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MittelalterlicheWandmalereienin altmärkischen Kirchen
HIER INVESTIERT EUROPA IN DIE LÄNDLICHEN GEBIETE.
Die Altmark erstreckt sich im Norden
Sachsen-Anhalts. In dieser historisch
gewachsenen Kulturlandschaft hat sich
ein außergewöhnlich umfangreicher
Bestand an mittelalterlichen Wandma-
lereien erhalten. Die Bandbreite reicht
in den mehr als 70 zumeist Dorfkirchen
und wenigen Stadt- und Klosterkirchen
von umfassenden Ausmalungen des
Kirchenraums bis hin zu einzelnen Frag-
menten. Ausgehend von ihrer intensi-
ven Farbigkeit, der Vielfalt an Ornamen-
ten und dem Bilderreichtum können
die Wandmalereien eine authentische
Vorstellung von sakralen Innenräumen
der Romanik und Gotik vermitteln. Um
diesen kulturellen Schatz wissenschaft-
lich zu erforschen und der Öffentlich-
keit zugänglich zu machen, initiierte
das Landesamt für Denkmalpflege und
Archä ologie Sachsen-Anhalt gemein-
sam mit den Evangelischen Kirchen-
kreisen Stendal und Salzwedel das Pro-
jekt „Mittelalter liche Wandmalereien
in altmärkischen Kirchen“. In Koopera-
tion mit den Lokalen Aktionsgruppen
Uchte-Tanger Elbe und Mittlere Alt-
mark wird das Projekt im Rahmen des
LEADER / CLLD-Prozesses durch den
Europäischen Landwirtschaftsfonds für
die Entwicklung des ländlichen Raums,
die Evangelische Kirche in Mittel-
deutschland sowie die Kirchliche Stif-
tung Kunst und Kulturgut in der Kirchen-
provinz Sachsen gefördert.
Unter der Leitung des Landesdenk-
malamts nahmen Fachleute der Restau-
rierungswissenschaften, Bauforschung
und Kunstgeschichte die Wandma -
lereien interdisziplinär in den Blick. Eine
weitere wichtige Rolle spielte die Foto-
grafie, die manche nur schwer zugäng-
liche Wandmalereien sichtbar mach-
te. Einführend wurden die historischen
Hintergründe beleuchtet, die zu der
regen Bautätigkeit und der umfangrei-
chen Ausstattung der Kirchenbauten
geführt haben. Die Befunde der Baufor-
schung ermöglichen eine Differenzie-
rung der Bauphasen der Kirchen und
eine zeitliche Einordnung der Wandma-
lereien. Die Herstellungstechnik, späte-
re Veränderungen und Überarbeitungen
der Wandmalereien sowie den Erhal-
tungszustand untersuchte eine Restau-
ratorin. All diese Ergebnisse bilden die
Grundlage für die kunsthistorische Ein-
ordnung der Wandbilder und die Bewer-
tung des Gesamtbestandes mittelalter-
licher Wandmalereien in der Altmark.
Weitere Informationen zum
Projekt finden Sie unter:
www.wandmalereien.lda-lsa.de
Projektinformation
Kraatz, Dorfkirche | Umrisszeichnung von Tieren, Ende 15. Jh. (Foto: T. Arnold)
Riebau, Dorfkirche | Feldsteinkirche mit Apsis und Westquerturm, um 1230/50 (Foto: R. Wellkisch)
Klein Rossau, Dorfkirche | Bilderwände, Mitte 15. Jh. (Foto: C. Scherf)
Klein Rossau, Dorfkirche | Bilderwände mit Szenen der Passion Christi, Darstellung der Geißelung und Kreuztragung, Mitte 15. Jh. (Foto: M. Behne)
MittelalterlicheWandmalereienin altmärkischen Kirchen
HIER INVESTIERT EUROPA IN DIE LÄNDLICHEN GEBIETE.
