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238 Sutasoma Tattvasaqiaha M.Nihom Soewito SANTOSO, Sutasoma: A Stu in Javanese Wajra- yana, New Delhi, 1975 (Sata-Pitaka Series, vol. 213). r printed Sansit edition, see YAMADA 1981. r csimile reproduction of the sgle own manuscript, LOKESH C and David SNELLGROVE, Sarva-Tathä- gata-Tattva-Sangraha: Facsimile Reproduction of a Tenth Centu Sansit Manuscriptfrom Nepal, New Delhi, 1981 (Sata-Pitaka Series, vol. 269). Tattvasagraha, Tibetan anslation, Peking edition, vol. 4 (no. 112), pp. 217al-283b8. Trailokyavijayamahäkalparäjä Trailoavꜽamahäaräjä, Tibetan anslation, Pekg edition, vol. 5 (no. 115), pp. 6lal-83bl. Trailokyavijayamlopäyikä Änangarbha's Sritrailoamlopi äryatattvasa- TS Vajra5ekharatana WAAN 1984 WHIEY 194 l YAMADA 1981 ZOELDER 1982 grahatantroddh . rtä (dpal ams gsum mam par ral ba'i il 'or i cho ga hags pa de o na id bsdus pa'i rud l btus pa), Tibetan anslation, Peking edition, vol. 74 (no. 3342), pp. 32c8-52b8. Tattvagraha. Vajraiiaratantra (sie), Tiben Trslation, Pekg edition, vol. 5 (no. l 13), pp. lal-56d7. Vajraiarattra, Tibe Trlation, Taipei edition, vol. 17 (no. 480), pp. 223dl-26la5. Alex WAYMAN, "The Sarvarahasyatana", Acta Indologica (1984), pp. 521-569. William Dwight WHIEY, Sansit Grammar, London, 1941 (6th issue ofthe second edition of1889). Isshi YAMADA (ed.), Sarva-Tathägata-Tattva-Sangraha- Näma-Mäna-Sütra: A ct. bas on a Sait mu- script & Chinese & Tibetan transl., New Delhi, 1981 (Sata- Pitaka Series, vol. 262). P.J. ZOELD Old Javane-English Dictiona, 2 vols., 's Gravenhage, 1982. - * Uber ,Wahrheit' (skt. tat-tva) Walter Slaje Est Steinkener zum 60. Geburtstag am 3. Oober 1997 Die nachlgende Untersuchung zielt auf die Klng eines die dische Philo- sophie zenalen Beiffes: tattva. welcher Weise und in welchem Sinne wurde dieser Beiff in erkenniseoretischen Zusammenhängen - vor allem bei Syntag- menbildungen mit Jnä - gebraucht? Was ist sein Inhalt und wie läßt er sich dar- stellen? Wenn diese Klärung nun von Pak�ilasvämins Nyäyabya ausgeht und sich hauptsächlich auch ihm versucht, so hat dies neben der objektiven Berechtigung, sein Bh�ya zu den hen (-V.2 .) 1 und maßgeblichen Texten system(at)ischer indischer Philosophie zählt, natürlich auch rein pragmatische Gründe: Ein Fallbeispiel war zu schaffen. Der darauf gendete Schluß auf ein analoges Verstdnis eines alog vwendeten 'tattva(na') i anderen, auch nicht-brahmischen, Traditio- nen indischer Logik und Erkennistheorie, wäre - bis Falsifizierung der hier induktiv gebildeten These - vorerst einmal hinzunehmen. Gleichwohl wurden exem- plische Aussagen weiterer Exponenten indischer Philosophie - sowohl außerhalb wie innerhalb des alten Nyäya - llweise durchaus herangezogen. Die Bedeutung des Ssit-Beiffes tattva wird von der abendländischen Phi- lologie mit Rücksicht auf den alten Nyäya ja bekanntlich bevorzugt - und nahezu Gee benütze ich die angenehme Gelegenheit, den Heen Prof. . Minoru (Tokyo), . Helmut ASSER (Wien), ao. Prof. . Roque MESQA (Wien), Prof. . Et STEELLNER (Wien), ao. Prof Dr. Chlodwig WERBA (Wien) und Prof . Albrecht WLER (Hamburg), ihre konsuktiv geübte Kritik meinen tief empndenen Dk bekunden! 1 Datingnsatz ÜBEMERs (1964) wurde mehr dreißig Jae später (1995) von coZ einer eeuten Prüng unterzogen und bestätigt. Es dürſte also dabei bleiben, daß Pak�ilasvämins oit keinesfalls über VI.1 . hinaus etreckt werden kn. Zum Namen Pak$ilasvämins vgl. VYABSANA 1921: 117 und ABHYAAR 1978: 245. BEER ILISC SIEN (BIS) 11/12.1998: 239-258.

1998a Über Wahrheit (skt. tat-tva) (BIS 11-12)

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Sutasoma

Tattvasaqigraha

M.Nihom

Soewito SANTOSO, Sutasoma: A Study in Javanese Wajra­yana, New Delhi, 1975 (Sata-Pitaka Series, vol. 213). for printed Sanskrit edition, see Y AMADA 1981. for facsimile reproduction of the single known manuscript, LOKESH CHANDRA and David SNELLGROVE, Sarva-Tathä­gata-Tattva-Sangraha: Facsimile Reproduction of a Tenth Century Sanskrit Manuscriptfrom Nepal, New Delhi, 1981 (Sata-Pitaka Series, vol. 269). Tattvasa1rzgraha, Tibetan translation, Peking edition, vol. 4 (no. 112), pp. 217al-283b8.

Trailokyavijayamahäkalparäjä Trailokyavifayamahäkalparäjä, Tibetan translation, Peking edition, vol. 5 (no. 115), pp. 6lal-83bl.

Trailokyavijayamlilfc;lalopäyikä Änandagarbha's Sritrailokyama1:ufalopäyikä äryatattvasaf!l-

TS Vajra5ekharatantra

WAYMAN 1984

WHITNEY 194 l

YAMADA 1981

ZOETMULDER 1982

grahatantroddh.rtä (dpal khams gsum mam par rgyal ba'i dkyil 'khor gyi cho ga 'phags pa de kho na iiid bsdus pa'i rgyud las btus pa), Tibetan translation, Peking edition, vol. 74 (no. 3342), pp. 32c8-52b8. Tattvasaf!lgraha. Vajraiikharatantra (sie), Tibetan Translation, Peking edition, vol. 5 (no. l 13), pp. lal-56d7. Vajraiekharatantra, Tibetan Translation, Taipei edition, vol. 17 (no. 480), pp. 223dl-26la5. Alex WA YMAN, "The Sarvarahasyatantra", Acta Indologica VI (1984), pp. 521-569. William Dwight WHITNEY, Sanskrit Grammar, London, 1941 (6th issue ofthe second edition of 1889). Isshi Y AMADA ( ed. ), Sarva-Tathägata-Tattva-Sangraha­Näma-Mahäyäna-Sütra: A crit. ed. based on a Sanskrit manu­script & Chinese & Tibetan transl., New Delhi, 1981 (Sata­Pitaka Series, vol. 262). P.J. ZOElMULDER. Old Javanese-English Dictionary, 2 vols., 's Gravenhage, 1982.

- * Uber ,Wahrheit' (skt. tat-tva)

Walter Slaje

Ernst Steinkellner zum 60. Geburtstag am 3. Oktober 1997

Die nachfolgende Untersuchung zielt auf die Klärung eines für die indische Philo­sophie zentralen Begriffes: tattva. In welcher Weise und in welchem Sinne wurde dieser Begriff in erkenntnistheoretischen Zusammenhängen - vor allem bei Syntag­menbildungen mit ..fJnä - gebraucht? Was ist sein Inhalt und wie läßt er sich dar­stellen? Wenn diese Klärung nun von Pak�ilasvämins Nyäyabhä.�ya ausgeht und sich hauptsächlich auch an ihm versucht, so hat dies neben der objektiven Berechtigung, daß sein Bh�ya zu den frühen (-V.2 Jh.)1 und maßgeblichen Texten system(at)ischer indischer Philosophie zählt, natürlich auch rein pragmatische Gründe: Ein Fallbeispiel war zu schaffen. Der darauf gegründete Schluß auf ein analoges Verständnis eines analog verwendeten 'tattva(-jfläna') bei anderen, auch nicht-brahmanischen, Traditio­nen indischer Logik und Erkenntnistheorie, wäre - bis zur Falsifizierung der hier induktiv gebildeten These - vorerst einmal hinzunehmen. Gleichwohl wurden exem­plarische Aussagen weiterer Exponenten indischer Philosophie - sowohl außerhalb wie innerhalb des alten Nyäya - fallweise durchaus herangezogen.

