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WE CX CUSTOMER EXPERIENCE FORUM 4

CX Forum 4 Magazin

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WE CX

CUSTOMEREXPERIENCEFORUM4

Tick, tack – ein Bericht über den

Uhrenladen UhRSACHEN, über

Schweizer Qualität, über ver-

nachlässigte Kunden und eine

Branche auf der Kippe.

www.brandeins.de/archiv/

magazin/qualitaet-1/artikel/

tick-tack.html

NOCH MEHR WISSEN...Um auf dem Laufenden zu bleiben, den virtuellen Austausch mit der CX-Community zu pfl egen oder sich die Inhalte und Präsentatio-nen bisheriger Foren anzuschauen, empfehlen wir folgende Website: www.cx-forum.ch

VORABEND-PROGRAMMCX-

FORUM4

INHALTSVERZEICHNIS

3 BLICKWECHSEL Vorabendprogramm

4 KEYNOTE Vom Sorgenkind zur Attraktion

5 REFERAT

Kundenerlebnisse systematisch gestalten

7 FALLSTUDIE Swisscom

8 FALLSTUDIE Sonova

9 FALLSTUDIE Six Multipay 10 CX-FORUM Ein Tag in Bild und Wort

12 FALLSTUDIE

HPI / School of Design Thinking

13 FALLSTUDIE Telefonica O2 UK

14 FALLSTUDIE myphotobook

16 HERAUSFORDERUNGEN

17 DISKUSSIONSRUNDE

Der Weg zur Best Experience

18 REFERAT UND AUSBLICK STUDIE

Wie eignen sich Unternehmen Design

und Design Managementwissen an?

19 INITIANTEN CX-FORUM

& SWISSCOM BRAINGYM

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Liebe Customer Experience Pioniere

Dürfen wir euch noch so nennen? Sind wir noch Pioniere, nachdem wir in den vergangenen drei Jahren so viel für bessere Kundenerlebnisse gearbeitet haben? Was hat das Thema für eine rasante Entwicklung ge-macht! «Customer Experience Management» ist inzwischen zum Schlagwort für diverse Software-Anbieter geworden, die auf der Welle mitsurfen und entsprechende Tools verkaufen wollen. Leider kann man sich die passen-de Haltung nicht gleich mitbestellen. Die muss man sich nach wie vor hart erarbeiten. Dafür ist die Customer Experience Community (CX-Community) eine ideale Aus-tausch-Plattform. Vielleicht gewinnt das CX-Forum deshalb so an Strahl-kraft. Rund ein Drittel der 66 Teilnehmer kam diesmal aus dem Ausland. Es gab noch nie so viele Neue beim Forum. Sie sind eine Bereicherung für die Gemeinschaft, die sich auch im Internet auf www.cx-forum.ch trifft, um vonein-ander zu lernen. Jeder neue Teilnehmer kann möglicher-weise genau den Anstoss geben, auf den ein anderer gewartet hat. Das Forum als Institution sucht gezielt nach neuen Im-pulsen. Deshalb erarbeitet nun in unserem Auftrag Profes-sor Claudia Acklin an der Hochschule Luzern eine Studie zu Design Thinking, Design Management und Design Leadership (S. 18). Die 500 Franken, die diesmal für die Teilnahme fällig waren, fl iessen in dieses Projekt. Wir sind überzeugt davon, dass diese Investition ein Schritt in die richtige Richtung ist. Denn je tiefer wir in das Thema einsteigen, desto mehr wird uns bewusst, wie sehr wir noch Pioniere bei der Umsetzung von Design-denken in den Unternehmensalltag sind. Wir freuen uns, dass eine wachsende Gemeinschaft den Weg mit uns weitergeht.

Was klein, ja fast unbemerkt begann, hat sich an diesem CX-Forum 4 zu einem kleinen Höhepunkt entwickelt: der «Blickwechsel». Der Vorabend, früher Treffpunkt der Weitgereisten, ist heute Treffpunkt jener Teilneh-mer, die Lust auf einen vorabendlichen Perspektiven-wechsel haben – denn das ist das Credo des Abends: eintauchen in neue Welten, einen Blick hinter fremde Kulissen werfen, Bern entdecken und ganz nebenbei bei einem Glas Wein erste Kontakte knüpfen.

Die kleine Expedition namens «Blickwechsel» brach mit gut zwei Dutzend Teilnehmern Punkt halb sechs zum ersten Treff-punkt auf. Ziel: der kleine Uhrenladen UhRSACHEN. Einge-nestelt unter den Arkaden der Berner Altstadt, bekannt auch als UNESCO Weltkulturerbe, liegt das kleine «Delikatessenge-schäft» von Hans Erb, das die Herzen von Uhr-Liebhabern höher schlagen lässt. Für uns öffnete der Inhaber die Türen zu seinem Laden-Atelier und stand uns Rede und Antwort:

Herr Erb, beschreiben Sie uns Ihre Leidenschaft für Uhren? — Ich mag an den mechanischen Uhren das Nach-haltige, die Langlebigkeit von guten Produkten, die grosse Handwerkskunst auf kleinstem Raum sowie die enorme Vielfalt der Stile und Umsetzungen.

Die Auslage in Ihrem Geschäft ist klar, einfach und auf das Wesentliche reduziert – auf die Uhren. Es fehlen die grossen Uhrendisplays in den Vitrinen, Plakate, von denen ein glücklicher Roger Federer mit einer dicken Uhr am Handgelenk zu den Passanten runterlächelt. Welche Absicht steckt dahinter? — Es ist genau diese Reduktion auf die Uhren, die uns unterscheidet. Eine Uhr wird ja nicht besser, weil sie Boris Becker gegen fürstliche Bezah-lung trägt. Darum führen wir nicht die gängigen Mainstream-Labels, sondern arbeiten mit kleineren, unabhängigen Herstel-lern zusammen. Diese Art von Uhrenwelt hätte ich mir früher als Kunde von Uhrengeschäften immer gewünscht. Dass es offenbar nicht nur mir so geht, beweisen unser anhaltender Erfolg und unser starkes Wachstum in den letzten Jahren.

Bei unserem Besuch haben Sie gesagt, Ihnen sei ein Kunde lieber, der mit einer 700-Franken-Uhr und einem Lächeln aus Ihrem Laden geht, als einer, der zu Hause bereut, dass er 5000 Franken losgeworden ist. Sind Ihnen Umsatz und Gewinn tatsächlich egal? — Natürlich nicht, denn wir müssen uns ja auch an wirtschaftlichen Grund-sätzen orientieren. Aber wenn man ein wenig weiterdenkt und nicht auf den kurzfristigen Quartalszahlenerfolg aus ist, weiss man, dass der lächelnde Kunde sein Glück weitervermitteln und mithelfen wird, dass weitere Kunden unser Geschäft entdecken.

Nun ist ein Uhrenladen etwas anderes als z. B. ein Grossunternehmen wie Swisscom oder Credit Suisse. Glauben Sie dennoch, dass diese etwas von Ihrem Bei-spiel abschauen können? — Es ist sicher schwierig, als Grossunternehmen so stark auf individuelle Kundenwünsche einzugehen, wie wir das können. Ein eigentümergeführtes Geschäft ist auch immer etwas anderes, als wenn Sie Scharen von Angestellten haben, die eine Botschaft vermitteln sollen. Da muss man Prozesse und Abläufe standardisieren. Schön wäre es als Kunde von solchen Unternehmen, wenn man auch dort ein wenig (mehr) Freude vonseiten der Beraterinnen und Berater spüren könnte …

Herzlichen Dank, Herr Erb, für diesen kurzen Einblick in die faszinierende Welt der UhRSACHEN und weiter-hin viel Erfolg beim Freudebereiten.

Kaum eingetaucht in die Schweizer Uhrenwelt ging es vor dem Uhrenlokal gleich einen Stock tiefer – hinab in den Altstadt-keller. Dank der Stärkung in der Kühle des Gewölbes, dem Glas Tramdepot-Bier und dem Flammkuchen nahmen wir den zweiten Teil der Expedition beschwingt in Angriff. Hinauf ging es in die Wärme der Berner Gassen, vorbei an spielenden Jungtieren im Bärengraben und steil aufwärts in den Rosen-garten. Blühende Rosen, ein Schluck Wein, interessante Ge-spräche und ein bezaubernder Sonnenuntergang – so schön kann dinieren über den Dächern von Bern sein.

Blickwechsel heisst: vor Ort erleben, eintauchen, austauschen und geniessen!

BLICKWECHSEL: VORABENDPROGRAMM

PS: DIE NÄCHSTE ZWISCHENSTATION STEHT FEST:

DAS CX-FORUM 5 FINDET AM 10. NOVEMBER 2011 STATT.

(Näheres zur Anmeldung gibt es auf der Rückseite dieser Broschüre.)

Miriam Bleuler,Swisscom

Helmut Kazmaier,Stimmt

EDITORIAL

HANS ERB, ein Mann mit einer Mission: seinen Kunden die Liebe zu Uhren zu vermitteln

ÜBER PFLASTERSTEINE hinweg, durch die Altstadt …

… BIS IN DEN ROSENGARTEN mit Blick über die Stadt Bern

KUNDEN-ERLEBNISSE SYSTE-MATISCH GESTALTENC

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VOM SORGEN-KIND ZUR ATTRAKTION

KEYNOTE: VOM SORGENKIND ZUR ATTRAKTION

KLAUS-MICHAEL MACHENS, ZOODIREKTOR, ERLEBNIS-ZOO HANNOVER

Mit 1,6 Millionen Eintritten erreichte der Zoo Hannover 2010 einen Besucherrekord. Zu verdanken ist das der Ausrichtung auf das Kundenerlebnis.

Der Wandel zum Erfolg beginnt 1994. Marode, trist, unrentabel wird der Zoo Hannover für eine Deutsche Mark von der Stadt an die Region verkauft. Klaus-Michael Machens übernimmt die Geschäftsführung der neuen GmbH. Als Jurist, Politiker und Liebhaber von Jazz und Architektur fi ndet er es spannend, Kultur und Organisation zusammenzubringen.

