Über die Früh- und Spätgifte im Blut

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KLINISCHE WOCHENSCHRIFT 31. J A H R G A N G , H E F T 13/14 1. A P R I L 1953

UBERSICHTEN.

U B E R DIE F R U H - UND SPXTGIFTE IM BLUT*, **

Von

l~ETER MAI~QUARDT. Aus der Ab$eilang f~' experimentelle Therapie der Med]zinischen Fakult~t der Universi~/it Freibtu'g i. Br. (Lei~er: Dozent Dr. P~]~En YIA~QUARn~).

IntravenSse Blut- oder Seruminjektionen entfalten Gift- wirkungen, die man friiher in 2 Reihen, in die der ,,Friihgifte °' trod die der ,,Sp/~tgifte" gliederSe. Bei Untersuehungen fiber die intravenSse Ve~¢r/~glichkeit yon Heilseren erhoben wir BefundeX, die uns veranlaB~en, uns mit diesen Giftwirkungen eingehender zu beseh/iftigen. Da seit fiber 20 Jahren die systematisehen Untersuehungen solcher Eigensehaften des dem Organismus entnommenen Bkites, aueh des Eigenblutes, unterbroehen~Sind, erscheint es notwendig, das Mtere Schrift- turn ausfiihrlich in dieser Abhandlung zu bespreehen.

Soweit wir die Literatur fibersehen, war es Mosso2, der 1874 zuerst darauf hinwies, dub Blu~ und Serum, intravenSs verabfolgt, im alIgemeinen Gef~l]wirkungen ver- ursachen. 1897 hut WEiss a darauf aufmerksam ge- maeht, dab Blutseruminjektionen sehwere l~eben- erseheinungen auslSsen kSnnen.

Im Jahr 1900 hat dann T. G. BRODIE 4 in sehSnen Experimenten diese Gif~wirkungen n~her untersueht. Er zeigte, dal~ intravenSse Injektionen yon Blur- serum, gleieh welcher tterkunft, Atemstitlstand, Herz- seh~digung und Gef/~flerweiterung, also Blutdruek- senkung auslSsen, dub die Wirkung einige Zeit lung anhMt und in einigen Fallen, aber nieht regelm/i.l~ig, vermieden werden kann, wenn die Nervi vagi durch- sehnitten werden. B~oDI~ weis~ bereits auf einen Zusammenhang zwischen der Giftwirkung und den Gerinnungsvorgangen kin. Das Gift entsteht nach seinen Versuehen nur dann im Serum, wenn das Blur vor der Serumgewinnung geronnen war. Er hMt das Gi~ fiir ein Albumin. Wir arbeiteten sein Abb. 1. Verfahren mehrfaeh exakt mit Pferdeserum naeh, das grSgere Mengen :Friihgift (konserviert mit Phenol gem/~B x) en~hielt.

Zur F/~lking der GtobuIiue wurden 250 em a Pferde- serum mit der gleichen 1VIenge ges~ttigter Ammon- sulfatl5sung versetzt und zentrifugiert. Der Niedersehlag wurde in 0,9% KochsalzlSsung aufgenommen, erneut mit Ammonsulfat gef/~Ut, zentrifugier~ und der Niedersehlag wiederum in 0,9% Kochsalzl5sung aufgel5s$ (I). Die fiber- stehende L6sung der 1. Fallung (II) wurde verdiinnt und unverdfinnt ebenso wie LSstmg I auf Frfihgiftwirkung gep~ift. Das Filtrat der Globulinf/~lking (L6sung II) wurde mit ge- s/~ttigter AmmonsulfatlSstmg im ~'bersehuB yerse$zt zur F/~llung der Albumine. Diese wurden abfiltriert, in lgaCt- LSsung tmfgenommen und injiziert (LSsung HI).

1finch BRODIE SOtI das Friihgiftin LSsung I I I en$halten sein. Wir k6nnen, wie die Abb. 1 zeigt, diesen Befund nieht best~tigen.

