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Fachbereich IV - Volkswirtschaftslehre

A-VWL-Seminar im Hauptstudium Sommersemester 2008

Veranstaltungsnummer: 4100 Prof. Dr. Peter Hecheltjen

Dipl. – Kff. Dipl. – Volksw. Elke C. Bongartz

Verbraucherpreisindizes

Thema 10:

Kettenpreisindizes am Beispiel des BIP-Deflators

Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis………………………….…………………………………………..….…………………………..III

Tabellenverzeichnis…………………………………………………………………………………………………………..IV

Abkürzungsverzeichnis …..………………………………….…………………………………..…………………………V

Symbolverzeichnis………………………………………………………………………………………………….…………VI

1. Einleitung………………………………………………………………………………….………………………...…………1

2. Grundlagen der Indextheorie…………………………………………………………………………………..…2

3. Nominales Bruttoinlandsprodukt………………………………………………………………...……………..3

4. Reales Bruttoinlandsprodukt…………………………………………………………………………………...…4

4.1 Festpreismethode……………………………………………………………………………………………..……4

4.2 Vorjahrespreismethode…………………………………………………………………………………………6

4.2.1 Laspeyres-Kettenindex………………………………………………………………………….…..6

4.2.2 Fisher-Kettenindex……………………………………………………………………………………8

4.2.3 Methodische Probleme des Kettenindex…………………………………………………..8

4.2.3.1 Pfadabhängigkeit…………………………………………………………………….…8

4.2.3.2 Nichtadditivität………………………………………………………………………...10

4.3 Empirische Untersuchungen……………………………………………………………………………….11

5 Messung des Preisniveaus……………………………………………………………………………………….....12

5.1 BIP-Deflator…………………………………………………………………………………………………..……12

5.2 Verbraucherpreisindex (VPI)….………………………………………………………………………..…13

5.3 Unterschiede zwischen BIP-Deflator und VPI…………………………………………………...14

6. Fazit……………………………………………………………………………………………………………………….…….15

Literaturverzeichnis………………………………………………………………………………………………………….17

Anhang………………………………………………………………………………………………………………………...……..19

II

Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Entwicklung von BIP-Deflator und VPI im Zeitverlauf………………………………….15

III

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Abhängigkeit des Kettenindex von der Art des Zeitintervalls……………............10

Tabelle 2: Effekte der Verkettung in ausgewählten Aggregaten………………………………….12

Tabelle 3: Wirtschaftswachstum mit Substitutionseffekten………………………………...……….19

Tabelle 4: Wirtschaftswachstum ohne Substitutionseffekte……………………………………...….19

IV

Abkürzungsverzeichnis Abb. Abbildung

BIP Bruttoinlandsprodukt

EDV Elektronische Datenverarbeitung

ESVG Europäisches System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen

SNA System of National Accounts

VPI Verbraucherpreisindex

V

Symbolverzeichnis Areal verkettete Volumenangaben

realBIP reales Bruttoinlandsprodukt

BIPΔ Wachstumsfaktor

C Konsumgüter

FM Fisher - Mengenindex

I Investitionsgüter

i Zählvariable

KFM verketteter Fisher-Mengenindex

MKL verketteter Laspeyres-Mengenindex

ML Laspeyres-Mengenindex

PF Fisher-Index

PL Laspeyres-Index

PM Paasche – Mengenindex LC04P Laspeyres-Kettenindex zum Zeitpunkt i zur Basis 0

PP Paasche-Index

P (i, t) Preis des i-ten Gutes zum Zeitpunkt t (Berichtsperiode)

P (i, 0) Preis des i-ten Gutes zum Zeitpunkt 0 (Basisperiode)

P1 Preis des Gutes 1

P2 Preis des Gutes 2

t Erhebungszeitpunkt

Q (i, t) Menge des i-ten Gutes zum Zeitpunkt t

Q (i,0) Menge des i-ten Gutes zum Zeitpunkt 0

Q1 Menge des Gutes 1

Q2 Menge des Gutes 2

∏k Produkt über k Jahre

∑ Summe 0 Berichtsjahr 0

VI

1. Einleitung Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Ermittlung des realen BIP, der als wichti-

ger Indikator für die Wirtschaftspolitik dient. Es wird zunächst gezeigt wie das nominale

BIP ermittelt wird. Das nominale BIP eignet sich jedoch nicht als Wohlstandsindikator, da

es nur deshalb steigen kann, weil sich die Preise erhöhen. Somit muss das nominale BIP

deflationiert werden, um dann reale BIP zu erhalten. Die Ermittlung des realen BIP kann

mit Festpreisbasismethode oder Vorjahrespreismethode erfolgen. Bis zur letzten Revision

der VGR im Jahre 2005 wurde in Deutschland die Festpreismethode angewendet. Danach

wurde entsprechend der Empfehlung der SNA 93 und ESVG 95 die Vorjahrespreismetho-

de eingeführt um die Nachteile der alten Methode zu beseitigen. Denn auf Grund der sich

ändernden Preisstrukturen und dadurch ergebenen Substitutionseffekten wollte man diese

mit der Einführung der Vorjahrespreismethode vermeiden. Außerdem sollten durch die

Einführung von Vorjahrespreisbasis die Ergebnisse der VGR in realen Größen auf EU-

Ebene harmonisiert werden

Politisch ist die Umstellung deshalb relevant, da die realen Wachstumsraten des BIP unter-

schiedlich ausfallen, je nachdem nach welcher Methode das reale BIP ausgerechnet wird.

Relevant ist es deshalb, weil im Stabilitäts- und Wachstumspakt von 1997 bei der Verlet-

zung eines Defizitziels Sanktionen verhängt werden, die unterschiedlich hoch ausfallen, je

nachdem wie hoch die reale Wachstumsrate des BIP ausfällt.1

Diese Arbeit zeigt Schwierigkeiten der Festpreismethode, die dazu geführt haben, dass sie

durch die Vorjahrespreismethode ersetzt wurde. Sie stellt die methodische Vorgehensweise

vor mit welcher die Deflationierung mit der Vorjahrespreismethode vorgenommen wird.

