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Stefan Schäfer
Epochen der deutschen LiteraturBarock – Aufk lärung
Stefan Schäfer
Sekundarstufe II
Abiturvorbereitung
Deutsch
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Epochen derdeutschenLiteraturBarock – Aufklärung
http://www.auer-verlag.de/go/dl7828
Dieser Download ist ein Auszug aus dem Originaltitel
Über diesen Link gelangen Sie zur entsprechenden Produktseite im Web.Epochen der deutschen Literatur
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Was ein Drama ist
Der Band Epochen der deutschen Literatur aus der Reihe Abiturvorbereitung Deutsch bietet Arbeits-blätter, die den Aufbau eines soliden Epochenwissens in einer kleinteiligen Schrittigkeit ermöglichen.
Die Epochenauswahl und deren Darstellung ist dabei den Erfordernissen des Deutschunterrichts der Oberstufe in Deutschland verpflichtet, das heißt dass für den Deutschunterricht gewöhnlich nur wenig relevante Epochen bzw. literarische Strömungen (z. B. Mittelalter oder Pietismus) nicht oder nur am Rande thematisiert werden und dass Besonderheiten insbesondere der österreichischen und schweize-rischen Literatur weitgehend unberücksichtigt bleiben.
Der Aufbau der Arbeitsblätter folgt stets demselben Muster: • Den Auftakt bildet ein Merkkasten zur jeweiligen Epoche (Epochenbild, Themen, Motiv und Autoren
und Werke), der die Epochendarstellung auf ein knappes Basiswissen (gleichsam als „Epochenspick-zettel“) reduziert.
• Dieses erste Epochenwissen gilt es, an repräsentativen, „kanonischen“ Texten aus den jeweiligen Epoche nachzuvollziehen (Aufgaben mit dunkler Grundfläche: 1 , 2 usw.) und zu vertiefen (Aufgaben mit weißer Grundfläche: 2 , 3 usw.). Die Kenntnis und das Verständnis dieser Texte sind somit als Teil des Epochenwissens zu verstehen.
• Der weiteren Vertiefung dienen Informationskästen, etwa zu Kunstformen, Gattungen, Themen oder anderen literarischen Strömungen.
Aufgrund des Aufbaus ergeben sich unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten für die Arbeitsblätter: • zur gemeinsamen lektürebegleitenden Erarbeitung bzw. Wiederholung im Unterricht: Im
Unterricht kann (wiederholend) die Epoche, wie sie mithilfe des Merkkasten und den Aufgaben mit schwarzer Grundfläche erschlossen werden kann, besprochen bzw. erarbeitet werden; die Bearbei-tung der Aufgaben mit weißer Grundfläche bietet sich jeweils als Hausaufgabe an.
• zur selbstständigen Erarbeitung durch die Schüler1: Werden Lücken in bestimmten Epochen deutlich und steht für eine wiederholende Behandlung keine (weitere) Unterrichtszeit zur Verfügung, können die Schüler die entsprechenden Arbeitsblätter auch selbstständig wiederholen; in diesem Fall können ihnen zur Selbstkorrektur auch die Lösungen ausgehändigt werden.
Viel Erfolg bei der Arbeit mit dem Band Epochen der deutschen Literatur!
Stefan Schäfer
1 Aufgrund der besseren Lesbarkeit ist in diesem Buch mit Schüler auch immer Schülerin gemeint, ebenso verhält es sich mit Lehrer und Lehrerin etc.
Vorbemerkungen
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EpochenbildDie Epoche steht in einem doppelten Spannungsverhältnis, einerseits zwischen dem Diesseits und dem Jenseits, andererseits zwischen den Verhältnissen im Diesseits, das auf der einen Seite vom Prunk insbesondere der absolutistischen Herrscher, aber auch vom reichen Bürgertum, auf der anderen Seite von den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648), von Krankheit, Tod und Zerstörung, geprägt ist. Der Mensch schwankt so zwischen Lebensfreunde und Weltangst, die mit einer starken Jenseitsorientierung einhergeht.Literatur und Sprache sind in Deutschland geprägt vom Übergang der lateinischen zur deutschen Dichtkunst, die maßgeblich von Martin Opitz und seinem Buch von der deutschen Poeterey geprägt wurde. Das Künstlerische zeigt sich dabei vor allem in der Beherrschung der Sprachmittel (insbesonde-re der rhetorischen Figuren) und der Verschlüsselung der Inhalte (Allegorie, Emblem).