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STENDAL
SALZWEDEL
HAVELBERG
TANGERMÜNDE
SEEHAUSEN
OSTERBURG
GARDELEGEN
KALBEBISMARK
KLÖTZE
Wolfsburg
DIESDORF
Sachsen-Anhalt
Altmark
1 Altmersleben | Dorfkirche
2 Arendsee | ehem. Klosterkirche
3 Arensberg | Dorfkirche
4 Audorf | St. Johannes
5 Beese | Dorfkirche
6 Bismark | Stadtkirche
7 Böddenstedt | St. Stephan
8 Bombeck | St. Laurentius
9 Buch | Dorfkirche (ehem. St. Constantius)
10 Buchwitz | Dorfkirche
11 Dahrendorf | Dorfkirche
12 Dambeck | Dorfkirche
13 Dambeck | ehem. Klosterkirche St. Maria
14 Dankensen | Dorfkirche
15 Döllnitz | St. Nikolaus
16 Drebenstedt | Dorfkirche
17 Erxleben (Osterburg) | St. Godehardus
18 Fahrendorf | Dorfkirche
19 Gardelegen | St. Nikolai
20 Gardelegen | St. Marien
21 Güssefeld | St. Maria Magdalena
22 Hagen | Dorfkirche
23 Havelberg | Dom St. Marien
24 Henningen | St. Laurentius
25 Hohenlangenbeck | Dorfkirche
26 Ipse | Dorfkirche
27 Jübar | Dorfkirche
28 Klein Ballerstedt | St. Peter und Paul
29 Klein Rossau | Dorfkirche
30 Klein Schwechten | St. Laurentius
31 Kraatz | Dorfkirche
32 Lichterfelde | Dorfkirche
33 Maxdorf | Dorfkirche
34 Möllendorf | Dorfkirche
35 Riebau | Dorfkirche
36 Ritzleben | Dorfkirche
37 Rockenthin | Dorfkirche
38 Röxe (OT v. Stendal) | Friedhofskapelle St. Katharina
39 Salzwedel | sog. Mönchskirche
40 Salzwedel | St. Marien
41 Salzwedel | St. Katharinen
42 Sanne (Sanne-Kerkuhn) | Dorfkirche
43 Schernikau (Bismark) | Dorfkirche
44 Schönberg am Damm | Dorfkirche
45 Schönebeck | Dorfkirche
46 Siedengrieben | Dorfkirche
47 Siepe | St. Nikolaus
48 Späningen | Dorfkirche
49 Stendal | St. Marien
50 Stendal | St. Jacobi
51 Stendal | Dom St. Nikolaus
52 Stendal | ehem. Klosterkirche St. Katharinen
53 Sydow | Dorfkirche
54 Tangermünde | sog. Kapitelturm der Burg
55 Tangermünde | St. Stephan
56 Uchtdorf | Dorfkirche
57 Vienau | Dorfkirche
58 Winterfeld | Dorfkirche
59 Wistedt | Dorfkirche
60 Wollenhagen | Dorfkirche
Standortübersicht
Dahrendorf, Dorfkirche | Bilderwand mit Szenen der Passion Christi, Ende 15. Jh., überarbeitet 1940/41 (Foto: T. Arnold)
Jübar, Dorfkirche | Darstellung mit einem Reiter und Hirschen, 2. Hälfte 15. Jh. (Foto: T. Arnold)
Stendal, St. Marien | Rankenmalerei mit musizierenden und Vögel jagenden Gestalten, um 1480, Ausschnitt (Foto: M. Behne)
MittelalterlicheWandmalereienin altmärkischen Kirchen
HIER INVESTIERT EUROPA IN DIE LÄNDLICHEN GEBIETE.
Die mittelalterlichen Wandmalereien
sind nicht nur wertvolle Zeugnisse des
künstlerischen Schaffens in der Altmark.
Sie spiegeln auch das damalige Welt-
bild der Menschen, das stark vom christ-
lichen Glauben geprägt war, wider. Im
Zentrum standen die Frage nach dem
Seelenheil im Jenseits und die Hoffnung
auf Erlösung durch Jesus Christus bei
seiner Rückkehr am Ende der Welt. Die
Wandbilder übersetzten das biblische
Wort in eine für alle lesbare Sprache und
machten Predigt und Liturgie verständ-
licher. Die wichtigsten Bildthemen des
Mittelalters lassen sich, neben weiteren,
auch in der Altmark finden.
