Zentrale Veränderungen beim Kaninchen nach Überimpfung von paralytikergehirn

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Zentrale Veriinderungen beim Kaninchen nach Uberimpfung yon Paralytikergehirn.

Von Karl Neubiirger.

(Aus der Deutschen Forschungsanst~lt fiir Psychiatrie in Mtinchen.)

Mit 11 Textabbildungen.

(Eingegangen am 18. November 1922.)

Wi~hrend in fffiheren Jahren die Beobachtung lebender Kaninchen keinen sicheren Anhaltspunkt dafiir ergab, ob die Verimpfung yon spiroch~tenhaltigem Material Ver~nderungen am Nervensystem setzte, ist dies anders geworden, seitdem Plaut 1) die Methode der Liquorge- winnung durch suboccipitale Spinalpunktion am lebenden Kaninchen eingeffihrt hat. Die Liquordiagnostik hat ffir die experimentelle Lues des Nervensystems nunmehr die gr513te Bedeutung gewonnen; zeigt sie doch, dalt nach der Impfung eine Pleocytose im Liquor auftreten kann, die im Verein mit anderen charakteristischen Reaktionen auf das Vorhandensein eines spezifischen meningealen Prozesses schliel~en l~Bt. Bisweilen werden erst Wochen, selbst Monate spater die ersten Anzeichen lokaler Impfsyphilis am Kaninchenhoden bemerkbar. ~ber den Wert der Liquordiagnostik ffir die Ermittelung der nervbsen Ka- ninchensyphilis haben sich Plaut und Mulzer wiederholt gei~u~ert, es sei hier auf deren Arbeiten, durch die die Erforschung der Syphilis des Nervensystems dem Experiment erschlossen wurde2), verwiesen.

In gemeinsamen Untersuchungen mit Plaut und Mulzer an deren syphilitischen Versuchstieren habe ich zu Beginn dieses Jahres die wichtigsten histologischen Ver~nderungen besonders am Nervensystem festgestellt3); dabei wurde auf die Unterschiede hingewiesen, die ver- schiedene zur Infektion gebrauchte Virusarten in ihrer Pathogenitdt /i~r das Nervensystem zeigten. W~hrend der eine Stamm (,,Mfinchner Virus") bei relativ geringgradigen lokalen Impfeffekten in der Mehrzahl

1) Ober eine Methode der Liquorgewinnung beim ]ebenden Kaninchen. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 66, 69. 1921.

2) D'e Liquordiagnostik im Dienste der experimentellen Kaninchensyphilis. Miinch. reed. Wochenschr. 1921, Nr. 27 und 38; 1922, Nr. 14 u. 52.

a) Plaut, Mulzer, Neubi~rger, Ober einige anatomische Ver~nderungen bei experimenteller Kaninchensyphflis. Miinch. reed. Wcchenschr. 1922, Nr. ]4.

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der Fi~lle das Zentralorgan ausgedehnt erkranken liel~ (-- dement- sprechend hatte intra vitam Pleocytose bestanden --), vermil~ten wir bei dem anderen (,,Frankfurter Virus"), der stets hochgradige Impf- lues verursachte, in der Regel eine Wirkung auf Gehirn und Rficken- mark. Wit hatten dann gesehen, dal~ die Ver~nderungen, die das Mfinchner Virus machte, mit einer gewissen GleichfSrmigkeit bei der Mehrzahl der damit geimpften Tiere wiederkehrten; diese Beobach- tung hat sich bis in die letzte Zeit hinein besti~tigt. Stets fand man das GroBhirnmark und die Stammganglien sowie die Ammonshornregi0n

Abb. 1. Subcorticale plasmocyt~ire Geftii3infiltrate bei einem mit ,,Mtinchner Virus" geimpften Tier (G).

besonders reichlich mit plasmocyt~ren Gefi~l~infiltraten versehen, die Rinde hi~ufig fast ffei, die Meningen oft nur m~i]ig infittriert, auch das ektodermale Gewebe verh~ltnism~Big wenig in Mitleidenschaft gezogen. Ein ffir solche Tiere typisches Bild zeigt Abb. 1. Weitere Untersuchungen ergaben, dal~ bei Verwendung anderen Impfmaterials auch andersartige Bilder auftreten konnten. So wurden beispielsweise 3 Tiere mit Blut eines Patienten mit Lues latens in die Hoden ge- impft. Eine Impflues bekam kein Tier; aber eines bekam Zellvermehrung; es wurde getStet und mit seinem Rfick(mmark wurden weitere Tiere geimpft. Die 2 anderen blieben ganz symptomfrei und wurden ge- tStet. Bei dem weiterverimpften Tier land sich neben geringgradigen infiltrativen Erscheinungen eine diffuse, ausgedehnte, degenerative

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Erkrankung der Rindenzellen; yon den beiden anderen war eines nor- mal, das andere dagegen zeigte das typische Bild der Xissl-Alzheimer- sehen Endarteriitis der kleinen Rindengef~tl~e.

Recht charakteristisch waren weiterhin die Ver~nderungen, die durch V(rimpfung yon Hirnemulsion erzielt wurden, die unmit telbar zuvor verstorbenen Paralytikern entstammte. Plaut und Mulzer haben solehe Versuche in grol~em MaBstabe vorgenommen und setzen sic noeh fort. Es ist ihnen als ersten gelungen, solehes , ,Paralysevirus", wie w i r e s kurz nennen wollen, in Kaninchenpassagen zu halten. Uber die milcroskopischen Bejunde bei einigen mit ,,Paralysevirus" in]izierten Tieren soll bier berichtet werdenl).

Es erscheint vielleicht iiberfliissig, experimentell erzeugte syphi- logene Ver~nderungen des ~qervensystems beim Kaninehea noch ein- mal etwas eingehender zu beschreiben, nachdem so griindliehe Unter- sucher wie Steiner 2) und naeh ihm Jakob ~) bereits vor Jahren ihre dies- beziiglichen Ergebnisse mitgeteilt haben. So manches, was jene gesehen haben, werden aueh wir nur best~tigen kSnnen. Abet immerhin sind uns auBerdem noch einige bis jetzt nieht im einzelnen gesehilderte Ver~nderungen aufgefallen; und dann halten wi res nach den bisherigen Erfahrungen fiir reeht wichtig, die Eigenart der histologischen Bilder und die Lokalisation der pathologischen Prozesse in Beziehung zur Herkunft des Virus zu setzen. Wir werden da Vergleiche zwischen ,,Syphiliskaninchen" und ,,Paralysekaninchen" zi~hen kSnnen. Gerade fiber das Nervensystem yon Tieren, die mit Paralysevirus geimpft sind, liegen bisher systematisehe Untersuehungen nieht vor 4); und es lieI~e sich denken, daB, wenn es gelingt, sichere Paralysest~mme in grSBerer Zahl und dureh l~ngere Zeit in Tierpassagen zu halten, das Zusammen- arbeiten yon Liquorforschung und Histopathologie weitere Beitr~ge zur Frage der Sonderstellung der Metalues geben kSnnte.

Wir wollen zun~chst auf die yon Plaut und Mulzer mit Hirnemulsion des Paralysefalles W. geimpften Versuchstiere eingehen. Es handelte

1) Den Herren Proff. Plaut und Mulzer bin ich Iiir die ffeundliche Uber- lassung ihres zum Teil in klinisch-biologiseher Hinsicht noch nieht publizierten Materials zu besonderem Dank verpflichtet.

~) Moderne Syphilisforsehung und ~europathologie. Berlin 1913. - - Exper. Syphilis. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatric, l~ef., 20, 229. 1920.

3) Weygandt und Jakob, Warum werden Syphflitiker nervenkrank ? Dermatol. Woehenschr. Erg~nz.-Heft zu 58, 150. 1914 (siehe aueh Miinch. med. Wochenschr. 1913, Nr. 37; ferner Zeitschr. f. d. ges. Neuro]. u. Psychiatric, Ref., 10, 45. 1914).

4) Vgl. hierzu Hauptmann, Diskussionsbemerkungen bei der Tagung des Dtsch. u f. Psychiatry:e, Dresden 1921 (Allg. Zeitschr. f. Psychiatric 7~, 355). - - Ferner Jahnel, Das Problem der progressiven Paralyse. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatric ~6, 166. 1922; sowie Jahnels frfihere Arbeiten. Siehe auch Uhlenhuth, Ergebnisse experimenteller Syphilisforschungen. Med. Klinik 1922, Nr. 38--40.

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sieh um einen etwa 45jhhrigen Mann, der im Status am 7. XI. 1921 gestorben war (histologiseh typisehe hochgradige Paralyse) ; 11/2 Stunden sparer wurden 4 Tiere mit Rindenemulsion in den Hoden geimpft; 3 davon bekamen etwa 4 Wochen sparer Pleocytose im Liquor, die bei dem einen (Nr. 186) bei einer bald darauf wiederholten Spinal- punktion noch deutlich war1). Anfang Januar 1922 wurde kS getStet, und Organbrei von ihm wurde auf 6 weitere Tiere verimpft. Von diesen interessieren uns hier die mit Rfickenmarksbrei behandelten Tiere Nr. 220 und 2212), von denen ersteres seit Ende M~rz, letzteres seit Ende Fe- bruar Zellvermehrung im Liquor zeigte. Nr. 220 hatte haufig allge- meine Kr~mpfe, es magerte ab, machte einen elenden kachektischen Eindruck und starb am 8. V. 1922. Nr. 221 zeigte keine wesentlichen klinischen Symptome. Nachdem 4mal zunehmende Liquorpleocytose (zuletzt am 18. V. 1922:38 Zellen) festgestellt war, wurde es am 22. V. get5tet. Mit Hirnbrei und Rfickenmarksbrei dieses Kaninchens wurden 6 Tiere geimpft (5 in den Hoden, 1 subdural), yon denen 2 Monate sp~ter bereits 2 Zellvermehrung hatten ~). Diese Generation stellt also die 3. Pas- sage dar. -- Prim~raffekte, Orchitis oder sonst irgendwelche Zeichen manifester Lues waren bei keinem der Tiere aufgetreten; vereinzelte anf~ngliche kleine Eiterungen am Hoden, wit sic nach solchen Impfungen nicht selten sind, waren bald abgeklungen.