Es wird jedoch auch auf die Probleme der Vorjahrespreismethode eingegangen.

Um zu untersuchen wie sich die Umstellung der Methode zur Ermittlung des realen BIP

auf die Wachstumsrate des BIP ausgewirkt hat, werden empirische Befunde präsentiert.

Anschließend werden zwei Maße zur Messung der Preisniveauentwicklung vorgestellt,

BIP-Deflator und VPI. Es wird gezeigt wo die Unterschiede zwischen den beiden Preisin-

dizes liegen und warum es zu möglichen Unterschieden in der Preisentwicklung kommen

kann.

Zunächst jedoch werden die bekanntesten Indizes, Laspeyres-Index, Paasche-Index und

Fisher-Index, vorgestellt.

1 Vgl. Braakmann, Albert u.a. (2005), S. 430.

1

2. Grundlagen der Indextheorie Grundsätzlich werden zwei bekannte Indizes für die Messung der Preisentwicklung ange-

wendet, der Laspeyres-Index und der Paasche Index. Der Laspeyres-Index wird folgen-

dermaßen berechnet:

∑∑

⋅=

i

iL )0,i(Q)0,i(P

)0,i(Q)t,i(PP (2)

Dieser Index setzt die fiktive Wertsumme zu Preisen der Berichtsperiode i ins Verhältnis

zur tatsächlichen Wertsumme der Basisperiode 0.2

Die Gründe, die gemäß Boskin-Kommission dazu führen, dass der Laspeyres-Index zu ho-

he Preissteigerung ausweist, lassen sich in vier Punkten zusammenfassen:

(1) Die Haushalte reagieren auf Preisänderungen von Produkten, indem sie die Nach-

frage nach billiger gewordenen Gütern ausweiten und die von teuer gewordenen

Gütern senken (substitution bias).

(2) Der Index berücksichtigt entweder überhaupt nicht oder nicht rechtzeitig, wenn die

Haushalte in billigeren Geschäften vermehrt kaufen (outlet bias).

(3) Das Aufkommen neuer Produkte wird beim Laspeyres-Index nicht berücksichtigt

(new product bias).

(4) Die Qualitätsverbesserungen von Produkten werden entweder überhaupt nicht oder

nur unzureichend durch Abschläge am Preis berücksichtigt (quality change bias).3

Ein anderer bekannter Index ist der Preisindex nach Paasche:

∑∑

⋅=

i

iP )t,i(Q)0,i(P

)t,i(Q)t,i(PP (3)

Dieser verwendet im Gegensatz zu Laspeyres Preisindex als Gewichtungsschema den

Warenkorb der Berichtsperiode. Ebenso wie Laspeyres-Preisindex misst der Paasche Preis-

index nur reine Preisänderungen. Jedoch kann er die Preisentwicklung von Periode zu Pe-

riode (von t auf t+1) nicht isolieren.4

2 Vgl. Neubauer, Werner (1996), S. 42. 3 Vgl. von der Lippe, Peter (1999), S. 393 f. 4 Vgl. Neubauer, Werner (1996), S. 49 ff.

2

Als Kompromiss zwischen Laspeyres-Index und Paasche-Index gilt der Fisher-Index. Die-

ser ist das geometrische Mittel aus Paasche-Index und Laspeyres-Index:

PLF PPP ⋅= . (4)

Dieser Index besteht den Zeitumkehrtest und Faktorumkehrtest. Er kann aber genauso wie

der Paasche-Index nicht die Preisänderung von Periode zu Periode isolieren. Außerdem ist

der Fisher-Index im Gegensatz zu Laspeyres-Index und Paasche-Index nicht aggregierbar.5

3. Nominales Bruttoinlandsprodukt Das BIP ist der wichtigste Indikator für die Konjunktur und das Wirtschaftswachstum einer

Volkswirtschaft.6 Das nominale BIP misst die Summe der inländischen Produktion, die in-

nerhalb eines Jahres erzeugt wurde, bewertet mit den jeweiligen Preisen einer Berichtspe-

riode. Wenn in einer Volkswirtschaft nur zwei Güter produziert werden und es sonst keine

Importe gibt, dann lässt sich das nominale BIP ermitteln indem die verkauften Mengen von

Gut 1 (Q1) und Gut 2 (Q2) mit ihren jeweiligen Preisen, P1 und P2, multipliziert werden:

BIP = P1 · Q1 + P2 · Q2.7 (1)

Von der Entstehungsseite lässt sich das nominale BIP ermitteln indem von der Summe al-

ler im Inland produzierten Güter und Dienstleistungen der Wert der im Produktionsprozess

verbrauchten Güter (Vorleistungen) abgezogen wird.8

Auf der Verwendungsseite entspricht es dem Summenwert der Nachfragekomponenten

(private Konsumausgaben + staatlicher Konsum + Bruttoinvestitionen + Exporte – Impor-

te).

Von der Verteilungsseite entspricht es den Arbeitnehmerentgelten (Summe der Bruttolöh-

ne + Sozialbeiträge der Arbeitgeber) und den Unternehmens- und Vermögenseinkom-

men.9

Steigt nun jetzt das nominale BIP, so muss es nicht zwangsläufig bedeuten, dass sich die

Produktion in einer Volkswirtschaft erhöht hat. Zum einen kann es auf die gestiegene

Menge zurückzuführen sein. Zum anderen kann es auch sein, dass einfach nur die Preise

gestiegen sind, wodurch das nominale BIP zwar auch gestiegen ist, die Produktionsmenge

sich womöglich entweder überhaupt nicht verändert hat oder sogar zurückgegangen ist.

5 Vgl. Neubauer, Werner (1996), S. 58. 6 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2006), S. 13. 7 Vgl. Burda, Michael/Wyplosz, Charles (2003), S. 26. 8 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2004), S. 28. 9 Vgl. Hardes, Heinz-Dieter u.a. (2002), S. 284 ff.

