Über die humoralen Veränderungen nach Herzinfarkt, anderen akuten Erkrankungen und experimentell...

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Jgis.~°';rtfliIteS~195227/2s W.H. tIAvss, L. LAM~IERS und It. B~i/-c~r~: ~ber die humoralen Ver~ndertmge~ nach Herzinfarkt. 635

gegeben. Die jfingst mit kontrgrem Hormon bei Ery- thematodes aeutus erzielten Behandlungserfolge ( S c g ~ c s ) sind in diesem Zusammenhang besonders bemerkenswert 1.

Eine Dentnng soU bier aber nicht versueht werden. Hingewiesen sei nur darauf, dab ein geschlechtlich de- terminierter Organismus dermoeh fiber beide Keim- driisenhormone verffigt und dab sehr wohl fi ir die experimentelle Vermehrung des kontr~ren Hormons eine gr6Bere Empfindliehkeit des Hypophysen-Zwi- schenhirnsystems bestehen mag, als fiir die Vermeh- rung des im Organismus an sieh sehon vorwiegenden Hormons.

Ebenfatls kann aus einem isolierenden Experiment wie dem nnseren kein SehluB auf die Wirkungskette zwisehen dem Keimdr~senhormon nnd der Leuko- eytenpotenzierung gezogen werden. Es spreehen zwar andere Grihlde dafiir, dab die Adrenalinleukoeytose eher auf dem Wege fiber Zwisehenhirn und vegetative Nerven zustandekommt, als dag sic humoral vermit- telt w/~re, wie etwa der Wirknngszusammenhang beim Thorn-Test. Es steh~ aber niehts entgegen, dem hetero- togen Keimdriisenhormon in unseren Versuehen eine erregende Wirknng anf den Itypophysenvorderlappen und damit eine stimulierende X¥irkung auf das Kno- ehenmark oder eine zus~tzliehe Adrenalinproduktion zuzuspreehen.

Zwar w~re zun/~ehst aus kliniseher AnMogie yon den Keimdrfisenhormonen eine D~mpfung des Hypo- physenvorderlappens zu erwarten. Es dfirfte abet lediglieh eine Frage der Dosis und des Zeiffaktors der Wirkung sein, ob Erregung oder Lghmung eintritt. Erst wenn sich etwa durch Versuehe, die den Thorn- Test zur Methode wa.hlen, mit den gleieben Hormon- dosen wie in unseren Versnehen eine Beeintr~ehtigung der Eosinopenie erzielen l~Bt, w~ire fiir unsere Ergeb- nisse eine stimnlierende Wirkung der heterologen

x D e m o n s t r a t i o n in der Dasse tdor fe r Dermatologen~-ereinigtmg a m 5. 12. 1951.

Xeimdrtisenhormone auf den bei der Ach°enalinleuko- eytose bevorzugten nervalen Wirkungszusammenhang vom Zwisehenhirn bis zum Knoehenmark verantworg- lieh zu maehen. Untersuehungen hieriiber sind im Gange (Sc~J~rs nnd Mitarbeiter). Bis dahin kann nur auf die vollkommene Analogie hingewiesen wer- den, die zu Versnehsergebnissen dos einen ,con nns (KLfdXEN) insofern bestehen, Ms dutch Oestradio1 der Effekt des Nieotins auf die Constrici~oren der peri- pheren Gef~Be eine Verstgrknng erfghrt. Dies lgB~ sieh n~mlich nur durch eine stimu]ierende Wirknng dos Ilormons auf das Vasomotorenzentrum denton. Ein /~hnliehes Problem t r i t t iibrigens auch bei noch unver6ffentlichten Tierversnehen yon KL~-XEN fiber die 'Steigerung der Toxicit~t yon Adrenalin dureh Xeimdrfisenhormone auf oder bei der Sensibilisierung der Adrenalinwirkung dureh Thyroxin (K~o~EsEaa und H0~E~).