Die Sektionsbe]unde und die histologischen Ver~inderungen an den somatischen Organen seien hier nur kurz gestreift, ohne da~ wir auf ihre Bedeutung nigher eingehen; fiber die Frage der Manifestation der ex- perimentellen Lues an den peripheren Organen soll sphterhin eingehend berichtet werden. Tier 186 zeigte keinen makroskopischen Befund, da- gegen in der Leber interstitielle Infiltrate und riesenzellcnhaltige, zentral nekrotisierende KnStchen, die wir (vgl. die zit. Arbeit Mfinch. med. Wochenschr. 1922, Nr. 14) mit der spezifischen Infektion in Verbindung bringen zu dfirfen glaubten. Recht komplizierte Veriinderungen zeigte Kaninchen 220, das spontan gestorben war; u. a. zahlreiche herdfSrmige interstitielle Infiltrate in beiden Nieren von verschiedener Form und GrSl~e, aus Fibroblasten, Lymphocyten, eosinophilen Zellen und relativ zahlreichen Plasmazellen bestehend. Die Herde traten schon makro- skopisch auf der Oberflache und Schnittfli~che als graugelb gefleckte Partien hervor. In der rechten Niere enthielten einige solcher Partien

1) Das andere Tier mit Pleocytose wird noch untersucbt, yon den 2 weiteren geimpften Tieren ist eines bald gestorben, das andere his jetzt symptomfrei gebliebem

2) Die Tiere 217, 218, 219 waren mit Leber-Milz-Knochenmarksbrei geimpft. 217 und 219 gingen an eitrigen Prozessen ein, 218 lebt und ist symptomfrei. Das letzte Tier, 222 (Riickenmarksbrei), lebt und hat konstante Pleocytose seit Monaten.

3) Diese Tierrelhe ist sparer ausnahmslos erkrankt. (N~beres siehe in der Publikation yon Plaut und Mulzer, Mtinch. med. Wochenschr. 1922, Nr. 52.)

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Kalk, und im mikroskopisehen Pr~parat zeigten sich do:t, yon derben fibrSsen Kapseln umgeben, Haufen vSllig verkalkter, struktur- und kernloser gewundener Kan~lehen, zwischen ihnen gewuchertes und zum Teil hyalin entartetes Bindegewebe. Die Leber wies neben Kapselver- dickung ganz ahnliehe Bilder wie beim Tier 186 auf. -- Das Tier 221 hat te eine ausgedehnte Verkalkung der Aorta ascendens (fiber die Bedeutung derartiger Befunde vgl. unsere obcngenannte Arbeit); ferner sahen wit auch hier eine Nierenver~r derung wie bei Kaninchen 220, aber ohne Ver- kalkung und weniger ausgebreitet ; schlie~lich waren Leberveranderungen der bekannten Art, freilich neben einigen CoccidienknStchen, vorhanden.

Makroskopische Be/unde am Zentralorgan lieBen sich bei Iceinem der Tiere erheben. Die mikroskopischen Befunde waren bei ihnen allen qualitativ gleieh, quantitativ insofern verschieden, als das Ausgangstier Nr. 186 weit sp~rlichere Zeieben von Erkrankung bot als die Passage- tiere. Bei jenem zeigten viele Schnitte ein normales Bild.

Lokalisation und Art der pathologischen Vorg~nge bei den Paralyse- kaninchen ist nun durchweg anders als bei den mit Miinchner Virus vorbehandelten Kaninchen. Eine Meningitis ist immer vorhanden, und zwar im Sinne einer diffusen leichten pialen Infiltration mit lympho- cyt~ren Elementen; Plasmazellen finden sich nur vereinzelt. An ver- schiedenen Stellen sieht man Verdickungen der Pia, die in ihrer Form auf dem Schnitt einem flachen Hfigel gleichen, der allmahlich zu beiden Seiten sich abdaeht. In s~inem Bereich sind die Infiltratzellen zahl- reich, dichte Haufen von manehmal grob vakuolisicrten Plasmazellen erffillen die pialen Maschen; und recht oft ziehen hochgradig lympho- eyt~tr infiltrierte Gefafle von hier in die obere Rinde.

Die Rinde ist oft auf weite Strecken frei yon Ver~nderungen, dann kommen aber wieder Partien, wo sie -- besonders beim Tier 220 -- ein Bild bietet, das man eigentlieh am besten mit einer Paralyse ve~gleicht 1). Die Schichten sind verworfen, das ganze Rindenband mit dicht infil- trierten Gef~ften versehen und von St~bchenzellen, die schon bei schwa- cher VergrSf3erung deutlich zu erkennen sind, durehsetzt. Abb. 2 soll dies illustrieren. Derartige Bilder haben wir bisher bei mit anderem Virus infizierten Tieren noch nicht gefunden.

Bei Betrachtung mit st~rkeren Systemen ergibt sich eine Fiille yon pathologischen Ver~tnderungen, deren deutlichste etwa folgende sind. In der breiten Lamina zonalis sind zahlreiche infiltrierte Gefgl~e. Meist handelt es sich um Prgcapillaren. Die Infiltratzellen sind plasmaarm, haben runde dunkle kleine Kerne, tragen also wohl lymphocytgren Charakter. Plasmazellen kommen aueh, abet in geringerer Zahl vor; sie sind oft nicht ganz typiseh, wie dies ja nach Spielmeyer 2) beim

1) Vgl. hierzu auch /ihnliche Beobachtungen Jakobs, a. a. O. 3) Histopathologie des Nervensystems I., S. 412.

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Kaninchen und Hunde 5fters der Fall ist. Bei vielen Gefi~en sieht man auBerdem progressive Vorgi~nge an den Endothelien: vergrS]~erte chro- matinreiche Kerne, deutlich gef~rbtes Plasma. Vereinzelt lassen sieh sichere Gef~Bsprossen nachweisen in der bekannten Form zarter, lang- ausgezogener plasmatischer Fi~den, die yon Capillaren ausstrahlen und mit einem jungen Kern versehen sind; wie denn auch die Gesamtzahl der Gefi~Be vermehrt ist und man viele junge ganz zarte Capillaren er- bliekt. Die Gef~sprossen seheinen sich auch loslSsen und dann als mesodermale Sti~bchenzellen frei im Gebiete des Molekularsaums liegen

Abb. 2. An ParMyse er innernde l~ lndenerkrankung bei e inem m i t Pa ra lysev i rus g e i m p f t e n Kaninchen . Sch ich tenverwer fung . L inks und rechts ? )bergang in gesunde Bezirke. G = Gef~l~-

infiltrate. S = St~ibchenzellen.

zu kSnnen. Aui]erdem aber sieht man zahlreiche typische Stabchenzellen, die keinen Zusammenhang mit Gefi~Ben aufweisen, sondern wohl gliSser Natur sind (worauf auch vielfaeh Nisslsche Stippchen in den peripheren Zelleibsanteilen hindeuten) und in mannigfaehen (~bergangsformen zu eharakteristischen progressiven Gliaelementen hinleiten mit deutlieh aktivierten Kernen und zierlichen plasmatischen Strukturen, feinsten Veri~stelungen und Verzweigungen oder aueh breiteren Plasmasi~umen, die sich allm~thlich in die Umgebung verlieren. Oft sieht man auch hier Nisslsche Stippehen im Zellplasma. Sichere Lagebeziehungen zu Ge- fi~i~en lassen sich an diesen gliSsen Gebilden nicht erweisen. Mitosen sieht man an ihnen hier und da. Manche Elemente zeigen ein dunkler

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gefi~rbtes, mehr eckig begrenztes Plasma, dessen Verzweigungen ge- sehrumpft erseheinen und fein vakuolisiert sind; die Kerne sind klein, knorrig, dunkel. Es handelt sich hier natfirlieh um regressive Elemente; auch die St~tbchenzellen kSnnen ganz entsprechende Metamorphosei1 zeigen.

Die Veri~nderungen in der tieferen Rinde gleichen den eben besehrie- benen, sind aber noeh hochgradiger und sehwerer iibersiehtlieh als im nervenzellfreien Randsaum. Die Capillaren sind hi~ufig infiltratfrei, die Pr~tcapillaren und kleinen Venen tragen oft mi~l]ig dichte Zellmi~ntel; an letzteren sind 5fter in Pflastersteinform ai1geordnete Plasmazellen zu sehen. Vereinzelt sind lymphocyti~re Elemente frei im Parenehym anzutreffen. Im fibrigen werden alle Sehiehten kreuz und quer yon zahllosen Sti~behenzellen durehzogen, deren li~ngliehe Kerne und weithin auslaufende, sehmutzig-metachromatisch gef~trbte Strukturen dem Bilde bei Immersion sein eharakteristisches Gepriige geben. In der Hauptsache dtirften die Sti~bchenzellen gfiogei1er tterkunft sein. Die Glia ist auch sonst gewuehert, und zwar zeigt sie grol~e rundliche, auf- fallend blasse und mit tier dunkel gefi~rbtem Nueleolus versehene Kerne, die 5fter in kleinen Hi~ufehen beisammen liegen und yon plasmatisehei1 Strukturen umgeben sein kSi1nen, so dal~ das Bild kleiner Gliarasei1 entsteht. Diese Art der Gliawueherung tritt indessen mehr vereinzelt, in kleinen areolierten Bezirken auf, und zwar mit Vorliebe etwa in der 3. bis 5. Schieht. Mitosen sind bei einigem Suchen zu linden. Irgendwie konstante Beziehungen zu Gefi~l~en oder 5Iervenzellei1 lassen sieh nieht erweisen. Die Nervenzellen selber zeigen sehwere StSrungen der Orientierung und Schiehtung, sind wie dureheinander gewiirfelt; wir sehen an ihnen bald Tigrolyse, bald sehleehte F~rbbarkeit, Vakuo- lisierung oder undeutliche Begrenzung des Zellplasmas, bald weithin gefi~rbte Zellausl~tufer, doch wohl nirgends als sehwer zu bezeichnende Erkrankungsformei1; insbesondere weisen die Kerne keine ernsteren Veranderungen auf, sondern sind nur durch leichte Schwellung, regel- miil~iges, deutliehes Siehtbarwerden yon ChromatinkSrnchen und Ge- riiststrukturen eharakterisiert.

