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Unser tägliches Sterben
Script zur WDR-Sendereihe Quarks&CoWeitere Scripte finden Sie unter www.quarks.de
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Unser tägliches Sterben
Inhalt
S4 Sterben von Anfang an S8 Runderneuerung im KörperS9 Die Lebensdauer verschiedener ZelltypenS14 Unsterbliche HydraS16 Der Traum von UnsterblichkeitS18 Die Körperpolizei: programmierter ZelltodS22 Krebs – wenn das Sterben nicht funktioniertS24 Sterben um zu überlebenS37 Lesetipps
Unser tägliches Sterben
Bildnachweisealle Abbildungen WDR außer:
S5 Entwicklungsstadien der Hand; Rechte: Dr. Heinz Jacob – Ruhr Universität Bochum
S6 Entwicklungsstadien des Auges; Rechte: Prof. Dr. J. Graw – GSF Neuherberg
S7 Nervenzellen; Rechte: Jürgen Berger – Max-Planck-Institut für Entwicklungsbiologie
S24-27 Sterben um zu überleben; Rechte: SWR
Impressum
Text: Tristan Chytroschek, Falko Daub, Martin Rosenberg, Ismeni Walter
Redaktion und
Koordination: Wolfgang LemmeCopyright: WDR, September 2005
Gestaltung: Designbureau Kremer & Mahler, Köln
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In den ersten Tagen sind alle gleich
Alles beginnt mit dem Zusammenschluss von nur zweiZellen: der größten und der kleinsten Zelle des Men-schen. Die Eizelle der Frau und das Spermium desMannes. Mit dem Verschmelzen entsteht die so genann-te Zygote, aus ihr sollen einmal Billionen von Zellenwerden. Eine gewaltige Aufgabe, für die nur neunMonate Zeit sind. In den ersten Tagen nach der Be-fruchtung sind die sich etwa alle 15 bis 20 Stunden tei-lenden Zellen noch identisch. Doch im Lauf derMenschwerdung sollen daraus einmal Nerven-, Haut-oder Muskelzellen entstehen: über 200 verschiedeneZellarten werden für den komplexen Aufbau des mensch-lichen Organismus benötigt.
Das Leben nimmt Formen an
Schon nach einem Monat ist ein etwa 6 Millimetergroßes Wesen entstanden, das noch mehr einemUrzeittierchen als einem Menschen ähnelt. Der Embryowächst jetzt pro Tag einen Millimeter. Und schon jetzthat jede Zelle ihre spezifische Aufgabe: Ein winzigesHerz schlägt und pumpt das Blut durch den winzigenKörper. Mit Hilfe eines Ultraschallgeräts ist sogar schondie Tätigkeit beider Herzhälften sichtbar zu machen. ZuBeginn des zweiten Monats entwickeln sich dieAnlagen für Arme, Beine, Hände und Füße. Eine guteWoche später sind die Strahlen der Finger in derHandanlage zu erkennen. Doch dann gibt es in derWeiterentwicklung ein Problem: Wenn sich die Zelleneinfach nur weiter teilen, ist die Entwicklung der Händeund Füße nicht abzuschließen.
Zellen werden in den Tod geschickt
Die Entwicklung des Embryos, die bisher offensichtlichvon ständigem Zellwachstum geprägt war, steht aneinem Punkt, wo Wachstum allein keine Lösung mehrbietet. Der Bauplan für die Hand benötigt jetzt nichtnoch mehr Zellen, sondern scheinbar genau das Gegen-teil – den Tod von eben erst gebildeten Zellen. Nachetwa sechs Wochen sehen die Hände des Embryosnoch wie kleine Paddel aus. Kurz danach sind einzelneFinger zu erkennen, die jedoch mit einer Art Schwimm-haut verbunden sind. Für eine funktionierende Handmüssen die Zellen dieser Schwimmhäute sterben. Unddas tun sie – in ihnen läuft in dieser Zeit eine Art vor-programmierter Selbstmord ab. Nur so werden dieeinzelnen Finger beweglich. Genauso läuft es mit denZehen – innerhalb nur weniger Tage sterben tausendevon Zellen der Haut, die die Zehen verbunden hat. Umden Tag 52, also gut sieben Wochen nach der erstenZellteilung, ist das Sterben der Schwimmhäute anHänden und Füßen weitgehend beendet, jetzt müssendie Hände und Füße wieder weiter wachsen. Kurz da-
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Sterben von Anfang an
Ein rund vier Wochen alter
Embryo
Entwicklungsstadium
der Hand nach ca. 6 Wochen
Für eine funktionierende Hand
müssen die Zellen dieser
Schwimmhäute sterben
Samenzellen versuchen, in die
Eizelle einzudringen
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rauf kann man schon im Ultraschall entdecken, wie derDaumen des inzwischen zum Fetus herangereiftenEmbryos seinen Weg zum Mund findet – eine für alleBeteiligten beruhigende Entdeckung.