Zusammen~assung. Dureh Testosteron-Propionat (Perandren 25 rag) wurde bei Frauen, dureh Oestra- diol-Dipropionat (Ovoeyelin 5 mg) bei M~nnern eine Potenzierung der Adrenalinleukocytose festgestellt. Bei homotoger Anwendung der gleiehen Keimdrfisen- hormone in g]eieher Dosierung t ra t hingegen keine stimnlierende Wirkung i n Erseheinung. Dies Ergeb- nis ist ein Beispiel liar eine zwar nnspezifische, aber dennoeh eharakteristische Wirkung heterologer Hormone.

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ldBElt DIE HUMORALEN VERANDERUNGEN NACH HERZINFAttKT, ANDEREN AKUTEN ERKRANKU~GEN UND EXPERIMENTELL ERZEUGTEN ZUSTXNDEN.

V o n

W. H. HAuss, L. L A s ~ s und H. BR~CKNEt~. Aus der I . l~Iedizinischen Unive r s i tg t sk l in ik F r a n k f u r t a. bL (Di rek tor : Prof. Dr. ~'E!~DINAND HOFF).

Lebendige Organismen zeiehnen sieh dureh Re- aktionsfS.higkeit auf I~eize aus, dutch die F/ihig- keit, GegenmaBnahmen zu ergreifen. Diese I~eaktion kann sich auf die Funktions/inderung einzelner direkt gereizter Zellen oder Organe besehriinken. Sic kann aber aueh in mehr odor weniger grogem Ans- mal~ komplex sein trod im Anspreehen vieler, aueh prim/ir nieht geseh~digter Organe ihren Ausdruek linden.

Letzteres ist die gegel, eine Folge der nervalen und humoralen Verkniipfung der Organe unterein- ander, yon der weiter unten noeh zu spreehen sein wird.

Dem Organismus steht yon Natur aus nut eine begrenzte Anzahl von Reak~ionsmSgliehkeiten zur Verf/igung. Versehiedenartige Noxen rufen daher oft gleiehartige t~eaktionen hervor.

Bei einigen Erkrankungen kSnnen wir beobaehten, dab Symptome naeh GrSl3e nnd zeitlichem Ablauf

Klinisclm Wochensehri f t . 80. Ja t l rg .

gekoppelt erscheinen. Diese sog. , ,Syndrome" treten als l~eaktionseinheit auf.

Uns hat seit mehr Ms einem Jahrzehnt ein Syn- drom besch~ftigt, das wir in seiner Geschlossenheit zuerst beim Herzinfarkt, in der Folge aber aueh bei akuter Magenblutung, bei Lungenembolie, bei experi- mentellem Kolla.ps, bei Anoxgmie, bei postoper~Liven Znst~nden und bei zentralnervSsen StSrnngen immer wieder beobachteu konnten. Wir haben dieses Syn- drom, da wir es zun~chst stets bei mit Kollaps einher- gehenden Krankheiten fanden, Kollapssyndrom ge- nannt, miissen aber bereits jetzt feststellen, dab dieser Name nicht umfassend genug ist.

In Abb. 1 haben wir die Vergnderungen, die wir nach frischem tterzinfarkt mit t~egelm~Bigkeit an- treffen, zusammengestellt. Die mitge~eitten Werte stammen yon Patienten, bei denen die Diagnose stets kliniseh nnd elektrokardiographisch gesichert war und

40b

636 w.H. HAvss, L, L~M~I~S und H. BI~#OK~R: t~er die humorMen Veranderungen n~ch Herzinfarkt. Kllnischo Wochensehrift

keine Komplil~ationen (z. ]3. Pneumonie, Embolie) vorlagen.