Die ältesten spätromanischen Wand-
malereien in der Altmark stammen aus
dem 13. Jahrhundert. Den prominentes-
ten Platz in der Kirche, die Apsiskalot-
te, nimmt die Darstellung der Maiestas
Domini ein, die auf der apokalyptischen
Vision des Evangelisten Johannes be-
ruht. Christus erscheint auf einem Thron
sitzend in einer Mandorla, einem man-
delförmigen Strahlenkranz, umgeben
von den vier Evangelistensymbolen
Adler, Stier, Löwe und Engel. Maria und
Johannes der Täufer, die bei Christus
Fürbitte für die Menschen halten, erwei-
tern dieses Bild zu einer Deesis.
Die meisten Wandmalereien haben sich
aus dem 15. Jahrhundert, der Spätgotik,
erhalten. Eine wichtige Bildform dieser
Zeit sind die Bilderwände, die in der
Altmark oft mehrere Seiten des Kirchen-
raumes umziehen. Die in bis zu vier Rei-
hen übereinander angeordneten klein-
formatigen Bildfelder erzählen vor allem
die Passionsgeschichte Christi.
Den Höhepunkt des Ausmalungspro-
gramms, meist im Osten der Kirche, bildet
nun oftmals die Darstellung des Jüngs-
ten Gerichts. Sie zeigt Christus als Wel-
tenrichter mit den fürbittenden Maria und
Johannes. Darunter werden den Gläu-
bigen die Auferstehung der Toten, der
Einzug der Seligen ins Paradies sowie, in
drastischen Bildern, die Qualen der Ver-
dammten auf dem Weg in die Hölle vor
Augen geführt.
Ein beliebtes Bildthema waren Heili-
ge, die als Vorbilder und Schutzpatrone
eine wichtige Rolle im Leben der Gläubi-
gen spielten. Besonders populär sowohl
in Mitteleuropa als auch in der Altmark
war der hl. Christophorus. Sein Anblick
sollte vor dem plötzlichen Tod ohne Sa-
kramente schützen. Dazu wurde er häu-
fig in riesenhafter Größe an gut einseh-
barer Stelle in der Kirche abgebildet.
Möllendorf, Dorfkirche | Weltgericht, Ende 15. Jh. (Foto: T. Arnold)
Audorf, St. Johannes | Bilderwände mit Szenen der Passion Christi (Foto: T. Arnold)
Güssefeld, St. Maria Magdalena | Maiestas Domini-Darstellung, Mitte 13. Jh. (Foto: T. Arnold)
Stendal, St. Jacobi | Hl. Christophorus, Detail des Christuskindes, Anfang 16. Jh. (Foto: M. Behne)Bildpredigten und
gemalte Glaubens vorstellungen
MittelalterlicheWandmalereienin altmärkischen Kirchen
HIER INVESTIERT EUROPA IN DIE LÄNDLICHEN GEBIETE.
Die Altmark ist eine über tausendjäh-
rige Kulturlandschaft westlich entlang
der mittleren Elbe, deren frühe Besied-
lungsgeschichte von Slawen, Franken
und Sachsen geprägt war. Landes- und
Kirchengeschichte sind untrennbar mit-
einander verbunden und setzten mit
karolingischer Missionierung ein. Doch
die bisherige Annahme einer fränkischen
Nordmark in Anlehnung an die Bistümer
Verden und Halberstadt ist neueren For-
schungen zugrunde mangels Quellen-
nachweisen ebenso in die Kritik geraten
wie eine udonische Altmark unter den
Grafen von Stade (bzw. der Nordmark
1056 / 57 – 1134). Obgleich einzeln vor-
handener Burgen und Siedlungen wur-
de der altmärkische Raum wohl erst im
12. Jahrhundert hochmittelalterlich ko-
lonisiert mit einhergehendem Landes-
ausbau und Neugründungen mit Einbin-
dung der Elbslawen.Um die sächsische
Grenzregion konkurrierten miteinander
die zeitgenössischen Protagonisten Kai-
ser Lothar III. (1075 – 1137), Herzog Hein-
rich der Löwe (um 1129 – 1133 / 35), Mark-
graf Albrecht der Bär (um 1100 – 1170)
und auch Erzbischof Wichmann von
Magdeburg (1116 – 1192). Als exponier-
ter Westteil der Markgrafschaft Bran-
denburg festigte sich das Territorium im
frühen 14. Jahrhundert in Konfrontation
der Askanier, Welfen und Wittelsbacher
einerseits und Abwehr jener fürstlich-dy-
nastischen Eigeninteressen durch ritterli-
che und städtische Landstände anderer-
seits zu einem topographischen Terminus
Altmark, zunächst als Sammelbezeich-
nung für mehrere Vogteien, Städte und
der darin sitzenden Niederadligen. Als
territorialgeschichtliche Zäsuren gelten
zweifellos das Ende der askanischen
Landesherrschaft 1319 / 20, die Präsenz
der Wittelsbacher und Luxemburger –
vor allem unter Karl IV. (1316 – 1378)
und seiner Nebenresidenz Tangermün-
de – und letztlich die Einsetzung der
(Hohen-)Zollern als Kurfürsten von Bran-
denburg 1415 unter Kurfürst Friedrich I.