Themen / MotiveGeborgenheit in Gott und die göttliche Ordnung – Vergänglichkeit der Welt und ihr leerer Schein: Vanitas (lat. „leerer Schein, Nichtigkeit“) – Erkenntnis – Memento mori (lat. „Sei des Todes einge-denk“) – Einsamkeit (Weltabkehr) – Erziehung des Menschen durch Kontrolle der Leidenschaften – Spiel, Lust, Carpe diem (lat. „Genieße den Tag“)
Autoren und WerkeMartin Opitz (1597 – 1639; Buch von der deutschen Poeterey, Poetik 1624) – Andreas Gryphius (1616 – 1664; Lyrik; Leo Armenius, Drama 1650; Absurda comica oder Herr Peter Squenz, Drama 1657) – Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen (1621 / 22–1676; Der abenteuerliche Simplicissimus
Teutsch, Roman 1669) – Angelus Silesius (eigentl. Johannes Scheffler, 1624 – 1677; Epigramme) – Christian Hoffmann von Hoffmannswaldau (1616 – 1679; Lyrik) – Philipp von Zesen (1616 – 1689; Lyrik; Die Adriatische Rosemund, Roman 1645)
Erläutern Sie, wie im Gedicht „Ach Liebste, lass uns eilen“ von Martin Opitz die Carpe-diem-, Vanitas- und Memento-mori-Motive ineinander greifen. Beziehen Sie in Ihre Überlegung die Lavater-Illustration des Vanitas-Motives (vgl. S. 6) mit ein.
Martin Opitz: Ach Liebste, lass uns eilen (1624)
Ach Liebste, lass uns eilen, Wir haben Zeit1:Es schadet das Verweilen Uns beiderseit.Der edlen Schönheit Gaben Fliehen Fuß für Fuß,Dass alles, was wir haben, Verschwinden muss.Der Wangen Zier verbleichet Das Haar wird greis,Der Äuglein Feuer weichet, Die Brunst wird Eis.Das Mündlein von Korallen Wird ungestalt,Die Händ als Schnee verfallen, Und du wirst alt.Drum lass uns jetzt genießen Der Jugend Frucht,Eh denn wir folgen müssen Der Jahre Flucht.Wo du dich selber liebest, So liebe mich,Gib mir, dass, wann du gibest Verlier auch ich.
1 „Zeit“ ist hier im Sinne von „(richtiger) Zeitpunkt“ zu verstehen.
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Vanitas-Motiv aus Johann Caspar LavatersPhysiognomischen Fragmenten (1775–78)
Beschreiben Sie das Gedicht „Ach Liebste, lass uns eilen“ formal.
Untersuchen Sie den folgenden Auszug aus dem „Simplicissimus“ formal (Stilfiguren) und inhaltlich (Aussagen und Motive). Halten Sie Ihre Ergebnisse stichwortartig fest.
Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch
[…] Ich las einstmals, was das Oraculum Apollinis den römischen Abgesandten, als sie fragten, was sie tun müssten, damit ihre Untertanen friedlich regiert würden, zur Antwort gegeben hat: Jeder soll sich selbst erkennen. Deswegen begann ich nachzudenken und mir selbst Rechnung über mein geehrtes Leben abzulegen: „Dein Leben ist kein Leben gewesen sondern ein Tod; deine Tage ein schwerer Schatten, deine Jahr ein schwerer Traum, deine Wollust schwere Sünden, deine Jugend eine Phantasei und deine Wohlfahrt ein leerer Schein, der zum Schornstein hinausfährt und dich verlässt, ehe du dich dessen versiehest!Du bist durch viel Gefährlichkeiten dem Krieg nachgezogen und hast in demselbigen viel Glück und Unglück eingenommen, bist bald hoch bald nieder, bald groß bald klein, bald reich bald arm, bald fröhlich bald betrübt, bald beliebt bald verhasst, bald geehrt und bald verhasst gewesen:Aber nun du, o mein arme Seel, was hast du von dieser ganzen reise zuwege gebracht? Die hast du gewonnen: Ich bin arm an Gut, mein Herz ist beschwert mit Sorgen, zu allem Guten bin ich zu faul, träg und verderbt, und was das Allerelendste, so ist mein Gewissen ängstig und beschwert, du selbsten aber bist mit vielen Sünden überhäuft und abscheulich besudelt! Der Leib ist müd, der Verstand verwirret, die Unschuld ist hin, mein beste Jugend verschlissen, die edle Zeit verloren, nichts ist das mich erfreuet, und über dies alles bin ich mir selber feind.Als ich nach meines Vaters seligem Tod in diese Welt kam, da war ich einfältig und rein, aufrecht und redlich, wahrhaftig, demütig, eingezogen, maßvoll, keusch, schamhaftig, fromm und andächtig; bin aber bald boshaftig, falsch, verlogen, hoffärtig, unruhig und überall ganz gottlos worden, welche Laster ich alle ohne einen Lehrmeister gelernet.Ich nahm meine Ehr in acht, nicht ihrer selbst willen, sondern meiner Erhöhung wegen; ich beobachtete die Zeit, nicht solche zu meiner Seligkeit wohl anzulegen, sondern meinem Leib zunutz zu machen; ich hab mein Leben vielmal in Gefahr geben und hab mich doch niemals beflissen, solches zu bessern, damit ich auch getrost und selig sterben könnte; ich sah nur auf das Gegenwärtige und meinen zeitlichen Nutz und gedachte nicht einmal an das Künftige, viel weniger dass ich dermaleins von Gottes Angesicht müsste Rechenschaft geben!“[…]
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Das folgende Emblem stammt aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Begründen Sie, ob seine Aussage auch repräsentativ für die Zeit des Barocks ist.