Sowohl in der l~inde als auch in der Ammonshornregion wurden wir zu wiederholtei1 Malen dureh das Auftreten eigenartiger, recht charakteristischer Herdchen tiberraseht, die sich bei Betrachtung von Nissl-Schnittei1 mit freiem Auge sehon als kleinste, dunkelgefi~rbte Pfinktehen hervorhoben, und, auf dem Schnitt in Kreisform ersehei- nend, im ganzen wohl anniihernd Kugelgestalt batten. Sie lagei1 bald in dieser, bald in jener Rindenzone, ohne eine bestimmte Schicht zu bevorzugen. Im folgenden sollen sie kurz als ,,KnStchen" bezeichnet werden. Auf der HShe ihrer Entwieklung sahen die besonders typiseh erseheinenden Gebilde in Schnitten, die ungefi~hr den grSl~ten

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Durchmesser getroffen hatten, etwa folgenderma$en aus (vgl. Abb. 3): die Peripherie wird gebildet yon lymphocyt~ren Zellen in mehr oder weniger dichter Massierung; es finden sich typische Lymphocyten, Plas- mazellen, deren Plasma hier und da (bei leidlich erhaltenen Kernen) grob gekammer~ erscheinen kann, und allerhand l]bergangsformen zwischen dlesen beiden Zelltypen. Die Menge der Lymphoidzellen hangt wohl vom Alter der tterde ab, in frischen Herden diirften sie zahlreicher sein als in ~lteren. Nach innen yon diesem Kranz lymphoider Elemente folgt eine bedeutend breitere Schicht yon ,,Epitheloidzellen". Im Nissl-

Abb. 3. , ,Knbtchen" in der Hirnr inde eines Paralysekaninchens mi t nekrot ischem Zentrum. L = Lymphocyten. E = Epitheloidzel lem

Pr~parat sehen wir pflastersteinartig nebeneinander geordnete scharf begrenzte Zellindividucn, deren Zfige fi~cherfSrmig nach dem Inneren des KnStchens zustreben, wobei das Volumen der Zellen h~ufig mit fortschreitcnder Entfernung yon der Peripherie abnimmt. In den manch- mal leicht klaffenden Intercellularri~umen sind oft noch Lymphocyten, einzeln oder in kleinen Haufchen. Die Zellen selber sind groI3, etwa wie KSrnchenzellen, und yon runder bis ovaler oder polygonaler l%rm. Ihr Plasma ist im Eosinpri~parat graurot, im Ni88/-Bild deutlich blal~- rStlich metachromatisch gef~rbt, an der Peripherie dunkler als im Zentrum, fein granuliert und oft mit einigen kleinen Vakuolen versehen. Die Kerne sind groin, bl~schenfSrmig oder oval, blal~blau gef~rbt und

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enthalten einige unregelm~ftig angeordnete ChromatinkSrnchen. Manch- mal sind 2--3 Kerne in einer Zelle, oder es ist ein Riesenkern mit m/~ch- tigem Nucleolus darin. Eigentliche vielkernige Riesenzellen haben wir nicht angetroffen. Vereinzelt trifft man aueh Mitosen. Das Sehar- lachrotpr~parat ergibt, daft im Plasma vieler ,,Epitheloidzellen" (auf die wir sparer noeh zurfiekkommen) reiehliche lipoide Stoffe in Form feinster TrSpfehen bis (seltener) grSfterer Kugeln abgelagert sind. Das stark eosinf~rbbare, im Heidenhain-Pr~parat tiefschwarze, im Nissl- Pral~rat ungef~rbt bleibende Zentrum der KnStchen wird yon einem mehr oder weniger nekrotischen Bezirk eingenommen, in dem sieh kriimelige und schollige amorphe Massen sowie einige intensiv gefarbte Kerntriimmer erkennen lassen. Elastisehe Strukturen, Gef~ftwand- reste, die sehwach bei Resorcinfuchsinbehandlung tingiert sind, lassen sich an einigen Schnitten deutlich nachweisen. Kollagene Fasern sieht man nicht im Bereich der KnStehen, ebensowcnig primitive Mesenchymfibrillen bei Anwendung der Tanninsilberimpr~gnation nach Achucarro-Klarfeld. Die F~rbung nach Holzer ergibt sehlieft- lich, daft keine faserigen gliSsen Strukturen innerhalb der KnStchen vorkommen.

Es handelt sieh bei der vorstehenden Beschreibung nur um den Haupttyp der -- wieder beim Tier Nr. 220 besonders h~ufigen -- KnSt- chen; auf einige ftir die Auffassung der Gebilde wohl weniger wiehtige Einzelheiten hier einzugehen, wilrde zu weir fiihren. Erw~hnt sei nur noch, daft nicht ganz selten ein zweiter Lymphocytenkranz, der sehr dicht sein konnte und dessen zentral gelegene Zellen relativ haufig karyorrhektisehe Erseheinungen zeigten, zwischen dem Stratvm der epitheloiden Zellen und dem nekrotisehen Zentrum sich befand.

Die weitere Umgebung der KnStchen enthielt oft einige hochgradig infiltrierte, kreisfSrmig sieh um die KnStehen gruppierende Gef~l~e und ins nervSse Parenehym ausgewanderte lymphocyt~re Zellen. Die Nervenzellen in der Umgebung weichen den KnStchen gleichsam aus bzw. werden dureh sic verdr~ngt, ihre Forts~tze erscheinen gegen die KnStchen konkav umgebogen; an einigen Elementen nehmen wir Tigrolyse oder Trabantzellenwueherung m~l~igen Grades wahr. Hin- gegen sind reaktive Prozesse an der Glia in der Umgebung der Herde durchweg deutlieh zu erkennen. Und zwar nieht nur plasmatische Wueherungen, sondern auch faserige. In einem weiten Umkreis um die Kn5tchen sieht man bei Holzerf~rbung Gliazellen etwa vom Typ kleiner bis mittelgrofter Astrocyten, vielleicht 6 oder 8 in einem Immersions- gesichtsfeld, die mehr oder weniger feine Fasern nach allen Richtungen aussenden. Nur selten anatomosieren die yon 2 Zellen ausgehenden Fasern miteinander; nur wenige Fasern treten bis dicht an das KnStchen heran; yon einem diehteren Fibrillengeflecht, yon einer wirklichen

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faserigen Abstiitzung des KnStchens ist noch gar kelne Rede, wir haben hier nur die ersten Aus~tze zu einer solehen gesehen.

Bei den KnStchen des Tieres Nr. 220, die der vorstehenden Be- sehreibung in erster Linie als Unterlage dienten, waren nur einmal zarte, eben angedeutete Wucherungen von Mesenchymfibrillen an den Gef~Ben der Umgebung zu erkennen. Das Nissl-Bild zeigte hier auch SproBbildung und deutliche mesodermale Stabehenzellen. Ein Gebilde

Abb. 4. Mesenchymale l~eaktion u m ein , ,Knbtchen". (Tannins l lber impri ignat lon nach Achucarro-Klarfeld.)

beim Tier 186 indessen, das wir seiner Struktur nach wohl als nahe verwandt mit den KnStchen bezeichnen dtirfen, lieB eine groBartige mesenchymale Reaktion an den umgebenden Gef~f3en deutlich werden. Abb. 4 illustriert, wie junge Bindegewebsfaserztige, yon den benaeh- barren Capfllarwanden ausgehend, sich an der Peripherie des Herdes zu einem diehten Gefleeht yon ,,Silberfibrillen" vereinigen, ja stellen- weise einen kompakten Wall bilden. Nur wenige Fasern ziehen in das Innere des KnStchens, enden aber meist bald als kurz abgebrochene Stummeln, und yon einer vSlligen Durchsetzung des Herdes mit Mesen-

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chymfibrillen, also yon einer bindegewebigen Organisation, ist an den untersuchten Sehnitten noeh nichts zu erkennen.

Das eben beschriebene Gebilde verhielt sich in seinem Innern, wie schon angedeutet, freilieh etwas anders als die typischen KnStehen. Im Bereich der 2. bis 3. Schicht gelegen, stand es durch ein yon den Meningen her einstrahlendes, zum Teil infiltriertes und yon gewueherten Gliazellen begleitetes Gef~[t mit der Pia in Verbindung, die an der betreffenden Stelle etwas emgezogen, dabei verdickt und infiltriert erschien. Das KnStchen ist l~ngs oval geformt, sein L~ngen- durehmesser f~llt mit dem Gef~ver lauf zusammen, das Gef~B ist auch nach dem Verlassen des KnStehens in seinem markw~rts geriehteten weiteren Verlauf gut zu erkennen, erweitert, mit gewueherten Endothelien, von Infiltratzellen umscheidet. Die rings um das Herdehen progressiv ver~nderte plasmatische Gila enth~lt einige riesenhafte Kerne, die an Tumorelemente oder an Pseudosklerosekerne erinnern. Der umgebende Lymphoeytenwall, das nekrotisehe Zentrum ist nicht so deutlieh er- kennbar bzw. seharf begrenzt ~ie bei den typischen Herdchen, die ,,Epitheloidzellen" stimmen dagegen in Form, GrSl~e, Anordnung, Kernstruktur mit den bekannten fiberein; weiehen insofern ab, als sie in ihren plasmatischen Anteilen vSllig yon Pigment fiberlagert sind, das zum Teil aueh den Kern fiberdeekt. Das Pigment ist tells feinkSrnig, teils zu nicht welter strukturierten Massen konfluiert, dunkelgrfinblau bis fast sehwarz im Nissl-Schnitt, hell- bis dunkelbraun bei H~matoxylin- Eosinfarbung, die Eisenreaktion ist negativ. Eine weitere mikroehe- misehe Untersuchung des Pigmentes war aus Mangel an Material nicht mSglich; und so l~Bt sich fiber seine Natur nichts Sicheres aul~ern; man kann nur vermuten, da~ ks sich um Lipofuscin handelt (Blauf~rbung mit Toluidinblau), das etwa aus Zersetzungsprodukten lipoider Stoffe 1) hervorgegangen ist, wie wir sie in den typischen Herdchen fanden. Wir wiirden dann schlieBen dfirfen, dal~ w i r e s beim Tier 186 mit einem Spatstadium in der Entwicklung der KnStchen zu tun haben; dafilr sprieht ja auch die hier vorhandene intensive mesenchymale Reaktion. Bemerkt sei hier noch, dab auch in einem KnStehen des Tieres 220 einige ganz en sprechend pigmentierte Epitheloidzellen gefunden wurden.

