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Strafrecht BT
Straftaten gegen die Freiheit (3. Teil: Hausfriedensbruch)
Straftaten gegen die Ehre
Vorlesung vom 30. November 2009
HS 2009
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber
Institut für Strafrecht und Kriminologie
Universität Bern
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Straftaten gegen die Freiheit (Teil 3); Straftaten gegen die Ehre Folie 2
Vorlesung vom 14. Dezember: Repetition anhand studentischer Fragen
Liebe Studierende
Bitte richten Sie Ihre Fragen zum gesamten Stoff der
Vorlesung BT I / 1. Teil bis zum 9. Dezember per E-Mail an
jonas.weber@krim.unibe.ch.
In der letzten Vorlesung des Semesters soll anhand Ihrer Fragen
der Stoff repetiert bzw. Unklarheiten beseitigt werden.
Danke!
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Straftaten gegen die Freiheit (4. Titel) – Übersicht
Vierter Titel: Verbrechen und Vergehen gegen die Freiheit
Art. 180: Drohung
Art. 181: Nötigung
Art. 182: Menschenhandel
Art. 183: Freiheitsberaubung und Entführung
Art. 184: Erschwerende Umstände
Art. 185: Geiselnahme
Art. 186: Hausfriedensbruch
> Straftaten gegen die Freiheit gemäss Art. 180 bis 186: Freiheitsdelikte im engeren Sinn
> Rechtsgut: Freiheit der Willensbildung und der Willensbetätigung sowie Fortbewegungsfreiheit
- = Freiheit des einzelnen Menschen, das zu tun oder zu lassen, wozu er sich selbst entschliesst
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Allgemeines
Art. 186: Hausfriedensbruch
Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, wird, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.
> Rechtsgut: Hausrecht = Recht darüber zu entscheiden, wer sich inbestimmten Räumlichkeiten (lokalisierte Freiheitssphären) aufhalten darf
> in der Praxis sehr häufig als Begleitdelikt bei einem Einbruchdiebstahl
> Antragsdelikt; Vergehen
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Objektiver Tatbestand: geschützte Räumlichkeiten
Art. 186: Hausfriedensbruch
Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus, in eine Wohnung, in einen abgeschlossenen Raum eines Hauses oder in einen unmittelbar zu einem Hause gehörenden umfriedeten Platz, Hof oder Garten oder in einen Werkplatz unrechtmässig eindringt (…)
> Haus: jede fest und dauernd mit dem Boden verbundene Baute mit einer oder mehreren Räumlichkeiten; Wohn- oder andere Zwecke
> Wohnung: vorwiegend Wohnzweck; braucht nicht Teil eines Hauses zu sein (z.B. auch Zelt, Wohnwagen, Hausboot)
> abgeschlossener Raum eines Hauses: braucht nicht verschlossen, sondern bloss umschlossen zu sein; Zimmer eines Untermieters, Hotelzimmer
> unmittelbar zu einem Haus gehörender umfriedeter Platz, Hof od. Garten
> Werkplatz: hinreichend deutliche Grenzen erforderlich
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Objektiver Tatbestand: Berechtigter
Art. 186: Hausfriedensbruch
Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus (…) unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, (…)
> Berechtigter: Person, der das Verfügungsrecht über das geschützte Objekt zusteht
- Verfügungsrecht kann auf dinglichem Recht (z.B. Eigentum), auf obligatorischem Recht (z.B. Miete) oder auf öffentlich-rechtlichem Verhältnis (z.B. Schulleiter) beruhen
- Abwägung einzelner Verfügungsrechte– insb.: Verhältnis Hauseigentümer / Mieter– Problem: wenn eine gleichwertige Berechtigung mehreren
Personen zusteht (Ehegatten, Wohngemeinschaft, …)
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Objektiver Tatbestand: Tathandlung (1. Var.: Eindringen)
Art. 186: Hausfriedensbruch
Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus (…) unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, (…)
> Zwei Varianten der Tathandlung: Eindringen oder Verweilen
> Eindringen wider den Willen des Berechtigten- Eintreten bzw. Betreten eines Raumes auf irgendeine Art- Einwilligung des Berechtigten: tatbestandsauschliessend- Wille kann sich aus den Umständen ergeben (muss nicht explizit
geäussert worden sein): geschlossene Türe, Hausglocke...- umstritten: Betreten von Räumlichkeiten zu einem nicht bestim-
mungsgemässen Zweck (z.B. Ladendiebstahl)– BGer: vom bestimmungsgemässen Zweck abweichende (inne-
re) Absicht als solche reicht für die Tatbestandsmässgkeit aus– Lehre: abweichende Absicht muss von aussen erkennbar sein
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Objektiver Tatbestand: Tathandlung (2. Var.: Verweilen)
Art. 186: Hausfriedensbruch
Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus (…) unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, (…)
> Verweilen trotz Aufforderung, sich zu entfernen- entgegen vorangegangener ausdrücklicher Aufforderung, den
hausrechtlich geschützten Raum zu verlassen- während einer gewissen Dauer- = nach aussen zu erkennen geben, sich nicht um die
Aufforderung durch den Berechtigten zu kümmern
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Unrechtmässigkeit des Eindringens
Art. 186: Hausfriedensbruch
Wer gegen den Willen des Berechtigten in ein Haus (...) unrechtmässig eindringt oder, trotz der Aufforderung eines Berechtigten, sich zu entfernen, darin verweilt, (...)