Die Augen: erst trüb, dann klar
Aber nicht nur bei der Konstruktion von Händen undFüßen spielt der Zelltod eine ganz bedeutende Rolle.Auch die Augäpfel könnten ohne gezielten Selbstmordnicht vollständig gebildet werden und unser Blickwäre im wahrsten Sinne des Wortes getrübt. DieAugen entwickeln sich aus einer einfachen Einstülpungder Haut zu einem komplexen Sinnesorgan. Auch hierwerden Schritte erst getan, dann zurückgenommen:Die Zellkerne in der ausgebildeten Linse müssen ster-ben, damit die Linse durchsichtig wird und wir sehenkönnen. Würde dies nicht geschehen, müsste derSäugling mit einem angeborenen Grauen Star auf dieWelt kommen und wäre praktisch blind.
Bauprinzip Überfluss auch im Gehirn
Auch in dem noch kleinen Gehirn wird Unglaublichesvollbracht. Pro Minute entstehen über 500.000 Ner-venzellen. Und sie vernetzen sich untereinander mitSchaltstellen, so genannten Synapsen. In Spitzen-zeiten werden in bestimmten Hirnregionen 1,8Millionen Synapsen pro Sekunde erzeugt. Kein Wunder,dass dabei auch mal was daneben gehen kann.Vereinfacht ausgedrückt gibt es Nervenzellen, die dasihnen vorbestimmte Ziel nicht finden. Andere kommenzwar am Ziel an, aber zu spät. Alle Kontakte zu benach-barten Nervenzellen sind schon besetzt. Diese Zellensind unnütz und begehen deshalb Selbstmord. Je nach
Nervenzellen unter dem
Mikroskop – sie leben, weil
viele andere vor ihnen ge-
storben sind
Das Auge entwickelt sich aus
einer einfachen Einstülpung ...
... zu einem komplexen
Sinnesorgan
Hirnregion gehen zwischen 35 und 80 Prozent derNervenzellen zu Grunde. Das große Sterben im Nerven-system beginnt schon in den ersten Wochen der Ent-wicklung und hält bis weit nach der Geburt an. Wennder Säugling also das erste Mal das Licht der Welt erblik-kt, hat sein Organismus schon Millionen von Zellen inden Tod geschickt – ohne das fortwährende Sterbengäbe es keine Entwicklung.
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Fast alle im menschlichen Körper versammelten Zell-typen verändern sich ständig. Dabei ist dieGeschwindigkeit des Umbaus sehr unterschiedlich. Sosind die Zellen der Blutgefäße und des Darms schonnach wenigen Tagen komplett ausgetauscht. Bei derHaut und einigen Organen ist der Wechsel eine Sachevon Wochen bis Monaten. Der Umbau der Knochendauert dann schon länger: Erst nach rund zehn Jahrenist das gesamte Skelett ausgetauscht. Noch längerleben die Muskelzellen: Wenn sie sich zum Verbundder Muskelfasern zusammengeschlossen haben, teilensie sich nicht mehr. Nur bei Verletzungen werden sierepariert. So erreichen sie eine durchschnittlicheLebensdauer von etwa 15 Jahren. Doch einige wenigeTeile des Körpers bleiben lebenslang dieselben: Teiledes Gehirns und des Nervensystems, das Herz und dieSchweißdrüsen ändern sich nie. Nur sie sind genausoalt wie der Mensch, zu dem sie gehören.
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Ständiger Wandel hält uns frisch
Manchmal fragt man sich, wie viel von einem altenAuto noch dasselbe ist, wenn nicht nur die Reifen unddie Zündkerzen, sondern auch Kotflügel, Bodenblecheund der Motor ausgetauscht sind. Durch regelmäßigenAustausch von Teilen bleibt ein Auto nur scheinbardasselbe – in Wirklichkeit wird es permanent verän-dert. Und genauso funktioniert es auch beim Men-schen: regelmäßig werden Bestandteile ausgewech-selt, nach einigen Jahren ist man fast ein völlig neuerMensch. Dabei hat jede Gewebeart und jeder Zelltypseinen eigenen Rhythmus und seinen eigenen Mecha-nismus, mit dem er ausgetauscht wird.
Jeden Monat eine neue Haut
Tief in der Keimschicht bilden sich neue Zellen undwandern langsam nach außen. Dabei werden sieimmer stärker zusammengequetscht, verlieren nacheiniger Zeit sogar den Kern. Schließlich bilden sie eineetwa 20 Schichten starke Schutzschicht – die toteAußenhaut, die wir sehen. Nach etwa zwei bis vierWochen ist die Zelle nur noch eine lebloseHautschuppe – sie fällt ab.
Lebenslange Baustelle: die Knochen
Bestimmte Knochenzellen, so genannte Osteoklasten,bauen altes Knochengewebe ab, indem sie demKnochen Mineralien entziehen. Eine kleine Mulde ent-steht – Platz für neues Gewebe. Was die einen Zellenabbauen, baut eine andere Sorte wieder auf: Osteo-blasten füllen diese Mulden mit Kalzium aus. In demneuen Knochengewebe mauern sie sich nach und nachein, bis sie selbst nicht mehr überleben können undverknöchern. Das Gleichgewicht von ständigem Abbauund Erneuerung sorgt dafür, dass der Knochen stabilund elastisch bleibt.
