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bauhauskommunikation Innovative Strategien im Umgang mit Medien, interner und externer Öffentlichkeit 1_Vorbemerkung_Titelei_3.AK 11.05.2009 14:54 Uhr Seite 1

Das Bauhaus in allen Taschen - Notgeldscheine als Vorboten der "Neuen Typographie"

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bauhauskommunikation

Innovative Strategien im Umgang mit Medien, interner und externer Öffentlichkeit

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Neue Bauhausbücher hrsg. vom Bauhaus-Archiv Berlin neue Zählung Band 1

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bauhaus-kommunikationInnovative Strategien im Umgangmit Medien, interner und externer Öffentlichkeit

Herausgegeben von Patrick Rössler

Gebr. Mann Verlag · Berlin

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

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Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-NORM über Haltbarkeit erfüllt.

Umschlagabbildung: Einbandentwurf, Layout: M&S Hawemann · BerlinDruck und Verarbeitung:

Printed in Germany · ISBN 978-3-7861-2606-5

Das Forschungsprojekt »bauhauskommunikation« führte der Lehrbereich Kommunikationswissenschaft/Empirische Kommunikationsforschung mit freundlicher Unterstützung der Universität Erfurt durch. Ausgewählte Ergebnisse wurden auf einem wissenschaftlichen Symposium am 18. und 19. Juni 2009 im Goethe-Nationalmuseum Weimar vorgestellt, das die Klassik Stiftung Weimar gemeinsam mit der Universität Erfurt veranstaltete. Fachtagung und Publikation wurden durch die Förderung der Klassik Stiftung Weimar ermöglicht.

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Inhalt

Vorwort 7

Vorbemerkung 9

Corporate Identity – Öffentlichkeitsarbeit – Medienresonanz

Patrick Rössler

Das Weimarer Bauhaus und seine Öffentlichkeiten im Dialog 13

Annemarie Jaeggi

Gropius’ Lehrjahre in Sachen Kommunikation (Interview: Marc Etzold) 48

Marc Etzold

Walter Gropius als Kommunikator 54

Patrick Rössler / Nele Heise

Das Bauhaus im Spiegel der Presse 1919-1925 77

Claudia Junge / Patrick Rössler

Die Instrumentalisierung der Presse 99

Magdalena Droste

»gewissermassen konkurrenten« 115

Patrick Rössler / Nele Heise

Presseresonanz im Übergang von Gropius zu Meyer 127

Dara Kiese

Bauhaus-PR unter Hannes Meyer und Mies van der Rohe 131

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Beziehungen – Veranstaltungen – Bauten