Die Bedeutung des Sanskrit-Begriffes tattva wird von der abendländischen Phi­lologie mit Rücksicht auf den alten Nyäya ja bekanntlich bevorzugt - und nahezu

Gerne benütze ich die angenehme Gelegenheit, den Herren Prof. Dr. Minoru RARA (Tokyo),

Dr. Helmut KRASSER (Wien), ao. Prof. Dr. Roque MESQUITA (Wien), Prof. Dr. Ernst STEINKELLNER (Wien), ao. Prof. Dr. Chlodwig WERBA (Wien) und Prof. Dr. Albrecht WEZLER (Hamburg), für ihre konstruktiv geübte Kritik meinen tief empfundenen Dank zu bekunden!

1 Dieser Datierungsansatz ÜBERHAMMERs ( 1964) wurde mehr als dreißig Jahre später ( 1995) von

FRANcofPREisENDANZ einer erneuten Prüfung unterzogen und bestätigt. Es dürfte also dabei bleiben, daß Pak�ilasvämins jlornit keinesfalls über das VI.1 Jh. hinaus erstreckt werden kann. Zum Namen Pak$ilasvämins vgl. VIDYABHUSANA 1921: 117 und ABHYANKAR 1978: 245.

BERLINER INDOLOGISCHE STUDIEN (BIS) 11/12.1998: 239-258.

240 W. Slaje

ausschließlich2 - mit Ausdrücken für deutsch ,Wahrheit' wiedergegeben bzw. um­schrieben, an welcher Wiedergabe sich folglich auch die entsprechenden Über­setzungen des Kompositums tattva-jiiäna orientieren: tattva0 wird dann als Nomen oder Adjektiv aufgefaßt.3 Diese zur Wiedergabe des Wortinhaltes von tattva0 aus einem - im eigenen Kulturraum gewachsenen und von diesem auch vorgegebenen -,Katalog' europäischer Begrifflichkeit ausgewählten weil für adäquat erachteten Übersetzungen suggerieren nun eine Äquivalenz,4 die m.E. einer genaueren Aus­leuchtung - und gegebenenfalls der Korrektur - bedürfte.

1. tat-tva

Gemäß Pät).ini bezeichnen die Taddhita-Suffixe 0tva und 0tä5 das Sein (bhäva)6 des Bezeichneten jenes (Nominal-)Stammes (Pät). 4.1 . 1 ), an den sie angefügt werden.7 tat-tva wäre demzufolge - als semantisches Äquivalent von tasya bhäval.z - mit ,Das Sein dessen/von diesem', ,Dieses-Sein' wiederzugeben. 8 Wenden wir uns aber der Deutung des Begriffes tattva durch den Autor des Nyäyabh�ya, Pak�ilasvämin, zu,

so finden wir diesen nicht grammatisch-wortbildungsgemäß (yaugika) im zu erwar­tenden Sinne, sondern augenscheinlich auf der Ebene eines sachlich-semantischen bzw. konventionellen (rüefhi)9 Verständnisses erklärt. Wenn Pak�ilasvämin Stamm und Suffix von tat-tva durch ein zweigliedriges Kompositum ersetzt, dessen erstes Glied den Stamm tat0 synonym aufnimmt und dessen zweites das Suffix 0tva, so

2 Die Beispiele sind Legion. Eine Anführung erübrigt sich. Umgehung des Wahrheits-Begriffes u.a. bei ÜBERHAMMER 1984: 245 („Objektive Wirklichkeit"); POTIER 1977: 240 ("nature of things"). RANDLE 1930: 55 ("that-ness, meaning 'truth' or 'reality"'); ähnlich ÜBERHAMMER 1992: 254, n. 9

(„Diesheit"). Demgegenüber HALBFASS 1992: 23 ("suchness").

3 Vgl. JHA 1915; VIDYABHUSANA 1921: 54; 138 ("true/right knowledge"); RUBEN 1928: 1 („rechte Erkenntnis"); ÜBERHAMMER 1984: 4ff et passim („wahre Erkenntnis"); 1992a: 8 („wahres Wissen"); VANBULERT 1989: 2f("true knowledge"); RUBEN 1928: 13 („Erkenntnis der Wesenheit"); 124 („ Wissen der Wahrheit"); ÜBERHAMMER 1964: 3 l 4ff ("knowledge of the truth"). Abweichend auch hier HALBFASS 1988: 276 ("adequate knowledge").

4 Zum Problem von tatsächlicher ,lexikographischer Univozität' vgl. HACKER 1965.

5 Pät}. 4.1.76. Zum Begrifftaddhita vgl. WEZLER 1975: 137-139.

6 Daß darunter kein Zustand, sondern ein ,dynamisches' Sein zu verstehen ist, zeigt WEZLER 1975: 103.

7 Pät}. 5.1.119: tasya bhiivas tvatalau. Zur Analyse und Bedeutung dieses Sütra vgl. WEZLER 1975:2-6. Vgl. aberFN 12!

8 Ähnlich wie RANDLE 1930: 55 ("that-ness") gibt auch ÜBERHAMMER (1992: 254, n. 9) als „ety­mologisch genaue Entsprechung" von tattva-jiiiina ein „Erkennen der [jeweiligen] Diesheit" an. Vgl. auch HALBFASS 1992: 22: " ... abstracts from words meaning 'this', 'that', or 'thus' (ida7!1tii, tattva, tathiitva, tathiitä) ... ".

9 Dazu DASH 1993.

Über , Wahrheit' (skt. tat-tva) 241

gebraucht er nämlich für den ersten Fall ein Pronominaladverb: tat0 wird durch tathä0/yathä0, und 0tva durch Ableitungen von lbhü (0bhüta, 0bhäva, bhavati) ersetzt: „Wie ... [tatsächlich] ist". tattva wird in dieser Weise mehrmals erklärt: kim punas tattvam? - ... yathä-bhütam ... tat-tva1J1 bhavati (vgl. NBh 24,5-25,3). - yathä ... bhavati, . .. tathä-bhäval.z tat-tvam ... (vgl. NBh 323,2f). Daß derlei Bildungen tat­sächlich als semantische Äquivalente von tattva verstanden und verwendet wurden, zeigt sich auch an solchen Komposita, wo tattva0 das Vorderglied und 0jiiäna das Hinterglied bilden. Denn hier wird für das erste Glied, nämlich tat-tva0, yathä­bhüta0, für das zweite aber 0avabodha eingesetzt: ... yathä-bhüta-avabodhas tat-tva­jiiänam ... (vgl. NBh 1 037,1 1 ).

Die von P�ilasvämin als tattva-Äquivalente verwendeten Vorderglieder10 derar­tiger Komposita sind nun mittels des Suffixes 0thä (ya-thä, ta-thä) abgeleitete Pro­nominaladverbien. Und dieses Suffix, das u.a. eben auch an Pronominalstämme gefügt werden darf, 11 bezeichnet mit Pät).ini die ,Art und Weise', mithin ein , Wie'. 12

Pak�ilasvämin gibt tat-tva demnach als tathä-bhüta zu verstehen, was ein ,Derart­Sein, [wie]', aber kein ,Dieses-Sein', ,Sein dessen/von diesem' zum Ausdruck bringt.

Andererseits finden sich auch Belege, wonach Pak�ilasvämin das tat0 aus tattva wortbildungsgemäß (als Demonstrativpronomen, nicht aber adverbiell) erklärt, und zwar anläßlich von im Nyäyasütra mit Gegnern, welche die Existenz von Gegeben­heiten, die dem Erkennen objektiv vorausgesetzt sind, bestreiten, geführten Ausein­andersetzungen - so etwa bei der Kommentierung von NSü 4.2.26 (Sünyavädin)1 3 und NSü 4.2.35-37 (Mädhyamika)14• Es mag dies damit zusammenhängen, daß die Dinge der Außenwelt aus seiner Perspektive nicht bloß vorgestellte, sondern wirk­liche sind. Hier ist ja zunächst noch kein , Wie-Sein' infrage gestellt, sondern doch

10 Den gezeigten, als semantische Äquivalente für tat-tva verstandenen Begriffenyathii-ltathii­bhüta werden häufig noch verdeutlichende Ableitungen von vi-pari...f i mit vorangestellter Negations­partikel (a0) zur Seite gestellt: ... yathäbhütam aviparilaT!I tattvaT!I bhavati ... (vgl. NBh 25,2f). tattvasya jnäna7!1 ... aviparitajnänä 0 ••• (vgl. NBh 31,2-32, 1 ). ... tathiibhiival; tattvam aviparyayo yäthätathyam (vgl. NBh 323,3). In ihrer Bedeutung des ,Nicht-Verkehrtseins' unterstreichen diese vi­pari-.f i-Derivate den Charakter der Adäquatheit (yathä-tathä-bhiiva), die auch anhand der Vftti­(yäthiitathya: 323,3) und Vigraha-Bildungen (yathii bhavati, tathäbhiival;: 323,2f) deutlich wird.