> sowohl das Eindringen als auch das Verweilen müssen unrechtmässig sein
> Unrechtmässigkeit des Eindringens als Kriterium des objektiven Tatbestands
- nicht gegeben, wenn der "Täter" ein Recht besitzt, kraft dessen er den entgegenstehenden Willen des Berechtigten nicht zu beachten braucht; etwa aus strafprozessualen (z.B. Hausdurchsu-chung) oder betreibungsrechtlichen (z.B. Pfändung) Gründen
> gegebenenfalls sind zusätzlich allgemeine Rechtfertigungsgründe auf der Ebenen der Rechtswidrigkeit zu prüfen; insbesondere Notstand gemäss Art. 17
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Subjektiver Tatbestand
> Vorsatz; wobei Eventualvorsatz ausreicht
> Irrtum über das tatsächliche Vorliegen der Voraussetzungen der Rechtmässigkeit des Eindringens: Sachverhaltsirrtum gemäss Art. 13
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Hausfriedensbruch (Art. 186) – Konkurrenzen
> Einbruchdiebstahl: echte Konkurrenz zwischen Hausfriedensbruch und Diebstahl gemäss Art. 139 (sowie u.U. Sachbeschädigung gemäss Art. 144); ausnahmsweise unechte Konkurrenz, wenn Hausfriedensbruch im Einzelfall die besondere Gefährlichkeit gemäss Art. 139 Ziff. 3 Abs. 4 begründet; dann ist der Hausfriedensbruch durch die Qualifikation des Diebstahls bereits abgegolten
Art. 139: Diebstahl
1. Wer jemandem eine fremde bewegliche Sache zur Aneignung wegnimmt, um sich oder einen andern damit unrechtmässig zu bereichern, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe bestraft. (...)
3. Der Dieb wird mit Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren oder Geldstrafe nicht unter 180 Tagessätzen bestraft, (...) wenn er sonst wie durch die Art, wie er den Diebstahl begeht, seine besondere Gefährlichkeit offenbart.
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Straftaten gegen die Ehre (3. Titel, Ziffer 1)
Dritter Titel: Strafbare Handlungen gegen die Ehre und den Geheim- oder Privatbereich
1. Ehrverletzungen
Art. 173: Üble Nachrede
Art. 174: Verleumdung
Art. 175: Üble Nachrede oder Verleumdung gegen einen Verstorbenen oder einen verschollen Erklärten
Art. 176: Gemeinsame Bestimmung
Art. 177: Beschimpfung
Art. 178: Verjährung
(2. Strafbare Handlungen gegen den Geheim- oder Privatbereich)
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Straftaten gegen die Ehre (3. Titel, Ziffer 1) – Rechtsgut und strafrechtlicher Ehrbegriff
> Rechtsgut: Ehre
- Ehre = legitimer Achtungsanspruch eines jeden Menschen gegenüber seinen Mitmenschen (normativer Ehrbegriff)
– Schutz der Geltung als anständiger Mensch; nicht aber Schutz der speziellen Geltung als Berufsperson, Politiker, etc.
– Fallgruppen
– Behauptung unsittlichen/unmoralischen Verhaltens
– Vorwurf strafrechtlich relevanten Verhaltens
– Verwendung medizinischer Fachausdrücke in diffamierender Weise
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Straftaten gegen die Ehre (3. Titel, Ziffer 1) – Träger der Ehre
> Träger der Ehre
- individuelle lebende Menschen
– partielle Erstreckung des Ehrschutzes auf Verstorbene und für verschollen Erklärte: Art. 175
– Namensnennung nicht erforderlich; Identifizierung kann sich auch aus den Umständen ergeben
- juristische Personen
- Kollektiv- und Kommanditgesellschaften
> nicht ehrfähig
- Behörden
- Personenmehrheiten ohne eigene Rechtspersönlichkeit– Familie, Berufsgruppe
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Straftaten gegen die Ehre (3. Titel, Ziffer 1) – Massstab zur Beurteilung einer Ehrverletzung
> Beurteilung, ob eine Ehrverletzung vorliegt: Massstab des unbefangenen Adressaten
- Wie muss ein unbefangener Adressat die Äusserung verstehen?