Bernd Freese / Patrick Rössler

»Erst durch die Liebe zu Werner habe ich verstanden, was Bauhaus ist…« 147

Christoph Wagner

›Subtexte‹: Die Mappe für Walter Gropius »1924 18/V« 161

Peter Bernhard

Die Bauhaus-Vorträge als Medium interner und externer Kommunikation 171

Josefine Hintze / Corinna Lauerer

Medienereignisse am Bauhaus 185

Wolfgang Thöner

»Der zeitgemäßen Entwicklung der Behausung dienen« 205

Dara Kiese

Hannes Meyers Bauhaus – die Wanderschau 1929-1930 215

Helmut Erfurth

›Punkt, Linie, Fläche‹ und ›Schwarz-Weiß-Kontraste‹ 223

Xanti Schawinsky

erklaerung zur ausstellung »das bad« (Kommentar: Ute Brüning) 233

Medien – Werbung – Publikationen

Petra Eisele

László Moholy-Nagy und die »Neue Reklame« der zwanziger Jahre 239

Ute Brüning

Joost Schmidt: ein Curriculum für Werbegrafiker 257

Nele Heise

Das Bauhaus in allen Taschen 265

Ute Brüning

Bauhausbücher – Grafische Synthese und synthetische Grafik 281

Juliana Raupp

Architektur und Anekdoten 297

eine bibliographie der »bauhaus«-Zeitschrift (Josefine Hintze) 309

Patrick Rössler

Medienthema Bauhaus 315

Autoren dieses Bandes 335

6 Inhalt

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Nele Heise

Das Bauhaus in allen Taschen

Notgeldscheine als Vorboten der Neuen Typografie

Notorische Geldnot war ein Kennzeichen der Weimarer Bauhauszeit. Nicht nur litten ein-zelne Werkstätten – und insbesondere der Großteil der Bauhaus-Schüler – unter knappenFinanzressourcen. Auch die Bauhausausstellung im August 1923 stand wirtschaftlich unterkeinem guten Stern. Die Weimarer Republik befand sich auf dem Höhepunkt einer Hyper-inflation, dem »ewig deutschen Gespenst«1. Umso erstaunlicher ist es, dass die Ausstellungüberhaupt zustande kam.Beinahe zeitgleich mit der Eröffnung der Ausstellung war es ein Bauhäusler, der junge Her-bert Bayer, der eine notdürftige Währung für die thüringische Landesregierung entwarf –ein in der Geschichte des Bauhauses einmaliger Auftrag, dessen Tragweite bis heute unter-schätzt wird. Denn dabei handelte es sich nicht nur um den äußerst modernen Entwurf ei-nes Bauhaus-Schülers, der in hoher Auflage regionale Verbreitung fand: Die Notgeldscheinevon Bayer gehören auch zu den frühesten Zeugnissen der Neuen Typografie, zuweilen auch›Bauhaustypografie‹ genannt.Der vorliegende Beitrag arbeitet die Bedeutung der Banknoten für das Aufkommen derNeuen Typografie am Bauhaus heraus. In dieser Hinsicht wurden die Geldscheine bislangvernachlässigt, was wohl auch der schwierigen Quellenlage geschuldet ist. Es sind bislangkeine umfassenden Aussagen Bayers bzw. seiner Zeitgenossen über den Entwurf bekannt,Akten zur Entstehung des Auftrags finden sich kaum. Der folgende Text ist eine Zusammen-führung von Daten aus Sekundärliteratur und den wenigen maßgeblichen Primärquellen,die das Bekannte sinnvoll ergänzen. Daneben wird eine neue Lesart der Geldscheine vorge-schlagen, die Geld als ›Kommunikationsmedium‹ und damit die Gestaltung von Banknotenals kommunikativen Akt deutet.

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Geld als ›Kommunikationsmedium‹

Um das Notgeld Bayers in seiner Funktion besser verorten zu können, muss geklärt werden,was im Allgemeinen unter dem Begriff Geld gefasst wird. Zunächst ist Geld ein neutralesökonomisches Mittel zum Tausch, zur Zahlung und zur Wertaufbewahrung.2 In unseremZusammenhang soll das Notgeld im Sinne eines rezipierbaren Kommunikations- und Inter-aktionsmediums verstanden werden. Der Mediumsbegriff wird entlehnt aus der (soziolo-gisch orientierten) Geldtheorie nach Georg Simmel, Talcott Parsons und Niklas Luhmann.Simmel entwickelte seine ›Philosophie des Geldes‹ um 1900. Bei ihm ist Geld Ausdruck so-wie Einfluss sozialer Beziehungssysteme, es hat also auch eine soziale, nicht ausschließlichökonomische Dimension. Die Interaktion zwischen Individuen als unmittelbare Beziehungwird laut Simmel durch überpersönliche Gebilde ersetzt, sogenannte »substanzgewordeneSozialfunktionen«3 – Geld ist ein solches Gebilde. Simmel versteht die Mehrheit mensch-licher Beziehungen als (Aus-)Tausch, und Geld als den zur Selbstständigkeit gelangten Aus-druck dieses Tauschverhältnisses.4 Hier zeigt sich die Doppelrolle des Geldes: Es ist einerseitsmehr als ein reines Messmittel, da es selbst einen konkreten Wert darstellt. Andererseits istGeld abstrakt, es hat symbolischen, auf soziale und kulturelle Praxiszusammenhänge verwei-senden Charakter.5

Aus der soziologischen Perspektive ist Geld ein symbolisch generalisiertes Medium der Kom-munikation und Interaktion.6 Ein Vordenker dieses Ansatzes ist der amerikanische SoziologeParsons. Seine Grundidee ist die der »symbolisch generalisierten Medien«, also der Funktions-medien, die als Lösungen für bestimmte Problemlagen dienen. Zu diesen Medien gehörenneben Geld z. B. auch Liebe und Recht. Geld stellt einen Vertrag zwischen Tauschpartnerndar und ist somit ein Mechanismus zur Steuerung von Interaktionen.7 Für Parsons ist Geldneben Macht das zentrale gesellschaftliche Interaktionsmedium und dadurch ein Mittel derAusübung von Macht und Herrschaft. In diesem systemischen Sinne stellt Geld ein Kom-munikationsmittel zwischen Tauschbereitschaften und Tauschfähigkeiten dar. Versteht mannun Handlung als Tauschhandlung und Kommunikation, so gibt es Ähnlichkeiten zwischenGeld und Sprache. Es existiert gar eine rein symbolisch-kommunikative Eigenschaft desGeldes, die darauf beruht, dass es eine Verbindlichkeit zwischen den Handelnden erzeugt.8

An diesem Punkt setzt Luhmann an, für ihn ist Geld der Code für die wirtschaftlichen Pro-zesse (»Sprache des Geldes«). Deshalb sei Geld auch – wie die Sprache – eines der wichtigs-ten Kommunikationsmittel. In der Wirtschaft übernimmt Geld sogar ganz zentral die Kom-munikation.9 Luhmann führt Parsons Idee weiter und konstatiert, dass Geld zu den »symbo-lisch generalisierten Kommunikationsmedien« gehört, denn »im Geldtausch kommuniziertder Mensch in Gestalt von Tauschprozessen.«10 Somit ist es legitim, von Geld als Medium zusprechen, auch wenn Kritiker meinen, dass »Geld als symbolisch generalisiertes Medium zusehen [...] seine Verharmlosung«11 bedeute.Aus diesen Annahmen ergibt sich die Möglichkeit, Geld nicht nur als Zahlungsmittel, son-dern auch als Alltagsmedium mit einer Botschaft, einem Sender und Empfängern zu lesen.Durch die Zirkulation des Geldes findet eine Rezeption und Verbreitung der ›Botschaft‹ desGestalters statt – im vorliegenden Fall der ›Neuen Typografie‹. Die Überführung von Geldin den Bereich des Mediums eröffnet außerdem einen kommunikationswissenschaftlichen