11 Pät}. 5 .3 .2.

1 2 5.3.23: prakiiravacane thäl. Diese anhand der angeführten Beispiele erkennbar modale Konno­tation der sogenannten ,Abstraktsuffixe' -tva/-tä wurde bereits von L. RENou ("Les suffixes secondaire tva et «tal» ( = tä) sont valables . . . au sens de: fait que (tel etre, telle chose, . .. ), sont tels (: ont telle qualite)" und von M. BIARDEAU ("Ce que nous appelons un suffixe abstrait est en sanskrit un «suffixe de mode d'etre» - bhiivapratyaya - ") grundsätzlich gesehen, und von C.A. SCHERRER-SCHAUB auch im Gebrauch bei Candrakirti nachgewiesen (1991: 237f, besonders n. 457 für alle Zitate).

1 3 Vgl. RUBEN 1928: 216f(Note 284).

1 4 Vgl. RUBEN 1928: 217 (Note 286).

242 W. Slaje

vielmehr, ob ein ,Dies' (tat) überhaupt da ,ist' (0tva). Die im Kontext dieser Sütren gemachten Aussagen ermöglichen eine Bestimmung von 'tat-tva' als ,das, was etwas ist bzw. nicht ist' .15

Da P�ilasvämin den Begriff des tattva aber dort, wo er nicht dem Illusionismus des Mahäyäna-Buddhismus entgegentritt, im allgemeinen im Sinne einer modalen Bestimmung auslegt, muß tat° in solchen Fällen nicht mit einem , Was?', sondern mit einem , Wie?' erfragt werden. Demgemäß dürfte die Antwort auch nicht mit ,Dies' bzw. ,Das', sondern vielmehr mit ,Derart (tat0) ist (0tva)' ausfallen.16

Jayantabhana erklärt das tat0 aus tattvajnäna (NSü 1.1.1) ebenfalls als Pronomi­naladverb, indem er tat-tva und a-tat-tva mit tathä-bhäva bzw. a-tathä-bhäva wieder­gibt, tat° somit durch tathä0 ersetzt. Und zwar tut er dies anläßlich seiner Diskussion des Kompositums tattvajnäna aus NSü 1.1.1, wo er sich gegen die von anderen Exegeten bevorzugte Deutung als Karmadhäraya-Kompositum wendet.17 Dies sei unzutreffend, stellt Jayanta seine eigene Position klar, „weil von sich aus eine Gliederung in ein ,Derart-Sein' (tat-tva) und in ein ,Nicht-Derart-Sein' (a-tat-tva) des Erkennens fehlt. Denn ein ,So-Sein' (tathä-bhiiva) oder ,Nicht-So-Sein' (a-tathä­bhäva) der [betreffenden] Erkenntnisse wird [ja] von den Objekten bewirkt".18

Auch Bhäsarvajfia versteht tat0 im Sinne von tathQ°, da er tat-tva-jfzäna mit 'tathä-bhäva-niscaya' bzw. mit 'tathä-bhütena niS-.f ci' paraphrasiert.19

Man wird im Zusammenhang mit dieser Deutungstradition auch an die epische Formel tat tathä, na tad anyathä 20 erinnert. Die modale Korrelation ist vor allem im

Satze na ca dharmaT{l yathätattvaT{l vetsi (MBh II 61,30ab) völlig deutlich: ,,Auch kennst du den Dharma nicht so, wie [er tatsächlich] ist I - kennst ihn nicht seinem Derartsein gemäß". Und wenn - um beim Epos zu bleiben - die Bhagavadgitä das

15 Daher sind die betreffenden Stellen vor dem genannten Hintergrund erklärbar: 1.) yiithiitmyopa­/abdhilJ (Terminus des Gegners) [ =] yad asti, yathii ca. yan niisti, yathii ca. tat sarva'!I pramii�ata upalabdhyii sidhyati (NBh 1075,5-8 adNSü 4.2.26). 2.) sthii�au pu�o 'yam iti ryavasiiyo mithyopa­labdhi/J. atasmi'!IS tad iti jniinam (NBh 1087,5 adNSü 4.2.35). 3.) sthii�u sthii�r iti ryavasiiyas tattvajniinam (NBh 1087,5f adNSü 4.2.35). 4.) tattva'!I sthii�ur iti (NBh 1089,3 adNSü 4.2.37).

16 Vgl. Anm. 12 und die in Anm. 2 zitierte Wiedergabe von tattva durch HALBFASS (1992: 23) mit

"suchness".

17 NM (1 ),8,20: kecana 'tattva.,,, ca taj, jniinaT{I ca' iti karmadhiiraya'!I ryiicaca/cyire. Eine solche

Deutung des Kompositums ebenfalls von Vyoma5iva abgelehnt: tattvajniinam iti. ... na tu 'tattva'!I ca tat, jniina'!I ca' iti (Vyom 20 Gha),2f ad PDhS 20 Ga),2-4).

18 NM(l ),20f: tat punar ayuktarrz, jiiänasya svatas tattviitattvavibhiigiibhiiviit. vi�ayak:[to hi jniinii­niirp tathiibhiivo 'tathiibhiivo vii. Vgl. auch unten, Anm. 41.

19 Vgl. unten sub 3.2 und Anm. 50f.

20 MBh I 35,1ld;IV 1,1 ld; VI 72,26d; VII 54,25b; VIII 29,37d; 63,58c; etc.

Über , Wahrheit' (skt. tat-tva) 243

als Erkennen (jiiäna) lehrt, was tattvajnänärthadarfana sei,21 so zeigt der letzte Päda ( d: ajnänaT{l yad ato 'nyatha1, wie dies eigentlich nur gemeint sein kann: Ist nämlich „a-jnäna von diesem (atafz), scil. jnäna, anders" (an-yathä, modal), dann muß das

tat0 aus tattva-jnäna doch ebenfalls modal als „derart/so" (tathä) zu verstehen und das Kompositum in Paraphrase als tathä-bhüta-jnänena arthasya darfanam auf­zulösen sein: „Den Gegenstand Schauen durch ein Erkennen, [welches] derart [wie der Gegenstand] ist".

Ein ähnlicher Gebrauch von ( a-)tattva ließe sich mannigfach, darunter etwa auch im Y ogaväsi�tha, nachweisen:

atattve tattvabhävena jivo dehävrtafz sthitafz J nirdeho bhavati . . . tattvaikabhiivanät II (YV VI 82,21)

- ,,Aufgrund [seiner] Vorstellung (bhäva) vom Derart-/Dies-Sein (tat-tva) von [etwas, das] derart/dies nicht ist (a-tat-tva), bleibt das (geistige) Individuum (jiva) von einem Leib umhüllt. Frei vom Leibe wird es ... aufgrund der Vorstellungs­entwicklung (bhävanä) von [dem,] wie geartet/was es ausschließlich ist.22"

2. 0tattva

Sollte tattva nun gemäß der vor allem anhand des Gebrauches b�i Nyäya-Autoren demonstrierten Weise tatsächlich modal aufzufassen sein, so fehlte doch noch ein Subjekt, von dem ausgesagt werden kann, daß es ,derart' ist. Und wirklich zeigt sich, daß tattva, so nicht als Hinterglied eines Tatpuru�a-Kompositums (wie z.B. artha­tattva) oder in einer gleichbedeutenden Vigraha-Bildung in ohnehin eindeutiger Ver­wendung stehend, kontextuell jedenfalls immer auf einen Gegenstand (artha, vastu) bezogen wird. 23 Bezeichnenderweise trifft dies auch auf solche Fälle zu, wo der Be­griff des tattva selbst definiert wird: yathä so 'rtho bhavati, tasya tathä-bhäva!z [ =] tat-tvam, aviparyayo, yäthätathyam (NBh 323,2±). Der Begriff ,Derartsein, [wie]' (tat-tva) erfordert demnach einen Gegenstand (artha) als Korrelat (yathä - tathä). Dies führt auch gleich zur ersten Definition von 'tattva' im NBh24: kim punas tattvam? sataS ca sadbhävo, asataS cäsadbhävafz. sat sad iti grhyamätzaTfl yathäbhü­tam aviparitarrz tattvarrz bhavati. asac cäsad iti grhyamä"!Ja1JI yathäbhütam aviparita7J1 tattvaT{l bhavati.

21 BhG XIII 11 b-c: tattvajniiniirthadarsanam 1 etaj jniinam iti proktam. 22 Der Inhalt des tat0 wird von Bhäsk�tha - an anderer Stelle allerdings - als cid-rüpa, d.h.

als geistig, bestimmt (MT III 14,52); vgl. unten, Anm. 67.