EX MAXIMO MINIMUM
Hae sunt Relliquiae Sacrarii, in quoFertur viva Dei fuisse imago.Haec est illius, & domus ruina,In qua olim Ratio tenebat arcem.At nunc horribilis figura Mortis.Ventosum caput, haud habens cerebrum.
Aus dem Größten das Kleinste
Dies sind die Überreste des Tempels, in demdas lebendige Bild Gottes gewesen sein soll.Dies ist außerdem die Ruine des Hauses,in dem die Vernunft einst wohnte.Und nun ist es das schreckliche Bild des Todes,ein lustiges Haupt ohne Gehirn.
EmblemDas Emblem oder Sinnbild ist eine Kunstform, die ihre Wurzel in der Renaissance hat und im Barock zu neuer Bedeutung gelangte. Im Zentrum des Emblems steht ein Bild (Pictura), dessen tiefere Bedeutung sich durch die Inscriptio (die Überschrift als Thema) und der Subscriptio (der Bildunterschrift als dichterischem Gedanken) ergibt.
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EpochenbildDie Aufklärung markiert als gesamteuropäische Epoche einen grundlegenden Wandel im Denken: Der Mensch wird nicht länger als standesbestimmt begriffen, sondern als mündiges, vernunftgeleitetes Wesen. Der Aufklärer versteht sich als Erzieher zur Vernunft und vertritt eine praxisbezogene Moral. Entsprechend stehen auch die gesellschaftliche Ordnung und die Religion auf dem Prüfstand.Die Aufklärung nimmt ihren Ausgang in den naturwissenschaftlichen Erkenntnissen des 16. und 17. Jahrhunderts und mündet in der Französischen Revolution (1789).Prägend für die Aufklärung in Deutschland waren einerseits die Vorbilder aus Frankreich und England, andererseits die philosophischen Schriften von Gottfried Wilhelm von Leibniz (1646 – 1716) sowie von Immanuel Kant (1724 – 1804). Die Aufklärung ist dabei insbesondere in Deutschland als übergeordnete Epoche zu verstehen, innerhalb der sich verschiedene literarische Strömungen entwickelt haben. In der Frühaufklärung vertrat Gottsched eine rationalistische Dichtungslehre, nach der Dichtung allein der Vernunft verpflichtet sei. Der überragende Dichter der Hochaufklärung ist Lessing, der nach englischem Vorbild das bürgerliche Trauerspiel in Deutschland etabliert. Parallel dazu finden sich die Strömungen Empfindsamkeit (1749 – 1780; das mündige Individuum zeigt sich vor allem in seinen Empfindungen und seinem Erleben) und Sturm und Drang (1765 – 1785; vgl. dazu das nachfolgende Kapitel).Die zentrale Gattung der Aufklärung ist das Drama.
Themen / MotiveMenschenbild und die Vernunftnatur des Menschen – Läuterung und moralische Erziehung durch Literatur – religiöse Toleranz – Mündigkeit – Licht
Autoren und WerkeJohann Christoph Gottsched (1700 – 1766; Versuch einer critischen Dichtkunst vor die Deutschen, Poetik 1730) – Christian Fürchtegott Gellert (1715 – 1769; Fabeln; Erzählungen) – Gotthold Ephraim Lessing (1729 – 1781; Miss Sara Sampson, Drama 1755; Minna von Barnhelm, Drama 1767; Hamburgi-
sche Dramaturgie, Dramentheorie 1767 / 69; Emilia Galotti, Drama 1772; Nathan der Weise, Drama 1779) – Georg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799; Aphorismen)
Die „Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?“ gilt als einer der Leittexte der Epoche der Aufklä-rung. Fassen Sie die Hauptaussagen Kants zusammen.