Wir haben vor einigen Monaten 2) fiber Herde in der Leber syphi- litisch infizierter Tiere beriehtet, die den heute geschilderten aul~er- ordentlich ~hnlieh waren; yon unbedeutenden Differenzen abgesehen, die wohl im Bau des Mutterbodens begrfindet sind, dfirfte es sich an

1) Vgl. hierzu Oberndor[er, Die pathologischen Pigmente. Lubursch-Ostertag XIX, 2, S. 120--121. 1921.

~) a. a. O. ; inzwischen haben wir in der Niere e]nes mit Mfinchner Virus geimpften Tieres genau die gle~chen Gebilde angetreffen.

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beiden Orten um pathogenetisch und strukturell zusammengehSrige Veri~nderungen handeln. Es wi~re nun die Frage nach ihrem Wesen und ihrer Histogenese, ihrer J[hnlichkeR mit Strukturen beim Menschen und ihrer )[tiologie zu erSrtern.

Die KnStchen sind als kleinste Granulome anzusehen. Es ist uns keine spontane Erkrankung bekannt, die beim Kaninchen zur Ent- stehung solcher Strukturen im Gehirn ffihrte. Tuberkulose kommt schon dem Gesamtbefund nach nicht in Frage, Pseudotuberkulose l) l i~t sich gleichfalls ausschlieBen, da einerseits die plumpen Sti~bchen dieser Er- krankung fehlten, andererseits bei ihr Epitheloidzellen in welt geringerer, Leuko- und Lymphocyten in weit grSBerer Zahl aufzutreten pflegen. Somit kSnnen unsere Efflorescenzen wohl als etwas Eigenartiges ange- sehen werden, und es erscheint berechtigt, ihre Entstehung der Impfung mit spezifischem Material zur Last zu legen und sie geradezu als ,,miliare Gummen" anzusprechen. Hiergegen wfirde noch nicht sprechen, da] uns der Nachweis yon Spirochhten an ihnen nicht gelungen ist; erstens hatten wir nur in einem der nach Jahnel impri~gnierten B15cke das Glfick, ein einziges t terdchen zu treffen, zweitens ist li~ngst bekannt, dal~ man auch bei menschlichen Gummen nur selten Spirochi~ten finder. Auf die Frage des Parasitennachweises kommen wit fibrigens am Schlusse der Arbeit nochmals zurfick.

Die KnStchen unterscheiden sich wohl yon gewissen Gebilden, die wit fffiher 2) bei Tieren, die mit Miinchner Virus infizicrt waren, und auch bei einem Paralysetier (Nr. 186) bcschrieben haben und deshalb hier nicht mehr nigher erl~utern: es hatten sich da um Gef~Be herum zell- reiche Herdchen gefunden, in denen gewucherte plasmatische Glia mit lymphocytgren Elementen vermischt lag. Sie sind also ganz anders aufgebaut als die jetzt in Rede stehenden KnStchen. Diese erinnern auf den ersten Blick an jene ,,Granulationsherde", die Jakob 3) bci ex- perimenteller Kaninchensyphilis schildert; doch fehlt u. a. dort die bei unserem KnStchen so charakteristische Epitheloidzellschicht, es handelt sich mehr um ,,runde Gr~nulationsherde, die aus zahllosen Lympho- cyten und Plasmazellen bestehen und die nicht selten einen mehrfach geschichteten Bau aufweisen. Im Zentrum solcher Granulationen kommt es hi~ufig zu Zerfall, wi~hrend sich in der Peripherie zelldichtere Areale abheben, die sich als dicht infiltrierte kleine Gefi~i~e identi- fizieren lassen. Auch mehrkernige Zellformen vom Charakter der Riesen- zellen sind aufzufinden." -- Gebilde wie sie Jakob hier beschreibt, und zwar in allen Einzelheiten mit ihnen iibereinstimmend, haben wir auch zu wiederholten Malen gesehen, in den verschiedensten Partien des

1) Vgl. Ascho//s Lehrbuch der Pathologie Bd. I, S. 600. 1921. 2) a. a. O.

3) S. Jakobs erstzitieIte Arbeit, S. 163.

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Gehirns lokalisiert, besonders h/~ufig und gut ausgebildet bei den mit Paralysevirus vorbehandelten Kaninchen, abet doeh aueh bei solehen, die mit anderem Virus infiziert worden waren. Ich kann mir unter Hin- weis auf Jaleobs Darstellung eine genauere Schilderung ersparen und m6ehte nur betonen, dab unsere , ,KnStehen" morphologiseh yon ihnen wohl unterseheidbar sind.

Wahrend also bei experimenteller syphilitischer Infektion meines Wissens solehe -- si~ venia verko -- ,,miliare Gummen" noeh nieht oder wenigstens nicht in ihren Einzelheiten besehrieben sind, dr/~ngt sieh der Vergleieh mit konformen Gewebsstrukturen beim Menschen unwill- kfirlieh auf -- und zwar mit den miliaren Gummen, wie sie wiederum Jakob 1) bei mensehlieher Paralyse besproehen hat. Als haupts~ehlieher Untersehied ist nur hervorzuheben, dab bei unseren Kaninehen sieh niemals im Inneren der Herde faserige Mesenehymalstrukturen darstellen lieBen. Dagegen diirften die epitheloiden Zellen, die wir gesehen haben, das Analogon zu denen Jakobs bilden, die er mit Ranke als ,,poikilo- morphotisehe Adventitialzellen" bezeiehnet wissen will.

Aueh ffir unsere kurzweg und dem fibliehen Spraehgebraueh naeh als ,,Epitheloidzellen" bezeichnete Elemente wird man ungezwungen eine Entstehung aus Gef/~Bwandzellen annehmen dfirfen. DaB di,~ ,,Gum- men" sieh um ein Gef/~B (Pr/~capillaren, kleine Venen) gruppieren, ist sehon angedeutet und geht aus vielen Schnitten hervor; z. B. kann man beobaehten, dab das Kn6tehen am Gef~B wie eine Frueht an ihrem Stiel sitzt, und andere Prgparate lassen mit stgrkeren Linsen deutlich die Einmiindung des betroffenen GefgBes in den Herd mid seinen Wiederaustritt aus demselben erkennen. Die Betrachtung weiterer Schnitte zeigt nun geradezu, wie beim Eintri t t des GefgBes in den Herd die Kerne der Adventitialzelten vollsaftiger werden, rundlieher, grSl~er, reicher an ChromatinkSrnchen, wie ihr Plasma an Masse und Fgrbbar- keit zunimmt; wie die Zellen dann auseinanderweiehen, ihre Grenzen hervortreten, die Kerne in wechselnder Folge tells mehr spindelige oder umgebogene, teils plattrundliche oder ovale Gestalt annehmen, bis schlieBlieh Gebilde entstehen, wie wir sie als typische ,,Epitheloid- zellen" oben besehrieben haben.

~ber die Natur der epitheloiden Zellen wgre noeh zu bemerKen, daB, abgesehen yon dem gesehilderten hauptsgchlichen Typ, noeh folgende Besonderheiten beobachtet werden konnten. Vereinzelte peripher ge- legene Zellen, die sich mit lipoiden, vielleicht von dem im Herd- zentrum zerfallenden Gewebe herriihrenden Abbauprodukten beladen hatten, kSnnen sich abrunden und das bekannte Aussehen yon Fett-

1) Uber Entziindungsherde und miliare Gummen im GroBhirn bei Paralyse usw. Zeitschr. f. d. geso Neurol. u. Psychiatrie 52, 7. 1919. Siehe ferner Josephy, Uber einen seltenen Fall von Lues des Zentralnervensystems usw. Ebend~ 58, 56. 1920.

Zentrale Verlind. beim Kaninchen nach ~berimpfung yon Paralytikergehirn. 159

kSrnchenzellen annehmen. Andere haben mehr oder weniger ausge- sprochenen Makrophagencharakter: die Scheidung in ein stark aufge- helltes, leicht gekSrntes Endoplasma und ein dunkler metachromatisch gefgrbtes, manchmal wohl auch grob granuliertes Ektoplasma ist deut- lich, die Kerne mit verschieden grogen Chromatinbrocken und gut darstellbarer Membran versehen, polymorph, der ZellgrSl~e entsprechend, eher grol~ als klein. Manche Zellen, die gleichfalls hierher gehSren, haben ein ganz feingittriges Plasma mit eben erkennbaren Scheide- wanden und gleichen so den Elementen, die Klar/eld bei der I-Iefeence-

Abb. 5. In Entwicklung begriffenes , ,Knotchen" mit zentralem Gefiil3 (G).

phalitis beschreibt 1). Sie fiihren kein Fett. VereinTelt sind in den zuerst beschriebenen Zellen Einschliisse zu sehen, z. B. in l%rm eines ganz blassen, rundlichen, in einem grSl~eren Hohlraum liegenden Kernes. Im fibigen haben wir keine Bilder gesehen, die uns sichere Schlfisse auf die Funktion der in Rede stehenden Elemente erlaubten.

~ber das Verhalten der die KnStchen durchziehenden Gefi~l~e ist nicht viel zu sagen. An einigen jiingeren Herden ist deutlich ein in seinen Endothelien leidlich intaktes zentrales Gefi~B zu sehen (Abb. 5). Die Gefi~l~e scheinen anfangs, worauf ja auch die Bilder der zu- und ab-

1) Zur Histopathologie der experimentellen Blastomykose des Gehirns. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatr.;e 58, 176. 1920.