Die Temperatur wurde rectal gemessen, die Leuko- ey~en wurden in der Bt~i~KE~-Kammer gez~hlt und das Blutbfld naeh ~V~_Y-GI~i)NwALD gefarbt. Der Rest-N wurde naeh K~I~LDA~IL, bei Tieren Mikro- Kjeldahl, der Blutzueker naeh I-IA~EDOI~N-JENsE~ ~ bestimmt. Die BlutkSrperchensenkungsgesehwindig- keit wurde naeh der Methodik yon WEs~m~Ol~ aus- gefiihrt und der Mittetwert naeh der bekannten Formel

s~,s o g

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A_ 2 212 : 7 2 3 ~ . ~ g 7

Toge F ~ /IT ~- ~ ~

Abb. 1. Blutver~nderungen (Mi~elwer~e) nach Herzinfarkt. Zeitordinu~e im gestrichelten Tell der Kurven = Tage. Zeitordina~e im unges~richelten

Teil der Kurven = Wochen.

a + b/2 bereehne~. Die Eiwefl~bestimmungen wurden 2

mit Hflfe dos Elektrophoreseger~tes nach A~WEIL~R ausgeftihrt.

Aus ~i*ztlichen Griinden kSnnen bei einem Infark-t- patienten nieht s~mtliehe Werte an einem Tage be- stimmt werden. Die Abbfldung ist so zu verstehen, dab ,,arithmetische Mittelwerte" yon einer (jewei!s angegebenen) Anzahl P~tienten gebfldet wurden, so- weir solche Werte an don einzelnen Tagen vorlagen. Die Zahl der Einzelbes~immungen ffir die Erreehnung eines ,,Mittelwertes" schwankt entspreehend fiir die einzelnen Symptome.

Man sieht aus der Abb. 1, dal~ die KSrper~empera- tur (50 Patienten) reeht sehnell in den ersten beiden Tagen auf ein Maximum ansteigt, Uln dann nach Abtauf einer Woehe normale Werte zu erreichen.

Die Leukoeytenzahlen (120Patienten) sind am 1. Krankheitstage erhSht und fallen dann innerhalb einiger Tage wieder zur Norm ab. Aueh die Reaktion der Stabkernigen ist sehr schnell. Ihr Maximalwert yon 7 % wird am 2. Tag erreicht. Der Abfall effolgt etwa parallel dem der Leukocy~enkurve. Die segment- kernigen Leukoeyten verhalten sich entspreehend. Um-

gekehrtes Verhalten zeigen die Lymphoeyten. Von einem niedrigsten Wert 00% am 1. Tag) steigen sie innerhalb yon Tagen auf Normalwerte an, um sich dann bis zur 8. Woehe an der oberen Grenze bzw. oberhalb der Norm zu bewegen.' Die Eosinophilen pflegen naeh Herzinfarkt vSllig aus dem Blur zu ver- schwinden. Kfirzlich habe ieh mit Loss~ 1 dutch Be- stimmung der absoluten Eosinophilenzahl (Methodik nach t~A~DOLPI:~) an 10 F~llen diese Gesetzm~Bigkeit naehgewiesen. In Abb. 1 sind die EosinophiIen, im Ausstrich gez~Lhlt, als Prozentzahlen angegeben. In den ersten 2 Tagen wurden keine Eosinophilen gefun- den, sie steigen dann bis zur 7. ~Voche auf erhShte Werte (7 %) an und liegen naeh 8 Woehen bei 3 %.

Gegeniiber der cellul~ren Reaktion sprieht die Blutsenkung (t20Patien~en) langsamer an, bleibt dann abet l~tnger auf pathologisch erhShten Werten. Diese kliniseh leicht zu erfassende Blutsenkungs- beschleuuigung ist bekarmtlich beim Herzinfarkt yon erheblicher diagnostischer Bedentung.

13ber die Eiwefl~ver~nderungen nach tterzinfarkt haben wit kfirzlieh berichte~ (HAuss und LmsT). ~ Aus der Abb. 1 (10 Patienten) ist ersiehtlieh, dal~ das Albu- min am 5. Tag auf einen pathologischen Minimalwert abf~llt. Innerhalb der folgenden Tage tritt langsamer Wiederanstieg auf. Zum Albumin gegensgtzlich ver- halten sich das a- und das y-Globulin, die beide bereits am I. Tag deutlich erhSht sind. Wa.hrend aber das a-Globulin in den n~ehsten Tagen noeh weiter ansteigt und sieh dann erst langsam zur Norm zurfickbegibL f~llt das y-Globulin bis zum 5. Tag wieder auf iormale Werte zuriick.