23 Vgl. artbävadhär� nif"!UJYas [NSül .1.41] tattvajniinam iti (NBh 35,6f). Auch in NBh 56,2

(nif"!UJYas tattvajniina.,,, ... ) gilt für ni7!1aya weiterhin, daß es sich dabei um arthiivadhiir� handelt. Vgl. auch NSü 1.1.40: avijniitatattve 'rtbe ...

24 NBh 24,5-25,3.

244 W. Slaje

2.1. Palcyilasvämins 'tattva '-Definition im Kontext

Wird man hierbei etwa ernsthaft an eine Aussage über eine ontologische Kategorie der ,Wahrheit' bzw. über ein (transzendentes) Prinzip von ,Wahrheit an sich' denken wollen? Pak�ilasvämins Definition bezieht sich an dieser Stelle25 doch auf das Hinterglied eines unmittelbar zuvor verwendeten Kompositums artha-tattva. Anläßlich der dieser Definition vorausgeschickten Einleitung26 hatte Pak�ilasvämin ja zunächst einmal klargemacht, daß die Erkenntnismittel (pramä'l}a) eine zuverlässige Erkenntnis von Gegenständen (artha) erzeugten:

pramä'l}ato 'rthapratipattau pravrttisämarthyäd arthavat pramä'l}am. pramä'l}am antare'l}a närthapratipattil;, närthapratipattim antare'l}a prCIV[tlisämarthyam. pramii'f}ena khalv aya'f!I jnätärtham upalabhya, .. .

- „Aus der Tatsache, [daß] eine Betätigung, [die sich] an einer von einem Er­kenntnismittel [erzeugten] Erkenntnis eines Gegenstands [orientiert], zweckmäßig ist, [folgt, daß] ein Erkenntnismittel einen Gegenstand hat. Ohne ein Erkenntnis­mittel [gibt es nämlich] keine Gegenstandserkenntnis, [und] ohne Gegenstands­erkenntnis keine Zweckmäßigkeit einer Betätigung. [Denn] dieser Erkenner da hat den Gegenstand bekanntlich [erst einmal] mit einem Erkenntnismittel erfaßt, [und] danach ... "

Sodann27 wurde artha definiert: arthas tu sukha'!l sukhahetuS ca, dul;kha'!l dul;khahetuS ca. so 'ya7J'l pramä'l}ärtho . . .

- „Der ,Gegenstand' (artha) aber [mag] sowohl Lust [und] Ursache für Lust, als auch Leid [und] Ursache für Leid [sein]. Derselbe hier [in Rede stehende] ,Gegen­stand eines Erkenntnismittels' ... "

Nun28 wird gefolgert: Erkenner (pramätr), Objekt des Erkennens (prameya), und das Erkenntnisresultat (pramiti) müssen ebenfalls mit dem Gegenstand (artha) verbunden sem:

arthavati ca pramä'l}e pramätä, prameya'f!I, pramitir ity arthavanti bha­vanti. kasmät? arryatamäpäye 'rthasyänupapattel;. tatra yasyepsäjihä-

25 Zum Zitat vgl. Anm. 24. HALBFASS (1992: 158; 167, n. 115) bemerkt dazu: "In classical

Nyäya since Vätsyäyana, tattva has covered being and nonbeing (sat and asat; that is, positive and

negative facts and occurrences) insofar as they can be objects oftrue k:nowledge and speech . . . tattva in this sense is the condition of the possibility of valid representation in thought and speech, and it

indicates a fundamentally epistemological perspective on being."

26 NBh 1,5-21,3.

27 NBh 21,5-22,2.

28 NBh 22,2-24,3.

Über ,Wahrheit' (skt. tat-tva)

säprayuktasya pravrttil;, sa pramätä. sa yenärtha.,,, prami'l}oti, tat pramäl:zam. yo 'rthal; pramiyate, tat prameyam. yad arthavijnäna'f!I, sa pramitil;.

245

-„Und hat das Erkenntnismittel [somit] einen Gegenstand, so [folgt daraus, daß] das Subjekt [und] das Objekt des Erkennens [sowie] das Erkenntnisresultat [diesen] Gegenstand [ebenfalls] haben. Weshalb? Weil [die Erkenntnis] des Gegenstandes unmöglich ist, wenn [auch nur] eines von ihnen fehlt. Von diesen ist dasjenige das , Subjekt des Erkennens', das sich im V erlangen, [den betreffen­den Gegenstand] zu gewinnen oder zu meiden, betätigt. Das ,Erkenntnismittel' ist dasjenige, womit das [Subjekt] den Gegenstand erkennt. Das ,Objekt des Erken­nens' ist der Gegenstand, welcher erkannt wird. Das ,Erkenntnisresultat' [schließ­lich] ist das Wissen um den Gegenstand."

Alle vier Faktoren sind daher gemeinsam Voraussetzung für ein umfassendes Er­kennen des artha-tattva. 29

Doch war der Gegenstand (artha) ja bereits als sukha/dul;kha etc. bestimmt worden, desgleichen das Mittel zu seiner gültigen Erkennntis als pramä'l}a und sein Erkanntgewordensein als pramiti. Wenn jetzt die erweiterte Frage nach dem 'tattva' eines bereits bestimmten 'artha' gestellt wird, erweist sich die in Rede stehende tattva-Definition in diesem Liebte als eine, die auf einen ,Gegenstand' (artha) be­zogen werden muß.

Wie aber wird dieser 'artha' nun mit NSü 1 .1 .1 in einen Zusammenhang ge­bracht? Zunächst definiert P�ilasvämin das 'tattva' des ,Gegenstandes' (artha) als ,Seiendsein von Seiendem (sat)' bzw. ,Nichtseiendsein von Nichtseiendem (asat)' und bejaht die Möglichkeit, auch Nichtseiendes (asat) mithilfe von Erkenntnismitteln zu erkennen.30 Allein damit wurde jedoch bereits einer der beiden genannten Aspekte (sat, asat) des tattva eines Gegenstandes (artha), nämlich das ,Nichtseiende' (asat), abgehandelt.

In der Folge kündigt Pa�ilasvämin den verbleibenden zweiten, also den sat­Aspekt31 des in Rede stehenden artha-tattva in der Form als Lehrgegenstand an, daß er dem Seienden die sechzehn im Sutra genannten Begriffe (padärtha) zuordnet:

täsä'f!I khalv äsä'!l sadvidhänäm pramä'l}a-prameya-sa,,,saya-prayojana-dr$!änta-siddhänta-avayava­tarka-nir'l}aya-väda-jalpa-vita'l}<fä-hetväbhäsa-cchala-jäti-nigraha­sthänänäm tattvajnänän nil;Sreyasädhigamal; II [NSii 1 .1 . 1 )

29 NBh 24,3f: cataSf$U caivaT{lvidhäsv arthatattvaT{I parisamäpyate. 3 0 Vgl. NBh 26,2-27,3.

31 NBh 28,2: sac ca khalu �oqa8adhä vyW!ham upadelqyate.

246 W. Slaje

Es ist offenkundig, daß der bereits vom ersten Satz des Nyäyabh�ya32 an erkenntnis­theoretisch gehaltene und 'artha' -zentrierte Kontext hier in seiner Erweiterung um 0tattva völlig konsequent durchgehalten ist. In der Darstellung Pak�ilasvämins handelt es sich nämlich um eine diesen sat-Aspekt des tattva zergliedernde (sad­vidhä) Aufzählung des ,Gegenstandes' (artha) in Form der sechzehn im Sütra ge­nannten Inhalte (padärtha) des Lehrwerks. Das 'tattva-jiiäna' des Sütra bedeutet für

Pak�ilasvämin demzufolge soviel wie ein [ arthasya] tattva-jiiäna, wobei es die sechzehnpadärthas sind, die - in diese Teilaspekte aufgegliedert - stellvertretend für

'artha' genannt sind, und deren 'tattva' es zu erkennen gilt.33 Es zeigt sich, daß der Begriff des tattva daher stets ein ,etwas' erfordert, von dem

sich die ,Art und Weise seines Seins' aussagen läßt. Das in diesem Sinne zu ergän­zende Subjekt ist ein (Erkenntnis-)Gegenstand (artha, vastu, etc.). Allerdings ist die - für den Sütren- und B�ya-Stil keineswegs ungewöhnliche - Tendenz zu beobach­ten, den Gegenstand (artha) als Objekt des tattva nicht gesondert auszudrücken, zumal dann, wenn er dem Kontext zufolge ohnehin in Rede steht. Somit bleibt sehr häufig bloß der Begriff des 'tattva-jiiäna' alleine stehen, wobei sein Gegenstand dann eben als weitergehend hinzuzudenken ist. 34

An die eingangs zur Erklärung des tat 0 bereits gestellte Frage , Wie ist?', auf die die Antwort mit ,Derart ist' (tat-tva) ausgefallen war, kann nun als nächste Frage , Wer oder was ist derart?' angeschlossen und mit ,Derart ist der Gegenstand' beant­wortet werden. Aus dieser nunmehr gewonnenen Bedeutung von ,Des Gegenstandes Derartsein' für 'artha-tattva' wird klar, daß hier von einer Korrespondenz die Rede ist. Das fehlende Korrelat aber wird durch das Wort 0jiiäna (im Kompositum tattva­jiiäna) ergänzt:

32 pramä!lato 'rthapratipattau prOV(ttisämarthyäd arthavat pramä!lam. Vgl. Anm. 26.