JEDER HAT SEIN BEDÜRFNIS

Nackte Betonwände, Steinplatten als Klettergerüst, wenig Grün. So stellte sich der Zoo den Besuchern dar. Die Flusspfer-de etwa lebten in einem Bassin, das schon 15 Minuten nach der Reinigung so verdreckt war, dass man die Tiere nicht mehr sah. «Das war ein Problem für Mensch und Tier», erzählt Ma-chens 17 Jahre danach am CX-Forum in Bern. Doch Baumass-nahmen bedeuten Investitionen. Es stellte sich die Frage, wie Artenschutz, Bildung und Naherholung als öffentlicher Auftrag mit den Erwartungen der Besucher unter einen Hut zu bringen wären. Wer waren diese Besucher überhaupt? Klaus-Michael Machens wusste: «In den Zoo geht jeder, aber jeder hat sein eigenes Bedürfnis.» Eine Familie zum Beispiel sei alles andere als eine harmonische Einheit. «Die Interessen von Vater, Mut-ter, grossen und kleinen Kindern, Mädchen und Jungen sowie Grosseltern sind unterschiedlich.» Die Kinder wollen spielen, die Eltern sich entspannen. Machens hat deshalb für seine Kernzielgruppe «Familie» Spielplätze in Kombination mit Gas-tronomieangeboten anlegen lassen (die dem Zoo auch noch Umsatz bringen). Die Interessen der Familienmitglieder aber mit den wissenschaftlichen Zielen von Zoologen in Einklang zu bringen, ist ungleich schwieriger. Es sei ein grosser Irrtum, anzunehmen, dass die Besucher aus den gleichen Gründen in den Zoo kämen, aus denen er betrieben werde. Machens hat daraus eine Lehre gezogen: «Es ist gut zu wissen, was die Kunden wollen. Es ist besser zu wissen, warum sie es wollen.»

BOOTSFAHRTEN SIND BELIEBT

Machens ist ein Macher. Seine erste Aufgabe sah er darin, die Besucher zu erreichen. Das tat er mit einer populären Verpa-ckung hochwertiger Inhalte. Dazu bediente er sich unter an-derem der Erkenntnisse der Freizeitforschung. Die sagt: Boots-fahrten sind bel iebt. Also baute man einen Fluss im Sambesipark. Hier gleiten Boote vorbei an Zebras, Giraffen, Nashörnern und Antilopen. Insgesamt wurden im Zoo Hanno-ver sieben Themenwelten mit 68 neuen Gehegen für 266 Tierarten gebaut. Der neuste, 2010 eröffnete Themenbereich heisst Yukon Bay – die komplette Erlebniswelt eines kanadi-schen Hafenstädtchens, die den Umsatz um mehr als 70 Pro-zent steigerte. Bootsfahrten sind nicht nur beliebt, sondern auch teuer. Die Investitionen in die Themenwelten betrugen 111,9 Millio-nen Euro. So bat man die Zoobesucher, die Investitionen mitzufi nanzieren. Man hob den Eintrittspreis an. Er stieg seit 1994 von 5 auf 23 Euro für Erwachsene. Die Besucher zahlten klaglos. Die Erlöse pro Besucher stiegen um 242 Prozent, die Einnahmen von 2,8 auf 33 Millionen Euro. Der Preis hatte sich von einem politischen zu einem wirtschaftlichen entwickelt. «Die Begeisterung über das Produkt muss grösser sein als das Entsetzen über den Preis», ist Machens überzeugt.

UNTERHALTUNG MUSS SINNVOLL SEIN

Bei aller Begeisterung – der öffentliche Bildungsauftrag wird im Zoo Hannover genauso ernst genommen wie die Besucher. So lautet das Credo von Klaus-Michael Machens: «Unterhaltung muss sinnvoll sein. Der Zoo achtet auf sein fachliches Niveau.» 20 Scouts begleiten jährlich 50 000 Besucher auf 3100 Führun-gen und bieten Wissen. Tierpfl eger thematisieren als Entertai-ner ihre Aufgabe. Besucher können eigenhändig Gold schürfen. Spielplätze sind so wichtig wie die Tieranlagen. Shoppen ist so wichtig wie die Gastronomie. Bei all dem soll Glaubwür-digkeit das oberste Ziel bleiben. Gutachten scheute Machens wie der Teufel das Weihwasser. Er setzte auf Zusammenarbeit mit dialogfähigen Beratern, Architekten und Mitarbeitern sowie auf eine offene Diskussionskultur, in der Ideen intensiv vorangetrieben werden.

FREIRAUM FÜR MITARBEITER

Als der erste Tierpfl eger eine Vogelschau entwickelte, wurde er von den anderen noch belächelt. Aber dann entwickelten alle eine erstaunliche Eigeninitiative. Die Mitarbeiter in der Themenwelt «Meyers Hof» verkleiden sich als Bauernfamilie, in Yukon Bay trifft man kanadische Ranger. Vom Tierpfl eger bis zum Gastronomie-Mitarbeiter: Im Zoo Hannover arbeiten alle daran, den Besuch zu einem unvergesslichen Erlebnis zu machen.

Hochwertiger Bildungsinhalt – populär verpackt

ZOODIREKTOR KLAUS-MICHAEL MACHENS: mit viel Herzblut bei der Sache!

ZOO HANNOVER: viele Welten auf engstem Raum erleben

KEIN ZAUBERTRANK. Für den Erfolg kommt es auf

die richtige Mischung an.

Der Weg zum geglückten Kundenerlebnis verläuft vom Nutzen über die soziale Signifi kanz zur Emotion. Das erforscht Nils Hafner an der Hochschule Luzern mittels Laddering Technik und viel Einfühlungsvermögen.

Die Preisgestaltung des Zoos Hannover zeigt: Setzt sich ein Unternehmen systematisch mit dem Kundenerlebnis ausein-ander, kann es besser wirtschaften. Zur Erklärung blendet Nils Hafner zurück in die Welt der Siebzigerjahre. Damals hätten Kunden wenig Geld gehabt und mangels Information sei es kompliziert gewesen, etwas zu kaufen. Das Empfehlungsnetz-werk bestand aus fünfzig bis sechzig Personen. Die Folge: lange Nutzung von Produkten. Hafner nennt die Zeit «Pre-Consumer Era». Und heute? Noch wirkt die Wirtschafts- und Finanzkrise nach. Die «gefühlten» Budgets bei Unternehmen wie bei Pri-vaten sind knapp. Wenn Geld ausgegeben wird, muss es sich lohnen. «Doch wir machen mit immer mehr Leuten Geschäfte. Die Netzwerke wachsen», sagt Hafner. Heute hätten Entschei-dungsträger über 2500 dauerhaft verfügbare Internetkontakte. Unter ihnen fi nden sie für Kaufentscheide blitzschnell ein paar Dutzend Experten als Ratgeber.

DER GLÜCKLICHE KUNDE VERZEIHT AUCH FEHLER

Erleben – bewerten – weiterempfehlen. So laute der Dreiklang in der heutigen Post-Consumer Era, sagt der Professor der Hochschule Luzern. Wichtig dabei seien mehr als jedes Mar-keting die Emotionen. Langfristig entscheidend für den Unter-nehmenserfolg sei ein glücklicher, sicherer, umsorgter, wert-geschätzter und verstandener Kunde. Entscheidend warum? «Ein glücklicher Kunde verzeiht auch Fehler.» Doch zuvor gilt das Augenmerk der Entscheidungskette. Am Anfang steht das Bedürfnis, dann kommen die Optionen. Hafner nennt als Beispiel die Zielgruppe «Super Granny». Sie will den Enkel verwöhnen, beispielsweise mit ihm etwas erle-ben. Für Super Granny, alt und körperlich immobil, ist das Internet «eine tolle Sache». Sie googelt, befragt Freunde im Facebook, besucht spezifi sche Websites. Ihr Weg führt vom emotionalen Bedürfnis zu den für sie relevanten Touchpoints. Unternehmen sollten diese Berührungspunkte kennen, an denen über sie und ihre Produkte gesprochen wird. Nur so können sie ihre Kunden abholen. Doch was will die Super Granny wirklich? Um das heraus-zufi nden, setzt die Hochschule auf die Laddering Technik. Für das systematische Gestalten von Kundenerlebnissen sind folgende drei Fragen zum Erlebnisprozess der Kunden unab-dingbar:

> Was ist Ihnen positiv (oder negativ) aufgefallen? > Was bedeutet das für Sie?> Warum ist das für Sie wichtig?

TODESGEFAHR UND HAPPY END

Nicht zu vernachlässigen ist der Dialog mit den Kunden am richtigen Touchpoint. Schliesse ein Unternehmen bei Proble-men die Facebookseite oder lösche die Kommentare, gerate die Marke in Todesgefahr, meint Hafner und zeigt eine zensu-rierte Seite des deutschen Unternehmens Teldafax, das kürz-lich Insolvenz angemeldet hat. «Die Vogel-Strauss-Methode bringt auch nichts», so Hafner. «Wenn Sie Ihre Marke nicht in den Social-Media-Netzwerken vertreten, dann tut es jemand anders». Wie bei der Schweizer Grossbank UBS, die ganz of-fenbar nicht die Facebookseite steuert, die unter ihrem Namen betrieben wird. Auch auf Twitter sei keine Frage zu lächerlich, um nicht im Sinne eines Customer Service beantwortet zu werden. Die Beratung im Internet muss für den Kunden ein positives Erlebnis sein. Dadurch wirkt sie aus der virtuellen in die reale Welt. Sowohl der Zoo Hannover als auch die Hochschule Luzern setzen auf emotionale Touchpoints. «Wir arbeiten bei den Be-fragungen mit Geschichten», sagt Nils Hafner. Zur Illustration zeigt er ein Video von der Roadshow von Egger, dem österrei-chischen Hersteller von Holzprodukten. In einem umgebauten Lastwagen können Kunden Holzprodukte anfassen und virtu-ell in verschiedenen Anwendungen ausprobieren. So wird das Ausgangsprodukt für den Kunden erlebbar. Das Happy End der Beziehung zum Kunden besteht laut Professor Hafner in der Erinnerung an ein beglückendes Erleb-nis und der Weiterempfehlung über dessen Netzwerk. «Die Abfolge der Bedürfniscluster verläuft vom Nutzen über die soziale Signifi kanz zur Emotion», so der Professor. «Oder anders gesagt: Ohne Kundenerlebnis keine bedeutsame Marge.»

Ohne Erlebnis keine bedeutsame Marge

MIT WITZ UND INHALT: Edutainer Nils Hafner

DIE LADDERING TECHNIK: vom abgefertigten zum

glücklichen Kunden

ERKENNTNISSE

Es ist gut zu wissen, was die Kunden wollen. Es ist besser zu wissen, warum sie es wollen.

