Zur Wirkung von Diäthylnitrosamin (DAENA) und Influenza-Viren auf die Entstehung von...

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Z. Krebsforsch. 77, 150--154 (1972) �9 by Springer-Verlag 1970

Zur Wirkung von Di ithylnitrosamin (DAENA) und Influenza-Viren auf die Entstehung von Lungencarcinomen

bei M/iusen

K. H. SCHMIDT-I~uPPI~ und G. PAPADOPULU*

Pharmazeutische Forschungslaboraterien der J. R. Geigy AG, Basel, Schweiz

Eingegangcn am 18. September 1970, angenommen am 23. Dezcmber 1970

Effect of D ie thy ln i t ro samine (DENA) and Inf luenza Viruseson the I n d u c t i o n of Lung Carc inomas in Mice

Summary. Nasal infection of mice/NMRI every four weeks with the influenza viruses PR 8/EIK and A2/Bethesda 10/63 (LD 10) for 6 months, followed by application of Diethyl- nitrosamine in the drinking water for an additional 6 months, caused a significant increase of primary lung carcinomas in the animals on combined treatment as compared to application of Diethylnitrosamine only.

Zusammen[assung. Die nasale Infektion yon M~usen/N]KRI alle 4 Wochen mit Influenza- Viren PR 8/EIK und A2/Bethesda 10/63 (LD 10) wi~hrend 6 Monaten, gefolgt yon der Appli- kation yon Di~thylnitrosamin im Trinkwasser fiber weitcre 6 Monate, ffihrte zu einer signi- fikanten ErhShung yon prim~ren Lungencarcinomen bei den mit beiden ~qoxen behandelten Tieren gegenfibcr der allcinigen ])i~thylnitrosamin-Applikation.

Die nachs tehend beschr iebenen Versuche wurden mi t dem Ziel dcr Erzeugung prim/~rer Lungencarc inome bei der Maus durchgef i ihr t .

Speziell soll ten sie zur K1/irung einer kocarc inogenen W i r k u n g von Inf luenza- Viren und e inem oral wi rksamen Carcinogen mi t ger inger Tropie ffir die Lunge be i t ragen. Daffir erschiencn die Maus -adap t i e r t en Inf luenza-Virus-St / imme A J B e t h e s d a 10/63 und A / P R 8 wie das Cancerogen Di/~thylni t rosamin (DAENA) als geeignet .

Seig der e rs tcn Mit te i lung yon Rous u. Mi tarb . (1938, 1940, 1944, 1951) fiber eine kocarcinogene W i r k u n g eines Virus mi t e inem chemischen Cancerogen wurden derar t ige Befunde mehr fach erhoben. Ff i r die E n t s t e hung von Lungen tumoren bei M/~usen fanden K o t i n u. Wis ley (1963) eine kocarcinogene W i r k u n g von Koh- lenwasserstoffe en tha l t endem kfinst l ichen Rauchnebel , ~hnlich dem fiber Los Angeles, in K o m b i n a t i o n mi t nasa l appl iz ie r ten Inf luenza-Viren.

Material und Methode

Albino-M~use-Stamm ~qMRI im Gewicht yon 20--25 g bei Versuchsbeginn. Sie waren frei yon den folgendcn Viren: ]~I-IV, Pneumonie, Thefler, Ektromelie, Parainfluenza 1/Sendai, Polyoma. I-Ialtung in MakralonkKfigen Typ II , randomisiert. 20 bzw. 10 pro Kiifig. Futter- wfiffel (Nafag) ad lib. ; Trinkwasser in Flaschen 6 Monate lang ad lib. (mittlerer Verbrauch 5 ml/Tag), danach mit Zusatz yon 0,04 mg/ml DAENA weitere 6 Monate lang.

W/ihrend der ersten 6 1Vfonate wurden alle 4 Wochen 50 weibliche Ms mit 0,05 ml einer Lungensuspension in Hanks LSsung - - vorher titriert und bei - -70 ~ C in eingeschmolzenen

* Mit dcr technisehcn Assistenz von Bernard Poncioni.