33 Analog auch im Vai�ika, wo das tattvajiiäna sich ebenfalls auf ein Objekt richtet, nämlich auf

die sechs Seinskategorien. Vgl. PDhS (NK) 15,2: ... $a!l!!Ölfl padärthänälfl sädharmyavaidharmya­tattvajnänalfl ni/:ISreyasahetul:z. Sridhara bemerkt (NK 16,2fl) hierzu: yazya vastuno yo bhävas, tat tasya (seil. vastuno) tattvam. tattva wird somit als die besondere Seinsweise des zu erkennenden

Gegenstandes erklärt. Und diese sieht Sridhara im gegebenen Fall im sädharmya und vaidharmya, denn er fährt fort: ... sädharmyavaidharmye eva tallvOlfl „. tazya jnänam ...

34 Vgl. auch NBh 84,2f: „. udditfasya t.at-tYa-vyavacchedako dharmo [ =] la/cya!lam; NBh 183 ,5:

asya tu t.at-tva-jfiänäd apavargo, ... Einige zusätzliche, Sridharas Nyäyakandali entnommene, Belege

illustrieren dies ebensogut: utpannatattvajfuinasya ... (NK 681,9f) - 1BIJ1Jiilp padiirtbiioiirp „. tat-tva­jnänOlfl (NK 681,8). tattvadar8anänantaram eva (NK 685,9f) - iitmajnänalfl .„ (NK 685,8). tattva­jfiänasyäpi „. (NK 689,1) - iitma-tat-tva-jfzänazya „. (NK 689,lf). tattva-bubhutsä 0(NK 465,16) -pariitmiikßiakiiliidJ.bubhutsä (NK 466, l 0) - pariitmiidJ.tat-tva-jnäna 0(NK 466,11 ), etc.

Über ,Wahrheit' (skt. tat-tva) 247

3. tattva-jiiäna

Vorerst wäre allerdings noch zu prüfen, ob die im Kompositum artha-tattva oder in einer ihm entsprechenden Vigraha-Bildung vorliegende syntaktische Relation auch in all jenen Fällen aufrecht bleibt, wo tattva um den Begriff des 0jiiäna erweitert ist (tattva-jiiäna) 35• Denn hierbei muß dann auch die Möglichkeit ins Auge gefaßt werden, daß artha nicht nur 1 .) Subjekt von tattva (arthasya tat-tva0) und tattva dann

direktes Objekt von jnäna, sondern 2.) durchaus auch selbst direktes Objekt von jnäna (arthasya °jiiäna) sein kann.

3.1. arthasya tat-tvarµ, tat-tvasya jnänam

Der genannte erste Fall, wo tattva direktes Objekt vonjiiäna ist, liegt - den einheimi­schen Exegeten zufolge - schon einmal in NSü 1 .1 . l vor:

nirdeie yathävacanarµ vigrahab. cärthe dvandvasamäsab. pramätiädf­niirµ tattvam iti sai§iki ��{hi. tattvasya jiiänarµ, nib$reyasasyädhigama iti karmatii ��/hyau.

- „Die analytische Form [der im Sütra komponierten Begriffe erhält Numerus-] Endungen wie in der Beschreibung [all dieser Begriffe in den betreffenden Sütren].36 Ein kopulatives Kompositum hat die Bedeutung [der Konjunktion] ,und'.37 Der Genetiv ,Derartsein (tat-tva) der mit ,Erkenntnismittel' beginnenden [Inhalte des Lehrwerks]' (pramä!Jädfnäm) ist der einer Beziehung I ,des Rests'.38 Die beiden [analytisch zu bildenden] Genetive ,Erkennen des Derartseins' [und] ,Erreichen des Heils' bezeichnen das Objekt [der jeweiligen Verbalhandlung des betreffenden Primärnomens]. 39"

Damit wäre die kasuelle Relation der Komposita tattva-jiiäna und nib$reyasa­adhigama aus NSü 1 . 1 .1 als Genetivus objektivus bestimmt.

Eingehender noch als Pak�ilasvämin befaßt Jayantabhana sich mit der Interpre­tation von tattva-jiiäna in NSü 1 . 1 . 1 , und zwar unter dem Gesichtspunkt des Pro­blems, daß das vom unabhängigen (pradhäna) jiiäna abhängige (upasarjana) Glied tattva seinerseits einen außerhalb des Kompositionsgefüges stehenden Genetiv (pramätia0 - 0nigrahasthänänäm) regieren soll, und schließt sich den Genetivus

35 Zur Bedeutung und Verwendung des Begriffes in neuindischen Idiomen vgl. HALBF ASS 1988:

289f; 301; 304ff.

36 Gemäß NM(l),8,6f. Vgl. zum Abschnitt auch NM(l),8,8-10.

37 Pär) 2.2.29: cärthe dvandval:z. 38 Pär) 2.3.50: $0$!hi s�e. 39 Pär) 2.3.65: kartrkarma!lol:z /q1i.

248 W. Slaje

objektivus-Interpretationen Pak�ilasvämins an.40 Er erklärt, daß „tattvajnäna somit ein Erkennen mit 'tattva' als Objekt, [aber] nicht selbst von sich aus ein 'tattva' sei",41 und bestimmt in Anlehnung an Pak�ilasvämins Definition42 tattva(-jnäna) fol­gendermaßen43:

ki'!l punar ida'!l tattva7J1 näma? sato 'sato vä vastunal; pramä!lapari­niScitasvarüpa7J1 5abdapravrttinimilta7J1 tad ity ucyate. tasya bhävas tattvam iti. tac ca jnänena nisclyate. tat paricchindaj jiiäna'!l tattva­jnänam ity ucyate.

- „Was [meint] denn nun dieses tattva? - Das durch Erkenntnismittel völlig gesicherte Eigentliche eines seienden oder [auch] nichtseienden Gegenstandes, [welches] Veranlassung für eine [darauf bezogene] Sprachbetätigung [ist], heißt 'tat'. ,,Das Sein von diesem ['tat'], (seil. was/wie es ist), [heißt] 'tat-tva"'.44 Und dieses ['tat-tva'] wird durch Erkennen festgestellt. Ein dieses ['tat-tva'] abgren­zendes Erkennen heißt 'tat-tva-jnäna"'.

Damit ergibt sich als aus kommentatorieller Exegese gewonnener Bedeutung von tattva-jnäna in NSü 1 . 1 . 1 ,Erkennen des Derartseins der [Inhalte des Lehrwerks]' / ,Erkennen, wie geartet die [Inhalte des Lehrwerks tatsächlich] sind' und als grund­sätzliche Konstruktions- bzw. Deutungsmöglichkeit des komponierten Begriffes zu­nächst einmal die, daß tattva als Genetiv-Objekt vonjnäna seinerseits einen außer­halb des Kompositionsgefüges stehenden objektiven Genetiv regieren kann: ,Erken­nen des Derartseins von °(gen.)' / ,Erkennen. wie geartet 0(gen.) [tatsächlich] ist'.

3.2. arthasya tat-tva-talz jnänam

Demgegenüber gibt es aber noch andere Möglichkeiten, das Kompositum tattva­jiiäna analytisch zu konstruieren, wobei dann das Erkennen (jnäna) als solches modal durch tattva-talz qualifiziert wird.

Zur Erklärung des bzw. als Äquivalent für tattva-jnäna wird nicht so selten auch samyag-darfana gebraucht, z.B . . .. samyagdarfana7J1 yathäbhütävabodhas tattva-

40 Diskutiert (NM(l), 8,10-32) unter Bezugnahme auf Mahäbh�ya (1 360,19ff ad P� 2.1.1):

upasarjGna7!1 nopasarjanam iti na kiirG1JG111 etat samiise. vigrahaväkyasamiiniirthatayii samiiso bhavati. . . . tasmiid yathiibh�am eva $tzyfhitrayavyiikhyänam anavadyam (NM(l),8,28-32). Vgl. zu 'tattva­jnäna' in der Sicht Jayantas auch oben, Anm. 17.

