen Gut erlauben wurde. Das Patent wurde allerdings nur einer der beiden Firmen
zufallen, namlich der, die mit der ersten patentierbaren Neuerung aufwarten konnte.
D.h. also vor der Innovation herrscht die Marktstruktur des Monopols, nach der er-
folgreichen Innovation entweder weiterhin die des Monopols (wenn der Monopolist das
Patentrennen gewinnt) oder die des Duopols (wenn namlich der potentielle Zutreter
das Patent gewinnt).
Welche Anstrengungen (Aufwendungen) fur die Erlangung des neuen Patentes werden
die beiden Firmen tatigen? Falls nur der Monopolist patentieren konnte — so Arrow’s
Analyse — ware der Wert des Patentes fur ihn durch Wm gegeben. Falls nur der Kon-
kurrent patentieren konnte (und Bertrand-Wettbewerb im Produktmarkt herrscht),
ware der Wert fur ihn durch Ww gegeben. Da Ww > Wm konnte man schließen, daß
das Patent fur den Marktzutreter erstrebenswerter ist, und er daher einen großeren An-
reiz zum Gewinn desselben hat. Dies erweist sich jedoch als Fehlschluß, da die beiden
Werte Ww und Wm im letzten Abschnitt gerade ohne die Berucksichtigung wettbe-
werblicher Interaktion ermittelt wurden, da immer nur eine Firma agieren konnte.
Nun haben aber beide gleichzeitig und in Konkurrenz zueinander die Moglichkeit, sich
um das Patent bemuhen. Die strategische Interaktion der beiden wird dabei gerade zu
einer Umkehrung der Anreizstruktur fuhren!
Stellen wir uns der Einfachheit halber vor, daß der Patentierungs- oder Erfindungszeit-
punkt eine deterministische(!) Funktion der gesamten F&E-Aufwendungen einer Firma
Industrieokonomik 115
ist. Außerdem sei dieser Zusammenhang zwischen Aufwendungen und Erfolgszeitpunkt
fur beide Firmen der gleiche. Naturlich unterstellen wir dabei, daß hohere Aufwendun-
gen fur F&E zu einem fruheren Patentierungszeitpunkt fuhren; d.h. wir konnen dies so
darstellen, daß wir den Gegenwartswert eines optimalen Ausgabenpfades, der zur In-
novation im Zeitpunkt t fuhrt, gegen die Zeitachse auftragen. Hierbei bezeichnet C(t)
den Gegenwartwert eines optimalen Ausgabenpfades, der zur Innovation in t fuhrt.
�
�
t
C(t)
t
c
.......................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................
Naturlich ist die Annahme, daß ein bestimmter F&E- Aufwand, C, mit Sicherheit zum
Innovationserfolg in t fuhrt, unrealistisch. Sie wird hier aber dadurch gerechtfertigt,
daß wir zunachst die reine Anreizstruktur studieren wollen, die sich hinter den stocha-
stischen Einflussen verbirgt.
Beide Firmen bestimmen nun simultan, welchen Ausgabenpfad; d.h. verkurzt welches
F&E-Ausgabenniveau Cm und Ce, sie wahlen wollen. Dazu muß sich jede Firma uber-
legen, welchen Wert das Patent im Erfolgsfalle fur sie besitzt.
Bezeichne pm(c) den Monopolpreis vor der Innovation und Πm(c) der zugehorige Mo-
nopolgewinn.
fur die ex-post-Betrachtung nach der Innovation sind zwei Falle zu unterscheiden:
(i) pm(c) sei der Monopolpreis bei Kosten c und Πm(c) der Monopolgewinn und
(ii) Πm(pm, pe) und Πe(pm, pe) seien die Duopolprofite fur den Monopolisten (m) und
den erfolgreichen Zutreter (e), wenn diese ihre Preise zu pm und pe wahlen.
Industrieokonomik 116
Obige Großen sind eigentlich Profitraten; d.h. bei expliziter Berucksichtigung der zeit-
lichen Dimension t unter Verwendung der Diskontrate r erhalten wir folgende Werte
des Patentes fur die Wettbewerber:
Bei Eintritt zum Zeitpunkt T gilt fur den Zutreter e
Πe =∫ ∞
TΠe(pm, pe) · e−rtdt − C(T )
und fur den Monopolisten
Πem =
∫ T
0Πm(c) · e−rtdt +
∫ ∞
TΠm(pm, pe) · e−rtdt
Es ist daher klar, daß der Zutreter e nur zutreten wird, wenn er sich davon nicht-
negative Gewinne Πe versprechen kann; d.h. der fruhestmogliche Zeitpunkt fur ihn ist
der, zu dem Πe = 0 ist; d.h. T ∗ mit
C(T ∗) =∫ ∞
T ∗Πe(pm, pe) · e−rtdt
fuhrt gerade zu Nullgewinnen, und somit ist Ve = C(T ∗) die Bewertung des Patentes
durch den Zutreter. Hochstens Ve ist er bereit, fur das Patent aufzuwenden.
Dies fuhrt auf die Frage, ob der Monopolist wohl einen Anreiz hat, dem Konkurrenten
zuvorzukommen (englisch: to preempt) und seinen Ausgabenplan gerade so zu wahlen,
daß er unmittelbar vor T ∗ patentieren kann. Dazu mußte er – diskontiert – C(T ∗) + δ
fur F&E aufwenden; dies wurde Zutritt verhindern (da er nun das Patent gewinnt)
und zur Auszahlung Πnem (ne = no entry) fuhren, wobei
Πnem =
∫ T ∗−ε
0Πm(c) · e−rtdt +
∫ ∞
T ∗−εΠm(c) · e−rtdt − C(T ∗) − δ
(Bemerkung: Die um δ > 0 erhohten Aufwendungen fuhren zu einem um ε > 0 fruheren
Innovationszeitpunkt.)
Der Monopolist hat nun bei seiner F&E- Entscheidung abzuwagen, ob er Eintritt zulas-
sen soll oder nicht. Sein Anreiz zu patentieren ergibt sich gerade aus der Differenz der
Gewinne bei der Erlangung des Patentes und bei Nichterlangung (mit δ → 0, ε → 0):
Vm = Πnem − Πe
m
=∫ ∞
T ∗[Πm(c) − Πm(pm, pe)] · e−rtdt − C(T ∗)
=∫ ∞
T ∗[Πm(c) − [Πm(pm, pe) + Πe(pm, pe)]] · e−rtdt
Industrieokonomik 117
da C(T ∗) =∫ ∞
T ∗Πe(pm, pe) · e−rtdt.