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Horizont, der eine völlig neue Betrachtungsweise der Geldscheine ermöglicht: Nämlich alsInstrument der öffentlichen Bauhauskommunikation, dessen symbolische und faktischeBedeutung bislang kaum erkannt wurde.

»Jeder ein Milliardär«12 – Hyperinflation & Notgeld

Die Hyperinflation ab Sommer 1923 stellte den sich dramatisch zuspitzenden Höhepunktder ›großen Inflation‹ von 1918 bis 1923 dar. Vor allem die Folgen des Ersten Weltkriegeswaren ein wesentlicher Faktor für die Destabilisierung der deutschen Währung. Nach demverlorenen Krieg benötigte die Umstellung der Kriegs- auf eine Friedenswirtschaft erheb-liche Finanzmittel. Hinzu kamen die von den Siegermächten im Vertrag von Versailles gefor-derten, immensen Reparationszahlungen.13

Die Staatsverschuldung wuchs in den Jahren 1922 und besonders 1923 zu immer neuen Re-kordhöhen an, was zu einer exzessiven Geldschöpfung (und zwangsläufig zu einer Explosionder Preise) führte. Die Reichsbank war zur Emission immer höherer Banknotenwerte ge-zwungen; der höchste je ausgegebene Schein hatte einen Nennwert von 100 BillionenMark.14 Trotz starker Vermehrung des Geldes führte die ›galoppierende‹ Teuerung zu einerZahlungsmittelknappheit. So musste die Reichsbank neben der Reichsdruckerei auch Pri-vatdruckereien mit der Geldscheinproduktion beauftragen. Aber selbst diese hohen Aufwen-dungen konnten den Bedarf an Geldscheinen nicht decken, es kam zur vermehrten Ausgabevon Notgeld.Die Entstehungsgeschichte von Notgeld als Geldersatzmittel geht auf wirtschaftliche Zwän-ge aus Zeiten des Ersten Weltkrieges zurück. Damals wurden die für die Rüstung notwen-digen Rohstoffe knapp, die Inflation setzte ein, weshalb Geldmünzen einen weit über ihrenNominalwert liegenden Materialwert besaßen. So wurden ab Mitte 1917 Landbriefträgermit dem Eintausch von Münzen in Papiergeld beauftragt – Notgeldscheine dienten alsMünzersatz, wurden aber auch genutzt, um leere Gemeindekassen zu füllen. Hierfür gabeneinzelne Gemeinden und Städte eigenes Notgeld heraus, das jedoch allmählich an prak-tischem Wert verlor und stattdessen (ähnlich wie Briefmarken) zum beliebten Sammel-gegenstand wurde. Die darauf aufmerksam gewordenen Hersteller von Notgeld waren fort-an darauf bedacht, originelle und künstlerisch wertvolle Scheine zu fabrizieren, um diewachsende Sammlerklientel zu bedienen, die den Gegenwert der Scheine ja nie einzulösenbeabsichtigte.Die unvermeidliche Folge war das Aufkommen einer immensen Flut an Notgeld im gesam-ten Deutschen Reich.15 Das Reichsfinanzministerium sah sich zum Handeln gezwungenund untersagte am 17. Juli 1922 das Drucken von Notgeld – mit Ausnahme der Scheine, diezu Sammlerzwecken hergestellt wurden.16 Jedoch musste das Reichsfinanzministerium nurzwei Monate nach dem Verbot vielen Kommunen und Betrieben unter strengen Auflagenden Druck eigenen Geldes gestatten, um eine annähernd ausreichende Versorgung mitGeldmitteln zu gewährleisten. Die Ruhrgebiet-Besetzung durch französische Truppen ver-schärfte die Situation im Frühjahr 1923, als die Reichsregierung schließlich die Kontrolleüber die ausufernde Geldvermehrung verlor.