(um 1371 – 1440). Dass die Altmark
nun zur Kernprovinz von Brandenburg-
Preußen bis 1946 wurde (abgesehen von
napoleonischen Interregnum des Kö-
nigreichs Westphalen 1806 – 1813), be-
scherte ihr die malerische Bezeichnung
„Wiege Preußens“. In dieser Zeit epoche
setzte sich auch bis Mitte des 16. Jahr-
hunderts die Reformation als kirchen-
geschichtliche und thematische Zäsur
durch.
Carte von dem Grossen Durchbruch der Elbe in der Alte=Marck … 1771 (LASA MD, C 28 IX, B VII Nr. 3)
Historische Forschung
Tangermünde, Burganlage. Residenz Karls IV. und der Hohenzollern in der Altmark | (Foto: G. Preuß)
Salzwedel, Altstadt | (Foto: R. Wellkisch)
MittelalterlicheWandmalereienin altmärkischen Kirchen
HIER INVESTIERT EUROPA IN DIE LÄNDLICHEN GEBIETE.
Ziel einer jeden Bauforschung ist die
Aufdeckung und Darlegung der Bau-,
Entwicklungs-, Nutzungs- und auch Be-
sitzgeschichte eines Gebäudes – also
die Klärung von Fragen wie: Wann ist
das Bauwerk errichtet worden, wie sah
das Gebäude in dieser oder jener Zeit
aus, welche An- und Umbauten haben
wann stattgefunden? Aber auch: Wer hat
diese Maßnahmen veranlasst, durch-
geführt und warum?
Die Bauforschung bedient sich da-
bei verschiedener Methoden. Wichtigs-
te und primäre Quelle ist das Gebäude
selbst. Das Bauwerk wird in Grund- und
Aufriss vermessen, die Baubefunde
(Baunähte, vermauerte Öffnungen, Fens-
tereinbrüche, Anbauten etc.) werden so-
wohl zeichnerisch als auch fotografisch
dokumentiert. In manchen Fällen werden
dendrochro nologische Untersuchun gen
zur absoluten Alters bestimmung der
verbauten Hölzer durchgeführt. Im Vor-
feld findet eine umfassende Literatur-
recherche statt. Es erfolgt die Sichtung
und Auswertung von Archivalien; an-
hand von Text- (Inventare, Kostenan-
schläge, Rechnungen etc.) und vor allem
Bildquellen (historische Bestands- und
Planzeichnungen, ältere Fotografien)
können Bau zustände verschiedener
Epochen erkannt werden. Die Zusam-
menschau all dieser Erhebungen, Un-
tersuchungen und Analysen erlaubt die
Vorlage einer im besten Fall gesicherten
Bauabfolge, dargestellt in farbigen Bau-
altersplänen.