Folglich gilt
Vm > 0 ⇐⇒ Πm(c) > Πm(pm, pe) + Πe(pm, pe)
Von der rechten Ungleichung ist aber immer auszugehen: sie bezeichnet gerade den
sog. Effizienz-Effekt von Zutritt bzw. Wettbewerb. Die Summe der Firmengewinne im
Duopol (= rechte Seite Πm(pm, pe) + Πe(pm, pe)) ist niedriger als die Gesamtgewinne
im Monopol (= linke Seite Πm(c)).
Daher hat der Monopolist einen Anreiz zu praventivem Patentieren (preemptive paten-
ting), um Marktzutritt zu verhindern. D.h. aber auch, daß er die hohere Bewertung des
Patentes haben muß, da sich fur ihn auch hohere Ausgaben als C(T ∗), was das Limit
fur den Zutreter darstellt, noch rechnen:
Vm > C(T ∗) = Ve .
Dabei ist nicht gesagt, daß sich der Monopolist im Vergleich zur Situation vor dem Pa-
tentrennen verbessert; er verhindert aber, daß er sich stark verschlechtert. Der Zutreter
kann im Erfolgsfalle nur Duopolgewinne erringen, der Monopolist hingegen Monopolge-
winne, die sich im wesentlichen auch aus der Verteidigung seiner Monopol(gewinn)stellung
vor der Innovation ergeben. Diese Asymmetrie gibt den Ausschlag zugunsten des Mo-
nopolisten. Nur wenn die Innovation drastisch ware — und der Zutreter bei Erfolg
— eine Monopolstellung erhalten wurde, ware die Situation ausgeglichen. Dieses Ar-
gument gibt auch eine Begrundung fur die Beobachtung sogenannter ‘schlafender Pa-
tente’ her: ein Unternehmen kann — unter kostenintensivem F&E-Aufwand — ein
Patent erwerben, ohne die Absicht zu hegen, es zu nutzen. Sein Zweck kann allein dar-
in bestehen, potentielle Wettbewerber von seinem Gebrauch abzuhalten. Zwar haben
wir oben unterstellt, daß der Monopolist im Erfolgsfalle das Patent benutzt, da wir
mit Πm(c) gerechnet haben; die Effizienz-Effekt-Ungleichung konnte jedoch auch mit
Πm(c) gelten und dann mußte der Monopolist das Patent nicht im Markt nutzen, um
Zutritt abzuschrecken! In beiden Fallen hatten wir es aber mit einer Form strategischer
Marktzutrittsabwehr zu tun, die eine ist nur effizienter als die andere.
Das Argument zeigt, daß Monopolen eine Tendenz innewohnt selbsterhaltend zu sein:
ein einmal errungenes Monopol gibt Anreiz, es zu verteidigen. Gerade diesen Anreiz
hat ein neuer Wettbewerber nicht: tritt er ein, kann er allenfalls die im Wettbewerb
Industrieokonomik 118
eingesetzten Ressourcen verlieren, der Monopolist hingegen die von ihm eingesetzten
Ressourcen und Teile seiner Monopolrente! Dies gibt ihm einen strategischen Vorteil,
den er auch zu seinen Gunsten ausnutzt. Dies bedeutet aber, daß bei dynamischer Be-
trachtungsweise die Wohlfahrtsverluste aus der Marktform Monopol noch hoher aus-
fallen als bei nur statischer Betrachtung in Form des beruhmten ‘toten Verlustes’ ! Zu
letztem hinzugezahlt werden mussen die strategischen ‘Monopolverteidigungskosten’
und — bei Erfolg — der neuerlich resultierende ‘tote Verlust’ aus dem verteidigten
Monopol. Patente konnen also nach diesem Argument Monopole, die sie schaffen, au-
tomatisch zementieren helfen durch die von ihnen ausgeloste asymmetrische Anreiz-
struktur. Dies hat vor allem ausgehend von Arbeiten von Gilbert (z.B. Gilbert [1981]
und Gilbert & Newbery [1982,1984]) eine lebhafte Diskussion um die Wunschbarkeit
eines Patentsystems ausgelost, in der auch dessen Abschaffung verlangt wurde, weil die
Wohlfahrtsgewinne fur die Gesellschaft aus der ausgelosten Innovationstatigkeit mogli-
cherweise wieder zunichte gemacht werden von den zeitlich kumulierten Verlusten aus
den wettberbsverhindernden Patentmonopolen.
Wir wollen darauf erst eingehen, wenn wir das Modell von Gilbert und Newbery [1982],
aus dem wir obige Aussage abgeleitet haben, einer eingehenden Kritik unterzogen ha-
ben.
Dazu ist es hilfreich, diese Modellierung eines Patentrennens formal als eine Auktion
aufzufassen: das Objekt der Auktion ist das Patent, fur welches die Bieter (Monopolist
und potentielle Zutreter) Reservationspreise Vm und Ve haben. Gebote werden in Form
von F&E-Aufwendungen gemacht. Der hochste Bieter gewinnt das Patent (weil das
hochste Gebot zum fruhesten Innovationszeitpunkt fuhrt).
Von dieser Warte aus ist sofort einsichtig, daß der Monopolist das Patent ‘ersteigern’
wird, da Vm > Ve. Das offenbar verwendete Modell der englischen Auktion unterstellt
nun aber, daß nur dem hochsten Bieter auch Kosten (namlich in Hohe seines erfolg-
reichen Gebotes) entstehen. Der Unterlegene, weil der niedriger Bietende, zahlt nichts.
Das ist aber offensichtlich nicht unbedingt der Fall in realen Patentrennen, wo Un-
terlegene sehr wohl Kosten hatten, welche sie nun abschreiben mussen! Gilbert und
Newbery [1982] rechtfertigen denn auch ihre Modellierung damit, daß der Monopolist,
den potentiellen Zutritt voraussehend, als erster mit einem Gebot von Ve die Auktion
eroffnet, worauf der Konkurrent auf ein weiteres (nicht lohnendes) Gebot verzichtet.