Runderneuerung im Körper Die Lebensdauer verschiedener Zelltypen
So jung kommen die beiden
nie wieder zusammen. Beide
können durch Erneuerung in
Form bleiben
Die oberste Hautschicht be-
steht nur aus toten Zellen, die
sich nach und nach ablösen
Was die Osteoklasten
abbauen, bauen Osteoblasten
später wieder auf
Verschiedene Zelltypen
haben unterschiedliche
Lebensspannen
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Die Haut an Bauch und Fußsohlen
Hautzellen halten sich im Durchschnitt rund vier Wochen – am Bauch und an den
Fußsohlen nutzen sie sich schneller ab und sind schon nach fast drei Wochen ersetzt.
Haarfollikelzellen
Haarfollikelzellen werden nicht erneuert. Deshalb gibt
es auch keine Hoffnung mehr, wenn sich die ersten
Anzeichen einer Glatze bilden: was weg ist, ist weg.
Ohren
Die Hautzellen an den Ohren leben länger als viele
andere Hautzellen, statt zwei bis vier Wochen sind es
hier fünf Wochen.
Augenlinsen
Linsenzellen im Auge und die lichtempfindlichen
Sinneszellen auf der Netzhaut werden nicht
erneuert. Sie müssen ein Leben lang halten und
sind deshalb im Alter oft schon ziemlich abgenutzt.
Lippen
Hautzellen halten sich im Durchschnitt rund zwei bis
vier Wochen – an den Lippen ist die Haut aber
besonders dünn und ist schon nach etwa zwei
Wochen komplett erneuert.
Lunge
Nach acht Tagen ist die Oberfläche der Lunge aus-
getauscht. Raucher haben aber Pech: der Teer, der
sich bei ihnen bildet, bleibt viel länger dort kleben,
etwa ein ganzes Jahr.
Darm
Im Darm sind die unterschiedlichsten Lebenserwartungen vertreten: Die Zellen, die den
Dünndarm auskleiden, halten es gerade mal ein bis zwei Tage aus, die im Dickdarm leben
immerhin 10 Tage. Und im Leerdarm, einem Teil des Dünndarms, überleben sie fast 16 Jahre.
Sinneshaarzellen im Ohr
Sinneshaarzellen im Ohr bleiben lebenslang erhalten,
wenn man sie nicht mutwillig durch laute Musik
zugrunde richtet. Schlechte Musik hingegen verkürzt
ihre Lebenserwartung nicht.
Riechzellen in der Nase
Riechzellen überleben ein bis zwei Monate. Dann
haben sie offensichtlich die Nase voll.
Weiße Blutkörperchen
Auch die weißen Blutkörperchen haben nur eine Le-
bensdauer von einigen Tagen. Ähnlich wie ihre roten
Brüder haben sie enorme Strecken zurückzulegen.
Rote Blutkörperchen
In 120 Tagen legen die roten Blutkörperchen rund
1.600 km in den Weiten der Blutgefäße zurück.
Danach sind sie fix und fertig. Und reif für’s
Recycling in der Milz.
Magenschleimhaut
Hier ist viel los, und das nimmt auch die
Schleimhäute mit: ein ständiges Kommen und
Gehen von Säuren und Basen und permanent neue
Substanzen, die hier umgesetzt werden – das hält
keine Zelle länger als eine Woche aus.
Die Lebensdauer verschiedener Zelltypen
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Gehirnzellen
Bislang ging man davon aus, dass
Gehirnzellen nicht erneuert werden, wenn
das Gehirn erst einmal ausgebildet ist.
Mittlerweile hat sich aber herausgestellt,
dass sich auch manche Gehirnzellen verän-
dern. Erwiesenermaßen lebenslang treu
bleiben aber die Zellen in den Bereichen,
die für das Sehen, das Riechen und das
Speichern von Erinnerungen zuständig
sind.
Muskelzellen
Muskelzellen teilen sich nicht so wie
andere Zellen. Sie verbinden sich zu
Muskelfasern und bleiben dann erst einmal
in diesem Verbund erhalten. Allerdings
können Reservezellen, so genannte
Satellitenzellen, bei Verletzungen nach-
wachsen und die Faser reparieren. Dadurch
erreichen Muskelzellen eine durchschnitt-
liche Lebensdauer von 15 Jahren.
Knochen
Ein ständiges Auf- und Abbauen ver-
schiedener Zelltypen hält die Knochen per-
manent jung. Nach ungefähr 10 Jahren ist
das gesamte Skelett erneuert – im Alter
dauert es etwas länger.
Herzmuskelzellen
Wenn die Zellen des Herzmuskels absterben,
können sie nicht repariert werden. Deshalb
muss man nach einem Herzinfarkt besonders
vorsichtig sein. Und wahrscheinlich ist das
auch der Grund dafür, dass man sich vom
gebrochenen Herzen nur so mühsam erholt.
Die Lebensdauer verschiedener Zelltypen
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schiedliche Organe entstehen können. Aus ihnen ent-wickeln sich später sämtliche anderen Zelltypen, die derOrganismus braucht. Sie wandern durch den Körper undersetzen die alten Zellen, die am Fuß und an den Tenta-keln des Tieres abgestoßen werden. Die Hydra kannsogar Nervenzellen erneuern – einmalig im Tierreich!