Wirkung von DiKthylnitrosamin und Influenza auf Lungencarcinome 151

Ampullen aufbewahrt - - mit Influenza A2/Bethesda 10/63 in der Verdfinnung 10 -4 (LD 10) in leichter Xthernarkose inilzier$ (Gruppe A), 60 M~use (30 c~, 30 9 bei getrermter Haltung) ebenso mit Influenza A/PR 8/EIK (Gruppe B), und 50 weibliehe M/~use erhieRen 6 x 0,05 ml Hanks LSsung (Gruppe C = DAENA-Kontrolle). Nach Abschlul3 der Infektionsperiode lebten yon Gruppe A noch 39, yon Gruppe B noch 31 (15 c~, 16 ~) und yon Gruppe C noeh 25, die mit DAENA weitere 6 Monate (s. o.) behandelt wurden. Die DAENA-LSsung im Trink- wasser wurde alle 2 Tage angesctzt, dunkel im Kiihlschrank aufbewahrt und t~glich frisch verabreicht (7 Tage/Woche). Als Gesamtmenge yon DAENA wurde somit etwa 36 nag/Tier bzw. 1080 mg/kg aufgenommen. Die w/ihrend DAENA-Behandlung spontan sterbenden Tiere waren ohne pathologischen Befund (Gruppe A = 4, Gruppe B = 4 c~, 7 ~, Gruppe C = 2). Nach Abschlufl der DAENA-Applikation begannen die Tiere mit makroskopisch feststell- baren Tumoren zu sterben und wurden bei deutlichen Krankheitssymptomen (1.--48. Tag nach DAENA-Applikation) getStet, seziert und die Organe Lunge, Leber, Magen, Hilz, Niere und Pankreas stets, andere Organe bei pathologischem makroskopischen Befund yon Fall zu :Fall, mit Bouinscher LSsung fixiert, in Paraplast mit SMP. 56--57 ~ C (Sherwood ivied. Ind. Inc., USA) eingebettet und je Organ 6 Stufenschnitte mit HE gef~rbt. Spontan gestorbene Tiere wurden wegen Zersetzungserscheinungen nicht ausgewertet. Da deren Anteil in den einzelnen Gruppen etwa gleich war, wurde das Endergebnis dadurch nicht beeinflul3t.

Ergebnisse

Das E x p e r i m e n t is t in 3 Phasen zu gl iedern:

1. Nasa le App l ika t i on suble ta ler Dosen der Inf luenza-Viruss ts t hesda 10/63 (Gruppe A) und A / P R 8 / E I K (Gruppe B), wie H a n k s LSsung (Gruppe C = Kont ro l le ) alle 4 Wochen . Daue r : 6 Monate .

2. App l ika t ion von 0,04 mg/ml D A E N A im Tr inkwasser . Dauer : 6 Monate .

3. E r k r a n k u n g der Tiere an makroskop i sch s i ch tba ren Tumoren . TStung der k r a n k e n Tiere und makroskopische wie histologische Auswer tung . Dauer : 48 Tage.

Nach AbschluB der Phase 2 l eb ten noch 35 Tiere in Gruppe A, 20 (11 3, 9 9) in Gruppe B u n d 23 in Gruppe C. Der Ver lus t war in Phase 1 gr6Ber als in Phase 2, also eher der Be las tung dureh die Virus infekt ion und die wiederhol ten Narkosen zuzuschreiben als der D A E N A - A p p l i k a t i o n . Verlus te fiir die makroskopisehe und histologische Beur te i lung in Phase 3 du tch spontane Morta l i t / i t nach t s mi t Ver- wesungserseheinungen und Kann iba l i smu s beeinfluBten das Endergebn i s n ich t : 23 Tiere yon Gruppe A, 12 von Gruppe B und 19 yon Gruppe C konn t e n histolo- gisch ausgewer te t werden.

Tabelle 1. Maligne Tumoren in Gruppe A--C

Organ A % B % C %

Lunge Bronchial- und Bronchial- und Bronchial Ca 1 Bronchiolar Ca 9 Bronchiolar Ca 5 Bronchial- und Alveolarzell Ca 1 Alveolarzell Ca 1 Adenome 1 Adenome 4 Mesotheliom 1 AIveolarzell Ca 3 Hesotheliom 1

18 78,2 7 58,3 Leber 43,5 33,0 Hagen 100,0 100,0

10,5 47,4

100,0

152 K. H. Schmidt-Ruppin und G. Papadopulu:

Es ergab sich kein Unterschied der 3 Gruppen in bezug auf Magencarcinome (100%) und Lebercarcinome (40 .-V 7%). Dagegen war der Antefl an prim~ren Lungencarcinomen signifikant verschieden: 78,2 % in Gruppe A, 58,3 % in Gruppe B, 10,5% in Gruppe C (s. Tab. 1).

Abb. 1. Bronchuscarcinom, kleinzellig und groBe scheingranulierte Zellen (HE 160 • )

Abb. 2. Tubuliires Carcinom (HE 640 • )

Wirkung von Di/ithylnitrosamin und Influenza auf Lungencarcinome 153

Der Unterschied zwischen Gruppe A und B im Vergleich zu C war hoch signi- fikant (P < 0,001) sowohl bei Berficksichtigung der Tierzahlen zu Versuchsbeginn wie auch der histologisch ausgewerteten Tiere zu Versuchsende. Die Differenz zwischen Grnppe A und B war nicht signifikant (P > 0,05) 1. Die Beispiele einiger typischer Lungentumoren sind auf den Abbildungen 1 und 2 dargestellt.

An anderen Tumoren ohne charakteristische Verteilnng wurden festgestellt: 5 Reticulo-Sarkome (Milz und Leber), 6 Lymphome (Milz).

Weitere Nebenbefunde bei einem Teil der Tiere, ohne Gruppenspezifit/~t. waren Gallengangswucherungen, Bronchiektasen; Epithelmetaplasien und chronisch entzfindliche Herde in der Lunge waren in der Gruppe A und B h~ufiger und st/ir- ker als bei C.