Hochwertige Inhalte brauchen eine populäre Verpackung.

Nur begeisterte Mitarbeiter können begeisterte Kunden schaffen.

REFERAT: KUNDENERLEBNISSE SYSTEMATISCH GESTALTEN

PROF. DR. NILS HAFNER, HOCHSCHULE LUZERN UND CUSTOMER COMPETENCIES INSTITUT

SWISSCOM«Mehr drin für Sie»

«Mit der Customer Experience verhält es sich wie mit einem Auto: Einzelne Komponenten fahren nicht. Aber auf das harmonische Zusammenspiel der einzelnen Komponenten fahren Kunden ab.»

FALLSTUDIE: SWISSCOM

NICO CASTAGNA

«Mit Schleuderpreisen Kunden gewinnen ist wie mit Doping Gold gewinnen», so Nico Castagna, Experience Developer der Swisscom. Genau wie Doping sind Lockangebote nicht nur unsportlich, sondern machen auf Dauer kaputt. Bei «3 für 2»- oder «Grundgebühr geschenkt»-Angeboten verabschiedet sich der Kunde schnell wieder, wenn ein Mitbewerber das Lockange-bot noch tiefer ansetzt – und die Preisspirale dreht sich erbarmungslos nach unten. Doch mit Angeboten, die den Kundenbedürfnissen entsprechen, kann man dem «Preis-Doping» entkommen – vorausgesetzt man bietet den Kunden Mehrwert und Zusatznutzen.

Die Swisscom hatte ein klares Ziel vor Augen: Anstelle von einzelnen Produkten wollte das Unternehmen seinen Kunden Angebotsbündel bieten, die so attraktiv sind, dass der Preis – wenn überhaupt – nur eine sekundäre Rolle spielt. Das Angebot sollte in erster Linie die Kundenbedürfnisse in der Welt der Kommunikation und Unterhaltung treffen. Zudem soll es leben und sich entwickeln, es sollte einfach sein und trotzdem per-sonalisierbar, es sollte Orientierung bieten. Doch wie gestaltet man ein solches Angebot?

INTERDISZIPLINÄRES TEAM «OLYMPIA»

Best Experience war ein neues Thema innerhalb der Swisscom. Die Ambition für die neue «Bundlewelt» wurde vom Top- Management und auf CEO-Ebene abgesegnet. Ein neues, in-terdisziplinäres Team konnte mit der Erarbeitung eines erfolg-reichen Angebots loslegen. Dieses Team nannte sich Olympia: «Die olympischen Ringe verkörpern Einheit und Begegnung: Das Projektteam trat als interdisziplinäre Einheit an, um ge-meinsam Lösungen zu entwickeln», so Nico Castagna. Regel-mässige Trainingstage für gemeinsames Gestalten im «Trai-nings-Camp» (BrainGym) dienten dazu, neue Ideen und Ansätze zu generieren. Das Team arbeitete mit den kuriosesten Kreativmethoden. «So stellten wir uns die Frage, was wäre, wenn das Angebot ein Haustier wäre. Es lebt, entwickelt sich, ist treu, kann Kunststücke und so weiter. So konnten wir be-stehende Muster durchbrechen», blickt Nico Castagna zurück. Schliesslich bediente sich das Team der besten Methoden im Experience Design und nahm sich unterschiedliche Industrien als Vorbild bei der Gestaltung: beispielsweise die Autoin-dustrie für das Thema Entwicklung, das Happy Meal von McDonald’s für personalisierbare Einfachheit oder die Hotel-lerie mit ihrem Sternesystem für das Thema Orientierung.

BEWUSSTES GESTALTEN ENTLANG

DER KUNDENERLEBNISKETTE

«Wir sind davon überzeugt, dass Kunden gerne für Mehrwert bezahlen», erklärt Nico Castagna. Deshalb war es wichtig, die Angebote mit bedarfsgerechtem Zusatznutzen zu bereichern. Hierfür wurde in einem ersten Schritt das Soll-Erlebnis gestal-tet und auf einem grossen Plakat visualisiert, um durch diese Präsenz auch ein entsprechendes Gewicht zu erlangen. Es zeigt die Soll-Kundenreise, symbolisiert anhand von Reben mit Ästen, Zweigen und Blättern. Hinzu wurden die entsprechen-den Anforderungen an die jeweiligen internen Bereiche und Kunden-Interaktionspunkte definiert, welche das Erlebnis beeinfl ussen. Dies wurde teamübergreifend erarbeitet und aus Sicht der Kunden formuliert. «Die Summe der Interaktionen ergibt das Erlebnis Swisscom», so Nico Castagna. Ein wichtiger Erfolgsfaktor war auch, die Kolleginnen und Kollegen aus Contactcenter und Shops bei der Gestaltung einzubeziehen. Diese verfügen über ein immenses Kunden-wissen und sind quasi die ersten Käufer. «Die Begeisterung vom Team Olympia konnten wir in das gesamte Unternehmen tragen, indem wir die Mitarbeiter involviert und ihnen das WARUM erklärt haben», so Nico Castagna. Eine einheitliche und auf die Kanäle angepasste Schulung war zentrales Element. Schliesslich sollte an allen Touchpoints ein einheitliches Ver-ständnis zu den neuen Paketen herrschen, um ein durchgän-giges Kundenerlebnis zu erreichen. Mit Vivo Casa hat die Swisscom nun ein Power-Bündel für Festnetz, Internet und Digital-TV geschnürt. Kunden können zwischen drei Intensitätsstufen wählen: Dem 3-Sterne Basis-Paket für den sanften Einstieg, dem 4-Sterne Komfort-Paket für Intensiv-Nutzer und dem 5-Sterne Top-Paket für User mit höchsten Ansprüchen. «Das bietet Orientierung und erleichtert die Auswahl», fasst Nico Castagna zusammen.

ERFOLGE

Das Bundle erfreute sich von Anfang an grosser Beliebtheit bei den Kunden. Nach einem Jahr intensiver Vorbereitungsarbeit nutzen heute bereits über 100’000 Kunden das neue Angebot und generieren dadurch einen höheren durchschnittlichen Umsatz als davor. Und das Team wird weiter an dem Projekt arbeiten – stets den Kunden und seine Bedürfnisse im Fokus.

ERKENNTNISSE

Das gemeinsame Ver-ständnis vom idealen Kundenerlebnis hilft, in der Umsetzung auch bei Herausforderungen stets die Kundenper -spektive einzunehmen.

Gemeinsames Gestalten und Einbinden der Mitarbeiter schafft Verständnis und Begeisterung, beschleunigt die Umsetzung und ver-ringert den Koordinations-aufwand.

Teams erreichen Höchst-leistungen, wenn sie Frei-raum in der Gestaltung geniessen und Verantwor-tung übernehmen können.

DIE KUNDENERLEBNISKETTE Ausgangspunkt für ein gemein-

sames Verständnis

ERFOLGSGEHEIMNIS ZUSAMMENARBEIT: Jeder muss etwas beitragen.

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SONOVA SIXMULTIPAY

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Das erste CX-Forum 2009 gab wertvolle Inputs für ein Umdenken beim Absatz von Sonova-Hörgeräten. Es war ein Umdenken vom Ohr zum Menschen und von der Technik zum Individuum.

Vor zwei Jahren war Customer Experience für Sonova noch kein gelebter Begriff. «Wir entwickeln, produzie-ren und verkaufen Hörgeräte. Das ist ein BtoB-Ge-schäft, das auch ohne CX funktioniert», sagt Cornelia Brauer. Doch das Fazit war ernüchternd: 16 Prozent der Gesamtbevölkerung haben Hörprobleme. Von 1000 Personen, die das feststellen, gehen 750 zum Arzt. Der Arztbesuch bleibt in rund der Hälfte aller Fälle ohne Folgen. Nach sieben Jahren kaufen gerade mal 150 oder 15 Prozent ein Hörgerät. Trotz günstiger demo-grafi scher Entwicklung und steigenden Potenzials: eine magere Ausbeute!

Cornelia Brauer fasste einen Marketingauftrag und schritt zur Analyse der «Patient Journey». Die Menschen haben gegenüber Hörgeräten verschiedenste Vorbehalte. Sie meinen zum Bei-spiel, dass diese pfeifen würden oder unhandlich seien. Aus-serdem ist ihnen ihr Handicap peinlich. Brauer sichtete beste-hendes Studienmateria l und führte quantitative und qualitative Befragungen durch. Danach war sie «fast so schlau wie vorher», da viel Bekanntes bestätigt wurde. «Wir hatten immer noch nicht richtig verstanden, warum so viele Kunden aus der möglichen Behandlung rausfallen.»

OUT OF THE COMFORT ZONE

Brauer wollte näher ran und wählte den schwierigsten Weg – raus aus der Komfortzone. Zusammen mit Nicole Brandes trat sie die Reise zu den Kunden in ganz Deutschland an. Jetzt kamen die Augenblicke der Wahrheit: «Wir sahen die Hörge-schädigten bisher nur als Ohr», erzählte Brandes. Dass die Patienten die Hörtests und die Auseinandersetzung mit der Technologie als Stress empfanden, war niemandem bewusst. Mit drei Monaten und acht Terminen war der Kaufprozess zudem lang und zeitaufwendig. Zurück in der Firma legten Brandes und Brauer dem Ma-nagement eine vier Meter breite «Patient Journey» vor. Diese Visualisierung verdeutlichte den Entscheidern das Problem. Auf dem Riesen-Papier war jede einzelne Phase bis zum Kauf eines Hörgeräts festgehalten. Die Reise verläuft über verschie-

dene Erfahrungsbereiche von der richtigen Sprache im Moment des ersten Hörverlusts über die Zusammenarbeit mit dem Hausarzt, die Einbindung des Hörgeräts im Alltag bis hin zum längst vergessenen Wahrnehmen von Vogelgezwitscher. Die engagierten CX-Vorkämpferinnen erzählten emotionale Geschichten von Menschen, die sieben Jahre warten, bevor sie Hilfe bekommen. Sich das klar zu machen, hat vielen im Unternehmen geholfen, den Kunden als Menschen wahrzu-nehmen. «Heute wissen wir, was der Kunde wann erwartet», sagen Brauer und Brandes, «denn wir haben den Menschen als In-dividuum in den Mittelpunkt gestellt. Über das Hörgerät kamen wir zur Kundenbeziehung.» Deren Basis sind Vertrauen, Moti-vation, Bewusstsein und Engagement.