Im Jahre 1920 hat F~C~TD ~ Untersuehungen kierzu auf- genommen. Er best/~tigt und erweitert die pharmakologisehen Befunde B~OD~ES insoweit, als er ebenfalls zeigen konnte, dub art- und sogar kSrpereigenes Bkit auBerhalb des Orga- nismus ,,giftig" wird und zeig~e einen bemerkenswerten zeit- lichen Zusammenhang zwisehen G~fSsiarke und Lagerung. Um den EinfluB der Bki~p~ttchen auf die Ents~ehung der GifSwirkung zu studieren, zentrifugierte er Katzenbki$ unter Cit, ratzusa$z langsam ab. Die im Plasma suspendierten Blut- pI~ttehen zerst6rSe er dureh Sehlagen. Wenn er dieses ,,Pl~tchenplasma" sofort nach der Bereitung im LAEWE~- TBENDELENBURGschen Gef/~Bpr~parat priifte, fund er eine erhebliche GefaBerweiterung, wenu er aber das Plasma ~/~ Std stehen lieB, eine Gef/~l~eonstriktion. Aueh am Frosehherz in situ fand er 2 Wirkungen: W~hrend frisch defibrinierf~s Blur erst die Peristaltik des Herzens verst~rkte, verursaehte die gleiehe Blutaufarbeitung nach ~/~stfindigem Stehen einen oft flfiehtigen dia~tolisehen Herzstitlsta~d. Am isolierten

* Der.Deu~ehen Forschungsgemeinsehaft ist ffir Unterstfif.zung dieser Arbeit zu danken.

** Herrn Professor Dr. BUTENANDT ztlru 50. Geburtstag gewidmet. Klinische Wochenschrif~, 31. Jahrg.

Froschherz naeh ST~A~ lie$ sich eine i~mlichkeit mit einer schwachen Digitalisvergiftung feststetlen. F~Eu~m ~fimmt an, ddB es sich um Wirkungen zweier Stoffe handeln miisse, well ,,frische" LSsungen den systolisehen Herzstillstand naeh Digitalisgabe verhindern, w/~hrend altere ihn verst~rken, ja sogar fast unwirksame Gitalinmengen deuflieh wirksam werden lassen. Er ffihrte daher die Bezeiehnung ,,Frfih"- und ,,Sp~t= gift" ein. Xhnliehe Ergebnisse erhoben VOEGTL~ und M~c~T s, die solehe Wirkungen aueh in Extrakten aus Neben- nieren und Bkitkuchen auffanden.

F~Eoucn s, 7, s gibt eine grSl~ere Anzaki yon Autoren an, die ~mter mehr oder weniger ahnliehen Versuehsbedingungen

1. Katze, mKnnlich (3 kg)./garkose: Pernocton intravenSs. 1 = 0,5 ml L~isung II; 2 ~ 0,5 ml NaC1-Li~sung; 3 = 0,5 ml LSsung I; 4 = 0,5 ml NaC1-LSsung; 5 = 0,5 ml LS- sung HI; 6 = 0,5 mt LSsung III, grSgere Menge ~lbumin aufgel~s~; 7 = 0,5 ml NaOl- LSsung; 8 = 0,5 ml gesKttigtd AmmonstflfatlsSung 1:1 mit i~aC1-LSsung verse~z~;

9 = 0,5 ml NaCI; 10 = 0,5 ml Pferdeserum.

derartige Wirkungen des defibrinierten Blntes beobaehteten, die hier s.p/~ter angefiihrt werden, und sieht dies ganze Problem m einem groSen Zusammeahang. Er weist darauf kin, dab diese Blutdrucksenkung dureh das ~rfihgift die Ursaehe fiir die schweren, oft t6dlichen Zwischenfalle bei therapeutischer Gabe yon Normal und Rekonvaleszenten- serum sei, wobei racist Kollaps, Sehiittelfrost und Fieber auftreten. F~V~D betraehtet die kreislauf~Erksamen und die fiebererzeugenden Gifte des defibrinierten Blutes (Py- rogene) unter einem einheitliehen Gesiehtspunk~ und wider- sprieht auf Grund seiner Experimente der damaligen Ansieht der Sehule ALEXANDE~ SCm~IDTS, dab das Gerinnungs- ferment Ursache der Fieberentstehung sei s.