Warum können wir nicht so sein wie Hydra?
Die Hydra ist ein sehr einfaches Lebewesen, neben denSchwämmen eines der primitivsten mehrzelligen Tiereüberhaupt. Sie besitzt nur drei verschiedene Stamm-zell-Linien. Aber anders als die primitive Hydra habenhöher entwickelte Tiere viel mehr und differenziertereZelltypen, aus denen ihr Organismus aufgebaut ist. Undder menschliche Körper ist sehr kompliziert, deswegenfunktioniert die ständige Erneuerung bei uns nicht.
Lernen von der Hydra
Doch Wissenschaftler sind fasziniert von der Hydra-Strategie und versuchen herauszufinden, warum dieseständige Erneuerung so perfekt funktioniert. Denn dasErstaunliche ist, dass es keine Entgleisungen gibt, zumBeispiel keinen Krebs. Krebs ist ein unkontrolliertesZellwachstum, das normales Gewebe verdrängt oderzerstört. Die Krebszellen ignorieren die Bremssignaledes Körpers, weil die Gene für den Empfang dieserSignale verloren gegangen sind oder abgeschaltetwurden. Bei der Hydra passieren solche genetischenPannen trotz wildem Zellwachstum nicht. Ein Erklä-rungsversuch dazu besagt, dass die Zellen desPolypen so schnell eliminiert werden, dass es erst garnicht zu Krebs kommen kann. Die Überlebensstrategieder Hydra kann somit viel zum Verständnis von Krank-heiten und Alterungsvorgängen beim Menschen bei-tragen.
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Unscheinbarer Überlebenskünstler
Es gibt ein Lebewesen,das tatsächlich un-sterblich ist, und eslebt direkt vor derHaustür: die Hydra, einnur wenige Millimetergroßer Süßwasserpo-lyp. Das unscheinbareHohltier lebt in heimi-schen Teichen, Seenund Flüssen, wo es inMassen auf Blätternund Stängeln von Un-terwasserpflanzen sitzt.Dort fischt es mit sei-nen Tentakeln nachNahrung. Der Süßwas-
serpolyp ist eines der primitivsten Lebewesen über-haupt, hat aber das Unglaubliche geschafft: nie zu ster-ben. Als einziger Mehrzeller hat die Hydra ein perfektesSystem der Runderneuerung entwickelt. Indem der Polypständig alte Zellen abtötet und neue Zellen bildet, erneu-ert er sich fortlaufend. Im Labor beobachtet man seitAnfang der fünfziger Jahre Exemplare, die immer noch sojung wie am ersten Tag sind – die Hydra wird nie alt.
Ständig Sterben macht unsterblich
Dabei ist die Hydra klein, nackt und hat viele Feinde.Außerdem hat der Polyp mit denselben Problemen zukämpfen wie Menschen: Schadstoffe in der Umweltgreifen seine Zellen an, Giftstoffe sammeln sich in sei-nem Körper, Strahlung verändert sein Erbgut. Dochanstatt Schäden in den Zellen zu reparieren, tötet dieHydra sie ab und ersetzt sie in rasantem Tempo. Allefünf Tage erneuert sich das Tier, das Gewebe ist inständigem Fluss. Zeitlebens entstehen neue Stamm-zellen – Zellen, aus denen neue Zelltypen für ganz unter-
Unsterbliche Hydra
Die Hydra ist unscheinbar –
und unsterblich
Die Hydra pflanzt sich normaler-
weise ungeschlechtlich fort, hat
aber auch Sexualorgane zur ge-
schlechtlichen Fortpflanzung
Die Hydra ist eine
Überlebenskünstlerin
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Warum können wir nicht
ewig jung bleiben?
Das Leben ist ungesund und endet tödlich...
Am Sterben führt bisher kein Weg vorbei – Umweltgif-te setzen unseren Zellen zu. Strahlung verändert unserErbgut. Abfallprodukte des Stoffwechsels lagern sichin unseren Körpern ein. Dieses Bombardement schäd-licher Einwirkungen verursacht Defekte, die zumAbsterben von Zellen, zum Verlust von Körperfunktio-nen und schließlich zum Tod führen. Altern und Todsind also das Ergebnis einer Ansammlung von Defek-ten – anders gewendet: ein Versagen des Immun-systems, das die Schäden nicht reparieren kann.
Der Tod als Energiespar-Modell
Mehrzellige Organismen sind möglicherweise gene-tisch darauf programmiert, die Reparatur ihrer Körperzu vernachlässigen, und so Altern und Sterben zuzu-lassen. Um Zellschäden zu beseitigen, setzen Orga-nismen viele Enzyme ein, die Giftstoffe aus den Zellenabtransportieren und ausscheiden. Forscher habenGene entdeckt, die die Produktion dieser Enzyme kon-trollieren und zum Teil abschalten. Diese Gene brem-sen damit das Immunsystem und sparen so Energie,die der Körper dann zum Beispiel in die Fortpflanzunginvestieren kann. Möglicherweise hat also die Evolu-tion Individuen begünstigt, die Energie aus ihrem Repa-ratursystem in ein aktiveres Reproduktionssystemumgeleitet haben. Altern und Sterben wäre somitgenetisch vorprogrammiert und kein Zufall.