3

Um diesem Problem zu begegnen muss das nominale BIP deflationiert werden, d.h. die

Preissteigerungen müssen herausgerechnet werden.10 Dazu muss das nominale BIP in eine

Preis- und in eine Mengenkomponente zerlegt werden. Die Aufgabe besteht darin den

Wertindex durch Deflationierung mit einem Preisindex in einen Mengenindex zu überfüh-

ren. Der Wertindex ( )0,i(P)0,i(Q/)t,i(P)t,i(Qi i

⋅⋅∑ ∑ ) setzt die laufenden Ausgaben in

der Berichtsperiode t zu den Ausgaben einer Basisperiode 0 in Beziehung. Die Verfahren

zur Berechnung des realen BIP unterscheiden sich dadurch mit welchem Preisindex das

nominale BIP deflationiert wird und ob die Verknüpfung mit dem Basiszeitraum direkt

(Festpreismethode) oder indirekt (Vorjahresbasismethode) erfolgt.11

Bis zur großen Revision der VGR im Jahre 2005 wurde in Deutschland und in vielen ande-

ren Ländern Europas die Festpreismethode zur Ermittlung des realen BIP angewendet. An-

dere Länder haben bereits vorher auf die Vorjahrespreisbasis umgestellt. Im folgenden sol-

len nun die beiden Methoden vorgestellt werden.

4. Reales Bruttoinlandsprodukt 4.1 Festpreismethode

Bei dieser Methode, die bis zur letzten Revision der VGR im Jahre 2005 in Deutschland

angewandt wurde, werden die Volumengrößen nach Laspeyres-Prinzip berechnet indem

die Mengen der einzelnen Komponenten der Berichtsperiode mit den Preisen der Basispe-

riode bewertet werden ( . ∑ ⋅i

)t,i(Q)0,i(P )

Somit handelt es sich bei Volumen um Wertgrößen in Preisen des Basisjahres. Das implizi-

te Deflator (BIP-Deflator) ergibt sich aus dem Verhältnis aus nominalem Wert und Volu-

men. Das Ergebnis ist der Preisindex nach Paasche.12

Das reale BIP ergibt sich wenn das nominale BIP durch Preisindex nach Paasche dividiert

wird. Das Ergebnis ist das Produkt aus der Menge der Berichtsperiode t und den konstan-

ten Preisen der Basisperiode 0:

∑ ⋅=i

real )0,i(P)t,i(Q)t(BIP .13 (5)

Die Wachstumsrate des realen BIP wird folgendermaßen berechnet: 10 Vgl. Blanchard, Olievier/Illing, Gerhard, S. 52. 11 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2001), S. 41. 12 Vgl. Tödler, Karl-Heinz (2005), S. 3. 13 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2001), S. 41 f.

4

∑ ∑ ⋅−⋅=−Δi i

)0,i(P)1t,i(Q/)0,i(P)t,i(Q)1t,t(BIP .14 (6)

Ein Vorteil dieser Methode liegt in ihrer einfacher Berechnung und der Interpretation der

Ergebnisse. Ein weiterer Vorteil der Festpreismethode gegenüber der Vorjahrespreisme-

thode besteht darin, dass die Ergebnisse additiv konsistent sind, d.h. die Summe der Teil-

aggregate (realer Konsum, reale Bruttoinvestitionen, realer Außenbeitrag) entspricht dem

Gesamtaggregat (realer BIP).15

Der Nachteil dieser Methode besteht darin, dass bei der Preisbereinigung auf Preisstruktu-

ren der Vergangenheit zurückgegriffen wird, wodurch heutige Preisrelationen nicht zufrie-

denstellend berücksichtigt werden.

Diese Problematik lässt sich an einem einfachen Beispiel veranschaulichen. Wenn in einer

Volkswirtschaft nur Konsumgüter und Investitionsgüter produziert werden (BIP = C + I)

und die Preise für Konsumgüter permanent steigen, die Preise für die Investitionsgüter

hingegen permanent sinken, dann wird das reale BIP unterschiedlich ausfallen, je nachdem

welche Preisbasis verwendet wird. Wird bei der Berechnung des BIP die Preisbasis der Pe-

riode 3 verwendet, so fällt das reale BIP niedriger aus als bei der Anwendung der Preisba-

sis der Periode 5 (siehe hierzu eine Modellrechnung im Anhang).

Der Grund für diesen Unterschied sind die Substitutionseffekte. So werden die Güter des-

sen Preise unterdurchschnittlich steigen oder sogar sinken überdurchschnittlich nachgef-

ragt. Diese Güter erhalten bei der Aktualisierung der Preisbasis deshalb ein geringeres

Gewicht, weshalb die Wachstumsrate des realen BIP mit aktuellerer Preisbasis kleiner aus-

fällt. Die Verzerrung, die auf die Substitutionseffekte zurückzuführen ist, ist umso größer,

je mehr sich die Preis- und Mengenrelationen verändert haben und je größer der Abstand

zur Basisperiode ist.16

Diese Substitutionseffekte (Substitution Bias) können in der deutschen VGR besonders

wegen EDV-Gütern auftreten. Sie werden zusätzlich noch verstärkt wenn hedonische

Preistechniken für dieses Gütersegment angewendet werden. Die Verzerrung durch Substi-

tutionseffekte fiel umso höher aus je weiter das Basisjahr zurücklag und je stärker die

Preis- und Mengenkomponente miteinander negativ korreliert waren. Dadurch sah sich das

Statistische Bundesamt gezwungen das Basisjahr relativ häufig (etwa alle fünf Jahre) um- 14 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2006), S. 13. 15 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2004), S. 28. 16 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2004), S. 29.

5

zustellen.17 Das führte dazu, dass die Daten der Vergangenheit auf das neue Basisjahr um-

gerechnet werden mussten, um sie miteinander vergleichbar zu machen, wodurch sich das

reale BIP für vergangene Perioden änderte. Die Geschichte wurde somit immer wieder neu

geschrieben.