Das Frfihgift 16st, wie erwghnt, periphere GefgBerweite- rung, also Bkitdrueksenkung aus, das Sp~tgift oft Gefiig- constriktion. Die Gifte entstehen naeh FI~EUND ~, wie erw/~hnt, auch aus Eigenbkit nieht nur bei der Gerinnung, sondern aueh ohne sie dureh ZerfaI1 der Blutze]Ien, besonders der Blut- pl~i.ttehen. Die letzten Phasen der Gerinnung sind hierffir keine notwendige Vorbedingung, da Citratbtub auch ohne Gerinnung z. B. nach mechaniseher Zerst6rung der Ptgt~ehen (Schlagen) diese pharmakologisehe Wirksamkeit erlang~. ])us Auftreten der Frfihgiftwirkung erfolgt im allgemeinen bald naeh der Entnahme des Bkites aus dem Organismus und h~lt versehieden lunge an, in einem vofi uns beobaehteten Falle eines unkonservierben Serums 1 13 Tage.

ZneF und WAGENF~LD ~ charakterisieren das Friihgif~ wie folg~:

]:)as Blur wurde mit Glasperlen bis zur Gerinnung und danach noch 2 rain geschfittelt. Bei Injektione~ dieses Bki~es tritt steiler Blutdruckab~atl und Tod des Versuchstieres ein. Im altgemeinen erhMt man bei Gabe you 2 ml arteigenem, defibrinier~em Blur eine Blutdrueksenkung yon 20--50 mmHg,

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~98 PETER B~ARQUARDT: ~ber die Friih. und Sp~tgifte im Blur. Klinisehe Woehensehrlft

eine Angabe, die auch unseren eigenen Erfahrungen entspricht. Welter treten StGrnngen der tterztatigkeit auf. In gleicher Weise verh~It sieh Eigenbint. Wird Serum injiziert, so treten die gleichen Erseheinungen auf, nur gegenfiber Vollblut deutlich abgesehwacht. Die Autoren wiesen bereits darauf bin, dab nieht nur die Giftst~rke in den einzeinen Proben stark varfiert, sonderu auch die Zeit, in der das Gift in der einzelnen Blur- oder Serumprobe naehweisbar ist. Diese Angaben kormten wir in unseren 'Experimenten yell bestatigen. Nach

Abb. 2. Katze, weiblioh (2,0 kg). Naxkose: Chloralose-Urethan. 6,5 ml intra- venes Xylanester. 2 = 0,3 ml KochsalzlsSung; 3 = 1,0 ml Pferdeserum; 4 = wie 2; 5 = t ,0 ml Pferdeserum; 6 = wie 2; 7 = Freilegung tier Vagi;

8 = Durchsehneidung der Yagi; 9 ~ 1 ml Pferdeserum; I0 = wie 2; 11 = i mI Pfe~deserum.

Z~PF sad WAGENFELD 9 ist die Blutdrucksenkung nioht dureh eine l-Ierzschadigung bedingt. Sie kann nut eine Gef~Bwirkung sein. Der Angriffspunkt ist zum mLmdesten aueh peripher. An den GefaBen ergibt sich folgendes Bfld: a) m~Bige Erweite- rung der HautmuskelgefaBe; b) Verengung des Splanehnicus- gebietes; e) vermehrte Blutfiillung der Leber; d) Volumen- zunahme der Lungen.

Am tterzen zeigte sich naeh kleinen Dosen friseh deft- brinierten Blutes: a) VergrSl~erung der Amplitude; b) Ver- mehrung des Volumens des reehten Vent~ikels; e) Verminde- rung des Volumens des linken Ventrikels; d) keine wesentliche Beeinflussung der Sehlagfrequenz.

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Z~F 9-~ konnte dann welter zeigen, daI~ ein solches Friih- gift aus Herzmuskel, Skeletmuskel, Leber, Niere, Mflz, Pan- kreas und Lunge dargestellt werden kann. Das VermSgen zu einer solehen Giftbildung seheint demnaeh eine recht all- gemeine Eigensehaft zeffal]ender Zellen zu sein. Das Friihgift ~hnelt nach ZI~F in seinem Verhalten auch weitgehend dem Adenosin. So wirken Adenosin und Friihgift beide hemmend auf den isolierten Darm. Wir werden auf die Isolierung des Frfihgiftes naeh Z~FF welter unten naher

einzugehen haben. Das sog. Sp~tgift bezeiehnet er als h~ufig blutdruekunwirksam, darmerregend und uterus- erregend.