EINE BEZIEHUNG FÜR DEN REST DES LEBENS

Diese Kundenbeziehung wird geprägt durch die Kette von Erlebnissen der Kunden mit ihrem Hörgerät und mit Sonova. Sie beginnt mit dem Kauf des Hörgeräts und dauert für den Rest des Lebens. «Das ist eine sehr, sehr schöne Aufgabe», fi nden Nicole Brandes und Cornelia Brauer. Diese neue Betrach-tungsweise hat Folgen: Ende Jahr sollen zwei Prototypen neuer Shop-Designs sichtbar werden. Die Kunden sollen sehen, dass sie bei Sonova nicht nur ein Hörgerät kaufen, sondern auch weiter begleitet werden. Das dient auch den Ärzten, die Sonova empfehlen. Treue und zufriedene Sonova-Kunden wer-den auch treue und zufriedene Patienten sein. So aufgestellt braucht der Marktführer keine Angst vor der Konkurrenz zu haben. «Wir haben nichts dagegen, wenn sich die gesamte Branche entwickelt.» Alles in allem sind die beiden Pionierinnen zufrieden: «Wir sind zwar noch nicht so weit, dass jeder Firmenmitarbeiter CX wirklich lebt und versteht. Aber wir sind sehr viel weiter als noch vor zwei Jahren.»

FALLSTUDIE: SONOVA

NICOLE BRANDES & CORNELIA BRAUER

DAS ZIEL: unglückliche Kunden glücklich

machen!

INSPIRIERT waren nach der Fallstudie auch die Zuhörer.

Vom Hörgerät zur Kundenbeziehung

ERKENNTNISSE

Um zu wissen, was der Kunde zu welchem Zeit-punkt braucht, gehört der Mensch als Individuum in den Mittelpunkt.

Die Basis für gegenseitiges Verstehen in der Kunden-beziehung sind Vertrauen, Motivation, Bewusstsein und Engagement.

Nicole Brandes und Cornelia Brauer: «Das erste CX- Forum gab uns die Inspira-tion!»

Customer Experience in der Praxis. Wissen, was die Kunden wollen.

Six Multipay hat schon vor fünf Jahren seinen Markt aus Kundensicht segmentiert, hat Customer Journeys erhoben und auf Kunden zugeschnittene neue Angebotskombinationen konzipiert. Trotzdem ist nicht alles optimal gelaufen.

FALLSTUDIE: SIX MULTIPAY

DON NGUYEN-QUANG

Dôn Nguyen-Quang, der Leiter von Marketing und Corporate Services des Spezialisten für bargeldloses Bezahlen, lässt sich nicht so schnell entmutigen. Ge-rade arbeitet er an einem neuen Versuch, die Kunden-orientierung bei Six Multipay zu verbessern. «2006 haben wir erstmals eine Kundenbefragung durchge-führt – und feststellen müssen, dass wir ein Problem haben.»

Telekurs Multipay, wie das Unternehmen vor der Fusion mit Six hiess, versorgt grosse wie kleine Detailhändler mit Karten-terminals und dem dazugehörigen Service. Diese Kunden antworteten auf die Frage nach ihrer Beziehung zum Dienst-leister mit Sätzen wie: «Im Moment haben wir kein Verhältnis, wir sind über Terminals verbunden, aber sonst keine Bezie-hung. Das ist ein bisschen schade.»

QUICK WINS AUS DER BEFRAGUNG

Der Dialog mit den Kunden musste besser werden. Regelmäs-sige Kontaktaufnahmen zu den Kunden wurden fest eingeplant. Ein Kunde, der seinen Vertrag kündigte, sollte wenn möglich zurückgewonnen werden. Das Kundenmagazin galt fortan als Dialogmittel und wurde entsprechend umgestaltet. «Vor allem aber wollten wir unsere Kunden besser verstehen. Dazu haben wir 2007 die marktorientierte Segmentierung begonnen.» Die Terminals für den bargeldlosen Zahlungsverkehr vergleicht Dôn Nguyen-Quang mit Schwangerschaftstests. Eine Marke, die sich auf die Zielgruppe der Frauen mit Kinderwunsch konzentriert, sei im Regal in der Nähe von Ovulationstests zu fi nden und mit Babybildern dekoriert. Eine Marke, die sich an Frauen wendet, die nicht schwanger werden wollen, bietet man bei den Kondomen an. Das Bedürfnis der Kunden bestimmt die Positionierung des Produkts.

FÜNF KUNDENSEGMENTE

Die Experten um Dôn Nguyen-Quang machten fünf Segmente unter den Kunden aus. Sie sind sicherheitsorientiert, preis-leistungs-orientiert, vertrauensvoll, Entwickler und Abwickler. Schlüsselfragen führten zu der Zuordnung. Jede der Gruppen hat individuelle Wertvorstellungen und eigene Bedürfnisse. (Die dynamischen Entwickler fordern beispielsweise Schnel-ligkeit und neue Angebote.) «Diese Segmente sollten nun nicht länger alle die gleiche Botschaft im Mailing bekommen. Wir haben genau überlegt, welche unserer Eigenschaften wir bei welchem Kundensegment besonders herausstellen.»

Den Weg zu mehr Kundenorientierung wollte das Unter-nehmen auch in der Neuformation als «Six Multipay» weiter-gehen. Aus «Customer Orientation» wurde das Projekt «CuOr». Kundenerwartungen für alle Touchpoints wurden abgefragt und je nach Segment gewichtet. (Der Sicherheitsorientierte legt beispielsweise sehr viel Wert auf die Zeit, die der Aussen-dienstler ihm widmet.) Mit der Conjoint-Analyse wurden die Produktkonzepte genau auf die Kunden abgestimmt. Die Un-tersuchung mündete schliesslich in der Forderung nach neuen Dienstleistungspaketen, die den Service und den Terminal-Verkauf zusammen betroffen hätten. «An diesem Punkt schei-terte die Idee – das Management wollte damals noch keine so tief greifende Umstellung.»

«VOR DREI JAHREN WAREN WIR EINFACH ZU FRÜH»

Das hat sich inzwischen geändert. Six Multipay hat sich reor-ganisiert. Nun kann «CuOr revisited» greifen. Mithilfe eines archetypischen Idealkunden, der Persona «Marcel Duchamp», ist der Webshop von Six Multipay optimiert worden. Die For-derung der Kunden, alle Dienstleistungen rund um das bar-geldlose Bezahlen aus einer Hand zu bekommen, wird nun doch realisiert. «Und erfreulicherweise konnten wir beim Schnüren der neuen Dienstleistungspakete vier der Ideen wieder aufgreifen, die wir vor Jahren schubladisieren mussten», freut sich Dôn Nguyen-Quang. Manchmal braucht es eben etwas länger, bis das Unternehmen bereit ist, Kundenorientie-rung mit aller Konsequenz zu leben.

ERKENNTNISSE

Kundenorientierung ist nur möglich, wenn man die Bedürfnisse des Kunden kennt. Kundensegmente machen die Orientierung praktikabel.

Jedes Produkt kann in seinen Eigenschaften oder in seiner Darstellung den Kundenbedürfnissen ange-passt werden.

Ein langer Atem lohnt sich –es kann etwas dauern, bis sich der Gedanke an konse-quente Kundenorientierung überall im Unternehmen durchgesetzt hat.

DON NGUYEN-QUANG kämpft für die Kundenorientierung bei Six Multipay.

KUNDENERLEBNISZONEN Am besten nach oben rechts!

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Es gibt viele Gründe, das CX-Forum in Bern zu besuchen. Einige Teilnehmer haben ihre persönlichen Motive verraten.

DER CX-FORUM TAG IN BILD UND WORT

CONRAD SCHRÖPEL, HOTEL «RATHAUS» WIEN Ich komme aus einem kleinen Design-hotel und versuche hier herauszufi ltern, was ich von anderen Branchen über-nehmen kann. Es passt nicht immer alles, aber es ist sehr interessant.

SILJA PALM, CREDIT SUISSE Seit einem Jahr setze ich mich mit CX auseinander.

Hier habe ich die Chance auf einen anderen Blickwinkel. Ich sehe, wie es andere machen, bekomme neue Ideen, selbst wenn sie aus anderen Branchen stammen. Da muss man eben abstrahieren.

KERSTIN LINDERMANN, VERSICHERUNGSKAMMER BAYERN Ich war lange in der Telco- Branche und bin vor zwei Jahren zu den Versicherungen ge-wechselt. Dort fehlt es oft schon an einfacher Kundenorientierung. Zum Bewusstsein für die Ge-staltung von Kundenerlebnissen ist es noch ein weiter Weg. Ich suche hier Erfahrungsaustausch mit anderen, sodass ich besser Projekte zu CX aufsetzen kann.

MANJA LIEBRENZ, ERGO Ich tausche mich unheimlich gern mit anderen Menschen aus. Das ist hier möglich.

Einerseits kann man konzen-triert arbeiten, andererseits konnte ich aber auch meine neu-en Erfahrungen weitergeben, die ich im Bereich CX gemacht habe. Der Anlass ist begeisternd.

LARS DIENER-KIMMICH, SWISSCOM Man trifft hier in sehr kurzer Zeit sehr viele unterschiedliche Peers und Cham-pions aus anderen Unternehmen. Natürlich kann man nicht jede Idee, von der man erfährt, eins zu eins umsetzen, aber es hilft schon, wenn man jemanden trifft, der einen auf dem eigenen Weg bestätigt.

MATTIAS LEIMGRUBER, MANOR CX ist ein Thema, um das man nicht herumkommt, egal in welcher Branche. Es gibt meines Wissens keinen besseren Ort, um sich mit Experten und Pionieren auszutauschen.

SIMON BLAKE, FREIER DESIGN THINKING TRAINER Ich fi nde das CX-Forum deshalb so gut, weil es einen Blick hinter die Kulissen eines span-nenden Themas bietet. Man bekommt den einen oder anderen Tipp zum Bühnenaufbau von Leuten, die sich tagtäglich mit dem Thema beschäftigen und die dieselben Prob-leme haben wie man selber.