Um die Substitutionseffekte besser zu berücksichtigen wurde in Deutschland und in ande-

ren EU-Staaten eine andere Methode zu Berechnung des realen BIP eingeführt, die Vorjah-

respreismethode. Bei dieser Methode wird nicht mehr ein bestimmtes Basisjahr festgelegt,

sondern es wird auf die Preise des Vorjahres zurückgegriffen, wodurch die ständige Um-

stellung des Basisjahres nach einigen Jahren und die Korrektur der Ergebnisse der Vergan-

genheit entfallen.

4.2 Vorjahrespreismethode

Im Rahmen der Revision der deutschen VGR im Jahre 2005 wurde die Festpreisbasis bei

der Berechung des realen BIP durch die Vorjahrespreisbasis ersetzt. Ein rechtlicher Anlass

hierfür war die Entscheidung 98/715/EG der Kommission von 30. November 1998. Für die

Umstellung auf die Vorjahrespreisbasis wurde Deutschland Zeit bis zum Jahr 2005 einge-

räumt. Doch gab es schon vor 2005 Länder, die die Berechnung des realen BIP mit der

Vorjahrespreisbasis durchgeführt haben. So haben die USA bereits seit 1996 auf die Vor-

jahrespreisbasis umgestellt. Außerdem ist die Vorjahrespreisbasis sowohl im Europäischen

System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung (ESVG) als auch in den internationalen

Systemen der VGR (SNA) verankert.18

4.2.1 Laspeyres-Kettenindex

Die Methode der Vorjahrespreisbasis kann in folgende Schritte unterteilt werden.

Schritt 1: Die Deflationierung der Wertangaben eines Jahres erfolgt mit Preisindizes, die

auf den Jahresdurchschnitt des Vorjahres normiert sind (∑ −⋅i

)1t,i(P)t,i(Q ). Bei der

Festpreismethode hingegen wird die Deflationierung mit Preisindizes vorgenommen, die

auf ein festes Jahr (Basisjahr) normiert sind.19

Schritt 2: Durch die im Schritt 1 durchgeführten Berechnungen erhält man pro Aggregat

eine Zeitreihe von Jahresergebnissen in konstanten Durchschnittspreisen des Vorjahres, für 17 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2006), S. 13 f. 18 Vgl. Braakmann, Albert u.a. (2005), S. 429. 19 Vgl. Statistisches Bundesamt (2003), S. 5.

6

die Veränderungsraten, Messzahlen und Wachstumsbeiträge gegenüber dem Vorjahr abge-

leitet werden können.20

Die reale jährliche Änderung des BIP lässt sich wie folgt ermitteln:

∑∑

−⋅−

−⋅=−Δ=−

i

iM )1t,i(P)1t,i(Q

)1t,i(P)t,i(Q)1t,t(BIP)1t,t(L (7)

Die jährliche Volumenänderung bzw. Wachstumsfaktor ( )1t,t(BIP −Δ ) ergibt sich indem

das Volumen in Vorjahrespreisen durch den Nominalwert des Vorjahres dividiert wird.

Beim Wachstumsfaktor handelt es sich entsprechend den Vorgaben der EU-Kommission

um einen Mengenindex vom Laspeyres-Typ ( ).ML 21 Dieser Mengenindex zeigt die Ände-

rung der Menge für den Zeitraum (t-1, t) in Preisen des Vorjahres t-1.22

Schritt 3: Die Verkettung („Chaining“) der einzelnen jährlichen Indizes liefert für jedes

Aggregat bzw. Merkmal eine vergleichbare Zeitreihe. Durch die dadurch gebildeten Ket-

tenindizes wird ein Vergleich zwischen zwei Zeiträumen ermöglicht. Damit liegen die Ket-

tenindizes für implizite Preisindizes (BIP-Deflator) und für Volumenangaben vor.23 Die

Verkettung der Messziffern )1t,t(LM − ergibt einen Laspeyres-Kettenindex:

100)1k,k(L)0,t(KL Mt,..,kM ×−Π= .24 (8)

Schritt 4: Um auch vergleichbare Absolutwerte für die Volumenangaben als Zeitreihe zu

erhalten, bedarf es der Verknüpfung der Kettenindizes mit den Werten eines Referenzjah-

res.25 Zu beachten ist, dass das Referenzjahr nicht mit dem Basisjahr gleichzusetzen ist.

Als Basisjahr wird das Jahr bezeichnet, „von dessen Werten zu laufenden Preisen die Ge-

wichte für die Preis- und Volumenmessung abgeleitet werden.“26 Bei der Vorjahrespreis-

basis ist das Basisjahr immer das Vorjahr. Das Referenzjahr hingegen ist das Jahr, „das zur

Präsentation einer Zeitreihe zu konstanten Preisen herangezogen wird.“27 Bei der Index-

darstellung hat das Referenzjahr den Wert 100.28 Im Referenzjahr 0 wird der erste Wert

20 Vgl. Speich, Dietmar (2005), S. 34; Vgl. Statistisches Bundesamt (2003), S. 5. 21 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2006) S. 14. 22 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2007), S. 30. 23 Vgl. Speich, Dietmar (2006), S. 34; Vgl. Statistisches Bundesamt (2003), S. 5. 24 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2007), S. 30. 25 Vgl. Statistisches Bundesamt (2003), S. 5. 26 Havel, Ursula/Kassberger Ferdinand (2005), S. 167. 27 Havel, Ursula/Kassberger Ferdinand (2005), S. 167. 28 Vgl. Havel, Ursula/Kassberger Ferdinand (2005), S. 167.