Die Unterseheidung zwisehen Yriih- und Spi~tgift ist nieht immer streng durehgeliihrt worden. Das Versuehs- ma~eriM erschien und erscheint auch der~rtig uniiber- sieh%lich, d ~ klare Definitionen schwer zu ver~nt~or~en waren. So land man an iiberlebenden Gef~Bpr~para~n nach Blur- und Serumgabe meist eine Gefa~Beonstrietion (BER~STE~N ~, BATELL~ und M~o~x 1~, MEYE~ ~,~ , T~EN- DELENBURG 18'19, O?CoNI~/OI% ~, ZUCKER und STEWART 21, K~kUl~NN 22, t~ANDOWSKY u n d PICK ~a, L6NNING ~, R.O~IN ~ u. a.m. Wahrend man am ganzen Tier GefaB- erweiterung beobaehtete, die naeh Alterung der Blur- oder Serumprobe (B~ODIE, FI~EU~D [I. e.] STUDZ~SKY ~) oft in eine Blutdrueksteigerung fiberging.

Abb. 3. Abb. 4. Abb. 3. Katze, weiblieh (1,8 kg). Narkose: Chloralose-Urethan

bei 4 = 0,5 ml Pferdeserura. Abb. 4. Gleiches Tier in gleieher Anordnung. 6 ~ 0,5 ml His~aminehlorid

1:10 -~ (gleieh 0,5 ~); 7 = 1,0 ml Soventol (gleich I rag); 8 = wie 6; 9 ~ wie 4 in Abb. 3.

GreBe Dosen wirken l~hmend ~uf d~s Atemzentrum. Atropin und Histamin beeinflussen die Blutdrueksenl~ung nicht, ebensowenig wie ¥agusdurchtrennung. Der letztere Be~nd widerspricht den Angaben B~ODIES. B~oDIE gibt an, dab nach Vagusdurchsehneidung der Effekt nur noch sehr gering in Erscheinung tritt . Wit f~nden, ~de die Abb. 2 zeig~, nach Vagusdurchsetmeidung eine Abschwaehung. ~hnlich verhalt es sieh nach Atropingabe, die kleinere Dosen Friih- gift starker absehw~i~ht als hShere.

Durch Adrenalin-, Ephedrin-, Ephetonin- und Hypo- physingabe last sieh die Blutdrucksenkung therapeutiseh beeinflussen. Ira grol~en und ganzen wirkt 4as Friihgift ~hnlich wie I-Iis%amin, ohne abet selbst Histamin zu sein.

Eine Nachprfifung dieser letzten Angabe erschien uns deshalb notwendig, weft in der damaligen Zeit die sog. ,,Anti- histaminiea" noeh nioht bekannt waren. Die depressorisehe Wirknng des Frfihgiftes im Serum lie8 sieh dureh Soventol jedoch nieht aufheben, so dab wir die Angabe ZIPFS yell bestatigen kSnnen.

Abb. 5. Katze, m~innlieh (3,5 kg). Chloralose2Urettmn-Narkose. 2 = 1,0 Pferdeserum (konserviert mi~ Cialit); 3 = 1,0 Pferdeserum (konsexviert

mi~ Phenol).

In einer sehr ausfiihrliehen Arbeit haben sieh FELl)BERG, FLATOW und SCHIL~ ~7 mit diesen Fragen auseinandergesetzt. Sie bestatigen, daft im Blur und Serum Stoffe enthaRen sind, die je naeh Tierart, injizierter Menge und Alter des Serums gefal~erweiternd oder - - verengernd wirken kSnnen. Sie zeigen welter, dab diese Blutdrucksenkung bei Volumen- zunahme der Organe weitgehend mit der Wirkung yon Peptonen, Histamin und Adrenalin (in kleinen Dosen) fiber- einstimmt nnd folgern, daB nicht zwei versehiedene Stoffe, Friihgift und Sp~tgift fiir die verschiedenen Wirkungen ver- antwortlieh zu sein b r a u e h e n - schun F~EUND (L e0 hatte ja anf die biphasisehe Wirkung der meist stark wirksamen Pharmal~ hingewiesen - - , sondern dab elne Substanz beide Wirkungen auslSsen kSnnte.