Beim Projekt „Mittelalterliche Wandma-
lereien in altmärkischen Kirchen“ besaß
die Bauforschung vor allem die grundle-
Bauforschung
links: Bauforschung im Kirchendach (D. Höhne) Mitte: Altmersleben, Dorfkirche | Grundriss und Süd ansicht der Kirche, Zeich-nung aus der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts (Landesarchiv Sachsen-Anhalt)
unten: Buch, Dorfkirche (ehem. St. Constantius) | Kirchengrundriss als farbiger Baualtersplan (Zeichnung: T. Schöfbeck / D. Schmann / B. Weber)
gende Aufgabe, die baugeschichtliche
Abfolge und chronologische Einordnung
der Gebäudebereiche zu erkennen und
darzustellen, in denen sich die erhalte-
nen Wandmalereien befinden.
Gerade die Dorfkirchen, die zahlenmä-
ßig den Hauptanteil der in diesem Projekt
untersuchten Objekte ausmachen, spiel-
ten im Gegensatz zu Dom-, Stifts- und
Klosterkirchen in der Bau- und Kunstge-
schichte bislang eine eher untergeordne-
te Rolle; erst in den letzten Jahrzehnten ist
ein deutlicher Aufschwung in der wissen-
schaftlichen Forschung zu verzeichnen.
Insofern erbrachten die Bauforschungen
einen hohen Erkenntnisgewinn zu den
ländlichen Sakralbauten der Altmark, denn
für manche der Dorf kirchen erfolgte über-
haupt das erste Mal eine ernsthafte bauge-
schichtliche Betrachtung und Bewertung.
Lichterfelde, Dorfkirche | Kirchennordwand mit deutlicher Bauphase: links das Kirchenschiff aus der Zeit um 1300, rechts die aufgesetzte Turmwand vom Ende des 15. Jahrhunderts mit Schlitz-fenster und Löchern der Rüst-ebenen (Foto: T. Schöfbeck / D. Schumann)
MittelalterlicheWandmalereienin altmärkischen Kirchen
HIER INVESTIERT EUROPA IN DIE LÄNDLICHEN GEBIETE.
Ein Aspekt der restauratorischen Un-
tersuchung ist die Erforschung der
Techniken und Materialien, die bei der
Herstellung der mittelalterlichen Wand-
malereien Verwendung fanden. Zu die-
sem Zweck werden die Bilder mithilfe
von Tageslichtlampen im Auf- und Streif-
licht auf Werkspuren untersucht. Dabei
werden beispielsweise die Beschaffen-
heit des Mauerwerks, die Art und Wei-
se von Putzauftrag und Oberflächen-
bearbeitung, grundierende Tünchen,
Vorzeichnungen und -ritzungen sowie
Hinweise auf Konstruktionshilfen wie
Zirkel- und Schnurschläge dokumen-
tiert. Stark gedünnte oder verblasste
Bildpartien, bei sichtbarem Licht für un-
ser Auge nicht mehr wahrnehmbar, sind
in manchen Fällen unter UV-Strahlung
erkennbar. Zum besseren Verständnis
des Malschichtaufbaus können Lupen-
brille und Mikroskop zum Einsatz kom-
men. Bei speziellen Fragestellungen zur
Zusammensetzung von Mörteln oder
zur Identifizierung von Pigmenten wer-
den Proben durch ein naturwissenschaft-
liches Labor analysiert.
Ein Thema, das im Projekt vertieft wur-
de, betrifft die mittelalterliche Pigment-
palette. Heute wird der Farbklang der
Wandbilder von den Erdpigmenten roter
und gelber Ocker dominiert, die den Ma-
lern vorwiegend zur Verfügung standen.
Ursprünglich müssen wir uns die Malerei-
en jedoch wesentlich farbiger vorstellen.
Die Darstellungen wurden in den meisten
Fällen mit einem Bindemittel auf den ab-
gebundenen, also nicht mehr frischen
links, Mitte: Hagen, Dorfkirche | Szene der Heimsuchung (Maria und Elisabeth) bei sichtbarem Licht und unter UV-Strahlung, Ende 14. Jh. (Foto: T. Arnold)
rechts: Havelberg, Dom St. Marien | süd licher Kreuzgang, gemaltes Maßwerk mit Ritzungen von Zirkelschlägen im Streiflicht, um 1400 (Foto: T. Arnold)
Putz gemalt. Aus diesem Grunde sind die
Farbschichten im Vergleich zur Fresko-
technik weniger stabil und empfindliche
Partien heute teilweise verloren. Dazu ge-
hören oft auch Blau und Grün, die mit den
teuren, bergmännisch gewonnenen Pig-
menten Azurit und Malachit gemalt und
häufig sparsamer aufgetragen wurden.