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Vor allem die Wirtschaft wurde durch das chaotische Geldwesen extrem belastet. So muss-ten Betriebe unmittelbar nach der Auszahlung der Löhne schließen, damit die Angestelltenohne allzu große Wertverluste ihr verdientes Geld in Waren umsetzen konnten. Die Hyper-inflation führte im Herbst 1923 zu einer erheblichen Erhöhung der Arbeitslosigkeit undeinem »grenzenlosen Verarmungsprozeß breiter Volksschichten«.17 Es kam zu erheblichenEinkommenseinbußen, und der Verlust von Vermögenswerten trieb die Verarmung des Mit-telstandes voran.18 Erst mit Einführung der Rentenmark am 15. November 1923 und einerallmählichen Kursstabilisierung der ›alten‹ Mark beruhigte sich die Preisentwicklung.Zur Einordnung des Bayerschen Notgeldes in den zeitgenössischen Kontext ist zunächst vonInteresse, welche äußere Anmutung die Notgeldscheine der Inflation typischerweise besa-ßen. Eglau konstatiert, dass das Erscheinungsbild der Notgeldscheine stark ressourcenab-hängig war: »Unter solch immensem Zeitdruck stand den meisten Emittenten nicht geradeder Sinn nach [...] künstlerischen Höchstleistungen. Die meisten Ausgaben sind einseitigbedruckte Schriftscheine ohne Unterdruck und schmückendes Beiwerk.«19 Diese Beschrei-bung trifft vor allem auf die betriebsintern herausgegebenen Scheine zu, die im Vergleich zuden prunkvollen Sammlerscheinen der frühen Inflationszeit eher schmucklos daherkamen.Frühere Scheine beinhalteten oft zeitkritische Aussagen, während die Geldscheine der Hyper-inflation nur selten politische Botschaften vermittelten. Große Städte und Unternehmen nutz-ten die Scheine dieser Phase allerdings häufig, um sich werbewirksam ins Bild zu setzen.Standish konstatiert, dass die Inflation die Gestaltung von Papiergeld unmittelbar beein-flusst – unabhängig von anderweitigen kulturellen oder ästhetischen Überlegungen: »It hitsthe money as well. If it is taking ever greater amounts to buy things [...] ever more zeroeshave to be added to the bills in an attempt to keep up.«20 In Zeiten einer Inflation würde sichdas Aufbringen von Zeit und Geld für einen aufwändigen Stich nicht lohnen, da der Wertdes Geldes sehr rasch fällt. Deshalb nehme auch das künstlerische Format auf solchen Schei-nen ab, ebenso wie die Qualität des verwendeten Papiers.21 Standish trifft in diesem Zusam-menhang aber eine wesentliche Abgrenzung des deutschen Notgelds im Vergleich zu den inanderen Ländern herausgegebenen Scheinen: »[In Germany] the demands of inflation led toan efflorescence of artistic creativity unique in the history of paper money.«22 Dieses Aufblü-hen als deutscher ›Sonderweg‹ ist deshalb bedeutsam, weil der Entwurf von Bayer eher auseiner internationalen Perspektive zu betrachten ist und sich von der zeitgenössischen deut-schen Gestaltungstradition abgrenzt. Der übergeordnete Zusammenhang: Das Erschei-nungsbild der europäischen Gebrauchsgrafik wandelte sich in den 1920er Jahren fundamen-tal und verspielt-dekoraktive Ornamente wurden vielfach von sachlich-nüchternen Gestal-tungen abgelöst. Die Bewegung strebte eine ›Hygiene des Optischen‹ an und beschworeinen ›Iconic Turn‹ herauf, der radikal mit etablierten Sehgewohnheiten brach.23 Bayer griffmit seinen Notgeld-Entwürfen früh die zentralen Forderungen der Bewegung auf, gestaltetesie gar mit – und entwickelte die Form der zu gestaltenden Objekte aus deren Funktion he-raus.

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Der Bayersche Entwurf

Bei den Notgeldscheinen handelte es sich um den ersten Auftrag für ein Produkt in maschi-neller Massenherstellung, den das Bauhaus erhielt.24 Es stellt sich die Frage, unter welchenUmständen die Scheine entstanden und wie ein Bauhäusler den Auftrag zur Gestaltungerhielt. Gab es Bemühungen um die Auftragsvergabe durch das Bauhaus selbst, oder kamendie Auftraggeber auf das Bauhaus bzw. Bayer zu? Vorweg sei gesagt, dass es auf diese Fragenkaum konkrete Anworten geben kann, da wichtige Quellen fehlen. Allerdings lassen sich diedamaligen Vorgänge durchaus plausibel rekonstruieren und hinsichtlich der gesichertenFaktenlage diskutieren.Das thüringische Finanzministerium strebte bereits im Herbst 1922 eine Erlaubnis desReichsfinanzministeriums für staatliche Geldersatzmittel an. Die Genehmigung zur Heraus-gabe von in ganz Thüringen gültigem Notgeld erfolgte jedoch erst am 8. August 1923.25 Be-reits zwei Tage später wurden die von Bayer entworfenen Banknoten »noch druckfeucht«26