7

der Ke )0,0 gleich 100 gesetzt. Um die verkettete Volumenangaben zu erhalten,

muss der Kettenind )0,t( im Referenzjahr zunächst mit den nominalen Ausgaben

multipliziert und dann durch 100 dividiert werden:

tte

(KLM

ex

)0,i(P

KLM

∑ ⋅i

)0,i(Q

∑ ⋅×=i

Mreal 100/)0,i(P)0,i(Q)0,t(KL)t(A .29 (9)

4.2.2 Fisher-Kettenindex

Eine andere Vorjahrespreismethode, die in USA und Kanada ihre Anwendung findet, be-

nutzt keinen Laspeyres-Mengenindex, sondern einen Fisher-Mengenindex. Dieser wird

ermittelt indem zunächst ein Laspeyres-Mengenindex und ein Paasche-Mengenindex für

die Berichtsperiode berechnet werden und anschließend aus beiden Indizes das geometri-

sche Mittel gebildet wird:

[ ] 2/1MMM )1t,t(P)1t,t(L)1t,t(F −×−=− . (10)

Die reale Wachstumsrate des BIP im Vergleich zu irgendeinem beliebig wählbaren Refe-

renzjahr wird durch Verkettung der einzelnen Mengenindizes berechnet: MF

)1t,t(F)0,1t(KF)0,t(KF MMM −×−= . (11)

Mit Laspeyres-Mengenindex wird die reale Wachstumsrate des BIP bei konstant ge-

haltenen Preisen der Periode t-1 gemessen. Der Paasche-Mengenindex misst hingegen

die reale Wachstumsrate des BIP auf der Basis konstanter Preise der Berichtsperiode.

ML

MP30

Zwar empfehlen SNA 93 und ESVG 95 den Fisher-Index zur Preis- und Volumenmessung.

In der Praxis bringt jedoch die Verwendung von Laspeyres-Index rechentechnische Er-

leichterungen mit sich. Außerdem fallen die Datenanforderungen für Statistische Ämter

geringer aus.31

4.2.3 Methodische Probleme des Kettenindex

4.2.3.1 Pfadabhängigkeit

Die wohl wichtigsten Axiome, die ein Preisindex einhalten soll sind Identität und Monoto-

nie. Identität bedeutet, dass wenn die Preise in Berichtsperiode t und Basisperiode 0 gleich

sind, dann soll ein Preisindex den Wert 1 annehmen. Monotonie bedeutet, dass bei Ände-

rung des Preises eines Gutes und bei Konstanz der Preise aller anderen Güter der Index den

29 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2007), S. 30. 30 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2001), S. 43. 31 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2006a), S. 14 f.

8

Wert 1 nicht annehmen darf. Diese Axiome werden beim Kettenindex nicht eingehalten.

Der Grund dafür ist die Pfadabhängigkeit.32

Sind alle Preise und Mengen der Basisperiode 0 und Berichtsperiode i gegeben, kann mit

Kettenindex die Preisniveauänderung zwischen den beiden Perioden mit einer Indexzahl

nicht ausgedrückt werden. Denn die Entwicklung des Kettenindex hängt nicht ausschließ-

lich von Preisen und Mengen der Basis- und Berichtsperioden ab (wie es bei den direkten

Indizes der Fall ist), sondern sie hängt auch von Preisen und Mengen der Perioden zwi-

schen Basis- und Berichtsperiode ab.

Wenn die Preise in der Berichtsperiode, nach beliebiger Variation in den Zwischenperio-

den, wieder auf das Niveau der Basisperiode zurückkehren, dann würden sowohl der Las-

peyres-Index als auch Paasche-Index eine Konstanz des Preisniveaus anzeigen, d.h. sie ha-

ben entweder den Wert 1 oder 100. Der Kettenindex hingegen zeigt einen Preisniveauun-

terschied zwischen den beiden Perioden. Selbst wenn die Preise und Mengen der Basis-

und Berichtsperiode völlig identisch sind, d.h. in beiden Perioden kann der gleiche Waren-

korb zu gleichen Preisen gekauft werden, dann würde der Kettenindex in aller Regel einen

Preisunterschied zwischen Basis- und Berichtsperiode anzeigen, wenn es in den Perioden

zwischen Basis- und Berichtsperiode zu Variationen kam.33

Der Grund dafür ist, dass die Kettenindizes nicht wie direkte Indizes zwei Zustände ver-

gleichen, sondern sie beschreiben einen Ablauf, der von den Zuständen in den Zwischen-

perioden beeinflusst wird.34

Der Kettenindex kann also keine isolierte Preisänderung anzeigen. Wenn beispielsweise

Kettenindex auf 110 steht, dann ist unklar was um 10% gestiegen ist.35

Aufgrund der Problematik mit der Pfadabhängigkeit bei den Kettenindizes wird von deren

Nutzung abgeraten, wenn mit starken zyklischen Preis- und Mengenbewegungen zu rech-

nen ist.36

Zusätzlich kommt hinzu, dass es bei Kettenindizes das Ergebnis für ein Intervall unter-

schiedlich ausfällt, je nachdem in wie viele Teile es zerlegt wird. Das soll an einem Bei-

spiel verdeutlicht werden.

32 Vgl. von der Lippe, Peter (1999), S. 390 u. 402. 33 Vgl. Neubauer, Werner (1996), S. 65. 34 Vgl. von der Lippe, Peter (1999), S. 400. 35 Vgl. Neubauer, Werner (1996), S. 60. 36 Vgl. Neubauer, Werner (1996), S. 67.

9

Im Intervall t = 0 und t = 4 sind die Preise und Mengen genau gleich (siehe Tabelle 1). Der

Kettenindex ist aber nicht nur ungleich 1, das Ergebnis fällt auch unterschiedlich aus, je

nachdem in wie viele Teile das Intervall zerlegt wird.

Tabelle 1: Abhängigkeit des Kettenindex von der Art des Zeitintervalls

t = 0 t = 1 t = 2 t = 3 t = 4

p q p q p q p q p q

2 10 4 12 3 20 1 16 2 10

5 20 3 15 4 10 4 12 5 20 Quelle: von der Lippe, Peter (1999), S. 402.