Die Suche nach dem Todesgen
Tatsächlich sind Wissenschaftler dem Todesprogrammauf der Spur. 1988 bemerkte Tom Johnson an derUniversität von Kalifornien in Irvine, dass eineVeränderung in einem einzigen Gen, AGE-1, Fadenwür-mer bis zu 70 Prozent länger leben ließ. Seine Ergeb-nisse stießen in der Fachwelt auf Unglauben.
Der Traum von Unsterblichkeit
Doch fünf Jahre später, im Dezember 1993, publizierteCynthia Kenyon an der Universität von Kalifornien inSan Francisco eine ähnlich aufregende Entdeckung: Siefand heraus, dass Veränderungen in einem anderenGen, DAF-2, Fadenwürmer doppelt so lang leben ließwie normal. Immer noch waren die Kritiker skeptisch.Aber der Beweis für Todes-Gene wurde immer stärker:2003 entdeckte Martin Holzenberger am InstitutNational de la Santé et de la Recherche Médicale inParis, dass Mäuse mit einer Mutation im Gen IGF-1R imSchnitt 26 Prozent länger lebten als ihre nicht mutier-ten Artgenossen. Dies war das erste Mal, dass dieWirkung einer solchen Mutation bei Säugetieren fest-gestellt werden konnte. Und was für Mäuse gilt, giltmöglicherweise auch für Menschen: Wir sind genetischzum Sterben programmiert.
Eine Pille für das ewige Leben
Wenn der Tod also genetisch bedingt ist, kann manihn dann auch verhindern? Im Jahr 2000 hat CynthiaKenyon eine Firma gegründet: Elixir Pharmaceuticals,die sich auf die Entwicklung von Therapien gegen dasAltern spezialisiert. Durch Erkenntnisse, die sie beiWürmern gewonnen hat, möchte Kenyon zunächstaltersbedingte Krankheiten wie Diabetes, neurodege-nerative Krankheiten und Krebs therapieren. Auf langeSicht will sie aber den Tod an sich hinauszögern.Damit ist sie in guter Gesellschaft: In den USA ist eineGruppe von Unternehmern aktiv, die an Zukunftswis-senschaft interessiert ist und unter anderem diebemannte Raumfahrt sponsert. Sie hat das „Instituteof Biomedical Gerontology“ gegründet, eine Ein-richtung, die das „Problem“ des Todes erforschen –und beseitigen soll. Dazu haben die Initiatoren 2003einen Preis ausgelobt, den Methusalem-Maus-Preis:eine Million Dollar für den, der entweder dieLebensspanne einer Maus in bisher unerreichteDimensionen verlängert oder eine alte Maus jüngermachen kann.
Die Pille gegen das Sterben – in
vielen Labors wird schon daran
geforscht
Fadenwürmer können uralt
werden, wenn man ihre Gene
verändert
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die Mutter nicht endlos weiter Milch produziert, wennsie ihr Kind abstillen will: weil die Mutter das Kindimmer seltener anlegt, kommt es in Teilen der Milch-drüse zu einem Milchstau. Er führt in den Drüsenzellenzu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und Nahrung.Jetzt häufen sich Signalstoffe an, die ihr Selbstmord-programm auslösen. Es begehen aber nicht alle Milchbildenden Zellen Selbstmord. Ein Teil bleibt erhaltenund verharrt in Wartestellung, bis es wieder ein Kindzu stillen gibt.
Der Feind im Inneren
Bei einer Virusinfektion können dieeigenen Zellen zum trojanischen Pferdim Körper werden. Denn Viren könnenin Körperzellen eindringen und sie dazuzwingen, das Viren-Erbgut zu vervielfäl-tigen. Nach einer gewissen Zeit setzendiese Körperzellen viele neue Viren frei.Der Körper hat jedoch einen Weg ge-funden, dieser Gefahr zu begegnen:mit bestimmten Immunzellen, denT-Zellen, die auch als cytotoxisch, alsozelltötend, bezeichnet werden. Sie kön-nen virusinfizierte Zellen häufig ausschalten. Denndiese tragen auf ihrer Oberfläche Eiweißbruchstückeder Viren in ihrem Inneren. Die T-Zellen erkennen dieseBruchstücke und docken mit einem speziellen Rezep-tor an infizierten Zellen an. Auf ihrer Oberfläche tragendie T-Zellen zusätzlich so genannte „Todesboten-stoffe“. Dazu besitzen fast alle Körperzellen das pas-sende Gegenstück. Doch der Todesbote rastet nur ein,wenn eine Körperzelle tatsächlich von einem Virusbefallen ist und vom Virendetektor schon erkanntwurde. So bekämpft die T-Zelle nur kranke, virentra-
Zelltötende T-Zellen können
mit speziellen Rezeptoren virus-
infizierte Körperzellen erkennen
und mit Todesbotenstoffen zum
Selbstmord zwingen
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Schöner leben mit dem Sebstmordprogramm
Irgendwann müssen wir sterben. Doch bevor essoweit ist, möchten wir so lange es irgend gehtgesund bleiben. Paradoxerweise gelingt das nur, wennjeden Tag viele unserer Körperzellen sterben – Lebenund Gesundheit hängen davon ab, dass Zellen recht-zeitig zugrunde gehen. Der programmierte Zelltod istlebensnotwendig. Denn die eigenen Zellen können fürden Körper zur unnötigen Last oder sogar gefährlichwerden. Deshalb entscheidet ein in die Zellen einge-bauter Sicherheitsmechanismus, ob und wann sie inden Tod gehen müssen. Bei diesem gezielten Selbst-mord – die bekannteste Form ist die so genannteApoptose – stirbt die Zelle nach einem festgelegtenProgramm. Dabei starten Signale von außen oder inder Zelle selbst eine Lawine von Reaktionen, in derenVerlauf sie sich sozusagen selbst zerlegt.