KATHARINA BÜELER, BASLER VERSICHERUNG Das Forum ist eine Kraftquelle für mich. Ich komme hierher, weil ich mit allen Leuten sofort in spannende Diskussionen einsteigen kann. In unserem Unternehmen leben wir wie in unserer eigenen Welt. Hier sehen wir, wie es den anderen geht.

CLAUDIA BIENENTREU,AXA WINTERTHUR Ich bin hergekommen, um aus den Fallstudien zu lernen und um Kontakte zu knüpfen. Man geht mit guten Learnings zurück in den Job.

DANIEL MUTHER, MIGROS Mir gefällt der Austausch mit Gleichgesinnten. Ich habe gesehen, dass die Thematik CX bran-chenübergreifend an Bedeutung gewinnt und alle mit den gleichen Problemen kämpfen. Das Forum ist sehr gut organisiert. Die Fallstudien sind inte-ressant und werden in angenehmer Atmosphäre präsentiert.

NICOLE BRANDES, SONOVA Das Forum ist für uns eine Stimu-lation von aussen. Vor zwei Jahren haben wir gemerkt, dass man hier branchenübergreifend diskutieren kann. Man sieht, wie andere mit ihren Problemen umgehen. Jetzt haben wir eine Fallstudie präsentieren können.

MARKUS HUG, NZZ LAB Ich habe auch schon am Blickwechsel am Vorabend teilgenommen und mich von Anfang an sehr will-kommen gefühlt. Das CX-Forum bietet tolle Custo-mer Experience in Theorie und Praxis.

MICHAEL GALLA, 1 & 1 INTERNET Ich schätze den Austausch von Praxis zu Praxis in dieser noch jungen Dis-ziplin CX. Es ist hilfreich, von anderen Kollegen zu erfahren, wie sie damit umgehen. Das Forums-Format gefällt mir, es ist funktionell und pragma-tisch. Die Vernetzung mit künftigen Sparringspartnern tut gut, und ich habe konkrete erste Lösungsansätze gefunden.

HPI / SCHOOL OF DESIGN THINKING

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Wie man Schmutz in Blumen verwandelt

Einen Staubsauger neu zu erfi nden war für die Studierenden der School of Design Thinking eine reizvolle Aufgabe. Zumal es ein spannendes Rätsel zu lösen galt: Warum verkauft sich eine Marke in Osteuropa hervorragend und im Westen kaum?

FALLSTUDIE: HPI / SCHOOL OF DESIGN THINKING

ANASTASIA GRAMATCHIKOVA, SARAH LÖFFLER, JULIANE LÖFFLER

UND IHR COACH SIMON BLAKE UND MANFRED DONATH, REINHARD STÜCHER

(ROBERT THOMAS METALL- UND ELEKTROWERKE)

In gut einem Drittel der russischen Haushalte steht ein Staubsauger der Marke Thomas. Das Besondere daran: Er arbeitet ohne die sonst üblichen Filtertüten aus Papier. Der aufgesogene Dreck wird in einem Wasser-reservoir im Innern des Geräts aufgefangen. Die Rei-nigungsleistung ist grossartig, der Geruch der Abluft ist frisch, der Preis des Geräts wird allgemein akzep-tiert. Und doch verkaufen sich die Thomas-Sauger im Westen nur mit Mühe. Die Studenten der HPI School of Design Thinking machten sich auf die Suche nach Ur-sachen und Lösungsmöglichkeiten.

«Wir haben ‹Thomas› in die WG geschickt», erzählt Sarah Löffl er. «Dabei wollten wir sehen, wo in der User Journey Probleme liegen.» Schon die Montage des Vorführgeräts hatte ihre Tücken. Die Versuchskaninchen in der Wohngemeinschaft hatten Pro-bleme, die vielen Zubehörteile richtig zuzuordnen. Die Ge-brauchsanweisung erwies sich als sehr unhandlich. Die eigent-liche Nutzung, das Staubsaugen, verlief dagegen ohne Schwierigkeiten. Dann aber kam der dritte Abschnitt der Jour-ney: das Reinigen des Wasserfi lters. «Der Filter muss ausgespült werden – und das fanden alle Tester unglaublich eklig.»

ENTRÜMPELN DER MONTAGEANLEITUNG

Die Studenten hatten also ihre Aufgabe gefunden: «Wie könn-ten wir das Nutzungserlebnis von Staubsaugern mit Wasser-fi lter in Familienhaushalten vereinfachen?», formulierten sie im Rahmen des «Creative Reframing». Die erste Baustelle, die Montage, liess sich nach dem Erkennen des Problems recht schnell entschärfen. Statt eines überfrachteten Booklets gibt es nun einen Quick Guide, der auf zwei A4-Seiten die ersten Schritte zum Saugen erklärt. Zubehörteile, die für die

zweite Nutzungsoption, das Nasssaugen, benötigt werden, liegen – mit einem zweiten Quick Guide – dem Originalkarton nun in einer separaten Tasche bei.

SCHMUTZ INS WC?

Das unappetitliche Filterreinigen erforderte mehr Kreativität. «Wir haben uns zuerst zu Experten gemacht», erzählen die Studenten. In der Staubsaugerfabrik und in der Kläranlage lernten sie, wie der Dreck in den Sauger kommt und was da-nach aus ihm wird. Dann kam die Zeit der Experimente. «Wir haben gespielt und viele Prototypen gebaut, um einer Lösung näher zu kommen», so Anastasia Gramatchikova. «Wild thin-king» war wichtig. Man unterwirft sich so wenigen Restrikti-onen wie möglich, um innovativere Ideen zu bekommen. Fragen nach der Preisgestaltung oder der Konkurrenzsituation waren also in dieser Phase völlig unerheblich. Wichtiger war die Idee: «Thomas» sollte aufs Klo gehen! Das Schmutzwasser sollte über einen Schlauch ins WC eingeleitet werden. Dum-merweise fanden die Versuchs-Nutzer diesen Plan gar nicht charmant. Das Ekel-Problem war noch nicht gelöst.

DIE WINDEL-VISION

Die Studentengruppe arbeitete an einer neuen Vision. Ihr idealer «Thomas» wäre handlich, würde Bescheid sagen, wenn der Filter verdreckt ist, und liesse sich im Handumdrehen reinigen. Und genau so einen Prototypen bauten die jungen Leute mithilfe der Robert Thomas Metall- und Elektrowerke. Der Clou: Sobald eine Kontrollleuchte signalisiert, dass der Filter voll ist, drückt der Nutzer einen Knopf. Das Schmutzwas-ser wird in ein zweites Reservoir gepumpt, in dem sich ein Superabsorber befindet. Dieses Pulver verdickt Dreck und Wasser zu einem Gel – und das kann man schlicht auf den Kompost werfen, wo es zu Blumenerde verrottet. Der Super-Absorber befi ndet sich heute schon in jeder Windel. Er ist also leicht verfügbar. Die Ingenieure arbeiten jetzt nur noch an der idealen Pump-Lösung. Dann aber könnte der neue «Thomas» auch den westeuropäischen Markt erobern.

ERKENNTNISSE

Durch das Erstellen einer User Journey erkennt man Herausforderungen – hier z. B. das unterschiedliche Ekel-Empfinden in Ost und West.

Ein Unternehmen kann durch den naiven Blick von aussen (von den eigentlich fachfremden Studenten) sehr profitieren.

Bei der Produktentwicklung reicht es nicht, Kunden nur vorab zu befragen. Ertrag-reicher ist es, Zwischener-gebnisse mit Nutzern zu testen und so das Produkt zu optimieren.

DER ENTWURF: von der Idee zur Realität

PROTOTYPING. PROTO-TYPING. PROTOTYING …

TELEFONICA

O2 UKCustomer Centered Design bei O2

«Nicht mehr Kunden, sondern bessere Kunden waren das Ziel von O2 in UK. Warum? Weil Fans drei Mal so lange bleiben, zwei bis drei Mal so viel Geld im Unternehmen lassen, Fehler verzeihen, auch andere Produkte kaufen, O2 weiterempfehlen und uns vertrauen.»

FALLSTUDIE: TELEFONICA O2 UK

MARKUS HOHL

Mit 12’000 Mitarbeitern und 22 Millionen Kunden ist O2 die siebt-wertvollste britische Marke im Vereinig-ten Königreich. Die berühmte Konzertarena und Prio-rity Ticketing für Kunden erfreuen sich grosser Be-liebtheit. Auch die O2 Gurus – Technikfreaks, die Kunden kostenlos in den Shops beraten – sowie Social Media Supportkanäle wie Facebook, Webchat oder Youtube lösen Begeisterung aus. Doch Kundenerleb-nisse dürfen nicht dem Zufall überlassen werden. Deshalb entschied sich O2 für die Einführung von konsequentem Customer Centered Design.

Customer Centered Design als Werkzeug für eine tolle O2 Experience sollte zu messbaren Ergebnissen von einer Million mehr treuer Kunden und einer höheren Rendite beitragen. Ein ehrgeiziges Ziel in einem gesättigten Markt. Doch in fünf Schritten machte Markus Hohl mit seinem Team die Customer Experience zu einem zentralen Unternehmensfaktor, der heu-te nicht mehr wegzudenken ist.

IN FÜNF SCHRITTEN ...

1. Richtlinien für Customer Experience: «Feels like O2». Aus dem O2 Markenversprechen und den Brand Guidelines entstanden Richtlinien für eine klare Customer Experience. Hierbei folgte das Team vier Leitgedanken: Die Experience sollte frisch, hilfreich, ehrlich und persönlich sein. «Vertrauen ist die Grundlage für jede gute Kundenbeziehung. Deshalb ist es so wichtig, dass wir nur das versprechen, was wir auch halten können», so Markus Hohl. 2. Design-Prozess mit Kunden im Fokus: Wie regt man eine gute Experience an? «Wir haben einen Design-Prozess gestaltet, der den Kunden im Fokus hat», blickt Markus Hohl zurück. Dieser neue Prozess visualisiert die fünf Phasen von der Vision bis zum Launch. «Wichtig war hierbei, dass die Idee, die Vision für ein Produkt so formuliert ist, dass sie jeder ver-steht.» Wie ein Produkt oder der Service aus der Sicht des Kunden gesehen werden sollte, erarbeitete O2 mit einem Kern-team von Experten und Kunden.