Der Niichternblutzucker (25Patienten) erreicht seinen Gipfel am 1. Tag und einen zweiten Gipfel am 5. Tag.

Auch der Reststickstoff (30 Patienten) zeigt seinen hSehsten ~Ver~ am 1. Tag und noehmals eine geringe ErhShung am 4. Tag. Die ReststiekstofferhShnng wurde wohl bei unseren Patienten in vielen F~Lllen nieht effa~t. Daraus ergab sich der mit 43 rag-% am 1. Tag verzeiehnete erhShte Wert an der Grenze der Norm liegend. Did vielel gefundenen normalen Werte erniedrigten den ,Mittelwert" trotz zum Tell recht erheblicher pathologischer Einzetwer~e. Der hSchst gefundene Reststiekstoffwert lag bei 120 mg-%. Der nachfolgende Abfall ist immerhin deutlich erkennbar.

Wit glauben nicht fehlzugehen in der Annahme, dal~ fiber die genannten Vergnderungen hinaus weitere GrSf3en (z. B. Aeeton, Kalium, Harnsa.ure, Kreatin, Kreatinin, Natrium, Calcium, Alkatireserve u. a.) nach Herzinfarkt Schwankungen ihres Blutspiegels auf- weisen, Ver~Lnderungen, die jedoch noch systematLseher Kontrolle bedfirfen.

In don letzten Jahren haben wir bei anderen ICrankheitsbildern nnd bei experimentell erzeugten Zust~nden nuch dem in Abb. 1 d~rgestellten Syndrom gesucht. Anfgnglieh haben wir Ins mit der Xontrolle der Leukocytenzahl, der BIutsenkung, des Reststiek- stoffes und des Blutzuckers begnfigt. Wir fanden (HAuss und YAMA~AKA s) bei experimentell gesetzten Nekrosen des quergestreiften Muskels ErhShung der Leukocytenzahl, der BlutsenkuIg, dos Reststiekstoffs und des Blutzuekers.

In der BOI~G~l~schen Xlinik war bei Magen- blutungen die ReststickstofferhShung au~gef~tlen

Jg. 30, l~eft 27/2s W.H. tIAvss, L. L A ~ g s und H. BRi)CK~g: t_~oer die humoralen Ver/~nderungen n~ch Herzinfarkt. 637 15. Juli 1952

(LEoNltAI~DI~). Das Syndrom (Leukocyten-, Blut- senkung-, Rest-N- und Blutzuekererh6hung) konnte dann bei ausreichender Kontrolle naeh akuten Magen- blutungen sichergestellt werden (B~HA~DS).

Auch bei der Lungenembo]ie treten dieselben hu- moralen Veranderungen auf. V.IE~E~B~J~ ~a hat darfiber in ihrer Doktorarbeit beriehtet.

Da die vorgenam~ten drei Krankheitsbilder in ihrem klinischen Verlauf dutch einen Kreislaufl~o]laps ge- kennzeichnet sind, kam uns der Gedanke, dab die Kollapswirkung ftir die Ausl6sung des Syndroms ver- antwortiich zu machen sei. Im naelifolgenden gelang es uns in der Tat., dureh orthostatisehen Kollaps bei Kaninehen das Syndrom zu erzeugen (HAuss 6, I-[EISEL 7, ITIILLEBI~ECHT 8).

Aber sehon bald erkannten wir, dab auch auf andere Weise das Syndrom ausgel5st werden kann. IVl/3LL~ s hat die Einwirkung von Anox/tmie an Kanin- chen in der Unterdruekkammer untersucht und dabei ebenfalls das Syndrom gefunden.

In der Folge, naehdem sich unser Auge fiir dieses Syndrom immer mehr geschult hatte, fanden wir es aueh bei Subarachnoidalblutungen.