in Umlauf gebracht.Der Auftrag an das Bauhaus erging wahrscheinlich direkt vom Finanzministerium Thürin-gen, da von dort aus die Genehmigung durch den Reichsfinanzminister am schnellsten unddirektesten weitergeleitet werden konnte. Allerdings fehlen hierfür die entsprechenden Bele-ge.27 Möglicherweise waren erneut Gropius’ Fähigkeiten als Kommunikator und Networ-ker28 sowie seine guten Verbindungen zum Ministerium und zu Staatsbankdirektor Loeb beider Auftragsvergabe entscheidend.29 Der Auftrag könnte auch durch die ThüringischeStaatsbank selbst, namentlich Direktor Loeb, vergeben worden sein. Loeb verhandelte später(Oktober 1923) mit Gropius über die Gründung der Bauhaus GmbH. Es ist somit möglich,dass bereits zuvor eine engere Zusammenarbeit zwischen ihm und dem Bauhaus bestand.Weiterhin hatte das thüringische Finanzministerium 1923 seinen Sitz in Weimar, Aufträgekonnten somit schnell und unproblematisch an das Bauhaus weitergeleitet werden. Damitwäre ein wenig vom Zeitdruck der thüringischen Regierung genommen worden. Vermutlichgab es bereits im Vorfeld der Genehmigung Pläne, wer die Banknoten gestalten sollte. Zumaldie Auftragsvergabe umkämpft war, wie ein Schreiben der Druckerei Vogel (Pößneck) an dasthüringische Finanzministerium zeigt. Das Unternehmen, erfahren in Entwurf und Herstel-lung von Notgeld, warb in einem Schreiben vom 8. August 1923 für seine Dienstleistungen.Eingegangen war der Brief (mit einem Notgeldschein als Anlage) jedoch erst am 10. August– an jenem Tag zirkulierten bereits Bayers Banknoten. Die Firma hatte zwar rechtzeitig vonder Genehmigung erfahren, war aber nicht vor Ort präsent. Hier zeigt sich noch einmal derVorteil der räumlichen Nähe des Bauhauses zum Ministerium und zum Sitz der Thürin-gischen Staatsbank.30

Warum aber durfte ausgerechnet Herbert Bayer, damals noch Schüler des Bauhauses, diesenprestigeträchtigen Auftrag ausführen? Zum einen verfügte Bayer bereits über Erfahrungenbei der Gestaltung von Gebrauchsgrafik, die er im Büro von Emanuel Margold (Darmstadt)erlangte. Hier entwickelte Bayer 1920 einen Notgeldschein für die Stadt Lembach (sieheAbb. 1), allerdings noch in dekorativ-expressionistischem Stil. Der Kontrast zu seinem Ent-wurf von 1923 ist drastisch, aber leicht zu erklären: Einerseits durch die Hyperinflation, inder in der Ausführung vornehmlich die riesigen Nennwerte (und weniger das Dekor) inte-

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ressierten, im wesentlichen aber durch die Einflüsse, denen Bayer durch sein Studium amBauhaus ausgesetzt war.Im März 1922 trat er gewissermaßen als ›Notlösung‹ in die Wandmalerei-Werkstatt ein, daes am Bauhaus Weimar noch keine Werkstatt für Druck und Typografie gab. Allerdings wid-mete sich Bayer bald typografischen Aufgaben und folgte damit seiner ersten Ausbildungund eigentlichen Neigung. So lieferte er zahlreiche Vorschläge für die Ausstellung 1923, wieden Umschlagsentwurf für den zur Ausstellung erscheinenden Katalog, den László Moholy-Nagy gestaltete. Hierbei »trat Bayer [...] zum erstenmal [...] mit einem gänzlich neuen Stilhervor. [...] Übergangslos bediente sich Bayer jetzt der neuen oder elementaren Gestaltung,wie sie die De Stijl-Künstler und Konstruktivisten propagierten.«31 Die fruchtbare Zusam-menarbeit am genannten Bauhaus-Katalog könnte Moholy-Nagy dazu veranlasst haben,Bayer für die Ausführung des Notgeld-Entwurfs zu empfehlen. Zumal Moholy-Nagy selbst– wie alle anderen Meister auch – voll in die Vorbereitungen der Bauhaus-Ausstellung einge-bunden war und ihm somit vermutlich die Zeit für einen eigenen Entwurf fehlte.Eine weitere ›Empfehlung‹, die Bayer über sein Können abgab, war die Gestaltung von Ent-würfen zu Gerichtskostenmarken für das thüringische Justizministerium. Bereits seit MitteMai 1923 liefen Verhandlungen über die Entwürfe zwischen Gropius und Minister Rittwe-ger. In einem Schreiben wurden die Kosten für vier Entwürfe auf 400.000 Mark berech-net.32 Gropius bat in diesem Brief um eine zügige Auftragserteilung, »da unsere Leute mit

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1 Bayers erster Entwurf eines Notgeldscheines (Andruck verso und recto, Stadt Lembach 1920)

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Arbeit für die Ausstellung überhäuft sind jemehr [!] die Zeit bis zur Eröffnung herannaht.«33

Erste Skizzen für diesen Auftrag erstellte Bayer bereits Anfang Juni 1923, und die Arbeit andiesen Marken könnte ein weiterer Faktor gewesen sein, der Bayer für den Notgeld-Entwurfqualifizierte.34 Brüning vermutet, dass dieser Auftrag und der Notgeld-Entwurf die beidenersten Aufträge waren, die Bayer in seiner Bauhaus-Zeit erhielt.35