Danach wurde getestet, überprüft, implementiert und schliess-lich auch gelauncht. Nach Meinung von Hohl vernachlässigen viele Experience-Projekte die Kundenperspektive, wenn sie Projekte in die Praxis umsetzen. 3. Team mit allen wichtigen Stakeholdern: Ein interdiszi-plinäres Customer Centered Design Team unter der Leitung von Markus Hohl schloss sich zusammen. Es besteht aus den Hauptakteuren von Marketing und Operations, Sales & Service und wird unterstützt von New Business, Finance, HR, Corpo-rate und – last but not least – dem CEO. 4. Entscheidungsbefugnis: Ohne Entscheidungen und Kontrolle ist selbst die beste Idee zum Scheitern verurteilt. Deshalb installierte O2 eigene «Committees» mit Entschei-dungsbefugnis und Controlling-Funktionen bezüglich der fi nanziellen Performance der Aktivitäten sowie eine «Clinic» für die laufende Unterstützung der Anwender des Design-Prozesses. 5. Einbeziehung der Mitarbeiter: Training und Motivation aller Beteiligten ist ein wichtiger Baustein bei der Einführung einer CX-Strategie. Hier arbeitet O2 mit einem «How-to Guide»: Jede Prozessstufe wurde kurz beschrieben, inklusive ge-wünschtem Ergebnis. So konnte vom Projektverantwortlichen bis zu den unterstützenden Teams jeder laufend überprüfen, wo man steht und wie es weitergeht. Bei der Ausbildung kamen Animationen, E-Learning, Ganz- und Halbtageskurse sowie Spezialisten-Trainings zum Einsatz. Bis dato wurden über 500 Mitarbeiter in Customer Centered Design geschult.

... ZUM ERFOLG

«Customer Centered Design ist wie ein grosses Netz, das über die ganze Firma geht. Es hat sich bewährt, dass wir den Pro-zess gleich auf das ganze Unternehmen angewendet haben und jetzt peu à peu einzelne Löcher stopfen», so Markus Hohl. Schon jetzt sind eine Steigerung der individuellen Produktzu-friedenheit sowie eine Reduktion teurer Änderungen in letzter Minute messbar. Die Mitarbeiter sind Teil einer kunden -zen trierten Organisation. Die Effizienz des Prozesses wird laufend mittels Umfragen in den Operations-Teams überprüft. In Shops mit «Gurus», den absoluten Experten, ist die Kunden-zufriedenheit um sieben Prozent höher und es wird mehr ver-kauft. «Es ist auch als Erfolg zu werten, wenn Produktideen nach erstem Feedback von potenziellen Kunden nicht weiter-verfolgt werden. Unser Ziel ist es ja, weniger, aber bessere Produkte zu bauen, die den Bedürfnissen unserer Kunden entsprechen», berichtet Markus Hohl. Das interne Feedback war bislang positiv. «Auch wenn noch nicht alles perfekt ist, sind die Leute insgesamt mit dabei.»

ERKENNTNISSE

Design schafft Klarheit! Visualisierung und Erklärung der Prozesse in einfacher Sprache hilft den Mitarbei-tern, die neuen Richtlinien zu verstehen.

Ohne Unterstützung der Chefetage ist kein haltiges Customer Experience Design möglich.

Champions in jedem Team des Unternehmens ermögli-chen die Optimierung der Prozesse und der Customer Experience.

MARKUS HOHL verfolgt ehrgeizige Ziele.

DER PLAN: von der Vision über das Design,

die kritische Überprüfung und den Aufbau bis zur Realisierung

Titel evtl. anpassen…

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MYPHOTOBOOK

Vom Start-up in die Reifephase

In einem hart umkämpften Markt konzentriert sich myphotobook heute auf die profi tabelsten Kun-dentypen. Das verdankt das Unternehmen einer strukturierten Kundenanalyse.

FALLSTUDIE: MYPHOTOBOOK

KASPAR VON MELLENTHIN & GUDRUN MOELLER (STIMMT)

Kaspar von Mellenthin ist verantwortlich für mypho-tobook, seit die Holtzbrinck-Gruppe das einstige Start-up-Unternehmen zum Erstellen von Fotobüchern 2009 übernommen hat. Damals setzte er auf die Beseitigung technischer Hemmnisse. «Dann gehts bergauf!», dach-te er. Doch Gudrun Moeller von der Stimmt AG war anderer Meinung: «Die Software allein schaffts nicht. Wir brauchen eine kundenzentrierte Strategie.»

DER ULTIMATIVE FOTOSERVICE FÜR ALLE?

Die Ausgangslage: Die Angebotspalette war breit, die Ideen sprudelten. Die Fotobuch-Software war zwar auf vielen Hun-derttausend PCs installiert, aber der europäische Markt ver-zeichnete gleichzeitig rund sechzig Konkurrenten. Und die Erwartungen der Shareholder waren hoch. Das Ziel war der ultimative Fotoservice für alle. Alles für alle? «Das brauchte Strukturhilfe von Stimmt», erzählt von Mellenthin. Es galt zu beleuchten: Wer sind unsere Kunden? Wie können wir uns von der Konkurrenz absetzen? Was wollen wir sein? Gudrun Moel-ler bestimmte das Vorgehen anhand des 5-S-Modells: surface, skeleton, structure, scope, strategy. Damit sollten alle Custo-mer-Touchpoints auf die Kundenbedürfnisse und die Ziele ausgerichtet werden. Es folgte die Marktforschung mittels Befragung. Anhand von acht Faktoren kristallisierten sich fünf in Verhalten und Einstellung höchst unterschiedliche Kundentypen oder Nut-zergruppen heraus. Was für den einen nicht komplex genug, durfte für den andern nicht einfach genug sein. Sollte mypho-tobook nun alle Nutzertypen gleich behandeln, oder sollte man für jeden unterschiedliche Features bereitstellen? «Bis dahin wollten wir jeden Kunden bedienen. Aber die Frage war: Welcher passt am besten zu uns?», stellt von Mel-lenthin fest. Um es herauszufi nden, führte das Projektteam qualitative Einzelinterviews durch und entwickelte aus den Nutzergruppen sogenannte Personas. Auf der einen Seite stand Andrea, die grossen Spass am Erstellen von Fotobüchern

hat und mehr als 16 Stunden in ein Fotobuch investiert. Auf der andern Seite Willy, der nur auf die schnelle Wirkung aus ist. Kann tatsächlich eine Software für beide gleich gut passen? Nein, lautete die Entscheidung. Und man gesellte zu Andrea nun Frauke, die ähnliche Bedürfnisse hat. So bekamen die beiden ein Gesicht. «Die schwierigste Entscheidung war es, bewusst auf bestimmte Kunden zu verzichten, um für eine andere Kundengruppe die Nr. 1 zu werden. Wir haben ganz klar entschieden: Wir optimieren den Service für Andrea und Frauke, Willy lassen wir links liegen», so von Mellenthin.

SCHWACHSTELLEN AUFGEDECKT

Andrea und Frauke sollten fortan richtig gut bedient werden, erzählte Gudrun Moeller dem CX-Publikum. Bei einer Konkur-renzanalyse und Usability-Tests im Labor entdeckte man Schwachstellen – eigene und die der Mitbewerber. Das Fazit hiess: Investitionen in die Verbesserung der Software reichen nicht aus. Besser ist es, holistisch mit dem Kunden umzugehen. Den Schwerpunkt legte myphotobook auf das Storytelling. Ein Fotobuch erstellen muss richtig Spass machen! «Das war ein Riesenschritt gegenüber dem bisherigen Pixelschubsen», sagt Kaspar von Mellenthin. Heute fokussiert sich das Unternehmen in der Weiterent-wicklung auf wenige Schritte im Leben von Bildern und richtet sich darauf aus, was für die Kunden «Premium» bedeutet. Das heisst: Fotos auf verschiedenen Papiertypen, die Möglichkeit mehrerer Versandadressen, Andock-Möglichkeiten an Tech-nologien wie iPad, Smartphones oder Self-Publishing. Kurz: myphotobook konzentriert sich auf das Glück der Kunden. Andrea und Frauke können sich freuen. Die Software soll in ihrem Sinne einem Relaunch unterzogen werden. Und Dr. Gudrun Moeller, Senior Consultant der Stimmt AG, ist zufrie-den: «Wir sind aus der Start-up-Mentalität heraus!»

ERKENNTNISSE

Auf spezifische Kunden-typen fokussieren und deren Bedürfnisse besser ab-decken bietet Chancen, sich von der Konkurrenz ab zu-heben und mehr Geschäfte zu machen.

Klare Customer Personas sind eine solide Grundlage, um die Sinnhaftigkeit von Investitionen für neue Fea-tures zu prüfen.

Holistisch mit Kunden umge-hen: Wichtig sind die gesam-te Akzeptanz und Experi-ence rund um die Erstellung und den Erhalt eines Foto-buchs sowie den begleiten-den Kundenservice.

UNIVERSALGENIE Braucht es wirklich einen Allesverwender?

EINE SPIRALE NACH OBEN: von der Idee zur Weiterem p-fehlung

PostMai l bewegt sich mit dem Transport von Briefen, Zeitungen und Werbesendungen in einem sehr traditionsreichen Segment des Kom-munikationsmarkts. Das Unterneh-men betreut ausschliesslich Ge-schä f t sk unden. Wie kann d ie CX-Philosophie überzeugend in ei-nem technologiegetriebenenBtoB-Umfeld vertreten und imple-mentiert werden?

HERAUS-FORDERUNGEN

PostMai l bewegt sich mit dem

VODAFONE

Customer Experience — neben

guten Erlebnissen auch gute

Zahlen

JÖRN BREIER

POSTMAILOLIVER EGGER

FRAUNHOFER IIS

OLIVER FUHRMANN

Bank Coop hat die spezielle Situati-

on, eine Schnittstelle zwischen Re-

tail Banking und Detailhandel zur

Verfügung zu haben. Wie kann diese

Schnittstelle genutzt werden, um

Kundenbedürfnisse besser abzude-

cken und Erlebnisse zu schaffen, die

von den Kunden als echter Mehrwert

empfunden werden?

Vom «Silodenken» zu «Kundenverste-

hern»: Wie gelingt es, ein Versiche-

rungsunternehmen mit traditionell

stark fachlich getriebener Arbeits-

weise für die Sichtweisen und Be-

dürfnisse der Kunden (Versicherte)

und Vertriebspartner (z. B. Agentu-

ren oder andere Vertriebswege über

Banken und Sparkassen) zu sensibi-

lisieren, sodass Marketing und Ver-

trieb gemeinsam mit den Sparten (=

Produktgeber) kundenorientiert den-

ken und handeln?