160 K. Neubtirger :

leitenden Gefi~l~e schlie~en lassen, die Kn5tchen ohne wesentliche Schi~digung, auch ohne erkennbare Thrombosierung durehziehen zu kSnnen. Spi~ter scheinen sie dann durch eine fortschreitende Wuche- rung der Endothelien einem atlmahlichen LumenverschluB unterliegen zu kSnnen; progressive Intimaveri~nderungen an manehen zuleitenden Gefi~I~en sprechen daffir. In welcher Weise sich dann im einzelnen di_~ Vorgi~nge abspielen, die zum Zerfall der inneren Epitheloidzellen- schichten und zur zentralen Nekrose fiihren, ~ie wir sie schliei~lich sehen, daffir haben unsere Bilder keinen Anhalt ergeben.

Unsere Betrachtungen fiber die KnStchen haben uns die Vermutung nahegelegt, da[~ sie spezifische Produkte sind. Doch daft in diesem Zusammenhang nicht unerwi~hnt bleiben, dai] andere experimentelle Beein/lussungen des tierischen Hirns sehr dhnliche Gebilde verursachen. Ich denke hier beispielsweise an Strukturen, wie sie Klar/eld 1) bei experi- menteller Blastomylcose des Hundegehirns beschreibt. Sie unterscheiden sich, abgesehen yon ihren charakteristischen Beziehungen zu den Helen, yon unseren ,,Gummen" nur dadurch, da[~ in ihrem Zentrum oft mehr odor minder zahlreiche Leukocyten vorhanden sind, daI~ die yon Klar- /old eingehend beschriebenen epitheloiden Elemente in hohem Ma~e eytophagisch ti~tig sind, da~ sich zwischen ihnen reiehlich Capillaren, Fibroblasten, Silberfibrillen befinden. Die bindegewebige Reaktion, die Klar/eld in der Umgebung seiner Horde sah, gleicht sehr derjenigen, die ich oben angeben konnte. Bezfiglich der Histogenese der Epitheloid- zellen decken sich unsere Anschauungen im ganzen mit den seinen. -- Welter kann darauf hingewiesen werden, dab aueh ~. H. Lewy 2) unter ganz anderen experimentellen Bedingungen (sekundi~re Autoinfektion mR Bacillus euniculosepticus bei Braunsteinvergiftung des Kaninchens) einige Horde sah, die den unseren gleichen. Denkbar w~re natfirlich, dab auch noch bei beliebigen anderen experimentellen Sehi~digungen solche Herdchen hervorgerufen werden kSnnen. Wir dfirfen sio also nach alledem keineswegs so ansehen, als ob sie ffir Lues spezifisch wi~ren. Wir mfissen daran denken, da] ja aueh schon im menschlichen KSrper zwischen miliaren Herdbildungen tuberkulSser und syphili- tischer Genese morphologisch eine gewisse )[hnliehkeit bestehen kann; und wir dfirfen nicht vergessen, wie relativ unspezifiseh auch das menseh- liche Gehirn fiberhaupt auf verschiedene Sch~den reagiert. Die anato- mische Diagnose einer experimentellen zentralen Lues beim Kaninchen werden wir immer erst aus dem Gesamtbild der histologischen Ver- i~nderungen erschliel~en kSnnen; wie ja bekanntlich z. B. auch eine

i ) a. a. O.

2) Lewy und Tie/enbach, Die experimentelle Manganperoxydencephalitis und ihre sekund~ire Autoinfektlon. Zeitschr. f. d. ges. Neurol. u. Psychiatrie 71, 303. 1921.

Zentrale VeriiHd. beim Kaninchen nach t]berimpfung yon Paralytikergehirn. 161

mensehliehe Paralyse niemals etwa aus einer rait Plasraazellen austape- zierten Capillare oder irgendeiner Ganglienzellveri~nderung allein, sondern gleiehfalls erst aus dem mikroskopischen Gesamtbild, dem Nebeneinander wohl charakterisierter, entziindlicher und degenera- tiver Erseheinungen diagnostiziert wird. Wenn wir aber aus dem Ge- samtbilde bei unseren Versuehstieren die Diagnose einer zentralen syphilogenen Erkrankung stellen kSnnen, so werden wir in deren Rahmen die besprochenen KnStehen als eine spezifische Gewebsreaktion gegen- fiber der Pallida ansehen dfirfen; darfiber hinaus beanspruehen sie viel- leicht insofern noeh ein gewisses Interesse, als manche Stadien ihrer Histogenese klar zu verfolgen sind, wodurch Vergleiche rait der Histogenese analoger Ge- bride beim Menschen ermSg- licht werden.

Wir hi~tten nun noch dem Verhalten der lVaserglia bei den mit Material vom Fall W. geimpften Tieren unser Augenmerk zuzuwenden. Mit der Holzer schen Gliamethode erh~lt man besonders an Cel- loidinschnitten meist recht brauchbare Faserbilder. Von den Ans~tzen zu gliSs- faseriger Abstfitzung der KnStchen ist schon oben gesprochen worden; Abb. 6

erweist nun, da$ aueh a n - Abb. 6. Glibs-faserige Reak t ton u m ein infil tr iertes Gefai].

derw~rts, ira Bereiche eines an infiltrierten Gef~l~en reichen Krankheitsherdes, die Faserglia eine bedeutende Vermehrung erfahren kann. Man sieht hier die Kerne kleiner Astrocyten, die auf die Gefi~l]wi~nde zulaufende feine Fi- brillen, oft yon ganz betrachtlicher Li~nge, gebildet haben. An manchen kleineren Gef~l~en ist sogar ein dichter, strafferer Fibrillen- mantel zu erblicken, und einige Gesichtsfelder, zwischen solchen Gef~[ten gelegen, ffihren uns ein weitraaschiges Netzwerk zarter Fasern vor, die keine so deutliehen Beziehungen zu Gliakernen wie in der Abbildung zeigen. Nebenbei sei hier erwi~hnt, dal~ auch (s. Abb. 7) plasmatische Gliawucherungen um infiltrierte Gef~i]e des 5fteren vorkommen, in ganz der gleichen Weise, wie w i r e s auch frfiher schon nach Irapfung mit syphilitischen Virus anderer Herkunft sahen.

Z. f. d. g. Neur. u. Psych. L X X X I V ] 1

162 K. Neublirger :

Abb. 7. l ' l a sma t i s che Gl iareakt ion um ein infil- t rmr t e s Gef/i0. P = :Plasmazelle. G l - Gliazelle m i t ge sche i t e l t em P l a s m a und ac l i r ie r tem Kern.

l%rner kommen Ver~nde- rungen an der Faserglia auch ohne Beziehung zu erkrankten Gefal]en vor. Normalerweise l~ftt sich beim Kaninchen an der Rinde eine ~uSerst feine Randglia zur Darstellung bringen, deren F~ser- chert etwa gegen die Mitte der Lamina zonalis mit zunehmender Verjiingung allm~hlich ver- schwinden (ein Verhalten, wie wit es ahnlich ja auch beim menschlichen Gehirn kennen). Entsprechend last sich eine Randglia an den Stammganglien, besonders deutlich an der Peri- pherie des Thalamus f~rberisch nachweisen. Diese gliSsen Rand- schichten kSnnen nun pathologisch versti~rkt sein (s. Abb. 8). Ein

solches Verhalten haben wir bisher ausschlielMich bei der in Rede stehenden mit Paralysematerial geimpften Tierreihe gefunden. Die

Abb. 8. GliSse F a s e r w u c h e r u o g in der R inde (vgl. Text).

Zentra|e Verfind. beim Kaninchen nach Uberimpfung von Paralytikergehirn. 163

Verstarkung betrifft jeweils weite Rindenbezirke, die flieBend in nor- male Gebiete iibergehen. Die Fasern stehen dichter, bilden wohl aueh ein enges Maschenwerk, sind oft derber, langausgezogen, k6nnen bis in die zweite Brodmannsche Schichte hinabreichen. Am Thalamus lassen sieh manchmal aueh deutlich kleinere faserbildende Zellen er- kennen. Sonst, besonders in der Rinde, linden wit kaum noch in Aktion befindliche Faserbildner -- auch in l~bereinstimmung mit den Be- funden an den bekannten gli6sen Randschichten der menschlichen l~inde. Es bedarf kaum der Erwahnung, dab bei Faservermehrung maBigen Grades es oft schwer zu sagen ist, wo die Grenze zwischen normalem und pathologischem Faserreichtum ist. Doch haben uns Vergleichs- praparate yon normalen Tieren und yon solehen, die ein anderes Virus bekommen hatten, niemals derartige Fibrillenmengen gezeigt. Die Bedeutung der geschilderten Befunde diirfte -- wieder in Analogie zu derjenigen der gli6sen Faserwueherungen, wie wir sie z. B. an der mensch- lichen Paralytikerrinde kennen -- darin bestehen, dab unabhangig yon vascular infiltrativen Prozessen nerv6ses Material (in einer mi~ unseren Methoden direkt nicht naehweisbaren Weise) zugrunde ge- gangen ist, und dab dieser Defekt faserig ausgeffillt worden ist. --(~ber- blicken wir unsere bisher wiedergegebenen Befunde, so sehen wit dem- naeh ein Nebeneinander eigentlich entziindlicher Vorgange einerseits und rein degenerativer Prozcsse andererseits auch bei unseren expc- rimentell-syphilitischen Tieren auftreten und werden dadurch wieder an die mensehliche Paralyse erinnert; auch fiir die Beurteilung des Wesens dieser Erkrankung ist bekanntlich jenes Nebeneinander nach Ansicht der fiihrenden Autoren yon grundlegender Bedeutung.