Sie behelfen sich also mit einer sequentiellen Interpretation der englischen Auktion, wo-
Industrieokonomik 119
bei sie von vornherein festlegen, daß der Monopolist zuerst bietet und daraufhin auch
festgelegt ist, die gebotenen Aufwendungen fur F&E auch tatsachlich zu machen. Hier
jedoch liegt gerade die Schwache dieser Argumentation (was von Gilbert und Newbery
auch eingestanden wird): die Festlegung des Monopolisten ist nicht glaubwurdig. Warum
sollte er, nachdem kein weiteres Gebot erfolgt ist (und d.h. nachdem kein Zutritt erfolgt
ist), tatsachlich F&E-Aufwendungen tatigen, da er auch ohne diese Monopolist bleiben
kann? Er brauchte im Grunde genommen gar nicht zu bieten, er muß nur abwarten,
ob Zutritt erfolgt oder nicht. Erfolgt Zutritt (mit einem Gebot von hochstens Ve), so
kontert er mit einem Gegengebot von Ve + ε und gewinnt. Ein rationaler Zutreter wird
dies voraussehen und sich daher die Muhe zuzutreten erst gar nicht machen.
Obige Modellierung wird nur konsistent, wenn man annimmmt, daß alle Gebote, die
gemacht werden, auch bezahlt werden mussen. Gebote sind also irreversible Investitio-
nen, die — so sie einmal gemacht sind — als sunk (cost) anzusehen sind. Mit dieser
Interpretation wird — unter Beibehaltung der exogen auferlegten Gebotsreihenfolge
— die Losung von Gilbert und Newbery zu einem Gleichgewicht. Auktionen, in denen
alle Gebote, auch die nicht erfolgreichen, bezahlt werden mussen, heißen auch ‘All-Pay-
Auktionen’. Der entscheidende Unterschied zwischen ‘normalen’ Auktionen, in denen
nur der erfolgreiche Bieter etwas bezahlt, und All-Pay-Auktionen besteht also darin,
daß in einer normalen Auktion ein Gebot nur eine bedingte Zahlungsverspflichtung dar-
stellt (namlich bedingt auf das Ereignis, hochster Bieter zu sein), wahrend ein Gebot
in einer ‘All-Pay-Auktion’ eine unbedingte Zahlungsverpflichtung darstellt. Naturlich
wird dies fur das Bieterverhalten von großer Bedeutung sein.
Stellen wir uns also vor, die Wettbewerber wurden simultan bieten, wobei das hochste
Gebot gewinnt und beide Gebote bezahlt werden mussen. Vm resp. Ve bezeichne wei-
terhin die Bewertungen des Patentes durch die Konkurrenten.
Bezeichne nun pm(xm, xe) die Gewinnwahrscheinlichkeit des Monopolisten, falls die
Gebote xm und xe gemacht werden. Offensichtlich gilt
pm(xm, xe) =
⎧⎪⎪⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎪⎪⎩
1 falls xm > xe
1
2falls xm = xe
0 falls xm < xe
und pe = 1 − pm. Naturlich wird der Monopolist sein Gebot xm aus [0, Vm] wahlen,
ebenso wird gelten xe ∈ [0, Ve].
Industrieokonomik 120
Die (erwarteten) Gewinne fur die beiden Bieter ergeben sich zu
Πm = Vm · pm(xm, xe) − xm
= (Vm − xm)pm(xm, xe) − xm · (1 − pm(xm, xe))
undΠe = Ve · (1 − pm(xm, xe)) − xe
= (Ve − xe)(1 − pm(xm, xe)) − xe · pm(xm, xe)
Es ist sofort klar, daß in diesem Spiel, dessen Spieler, Auszahlungsfunktionen und
Strategienraume wir nun angegeben haben, kein Gleichgewicht in reinen Strategien
existieren kann! (Ware z.B. das GG-Gebot des Zutreters x∗e, so mußte der Monopolist
nur x∗m = x∗
e + ε bieten, um zu gewinnen. Dann wurde der Zutreter aber x∗e verlieren,
was fur ihn nicht die beste Aktion sein kann.)
Verwenden die Spieler aber gemischte Strategien, so konnen wir diese durch Verteilungs-
funktionen auf [0, Ve] darstellen, da man leicht uberlegt, daß es fur den Monopolisten
nie optimal sein kann, ein Gebot xm > Ve zu bezahlen. Bezeichne Fm die Verteilung
der Gebote des Monopolisten und Fe die des Zutreters. Dann gilt im erweiterten Stra-
tegienraum
Πm(xm, Fe) =∫ xm
0(Vm − xm)dFe(x) −
∫ Ve
xm
xmdFe(x);
Πe(Fm, xe) =∫ xe
0(Ve − xe)dFm(x) −
∫ Ve
xe
xedFm(x) ;
d.h. Πm(xm, Fe) gibt die erwartete Auszahlung eines Gebotes von xm fur den Monopo-
listen an, wenn er annimmt, daß der Zutreter sein Gebot nach der Verteilung Fe(xe)
bestimmt.
Wahlt der Monopolist nun seinerseits nach der Verteilung Fm so ergibt sich
Πm(Fm, Fe) =∫ Ve
0Πm(xm, Fe)dFm(x)
(resp. Πe(Fm, Fe) =∫ Ve
0Πe(Fm, xe)dFe(x)) .
Man kann zeigen, daß es ein eindeutiges (Nash-) Gleichgewicht in gemischten Strategien
gibt. Die Gleichgewichtsgebotsverteilungen lauten
F ∗m(xm) =
xm
Vefur 0 ≤ xm ≤ Ve
F ∗e (xe) =
Vm − Ve
Vm+
xe
Vmfur 0 ≤ xe ≤ Ve
Industrieokonomik 121
Dies fuhrt nun zu Gleichgewichts-Gewinnen von
Πm(F ∗m, F ∗
e ) = Vm − Ve
und Πe(F ∗m, F ∗
m) = 0 .
Der Monopolist wahlt also als gemischte Strategie die Gleichverteilung auf [0, Ve]. Auch
der Zutreter wahlt eine Gleichverteilung auf [0, Ve], falls er zutritt. Er tritt allerdings
mit Wahrscheinlichkeit Vm−Ve
Vm= F ∗
e (0) erst gar nicht zu! Je großer die Differenz der
Bewertungen, desto großer die Wahrscheinlichkeit, daß kein Zutritt erfolgt.
Wir sehen also, daß praventives Patentieren fur den Monopolisten nun nicht mehr
moglich (bzw. lohnend) ist. Er gewinnt nicht mehr mit Sicherheit, aber mit hoherer
Wahrscheinlichkeit:
Es gilt fur alle x ∈ [0, Ve], daß F ∗e (x) ≥ F ∗
m(x); das heißt Fm dominiert Fe stochastisch
und daher muß fur die Gewinnwahrscheinlichkeiten gelten: p∗m ≥ p∗e . Mit anderen
Worten: Das Patentsystem verhindert Zutritt nicht (wie bei Gilbert und Newbery), es
erschwert ihn nur.