FELDBE~G und Mitarbeiter stfitzen diese Ansicht unter anderem aueh auf Experhnente am Kaninehenohr, an dem ein gleieher B]utextrakt intravenSs eine Gef~Berweiterung, intraarteriell eine Verengung auslSste, also ein Verhalten, wie es veto I~listamin bekannt ist. Abet aueh diese Autoren lehnen eine Identitat des Giftes mit Pepton, IIistamin, Adrenalin oder Pitul tr in auf Grund ihrm" vergleiehenden, sehr aus- ffihrlichen Versuehe ab. FAne Aussage fiber die stoffiiehe Natur des Giftes ist ihnen nich% mSglich.

Der entscheidende Fortsehritt, den diese Arbeit br in~, soheint uns der zu sein, dab zwischen Friih- und Sp~tgi~t nieht mehr untersehieden werden muB.

Die markantere, leieht zu beobachtende Wirkung ist auch nach den alteren Arbeiten sicher die, die F~EVND als ,,Friih- gift" bezeichnet hat. Wit werden daher im folgenden den gesamten Wirkungskomplex als Frfihgift bezeichnen. Es mag fibrigens noch hinzugeffig5 werden, dab zwar Friihgift, ebenso wie Histamin, gefaSerweiternd auf die Eingeweide wirkt, die Nierengef~Be jedoeh verengt werden (EICHHGLTZ und ¥E~- ~EY ~S, G~EMELS mid BODO~).

~lg. 31, Hef$13114 PETER MARQUARDT: ~L~ber die Frfih- und Spfitgif~e im Blur. 299 1~ April 1953

Es ist, merkwiirdig, aber in der natm÷wissenseh~ftlichen Entwieklung nieht selten, dal3 markante Befunde sozusagen in Vergessenheit gera~en und so eine Weiterbearbeitung bereits angesehnittener Probleme fiber viele Jahre ruht. Meist is* es eine grebe Entdeekung auf angrenzendem Gebiet, die eine solehe Erregung auslSst, da$ ffiihere Untersuehungen und angrenzende Gebiete ira Hintergrund versinken. In diesem Fall schien die Entdeekung der Blutgruppen dutch LA~D- s~i~tm¢ mit einem Sehlage alle Sehwierigkei~n zu beheben, die bei Blut.injektionen auftraten, bzw. diese Entdeekung ermSgliehte die therapeutisehe Bluttransfusion, so dal~ In- jektionen yon Blur und Serum ,,selten" wurden und Zwisehen- f&lle sehwersf~r Art, die FREV~¢I) u. a. zu ihren Untersuchungen anregten, nieht mehr in gehtiuf~em Mal~e zur Beobachtung kamen. Doch versehwanden solehe Zwisehenft~lle bekanntlich ja nicht vol ls t~dig , sondern werden auch heute noch, z .B. bei der Verwendung yon Blutkonserven in etwa 5 % der Finite beobaehtet. Es lieg~ also nahe, daran zu d enken, dab das Friihgift, das ja bekanntlich im al~igenen Blur naeh der Entnahme entsteht, doch noch eine Rolle spielen kSnnte und ~us diesem Grunde sehien uns eine WeiteruntersuchOng not- wendig. Noch dazu, da wir i in ~bereinstimmung mit ZIr~" (1. e . ) fes ts te l len konnten, dab dureh die fibliehen bzw. sogar gesetzlich vorgeschriebenen Konservierungsmittel die Frfihgiftwirkung, die ja, wie ausgeffihrt mi~ der Lagertmg versehwindet, ebenfalls konserviert wird, also im Pr~para~ erhalten bleib$. Wir ko~mten demen~preehend das Frfihgift in handelsfibllehen Seren nachweisen.

Es erhob sieh nun die Frage, warum die Frfihgiftwirktmg naeh der Injektion yon Blur oder Serum am Versuehstier nachweisbar ist, w~hrend sie bei der Transfusion weder kliniseh noeh im Experiment beobaehtet wird. Unsere zur Aufkl~rung dieser Diskrepanz aufgefiihrten Experimente zeigten i, da~ das Frtihgift einen Wirkungstyp aufweist, der in der Pharmakologie als ,,Tachyphylaxio" bezeichnet wird, d.h. wiederholte Gabe l i s t die Wirkung versehwinden, wie wir es bereits frfiher i besohrieben haben. (Als Beispiel Abb. 6.)