Bayer schrieb rückblickend zu seiner gestalterischen Tätigkeit jener Zeit: »Gropius hatteschon in Weimar mein Interesse an der Graphik erkannt und eine Weiterentwicklung mitgelegentlichen Aufträgen unterstützt.«36 Diese Aussage wiederum weist darauf hin, dassGropius Bayer den Entwurfsauftrag verschaffte.37 Laut Brüning sei die Vergabe von Aufträ-gen an Bauhäusler vorrangig auf Gropius’ Bemühungen zurückzuführen.38 Vermutlich warauch Bayers Fähigkeit zur effektiven Gestaltung selbst unter widrigen Umständen (Zeitnot,Materialvorgaben etc.) ein Grund, dass er bei diesem Auftrag zum Zuge kam. Der Entwurfmusste schließlich in weniger als 48 Stunden gestaltet und hergestellt werden. Gedrucktwurden die Geldscheine in der Nacht zum 10. August 1923 in der Hof-, Buch- und Stein-druckerei Dietsch & Brückner – neben der Wiedemannschen Buchdruckerei Saalfeld zweiteAuftragsdruckerei der Thüringischen Staatsbank.Offenbar war die Einführung der neuen Scheine mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Somonierte der Gewerkschaftsortsverband Rastenberg am 20. August 1923, dass die Notgeld-scheine von Stellen der Post und der Eisenbahn nicht in Zahlung genommen würden.Daraufhin teilte das Reichsfinanzministerium mit, dass bereits am 14. August alle Post- undTelegraphenanstalten angewiesen worden waren, die Notgeldscheine anzunehmen.39 DerRückruf der Scheine mit den Nennwerten von 10, 20, 50, 100 und 500 Millionen Mark er-folgte am 29. November 1923 durch die Thüringische Staatsbank. Die »Scheine im Nenn-betrage bis zu 500 Milliarden Mark«40 sollten schließlich bis 31. Dezember zurückgerufenwerden, hierfür wurde ein Aufruf im Amts- und Nachrichtenblatt Thüringen veröffent-licht.41 Der Termin zum endgültigen Einzug des Notgeldes wurde jedoch immer wieder bisin das Frühjahr 1924 verschoben, und so lange kursierten auch Bayers Scheine.42

Bei der Gestaltung der Banknoten eröffneten sich Bayer im Grunde nur geringe Möglich-keiten, da er für seinen Entwurf ausschließlich vorhandene Lettern aus den Druckerei-Setz-kästen verwenden konnte (siehe die Farbtafeln), wodurch allerdings auch die Produktions-anforderungen auf ein Minimum reduziert wurden.43 Durch den zusätzlichen Verzicht aufillustrative Verzierungen – sie wurden durch grafisch texturierte Muster ersetzt – gelang Bayerdie Abkehr von der traditionellen Gestaltung auf Geldscheinen. Dafür nutzte er nicht diezeitübliche Fraktur-Schrift, sondern eine Grotesk. Zur Strukturierung der Scheine ordneteer die Textblöcke asymmetrisch an und setzte zusätzlich klare grafische Blöcke ein. In einemvertikalen Schriftblock versammelte er alle Informationen, die die gesetzlichen und banksei-tigen Bedingungen betreffen, oben links setzte er den Nennwert der Banknote. Dabei ist dieZahl übergroß und fett gedruckt, da auf dem Notgeldschein im Grunde nur noch die riesigeZahl mit ihren vielen Nullen von Interesse war. Die Gestaltung wurde hier der Funktionuntergeordnet, was den Scheinen eine schlichte Eleganz verleiht.Diese Anordnung der einzelnen Elemente machte die Banknoten gegenüber anderen Geld-scheinen der Zeit unverwechselbar, da sie selbst unter Verwendung verschiedener Schriftenund Farben beibehalten wurde.44 Allerdings erfüllten sie keineswegs das gerade für die Geld-

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nutzer wichtige Banknoten-Kriterium einer ›internen Unterscheidbarkeit‹45, da dieselbenNennwerte in verschiedenen Farben erhältlich waren – ein Vorgang, der in der Banknoten-geschichte wohl einmalig sein dürfte. Bayers Entwürfe erfüllten jedoch zumindest theore-tisch ein weiteres wesentliches Kriterium für Banknoten: Fälschungssicherheit. In eineminternen Schreiben vom 10. August 1923, dem Herausgabetag der Scheine, setzte die Thü-ringische Staatsbank das Reichsfinanzministerium über die Fertigstellung der 1 MillionMark-Noten in Kenntnis.46 Neben der bankinternen Vorgehensweise bei der Verteilung desGeldes sowie der Beschreibung der Banknoten wurden »zum vertraulichen Gebrauch« dreiGeheimzeichen genannt, die Bayer in die Scheine integrierte (vgl. Abb. 2). »Auf der Vorder-seite [...] ist bei dem Worte ›Million‹, welches auf der rot schraffierten Linie steht, das ›o‹ inder unteren Rundung in der Mitte gebrochen. Es weist einen kleinen Zwischenraum auf. Beidem auf der rechten Seite querstehenden Schriftsatz in schwarz, befindet sich in der viertenZeile nach dem Wort ›Notgeldscheines‹ ein Bindestrich. Dieser Bindestrich ist ebenfalls ge-brochen [...]. In der fünften Zeile befinden sich die Worte ›gegen Umtausch in Reichsbank-noten‹. Hier ist bei dem Worte ›in‹ [...] der Punkt über dem i weggelassen.«47