Es fallt auch auf, daß nun die Gebote durchweg niedriger ausfallen, als bei der Losung
von Gilbert und Newbery. Dies reflektiert das erhohte Verlustrisiko eines Gebotes in
einem ‘All-Pay-Wettbewerb’. Dies mindert einerseits das Innovationstempo, da nun
der Innovationszeitpunkt spater erfolgt, es verhindert andererseits soziale Verluste in
zu großer Hohe, die durch die (nutzlosen) Gebote nicht erfolgreicher Bieter entstehen.
Diese Modellierung lost auch das Glaubwurdigkeitsproblem, nun wird im Gleichgewicht
tatsachlich geboten und dies heißt, daß technischer Fortschritt erfolgt. Entweder erfolgt
die Innovation in einem Monopol (falls der Monopolist gewinnt) oder in einem Duopol
(falls der Zutreter gewinnt).
Anmerkung: Der Eindeutigkeitsbeweis ist aufwendig. Es fallt jedoch leicht, die ange-
gebenen Verteilungen F ∗m und F ∗
e als Gleichgewichtsverteilungen zu verifizieren:
In einem Gleichgewicht in gemischten Strategien muß jeder Spieler uber reine
Strategien, die in seiner Mischung vorkommen, indifferent sein; d.h. es muß gelten:
Πm(xm, F ∗e ) = (Vm − xm)F ∗
e (xm) − xm(1 − F ∗e (xm))
= a = constant fur alle xm ∈ [0, Ve]
Πe(F ∗m, xe) = (Ve − xe)F
∗m(xe) − xe(1 − F ∗
m(xe))
= b = constant fur alle xe ∈ [0, Ve]
Industrieokonomik 122
fur a = Vm − Ve und b = 0 ergibt sich nun gerade die oben angegebene Losung!
Es gibt in der okonomischen Literatur zumindest vier voneinander unabhangige
Beweise dieser Gleichgewichts-Aussage, was die allgemeine Bedeutung von ‘All-
Pay-Auktionen’ fur die verschiedensten wirtschaftstheoretischen Bereiche unter-
streicht. Im Zusammenhang mit Patentrennen wurde er von Lippman und Mamer
[1988] gefuhrt.
Beide bisher vorgestellten ‘Patentrennen’ postulieren eine exogen vorgegebene Zugfol-
ge; einmal erhalt der Monopolist ‘naturgegeben’ den ersten Zug, einmal mussen die
beiden Wettbewerber simultan (bzw. sequentiell, aber in Unkenntnis des Zuges der
Opponenten) ihre Entscheidung treffen.
Wir wollen nun der Frage nachgehen, welche Zugfolge sich endogen ergeben wurde,
wenn die Wettbewerber auch den Zeitpunkt ihrer F&E - Investition wahlen konn-
ten. Hierzu ubertragen wir ein einfaches Modell von Leininger [1993] zur allgemeinen
Theorie des Rent-Seeking (eine Patentrente kann als Spezialfall einer Rente aufgefaßt
werden) auf den hier betrachteten Fall eines Patentrennens zwischen zwei Wettbewer-
bern.
Die beiden Konkurrenten seien weiterhin der Monopolist m mit Bewertung des Patentes
von Vm und der Zutreter e mit der Bewertung Ve (und Vm > Ve). Wir bezeichnen Gebote
(Aufwendungen fur F&E) mit xm resp. xe. Wir nehmen nun aber eine stochastische
und nicht mehr deterministische Struktur des ‘Wettlaufes’ an; d.h. wir unterstellen,
daß Gebote in Hohe von xm (von Seiten des Monopolisten) und xe (von Seiten des
Zutreters) zu Gewinnwahrscheinlichkeiten von
pm(xm, xe) =a · xm
a · xm + xeund
pe(xm, xe) = 1 − pm(xm, xe) =xe
a · xm + xefuhren.
Ware a = 1 so hieße dies, daß die Erfolgsaussichten fur jeden Wettbewerber gerade pro-
portional zu seinen Aufwendungen fur F&E im Verhaltnis zu den Gesamtaufwendungen
waren (fur a = 1 und xm = xe wurde gerade pm = pe = 12
folgen) Man kann nun ins-
besondere nicht mehr sicherstellen, durch ein hoheres Gebot auch mit Sicherheit als
erster zu innovieren. Die Konstante a > 0 kann als Effizienzparameter interpretiert
werden: a > 1 bedeutet, daß der Monopolist ‘fahiger’ ist, Aufwendungen in Erfolg
umzuwandeln; a < 1 spricht eine großere diesbezugliche Fahigkeit dem Zutreter zu.
Hat beispielsweise der Zutreter bessere Wissenschaftler (‘Forscher’) fur sein Vorhaben
Industrieokonomik 123
verpflichten konnen, so ist sein Ertrag pro 100000,- DM Forschergehalt (gemessen in
Gewinnwahrscheinlichkeit) vermutlich hoher als derjenige von m und daher a < 1 die
richtige Modellierung.
Die erwarteten Auszahlungen fur m und e ergeben sich nun zu
Πm(xm, xe) = pm(xm, xe)(Vm − xm) + (1 − pm(xm, xe)) · (−xm)
= pm(xm, xe) · Vm − xm
=a · xm
a · xm + xe· Vm − xm
und
Πe(xm, xe) =xe
a · xm + xe· Ve − xe
Die (beiden ) Spieler mussen nun aber nicht nur entscheiden, wieviel sie bieten wollen,
sondern auch wann sie bieten wollen. Unser Spiel hat folgende zweistufige Struktur:
• Stufe I:
Die Konkurrenten entscheiden simultan, ob sie ‘fruh’ (F ) oder ‘spat’ (S) ihr
Gebot abgeben wollen.
• Stufe II:
Das Ergebnis von Stufe I wird offenbart und der Wettbewerb um das Patent
findet mit simultanen Zugen statt, falls (F, F ) oder (S, S) auf Stufe I gewahlt
wurde, andernfalls mit sequentiellen Zugen (nach (F, S) oder (S, F )).