Immanuel Kant: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? (1784)
Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Selbstverschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Mutes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude! Habe Mut dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!, ist also der Wahlspruch der Aufklärung.Faulheit und Feigheit sind die Ursachen, warum ein so großer Teil der Menschen, nachdem sie die Natur längst von fremder Leitung frei gesprochen […], dennoch gerne zeitlebens unmündig bleiben; und warum es anderen so leicht wird, sich zu deren Vormündern aufzuwerfen. Es ist so bequem, unmündig zu sein. Habe ich ein Buch, das für mich Verstand hat, einen Seelsorger, der für mich Gewissen hat, einen Arzt, der für mich die Diät beurteilt usw., so brauche ich mich ja nicht selbst zu bemühen. Ich habe nicht nötig zu denken, wenn ich nur bezahlen kann; andere werden das verdrießliche Geschäft schon für mich übernehmen. Dass der bei weitem größte Teil der Menschen (darunter das ganze schöne Geschlecht) den Schritt zur Mündigkeit, außer dem dass er beschwerlich ist, auch für sehr gefährlich halte: dafür sorgen schon jene Vormünder, die die Oberaufsicht über sie gütigst auf sich genommen haben. Nachdem sie ihr Hausvieh zuerst dumm gemacht haben und
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sorgfältig verhüteten, dass diese ruhigen Geschöpfe ja keinen Schritt außer dem Gängelwagen, darin sie sie einsperrten, wagen durften, so zeigen sie ihnen nachher die Gefahr, die ihnen droht, wenn sie es versuchen allein zu gehen. Nun ist diese Gefahr zwar eben so groß nicht, denn sie würden durch einige Mal Fallen wohl endlich gehen lernen; allein ein Beispiel von der Art macht doch schüchtern und schreckt gemeinhin von allen ferneren Versuchen ab. […]
Weisen Sie an folgendem Auszug aus „Emilia Galotti“ typische Merkmale der Epoche der Aufklärung nach.
Gotthold Ephraim Lessing: Emilia Galotti (1772)
Die Hochzeit zwischen dem Grafen Appiani und der bürgerlichen Emilia steht unmittelbar bevor, doch plant der
Prinz, Emilia zu seiner Mätresse zu machen. Während Emilia in der Kirche ist, besprechen sich ihre Eltern.
Zweiter Aufzug, Vierter AuftrittOdoardo und Claudia Galotti. Pirro.
ODOARDO. Sie bleibt mir zu lang aus –CLAUDIA. Noch einen Augenblick, Odoardo! Es würde sie schmerzen, deines Anblicks so zu verfehlen.ODOARDO. Ich muss auch bei dem Grafen noch einsprechen. Kaum kann ich´s erwarten, diesen würdigen jungen Mann meinen Sohn zu nennen. Alles entzückt mich an ihm. Und vor allem der Entschluss, in seinen väterlichen Tälern sich selbst zu leben.CLAUDIA. Das Herz bricht mir, wenn ich hieran gedenke. – So ganz sollen wir sie verlieren, diese einzige, geliebte Tochter?ODOARDO. Was nennst du, sie verlieren? Sie in den Armen der Liebe zu wissen? Vermenge dein Vergnügen an ihr nicht mit ihrem Glücke. – Du möchtest meinen alten Argwohn erneuern: – dass es mehr das Geräusch und die Zerstreuung der Welt, mehr die Nähe des Hofes war als die Notwendigkeit, unserer Tochter eine anständige Erziehung zu geben, was dich bewog, hier in der Stadt mit ihr zu bleiben – fern von einem Manne und Vater, der euch so herzlich liebet.CLAUDIA. Wie ungerecht, Odoardo! Aber lass mich heute nur ein einziges Wort für diese Stadt, für diese Nähe des Hofes sprechen, die deiner strengen Tugend so verhasst sind. – Hier, nur hier konnte die Liebe zusammenbringen, was füreinander geschaffen war. Hier nur konnte der Graf Emilien finden; und fand sie.ODOARDO. Das räum ich ein. Aber, gute Claudia, hattest du darum Recht, weil dir der Ausgang Recht gibt? – Gut, dass es mit dieser Stadterziehung so abgelaufen! Lass uns nicht weise sein wollen, wo wir nichts als glücklich gewesen! Gut, dass es so damit abgelaufen! – Nun haben sie sich gefunden, die füreinander bestimmt waren: nun lass sie ziehen, wohin Unschuld und Ruhe sie rufen. – Was sollte der Graf hier? Sich bücken, schmeicheln und kriechen und die Marinellis1 auszustechen suchen? um endlich ein Glück zu machen, dessen er nicht bedarf? um endlich einer Ehre gewürdiget zu werden, die für ihn keine wäre? – Pirro! PIRRO. Hier bin ich.ODOARDO. Geh und führe mein Pferd vor das Haus des Grafen. Ich komme nach und will mich da wieder aufsetzen. (Pirro geht ab.) – Warum soll der Graf hier dienen, wenn er dort selbst befehlen kann? – Dazu beden-kest du nicht, Claudia, dass durch unsere Tochter er es vollends mit dem Prinzen verderbt. Der Prinz hasst mich –CLAUDIA. Vielleicht weniger, als du besorgest.ODOARDO. Besorgest! Ich besorg auch so was!CLAUDIA. Denn hab ich dir schon gesagt, dass der Prinz unsere Tochter gesehen hat?
