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Impuls-Vortrag im Rahmen der Lehrveranstaltung "Lehren und Lernen" an der Freien Universität Berlin, April 2011
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1
Didaktik als diskursiver Theorie-Praxis-Raum
Wolfgang NeuhausAG Nordmeier
2
Didaktik
3
v.C.: 522
v.C.: 384bis
v.C.: 322
1612
1657
Didaktik: Etymologie
v.C.: 700
(Benner & Oelkers, 2004, S. 247; Comenius, 1954, S. 11)
Das Wort »Didaktik« ist ein Lehnwort aus dem lateinischen Didactica, dem das griechische didaktike techne zugrunde liegt.
4
Hesiod: Werke und Tage
(Quelle: http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/a7/Werke_und_Tage.jpg ; Zugriff: 22.4.2011)
5
Das Bestehen einer Gesellschaft "... ist genau so wie die Fortdauer des Lebens im biologischen Sinne von einem Vorgang der Weitergabe abhängig. Diese Weitergabe vollzieht sich, indem Gewohnheiten des Handelns, Denkens und Fühlens von den Älteren auf die Jüngeren übertragen werden. Ohne diese Übertragung der Ideale, Erwartungen, Normen und Meinungen - von denjenigen Gliedern der Gesellschaft, die aus dem Gruppenleben ausscheiden, auf diejenigen, die hinzukommen, könnte soziales Leben nicht fortdauern” .
(Dewey 1993, S. 17)
Bildung als Weitergabe
6
Bildung als autopoietischer Prozess
(Fuchs 2009, S.122, S. 129 )
Homöostase: Selbstregulation von SystemenMetabolismus: Stoffwechsel
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Die im gesellschaftlichen Diskurs entwickelte Form der organisierten Weitergabe von Erfahrung und Wissen und ihre normative Basis bringen Menschen dazu, sich zu »bilden«. “Schulen entstehen, grob gesagt, dann, wenn die sozialen Überlieferungen so verwickelt geworden sind, daß ein beträchtlicher Teil davon niedergeschrieben und durch schriftliche Symbole weitergegeben werden muß”
(Dewey 1993, S. 38)
Entstehung von Schulen
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Warum wir kooperieren
Um die biologische und kulturelle Evolution
des Menschen zu erklären und um die Frage
zu beantworten, warum einjährige Kinder
– durch zahlreiche Studien belegt –
anderen uneigennützig helfen, schlägt der
Anthropologe Michael Tomasello vor,
eine angeborene »geteilte Intentionalität«
(shared intentionality) beim Menschen
anzunehmen.
(Tomasello 2010)
9
Bildung: Definition
Bildung bezeichnet
die Entwicklungsprozesse
des in der Gemeinschaft agierenden Individuums,
sowie die zur Förderung dieser Prozesse
entstandenen Institutionen und Infrastrukturen,
die Produkte von Bildung
(explizites Wissen, kulturelle Errungenschaften,
Forschungsergebnisse usw.)
über Generationen hinweg weitergeben.
(siehe auch: Dewey 1916, Gudjons 2008, Klafki 2007, Marotzki 1990)
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Ein Produkt kollektiver Bildung:
Das Internet
Alan TuringUniverselle Turing-MaschineOn Computable Numbers (1936)John von Neumann
Von Neumann ArchitekturFirst Draft of a Report on the EDVAC (1945)
Tim Berners LeeWorldWideWeb (1990)
Steve CrockerHost-zu-Host-DialogRequest for Comment (1969)
J.C.R. LickliderMan-Computer Symbiosis (1960)Intergalactic Computer Network (1963)
Paul BaranOn Distributed Communications: I. Introduction to Distributed Communication Networks (1964)
Donald W. DaviesPacket Switching (1965)
Lawrence RobertsComputer-to-Computer Network1968
Alexander Graham BellEinführung des Telefons (1881)
Vint CerfTransmission Control Protocol (TCP) Internet Protocol (IP) (1974)
Ray TomlinsonE-Mail (1972)
Telefon
Universelle Turing-Maschine
Computer (Universelle Turing-Maschine mit von Neumann-Architektur)
Man-Computer Symbiosis
On Distributed Communications
Packet Switching
Computer-to-Computer-Network
Host-zu-Host-DialogRequests for Comments
E-MailFTP
TCP/IP
WorldWideWeb
1881
1936
1945
1960
1964
1965
1966
1969
1972
1974
1990
Abhay Bhushan und KollegenFile Transfer Protokoll (1972)Robert E. Kahn
Transmission Control Protocol (TCP) Internet Protocol (IP) (1974)
Leonard KleinrockComputer-to-Computer-Network IMP (1972)
(siehe auch: Hafner & Lyon 1997)
11
Didaktik
Gegenstand der Didaktik
als Wissenschaft
ist die
Optimierung von
Bildungsprozessen.