Bei der Identifikation der Geheimzeichen dürfte problematisch gewesen sein, dass durchden eiligen Druckvorgang und Abtransport die Zeichen häufiger verwischten. Weiterhinkönnte die Abnutzung der Druckplatten und -lettern dazu geführt haben, dass die Geheim-zeichen falsch gedruckt wurden und die Zwischenräume sich verlieren. Nur so ist es zu erklä-ren, dass einige Exemplare der Scheine nicht über diese Zeichen verfügen. Möglicherweisemusste in späteren Ausführungen auch darauf verzichtet werden, dies in jedem Fall bei denScheinen in Fraktur-Schrift. Bei Grabowski weisen die Scheine ab 50 Millionen Mark keinederartigen Markierungen mehr auf. Deshalb kann wohl lediglich theoretisch von einer Fäl-schungssicherheit gesprochen werden; allerdings führt Grabowski zusätzlich die Verwen-dung von verschiedenen Papier-Wasserzeichen an, was die Sicherheit der Scheine wiederumin ausreichendem Maße gewährleistet haben dürfte.

272 Nele Heise 2 Auf den Banknoten platzierte Geheimzeichen

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Bayer entwarf Scheine der Werte 1, 2, 5, 10, 20, 50, 100 und 500 Millionen Mark48 (vgl.Übersicht 1), wobei die zwei letzteren in einer Frakturschrift gesetzt wurden. Beide könnendennoch zu Bayers Entwürfen gezählt werden; dies gilt insofern als gesichert, als dass Bayerselbst sie in einer Werkschau abdrucken ließ.49 Zudem weisen sie die gleiche Gestaltungsan-ordnung auf wie die vorhergehenden Scheine. Die Gründe, weshalb die 100 und 500 Mil-lionen Mark-Scheine in der unmodernen, gar Bauhaus-atypischen Fraktur-Schrift gesetztwurden, sind unklar (siehe die Farbtafel). Die Scheine könnten aus Kapazitätsgründen in ei-ner anderen Druckerei (z. B. Wiedemanns, in der mitunter keine Grotesk-Schrift vorhanden

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Übersicht 1 Notgeld des Landes Thüringen (1923) in Gestaltungvon Herbert Bayer (nach Grabowksi 2006)

Genehmigung Reichsfinanzministerium am 08. August 1923 [300 Milliarden Mark]

Nennwert 1.000.000 Farbe AusgabetagSerie A ziegelrot 10. August 1923Serie B blau 12. August 1923Serie C grün 14. August 1923Serie D braun 16. August 1923Serie E hellgrau 18. August 1923

Genehmigung Reichsfinanzministerium am 20. August 1923 [700 Milliarden Mark]

Nennwert 1.000.000 Farbe AusgabetagSerie F blaßviolett 20. August 1923Serie G hellgelbbraun 22. August 1923Serie H ziegelrot 24. August 1923

Genehmigung Reichsfinanzministerium am 25. August 1923 [1 Billion Mark]

Nennwert 2.000.000 Farbe AusgabetagSerie A ziegelrot 26. August 1923Serie B graublau 28. August 1923Serie C hellgrün 30. August 1923Serie D grau 01. September 1923Serie E hellbraun 03. September 1923Serie F hellbraunorange 03. September 1923Serie G violett 03. September 1923

Nennwert 5.000.000 Farbe AusgabetagSerie H ziegelrot 03. September 1923Serie O braunlila 10. September 1923

Nennwert 10.000.000 Farbe AusgabetagSerie J grau 22. September 1923Serie P hellbraun 23. September 1923Serie R hellgrün 23. September 1923

Nennwert 20.000.000 Farbe AusgabetagSerie K graublau 24. September 1923Serie L hellgrün 25. September 1923Serie M hellbraunorange 26. September 1923Serie N hellbraun 27. September 1923

Nennwert 50.000.000 Farbe AusgabetagSerie S olivgrün 28. September 1923Serie T blau 29. September 1923Serie U braunviolett 30. September 1923Serie V braun 01. Oktober 1923Serie W hellbraunorange 02. Oktober 1923Serie X grau 03. Oktober 1923Serie Y ziegelrot 04. Oktober 1923Serie Z hellblaugrün 05. Oktober 1923Serie AA orange 06. Oktober 1923Serie BB hellolivgrün 07. Oktober 1923Serie CC grauoliv 08. Oktober 1923Serie DD violett 09. Oktober 1923