Dementspreehend war es zu erwar~en und lieB sich yon uns experimentell zeigen i, dal] die Infusionsgesehwindigkeit d~fiir mal~gebend ist, ob der Effekt in Erseheinung tr i t t oder nicht und dab gerade in der Gr6~enordnung der therapeutisch fibliehen ][nfussionsgeschwindigkeiten die ,,Tachyphylaxie" den Giftstoff am Blutdruck meist nieht erkennbar warden l~2tL

Dami~ war dariiber hinaus ein gewisser For~schritt ffir die systematisehe Untersuehung gewonnen. Das Frfihgift wird im al]gemeinen an seiner gef~Berweiternden Wirkung erkannt und seine Sti~rke am Blutdruek gemessen. Iqun ist eine Blu~- drueksenkung al]ein ein gi~nzlich unspezifischer Effek~, be- wirkt durch komplexe Vorgiinge, der dutch viele Stoffe etwa gleiehartig ausgel6st werden kann und daher als Test ohne zusatzliehe Eingriffe (Atropin fiir Aeetylcholin u. dgl. m.) ginzlieh ungeeignet ist. Die fiir F~ihgift eharakteristisehe Taehyphylaxie ermSgIieht abet eine genauere Unterscheidung und gestat tet es, die fffiher vorgenommenen Isolierungen des Friihgiftes an Hand dieses Testes naehzuarbeiten.

Wie erw~hnt, hatte Z~PF die Iden t i t i t des Friihgiftes mit Adenosin, bzw. seinen Verbindungen postu]iert. Wit hatten bereits frfiher darauf hingewiesen i, dal~ z. B. nach Adenoshl- triphosphorsauregaben eine ,,Taehyphylaxie" nicht beob- aehtbar is~, haban abet das Verfahren in der yon Z n ~ ange- gebenen ~Veise nachgearbeitet.

ZI~F enteiweil~t das Serum (wir gingen yon 50 cm a aus) mi t Triehloressigsi~ure, filtriert, engt das Fi l t rat a~ff 10 ml ein, sehfittelt mit ~ ther zur Entfernung der Triehloressigsiure aus, dampft im Vakuum zur Trockene ein, nimmt mit Alkohol auf und wiederholt dies 5real, das vodetzte und letzte Mal mit absolutem Alkohol und :4ther und nimmt den Troekenrfick- stand in Aqua bides~ (in unseren Versuehen 25 ml) auf. Die Reaktion der LSsung ist dann neutral (LSsungA). Der Niedersehlag der [[hdchloressigsidurefg~llung wurde in physio- logiseher KochsalzlSsung aufgenommen (LSsung B).

Drei Naeharbeitungen aus je einem anderen frtihgift- haltigen Serum ergaben eine allerdings kaum wertbare Blut- drucksenkung, zeigten aber keine ,,Taehyphylaxie", wie die folgende Abb. 8 erkennen l~l]t. Der den Tachyphylaxietest gebende W/rkstoff ging also bei dieser Aufarbeitung verloren.

LieBen wit frfihg~fthaltiges Serum dialysieren, so konu~en wit in keinem Versuch (DiaIysierhiilse Schleicher und Schfilt ~r . 579) ein Permeiren des G i f t s beobach~n. Im Gegenteil, es sehien sich das Frfihgift bei der Dialyse im Innenraum anzureiehern. Wir kSnnen demnaeh nieh~ annehmen, daft

es sleh beim Friihgift um Adenosin oder eines seiner Der iva~ handelt.

Igoeh ein anderer Befund sprieht dagegen. Bekanntlich wird das Blu~ bei der industriellen Serumgewirmung naeh der Entnahme erst naeh einigen Stunden weiter verarbeite~. Hier ~reten Ausfloekungen auf, die abzentrifugiert werden und sieher stofflieh Proteine oder Proteide darstellen. Bei U~ter- suehung so]cher Rtiekstinde zeig~ sieh jedoch Frfihgift- wirkung, wie aus folgender Abbfldung ersiehtlieh.