Ein teilspielperfektes Gleichgewicht dieses Spiels waren Strategien {t∗i , x∗i (te, tm)}i∈{m,e},
wobei t∗i ∈ {F, S} und x∗i ∈ [0,∞), so daß
a) {x∗m(tm, te), x
∗e(tm, te)} ein Gleichgewicht der ‘all-pay’-Auktion auf Stufe II ist,
und
b) {t∗m, t∗e} ein Gleichgewicht des ‘timing’- Spieles auf Stufe I (unter Berucksichtigung
der Fortsetzungen x∗m(tm, te), x
∗e(tm, te) auf Stufe II) ist.
In diesem Gleichgewicht wird also insbesondere auch die Zugfolge endogen als entweder
‘e vor m’ oder ‘m vor e’ oder ‘simultan’ bestimmt!
Das folgende Diagramm verdeutlicht den Spielbaum und die moglichen Teilspiele auf
Stufe II.
Industrieokonomik 124
�
� ���
��
m
sequentielle
Gebote
e zuerst
simultane
Gebote
(Nash)
sequentielle
Gebote
m zuerst
simultane
Gebote
(Nash)
F S F S
e
F S
Man errechnet nun leicht die Gleichgewichte der moglichen Teilspiele auf Stufe II:
Wird simultan gespielt (nach (F, F ) bzw. (S, S)), so lauten die Gleichgewichts-Gebote:
x∗m =
a · v(a + v)2
Vm, wobei v =Ve
Vmund x∗
e =a · v
(a + v)2Ve
mit Gleichgewichts-Auszahlungen
Πm(x∗m, x∗
e) =a2
(a + v)2· Vm und Πe(x∗
m, x∗e) =
v2
(a + v)2· Ve .
Nach (F, S) hingegen ist m Stackelberg-Fuhrer und e zieht nach, was zu Gleichgewichts-
Auszahlungen von
ΠmF (x∗F
m , x∗Se ) =
⎧⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎩
Vm − 1
a· Ve falls Vm ≥ 2
a· Ve
a
4v· Vm falls Vm ≤ 2
a· Ve
und
ΠeS(x∗F
m , x∗Se ) =
⎧⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎩
0 falls Vm ≥ 2
a· Ve
(1 − a
2v)2 · Ve falls Vm ≤ 2
a· Ve
fuhrt. Entsprechend gilt nach (S, F ) mit vertauschten Fuhrer/ Nachfolger-Rollen
ΠmS (x∗S
m , x∗Fe ) =
⎧⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎩
0 falls Vm ≤ 1
2a· Ve
(1 − v
2a)2 · Vm falls Vm ≥ 1
2a· Ve
Industrieokonomik 125
und
ΠeF (x∗S
m , x∗Fe ) =
⎧⎪⎪⎪⎨⎪⎪⎪⎩
Ve − a · Vm falls Vm ≤ 1
2a· Ve
v
4a· Ve falls Vm ≥ 1
2a· Ve
Die Aufspaltungen ergeben sich, weil bei zu großer (mit a gewichteter) Differenz in
den Bewertungen der Erstziehende ein so hohes Gebot macht, daß es sich fur den
Nachziehenden nicht mehr lohnt zu bieten; d.h. diese Form ‘praventiven’ Patentierens
tritt auf, wenn angesichts des hohen Gebotes des Erstziehenden und der bekannten
Unsicherheit bezuglich der Konsequenz eines Gebotes der Nachziehende zu dem Schluß
kommt, daß ein Gebot, das eine positive Gewinnwahrscheinlichkeit sichert, schlicht zu
teuer ist. Nichtbieten aber fuhrt zu erwarteten Gewinnen von 0.
Die vorausgehende Analyse der Gleichgewichte der moglichen Teilspiele auf Stufe II
reduziert das ‘timing’-Spiel auf Stufe I, in dem das Teilspiel, das in Stufe II gespielt
werden wird, festgelegt wird auf folgendes Normalform-Spiel:
S
F
F S
Πm, Πe ΠmF , Πe
S
Πm, ΠeΠmS , Πe
F
e
m
Man uberzeugt sich leicht, daß gilt
i) ΠmF > Πm
S ⇐⇒ ΠeS > Πe
F ;
d.h. wenn m es vorzieht Fuhrer zu sein, zieht es e gleichzeitig vor, Nachziehender
zu sein (und umgekehrt!). D.h. abhangig von Vm, Ve und a waren sich die beiden
Spieler immer uber die Zugfolge einig, wenn sie sequentiell spielen mußten.
Genauer gilt
ii) ΠmF > Πm
S ⇐⇒ a · Vm < Ve ( ⇐⇒ ΠeS > Πe
F )
Industrieokonomik 126
ΠmF < Πm
S ⇐⇒ a · Vm > Ve ( ⇐⇒ ΠeS < Πe
F )
Der Vergleich zwischen a · Vm und Ve mißt in gewisser Weise die ‘Starke’ der beiden
Konkurrenten. Es ist demnach immer der ‘Schwachere’, der bei sequentiellem Spiel als
erster ziehen mochte!
Es folgt nun auch sofort, daß die von den Spielern bevorzugte sequentielle Losung fur
beide besser ist als simultanes Spiel, d.h. es gilt
ΠeS > Πe
F > Πe und ΠmF > Πm > Πm
S falls a · Vm < Ve
ΠeF > Πe > Πe
S und ΠmS > Πm
F > Πm falls a · Vm > Ve
Somit folgt:
Das 2-Stufen-Spiel besitzt ein eindeutiges teilspielperfektes Gleichgewicht, in
dem der ‘schwachere’ Spieler zuerst bietet und dann der ‘starkere’ Spieler.
Damit erweisen sich sowohl das Modell von Gilbert und Newbery, in dem der Mono-
polist (= starkerer Spieler, da Vm > Ve) als erster zieht, als auch das simultane Spiel
von Lippman und Mamer bei Einfuhrung einer stochastischen F&E-Technologie als
kritikwurdig.
Es lohnt nun, sich die moglichen Falle bei Variation von a und v = Ve
Vmgenauer anzu-
sehen:
Der Wert des Parameters a entscheidet, wer mehr an F&E-Aufwendungen tatigen wird.
Das wird naturlich der weniger ‘Fahige’ sein, der dieses Manko auszugleichen sucht;
d.h.a < 1 : Monopolist m bietet mehr
a > 1 : Zutreter e bietet mehr
Der Vergleich zwischen a und v(= Ve
Vm) bestimmt die Reihenfolge der Zuge, da — wie
gesehen — a · Vm < (>)Ve aquivalent ist zu a < (>)v.