B/d~o.e~ und GnAXJ~tAH~¢ ° haben bei postopera- riven Zusta, nden eine ReststiekstofferhShung gefunden (postoperative Azot~mie). Inzwisehen ist dieser post- operative Zustand Gegenstand weiterer Unter- suehungen geworden (LERICHE 11, EHLE:I~T 12, V. HAL- ~Enls). Die Kenntnis dieser Symptome ist bei ope- rierten Patienten yon groger praktiseher Bedeutung. An den in der Literatur wiedergegebenen Werten ist unser Syndrom wieder zu erkennen.

In diesem Zusammenhang mug auch erw/~hnt werden, dab bei Infektionskrankheiten eine durchaus ~hnliehe Symptomatologie auftritt. Neben den ge- l~iufigen Xnderungen des weigen Blutbildes haben wit aueh solehe des Blutzuckers und des Reststiekstoffes bei Infekten gefunden.

HosF ~s hat bei Mensehen dureh Ventrikulographie, also dureh direkte zentralnervSse Reizungen, ebenfalls Vergnderungen der Leukoeytenzahl, des Blutbildes, der K6rpertemperatur, des Blutzuckers, der Blut- eiweiBkSrper und einiger anderer Substanzen nachge- wiesen. Er hat diese Reaktion als,,vegetative Gesamt- umsehaltung" bezeiehnet und damit die zentrale Regu- lation in den Bliekpunkt gestellt. Die Ahnliehkeit der yon HOF~ und seinen Schiilern (~s-~s) bei zentral- nerv6ser Reizung, naeh Injektion yon Bakterienstoffen (Pyrifer) und anderen unspezifisehen Reizen im Blur gefundenen Vergnderungen mit unserem Syndrom ist augenscheinlieh. Sie ist yon entscheidender Bedeutung ffir die Kl~rung der Pathogenese des Syndroms.

Da diese Symptomatologie eine allgemeine Be- deutung hat, erseheint es uns angebraeht, Vorstel- hngen fiber den Entstehungsmeehanismus dieser gleichf6rmigen Reaktion, dieses akuten Syndroms, zu diskutieren. Ein Aufzeigen der vielfi~ltigen Faktoren, die bei diesem Ph~nomen in Akdon treten, ist trotz zum Teil noeh fehlender Einzelkenntnisse zweckm/igig.

Das Syndrom entsteht letzten Endes dureh Funk- tionsgnderung vieler Organe (Knochenmark, Milz u.a.), die wir einmal als Er~olgsorgane bezeiehnen wollen. Der Funktionswandel tier Er/olgsorgane kommt dureh ausl6sende geize zustande, auf einem Weg, der Reaktionsweg genannt werden sell.

Am Beispiel des tIerzinfarktes soll in den folgenden Zeilen der Versueh gemaeht werden, darzutun, wie es im Verlauf des Krankheitsgesehehens zu einer Sym- ptomatologie kommt, die den primiiren Kzankheits- erseheinungen (Herzmuskelnekrose, Blutdruekabfall usw.) wesensfremd ist. Abb. 2 gibt sehematiseh die im Text dargelegten Beziehungen wieder.

Bei der Herzmuskelinfarzierung werden Nekrose- stoffe frei, die ins Blur gelangen und auf humoralem Weg toxisehe Wirkungen im ZNS entfalten kSnnen.

Herzinfarkt t Erka'ankung

Reiz dureh Nekrosestoffe aus Herzmuskeb infarkt.

Pressoreeeptorenreizung dutch Blutdruck senkung.

Reizung vegetativer Receptoren im Herz- muskeL

i Ausl6sender tReiz

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I - ZNS I

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t~eaktions- weg

Kn0chenmark, Lymphknoten, Milz, RES, Erfolgs- Leber, Muskelsystem. organe

Fieber, Leukocytose, Lymphopenie, Eosino- penie, Vermehrung der Stabkernigen, Blut- senkungsbeschleunigung, BluteiweiBverschie- bung, BZ und RN-ErhShung.

Abb. 2. Erkl/lrung s. Text.