41 NM(l),8,23: tad etat (seil. tattvajniinam) tattvavi$ayajniina7!1 bhavati, na svatas tattvasva­bhiivam. Vgl. auch Anm. 18.

42 satai ca sadbhävo . . . , vgl. oben, Anm. 24f.

43 NM (1),8,23-25.

44 Vgl. P� 5.1.119, oben Anm. 7 und 12.

Über ,Wahrheit' (skt. tat-tva) 249

jiüinam ... (NBh 1037, 1 1 ). Hier stehtsamyak0/yathäbhüta045 für tattva0, und 0darsana/ 0avabodha für °jiüina. Die Frage, ob samyak (,korrekt') hier adjektivisch oder adver­biell verwendet ist, kann anhand des anderswo begegnenden Syntagmas samyag buddhvä (NBh 33,3), mit dem tattvajnäna ebenfalls umschrieben wird (NBh 32,3),46 zugunsten des adverbiellen Gebrauchs entschieden werden. Daß tattva0 adverbielles Vorderglied des Kompositums sein kann, wird auch an der Wendung tattva-talz jneya47 ersichtlich, wo von dem Objekt (vi,vaya) des mithyäjnäna die Rede ist, welches in der genannten Weise, also tattvatalz, erkannt werden soll. Wenn Väcaspati etwa bemerkt: . .. prameyädinä'!l tävat padärthänärµ tattvajiüina7J1 pramiiflatattvajiüinädhinam, so läßt sein Nachsatz klar erkennen, wie er tattva0 auffaßte, nämlich als Adverb (tattvena): na hi pramä!la'!l tattvenänavadhäritarrz ... (NVTf 3,lOf).

Solch adverbieller Gebrauch (tattvatalz)48 ist auch bei Bhäsarvajfia zu finden: tasmi'!li cätmädau prameye tattvato niScite sthä!lvädäv iva, na mithyäjnäna7J1 punar utpadyata iti (NBhü� 75,6f). Nicht nur weil hier mithyäjnäna - als ein Gegenbegriff zu tattvajiiäna - verwendet wird, muß man unter 'tattvato niScite' eine Paraphrase für

'tattvajiüina' vermuten. Als solche wird sie nämlich zur Gewißheit aufgrund der kurz

darauf folgenden, semantischen Äquivalente 'tathä-bhäva-niscaya' („Gewißheit über das So-Sein")49 und 'tat-tva-jnäna'50, woraus sich, zumal Bhäsarvajfia statt tattvatalz auch tathä-bhütena (Adv.) adverbiell gebraucht,51 der modale Charakter des Gefüges doch schlüssig ergibt.

Auch Sridhara verwendet in seinem Kommentar zu Pra5astapädas Padärtha-

45 Zu yathiibhüta(-artha)° und verwandten Bildungen im Sinne von „(Gegenstände) wie sie tat­

sächlich sind" vgl. auch RUEGG 1994: 307f; 315; 318f. Vgl. ferner auch YV VI 68,19a (yathiibhütam idarrz buddhvä); VII 29,38a (yathiibhüta'!I ca vaktavyarrz); 38c (yathiibhüta'!I vidul:z); 43b (yathäbhütam ida'!I sniu); IV 41,4ab (yathäbhütärthaviikyärthiil:z sarvä eva mamoktayal:z); VII 42,35c (yathiibhü­tiirthavijniiniid); 37d (yathiibhütiirthadarsanät); vor allem aber YV VII l l ,3a: yathiibhütiirtha­tattvajizam . .. (,,Denjenigen, der das Derartsein des Gegenstandes, wie er [tatsächlich] ist, kennt, ... ") .

46 Vgl. ÜBERHAMMER 1964: 315, n. 35. Vgl. auch SDS (NyäyadarSana) 246,95f: samyagdariana­padavedaniyatayä tattvajniina'!I jiiyate.

47 NBh 1036,2f: tac ca mithyäjnäna'!I yatra v4aye pravartamäna'!I sa7!1Siirabija7!1 bhavati, sa v4ayas tattvato jneya iti.

48 Vgl. auch das über BhG XIII l lb (tattvajniiniirthadarsana) oben S. 243 Bemerkte, wonach das Vorderglied tattva- hier adverbiell interpretiert werden kann. Zitat Anm. 21.

49 Vgl. dazu auch oben, S. 242 .

50 N Bh� 75,13f: ... sarvasyätmiides tathiibhävaniscaye sati, sa7!1Siiramülasyiijnänasya niv[fte}J. Und in anderer Formulierung NBhü$ 76,3f: evarrz sarvatra prameyavis�e mithyiijniinasyiinartha­mülasya tattvajiziiniid apäyo drczyfavya iti. Vgl. ferner NBhü$ 436,11-13: yadvi$aya7!1 tattvajniinam . .. ni}JSreyasiinga'!I bhavati . . . tat prameyam. tad eva tattvato jizätavyam.

51 NBhü$ 33,5f: avidyamiino 'py artho yadii tatbiibbiitenaivävidyamänäkär�a DiSciyate, tadii tadv4aya7!1 tattvajniinam eva, tadrüpävyabhiciirät.

250 W. Slaje

dharmasa.Iigraha tattva0 wiederholt als Adverb. In NK 18,1 lff etwa nimmt er das zuvor von ihm verwendete dravyädi-tattva-jniina'f!I nochmals auf als tattvato jniite$U bähyiidhyiitmike$U Vi$aye$u.52 Im Satze yadartha'f!I tattva-bubhutsii-visi$/aS (seil. iitmii) ca, tadartham uddyotayati (NK 465,21) wird der Akkusativ 0artham des Relativsatzes so von bubhutsä regiert, wie der des Hauptsatzes von uddyotayati: -„Vom Wunsche charakterisiert, einen gewissen (yad-) Gegenstand ... zu erkennen". Somit kann das Vorderglied tattva0 hier nur modale Bestimmung des Desiderativ­Primämomens bubhutsii sein, in einer Vigraha-Analyse als yam artha'f!I tattvatal:zl tattvena bubhutsä, tayii viSi$/al:z ... (- „ Vom Wunsche charakterisiert, einen gewissen Gegenstand seinem Derartsein gemäß/in adäquater Weise zu erkennen ... ") wieder­zugeben. Ein weiteres Beispiel liegt in NK 466,7-10 vor, wo in direkter Rede (aha'f!I tattvato 'nujiiniyiim iti) auf ein außerhalb des iti-Satzes liegendes Objekt Bezug ge­nommen wird, nämlich auf iitmasvarüpam (Akk.). Dieses Syntagma ... iitmasvarüpam "aha'f!I tattvato 'nujäniyiim" iti ... wird in textlich unmittelbarem Anschluß als tat-tva-jniina0 wieder aufgenommen und schließlich präzisiert durch iitma-tat-tva'f!I (sphu/i­bhavati). Daraus ergibt sich nun nicht nur der adverbielle Charakter des tat0 (bei finiter Verbalform), sondern auch, daß das tat0 ein Objekt, von dem das So-Sein ausgesagt wird, braucht bzw. hat. In diesem Falle ist es der ätman: - ,,Derart/Das, wie geartet/was der ätman tatsächlich ist" bzw. ,,Derart-/So-Sein des iitman".

Diese zweite Deutungsmöglichkeit von tat-tva-jniina als ein Kompositum mit adverbiellem Vorderglied läßt sich am Gebrauch von mithyii-jnäna erhärten. mithyii­jftiina ist ja expliziter Gegenbegriff zu tattva-jniina. 53 Die beiden Begriffe bilden eine Opposition, was wiederholt hervorgehoben wird. 54 Schon deshalb spricht wenig da­für, daß dem Adverb mithyii0 etwa ein nominal oder adjektivisch gebrauchtes tattva0 gegenübergestellt werde. Im Lichte der bereits vorgeführten Beispiele wird man tattva° in verwandten Kontexten ebenfalls als ein adverbiell gebrauchtes Vorderglied ansehen müssen. Auch Jayantabhanas Sprachgebrauch, da er häufig samyak" anstelle von tattva0 setzt, weist doch unmißverständlich darauf hin: mithyiijftiinasya ca samyagjnäna'f!I pratipa'lcyal:z (NM(2), 86,8). Der adverbielle Charakter eines so ver­wendeten 'samyak' kann kaum angezweifelt werden, wenn man sich die folgende Konstruktion ins Gedächtnis ruft: jniifa'f!I samyag asamyag vii, ... (NM(2),2, 1 f).