12
Didaktik
13
Anforderungsebenen der Didaktik
•Präskriptive Planung, Begründung und Analyse von Inhalten und Bildungsprozessen (Diskursebene)
•Umsetzung von Unterricht (Gestaltungsebene)
•Deskriptive Untersuchung der Wirkung von Lehr-Lernhandeln(Forschungsebene)
(Arnold 2009, S. 27 ff.)
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Anforderungsebenen der Didaktik
•Präskriptive Planung, Begründung und Analyse von Inhalten und Bildungsprozessen (Diskursebene)
•Umsetzung von Unterricht (Gestaltungsebene)
•Deskriptive Untersuchung der Wirkung von Lehr-Lernhandeln(Forschungsebene)
(Arnold 2009, S. 27 ff.)
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Anforderungsebenen der Didaktik
•Präskriptive Planung, Begründung und Analyse von Inhalten und Bildungsprozessen (Diskursebene)
•Umsetzung von Unterricht (Gestaltungsebene)
•Deskriptive Untersuchung der Wirkung von Lehr-Lernhandeln(Forschungsebene)
(Arnold 2009, S. 27 ff.)
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Theorie und didaktisches Modell
Folgt man "einem Verständnis, wonach es
Kernmerkmal wissenschaftlicher Theorien ist, dass es
sich um widerspruchsfreie Aussagensysteme handelt,
dass die Aussagen auf ihre empirische Bewährung hin
überprüft wurden und dass eine Theorie
keine normativen Forderungen enthalten darf, dann
wird deutlich, dass didaktische Modelle diesen
Ansprüchen in der Regel nicht genügen“
(Blömeke 2009, S. 15)
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Praxisperspektive der Didaktik
Eine für die Praxis nützliche Didaktik benötigt
dennoch beides: empirische Untersuchungen, die
helfen Unterricht zu reflektieren, wie auch
Empfehlungen, Anregungen und Beispiele, die helfen
Entscheidungen in der Praxis treffen zu können.
"Praktische Fragen aber sind wissenschaftlich nicht
entscheidbar, sondern an einen Diskurs über Normen
gebunden"
(Schulmeister 2007, S. 133)
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Didaktische Wissenschaft
„Kommunikation über pädagogische Sachverhalte
»oszilliert« also zwischen normativen und faktischen
Aussagen. Und eine Wissenschaft, die zu solcher
Kommunikation einen hilfreichen Beitrag leisten will,
wird sich auf dieses Oszillieren einlassen müssen“
(Schlömerkemper 2009, S. 164)
19
Didaktik und Didaktisches Design
20
Didaktik und Didaktisches Design
Input-Orientierung
21
Didaktik und Didaktisches Design
Output-Orientierung
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Didaktik und Didaktisches Design
Kontingente Sichtweise
(Siehe auch: Rorty 1991)
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Verengung des Bildungsprozesses auf Bildungsstandards
Die von der Kultusministerkonferenz
vorgelegten Bildungsstandards
• greifen die Grundprinzipien des jeweiligen Unterrichtsfaches auf,
• beschreiben die fachbezogenen Kompetenzen einschließlich zugrundeliegender
Wissensbestände, die Schülerinnen und Schüler bis zu einem bestimmten
Zeitpunkt ihres Bildungsganges erreicht haben sollen,
• zielen auf systematisches und vernetztes Lernen und folgen so dem Prinzip des
kumulativen Kompetenzerwerbs,
• beschreiben erwartete Leistungen im Rahmen von Anforderungsbereichen,
• beziehen sich auf den Kernbereich des jeweiligen Faches und geben den Schulen
Gestaltungsräume für ihre pädagogische Arbeit, weisen ein mittleres
Anforderungsniveau (Regelstandards) aus,
• werden durch Aufgabenbeispiele veranschaulicht.