Wird das Intervall in zwei Teile 0 – 2 und 2 – 4 zerlegt, lautet das Ergebnis:

825,010090

120110)a(P

LC04 =⋅=

Wird das gleiche Intervall hingegen in vier Teile zerlegt, lautet das Ergebnis:

7419,0100

25,86120

89,886492

10060

9396

120100)b(P LC

04 ==⎟⎠⎞

⎜⎝⎛⎟⎠⎞

⎜⎝⎛= 37

4.2.3.2 Nichtadditivität

Ein anderes Problem bei der Vorjahrespreismethode besteht darin, dass die verketteten Vo-

lumenwerte additiv inkonsistent sind. Das bedeutet, dass die Summe der verketteten Teil-

aggregate in der Regel nicht dem Wert des verketteten Gesamtaggregats entspricht. So bei-

spielsweise entspricht die Summe der verketteten Wertschöpfungsaggregate nicht dem

verketteten BIP. Das Problem der Nichtadditivität besteht jedoch nur für verkettete Volu-

menwerte nicht aber für Ergebnisse eines Referenzjahres und für das erste darauf folgende

Jahr.38 Diese Nichtadditivität kann bei den Datennutzern zu Interpretationsproblemen und

zu Rechen- oder Analysefehlern führen.39

Damit die Nichtadditivität nicht zu groß wird, muss das Referenzjahr nach einer bestimm-

ten Zeit aktualisiert werden. Jedoch ist derartige Aktualisierung nicht mit dem Wechsel

von Preisbasisjahr bei der Festpreismethode zu vergleichen, da diese keinen Einfluss auf

die bereits veröffentlichen Wachstumsraten hat.40

37 Vgl. von der Lippe, Peter (1999), S. 401 f. 38 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2007), S. 29. 39 Vgl. Räth, Norbert/Braakmann, Albert (2006), S. 1004. 40 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2007), S. 32.

10

4.3 Empirische Untersuchungen

Wie bereits gezeigt wurde, müsste es zu unterschiedlicher realer Wachstumsrate kommen

je nachdem mit welchem Verfahren das reale BIP berechnet wird. Dabei muss das reale

Wachstum des BIP nach der Vorjahrespreismethode aufgrund nicht vorhandener Substitu-

tionseffekte tendenziell niedriger ausfallen als bei der Festpreismethode.41 Nun wird unter-

sucht, ob sich diese Vermutung empirisch bestätigt lässt.

Betrachtet wird der Zeitraum von 1991 bis 2004. Bei der Festpreismethode wird mit dem

Preisbasisjahr 2000 gerechnet. Aus den Ergebnissen des Vergleichs lässt sich der Einfluss

der Verkettung gesondert darstellen. Die Verkettungseffekte entstehen dann, wenn sich die

Gewichtung bei der Volumenmessung verschiebt. Die Volumenindizes, die nach der Fest-

preismethode ermittelt werden, besitzen die Wägungsstruktur eines Basisjahres (Berech-

nung mit Laspeyres-Index). Bei der Vorjahrespreismethode besitzen die Volumenindizes

hingegen die Wägungsstruktur des jeweiligen Vorjahres. Somit kann die Verschiebung der

Gewichte für die einzelnen Jahre unterschiedlich ausfallen je nachdem wie hoch die fakti-

sche Preis- und Einkommenselastizität der Güter zueinander ist.42

In der Tabelle 2 werden die preisbereinigten Veränderungen des BIP und der einzelnen

Verwendungskomponente dargestellt, die sich aus der Verkettung ergeben. Zusätzlich

werden in der Tabelle Differenzen in Prozentpunkten zwischen der Vorjahrespreis- und

Festpreismethode dargestellt.

Wie die Ergebnissen aus der Tabelle zeigen, ist der Unterschied zwischen Ergebnissen

nach der Festpreismethode und Vorjahresmethode eher gering und beträgt höchstens 0,3

Prozentpunkte. Ähnlich gering fallen die Unterschiede zwischen den beiden Methoden bei

den Konsumausgaben und Bauinvestitionen aus. Dagegen sind bei Ausrüstungsinvestitio-

nen, Importen und Exporten deutliche Unterschiede festzustellen, die sich aus der Verket-

tung ergeben. Diese sind darauf zurückzuführen, dass es bei den genannten Aggregaten im

Zeitablauf zu deutlichen Verschiebungen der Preisrelationen kommt, vor allem deshalb,

weil diese Aggregate den außenwirtschaftlichen Einflüssen stärker unterliegen. Die Preis-

bewegungen im Inland sind hingegen eher gering, was auch dazu führt, dass der Einfluss

der Verkettung bei Konsumausgaben und Bauinvestitionen nur gering ausfällt. Zu beach-

ten ist auch, dass ab 1991 die hedonische Preismessung bei EDV-Gütern implementiert

wurde, was sich besonders auf Importe und Ausrüstungsinvestitionen auswirkt.

41 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2006a), S. 15. 42 Vgl. Braakmann, Albert u.a. (2005), S. 431.

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Tabelle 2: Effekte der Verkettung in ausgewählten Aggregaten

Quelle: Braakmann, Albert u.a. (2005), S. 431.

Auch auffällig an den Ergebnissen ist die Tatsache, dass bis zum Jahr 2000 (Festpreisbasis-

jahr) bei den untersuchten Aggregaten die Verkettungseffekte überwiegend positiv sind,

danach dagegen eher negativ ausfallen. Jedoch können die vorgelegten Ergebnisse nicht

die Vermutung bekräftigen wonach das reale BIP-Wachstum nach Vorjahrespreismethode

für die aktuellen Jahre schwächer ausfallen muss als nach der Festpreismethode.43

5. Messung des Preisniveaus In der Regel werden von den Makroökonomen zwei verschiedene Maße für die Messung

des Preisniveaus verwendet. Zum einen ist das der BIP-Deflator, der ein Maß für den

durchschnittlichen Preis der Produktion ist und der somit die Preisentwicklung aller produ-

zierten Endgüter misst. Zum anderen ist es der Verbraucherpreisindex (VPI), der die Preis-

entwicklung eines Warenkorbes misst.