Außerdem haben chemische Farbver-
änderungen der Pigmente das Erschei-
nungsbild der Malereien verändert. Davon
betroffen sind u. a. das auffällige hellrote
Bleipigment Mennige (Verschwärzung)
sowie die Blaupigmente Azurit (Vergrü-
nen) und Vivianit (Entfärbung zu Grün
bzw. Gelb). Sehr wahrscheinlich wurde
die Farbigkeit der Bilder einst zusätzlich
noch durch den Einsatz von Farbstoffen
bereichert, die heute verblasst sind.
Restauratorische Untersuchung zur Herstellungstechnik
Schernikau (Bismark), Dorfkirche | Szene der Geißelung Christi, mit Mennige gemalte verschwärzte Lippen und Blutstropfen, 15. Jh. (Foto: T. Arnold)
Uchtdorf, Dorfkirche | disputierende Propheten, ursprünglich blauer Hintergrund, Entfärbung von Vivianit, um 1250 (Foto: M. Behne)
MittelalterlicheWandmalereienin altmärkischen Kirchen
HIER INVESTIERT EUROPA IN DIE LÄNDLICHEN GEBIETE.
Der Wandmalereibestand der Altmark ist
einzigartig. Nicht minder wertvoll ist die
Vielzahl an bauzeitlichen Putz- und Farbbe-
funden im Außenbereich. Sie sind oft die
ersten künstlerisch-handwerk lichen Ge-
staltungen am Kirchenbau, wurden unmit-
telbar mit der Errichtung des Baues aus-
geführt und sind somit älter als viele der
Wandmalereien im Inneren. Diese Außen-
befunde widersprechen unserer tradierten
Vorstellung vom feldsteinsichtigen mittel-
alterlichen Kirchenbau und weisen auf den
Gestaltungswillen der Erbauer, die mit ein-
fachen Mitteln wie Putz, Farbe, Ritzungen
oder dem bewussten Einsatz unterschied-
licher Oberflächenstrukturen Unzuläng-
lichkeiten der lokalen Baumaterialien ka-
schiert haben, um Bauten zu schaffen, die
sich in ihrem Erscheinungsbild deutlich von
den zeitgenössischen Bauwerken der Um-
gebung abgehoben haben dürften.
Wandmalerei und Architekturfarbigkeit
unterliegen vielfältigen Schadensmecha-
nismen. Zu nennen sind hier vor allem klima-
tische Einflüsse, Feuchteeinträge und Salz-
belastungen durch mangelnde Baupflege,
Einwirkungen luftgetragener Schadstoffe
durch Industrie, Landwirtschaft und Ver-
kehr. Auch frühere Einträge von Konser-
vierungsmaterialien können durch ihr Al-
terungsverhalten Schäden bewirken.
Riebau, Dorfkirche | Südwand, Putzritzungen in Form von Quadermauerwerk mit Bogenfries im Traufbereich (Foto: T. Arnold)
Ipse, Dorfkirche | Ostseite, großflächig erhaltene mittelalterliche Putzfragmen-te mit Fugenritzungen und Farbfassung (Foto: T. Arnold)
Ipse, Dorfkirche | Zeichnerische Re konstruktion der bauzeitlichen Architekturfarbigkeit (Zeichnung: C. Scherf)
Stendal, St. Jacobi | Christophorus-darstellung, Ostwand Kirchenschiff, vor und nach der Restaurierung. Durch Abnahme eines Überzuges von 1911 und Kalktüncheresten konnte die Ables-barkeit der Malerei verbessert werden (Foto: M. Heyer)
WAS TUN zur Erhaltung von Wandmalerei und Architekturfarbigkeit?
Gardelegen, St. Nikolai | Darstellung des hl. Christophorus, um 1530, Detail. Die Malerei ist seit der Zerstörung der Kirche 1945 der Witterung ausgesetzt. 2006 Not sicherung der Fragmente und Kon struktion eines Notdaches. Zustand 2014 (Foto: T. Arnold)Erhaltung /
Konservierung
MittelalterlicheWandmalereienin altmärkischen Kirchen
HIER INVESTIERT EUROPA IN DIE LÄNDLICHEN GEBIETE.