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ODOARDO. Der Prinz? Und wo das?CLAUDIA. In der letzten Vegghia2, bei dem Kanzler Grimaldi, die er mit seiner Gegenwart beehrte. Er bezeigte sich gegen sie so gnädig – –ODOARDO. So gnädig?CLAUDIA. Er unterhielt sich mit ihr so lange – –ODOARDO. Unterhielt sich mit ihr?CLAUDIA. Schien von ihrer Munterkeit und ihrem Witze so bezaubert – –ODOARDO. So bezaubert? –CLAUDIA. Hat von ihrer Schönheit mit so vielen Lobeserhebungen gesprochen – –ODOARDO. Lobeserhebungen? Und das alles erzählst du mir in einem Tone der Entzückung? O Claudia! eitle, törichte Mutter!CLAUDIA. Wieso?ODOARDO. Nun gut, nun gut! Auch das ist so abgelaufen. – Ha! wenn ich mir einbilde – Das gerade wäre der Ort, wo ich am tödlichsten zu verwunden bin! – Ein Wollüstling, der bewundert, begehrt. – Claudia! Claudia! der bloße Gedanke setzt mich in Wut. – Du hättest mir das sogleich sollen gemeldet haben. – Doch, ich möchte dir heute nicht gern etwas Unangenehmes sagen. Und ich würde (indem sie ihn bei der Hand ergreift), wenn ich länger bliebe. – Drum lass mich! lass mich! – Gott befohlen, Claudia! – Kommt glücklich nach! […]
1 Marinelli ist der Kammerherr des Prinzen; hier steht der Name für intrigante Höflinge allgemein.2 Abendgesellschaft
Bürgerliches TrauerspielKennzeichnend für das bürgerliche Trauerspiel ist seiner ursprünglich englischen Herkunft nach zunächst die Verlagerung des Geschehens aus dem öffentlichen oder dem überhöh-ten Raum der Macht ins Private. Thematisiert werden Fragen der Ethik bzw. der Moral, die von Klassen oder Ständen losgelöst und somit allgemeinmenschlicher Natur sind, was in der Regel mit einem Bruch der sogenannten Ständeklausel (nach der in der klassischen heroischen Tragödie nur hohe Standespersonen Opfer einer tragischen Verwicklung werden konnten) einhergeht. Das bürgerliche Trauerspiel hat dabei einen eindeutig aufklärerischen Impetus, durch den eine neue Tugendlehre und Gefühlskultur propagiert werden sollen. Seit Lessings „Emilia Galotti“ erfährt die Gattung eine zunehmende ständische Auslegung, d. h. es geht auch um die – häufig sozialkritisch motivierte – Ge-genüberstellung der bürgerlichen Welt und der Welt des Hofes bzw. des Adels.Als Gattung ist das bürgerliche Trauerspiel nicht auf die Epoche der Aufklärung be-schränkt: Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts werden Konflikte innerhalb des Bürgertums dargestellt und es wird eine kleinbürgerliche Moral angeprangert; im Naturalismus wird dann das Bürgertum im Kontrast zum Arbeiterstand gezeigt und die Selbstzufriedenheit des Bürgertums kritisiert.