Naehdem die Aufzeiehnungen zur vorliegenden Arbeit im wesent- lichen beendet waren, kam eines der mit Riickenmurksbrei yon Ka- ninehen 221 geimpften Tiere, das spontan gestorben war, zur Unter- suehung. Das Tier, Nr. 304, hatte 8 Wochen nach der Impfung zum ersten Male Pleocytose; unter zunehmender FreBunlust, Abmagerung, Abstumpfung verfiel es allmahlich und ging schon 14 Tage sparer ein. Die Sektion konnte aus auBeren Grfinden erst am niichsten Tage vor- genommen werden und ergab keine makroskopischen Veranderungen. Vom histologischen Verhalten sei nur das Wesentlichste erwahnt: ver- einzelt lymphocytare Infiltrate, einige in der Entwicklung begriffene Kn6tchen; als auffallendster Befund aber eine Rindenerlcranlcung, die der ,,schweren Zellver~inderung" Nissls im wesentlichen entsprach, zum Teil sogar hSehst eharakteristische Bilder bot. Diese seien hier kurz beschrieben, da das meines Wissens bisher bei experimenteller Lues noeh nicht geschehen ist (vgl. Abb. 9).

Es zeigt sieh die Rinde in welter Ausdehnung gleichmaBig befallen unter Bevorzugung der zweiten bis vierten Schicht, doch sind auch die

11"

164 K. Neubtlrger :

unteren Schichten (yon deren Zellen ein kleiner Teil die chronische Ver- ~nderung Nissls darbietet) nirgends frei; aueh die Stammganglien sind nicht verschont. Auf die Einzelheiten der Lokalisation, die kaum von grol~en Belang sind, sei hier nieht eingegangen. Der Haupttyp der Veri~nderungen ist etwa dieser: Die Zellen sind geschwollen, leicht abgerundet, das Plasma aufgelSst, so dal3 unmittelbar perinucle~r einige feint KSrnchen sich hi~ufen, dann tin grol3es, leer erscheinendes, ungefi~rbtes Areal folgt und sehlie~lich wieder an der Peripherie Plas- mareste in Form kleiner, schmutzig metachromatisch erseheinender

Abb. 9. ,,Schwere Zellver~inderung" Nissls bei einem Paralysetier der III . Passage. Z = Nerven- zelle mit hyperchromatischem Kern, perinucle~irer Verfliissigung des Plasmas und starker Im-

prfignation besonders an der Zellbasis (Naheres s. Text).

Granula und seltener auch der bekannten typischen _Nisslschen Ringel- chen sich finden. An der Zellbasis ist die Anhi~ufung dieser Substanzen besonders stark. Frfihstadien des Prozesses zeigen sich in mhl3iger Schwellung und Tigrolyse, Spi~tstadien in vSlliger Einschmelzung -- man sieht nur noch eine yon groi3en LSchern und Hohlr~umen durch- setzte, allm~hlich in die Umgebung auslaufende Masse verflfissigter plasmatischer Substanz. An manchen Elementen erkennt man eine Inkrustation der Golgi-Netze. Scharlachfi~rbbare Stoffe sind in den Zellen nicht vorhanden. Die Zellfortsi~tze sind oft weithin gefi~rbt und viel- fach von,,Degenerationskugeln" dicht besetzt, einfach basophilen Abbau- produkten, die sich als intensiv blau gefi~rbte kleinste kokkenartige

Zentrale Veriind. beim Kaninchen nach 0berimpfung yon Paralytikergehirn. 165

Gebilde in groi~er Menge pri~sentieren. Die Nervenzellkerne sind oft exzentrisch gelegen, bald verkleinert, bald vergrSi~ert, meist aber yon normalen AusmaI~en und etwas entrundet. Am hi~ufigsten befinden sie sich im Zustand der Totalhyperchromatose, sie sind angeffillt von massenhaften fast schwarzblau gefi~rbten Granulis verschiedener GrSi~e, die den Nucleolus oft iiberlagern bezw. kaum erkennen lassen. Manch- mal ist der Kern in toto zu einer ganz gleichmi~Bigen dunklen Masse, die keine Einzelheiten unterscheiden li~t, zusammengesintert. Andere Kerne wieder zeigen Wandhyperchromatose: sie sind sehr hell, die KSrnehen liegen nur an der Peripherie, der Nucleolus erseheint sehwarz, verdri~ngt, entrundet, gebuckelt und zu bizarren Formen auseinander- gezogen. Bilder eigentlicher Karyorrhexis mit Ausstreuung der zer- borstenen Kernmasse fiber die Zel]reste kommen nur vereinzelt vor. Die Glia ist relativ arm an Zelien, sie hat durchweg kleine, runde, tief- dunkle Kerne, manchmal yon schmalem Plasmasaum umgeben, bier und da auch yon lappig auseinanderflieitenden Plasmamassen. Manch- mal sitzt ein Kern in einer zerfallenen Ganglienzelle; Reste zerborstener Gliakerne sind 5fter frei im Gewebe zu erkennen. Das Verhalten der Glia, die hoehgradigen regressiven Erscheinungen an ihren Elementen charakterisieren sie als amSboid umgewandelt. Aueh die Gef~wandkerne erseheinen vielfach dunkel, sehmal, gesehrumpft; die (seltenen) Infiltrate bestehen aus kleinen, sehr tier gefi~rbten Lymphocyten, ap denen sieh karyorrhektische Prozesse nachweisen lassen. Das ganze histologische Bild li~i3t auf einen schweren, perakut zum Untergang ffihrenden toxi- sehen Proze~ sehliei3en. Auffallend erschien uns noeh, da~ in der Niere dieses Tieres verstreute knStchenfSrmige Herde vorhanden waren, die im Intersti t ium lagen und aus Lymphocyten und Fibroblasten be- standen; demnach sind wir bei Paralysetieren zum 3. Mule qualitativ gleichartigen Nierenveri~nderungen begegnet.

Der Fall gewann fiir uns ein besonderes Interesse, da er nicht ver- einzelt blieb. Das Tier Nr. 305, das bereits 1 Monat naeh der Impfung mit Rfickenmarksbrei von Kaninchen 221 einging und sogleich seziert wurde, hatte abgesehen yon einem KnStchen in der Kleinhirnrinde und lokalisierten geringgradigen Infiltrationen der Pia die gleiche schwere Zellveri~nderung in umschriebenen Arealen der Stirnhirnrinde. Es erscheint uns diese Tatsache deshalb beaehtenswert, well es sich um eine konforme Erkrankung bei zwei Tieren der gleichen Passage handelt. Die Bilder beim frisch sezierten Tier 305 behoben auch gewisse Zweifel fiber die ausschlieI~lich intravitale Genese der Veri~nderungen beim Kaninehen 304, das ja erst ca. 30 Stunden naeh dem Tode seziert worden war: die Pr~parate der beiden Tiere glichen einander nimlich vollkommen.

Ieh habe yon den Veri~nderungen bei den vom Fall W. stammenden Kaninehen nur diejenigen herausgegriffen und zu erlhutern versueht,

166 K. Neubttrger :

die uns am meisten charakteristisch erschienen; auf die Schilderung allgemeiner Befunde (z. B. diffuse Gefai3infiltrate, gliSse Wucherungs- herde im Mark, Infiltrationen der Plexus chorioidei usw.), die wir auch nach Impfung mit syphilitischem Virus anderer Herkunft sahen, oder die schon Yon anderen Autoren ausffihrlich beschrieben sind, sei hier nicht eingegangen. Dagegen soll noch kurz angegeben werden, was wir an einigen Tieren sahen, die mit Rinde eines anderen Paralyse/alles geimpft waren.

Hier handelte es sich um den Fall L. (typisehe juvenile Paralyse). Von mehreren Tieren, die mit l~indenemulsion dieses Kranken infiziert wurden, stehen uns hier zur Verffigung das Originaltier Nr. 152 und das Passagetier Nr. 179 (letzteres geimpft mit Hirnriickenmarksbrei des Originaltieres Nr. 154, das Liquorpleoeytose gehabt hatte). Beide Tiere bieten insofern serologisches Interesse, als die Veri~nderungen der Riickenmarksflfissigkeit erst auffallend sp~t sich kundtaten, ni~m- lieh 10 bezw. 8 Monate naeh der Iufektion. Andere klinisehe Symptome aui3er Gewichtsabnahme und Frel~unlust hatten nieht bestanden. Beide Tiere wurden getStet, und Organbrei yon ihnen wurde weiter ver- impft. Die Sektion ergab makroskopisch nichts Besonderes, abgesehen yon Sklerose der Aorta ascendens beim Tier 179.

In vieler Hinsicht glichen die mikroskopischen Bilder denen, die wir oben geschildert haben. Es fanden sich Erkrankung der Pia, in gr6I~eren Bezirken diffuse Gefi~infiltrate, vorwiegend in der grauen Substanz, ferner bei beiden Tieren wieder einige recht typische Kn6tchen. Das braueht nicht welter auseinandergesetzt zu werden; wir wollen hier nur entzfindliche Prozesse am Rfickenmarksgrau bei Tier 152 und nieht- entziindliche Rindenveri~nderungen beim Tier 179 betraehten.

Die Ri~c]cenmar]cserkrankung wird durch Abb. 10 illustriert. In einem grSI3eren Bezirk des oberen Lumbalmarks linden wir schwere einseitige Veri~nderungen an Hinterhorn und Substantia gelatinosa l~olando, zum Teil fibergreifend auf die angrenzenden Abschnitte der weii3en Substanz. Es handelt sieh um poliomyelitisehe Vorg~nge: die Gefi~l~e aller Kaliber sind oft von massigen lymphoeyti~ren Zellmi~nteln um- geben, hi~ufig sind Lymphoeyten und Plasmazellen auch frei im Paren- chym anzutreffen. Die Nervenzellen haben zum Teil gelitten, die Niss1- sche Substanz ist aufgel6st, der Zelleib vielfaeh yon groben Lfieken durchsetzt, an den R~ndern abgeschmolzen oder wie angefressen, er verliert sich unscharf in die Umgebung oder ist fast ganz geschwunden. Neuronophage Bilder kommen ver. Die Nervenzellkerne sind eft dis- loziert und deformiert, das Kernk6rperchen kann Sprossungs- eder Fragmentationserscheinungen darbieten. Neben derart erkrankten Gebilden linden sich aber doeh in verhi~ltnismi~ig gro~er Zahl nermale oder unwesentlich ver~nderte Nervenzellen. Die Glia der befallenen

Zentrale Verlind. beim Kaninchen nach U~berimpfung yon Paralytikergehirn. 167

Gebiete ist gewuchert, weist reichlich blasse aktivierte Kerne yon ver- schiedener GrSfte sowie St~bchenzellformen auf. Faserige Wucherungen zeigt der Krankheitsherd nicht, weder bindegewebige noch gli6se Fibrillen lief3en sich darstellen.