Akutes Syndrom

Es besteht Grund zur Annahme, dab im Herzen nieht nur Schmerzreeeptoren, sondern auch Receptoren fiir andere vegetative Bahnen vorhanden sind (JARISC~20). Diese werden beim Coronarinfarkt gereizt. Die Blur- drueksenkung naeh Herzinfarkt ru f t die Blutdruck- zfigler auf den Plan (Depressor und Carotis-Sinus- n e r v ) .

Dureh Nekrosestoffe aus dem Infarktbezirk kommt es auf humoralem Weg zur Reizung des ZNS. Reizung des Depressor- und Carotis-Sinusnerven ruff Erre- gungs~nderung der vegetativen Zentren hervor. Die daraus resultierenden Xnderungen der Atmung und des Kreislaufes sind uns dutch die Untersuchungen yon CYo~ und LUDWIG21~ HERING 22, KOCH 23, HEYMANS und Mitarbeitern ~a vertraut. Auch ~nderungen des Blutzuckerspiegels und des weiBen Blutbildes sind naeh tempor~rer Ausschaltung des Carotis-Sinusnerven beschrieben (LAMPEN25). Vom ZNS aus werden auf verschiedenen Wegen die Erfolgsorgane beeinfluBt. Durch zentrifugale Nerven wird bei Erregungsgnde- rung des ZNS die Organfunktion direkt gesteuert. Der

638 HORST JULICH: Die Erregbarkeit des Atemzentrums bei Herzkranken und Emphysematikern. Klinische Wochensehrift

Weg zum Erfolgsorgan kann zudem fiber des endokrine System, insbesondere des Hypophysennebennieren- system, gehen.

Die Erfolgsorgane be~drken letzten Endes dutch ihre Funktions~nderung die Symptomatologie. F fir die eeltul/~ren Etemente sind des Knochenmark, die Milz, die Lymphknoten und des RES als Erfolgsorgane anzusehen. Aus der Anderung des BluteiweiBbildes, der Blutsenkungsgeschwindigkeit, des Keststickstoffs und des Blutzuckers geht hervor, dab noch weitere Organe auf oben dargestetlte Impulse hin il~e Fm~&- tion ~ndern.

B e i m Herzinfarkt~ beeinflussen also die auslfsenden Reize auf dem Reaktionsweg die Er/olgsorgane, welche des Syndrom bewirken. Des ,,akute Syndrom" ist ein- heitlieh, die Ausl5sungsm5gliehkeit.en vielf~ltig. Es steht also einer einheitlichen Reaktion die unspezifi- sehe AuslSsung derselben gegenfiber.

Aus der Tatsaehe, dab Krankheitsbflder verschie- denster Art, wie die obengenannten, mit dem Syndrom einhergehen, geht hervor', dab die auslSsenden Reize recht mannigfaltig sein kSnnen.

Direkt am ZNS druckmechaniseh einwirkende Reize kommen unter anderem sowohl bei der sub- araehnoidMen Blu~ung, a]s auch t~ei der Hirnventrikel- ffillung in Betraeht. Bei der experimenteI1 gesetzten ZerstSrung quergestreifter Muskeln werden toxisch wirksame Substanzen aus dem Nekroseherd freigesetzt und kSnnen als R eiz wirksam werdem Bei Sauerstoff- mangelversuchen in der Unterdruckkammer entfaltet die Anox/imie eine direkte l%eizwirkung am Nerven- system. Es ist zu erwarten, dab bei erweckter Auf- merksamkeit des akute Syndrom bei weiteren Krank- heitszust£nden gefunden wird. Die Anzahl der aus- 15senden Reize wird w o n noeh gr5Ber sein.