Abb. 6. Katze, m~nnlieh (3kg). Choralose-Uretlmnnarkose. 21--33 je 0,5 mI Pferdese~um (konservier$ mi t Phenol).

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Abbo 7. kbb. 8. Abb. 7. Ka~ze, weiblich "(1,5kg). Chloralose-Ure~hannaxkose. 6 ~ 2ml

LSsung A; 7 ~ desgleichen; 8 = desgleichen. Abb. 8. GIeie~es Tier in gleieher Anordnung. 9 = 0,5 ml LSsung B;

10 ~ 1,0 ml L~isung B; 11 = 0,5 ml KochsalzlSsung.

Abb. 9. Katze, mi~nnlieh (1,9 kg). Chloralose-Urethannarkose. 5 ~ 0,5 ml ~Kochsalzl6sung; 6 = 0,5 ml Dialysa~ aus sicher frfihgif~haltigem Serum (24 Std gegen Aqua dest~, dialysierf~); 7 = 2,0 ml wie 6; 8 = wie 5; 9 ~ 0,5 ml

des Serums, aus der Dialysierhfilse en~nommen.

Daft Friihgiftwirkungen in Ausfloekungen yon Serum enthalten sind, erseheint uns wosentlich und bedarf einer etwas eingehenderen Betraehtung. Das Frfihgift, das aus dem Serum versehwindet - - in FREUICDS Versuchen melst sehon nach i[~ Std, um mehr oder weniger l~ngs~m in das Sp~tgift fiberzugehen - - stellt nach den experimentell gut fundierten An.siehten FELDBEI~S (1. e.) die Auswirkung eines Stoffes in versehiedenen Konzentrationen dar. Diese Hypothese haste die Liieke, dal3 nicht reeht einzusehen is~, warum sleh die Konzentratlon des Gif~es im Blut und.damit die Wirkung bei Lagerung so kral3 ~ndern sollte. ])a nun aber stets Aus- flockungen auftreten und diese Ausflockungen ,,Giftwirkung"

20*

300 PET~g M~QVaaDT: (~ber die Friih- und Sp~tgigte im Btut. Klimsehe Wochensehrfff

zeigen, so scheint uns dieser Punkt keine Denkschwierigkeiten mehr zu bereiten. ~¥eiter crkl~ren noch darfiher hinaus die variierenden Ausf]ockungen die Variabilitat der Blutdruck- wirkung, denn es ist genfigend bekam~t, dab Ausflockungen in defibriniertem Blur odor in Blutkonserven bei verschiedenen Proben gleichzeitig und mengenm/~gig in weiten Grenzen schwanken. Damit kSnnte sich die geradezu ungeheuerliche Streuung im Zeitpunkt des Auftretens und in der St/irke der

Abb. 10. Abb. 11. Abb. 10. Katze, m~nnlich (2,0 kg). Chloralose-Ure~hannarkose. 6 ~ 0,5 ml

Niedersehlag aus der Serumfabrika~ion der H6chster :Farbwerke. Abb. 11. Katze, m~nnlich (2 kg). Chloralose-Urethannarkose. 18 ~ 0,5 m!

KoehsaizlSsung; 19 = 1,5 ml Serum (aus Blutkonserve) 12 Std nach Entnahme konserviert.

FrtiI~giftwirkung erkl/i,ren lassen. Diese Ansicht wird dadurch gestfitzt, dab wir beobachten konnten, dab solehe Wirkungen nach Zusatz yon Phenol- oder Quecksilbersalzen, die, wie er- w/~hnt, auch die Frfihgiftwirkung konservieren fiber Beobach- ~ungszeiten yon 10 Monarch unver~ndert erhalten bteiben. Befunde, wie Verse&winden and Wiecterauftreten der Wirkung, die uns anfangs v61lig r~tselhaft erschicnen, tiegcn sich so deuten, So beobachteten wir in Stichproben aus einer Non-

serve des Freiburger Blutspendezentrums* nach der Ent- nahme bis zum 5. Tag eine starke Prfihgiftwirkung. Am 5. Tag war das Serum wirkungslos, wa.hrend veto 7. Tag ab bis zum 10. Tug, dem Ietzten Beobachtungstag, wieder starke

Abb. 12. Abb. 13. Abb. 12. Gleiches Tier in gleicher Anordnung. 12 = 0,5 mg :Kochsalz-

16sung; 13 ~ 1,5 ml wie 19 in Abb. 11, nut 5 Tage naeh En~nahme konserviert.