(Kultusministerkonferenz 2005)
24
Didaktik
25
Die Gestaltungsebene der Didaktik
Didaktisches Design
Mit didaktischem Design bezeichnen wir die Gestaltung
von Lernumgebungen und Lehr-Lernszenarien unter
Berücksichtigung des gesellschaftlichen Diskurses um
Inhalte, Werte, Medien und die Erkenntnisse empirischer
Lehr-Lernforschung.
(Siehe hierzu auch: Reinmann 2011, Kerres 2005, Schulmeister 2004)
26
Gestaltungsfelder
(Gudjons 2008, S. 257)
Lehrerinnen und Lehrer sind kompetente Expertinnen für
Unterricht – mit begrenztem Einfluss, aber klaren Zielen.
Ihre Aufgabe ist die Zur-Verfügung-Stellung von
Lerngelegenheiten.
Ihre Gestaltungsaufgaben umfassen
1.Eine effektive Organisation des Unterrichtsablaufes
2.Die Entwicklung des Stoffes im Unterricht
3.Die Organisation der Unterrichtszeit
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Verhaltensänderung durch Erfahrung
Wissenserwerb durch Anpassung kognitiver StrukturenAktives
Handeln
Lernen aus psychologischer Sicht
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Lerner
Produkt
Beispiel: Projektlernen
29
Produkt
Element 2
Element 1
Lerner
Beispiel: Projektlernen
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Aufgaben
TP 1
TP 2
TP 3
TP 4
TP 5
Lerner
LernerLerner
Lerner
LernerLerner
LernerLerner
Lerner
Lerner
Lerner
Beispiel: Projektlernen
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Handlungsorientierte Bildungskonzepte
• Lernen im Kontext• Projektlernen• Produktorientiertes Lernen• Selbstorganisiertes Lernen• Communities of Practice• Problem Based Learning• Entdeckendes Lernen• Forschendes Lernen• Inquiry Based Learning• Location Based Learning
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Didaktik
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Didaktische Modelle
Im Kontext der Lehrerbildung entstanden in den letzten
Jahrzehnten zahlreiche didaktische Modelle, je nach
Interpretation und Einordnung können sie nützlich sein
•als Anregung für das didaktische Design von Unterricht
•zur Reflexion der eigenen Rolle als Lehrer
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Bildungstheoretische Didaktik
(Bildungstheoretische Didaktik nach Klafki: Gudjons 2008, S. 235)
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Lehr-Lerntheoretische Didaktik
(Berliner Modell: Heimann, Otto, Schulz, 1970)
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Konstruktivistische Didaktik
• Lernen ist aktive Wissenskonstruktion in Verbindung mit bereits bestehendem Wissen.
• Lernen ist individuell, der jeweilige Lernweg ist nicht vorhersehbar.
• Wissen an sich ist durch den Lehrer nicht vermittelbar: „Vielmehr hilft er dem Lerner durch sein Tun, durch Hinweise, Fragen und Informationen selbst Wissen zu konstruieren“ und durch die Gestaltung von Lernumgebungen.
(Thissen 1997, S. 74 ff. ; siehe auch Reich 2006)
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Angebots-Nutzungs-Modell
(Angebots-Nutzungs-Modell: Helmke 2009)
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Weitere didaktische Modelle
(Gudjons 2008, S. 241 ff.)
• Kybernetische Didaktik
• Kritisch-kommunikative Didaktik
• Lernzielorientierte Didaktik
• Lehrkunst
• Fachliche Bildung
• Bildungsgangdidaktik
• Evolutionäre Didaktik
• Dialogische Didaktik
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Quellen
Arnold, K. - H. (2009). Lehr-Lernforschung ohne Allgemeine Didaktik ? Über die Notwendigkeit einer integrierten Wissenschaft vom Unterricht. In Allgemeine Didaktik und Lehr-Lernforschung – Kontroversen und Entwicklungsperspektiven einer Wissenschaft vom Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Benner, D., & Oelkers, J. (Eds.). (2004). Historisches Wörterbuch der Pädagogik. Weinheim und Basel: Beltz.
Blömeke, S. (2009). Allgemeine Didaktik ohne empirische Lernforschung? – Perspektiven einer reflexiven Bildungsforschung. In Allgemeine Didaktik und Lehr-Lernforschung – Kontroversen und Entwicklungsperspektiven einer Wissenschaft vom Unterricht. Bad Heilbrunn: Klinkhadt.