Nur keinen Müll ansammeln
Der programmierte Zelltod sorgt dafür,dass Zellen, die der Körper nicht mehrbenötigt, wieder eingeschmolzen wer-den. So verbrauchen sie nicht nutzlosEnergie. Nach erfolgreicher Abwehreiner Infektion zum Beispiel kursierenim Blut noch massenweise Immun-zellen, obwohl der Erreger nicht mehrda ist. Also begehen die meisten vonihnen Selbstmord. Und jedes Mal,wenn eine Frau nach ihrem Eisprungnicht schwanger wird, hat sich ihre
Gebärmutterschleimhaut mit vielen zusätzlichenZellschichten und neuen Blutgefäßen auf eine befruch-tete Eizelle vorbereitet, die gar nicht kommt. Auch indiesem Fall wird ein Teil dieser Zellen durch Apoptosewieder vernichtet. Die Apoptose sorgt auch dafür, dass
Beim Abstillen staut sich die
Milch in einigen Milchdrüsen.
Jetzt sind die Zellen unterver-
sorgt – und begehen
Selbstmord
Die Körperpolizei: programmierter Zelltod
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Chronik eines durchorganisierten Todes
Egal, ob eine Zelle Selbstmord be-geht, weil sie überflüssig ist, eineGefahr für den Körper darstellt odereinfach nur das Ende ihrer natürlichenLebensdauer erreicht hat: ab einembestimmten Punkt, nachdem dasSignal zum Selbstmord gegeben wur-de, verläuft die Apoptose immergleich. Die Zelle stirbt in ihrer intaktenHülle – eine ganze Weile sieht man ihrvon außen fast nichts an. Sie verliertnur den Kontakt zu ihren Nach-barzellen und kugelt sich etwas zusammen. In ihremInneren sind aber inzwischen ihre Selbstmord-Geneaktiv und ein Räderwerk von Signalstoffen und En-zymen arbeitet. Es sorgt dafür, dass verschiedeneZellbestandteile löchrig werden und auslaufen, unddass der Zellkern aufgelöst wird. Schließlich wirft dieAußenschicht Blasen, es sieht fast so aus, als würdedie Zelle kochen. Ganz zum Schluss zerfällt sie in klei-ne Kügelchen, die so genannten „apoptotischen Kör-per“. Diese Kügelchen werden dann von benachbartenZellen oder Fresszellen aufgenommen und recycelt.Dieser Vorgang dauert etwa eine dreiviertel Stunde.Die betroffenen Zellen – und das sind meistens nureinzelne im Gewebe – verschwinden dabei spurlos.
Zellen werden
bei der Apoptose löchrig
20
gende Körperzellen und zieht sie aus dem Verkehr,bevor diese neue Erreger produzieren – die Infektionwird eingedämmt.
Nur keinen Müll weitergeben
Körperzellen können auch dann zurGefahr werden, wenn ihr Erbgut ge-schädigt ist. Dies kann zum Beispieldurch bestimmte Substanzen gesche-hen, die das Erbgut angreifen, oderauch durch ganz normalen Sonnen-schein. Denn die UV-B-Strahlen derSonne dringen in die Hautzellen einund gelangen bis zum Zellkern. Dort,wo die Strahlung auftrifft, zerstört sieein Stück DNA. Das betroffene Genwird damit fehlerhaft oder völlig
unbrauchbar. Durch die Schädigung der DNA wird imZellkern das Eiweiß p53 im Kern angehäuft, das auchals „Wächter des Genoms“ bezeichnet wird. Es stopptdie Zellteilung. Wenn der Schaden an der DNA zu großist um repariert zu werden, schaltet p53 dasSelbstmordprogramm der Zelle an und aktiviert diedafür notwendigen Gene. Damit verhindert es, dasssich stark geschädigte Zellen teilen und sich so fehler-hafte Gene im Körper anhäufen. Dies passiert vieltau-sendfach, während wir uns in der Sonne aufhalten.Doch man merkt nichts davon. Sehr gefährlich wird esallerdings, wenn dieser Schutzmechanismus versagt,Zellen defekte Gene anhäufen und sich trotzdem wei-terhin teilen: In diesen Fällen kann Krebs entstehen,zum Beispiel der schwarze Hautkrebs.