Es besteht durchaus die 1V[Sgliehkeit, dab verschie- dene Symptome, ja aueh ein und dasselbe Symptom, auf versehiedenen Reaktionswegen zur AuslSsung ge- brecht werden kSnnen. Die gegebenen Vorstellungen sind zum Teil noeh Arbeitshypothesen und nur zum Tell dureh experimentelle Arbeiten unterbaut. Hier- fiber wird in einer n/~chsten VerSffenttiehung beriehtet werden. Dabei wird es notwendig sein, Gemeinsam- keiten und Untersehiede mit yon anderen Autoren [ C A ~ o x (NotfMlsfunktion) ~ , HOOF, (vegetative Ge-

samtumschaltung) ~, SCroLLING (Phasen des weil~en Blutbildes) ~, SELYE (Ala rmreaktion und GenerM- adaptation Syndrom es' ~) und BEIGLBfOK (Cortieo- gene Kettenre~ktion) ~0] beobachteten Ph£nomenen zu diskutieren.

Von klinisch praktisehem Weft dfirfte eine Aus- wertung der Sympt0me hinsich~lich ihrer DeutIichkeit, ihres zeitlichen Auftretens und ihrer Dauer sein. Des Syndrom kSnnte Hinweise sowohl ffir die Beurteilung der Konstitution der Patienten, als aueh flit Schwere, D~uer, Prognose und Therapie der betreffenden E r - krankungen geben.

Zusammen/assung. 1. Die humoralen Ver/inde- rungen naeh Herzinf~rkt werden beschrieben und in einer Abbfldung graphiseh c~argestellt.

2. Es werden Krankheitsbilder und experimentell erzeugte Zust/~nde aufgez~ihlt, bei denen des n£mliche Syndrom wie nach Herzinfarkt beobachtet werden konnte.

3. Es wird auf den Entstehungsmechanismus des Syndroms eingegangen.

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DIE E R R E G B A R K E I T DES I T E H Z E N T R U M S B E I t t E R Z K R I N K E N UND EMPHYSEMATIKERN*.

V o n

I~ORST JULIOH.

Aus der I, i~[ed. Universit~tskl~nik Halle a. S. (Direk~or: Prof. Dr. 1%. ~OBE~) und dem Insti~u~ ffir experimen~elle Pathologie ]~[~lle a. S. (Dkektor: ProL Dr. i% PAL~IE).

Die kardiale Dyspnoe ist bis 1930 Gegenstand zahl- reieher Arbeiten bekannter Kliniker gewesen (Runow, Conz~, EPeI~GE~, SIEnECK, K~O~TZ U. a.), ohne dag Obereinstimmung bei diesen Autoren besteht. Bei der yon Comet angeregten Wiederbearbeitung dieses Pro- blems sollen auch Untersuchungsmethoden angewandt werden, die bei den bisherigen Arbeiten nicht berfiek- siehtigt wurden. Als Teilgebiet dieses mannigfaltigen Fragenkomplexes sell hier fiber die Erregbarkeit des Atemzent rums 'be i Herzkranken und Emphysema- tikern berichteg werden.

* Naeh einem am 15. Juni 1951 auf der Sommerf~gung der ~ordwest- deutschen Gesellschaft ftir innere ~edizinin Greifswald gehaltenen Yortrag

Seit L I~D~D bestirnmts man die Erregbarkeit des Atem- zentrums in der Weise, dM3 man verschiedene Kohlensaure- drucke der Alveolarluft (pC02Mv) zum Atemvolumen (AV 1/ rain) in Beziehung setzt. Diese Beziehung sagt aus, wie sich die ErregungsgrSl3e des Atemzentrurns (ausgedrttckt dureh AV l/rain) bei ~derung eines Teilreizes (ausgedriiekt durch pC02alv) andert. Bei diesem Vorgehen erhalt man annahernd geradlinige Erregungskurven (LI~D~ARD, NIJ~LS~¢~ n.a.), deren Steilheit Sehliisse auf die Erregbarkeit des Atem- zentrums zul/~Bt. Diese Steilheit der Kurven 1/iBt sich durch den Erregtmgsquotienten (EQ) ausdrfieken, der die Steigerung des AVl/min je /Vfillimeter pCO~alv-Zunahme angibt. Je steiler die Erregungskurve verI~uft, um so erregbarer ist des Atemzentrum und um so grSBer wird infolgedessen der EQ. Die bisher verwandte Methode, die in der Atmung verschie- dener CO~-Gemische besteht, wurde yon uns - - wie in einer

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