Comenius, J. A. (1954). Grosse Didaktik (W. Flitner, Ed.). Düsseldorf und München: Verlag Helmut Kupper.
Dewey, J. (1916). Democracy and Education. The Macmillan Company. Retrieved April 22, 2011, from http://www.ilt.columbia.edu/publications/dewey.html
Dewey, J. (1993). Demokratie und Erziehung (Jürgen Oelkers, Ed.). Weinheim und Basel: Beltz.
Fuchs, T. (2009). Das Gehirn – ein Beziehungsorgan – Eine phänomenologisch-ökologische Konzeption. Stuttgart: Kohlhammer.
Gagné, R. M. (1973). Die Bedingungen des menschlichen Lernens. Hannover - Berlin - Darmstadt - Dortmund: Hermann Schroedel Verlag.
Gudjons, H. (2008). Pädagogisches Grundwissen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Hafner, K., & Lyon, M. (1997). Arpa Kadabra – Die Geschichte des Internet. Heidelberg: dpunkt.
Heimann, P., Otto, G., & Schulz, W. (1970). Unterricht – Analyse und Planung (Vol. 1/2). Hannover - Berlin - Darmstadt - Dortmund: Hermann Schroedel Verlag.
Helmke, A. (2009). Unterrichtsqualität und Lehrerprofessionalität – Diagnose, Evaluation und Verbesserung des Unterrichts. Seelze-Velber: Klett | Kallmeyer.
Kerres, M. (2005). Didaktisches Design und eLearning: Zur didaktischen Transformation von Wissen in mediengestützte Lernangebote. In D. Miller (Ed.), E-Learning: Eine multiperspektivische Standortbestimmung. Bern: Haupt Verlag.
40
Quellen
Klafki, W. (2007). Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Weinheim und Basel: Beltz Verlag.
Klauer, K. J., & Leutner, D. (2007). Lehren und Lernen – Einführung in die Instruktionspsychologie. Weinheim, Basel: Beltz PVU.
Kultusministerkonferenz. (2005). Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz – Erläuterungen zur Konzeption und Entwicklung. München, Neuwied: Luchterhand.
Marotzki, W. (1990). Entwurf einer strukturalen Bildungstheorie. Biographietheoretische Auslegung von Bildungsprozessen in hochkomplexen Gesellschaften. Weinheim.
Reich, K. (2006). Konstruktivistische Didaktik. Weinheim und Basel: Beltz.
Reinmann, G. (2011). Studientext: Didaktisches Design. München: Universität der Bundeswehr.
Rorty, R. (1992). Kontingenz, Ironie und Solidarität. Frankfurt am Main: Suhrkamp.
Schlömerkemper, J. (2009). Das Allgemeine in der Empirie und das Empirische im Allgemeinen. In K. - H. Arnold, S. Blömeke, R. Messner, & J. Schlömerkemper (Eds.), Allgemeine Didaktik und Lehr-Lernforschung. Kontroversen und Entwicklungsperspektiven einer Wissenschaft vom Unterricht (pp. 159–169). Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Schlömerkemper, J. (2010). Konzepte pädagogischer Forschung. Bad Heilbrunn: Klinkhardt.
Schulmeister, R. (2004). Didaktisches Design aus hochschuldidaktischer Sicht – Ein Plädoyer für offene Lernsituationen. Didaktik und Neue Medien. Konzepte und Anwendungen in der Hochschule, . Retrieved April 23, 2011, from http://www.izhd.uni-hamburg.de/pdfs/Didaktisches_Design.pdf
Schulmeister, R. (2007). Grundlagen hypermedialer Lernsysteme. München: Oldenbourg Verlag.
Thissen, F. (1997). Das Lernen neu erfinden: konstruktivistische Grundlagen einer Multimedia-Didaktik. in: Beck, U., Sommer, W. (Hrsg.): Learntec 97: Europäischer Kongreß für Bildungstechnologie und betriebliche Bildung, Tagungsband; S. 69-80; Schriftenreihe der KKA; Karlsruhe
Tomasello, M. (2010). Warum wir kooperieren. Berlin: Suhrkamp - Edition Unseld.
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Didaktik als diskursiver Theorie-Praxis-Raum
Wolfgang NeuhausAG Nordmeier
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