Abgesehen yon diesem groben und sinnfi~lligen frischen Herd kom- men noch viele feinere Ver~nderungen diffus im ganzen l~iickenmark vor. So leichte plasmocyt~re Infiltrationen der Pia, ebensolche an man- chen Capillaren und Pr/~capillaren der weiften und auch der grauen Sub- stanz, kleine Gliosen in Rasen- oder Rosettenform, Auftreten einiger grofter Astrocyten, meist leichte Ver~nderungen an manchen groften

Abb. 10. •ol iomyel i t ischer I I e r d im L u m b a l m a r k (P). G = Gef/iBinfiltrate in der weiBen Substanz.

Vorderhornzellen, dann aber auch neuronophage Vorgi~nge und Zell- ausfMle mit Ersatz durch gewucherte Gila. Von Interesse ist, daft ganz i~hnliche, nur quantitativ geringere Befunde auch das Tier 179 bietet, w~hrend wir an den yore Fall W. geimpften Tieren solche Rfickenmarks- verKnderungen nut vereinzelt hatten entdecken k6nnen, am ehesten noch beim Originaltier 186.

Endlich seien nun noch die Rindenver(inderungen beim Kaninchen 179 kurz besprochen. Die Gef~ftinfiltrate bei diesem Tier waren im ganzen sp~rlich, vielleicht zum Tell schon wieder geschwunden ; auf ein gewisses Alter des ganzen Prozesses deutet eine vielerorts bestehende, ganz er- hebliche bindegewebige Verdickung der Pia hin. Auf weite Strecken der frontalen Rindenabschnitte sehen wir nun bei schwacher Ver-

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grSBerung eine gewisse Zellarmut, eine mehr oder minder deutliche bandf6rmig sich hinziehende Aufbellung etwa im Bereich der 4. bis 5. Brodmannschen Schicht 1). Die Betrachtung bei Immersion ergibt, dab tatsi~chlich dort eine nicht unbetri~chtliche Anzahl nervSser Elemente ausgefallen ist. Noch im Stadium der Erkrankung und des Zerfalls befindliche Ganglienzellen treffen wir kaum an, nur ab und zu sehen wir schattenhafte yon ein paar Gliazellen umlagerte l~berreste nerv6ser Elemente oder Gebilde mit zerfallenen plasmatischen An- teilen und entrundetem, zahlreiche gefi~rbte Gerfistbestandteile ent- haltendem Kern und rhektischen Vorgi~ngen am Nucleolus. Im fibrigen linden sich kleinere oder gr6Bere Lichtungsbezirke, soweit nicht die Defekte durch gewucherte Glia gedeckt sind. Und dies ist in ziemlich erheblichem AusmaBe der Fall. Wir sehen zahlreiche relativ kleine, blasse, runde Kerne mit deutlichcm Nucleolus und schmalem, zackig begrenzten

Plasmasaum, dann ebensolche Kerne yon bedeutender Gr6Be, dann auch wieder 3 bis 4 oder mehr aktivierte Kerne in einem Symplasma, in einem Rasen zusammen- liegend (s. Abb. 11). Solche Strukturen finden wir aueh vom Bereich der ganglien- zellarmen Schiehten noch fibergreifend auf die benachbarten Rindengebiete, sowohl pial- als markw~rts. Sichere Mitosen haben

Abb. II , ,,Gliarasen" in der Rinde w i r nicht getroffen. Auch gli6se Faserbil- (vgl. Text). dung wirdvermiBt (wie sich iiberhaupt auch

anderenorts sowohl bei Tier 152 wie 179 nur sehr spi~rliche Gliafibrillen darstellen lieBen). Von Interesse ist vielleicht, dab wit auch bcim Tier 152 kleine fleckf6rmige Gliosen vereinzelt in der Rinde angetroffen haben ; auch bei den Tieren 186, 220, 221, deren Erkrankung yore Falle W. herrfihrte, fehlten solche Befunde nicht ganz; wir haben sie dort im Zusammen- hang mit vasculi~ren Prozessen beschrieben, fanden sie abet doch bier und da auch in nichtentzfindlich veri~nderten Regionen. -- Wir sehen also, dab nerv6ses Material zugrunde gegangen ist und dutch wuchernde plasmatische Glia ersetzt wird -- es handelt sich um einen wohl schon i~lteren, rein degenerativen Proze[~, der im wesentlichen bereits zum Abschluft gekommen ist und yon uns im Stadium einer im Gange be- findlichen gli6sen Reparation angetroffen wird. Beziehungen zu vas- culgren Prozessen haben diese Vorggnge nicht. Sie ffihren uns wieder deutlich ein Nebeneinander entzfindlicher und degenerativer Vorghnge vor Augen; wie dies ja auch schon die Tiere 304 und 305 taten, wo in-

1) Auch beim gesunden Tier ist die Zelldichte in dieser Zone geringer; erst Vergleiche mit mehreren Normalkaninchen ergaben, da] bei dem in Rede stehen- den Tier die gewShnliche Zellmenge nicht erreicht wird.

Zentrale Veriind. beim Kaninchen nach Uberimpfung yon Paralytikergehirn. 169

ffltrative Erseheinungen neben der schweren degenerativen Erkrankung allerdings nur eine geringe Rolle spielten.

Wir sind mit der Schilderung der histologischen Bilder zu Ende und wollen zum Schlul~ versuchen, uns fiber ihre Bedeutung klar zu werden. Zunitchst fragt es sich, inwieweit wit die zentrale Erkrankung beim Kaninchen mit menschlichen ~.yphilitischen Veriinderungen vergleichen diirfen. Es braucht kaum eigens betont zu werden, dal3 Vergleiehe yon Krankheits~ul3erungen an 2 soweit auseinanderstehenden Vertretern der Siiugetierreihe auf groBe Sehwierigkeiten stol3en. Der gesamte Ablauf der Kaninchenlues ist trotz mancher fiberraschenden _~hnlich. keiten doch ein anderer als beim Menschen. Es sei daran erinnert, da[t sich beim Kaninchen nach der fiblichen subscrotalen bzw. intratesti- nalen Impfung sine histologisch wohl charakterisierte Orchitis oder Periorchitis 1) entwickelt (oft neben typisehen Prim~raffekten), wie wir sie am Menschen nicht kennen; hier kommt freilich eine prim~re Im vasion der Erreger auf den gleichen Wegen, die vielleicht analog wirken kSnnte, nicht in Frage. Die Neurosyphilis des Versuchstieres ~uBert sich zeitlich und wird von uns untersucht bereits in einem Stadium nach der Infektion, in dem wir beim Menschen neurosyphilitische Symptome anatomisch naehzuweisen, nur selten Gelegenheit haben. Eine syphilitisehe Spi~terkrankung wie beim )Senschen kennen wit beim Tier noch nicht. Man wird versuchen miissen, mit verschiedenen Virus- arten geimpfte Tiere jahrelang unbehandelt am Leben zu erhalten, um den spontanen Ablauf der syphilitischen Nervenerkrankung sero- logiseh und histologiseh m5glichst vollsti~ndig verfolgen und mit den Verbi~ltnissen beim Menschen vergleichen zu kSnnen. Sehen wir von diesen Aufgaben ab, deren Besprechung uns hier zu weit fiihren wfirde, und fragen wir uns : wie hat die Spirochi~te, die beim Menschen eine diffuse paralytische Rindenerkrankung machte, beim Kaninchen gewirkt? Da ist, bei aller Verwandtschaft in der Qualiti~t der Prozesse, von vorn- herein der mehr herdfSrmige Charakter eines groi3en Teiles der StS- rungen beim .Versuchstier hervorzuheben. Bei der Beschreibung der Pri~parate ist schon wiederholt betont worden, dal~ von einer so diffusen Erkrankung, wie es eben die mensehliche Paralyse is~, keine Rede sein kann. Besonders gilt dies gerade ffir die Rindenbilder, die der menseh- lichen Paralyse ~hneln -- sie kommen nur in relativ gut abgegrenzten Arealen zur Beobachtung. Ebenso handelt es sich bei den KnStchen um ausgesprochen herdfSrmige StSrungen, die inmitten einer vSllig

1) Vgl. u. a. Uhlenhuth, Mulzer, Koch, Arbeiten a. d. Kaiserl. Gesundheitsamtc 44, Heft 3. 1913. Das charakteristische ,,muzinSs degenerierte Bindegewebe" im syphilitischen Kaninchenhoden gilt den meisten Autoren a]s ein durch die spezifischc Eigenart des Kaninchens bedingtes Aquivalent der Verkiisung beim Menschen.

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gesunden weiteren Umgebung ihren Sitz haben. Das hi~ufige Auftreten dieser Kn6tchen seheint uns darauf hinzudeuten, daB unseren Tieren eine relativ groBe l~i~higkeit zu Gebote steht, auf die Infektion mit einer recht eharakteristisehen Gewebsreaktion zu antworten. -- Welter- bin fiillt es auf, dab die Veranderungen der tierischen Nervenzellen ffir gewShnlich im Verhgltnis nieht sehwer, dabei grob, einfSrmig und ziemlich ungleichmi~Big waren, und dab bier nicht enffernt die Feinheit, der Formenreiehtum und die Vielgestaltigkeit menschlieher Ganglien- zellver~nderungen erreicht wurde. Eine Ausnahme hiervon machen freilich die Tiere 304 und 305, bei denen wir mannigfaltige Nervenzell- bilder sahen, auf die wir z. B. aueh bei einer foudroyant verlaufenden Paralyse stoBen k6nnten. Bei Kaninchen 304 ist die Erkrankung aueh v611ig diffus.