5.1 BIP-Deflator

Für die Ermittlung des BIP-Deflators muss zunächst das nominale BIP ausgerechnet wer-

den. Anschließend muss nun das nominale BIP deflationiert werden, wodurch reales BIP

43 Vgl. Braakmann, Albert u.a. (2005), S. 430 f.

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ermittelt wird. Der BIP-Deflator ist definiert als Verhältnis zwischen nominalem und rea-

lem BIP:

BIPrealesBIPalesminnoDeflatorBIP =− (12)

Er ist der Durchschnitt aller Geldpreise der Endprodukte.44 Nach der Einführung der Vor-

jahrespreismethode kann diese Formel allerdings nur verwendet werden, wenn die Index-

werte in verkettete Volumenwerte umgewandelt werden. Sonst kann der BIP-Deflator er-

mittelt werden, indem die zu Messziffern transformierte Reihe des nominalen BIP durch

den Kettenindex dividiert wird.45

Wenn das nominale BIP stärker wächst als das reale BIP, dann liegt es an dem Anstieg des

Preisniveaus. Im Basisjahr muss nominales und reales BIP gleich sein. Das Preisniveau

muss folglich gleich 1 sein. Die Wachstumsrate des BIP-Deflators gibt an mit welcher Rate

das Preisniveau steigt.46

5.2 Verbraucherpreisindex (VPI)

Der VPI misst den Durchschnittspreis aller Konsumgüter. Zur Ermittlung des VPI wird ein

repräsentativer Warenkorb verwendet, dessen Zusammensetzung auf einer sorgfältigen

Analyse des Verbraucherverhaltens basiert. Dieser Warenkorb, der alle fünf Jahre aktuali-

siert wird, soll die durchschnittliche Preisentwicklung aller Güter und Dienstleistungen er-

fassen, die von einem durchschnittlichen privaten Haushalt konsumiert werden.

Um Preisentwicklung des Warenkorbes zu beobachten, besuchen 560 Mitarbeiter des Sta-

tistischen Bundesamtes in 190 Berichtsgemeinden in ganz Deutschland 40.000 Geschäfte.

Dort sammeln sie die Daten von 750 exakt beschriebenen Waren und Dienstleistungen und

erfassen dabei 350.000 Einzelpreise. Basierend auf diesen Daten wird dann der Verbrau-

cherpreisindex für das gesamte Bundesgebiet berechnet.47

Somit ist die Ermittlung des VPI im Vergleich zur Ermittlung von BIP-Deflator viel auf-

wendiger. Denn während für die Sammlung von Daten zur Berechnung des VPI ein sehr

hoher Aufwand betrieben wird, lässt sich das BIP-Deflator einfach ausrechnen.

44 Vgl. Burda, Michael/Wyplosz, Charles (2003), S. 27. 45 Vgl. Nierhaus, Wolfgang (2006b), S. 28 f. 46 Vgl. Blanchard, Olievier/Illing, Gerhard (2006), S. 56. 47 Vgl. Blanchard, Olievier/Illing, Gerhard (2006), S. 56 f.

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5.3 Unterschiede zwischen BIP-Deflator und VPI

Der erste Unterschied zwischen BIP-Deflator und VPI besteht darin, dass der BIP-Deflator

die Preise aller Güter erfasst. Der VPI hingegen erfasst die Preise der Güter und Dienstleis-

tungen, die nur von privaten Haushalten nachgefragt werden. Die Preise der Güter, die aus-

schließlich von Unternehmen oder den öffentlichen Haushalten nachgefragt werden, wer-

den dagegen nicht erfasst.

Der zweite Unterschied zwischen beiden Indizes besteht darin, dass der BIP-Deflator nur

die Preise der Güter misst, die im Inland produziert wurden. Nicht beachtet werden hinge-

gen die Preise für Importgüter, wie z.B. Preise für japanische Autos. Beim VPI hingegen

werden auch die Preise für Importgüter erfasst, sofern sie von durchschnittlichem Haushalt

konsumiert werden.

Der dritte Unterschied liegt in der Art wie die beiden Maße die Preise der Volkswirtschaft

aggregieren. Der BIP-Deflator weist den Preisen der verschiedenen Güter veränderliche

Gewichte zu. Es handelt sich somit um einen Paasche-Index.48 Denn beim Paasche-Index

werden die Preise der verschiedenen Perioden mit den Mengen der laufenden Periode ge-

wichtet.49

Der VPI hingegen weist den Preisen feste Gewichte zu. Er gehört deshalb zur Klasse der

Laspeyres-Indizes. Es stellt sich nun die Frage welcher Index-Typ die Inflationsentwick-

lung genauer misst. Erhöhen sich die Preise für Güter in unterschiedlichem Maße, so neigt

der Laspeyres-Index dazu die tatsächliche Preisentwicklung zu überschätzen. Denn dieser

benutzt einen festen Warenkorb und berücksichtigt nicht wenn die Konsumenten teuer ge-

wordene Güter durch billigere Güter ersetzen.

Ein Paasche-Index hingegen hat eine Tendenz die tatsächliche Preisentwicklung zu unter-

schätzen. Denn er berücksichtigt zwar den Substitutionsvorgang, lässt aber außer Acht,

dass dieser in der Regel mit Verminderung des Wohlfahrtsniveaus einhergeht.50

In der Realität verläuft die Entwicklung beider Preisindizes nahezu parallel. Für die meis-

ten Jahre beträgt der Unterschied zwischen Inflationsraten weniger als einen Prozentpunkt.

Es gibt jedoch auch klare Ausreißer. So stieg in den Jahren 1979 bist 1980 und 2000 der

VPI signifikant stärker als BIP-Deflator. Dagegen war der BIP-Deflator in den Jahren 1969

bis 1970 und 1986 höher als VPI (siehe Abb. 1).

48 Vgl. Mankiw, Gregory (2003), S. 37. 49 Vgl. Blanchard, Olievier/Illing, Gerhard (2006), S. 77. 50 Vgl. Mankiw, Gregory (2003), S. 38.