Sonnenstrahlen schädigen die
DNA von Hautzellen und rufen
den „Wächter des Genoms“,
das Protein p53, auf den Plan
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Vorbild Natur
In sehr seltenen Fällen geschieht es, dass das Selbst-mordprogramm der Krebszellen von selbst, ohne medi-zinische Therapie, wieder anspringt und Tumoren oderMetastasen wieder verschwinden. Dies sind jedochextreme Ausnahmen, Fachleute schätzen die Wahr-scheinlichkeit mit 1:100.000 ein.
Leider bedeutet diese spontane Besserung nicht injedem Fall eine Heilung, denn es kann sich auch nurum ein vorübergehendes Verschwinden oder eineRückbildung handeln, die nur teilweise erfolgt. DieUrsachen für diese so genannten Spontanremissionensind leider noch unbekannt, dabei könnten gerade sieden Medizinern Wege zur Heilung aufzeigen. Doch weilsie so selten und nicht vorhersagbar sind, sind sie nurschwer zu erforschen.
Ausnahme Neuroblastom
Es gibt jedoch eine Krebsform, bei der spontaneBesserungen sehr viel häufiger sind als bei allen übri-gen: das so genannte Neuroblastom im Stadium 4S.Es ist eine Krebsart, bei der Teile des Nervengewebesangegriffen werden, hauptsächlich bei Säuglingen. DerKrebs entsteht dabei aus Zellen links und rechts vonder Wirbelsäule. Bevor das Kind auf die Welt kommt,sollten diese Zellen eigentlich das Nebennierenmarkbilden. Aber das tun sie nicht – stattdessen bleibensie in ihrem unfertigen, embryonalen Zustand und tei-len sich immer weiter. Sie bilden Tumoren und teil-weise sogar Metastasen. Beim 4S-Neuroblastom sindauch das Knochenmark und die Leber betroffen.Trotzdem stehen bei dieser Variante die Chancen aufHeilung durch Spontanremission besonders gut, etwabei 80 Prozent. Die Gründe dafür werden im Momentintensiv erforscht. Die Onkologen der Universitäts-Kinderklinik Köln sind Spezialisten auf diesem Gebiet.Sie haben inzwischen festgestellt, dass eine spontaneRückbildung auch bei den anderen Neuroblastom-Formen vorkommen kann – allerdings nicht so häufig.
Nur unter dem Mikroskop
lässt sich erkennen, ob die
Krebszellen beim Neuroblastom
auch schon ins Knochenmark
vorgedrungen sind
22
Ewiges Leben kann tödlich sein
Wenn im Körper normale Zellen zu Krebszellen werden,fallen zwei wichtige Regelmechanismen aus. Zumeinen teilen sich die entarteten Zellen immer weiter,so erzeugen Krebszellen immer neue Krebszellen. Zumanderen funktioniert ihr Selbstmordprogramm nichtmehr. Dieses sorgt normalerweise dafür, dass Zellenzugrunde gehen, die schwere Schäden im Erbguthaben, oder die sich aus ihrem Heimat-Gewebever-band gelöst haben und im Körper herum vagabundie-ren. Das Ergebnis sind unsterbliche Zellen, die sichimmer weiter vervielfältigen und im Körper Tumorenund Metastasen bilden.
Therapieziel: Mord und Selbstmord
Krebstherapien zielen auf diese zwei Krankheits-ursachen ab. Zum einen versucht man, die entartetenZellen zu vernichten. Dazu dient die Strahlentherapie,oder bestimmte Mittel, die Zellen töten oder in ihremWachstum behindern (so genannte Zytostatika). Aller-dings trifft man damit auch viele andere, gesundeZellen, die sich ebenfalls schnell teilen. Sie sitzen zumBeispiel in den Haarwurzeln und im Knochenmark.Deshalb fallen den Patienten bei der Strahlen- oderChemotherapie die Haare aus, und es kommt zu ande-ren schweren Nebenwirkungen. Zum anderen versuchtman, das Selbstmordprogramm der Krebszellen zu akti-vieren. Auch das geschieht teilweise bei Strahlen- undChemotherapie. Doch wieder greift man bei derAktivierung des Selbstmordprogramms auch gesundeKörperzellen an. Forscher und Mediziner suchen des-halb nach Wegen, ausschließlich in den Krebszellen dieSelbstmordgene zu aktivieren, so dass sie sich selbstbeseitigen. Bisher noch ohne durchschlagenden Erfolg,doch weltweit arbeiten viele Krebsforscher an einersolchen Therapie.
Wenn das Selbstmord-
programm der Körperzellen
versagt und sie sich
unkontrolliert teilen, entstehen
Tumoren und Metastasen
Mit dem Szintigraphen können
Ärzte feststellen, wie weit sich
Krebszellen im Körper verteilt
haben
Krebs – wenn das Sterbennicht funktioniert
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Honigbienen arbeiten unermüdlich für die Gemeinschaft
Die heimischen Bienen, schon seit Jahrtau-senden als Haustiere und Honiglieferantenbeliebt, leben ebenfalls nach dem Altruis-mus-Prinzip.