Nun gilt im betrachteten Fall immer Vm > Ve und daher v < 1. Es ergeben sich also 3
Falle:
• Fall 1: a < v
Der Monopolist bietet zuerst und bietet auch mehr, trotzdem gewinnt er mit
geringerer Wahrscheinlichkeit
pm =a
2v<
1
2
Industrieokonomik 127
• Fall 2: v ≤ a ≤ 1
Der Zutreter e bietet zuerst und bietet weniger , e gewinnt mit geringerer Wahr-
scheinlichkeit
pe =v
2a<
1
2
• Fall 3: 1 < a
Der Zutreter e bietet zuerst und auch mehr, gewinnt aber mit noch geringerer
Wahrscheinlichkeit
pe =v
2a<
1
2
Am einfachsten ist Fall 3 zu interpretieren: hier liegen sowohl die großere ‘Starke’
(glaubwurdigere Drohkraft) als auch die großere Fahigkeit auf Seiten des Monopoli-
sten. Der Zutreter kann also nur auf den ‘Zufall’ bauen. Er tut dies, indem er einen
geringen Forschungsaufwand treibt, den er als erster auch zu offenbaren bereit ist. Der
Monopolist — im Vertrauen auf seine Starke und sein Wissen, daß der Zutreter seine
Starken kennt — wartet ab. Dann nutzt er seine Starken, deren erste Fruchte im nied-
rigeren Gebot des Zutreters bestehen, um mit einem niedrigeren Gebot als der Zutreter
sich nichtsdestotrotz eine hohe Gewinnwahrscheinlichkeit zu sichern.
Im zweiten Fall besitzt der Monopolist die großere Starke, aber der Zutreter die hohere
Fahigkeit. Letztere kann den Nachteil der geringeren Starke jedoch nicht ausgleichen
(v ≤ a). Der Zutreter bietet wiederum zuerst, weiß aber, daß der Monopolist durch
ein hoheres Gebot (‘mehr’ Wissenschaftler) seinen Nachteil in bezug auf Fahigkeit
(‘weniger gute’ Wissenschaftler) voll ausgleichen kann. Seine Gewinnwahrscheinlichkeit
ist nun hoher als im Fall 3, bleibt aber geringer als die des Monopolisten. Diese beiden
Ergebnisse sind nicht zuletzt deshalb interessant, weil sie ein oft geaußertes Vorurteil,
das erfolgreiche, machtige Marktfuhrer oder Monopolisten als mit der Zeit ‘trage’,
‘verkalkt’ und in Burokratie erstarrt (IBM!) portratiert, widerlegt. Daß ein Marktfuhrer
vorwiegend oder nur reagiert (d.h. nachzieht) muß nichts mit Tragheit zu tun haben,
sondern kann rationalem, gewinnmaximierendem Kalkul entsprechen! Der Monopolist
verhalt sich wie eine Fußballmannschaft, die 2:0 fuhrt und nun nicht mehr tut als zum
Sieg notig ist; die zuruckliegende Mannschaft fordert die fuhrende nicht unnotig heraus,
da sie deren potentielle Spielstarke kennt und ihr ein 0:2 lieber ist als ein 1:7!
Der Fall des trage gewordenen Monopolisten ist am ehesten in Fall 1 wiederzuerken-
nen: er ist zwar immer noch der Starkere, aber seine Starke ist von ‘antiquierter’ Art.
Industrieokonomik 128
Die weit großere Fahigkeit des Zutreters uberkompensiert sie! Der trage Monopolist
bietet nun zuerst (die Tragsten mussen die ersten sein!), weiß aber, daß es ‘zu spat’
ist, um das Steuer herumreißen zu konnen. Der Zutreter wird mit einem niedrigeren
Gebot sich die hohere Gewinnwahrscheinlichkeit sichern! In dieser Situation versuchen
derart herausgeforderte Unternehmen meist, den Zutreter ganzlich aufzukaufen oder
— andernfalls — zumindest die Top-Leute des Zutreters gegen horrende Gehaltsver-
sprechen abzuwerben. Oft genug gelingt dies; es sei denn, Eigentumer und Top-Leute
des Zutreters sind identisch (Apple, Microsoft versus IBM)!!
Als Replik auf das Modell von Gilbert und Newbery und die daraus gezogenen Schlusse
ergibt die vorstehende Analyse ein weit positiveres und differenzierteres Bild der Wir-
kung eines Patentsystems. Zwar begunstigt es ‘Etablierte’ (den Monopolisten) notge-
drungen, aber es immunisiert sie nicht dauerhaft vor Zutritt. Man konnte nun sogar von
einer ‘doppelten Anreizwirkung’ sprechen: es motiviert zu F&E-Anstrengungen, weil es
die bessere Aneignung von Gewinnen aus F&E garantiert. Dies ist das traditionelle
Argument. Es motiviert aber auch zu F&E, weil offenbar hinreichend erfolgverspre-
chender Zutritt nur mit hinreichend uberlegenen ‘Fahigkeiten’ moglich ist (Fall 1 resp.
Fall 2).
7.3 Marktstruktur und Innovation
Im letzten Abschnitt haben wir im Detail gezeigt wie technologischer Wettbewerb —
geschutzt und gefordert von der Institution Patentwesen — die Marktstruktur (das
gegebene Monopol) uber die Veranderung der Grundbedingungen verandern kann (zu
einem Duopol). Wir haben insbesondere das Zusammenwirken von Anreizen, strategi-
schem Verhalten und (externer) Unsicherheit beleuchtet. Wir wollen dies nun allgemein
fur komplexere Marktformen mit n Firmen tun, wobei wir auf potentielle Zutreter als
Mitbewerber um das Patent verzichten, da Konkurrenten in Gestalt weiterer bereits
etablierter Firmen von vorherein fur jede einzelne Firma schon existieren. Wir konnen
diese Analyse als ‘moderne’ (weil nicht entscheidungs-, sondern spieltheoretische Mo-
dellierung vorliegt) Version der Arrow’schen Untersuchung interpretieren, wobei nun
zusatzlich auch Unsicherheit explizit modelliert wird. Das Modell geht auf Loury [1979]
zuruck; eine Reinterpretation gaben Lee und Wilde [1980].