- Entscheidend: konkrete Umstände
– Wer ist durch die Äusserung betroffen?
– In welcher Situation wird eine Äusserung gemacht?
- Äusserungen in und durch Medien: allgemeiner Massstab (d.h. kein Sondermassstab für Medien) (vgl. BGE 131 IV 164)
- politische Auseinandersetzungen und Wahlkämpfe: höhere Schranken
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Straftaten gegen die Ehre (3. Titel, Ziffer 1) – Systematik der Tatbestände
Eingriff in die Ehre
durch Äusserunggegenüber
(reines) Werturteil Tatsachenbehauptung oder gemischtes
Werturteil
Drittendem Verletzten selbst
nicht wider besseres Wissen
wider besseres Wissen
Beschimpfung(Art. 177)
Üble Nachrede(Art. 173)
Verleumdung(Art. 174)
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Straftaten gegen die Freiheit (Teil 3); Straftaten gegen die Ehre Folie 17
Üble Nachrede (Art. 173) – Objektiver Tatbestand: Tatobjekt
Art. 173: Üble Nachrede
1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung weiterverbreitet, (…)
> Tatsachenbehauptung- Tatsachen: Ereignisse oder Zustände der Gegenwart oder der
Vergangenheit, die äusserlich in Erscheinung treten und dadurch wahrnehmbar und dem Beweis zugänglich sind
- nicht erfasst: reine Werturteile (evtl. Beschimpfung gemäss Art. 177)– Kundgabe von Missachtung, die sich nicht auf bestimmte
Tatsachen stützt, die dem Beweis zugänglich wären- miterfasst: gemischte Werturteile = Wertungen, die mit einem
erkennbaren Bezug zu Tatsachen abgeben werden– entscheidend: Zusammenhang, in dem eine Äusserung fällt
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Straftaten gegen die Freiheit (Teil 3); Straftaten gegen die Ehre Folie 18
Üble Nachrede (Art. 173) – Objektiver Tatbestand: Tatobjekt
Art. 173: Üble Nachrede
1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung weiterverbreitet, (…)
> Eignung zur Rufschädigung
- Äusserung (= Tatsachenbehauptung) ist an sich geeignet, den Ruf der betroffenen Person zu schädigen (für den Fall, dass die Äusserung geglaubt werden sollte)
- Üble Nachrede = abstraktes Gefährdungsdelikt
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Straftaten gegen die Freiheit (Teil 3); Straftaten gegen die Ehre Folie 19
Üble Nachrede (Art. 173) – Objektiver TB: Tathandlung, Form der Kundgabe, Adressat
Art. 173: Üble Nachrede
1. Wer jemanden bei einem andern eines unehrenhaften Verhaltens oder anderer Tatsachen, die geeignet sind, seinen Ruf zu schädigen, beschuldigt oder verdächtigt,
wer eine solche Beschuldigung oder Verdächtigung weiterverbreitet, (…)
> Tathandlung: beschuldigen, verdächtigen oder weiterverbreiten- beschuldigen: Behauptung des unehrenhaften Verhaltens wird als
eigene Überzeugung hingestellt- verdächtigen: Äusserung als Vermutung oder als Frage- weiterverbreiten: rufschädigende Tatsachenbehauptungen, die
von anderen aufgestellt worden sind
> Form der Kundgabe: mündlich, Schrift, Bild, Fotomontage, Film
> Adressat: Drittperson
> Vollendung: Kenntnisnahme der Äusserung durch Dritten
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Üble Nachrede (Art. 173) – Subjektiver Tatbestand
> Vorsatz- ehrverletzender Charakter der Mitteilung, Eignung zur
Rufschädigung- Kenntnisnahme durch einen Dritten
> nicht erforderlich- Wissen um Unwahrheit der Äusserung- besondere Beleidigungsabsicht
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Straftaten gegen die Freiheit (Teil 3); Straftaten gegen die Ehre Folie 21
Üble Nachrede (Art. 173) – Entlastungsbeweis: Wahrheitsbeweis od. Gutglaubensbeweis (Ziff. 2)
2. Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht (= Wahrheitsbeweis), oder dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten (= Gutglaubensbeweis), so ist er nicht strafbar.
3. Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
> Entlastungsbeweis: Wahrheitsbeweis oder Gutglaubensbeweis
> Charakter: negative Strafbarkeitsbedingung (oder Rechtfertigungs-grund)
> Rechtsfolge: Freispruch (nicht bloss straflos)
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Üble Nachrede (Art. 173) – Entlastungsbeweis: Wahrheitsbeweis (Ziff. 2 Var. 1)
2. Beweist der Beschuldigte, dass die von ihm vorgebrachte oder weiterverbreitete Äusserung der Wahrheit entspricht (= Wahrheitsbeweis), (…), so ist er nicht strafbar.
> Beweis des Täters, dass seine Äusserung der Wahrheit entspricht
> kann sich nur auf Tatsachen beziehen
- bei gemischten Werturteilen: die genannten Tatsachen müssen sich als wahr erweisen und die vorgenommene Wertung tragen
> behauptete Tatsachen müssen bewiesen werden, auch wenn nur Vermutungen geäussert worden sind
> zum Beweis zugelassen sind auch Tatsachen, die dem Täter erst nach seiner Äusserung bekannt wurden
> Behauptung einer Straftat: Beweis für Richtigkeit kann grundsätzlich nur durch entsprechende Verurteilung erbracht werden
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Üble Nachrede (Art. 173) – Entlastungsbeweis: Gutglaubensbeweis (Ziff. 2 Var. 2)
2. Beweist der Beschuldigte, (…) dass er ernsthafte Gründe hatte, sie in guten Treuen für wahr zu halten (= Gutglaubensbeweis) , so ist er nicht strafbar.
> Beweis des Täters, dass er an die Wahrheit seiner Äusserung geglaubt hat und ernsthafte Gründe hatte, seine Äusserung in guten Treuen für wahr zu halten
> Tatsachen müssen dem Täter im Zeitpunkt der Äusserung bekannt gewesen sein
> Mass der erforderlichen Sorgfalt: Umstände des Einzelfalls und persönliche Verhältnisse des Täters
- Täter muss die ihm zumutbaren Schritte unternommen haben, um die Richtigkeit seiner Äusserungen zu überprüfen
- grundsätzlich keine Sonderregeln für Medien
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Üble Nachrede (Art. 173) – Entlastungsbeweis: Ausschluss (Ziff. 3)
3. Der Beschuldigte wird zum Beweis nicht zugelassen und ist strafbar für Äusserungen, die ohne Wahrung öffentlicher Interessen oder sonst wie ohne begründete Veranlassung, vorwiegend in der Absicht vorgebracht oder verbreitet werden, jemandem Übles vorzuwerfen, insbesondere, wenn sich die Äusserungen auf das Privat- oder Familienleben beziehen.
> Grundsatz: Täter ist zum Entlastungsbeweis zugelassen
> Ausnahme: Ausschluss vom Entlastungsbeweis (Art. 173 Abs. 3)
- 1. Voraussetzung: keine begründete Veranlassung– begründete Veranlassung muss objektiv gegeben und
subjektiv der Grund für die Äusserung sein- 2. Voraussetzung: Beleidigungsabsicht
– Handlungsziel des Täters besteht v.a. darin, die angegriffene Person zu schmähen und/oder ihr Schaden zuzufügen
– insb. bei Äusserung zum Privat- oder Familienleben
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Üble Nachrede (Art. 173) – Rücknahme der Äusserung als unwahr (Ziff. 4)
4. Nimmt der Täter seine Äusserung als unwahr zurück, so kann er milder bestraft oder ganz von Strafe befreit werden.
> Ehre des Beleidigten muss wieder hergestellt werden
> Rückzug der Äusserung grundsätzlich in derselben Form und vor demselben Personenkreis wie die ursprüngliche Äusserung
> Rechtsfolge: Strafmilderung oder Strafbefreiung
Ass.-Prof. Dr. Jonas Weber: Strafrecht BT I (Vorlesung HS 09) Straftaten gegen die Freiheit (Teil 3); Straftaten gegen die Ehre Folie 26
Üble Nachrede (Art. 173) – Prozessuale Folge: Urkunde (Ziff. 5)
5. Hat der Beschuldigte den Wahrheitsbeweis nicht erbracht oder sind seine Äusserungen unwahr oder nimmt der Beschuldigte sie zurück, so hat der Richter dies im Urteil oder in einer andern Urkunde festzustellen.
> Urkunde soll inhaltlich nicht über das Ergebnis der Verfahrens ausgehen
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