1&1 INTERNET

Loyalität messen — Ist der Net

Promoter Score (NPS) das

geeignete Mittel?

MICHAEL GALLA

JÖRN BREIER

Häufi g ist bei Customer Experience Projekten der Nutzen intuitiv klar. Vor allem bei den Projektmitarbei-tenden. Doch stellt sich am Ende die Frage, was die Investitionen nun tatsächlich gebracht haben. Und dabei sind – nicht nur, aber beson-ders – in grossen Unternehmen auch Zahlen gefragt. Wie lässt sich die Wirtschaftlichkeit von Customer Experience Projekten berechnen?

Marktforschung, CRM, Customer Experience Management und Social Media- Aktivitäten werden in den Unternehmen zumeist losgelöst von-einander betrieben. Der Nutzen einer Integration dieser Ansätze liegt al-lerdings auf der Hand. Wie können relevante Kundendaten aus bisher ungenutzten Datenquellen und Er-gebnisse der genannten Teilberei-che für die ganzheitliche Steuerung des Kundenmanagements metho-disch sinnvoll verknüpft werden? Wie können darüber hinaus Ablei-tungen für die Entwicklung von neuen Produkten und Dienstleistun-gen erfolgen?

Mit dem Aufkommen von Smart-

phones und Tablet PCs wandelt sich

der Medienkonsum. Die Leser er-

warten vermehrt Inhalte in digitaler

Form. Trotzdem sind viele Leser

noch nicht bereit, für Onlineinhalte

zu bezahlen. Auch das Leseerlebnis

bei den neuen Medien verändert sich

im Vergleich zu Papier. Welche neuen

Herausforderungen und Chancen

ergeben sich für Medienunterneh-

men daraus? Wie können Medien-

unternehmen den digitalen Leser

begeistern? Welches Bezahlmodell

wird dem Leser und den Anbietern

gerecht?

Das Kundenerlebnis-Manifest stellt

in seinen Thesen die Anforderungen

aus Sicht des Kunden für ein optima-

les Erlebnis dar. Es werden die kul-

turellen Werte gezeigt, die jeder

Kundenbeziehung zugrunde liegen.

Durch das Manifest erhalten Kunden

und Anbieter eine einfache Möglich-

keit, die Ursachen für Konfl ikte zur

erkennen und sie zu beheben. Wie

lassen sich kulturelle Werte in die

Unternehmensorganisation integrie-

ren bzw. damit abgleichen?

NZZZeitung lesen in der digitalen ZukunftMARKUS HUG

* FREIBERUFLERTHORSTEN ZOERNER

VERSICHERUNGSKAMMERBAYERNKERSTIN LINDERMANN UND NICOLE DETAMBEL (FREIBERUFLERIN)

1&1 Internet AG möchte die Taug-lichkeit des NPS diskutieren und hat dazu eine Reihe Fragen, um die Diskussion anzutreiben:› Ist der NPS aufgrund seiner Volati-

lität eine geeignete Unternehmens-kennziffer zur Loyalitätsmessung?

› Welche Schwankungsbreite ist «normal»?

› Welche alternativen Metriken bie-ten sich an?

BANK COOPKundenerlebnisse an der Schnittstelle zwischen Retail Banking und DetailhandelMONIKA SUHNER

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DER WEG ZUR BEST EXPERIENCE

Jeder Teilnehmer an einem CX-Forum hat seinen persönlichen Lieblingsprogrammpunkt – und sei es die kommunikative Mittagspause. Die Organisa-toren fi nden alle Bestandteile des Forums wichtig, aber irgendwie liegen ihnen die «Herausforde-rungen» doch sehr am Herzen. Kein Wunder, geht es hier doch um die Grundidee des Forums: Einer hat ein CX-Problem, und alle versuchen gemein -sam, es zu lösen.

HERAUSFORDERUNGEN

Die Kunden direkt erleben, statt nur über sie nachzu-denken, kann einen wunderbaren Aha-Effekt auslösen. Das meinte Roger Wüthrich-Hasenböhler, der Leiter KMU der Swisscom. Wie viel wäre geholfen, wenn die-jenigen, die Kundenerlebnisse designen, mal wieder mit offenen Augen etwas im eigenen Unternehmen kaufen würden! Wie fühlt sich wohl ein Kunde, wenn er einen Vertrag vorzeitig beenden will, aber nicht darf? Die Antwort auf solche Fragen könnte einiges an Marktforschungskosten sparen ...

CRITICAL NEEDS

Doch muss man tatsächlich jeden Kundenwunsch erfüllen? Es kann gegebenenfalls richtig viel Geld kosten, den Kunden umfassend glücklich zu machen. Für einige überraschend kam die Diskussionsrunde zur Ansicht, ein Unternehmen müsse auch mal den Mut haben, nicht immer und überall das Beste zu sein. «Es gibt die Ansicht, dass es sogar Tiefpunkte in der Kundenbeziehung geben muss, damit man die Höhepunkte besser wahrnimmt», sagt Andreas Erbe, der Leiter der Design Academy der Swisscom. Wichtig sei aber, den Kunden in der Tiefe aufzufangen, ihm zu helfen, wo es geht. Das Zauberwort für Lars Diener-Kimmich von Swisscom ist in diesem Zusam-menhang «critical needs». Exakt jene Kundenbedürfnisse, die gerade wichtig seien, müssten erfüllt oder besser noch über-troffen werden.

KUNDENZUFRIEDENHEIT HÄNGT

VON DEN ERWARTUNGEN AB

Ganz entscheidend dabei sei, ergänzt aus dem Plenum Markus Hohl von Telefonica O2 UK, dass all jene Erwartungen erfüllt würden, die zuvor durch das Unternehmen geweckt worden seien. «Wer nichts erwartet, ist leichter zufriedenzustellen.» Ein Billigcarrier wie Ryan Air mache das jeden Tag vor. Für schlechte Kundenerlebnisse ist demnach nicht immer eine schlechte Leistung des Unternehmens, sondern manchmal auch ein zu vollmundiges Versprechen verantwortlich.

MITARBEITER SIND KUNDEN

Dennoch bleibt an den Mitarbeitern mit Kundenkontakt die Hauptverantwortung für gute oder schlechte Customer Expe-rience hängen. «Bei der Einführung von Vivo Casa haben wir gezielt die Mitarbeiter als unsere ersten Kunden betrachtet», berichtet Jürg Pauli, der Leiter Customer Experience Design KMU der Swisscom. «Das hatte grossen Erfolg.» Es braucht also nicht nur eine Customer, sondern auch eine Mitarbeiter-Journey, um voranzukommen. Wer nur einen Preisplan entwi-ckelt, webbasierte Schulungen anordnet und Ziele setzt, kann nicht erwarten, seine Mitstreiter für ein Neuprodukt zu begeis-tern. «Ich habe schon viele Produkte eingeführt», erklärt Jürg Pauli. «Aber noch nie ist eine Einführung so glatt gelaufen, noch nie gab es so wenig Beschwerden und negative Rückmel-dungen von Kunden.» So rechnet sich gutes CX-Design schnell.

DIE ÜBLICHEN PROBLEME

Auf dem Weg zur Best Experience macht die Expertenrunde noch einen typischen Stolperstein aus. Andreas Erbe konsta-tiert: «Die meisten von uns arbeiten in Unternehmen, die nicht durchgängig aufgestellt sind. Daran krankt so manches Kun-denerlebnis.» Roger Wüthrich-Hasenböhler ergänzt: «Wir ent-wickeln Produkte sequenziell: erst die Idee, dann das Design, dann kommt das Marketing ... Die End-to-End Sicht fehlt!» Jürg Pauli meint: «Ein CX-Designer ist eigentlich wie ein Dirigent, der ein grosses Orchester zum Spielen bringt.» Ein Stossseuf-zer ist im Plenum zu hören: Wenn nur das Orchester nicht so gross wäre! Eine kleine Band wäre viel leichter zu dirigieren. Nun ist die Zerschlagung eines Grosskonzerns nicht wirk-lich eine Option für besseres CX. Man kann aber mit einzelnen Instrumentengruppen anfangen und nach und nach alle Mit-spieler mit ausreichend Übung und Motivation ausstatten – selbst wenn es Jahre dauert.

DISKUSSIONSRUNDE: DER WEG ZUR BEST EXPERIENCE

ES DISKUTIEREN VON SWISSCOM ROGER WÜTHRICH-HASENBÖHLER,

LEITER KMU & JÜRG PAULI, LEITER CUSTOMER EXPERIENCE DESIGN KMU

& ANDREAS ERBE, LEITER DESIGN ACADEMY, SOWIE DIE CX-COMMUNITY

Es ist kein leichter Weg, darüber waren sich alle Experten einig. Auch über die Notwendigkeit, ihn zu gehen, gab es zwischen Roger Wüthrich- Hasenböhler, Jürg Pauli und Andreas Erbe keine Meinungsverschiedenheiten. Doch beim Setzen der Schwerpunkte auf erstrebenswerte Meilensteine gibt es unterschiedliche Prioritäten, wie die Dis-kussion zeigte.

DIE FISHBOWL METHODE Jeder kann sich in die

Diskussions runde einklinken.

VISUAL RECORDING: Alles spielt zusammen, um gute

Erlebnisse zu schaffen. Das zeigt die gezeichnete Zusammenfas-sung der Diskussion von Caroline Wyss.

Verständlicherweise interessiert sich nicht jeder der Teilnehmer für jede Fragestellung. Also werden Gruppen gebildet. Diesmal konnten die Forumsbesucher aus acht Herausforderungen die für sie passendste aussuchen. Zwei unterschiedliche Motive treiben die Interessenten erfahrungsgemäss an: Sie kennen eine Lösungsmöglichkeit oder sie haben ein ähnliches Problem. Beide Motivationen können dem Herausforderer weiterhelfen. Er steht der Gruppe übrigens nicht allein gegenüber. Ein Fa-cilitator steht ihm zur Seite und hilft mit Methodenkenntnis das Wissen der Teilnehmer herauszukitzeln, zu sortieren, zu gewichten. Das Moderieren gehört ebenso zu seinen Aufgaben wie das Zeitmanagement, was oft eine Herausforderung für sich ist. Aber jedes Mal sind die Teilnehmer aufs Neue erstaunt, wie viele Anregungen aus 75 Minuten geleiteter Diskussion herauszuholen sind.