Restaurierung
Mit dem Erfassungsprojekt konnte erst-
mals ein Überblick zum Bestand und
zum Zustand der Wandmalereien in
der Altmark gewonnen werden. Ei-
nige besonders gefährdete Objekte
konnten not gesichert werden, d. h. der
Schadensverlauf wird in einem ersten
Schritt gestoppt bzw. verlangsamt. Eine
Verbesserung der Ablesbarkeit durch
„Nachmalen“ oder „Auffrischen“ der
Farben widerspricht dagegen der heu-
tigen, wissenschaftlich fundierten Res-
taurierungsethik, die das Original und
seine Erhaltung ins Zentrum aller Be-
mühungen stellt.
Es ist anzunehmen, dass über den be-
kannten Wandmalereibestand hinaus
noch weitere Wandbilder unter jünge-
ren Farbschichten verborgen sein kön-
nen. Daher sind bei allen Eingriffen am
Bauwerk restauratorische Vorunter-
suchungen zwingend notwendig. Die
Ausführung dieser Arbeiten sowie alle
praktischen Arbeiten an Wandmale-
rei und historischer Architekturfassung
liegen heute ausschließlich in der
Hand von Fachrestauratoren. Nur so ist
die wissenschaftliche und handwerk-
liche Expertise bei der Untersuchung
und Bearbeitung historischer Oberflä-
chen gesichert. Spontane Freilegungen
durch interessierte Laien oder Handwer-
ker, wie in der Vergangenheit durchaus
vorgekommen, haben wertvolle Befunde
zerstört oder stark geschädigt. Eine sol-
che Vorgehensweise wird heute durch
das Denkmalschutzgesetz geahndet.
Erhaltungsstrategien:
• Restauratorische Voruntersuchungen
bei Eingriffen in die historische Bau-
substanz im Innen und Außenbereich
• Ausführung aller Arbeiten am histo-
rischen Bestand von qualifizierten
Fachrestaurator*innen
• Nach größeren Restaurierungsmaß-
nahmen ist es angeraten, den Zustand
der Wandmalerei im Rahmen eines
Wartungsvertrages regelmäßig kont-
rollieren zu lassen, um Schäden früh-
zeitig zu erkennen. Diese relativ ge-
ringen finanziellen Aufwendungen
zahlen sich langfristig aus.
• Neufreilegungen finden nur in be-
gründeten Einzelfällen statt. Vor-
aussetzungen hierfür sind unter an-
derem sichere raumklimatische
Bedingungen, die Finanzierung der
Restaurierung sowie die Übernah-
me anfallen der Kosten für Kontroll-
und Pflege maßnahmen in den Fol-
ge jahren.
• Instandhaltung und vor allem Kont-
rolle der baulichen Gegebenheiten
in Vorsorge auf sich abzeichnende
Schäden. Im Idealfall werden da-
für engagierte Gemeindemitglieder
eingebunden. Über das Landesamt
für Denkmalpflege und Archäolo-
gie sind Hinweise und praktische
Handlungsanweisungen zum Thema
Pflege und Wartung von Kirchen-
bauten und Ausstattungen in Form
von Checklisten zu erhalten. Hier ist
klar geregelt, wer für welche Auf-
gaben zuständig ist. Direkte An-
sprechpartner sind die zuständi-
gen Gebietsreferent*innen beim
LDA. Alter nativ dazu können diese
Checklisten über die Web site der
Vereinigung der Landes denk mal-
pfleger her unter geladen
werden.
WIE können die Ergebnisse der Wandmalereierfassung über das Förderziel des LEADER-Programmes hinaus praktisch umgesetzt werden?
Gardelegen, St. Marien | Szene der Geburt Jesu, 2. Hälfte 14. Jh., Detail. Gravierende Schäden durch abrollende Malschicht, Zustand 2018 (Foto: C. Scherf)
Gardelegen, St. Nikolai | Notdach über Fragmenten einer monumentalen Christophorusdarstellung, um 1530 (Foto: T. Arnold)
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