Denn die einzelne Honigbiene sammelt kei-neswegs für den Eigenbedarf. Sie ist Teileines großen Volkes, das in den Sommer-monaten auf über 50.000 Einzeltiereanwächst. Eine einzelne Honigbiene wäreallein nicht überlebensfähig. Im Bienenstaatist sie ein winziger Bestandteil einer soziallebenden Gemeinschaft, von Imkern als„der Bien“ bezeichnet. Dabei ist das Bie-nenvolk streng genommen eine einzigeFamilie, die sich aus drei unterschiedlichenFamilienmitgliedern zusammensetzt: derBienenkönigin als Mutter des gesamtenStaates samt ihren Nachkommen, denweiblichen Arbeitsbienen und den Droh-nen, den einzigen Männchen im Staat.
Eine für alle – alle für den Staat
Eine Honigbiene opfert sich ohne Bedenkenfür ihren Staat – sie sticht ohne zu zögernzu, wenn es gilt, das Volk zu verteidigen,obwohl sie dabei ihr Leben verliert. Dennwird die Biene nach dem Einstich abge-streift, reißt der Stachel mitsamt der Gift-drüse aus und bleibt in der Haut des Opfersstecken. Die Drüse pumpt aber auch ohneBiene weiter Gift in das Opfer. Gleichzeitigwird beim Abstreifen ein Alarm-Duftstofffreigesetzt, der die anderen Bienen auffor-dert, an dieselbe Stelle zu stechen. So nützt
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Erfolgsmodell Altruismus: Alle für den Staat
Der Tod für die Gemeinschaft – bei Insekten, die inStaaten leben, ist er fast an der Tagesordnung. Weil ingefährlichen Situationen wenige Individuen ihr Lebenlassen, kann das Überleben der Gemeinschaft gesichertwerden. Einige Arten von Ameisen, Termiten, Wespen,Hornissen und Bienen organisieren ihr Zusammenlebenso als sehr leistungsfähiges System – Biologen bezeich-nen diese Insektenstaaten auch als Superorganismus.Dass dieses Modell bei unterschiedlichen Insektenartenauftritt, beweist, dass es sich in der Evolution als erfolg-reich erwiesen hat.
Ameisen als todesmutige Kämpfer
Im Reich der Ameisen sind zwei Beispiele von schein-bar lebensmüden Einzelkämpfern bekannt. Die malay-sische Ameise „Camponotus Saundersi“ kann beiGefahr ihren Hinterleib derart zusammenzuziehen, dasser platzt. Eine klebrige Flüssigkeit ergießt sich dannüber den Angreifer und macht ihn kampfunfähig. DieAmeise selbst stirbt bei dieser Aktion. Eine Ameise, diein Brasilien zuhause ist, vollbringt ähnlich spektakuläreHeldentaten. Wenn man gegen Abend geduldig denNesteingang der Gattung „Forelius posillus“ beobachtet,stellt man Erstaunliches fest: Die im sandigen Bodenlebenden Ameisen stellen noch vor Sonnenuntergangihre auswärtige Arbeit ein. Alle verschwinden in ihremtrichterförmig angelegten Loch.
Dann tauchen ein oder zwei Ameisen wieder auf undschütten das Loch von außen mit Sand zu. Innerhalb voneiner Stunde ist das Nest nicht mehr auszumachen. Dochdie, die das Nest von außen sicher verschlossen haben,können jetzt nicht mehr hinein – mit großer Wahrschein-lichkeit überleben sie die Nacht nicht. In beiden Fällenopfern sich Einzelne für die Gemeinschaft.
Sterben um zu überleben
Bienen bei Ankunft und Abflug
am Bienenstock Honigbiene bei der
Nahrungssuche
Bienen auf Waben
Bienenstachel in der
Haut des Opfers
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der Tod einer einzelnen Biene dem Staat mehr als ihrÜberleben.
Ein Leben für die Königin
Auch die Drohnen müssen schließlich im Dienst derKönigin ihr Leben lassen. Die, die bei der Befruchtungzum Zuge kommen, sterben sofort danach – ihr Lebendient einzig und allein der Fortpflanzung. Und wennEnde August die Begattung der neuen Königinnenabgeschlossen sind und zum Herbst die Nahrungs-vorräte geringer werden, kommt es zur so genanntenDrohnenschlacht. Die im Stock verbliebenen, unnützenMännchen werden von den Arbeiterinnen herausgeworfen und müssen draußen, auf sich allein gestellt,verhungern. So wenig wie die einzelne Biene alleineüberlebensfähig ist, so wenig zählt sie auch alsIndividuum im Bienenstaat. Ähnlich wie bei einemmenschlichen Körper ist jedes einzelne Tier wie einekurzlebige Zelle im Gesamtorganismus des Bienen-volkes. Wenn die einzelne Zelle stirbt, wird sie einfachersetzt – der Bienenstaat als Einheit überlebt. So ist„der Bien“ praktisch unsterblich.
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