Es kSnnte nun, wie wir bei der Bespreehung der Kn6tehen schon angedeutet haben, der Einwand gemacht werden, dab der Beweis /iir die tatsdichliche syphilitische Genese der besehriebenen Veri~nderungen noeh aussteht und wom6glich ganz andere i~tiologische Faktoren in Frage kommen; um so eher, als es bisher nieht gelungen ist, mit Paralyse- virus regelmi~Big wiederkehrende siehere ~uBere Zeicben erfolgreieher Impfung, wie Orehitis, Primi~raffekte, hervorzurufen. Gegen diesen Einwand li~Bt sich unter anderem geltend machen, dab bei reichlichem normalem Vergleichsmaterial nie ~hnliche Bilder gefunden wurden, dab sieh also eine spontane primiire zentrale Krankheit aussehlieBen lgBt; daB die bekannte Coccidiose, von der fibrigens nur das Tier 221 Symptome zeigte, hie zentrale Vergnderungen setzt; dab ferner auch ffir andere Tierkrankheiten, die ins Gehirn metastasieren, so wenig ein Anhalt vorlag wie ffir irgendeine bei der Impfung gesetzte Mischinfektion, etwa mit banalen Eitererregern; endlich, dab es schon reiehlieh ge- zwungen ware, die Ver~nderungen, die nach der experimentellen In- fektion auftreten und so grol3e Verwandtschaft mit menschlichen sicher syphilitischen Prozessen darbieten, auf eine andere i~tiologische Basis stellen zu wollen. Vom Standpunkt des Biologen aus haben sich Plaut und Mulzer fiber die spezifisehe Natur der zentralen Erkrankung bei unseren Versuchstieren wiederholt gei~uBert, so daI~ ieh auf deren oben zitierte Arbeiten verweisen karm.

Freilich ist ohne Umschweife zuzugeben, dab der unwiderlegliehe Beweis ffir unsere Auffassung erst dureh den Nachweis der Pallida im Schnittpr~parat erbracht werden kann. Und der ist uns bisher trotz vielfacher Bemfihungen noch nicht gelungenl). Warum, kSnnen wir noch nieht sicher sagen. Wir zweifeln nieht, dab in den erkrankten Partien Spiroch~ten zu linden sein mfissen. Die Jahnelsehen Methoden

1) Auch Dunkelfelduntersuchungen hatten noch kein positives gesultat.

Zentrale Ver~nd. beim Kaninchen nach (~berimpfung yon Paralytikergehirn. 171

haben bisher versagt. Herr Prof. Jahnel hatte selber die groBe Freundlich- keit, uns zu beraten und Modifikationen auszuarbeiten, die ffir die Im- pragnation der Spirochaten speziell beim Kaninchen geeignet sind, wo sie vielleicht nur unter ganz anderen chemisch-physikalischen Bedingungen als beim Mensehen mSglich ist. Bedenkt man, dab oft der Nachweis der Erreger bei Paralyse auch nur mit grSBter Miihe gelingt; dab man in manchen Paralysefallen mit sehweren histologischen Prozessen keine Spirochate finder; daB, um nur ein Beispiel aus neuerer Zeit anzufiihren, ein Untersucher wig Jahnel jahrelange miihselige Arbeit darauf hat verwenden mfissen, um die Pallidae in der Aorta des Paralytikers zu entdeeken; dab wir schlieBlich fiber das biologisehe Verhalten der Para- slten im befallenen Kaninehengewebe, vom Hoden abgesehen, keine Kenntnisse haben; night wissen, wann sie erseheint, wo ihre Pradilek- tionssitze sind, wie rasch sie etwa wieder zerfallt oder verschwindet; so wird man zugeben mfissen, dab das Auffinden der Spirochaten im Gehirn und den groBen Parenchymen des Versuchstieres recht schwierig ist und gr6Bte Geduld und Sorgfalt effordert.

Zum Sehlusse unserer Betrachtungen soll nun noeh einmal auf etwas mit Naehdruek hingewiesen werden, was sehon am Anfang an- gedeutet wurde: das sind die fiber Erwarten weitgehenden Besonder- heiten der Virusarten, die wir bisher kennengelernt haben. Es ist nicht nur an dem, dab der eine Stamm beim Versuehstier Nervenlues macht, der andere nieht; sondern sofern iiberhaupt Stamme neurotrop sind, setzen sie je naeh ihrer Herkunft ganz versehiedenartige anatomisehe Veranderungen. Wie sehr die Sehnittpraparate der mit Miinchner Virus infizierten Tiere einander ahneln, haben wir eingangs sehon ge- sagt und an bereits gut 2 Dutzend Fallen besti~tigt gefundem Man kann einem Praparat bei lJbersichtsvergr6Berung sehon meist leicht ansehen, ob das betreffende Tier mit Miinchner Virus geimpft war oder nieht. Die Erkrankung der mit Paralysevirus geimpften Tiere manifestiert sieh in einer davon v611ig verschiedenen Weise, sowohl was Lokali- sation als was Form der Krankheitsprodukte angeht. Die 7 Falle, die wir fiir unsere Darlegung verwertet haben, seheinen das zu beweisen. Es ware natfirlieh tSrieht zu behaupten, dab Paralysevirus irgend- welcher Herkunft immer solche histologisehe Bilder provozieren muB, wie wir sic sahen. Schon die mit dem Falle W. geimpften Tiere verhielten sieh anders als die mit dem Fall L. geimpftenl). Soviel aber seheint uns nach den bisherigen Resultaten Iestzustehen: haben wir irgendeinen ffir das KaninGhen neurotropen Stamm, so dfirfen wir mit nieht geringer Wahrseheinliehkeit bei den damit geimpften Tieren stets auf gleieh-

1) Weitere Erfahrungen werden uns lehren miissen, ob auch Syphilisvirus, das nicht yon Paralytikern stammt, gleiche ana~omische Effekte wie Paralyse- virus setzen kqfln.

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artige Veranderungen reehnen, die freilich in Passagen gewisse Modi- fikationen erfahren kSnnen (Tiere 304 und 305). Die uns bisher bekannten Virusarten k~mpfen erfolgreieh gegen die Hindernisse, die ihnen die individuelle Disposition des geimpften Tieres entgegenstellt, und ver- ursaehen jeweils ziemlich gleiehf6rmige Krankheitsprodukte. Dem scheint bisher nur ein Befund, den ieh eingangs der Arbeit erw~hnte, zu widersprecben, wo das gleiche Virus einmal degenerative Rinden- erkrankung, einmal Endarteriitis der kleinen Rindengef~Se verursaehte. Eingeschaltet sei hier, dab der Mfinehener Stature in don bisher untersuchten Passagen kann je so charakteristisehe Reaktionen wie die KnStehen verursaeht, sondern nur eine ziemlich uneharakteristisehe, diffuse, chronisehe, durch Auftreten yon besonders reiehlichen Plasma- zellen gekennzeiehnete und im allgemeinen nieht yon selbstandigen Degenerationen begleitete Entzfindung, die meist die Rinde verschont; das kSnnte mSglicherweise mit dem Virulenzgrad des Stammes zu- sammenh~ngen; ferner, daS das Paralysevirus bei Passagetieren zu- n~ehst eine weir kraftigere Gewebsreaktion anzuregen seheint, was gleiehfaUs vielleicht auf ~uderungen in der Virulenz zurfiekgeffihrt werden daft, natfirlieh aber aueh wohl mR den fiir uns nieht sieher kontrollierbaren quantRativen Untersehieden zwisehen dem auf Ori- ginaltiere und dem auf Passagetiere verimpften parasitenhaltigen Ma- terial zusammenhangt. Auf einen besonders hohen Virulenzgrad last der Befund beim Tier 304 schlieSen, das an einer perniziSsen, rasch verlaufenden zentralen Erkrankung ohne deutliehe spezifische Gewebs- reaktionen einging.

Wit stehen in diesen Dingen erst am Anfang unserer Erfahrung und sind bemiiht, noeh ein grSSeres Material zu sammeln, das yon Impfungen mit versehiedenen Virusarten herrfihrt, um weitere Stfitzen fiir unsere Ansehauung fiber die weitgehende Spezifitat zu gewinnen, und aueh um uns einen Einbliek zu versehaffen, welche gewebliehea Reaktionsformen auSer den bisher bekannten und gesehilderten dem Versuehstiere zu Gebote stehen, und ob der ganze Formenreichtum der mensehlichen Lues des Nervensystems sieh aueh im Experiment erzielen last.

Es w~re verfrfiht und mfiSig, hier auf Grund unserer Untersuehungen an Tieren die Frage der Lues nervosa beim ]Vfensehen anzusehneiden. Wir kSnnen ffir heute nur sagen, daS es Spiroehatenstamme gibt, die fiir das Kaninchen neurotrop sind. Die Paralysestamme scheinen dies stets zu sein. Wit kSnnten uns ferner wohl vorstellen, da$ tierneuro- trope Stamme, die yon Frfihfallen mensehlieher Syphilis herrfihren, auch beim Menschen die Neigung hatten, frfiher oder sparer das Nerven- system anzugreifen. ~berimpfen wit z. B. yore Primar- oder Sekundar- syphilitiker auf ein Kaninehen, trod linden wir bei diesem Pleoeytose

Zentrale Vertind. beim Kani,,chen nach Ubertmpfung yon Paralytikergehirn. 173

und dann bei der spi~teren anatomischen Untersuehung eine Erkrankung des Nervensystems, so werden wit auf die nieht ganz yon der Hand zu weisende MSglichkeit hingelenkt, dab die Pallidae, die der Spender beherbergt, auch bei ihm die Tendenz haben kSnnen, das Nerven- system zu befallen -- trotz aller Verschiedenheit zwischen mensch- lichem und tierischem Organismus, der Differenz der Inkubations- dauer usw. Vielleicht werden wir uns dann veranla~t sehen, hieraus Richtlinien fiir Prognose und Therapie im betreffenden Falle zu ent- nehmen; und dann hgtte die histopathologische Untersuchung experi- mentell-syphilitischer Tiere im unmittelbaren Dienste der Praxis sich als nicht vSllig nutzlos erwiesen.

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