Vyomasiva setzt ebenfalls wiederholt samyak" an die Stelle von tattva0, um das

52 So auch NK 674,7f: tattvato vijnät� dubkhaikanidäne�u vi�ay� ... 53 NBh 82,2: tattvajfziina7!1 tu khalu mithyäjfzänaviparyaye1Ja vyäkhyätam. 54 Z.B.: yadä tu tattvajfzänän mithyiijfzänam apaiti, ... (NBh 78,2); tattvajiiänäd apavargo, mithyii­

jfzänät sa,,,siira iti (NBh 183,5). tattvajiiänena ca mithyopalabdhir nivartyate (NBh 1087,6). Vgl. auch

NBh adNSü 1.1.2 sowie NSü 4.2.35: mithyopalabdhivinäias tattvajnänät ... und 4.2.37: tattvapra­dhänabhedäc ca mithyiibuddher ...

Über ,Wahrheit' (skt. tat-tva) 251

Vorderglied eines dem Begriff mithyiijniina entgegengesetzten Kompositums (samyag-jftiina) zu bilden, woraus füglich geschlossen werden darf, daß mit samyak" dasselbe wie mit tattva0 ausgedrückt werden konnte. 55 Vyomasiva ist im übrigen ganz explizit in dieser Hinsicht, denn er sagt: tattva'f!I hi samyaktva'f!l.56 Und daher ist es nur konsequent, wenn er den Begriff tattvajftiina dann auch dort, wo PraSastapäda ihn im erlösungsrelevanten Kontext gebraucht,57 „als ein ,korrekt/adäquat' zu qualifi­zierendes Erkennen", definiert.58

3.3. (arthasya) tat-tva-jniina

Damit wären - je nach Konstruktion - als für 'tattvajniina' mögliche Bedeutungen die folgenden gewonnen, sofern nämlich der Begriff in erkenntnistheoretischen Kon­texten wie den hier untersuchten in Verwendung steht: 1.) tat-tva = „Derart-/So-Sein. [wie]" (oben, sub 1).

2.) (arthasya) tat-tva: Das Objekt, von dem das ,Derartsein' ausgesagt wird, der ,Gegenstand' (artha) also, kann entweder explizit zum Ausdruck gebracht (artha­tat-tva) oder auch ebensogut bloß implizit mitgemeint ([artha-]tat-tva) sein: „Derart-/So-Sein eines Gegenstandes / [Wiel ein Gegenstand [tatsächlich] ist" (oben sub 2).

3.) (artbasya) tat-tva-jiiäna: Wird das Syntagma um 0jnäna erweitert, sind zwei Konstruktionen durchführbar. Eine (a) drückt das Objekt, die zweite (b) den Modus des Erkennens aus: a) (arthasya) tat-tva'f!I, tat-tvasya jniinam = ,,Erkennen des Derart-/So-Seins

[eines Gegenstandes]/ Erkennen. wie geartet [ein Gegenstand tatsächlich] ist" (oben sub 3.1).

b) (arthasya) tat-tva-tal; jftiinam = „[Einen Gegenstand seinem] Derart-/So-Sein gemäß/in korrekter Weise/adäquat erkennen"59 (oben sub 3.2).

Da jedoch bei Aussagen über das ,Wie-Sein' eines Gegenstandes immer auch sein dieses ,So-Sein' voraussetzende ,Da-Sein' mitausgesagt sein kann,60 empfiehlt sich - wenn eine genauere Bestimmung nicht möglich ist - die weiter gefaßte Über-

55 Vyom 20(ka),31: samyagjiiänän mithyäjnänasya santänocchedo, na mithyäjnänät samyagjnä-nasyeti.

56 Vyom 20(jha),5.

57 PDhS 20(ja),2-4: ... �Cl!l!/Öl!I padärthäniPp sädharmyavaidharmyatattvajfzäna1!1 nif:iSreyasahetub. 58 Vyom 20(jha),2: tattvajnänam iti samyaktvasya viSeyya7!1 jiiänam iti. 59 Vgl. HALBFASS (1988: 276): "adequate knowledge", (oben Anm. 3).

60 Man beachte in diesem Zusammenhang Pak $ilasvämins pronominale Auslegung des tat bei

Auseinandersetzungen mit buddhistischen Gegnern, oben sub 1„ Anm. 15.

252 W. Slaje

tragung von tattva-jnäna, welche beide Aspekte sichtbar zu machen vermag: ,Einen Gegenstand derart/als das erkennen. wie/was er [tatsächlich] ist'.

4. , Wahrheit'

Will man dennoch den Begriff von ,Wahrheit' für das indische tattva setzen, sollte man sich - vor dem Hintergrund der langen und komplexen geschichtlichen Entwick­lung des Wahrheitsbegriffes im abendländischen Denken - einer genaueren Abgren­zung des dabei Gemeinten nicht entziehen.61 Dem Ergebnis der vorangegangenen Untersuchung gemäß liegt der ,Wahrheits'-Charakter des sanskritischen 'tattva' doch wohl in der Übereinstimmung zwischen einem Gegenstand und einer adäquat erfolg­ten Erkenntnis von demselben. Dies entspricht im wesentlichen der ,klassischen' adaequatio-Formel veritas est adaequatio rei et intellectus Thomas v. Aquins, bzw. kommt dem nahe, was man heute als ,Korrespondenzrelation' zu bezeichnen pflegt.62 ,Aussagenwahrheit' wird in den indischen - nicht nur dialektischen - Traktaten dem­gegenüber in der sprachlichen Gestalt vor allem eines 'satyam etat' formuliert. Ein 'tattvam etat' ließe sich dafür klärlich nicht einsetzen, was im übrigen auf den wich­tigen Bedeutungsunterschied zwischen satya und tattva weist. 63 Allein deshalb ver­bietet sich eine nicht genauer spezifizierte Wiedergabe beider indischer Termini durch ein- und denselben Begriff der , Wahrheit'. tattva im Gebrauch von erkenntnis­theoretischen Diskursen wie den eben gezeigten meint demnach weder , Wahrheit' im Sinne wahrer Aussagen noch im Sinne von ontologisch-metaphysischen Kategorien wie ,transzendenter Weltgründe' oder ,unendlicher Ur-Wahrheiten' aus persona­listisch-theistischen Glaubenstraditionen.

Bekanntlich gibt es aber abweichende Kontexte, auch andere Traditionen indi­schen Denkens, wo das Wort tattva durchaus zur Bezeichnung systemspezifischer und zum Gegenstand der Reflexion gemachter ontologisch kategorisierbarer ,Prlnzipien' in Verwendung stand.64 Für eine solche Bedeutung von tattva könnte allerdings eine

61 Zur Geschichte und definitorischen Extension des Wahrheitsbegriffes vgl. z.B. PuNTEL 1974; 1993.

62 Vgl. PuNTEL 1974: 1651ff; 1993: 26-40.

63 Vgl. SöHNEN-THIEME (1995: 235): "The word for 'truth' in Sanskrit is satya . ... What is re­markable about the concept of 'truth' ... is that it is based on, and almost closely connected with, the spoken word, the utterance ofphonetic sounds." (S. 239:) " ... the absolute congruence ofthe spoken word and the corresponding fact in reality". Kulliika (adMDhS VI 92c) reflektiert die Tatsache eines solchen Unterschiedes mit hinlänglicher Klarheit, da er erklärt: sästrädi-tattvajiiäDBl!l [ =] dbifl, ätma­jnäna1J1 [ =] vidyä, yatbärtbäbbidbänal!l [ =] satyam.

64 Man denke nur an die tattvas des Säiikhya oder des Sivaismus. Vgl. auch NVTT 1036,16-19, wo voneinander abweichende 'tattvas' verschiedener Traditionen - den abweichenden Gebrauch des

Über , Wahrheit' (skt. tat-tva) 253

wortbildungsgemäße Auffassung von tat-tva als Abstraktbildung vom Demonstrativ­Stamm (tatlta) die Grundlage bilden. Darauf weist etwa ein Satz Väcaspatimisras hin, der ausdrücklich verneint, daß das tat0 in der kontextuell spezifischen Verwendung der von ihm kommentierten Nyäya-Autoren dazu diene, ontologische Kategorien wie z.B. die ,Prinzipien' anderer Traditionen indischer Philosophie zu bezeichnen.65

Das demgegenüber mit tattva(-jnäna) tatsächlich gemeinte Korrespondenzver­hältnis zwischen einem (beliebigen) Gegenstand und seiner Erkenntnis bringt Pak1?ilasvämin doch unmißverständlich zum Ausdruck, indem er davon spricht, daß

(adäquate) Erkenntnis immer eine Erkenntnis von Gegenständen der jeweiligen, ihnen verschriebenen Wissenschaften sei:66

tad idafJ'l tattvajnänafJ'l nil:zSreyasädhigamärthafJ'l yathävidyafJ'l vedita­vyam. iha tv adhyätmavidyäyäm ätmädijnänafJ'l tattvajnänam, nil;zSre­yasädhigamo 'pavargapräptil;.