Abb. 13. Gleiehes Tie~ in gleieher 3mordmmg. 11 = wie 19 in Abb. i ] , nur 7 Tage naeh En~nahme konserviert. Der positive iusschlag nach ~er

Senkimg ist ein h~ufiger, abet nicht regelug41]iger Befund, auf den FZ~DBEI~G ~: zuers~ hinwies.

Wirkungen nachzuweisen w~ren (s. Abb. 11--14). Die Aus- flockungen in der Konserve konnten aus technischen Grfinden nicht untersucht werden.

]~Ian h~tte sich denmach die Giftbildung ganz allgemein gefaBt etw~ so vorzustellen, dab nach ~ntna.hme des Blutes aus dem Organismus ein Gift entsteht, das direkt naeh der Blutentnahme sbhnell in hoher Konzentratioi~ auftritt. DaB diese Wirkung mit der Zeit verschwindct und nach dem Verschwinden wieder auftritt, mSchten wir .vorl/iufig durch die Ausfloektmgen erk]~ren. Es scheint also demnach so zu sein, dab zu einem, bei den einze]nen Seren in weiten Grenzen differierenden Zeitpunkt, Giftmengen ausfallen, um dann wieder nachgebildet zu werden. Wird bei dieser Nachbildung die ursprfingliche Konzentration erreicht, so t r i t t die glelehe V~irkung wie am Anfang auf, ist die Nachbildung geringer

* Dem Leiter des Freiburger B.lutspendezentrums, tIerrn Dr, IVLATTHES, sind wir flit die Oberlassung zu gtoBem Dank ;¢ertifliehtet,

oder starker, so kann mitunter auch eine andere Wirkungs- qua l i t~ des Giftes in Erscheinung treten, wie dies F~LDBE~O gezeigt hat.

Diskussion. Vorstehend wurde die historische Entwicklung der Unter-

suchung der im Blur nach der Entnalnne auftretenden Giftc kurz skizziert. :Es wurde gezeigt, dab es sich nach dem der- zeitigen Wissen um einen Stoff handeln muB, den wir, trotz seiner divergierenden Wirkung, mit F ~ v ~ ] ) weiterhh~ als ,,Frfihgift" bezeichnen mSchten.

Wir hatten es stofflich ffir einen KSrper, der den Proteinen oder Proteiden zugeordnet werdcn mul3, bzw. mit solchen Stoffen gemeinsam beim Lagern ausfi~llt. Zur Klasse des Adenosins und seiner Verbindungen gehSrt es nach unseren Un~rsuchungen nicht. Solange eine ausreichende chemische Identifizierung fehlt, charakterisieren wir es im pharmakologischen Test durch die ,,Tachyphylaxie" (starke Blutdrueksenkung, die nach wiederholter Gabe abgcschwgcht wird oder verschwindet), Diese Eigenschaft der Tachy- phylaxie erklgr~, dab sich das Frfih~ft bei Transfusionen klinisch am Blutdruck nicht regelm~Big bemerkbar maeht. Damit ist abet keineswegs gesagt, dab dutch das Frfihgift, z. 13. bei Transfusionen, nicht andere Schgden verursacht werden.

~bb. 14. Gleiches Tier in gleicher Anordnung. 8 = wit 19 in Abb. [ [~ nur 10 Tage naeh der .~ntnahme konservier~.

Es ist durchaus denkbar, dab gewisse klinische Ncbenwirkun- gen hiermit in Zusammenhang stehen kSnnten, fund sich doeh das Frfihgift auBer in industriellen Seren auch noeh in der bereits erw~hnten Blutkonserve. Wie schon an anderer Stelle in anderem Zusammentmng ausgefiihrtI, reich$ unser experimentelles Material noch nicht aus, um zu diesen mehr therapeutisehen Fragen Stellung zu nehmen. Jedoch glauben wir unsere Befunde, an dcren Ausbau wir arbeiten, tmu~ schon so ausffihrlich mitteilen zu mfissen, um andere Ins t i tu~ zu gleichartigen Untersuchungen anzuregen.

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