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INITIANTENWIE EIGNEN SICH UNTER-NEHMEN DESIGN UND DESIGN MA-NAGEMENT-WISSEN AN?

Stimmt berät seit 1998 Unternehmen in Bezug auf Kundenbe-dürfnisse und hilft ihnen, durch gezielt optimierte Erlebnisse für ihre Kunden einzigartig zu werden. Wer die Interaktionen zwischen seiner Firma und den Kunden verbessern will, wen-det sich gerne an die Spezialisten aus Zürich. Insofern ist das Engagement von Stimmt für das CX-Forum nur folgerichtig. «Wir sind überzeugt, dass sich Wissen vermehrt, wenn man es teilt», sagt Helmut. Die Experten lernen von der CX-Commu-nity, wo aktuell der Schuh drückt und bieten im Gegenzug einen offenen Erfahrungsaustausch an. Die Swisscom hat sich für das Thema Customer Experi-ence als idealer Partner positioniert. Das Unternehmen hat das erklärte Ziel, als Begleiter in der digitalen Welt eine Lieblings-marke der Schweizer zu sein. «Wir haben das beste Netz und den besten Service», sagt Miriam Bleuler, «aber um in Zukunft konkurrenzfähig zu bleiben, müssen wir auch das beste Erleb-nis bieten.» Was bedeutet dies für Swisscom? Das Unternehmen hat sich seit 2008 der Denkhaltung und Arbeitsweise «Human

Centered Design» verschrieben. Ging es früher primär um die Technik, stehen heute der Kunde und seine Bedürfnisse im Mittelpunkt der Produkt- und Dienstleistungsentwicklung. An diese Perspektive und Unternehmenskultur müssen sich die Mitarbeiter von Swisscom erst gewöhnen. Ein wichtiger Ort für diesen Perspektivenwechsel ist für Swisscom das Brain-Gym. Die ehemalige Schalterhalle der Post wurde vor drei Jahren als Weiterbildungsort, Treffpunkt, Café und Bibliothek umfunktioniert – ein Ort, an dem menschenzentriertes Gestal-ten Form annimmt: Aus Sitzungszimmern wurden bunte Kreativräume mit mobiler Inneneinrichtung. Dazu gehören Tische, auf denen man schreiben kann, und Wände, die sich zum Visualisieren von Ökosystemen und Kundenerlebnisketten eignen. Das Swisscom BrainGym öffnet während des Forums für einmal auch externen CX-Fachleuten die Tore und heisst alle herzlich willkommen!

Wer, warum, wo?Auf einem CX-Forum lernt man viele Menschen kennen – es gibt alte Bekannte und neue Gesichter. An zwei Personen wird sich hinterher jeder be-sonders erinnern – es sind die «Gastgeber» des Forums: Miriam Bleuler von Swisscom und Helmut Kazmaier von Stimmt. Sie und ihre Teams von Swisscom und Stimmt haben mit viel Know-how und Herzblut das Forum zu einer wichtigen Aus-tauschplattform unter CX-Experten im deutsch-sprachigen Raum gemacht.

INITIANTEN CX-FORUM & SWISSCOM BRAINGYM

Als Wissenschaftlerin legt Professor Claudia Acklin grossen Wert auf klare Defi nitionen. Und da der Begriff «Design» im Laufe der letzten Jahre diverse Bedeutungserweiterungen erfahren hat, sind diese Defi nitionen keine sophistische Spielerei.

REFERAT UND AUSBLICK STUDIE: WIE EIGNEN SICH UNTERNEHMEN

DESIGN UND DESIGN MANAGEMENT-WISSEN AN?

PROF. CLAUDIA ACKLIN, LEITERIN DESIGN MANAGEMENT

INTERNATIONAL BA, HOCHSCHULE LUZERN

Vor rund fünfzig Jahren begannen Unternehmen ernsthafter, sich über die Gestaltung ihrer Produkte Gedanken zu machen, um damit für die neue Konsumgesellschaft mit attraktiven Angeboten gerüstet zu sein. Design Management hiess damals vor allem, den richtigen Designer auszuwählen und zu «beauf-sichtigen». In den folgenden Jahrzehnten wurde die Aufgabe des Design Managements grösser. Die damaligen Spezialisten lernten, sich mit Kundenbedürfnissen auseinanderzusetzen, Trends zu verfolgen, die Belegschaft auszubilden – ohne das Management und die Organisation von Designern zu vernach-lässigen. Vor allem in den angelsächsischen Ländern wurde Design zum unverzichtbaren Teil der Unternehmensstrategie. Zur Jahrtausendwende kam zum Design Management eine weitere Dimension hinzu: der Begriff «Design Leadership» wurde eingeführt. Design Leadership umfasst die Entwicklung von Unternehmensvisionen, von Designstrategien und die Förderung eines innovationsfreundlichen Klimas. Heute ist sogar noch ein weiteres Element hinzugekommen: «Design Thinking» ist gefragt. «Meiner Meinung nach sind Design Management und Design Leadership notwendig, um Prozesse im Unternehmen zu gestalten und zu steuern», erklärt Profes-sor Acklin. Design Management und Leadership wären mit einem Skelett vergleichbar. «Design Thinking hingegen ist eine Einstellung. Das ist das Fleisch am Knochen!» Beim Design Management geht es um das bewusste, strategische und geplante Gestalten von Prozessen und Strukturen.

DAS LERNMODELL

Acklin geht davon aus, dass in vielen Unternehmen Design Thinking erst aufgebaut, sozusagen gelernt werden muss. Der Anstoss dazu kommt meistens von aussen. «Es kann eine Krise sein, ein neuer Mitbewerber tritt auf – irgendein Trigger muss da sein.» Das Unternehmen sucht, ist offen für Neues, zum Beispiel für Design-Kompetenzen, um sein Problem zu lösen. Designer werden also für ein konkretes Projekt gebrieft, Designkonzepte entwickelt und konkrete Massnahmen wie beispielsweise die Gestaltung von Kundenkontaktpunkten umgesetzt. Am Ende der Kette haben die Kunden eine neue Customer Experience, die einen Wettbewerbsvorteil und letzt-lich dem Unternehmen selbst strategische Flexibilität ver-schafft.

HERAUSFORDERUNGEN IN DER PRAXIS

So weit das theoretische Modell. In der Praxis gibt es allerdings viele Hürden zu überwinden. Nach Erfahrung von Prof. Acklin scheitert der Einbezug von Design oft im Augenblick der Ent-wicklung von Konzepten. Designer arbeiten anders als Inge-nieure oder als Manager, was zu Missverständnissen führen kann angesichts andersartiger Kulturen und Werte der Mit-arbeiter des Unternehmens. «Das Wissen um neue Design-Möglichkeiten muss sozialisiert werden, Design-Wissen muss Eingang ins ganze Unternehmen fi nden», meint die Expertin. Nur wenn viele Mitarbeiter mit den neuen Tools umgehen können und wissen, wofür sie diese anwenden können, gibt es Erfolge. Die Professorin räumt aber auch ein: «In der Praxis läuft die Aneignung von Design Thinking viel chaotischer ab als in meinem Modell. Eine Abteilung kann schon virtuos Design-Konzepte erstellen, während die Führungsetage gerade erst an der Design-Strategie arbeitet.» Das kann übrigens funktionieren. Intuitiv wissen auch manche Nicht-Designer bestens, wie sie ihre Kunden erreichen können.

STUDIE BRINGT LICHT INS DUNKEL

Mit der «Design Thinking Studie», die die CX-Community fi nanziert, soll systematisch erfasst werden, wie weit in den Unternehmen Kompetenzen in den Bereichen Design Thinking, Design Management und Design Leadership ausgebaut wur-den. Es soll herausgefunden werden, welches die aktuellen Herausforderungen sind, mit denen sich die CX-Pioniere in ihren Unternehmen konfrontiert sehen, wenn diese sich daran machen, eine Design Thinking Company zu werden. Zu diesem Zweck befragt Claudia Acklin etwa zehn Firmen, die sich dem Design Thinking verschrieben haben. Im Herbst, während des CX-Forums 5 am 10. November, werden die Resultate vorge-stellt. Anschliessend stehen sie auf www.cx-forum.ch zur Verfügung.

CLAUDIA ACKLIN engagiert sich für den Brücken- schlag zwischen Theorie und Praxis.

DESIGN WISSEN IM UNTERNEHMEN In welcher Form verlaufen Lernprozesse?

WIE EIGNEN WIE EIGNEN

Die erstmalig erhobene symbo-lische Teilnehmergebühr von 500 Franken pro Person wird vollumfänglich in diese Studie investiert - so trägt jeder CX-Forum Teilnehmer zum Wis-sensaufbau über CX und Design Thinking bei.

EINIGE NOTWENDIGE

FÄHIGKEITEN:

für Design Leadership: Zukunftsbilder entwickeln, Innovationsstrategie ab-leiten, Designstrategie formulieren

für Design Management:Designer finden, Projekte managen, Markenwerte mit Produkten abstimmen, kohärente CX schaffen

für Design Thinking: passende Methoden für Fragestellung finden, best-mögliche Lösung finden, Unklarheiten aushalten bis zur Lösung

SWISSCOM BRAINGYM – Heimstätte des CX-Forum

DAS CX-FORUM TEAMmit viel Herzblut für die Sache

TEILNEHMERTEILNEHMER

DAS CX-FORUM 5 FINDET AM 10. NOVEMBER 2011

IM SWISSCOM BRAINGYM IN BERN STATT.

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MIRIAM BLEULER

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HELMUT KAZMAIER

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Teilnahmebedingungen Swisscom Mitarbeiter:

Die Teilnehmer werden durch die Bereichsleitung nominiert.

IMPRESSUM

HERAUSGEBERCX-Forum www.cx-forum.ch

KONZEPT UND REDAKTIONMiriam Bleuler und Tiziana Meletta,Swisscom www.swisscom.ch

Helmut Kazmaier, Stimmt www.stimmt.ch

Inka Grabowsky

TEXTClaudia Gabler, Inka Grabowsky, Brigitta Hochuli

FOTOGRAFIEBeat Schweizer www.beatschweizer.com

CX-Forum Team

GESTALTUNG UND REALISATIONEclat, Erlenbach/ZH www.eclat.ch