Es konkurrieren nun n > 1 Firmen um eine patentierbare Innovation, die zu reali-
Industrieokonomik 129
sieren F&E-Aufwendungen erfordert. Wer zuerst innoviert, gewinnt das Patent (und
die daraus fließende Patentrente). Wiederum dient als Wettbewerbsmodell eine ‘All-
Pay’-Auktion mit simultanen Geboten der n Wettbewerber. Unsicherheit bezuglich des
Resultats von F&E-Aufwendungen wird nun so modelliert, daß ein Gebot (eine For-
schungsanstrengung) in Hohe von x nicht mehr einen sicheren Innovationszeitpunkt
t(x) generiert, sondern nur noch eine Wahrscheinlichkeitsverteilung uber mogliche In-
novationszeitpunkte, F (x) = Prob{t(x) ≤ t}. Der Innovationszeitpunkt bleibt also eine
zufallige Große, deren Verteilung durch die Hohe der F&E-Aufwendungen allerdings
beeinflußt werden kann.
Hat sich der Gebotsvektor x = (x1, . . . , xn), xi = Gebot von Firma i, ergeben, so
errechnet sich die Gewinnwahrscheinlichkeit fur Firma i nach folgendem Wahrschein-
lichkeitsgesetz:
Annahme: Prob{t(xi) ≤ t} = 1 − e−h(xi)·t wobei h(·) eine sog. ‘hazard rate’
darstellt, die die bedingte Wahrscheinlichkeitsdichte fur Erfolg — gegeben Nicht-
Erfolg fur alle t′ < t –
Diese Modellierung ist naturlich willkurlich, fuhrt jedoch zur Erfassung wichtiger ‘stili-
sierter Fakten’ bei gleichzeitiger Rechenbarkeit des Problems. Die erste, schon einfache
Implikation ist, daß bei obigem Verteilungsgesetz fur den erwarteten Innovationszeit-
punkt von Firma i , ti, gilt:
E(ti) =1
h(xi)
und da h naturlich monoton wachsend in x angenommen wird, heißt dies, daß hohere
F&E-Aufwendungen im Mittel zu fruherem Erfolg fuhren. Empirische Untersuchun-
gen legen auch nahe, h als konkav resp. ‘end-konkav’ anzunehmen; d.h. es gilt fur
F&E-Aufwendungen zumindest das allgemeine Ertragsgesetz resp. das Gesetz vom ab-
nehmenden Grenzertrag in Form abnehmender zusatzlicher Innovationswahrscheinlich-
Industrieokonomik 130
keiten:
�
� �
�h(xi)
xi
h(xi)
xi
.................................................................
...............................................................................................................................................................................................................................
..................................................
................
...........................................................................................................................................................................
.................................
.........................................
........................................................
.........................................................
Was ist nun die Gewinnwahrscheinlichkeit fur Firma i, pi(x), wenn sie mit (n − 1)
weiteren Firmen, die Gebote machen, konkurriert und alle der stochastischen ‘F&E-
Technologie’ h(·) ausgesetzt sind?
Man uberzeugt sich leicht, daß gilt, i = 1, . . . , n,
pi(x) = pi(x1, . . . , xn) = Prob{t(xi) ∈ [t, t + dt) und t(xk) > t fur alle k �= i}= h(xi) · e−
∑n
k=1h(xk)·t
Hieraus folgt fur den erwarteten Innovationszeitpunkt t∗
E(t∗) =1∑n
k=1 h(xk)
Diese Formel fur t∗ folgt unmittelbar aus den Formeln fur die individuellen Innovati-
onszeitpunkte ti, da die n Firmen unabhangig voneinander ihr Erfolgserlebnis suchen
und t∗ = min{t1, . . . , tn}.Bezeichne V weiterhin den Wert des Patentes fur eine einzelne Firma. Dann ergibt
sich der erwartete Gewinn fur Firma i bei Diskontrate r aus dem Gebotsvektor x =
(x1, . . . , xn) zu
Vi(x1, . . . , xn) = V (xi, h−i)
=∫ ∞
0V · e−rt · h(xi) · e−(h(xi)+h−i)·tdt − xi
=h(xi)
h(xi) + h−i + r· V − xi ,
wobei h−i =∑
k �=i h(xk) die aggregierte ‘hazard rate’ der Konkurrenten von i ist. Man
beachte, daß alle Gebote zum Zeitpunkt t = 0 gemacht werden.
Industrieokonomik 131
Ein Gleichgewicht x∗ = (x∗1, . . . , x
∗n) dieses Bietwettbewerbs hat gerade die Eigenschaft,
daß
V (x∗i , h
∗−i) ≥ V (xi, h
∗−i)
fur alle xi und i = 1, . . . , n, wobei h∗−i =
∑k �=i h(x∗
k).
In einem symmetrischen Gleichgewicht muß naturlich gelten, daß
x∗i = x∗(n) und h∗
−i = (n − 1) · h(x∗(n)) ;
d.h. die Gleichgewichte hangen nur von n, der Anzahl identischer Firmen, ab. Dies
vereinfacht das Gleichgewichtsproblem enorm und laßt folgende Aussagen uber sym-
metrische Gleichgewichte zu:
i) Mit zunehmender Firmenzahl n sinkt die gleichgewichtige Investition pro Firma
in F&E:
n′ > n ⇐⇒ x∗(n′) < x∗(n)
Entsprechend steigt der erwartete Innovationszeitpunkt fur eine einzelne Firma:
En(ti) =1
h(x∗(n))<
1
h(x∗(n′))= En′(ti)
Dies heißt nun aber (noch) nicht, daß zunehmender Wettbewerb (ein hoheres n) zur
Verlangsamung technischen Fortschritts fuhre. Zwar investieren mehr Firmen individu-
ell weniger in F&E, aber nun haben auch mehr die Chance sehr fruhen Erfolges. In der
Tat ergibt sich unter einer intuitiven Stabilitatsbedingung (daß namlich Mehrinvestiti-
on um eine Einheit seitens einer Firma zu weniger als einer Einheit Gesamtreduktion
der Investition aller anderen Firmen fuhrt) die Aussage:
ii) Mit zunehmender Firmenanzahl n sinkt der erwartete Innovationszeitpunkt t∗:
n′ > n ⇐⇒ t∗(n′) < t∗(n)
Die Stabilitatsbedingung sichert, daß mehr Firmen zu mehr Gesamtinvestition in
F&E fuhren; d.h.
d(n · x∗(n))
dn> 0 , obwohl
dx∗(n)
dn< 0 !