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Barock (1600 – 1720) Seite 2
Das Gedicht greift als Aufforderung, das Leben zu genießen („Drum lass uns jetzt genießen“), das Carpe-diem-Motiv auf. Die Begründung für diese Aufforderung erfolgt durch das Vanitas-Motiv (nämlich dem Verfall der diesseitigen Schönheit), das zugleich an die eigene Vergänglichkeit, den Tod, erinnert.Die formale Beschreibung soll einen Eindruck von der Bedeutung dieser formalen Aspekte in der
Barockdichtung vermitteln. – Das Gedicht besteht aus zwölf Versen zu je elf Silben in einem fünf-hebigen Jambus. Nach der jeweils siebten (unbetonten) Silbe fi ndet sich eine Zäsur. Jeweils zwei Verse bilden ein Reimpaar, und zwar sowohl im Versinneren (auf der siebten Silbe), als auch am Versende (hier mit durchweg männlichen Kadenzen).Formal auffällig sind die vielen Reihungen und Häufungen sowie die Antithesen (z. B. „bist bald hoch bald nieder, bald groß bald klein, bald reich bald arm, bald fröhlich bald betrübt, bald beliebt bald verhasst, bald geehrt und bald verhasst“). Zentrale Motive des Barocks lassen sich dabei be-reits auf der Textoberfl äche (Wortwahl: „Jeder soll sich selbst erkennen.“, „Tod“, „Wollust“, „ein leerer Schein“ usw.) erkennen. Thematisch zentral (und zugleich typisch für das Welt- und Men-schenbild des Barocks) ist die Vorstellung, dass der Mensch über sein Leben im Jenseits „Rechen-schaft geben“ muss. Der Ich-Erzähler überprüft die Gottgefälligkeit seines Lebens und gelangt zu einem vernichtenden Urteil.Das Emblem thematisiert das Vergänglichkeits- und Todesmotiv und ist insofern typisch für die Zeit des Barocks. Untypisch für den Barock ist dagegen, dass der Motivbereich weder an das Carpe-diem-Motiv (wie im Opitz-Gedicht: die irdische Zeit ist endlich, also müssen wir sie genie-ßen) noch an eine Jenseitsorientierung (wie bei Grimmelshausen: die irdische Zeit ist endlich, also müssen wir sie auf das Künftige, das Gottesgericht, ausrichten) geknüpft ist.
Aufklärung (1720 – 1785) Seite 5
Nach Kant ist Aufklärung der „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmün-digkeit“. Unmündig sei der Mensch, wenn er sich seines Verstandes nicht selbstständig bediene, selbst verschuldet sei dieser Zustand, da er das Resultat von persönlicher „Faulheit und Feigheit“ sei. Der Zustand sei von der Obrigkeit gefördert.Epochentypisch ist zunächst das Genre des bürgerlichen Trauerspiels mit der bürgerlichen (!) Hel-din Emilia. Inhaltlich charakteristisch ist, dass der von einer „strengen Tugend“ geleitetete Odo-ardo die Welt des Hofes (Günstlingswirtschaft, Intrigen, fehlende Herrschertugenden der Fürsten, oberfl ächliche Zerstreunung) verachtet und das autonome Leben auf den eigenen Gütern (vgl. „in seinen väterlichen Tälern sich selbst zu leben“) preist.
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BildquellenS. 3: Vanitas-Motiv. Aus: Johann Caspar Lavater, Physiognomische Fragmente (1775 – 78): http://commons.wikimedia. org/wiki/File:Vanitas_01.png (eingesehen am 24.02.2015)S. 4: Ex maximo minimum. Aus: Barthélemy Aneau, Imagination poétique (1552): http://www.emblems.arts.gla. ac.uk/french/picturae.php?id=FANb045 (eingesehen am 23.02.2015)
TextquellenS. 2: Opitz, Martin: Ach Liebste, lass uns eilen. In: Echtermeyer. Deutsche Gedichte. Von den Anfängen bis zur Gegen wart. Auswahl für Schulen. Hg. v. E.K. Paefgen und P. Geist. Berlin: Cornelsen 2010. S. 124.S. 3 / 4: Grimmelshausen, Hans Jakob Christoffel von: Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch. Hg. von Alfred Kelletat. München: Winkler 1956. S. 475 f.S. 5 / 6: Kant, Immanuel: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? Neu-Isenburg: Edition Tiessen 1979. S. 5.S. 6 / 7: Lessing, Gotthold Ephraim: Emilia Galotti. Stuttgart: Reclam 1989. S. 22 ff.
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