-"Daher muß man das dem Erreichen des [jeweils] Besten [der einzelnen Wissen­schaften] dienende Erkennen vom Derartsein [ihrer jeweiligen Gegenstände diesen] betreffenden Wissenschaften gemäß [ebenfalls als differenziert] kennen. Doch hier in [dieser] seelenorientierten Wissenschaft [des Nyäya] ist das Erkennen [davon], wie geartet/was [sein Gegenstand] ist, ein Erkennen [der Kategorie ,Objekt des Erkennens' (prameya), welche] mit ,Selbst' (ätman) beginnt; das Erlangen des Besten/von Heil [aber] ist [hier im Nyäya] der Gewinn der [end­gültigen] Erlösung".

Begriffes in erkenntnistheoretischen Kontexten innerhalb des Nyäya klar reflektierend - dargestellt werden. Eine vergleichbare Verwendung findet sich ja bereits im Werktitel Tattvopaplavasii:pha ("lion of annihilation of [all] principles") [vgl. FRANCO 1987: 68f] oder im Sarvada.rSanasa.Iigraha, wo die von den einzelnen Schulen akzeptierten Prinzipien regelmäßig als tattva (pl.) bezeichnet werden. Vgl. z.B. SDS 2,23 (Cärväka), 40,292 (Bauddha), 87,422 (Jaina), etc. Ob der von Sa.Iikara angenom­mene ,Weltstoff' (näma-rüpe) in dessen eigener Bestimmung als tattvänyatväbhyäm anirvacaniya0 tatsächlich nur als „unbeschreibbar als dies oder etwas anderes" oder nicht etwa auch als „weder als von dieser noch als yon einer anderen Art beschreibbar" verstanden werden könne, mag vorerst einmal dahingestellt bleiben. Jedenfalls wird tattva0 hier von Sa.Iikara im Sinne eines Dies- bzw. Derart-Seins gebraucht. Gemäß MA YEDA "there is no implication here as to the ontological statuS of the primary material" (1992: 59, n. 17).

65 sadasati tat [vgl. NV 24,12-25,7]: atha kasmät pralq1ipuro�au vä [ =Säiikhya] ... catväri bhütä­nity [ =Cärväka] ädini na tado väcyäni bhavantity ata äha .. . (NVTT 25,20fl). tattvas des Nyäya nämlich seien - anders als die ( ,transzendenten') tattvas der von Väcaspati aufgezählten Schulen -Gegenstand der Erkenntnismittel (vgl. NVTT 25,22fl).

66 NBh 65,2f. Das satzeröffnende tat ist konklusiv, im Anschluß an das (NBh 64,2fl) vorange­gangene ArthaSästra-Referat: seyam änvilcyiki pramä{lädibhir padärthair vibhajyamänä 'pradipab sarvavidyäniim, upäyafl sarvakarma{läm 1 iiSrayafl sarvadharmä{lä1J1' [AS I 2, 12a-c ], vidyodde5e pra­kirtitä II (,,Diese ,priifende', in die mit ,Erkenntnismittel' beginnenden Lehrwerksgegenstände geglie­derte [Wissenschaft des Nyäya], wird im [Kapitel] Vidyoddesa [des ArthaSästra] als ,Leuchte aller [anderen] Wissenschaften, als Mittel für alle Handlungen, als Stütze alles Normativen' gerühmt.")

254 W. Slaje

Das in Frage stehende tat0 also ist - wenngleich grundsätzlich ,objektsneutral' ,67 so doch - stets auf konkret bezeichnete - oder zumindest gemeinte - Gegenstände zu beziehen. Eine hinter den Erscheinungen verborgene absolute , Wahrheit', eine , trans­zendente Wahrheit'68 zumal, dürfte deshalb - auch seinen Kommentatoren Uddyota­kara und Väcaspati zufolge - in Pak�ilasvämins Gebrauch des Begriffes von tattva­jnäna nie enthalten gewesen sein:

tattva"fJ1 padärthänä"fJ1 yathävasthitätmapratyayotpattinimittatvam. yo yathävasthitatz padärthatz, sa tathäbhütapratyayotpattinimittam bhavati yat, tat tattvam.

-,,Derartsein (tattva) [bedeutet, daß] Gegenstände das Entstehen einer Erkenntnis [in der Art] veranlassen, wie sie eigentlich (ätman) sind. Wenn ein Gegenstand das Entstehen einer Erkenntnis [von ihm] in der Art (tathä-bhüta) veranlaßt, wie er [tatsächlich] ist (yathävasthita), dann [ist dies eben sein] Derartsein (tattva)".69

na hi bhävänä"fJ1 tattvam anyat pratya'lcyavi$ayrlqtäd rüpäd iti bhävatz. - „Denn das Derartsein (tattva) von all dem, [was] existiert, ist nicht anders als [dessen] zum Objekt sinnlicher Wahrnehmung gemachte Formen ... ".70

Ein Gegenstand ist demzufolge gerade so, wie er (durch gültige Erkenntnismittel)

in richtiger Weise erkannt wird. Sein tattva - als adäquat erkennbar in der Welt der Objekte - ist mithin ein ,immanentes', kein ,transzendentes'. Und m.E. handelt es sich auch nicht um mehr als um eine derartige, bloße Korrespondenzrelation, die sich ,in Wahrheit' hinter dem - zumal im alten Nyäya syntaktisch einschlägig verwen­deten - Begriff des tattvajnäna verbirgt. 71

67 Vertreter anderer philosophischer Sichtweisen erfüllen den Inhalt des tat0 naturgemäß anders.

Vgl. z.B. (im radikalen Illusionismus des Advaita) tattväj j agatsthitel:z, wo tat-tvät als cidrüpa-tvät erklärt wird: - „weil die Welt derart, d.h. geistig, ist" (MT(ill) 14,52). Vor solch monistischem

Hintergrund kann tattva dann schon auch als 'paramärtha' aufgefaßt werden (z.B. MT adl 25,16),

als „allerhöchster/absoluter Gegenstand" eben.

68 ÜBERHAMMER 1984: lff&passim. 69 Uddyotakara: N V 31,6-32,6.

70 Väcaspatimi5ra: N VT'f 34,15.

71 Folgerichtig führt Uddyotakara die diesbezügliche Diskussion auf die Ebene der Problematik

der Maßgeblichkeit jener Erkenntnismittel (pramä!Ja ), auf denen dieses Erkennen davon, welcher Art die Gegenstände tatsächlich sind, beruht (NV 24,12-25,7). Für die Klärung der Bedeutung des in

Frage stehenden Begriffes selbst aber ist diese seine und seiner Nachfolger Weiterführung der Thema­tik jedoch nicht mehr relevant.

ABHYANKAR 1 978 AS

BhG

DASH 1 993

FRANCO 1 987

FRANCOIPREISENDANZ 1995

HACKER 1 965

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NM

NSü

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On modern retellings of Räm-kathä

in Hindi Literature:

Bhagvan Sirith's novel Apne-apne Räm

1. Introduction

Danuta Stasik

Tumhäri gätha me na Räm ko samjhä gayä hai na Sitä ko. ( ... ) vah kavi kä satya hai.

(B. Sirilh 1 992: 301) In your story neither Ram has been understood,

nor Sita. ( . . . ) lt is the poet's truth.

Bhagvän Sirhh's novel Apne-apne Räm (To Each His Own Ram; 1 992), one of the most recent and most interesting modern retellings of räm-kathä, stirred the world of

Hindi critics and has been claimed one of the most controversial and/ or the best prose works in the recent decades. Critics have raised many questions (N. SI�H: 1 992; SARMÄ: 1 992; RAY: 1 992; SAXENA: 1993; VARMÄ 1995; BHARADVÄJ: 1995), and a significant number of them deal with the author's approach to myth - no wonder in the case of a retelling of a story, which by its nature is a repository of myth. In this context a few interrelated questions seem of much importance: what method ( or methods?) can prove useful while examining a definitely modern literary genre which serves as a vehicle of myth that has an established tradition behind it? How to reconcile myth with the author's modern outlook? What is the role assigned to myth by a contemporary artist?

To answer these and other related questions, in this paper I try to apply Eleazar MELETINSKYs approach to myth in the 20th century literature expounded in his book Poetika mifa (The Poetics of Myth; 1976) and to comment upon the relevance ofhis concepts in the case of Sirhh's novel.

lt should be noted here that the choice of MELETINSKYs approach for our analysis has been influenced mostly by the fact that it differs immensely from the attitude of other Western authors (no indigenous works on the subject have been published, as far

BERLINER lNDOLOGISCHE STUDIEN (BIS) 11/12.1998: 259-268.