Fuhrt mehr Wettbewerb zu zuviel F&E-Aufwendungen? Da alle Firmen Zugang zur
F&E-Technologie h haben, liegt nahe, daß bei zu vielen gleichen Wettbewerbern zuviel
Parallelforschung betrieben wird. Dies ist in der Tat auch in einem nicht-kooperativen
symmetrischen Gleichgewicht der Fall:
Industrieokonomik 132
iii) Falls V (x∗(n), (n − 1) · h(x∗(n))) ein eindeutiges Maximum besitzt, so sind (bei
gegebenem n) sowohl die individuellen als auch die aggregierten Aufwendungen
fur F&E suboptimal hoch.
Der Grund fur die letzte Aussage liegt einfach darin, daß das soziale Optimum (‘die
Gesellschaft’) nur bewertet, daß die Erfindung gemacht wird (und nicht von wem);
die Wettbewerber aber jeweils das Ziel haben, daß die Erfindung moglichst von ihnen
und nur von ihnen gemacht wird. Auch eine Endogenisierung der Firmenanzahl n uber
freien Zutritt zum Markt fur F&E und eine entsprechende Nullgewinnbedingung als
Gleichgewichtsbedingung andert diese Aussage nicht. Wird n∗ bestimmt durch
V (x∗(n), (n − 1) · h(x∗(n))) ≥ 0 und
V (x∗(n + 1), n · h(x∗(n + 1))) < 0
so gilt noch immer
iv) Freier Zutritt zu F&E resultiert in zu vielen aktiven Firmen, die zu hohe F&E-
Aufwendungen betreiben.
Solange ein frei zuganglicher ‘Pool’ moglicher Innovationen existiert, werden zuviele
versuchen, diese ‘Ressource’ zu ihren Gunsten zu nutzen; der ‘Pool’ wird ‘uberfischt’.
Es ist also durchaus angezeigt, den Anreiz zu F&E-Aufwendungen fur eine einzelne
Firma zu reduzieren! Diesem Ziel entsprechen etwa die Maßnahmen
• keinen perfekten Patentschutz zu gewahren (z.B. begrenzte Dauer)
• ‘spill-over’-Effekte zu ermoglichen; d.h. z.B. gemeinsame Forschungsprojekte an-
sonsten in Outputmarkten konkurrierender Firmen zuzulassen (Forschungskoope-
ration als wettbewerbsrechtliche Ausnahme)
• Lizenzierungsrechte und -gesetze zu etablieren.
Loury’s Modell ist nicht wirklich dynamisch, da es der sog. ‘open-loop’ Gleichgewichts-
analyse folgt; d.h. alle Aktionen finden zum Zeitpunkt t = 0 statt und konnen spater
— selbst wenn Veranlassung dazu bestunde — nicht mehr geandert werden. Dies be-
wog Lee und Wilde [1980] zu einer Reinterpretation des Modelles von Loury, das die-
sem Mangel etwas abhilft, gleichzeitig aber die wesentlichen Aussagen von Loury (in
Industrieokonomik 133
verscharfter Form) bestatigt. Sie interpretieren F&E-Aufwendungen als Flußgroßen
und nicht als (im Zeitpunkt t = 0 gemessene) Bestandsgroßen; d.h. xi wird nun als
Investitionsrate in F&E (pro Zeiteinheit) bis zu erfolgreicher Innovation begriffen; die
Intensitat an Forschungsanstrengungen wird hiermit auch erfaßt und nicht nur ihr Ge-
samtniveau. Dies andert die erwartete Auszahlung fur eine Firma i wie folgt:
V i(x1, . . . , xn) = V (xi, h−i)
=∫ ∞
0[V · e−rt · h(xi) − xi] · e−(h(xi)+h−i)·tdt
=V · h(xi) − xi
h(xi) + h−i + r
Die einzig signifikante Anderung zu den Aussagen des Modells von Loury ergibt sich
bezuglich der Auswirkungen scharferen Wettbewerbs auf das Verhalten einer einzelnen
Firma: unter Beibehaltung der Loury’schen Stabilitatsbedingung gilt nun
i’) Mit zunehmender Firmenanzahl n steigt die gleichgewichtige Investitionsrate pro
Firma in F&E:
n′ > n =⇒ x∗(n′) > x∗(n)
Entsprechend sinkt der erwartete Innovationszeitpunkt fur eine einzelne Firma.
Als Konsequenz von i’) bleiben die Aussagen ii) bis iv) mit noch ausgepragterer Ten-
denz erhalten. Es sei jedoch angemerkt, daß i’) nicht per se in Widerspruch zu i) steht.
Aussage i) betrifft individuelle (lump-sum) Gemsamtinvestitionen; Aussage i’) hingegen
individuelle Investitionsraten, aus denen man nur auf die Gesamtinvestition bei Kennt-
nis des Investitionszeitraumes [0, t∗] schließen kann. Da mehr Wettbewerb (= großeres
n) t∗ senkt, ergibt dies gerade Spielraum fur eine hohere Investitionsrate, die uber einen
kurzeren erwarteten Zeitraum angewandt wird, bei gleichen Gesamtaufwendungen!
Aufbauend auf diesem grundlegenden ‘fruhen’ Modell hat sich die neuere Industrieoko-
nomik insbesondere der Frage zugewandt, was den in diesem Modell als Parameter
gegebenen Wert V des Patentes bestimmt. V wird naturlich nie exogen gegeben sein.
Neben den Eigenschaften der postulierten F&E-Technologie wird er — eingedenk der
Arrow’schen Analyse — auch abhangen von den Charakteristika des Outputmarktes
der um Innovation konkurrierenden Firmen. Dies heißt aber, daß auch V eine Funk-
tion der gebenen (und durch Innovationswettbewerb, dessen Anreizstruktur V mitbe-
stimmt, veranderbaren) Marktstruktur selbst ist. Es ergeben sich also hochst komplexe
Industrieokonomik 134
Zusammenhange, deren spieltheoretische Analyse sehr schnell anspruchsvoll werden
kann. Generell kann man sagen, daß sich der Wert einer Innovation (eines Patentes) V
fur eine einzelne Firma aus der Differenz ihrer Gewinne im Gleichgewicht der Markt-
struktur vor dem Patentrennen und im Gleichgewicht der Marktstruktur nach dem
Patentrennen ergibt. Die Hohe dieser Gewinne ist wiederum abhangig vom Markt-
verhalten (Preis- oder Mengenwettbewerb im Outputmarkt). Folglich ergibt sich eine
Vielzahl von Modellierungsmoglichkeiten; die Behandlung dieser Literatur geht jedoch
uber den Rahmen dieser Vorlesung hinaus.
Literatur
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