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Der Grund für die signifikanten Abweichungen sind Schwankungen der Preise für Import-

güter. Aber auch die Wechselkursschwankungen können zu unterschiedlicher Preisent-

wicklung beider Preisindizes führen.

Erhöhen sich die Importpreise stärker als die Preise für die im Inland hergestellte Güter, so

muss VPI stärker steigen, als BIP-Deflator. So geschehen Ende der 70-er Jahre als sich der

Preis für das in Deutschland sehr wichtige Importgut Rohöl verdoppelte. Im Jahr 2000

stiegen aufgrund des schwachen Euros generell die Importpreise. Im Jahr 1986 hingegen

kam es gleichzeitig zum Rückgang des Rohölpreises und zur Aufwertung der Deutschen

Mark gegenüber dem Dollar, was den Rückgang der Importpreise bewirkte. Daraufhin

ging VPI sogar zurück.51

Abb. 1: Entwicklung von BIP-Deflator und VPI im Zeitverlauf

Quelle: Blanchard, Olievier/Illing, Gerhard (2006), S. 59

6. Fazit Mit der Umstellung auf die Vorjahrespreisbasis in der VGR wurde erreicht, dass sie Subs-

titutionseffekte ausgeschaltet wurden. Außerdem wurde damit ein wichtiger Schritt hin zu

Harmonisierung der VGR zwischen den Ländern getan. Dennoch ist die Harmonisierung

nicht ganz gelungen, denn in den so wichtigen Ländern wie den USA und Kanada wird die

Deflationierung zwar auch wie in Europäischen Union mit der Vorjahrespreismethode vor-

genommen, jedoch geschieht dies mit dem Fisher-Index, in EU hingegen mit dem Laspey-

res-Index. Außerdem eignet sich die Vorjahrespreismethode besonders gut, wenn die he-

donischen Verfahren angewendet werden.

51 Vgl. Blanchard, Olievier/Illing, Gerhard (2006), S. 59 f.

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Die Umstellung auf die Vorjahrespreisbasis hat aber nicht nur Vorteile gebracht. So sind

die Ergebnisse bei der Vorjahrespreismethode additiv nicht konsistent. Außerdem darf das

Problem mit der Pfadabhängigkeit nicht vernachlässigt werden, wodurch die so wichtigen

Axiome wie Identität und Monotonie verletzt werden.

Die Vermutung, dass der Wechsel zur Vorjahrespreismethode zur niedrigeren Wachstums-

raten des BIP führen wird, konnte empirisch nicht nachgewiesen werden. Die realen

Wachstumsraten des BIP, die mit der Vorjahrespreismethode ausgerechnet wurden, fallen

für den Zeitraum von 1991 bis 2004 sogar höher aus, jedoch ist der Unterschied zur den

Wachstumsraten, die nach der Festpreismethode ausgerechnet wurden, eher gering.

Zuletzt wurde auf beide wichtige Indizes, die zur Messung des Preisniveaus verwendet

werden, eingegangen. Es wurde gezeigt wo die Unterschiede zwischen beiden Preisindizes

liegen und warum es deshalb zu unterschiedlicher Entwicklung des Preisniveaus kommen

kann. Es hat sich jedoch rausgestellt, dass die beiden Preisindizes im Zeitverlauf nahezu

parallel verlaufen und es nur gelegentlich zu Ausreißern kommt.

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Burda, Michael /Wyplosz, Charles (2003) Makroökonomie, 2 Aufl., München 2003. Hardes Heinz-Dieter/Frieder Schmitz/Alexandra Uhly (2002) Grundzüge der Volkswirtschaftslehre, 8. Aufl., München 2002. Havel, Ursula/Kassberger, Ferdinand (2005)

Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen; Hauptergebnisse 1976-2004, Statistik Austria (Hrsg.), 2005

Mankiw, Gregory (2003) Makroökonomik, 5. Aufl., Stuttgart 2003. Neubauer, Werner (1996) Preisstatistik, 1. Aufl., München 1996. Nierhaus, Wolfgang (2001)

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Nierhaus, Wolfgang (2004) Wirtschaftswachstum in den VGR: Zur Einführung der Vorjahresbasis in der deut-schen Statistik, in: ifo Schnelldienst 5/2004, S. 28-34.

Nierhaus, Wolfgang (2006a) Gesamtwirtschaftliche Produktion und Preisniveau: Volumenrechnung im Ver-gleich, in: ifo Schnelldienst 14/2006, S. 13-18.

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Nierhaus, Wolfgang (2007) Vorjahrespreisbasis: Aggregation und Verkettungsdifferenz, in: ifo Schnelldienst 6/2007, S. 29-33.

Räth, Norbert/Braakmann, Albert (2006) Vergleichbare Zeitreihen der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen; Revidierte Ergebnisse 1970 bis 1991 für das frühere Bundesgebiet, in: Wirtschaft und Statistik 10/2006, S. 1003-1020.

17

Speich, Wolf-Dienmar (2006) Revision 2005 in den regionalen Gesamtrechnungen, in: ifo dresden berichtet 2006, S. 33-41.

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Tödler, Karl-Heinz (2005) Umstellung der deutschen VGR auf Vorjahrspreisbasis; Konzept und Konsequen-zen für die aktuelle Wirtschaftsanalyse sowie die ökonometrische Modellierung, Deutsche Bundesbank, Reihe 1: Volkswirtschaftliche Studien Nr. 31, Frankfurt am Main.

Von der Lippe, Peter (1999)

Kritik internationaler Empfehlungen zur Indexformel für Preisindizes in der amtli-chen Statistik, in: Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik 218(3+4), S. 385-414.

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Anhang

Tabelle 3: Wirtschaftswachstum mit Substitutionseffekten

Quelle: Nierhaus, Wolfgang (2004), S. 30.

Tabelle 4: Wirtschaftswachstum ohne Substitutionseffekte

Quelle: Nierhaus, Wolfgang (2004), S. 32.

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