Diskussion

Die Befunde sprechen daffir, dab ffir die Entstehung yon Lungencarcinomen, die in diesen Versuchen denen des Menschen weitgehend/ihneln, eine Syncarcino- genese inl Sinne yon Bauer (1963) vorliegen kSnnte. Wenn bei diesen Versuchen auch keine Influenza-Kontrollen mitgeffihrt werden konnten, so sahen wir in frfiheren, im /~hn]ichen Sinn durchgeffihrten Versuchen mit chronischer nasaler Applikation yon Influenza-Viren noch keine Lungentumoren, nur atypische Ge- websproliferationen und Metaplasien wie u. a. yon Leuchtenberger (1965) beschrie- ben. Unsere Ergebnisse kSnnten daher eine weitere Stfitze ffir die Bedeutung yon chronisch-entzfindlichen Prozessen und Metaplasien als fakultativ-pr/icancerSse Ver/~nderungen auch beim Menschen bilden, was unter anderen Hackensellner (1957) in eingehenden Untersuchungen fiber die Beziehungen zwischen Bronchial- carcinom, Epithelmetaplasien und chronischer Bronchitis beim Menschen annahm.

Als weitere Ursache ffir diesen syncarcinogenen Effekt mul~ eine spezifische Wirkung der lnfluenza-Viren in Kombination mit Cancerogenen in Betracht ge- zogen werden. Da bei unserer Versuchsanordnung zur Zeit der OAENA-Appli- kation noch persistierende Viren im Epithel vorhanden waren, erscheinen z. B. eine durch DAENA bedJngte ,,Virus-Kanzerisierung" oder auch eine spezifische, durch die Viren bedingte Anderung des Zell-RNS-Metabolismus als Arbeitshypo- thesen zur Kli~rung des Wirkungsmechanismus.

Die Ansicht, dal] die Grippeepidemie yon 1918-1920 ffir die starke Zunahme yon Lungencarcinomen in den letzten Jahrzehnten mitverantwortlich sein kSnnte, wurde bereits yon Deelman (1952) ge/~ul~ert. Er stellte lest, dab in Holland immer stark geraucht wurde, das Bronchialcarcinom aber frfiher eine grol~e Seltenheit war und erst seit 1940 stetig zunehmend auftrat. Andererseits fand Dungal (1950) in Island keine urs/~chliche Zusammenh/inge zwischen banalen Infekten der Re- spirationsorgane oder Influenzaepidemien und Lungencarcinomen.

Die Untersuchungen dieser zwei Autoren kSnnten ffir eine kocarcinogene Wirkung yon Viren und inhalierten chemischen Cancerogenen sprechen: In Holland verursachte erst die Influenza-Epidemic auf den Boden einer langen Raucher- tradition Lungencarcinome ; in Island bheben diese bis jetzt aus, da zwar Influenza- Erkrankungen auftraten, aber die Cancerogene fehlten. Diese Erkl/irung st/~nde

1 Ffir die Berechnung nach dem ~ danken wir Mrs. P. A. Bathe, Wissenschaft. Rechen- zentrum der J. R. Geigy AG, Base].

154 Schmidt-Ruppin: Wirkung von Di~thylnitrosamin und Influenza auf Lungencarcinome

im Eink lang mi t experimentel len Ergebnissen fiber kocarcinogene Wi r kunge n

yon Viren.

Literatur

Bauer, K. H. : Das Krebsproblem. Berlin-G6ttingen-Heidelberg: Springer 1963. Deelman, H.T.: Beschouwingen over her Longenearcinom. Ned. T. Geneesk. 1952 III, 1850

--1855. Dungal, N.: Lung carcinoma in Island. Lancet 1950 |I, 245--247. ttackensellner, H. A. : Uber das VerhaRen der Bronchialsehleimhaut beim Lungenkrebs. Frank-

furt. Z. Path. 68, 361--403 (1957). Kotin,P., Wiseley, D. V. : Production of lung cancer in mice by inhalation exposure to influenza

virus and aerosol of hydrocarbons. Tumor Res. 3, 186--215 (1963). Leuehtenberger, C., Leuehtenberger, R. : Kumulative Wirkung von Zigarettenrauch-Inhalation

und Influenza-Virus-Infektion bei der Entstehung yon atypisehen Protiferationen im Bronchialepithel yon M~usen. Oncologia 19, 81--104 (1965).

Roger, S, Rous, P.: Joint action of chemical carcinogen and a neoplastic virus to induce cancer in rabbits. Results of exposing epidermal cells to a carcinogenic hydrocarbon at time of infection with Shope papilloma virus. J. exp. ~ed. 98, 459--488 (1951).

Rous, P., Kidd, J. G. : The carcinogenic effect of a papilloma virus on the tarred skin of rabbits. I. Description of the phenomenon. J. exp. Med. 67, 399---428 (1938).

- - The activating transforming and carcinogenic effects of the rabbit papilloma virus (Shope) upon implanted tar tumors. J. exp. IVied. 71, 787--812 (1940).

- - Friedewald,W.F. : The effect of chemical carcinogens on virus-induced rabbit papillomas. J. exp. Med. 79, 511--538 (1944).

Dr. K. H. Schmidt-Ruppin Dr. G. Papadopulu Ciba-Geigy A.G. (Werk Rosental) CH-4002 Basel

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