Nennwert 100.000.000 Farbe AusgabetagSerie A ziegelrot 12. Oktober 1923Serie B orange 12. Oktober 1923Serie C braun 13. Oktober 1923Serie D blau 13. Oktober 1923Serie F dunkelgraugrün 17. Oktober 1923

Nennwert 500.000.000 Farbe AusgabetagSerie E grün 13. Oktober 1923

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war) hergestellt worden sein. Der Mangel an passenden Lettern könnte jedoch ebenso aufdie Weimarer Druckerei zutreffen. Zu diesen technisch bedingten Gründen kommt hinzu,dass sich Bayer im Herbst 1923 gemeinsam mit dem Bauhäusler Sepp Maltan auf eine aus-gedehnte Italienreise begab. Obwohl ein genaues Abreisedatum fehlt, könnte Bayer bereitskeinen Einfluss mehr auf die beim Druck verwendete Schrift gehabt haben. Allerdings bleibtdas wesentliche Relevanzkriterium der Zuordnung die farblich-grafische Gestaltung sowiedie Anordnung der Einzelelemente, die beide auch bei diesen Scheinen Bayers Handschrifttragen.50

Auch sollte man nicht vergessen, dass das Bauhaus und insbesondere seine Schüler selbstLeidtragende der Inflation waren. Bayer selbst musste in der zweiten Jahreshälfte 1922 einStipendium beantragen.51 Unter diesen Vorzeichen muss folgender Schriftwechsel zwischender Thüringischen Staatsbank und der Bauhausleitung gelesen werden. In einem Brief derBank an das Bauhaus vom 4. September 1923 heißt es: »Es ist jetzt das zweite Mal, dass uns[...] ein Schein vorgelegt wird, welcher aus den ursprünglichen Entwürfen der Firma Dietsch& Brückner [...] stammt. [...] Wir möchten Sie bitten dort Nachforschungen anstellen zuwollen, inwieweit dieses Scheine aus den dort von Ihnen zurückgelassenen Beständen stam-men [...].«52 Offenbar waren ungültige Millionenscheine, Probeexemplare, in Umlauf gera-ten. Syndikus Lange antwortete daraufhin umgehend: »Diese Probescheine wurden damalsvon unserem Herrn Bayer und Herrn Direktor Gropius in Verwahrung genommen und esist nur möglich, dass aus irgend einem Versehen einige der unfertigen Scheine in den Ver-kehr gekommen sind.«53 Gropius selbst erklärte wenige Tage später, er habe verschiedeneProbedrucke von Dietsch & Brückner entgegengenommen. Diese habe er »am nächstenMorgen zur Besprechung mit Herrn Präsidenten Loeb mitgebracht und sämtliche in dessenHänden zurückgelassen.«54 Gropius betont, dass andere Probedrucke nicht in seinen Besitzgelangt wären, diese Aussage wurde allerdings von der Bank zurückgewiesen. So heißt es ineinem weiteren Schreiben vom 17. September 1923, »dass [...] auf Wunsch Ihres HerrnDirektor Gropius 4 Stück Abzüge zurückgereicht wurden, um demjenigen Herrn, der dieScheine entworfen hatte, übergeben zu werden.«55 Daraus lässt sich mutmaßen, dass Bayerdie ihm überlassenen Probeexemplare (evtl. für die Bauhausausstellung, ähnlich der Gerichts-kostenmarken) aus der Not heraus in Umlauf gebracht haben könnte. Dafür gibt es jedochkeine Belege. Es zeigt sich hier allerdings, dass Gropius scheinbar im Vorfeld der Notgeld-ausgabe über die Gestaltung der Scheine persönlich mit Bankdirektor Loeb verhandelt hat.Die öffentliche mediale Resonanz auf die Notgeldscheine beschränkte sich vor Ort lediglichauf eine kurze Randmeldung in der Zeitung ›Deutschland‹, dabei wurde jedoch kein Bezugauf das Bauhaus oder die Neuartigkeit der Gestaltung genommen.56 Ganz anders verhielt essich zwei Jahre später, als Bayers Entwurf von Jan Tschichold zu den ersten Entwürfen derNeuen Typografie gezählt wurde.

Notgeldscheine als Vorboten der Neuen Typografie?

Einer Zuordnung der Scheine zur Neuen Typografie muss ein kurzer Blick darauf vorange-hen, was konkret als typografische Gestaltung am Bauhaus verstanden wurde. Kinross zufol-

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ge lässt sich erst ab dem Jahr 1923 von ›Bauhaustypografie‹ sprechen, eine Schlüsselrolle beider Entstehung weist er Moholy-Nagy zu, der im Frühjahr 1923 an das Bauhaus kam.57 FürMoholy-Nagy war Typografie ein Kommunikationsmittel und Klarheit bzw. Eindeutigkeitdemnach eine Anforderung an typografische Arbeit.58 Von ihm stammen ein Briefkopf unddas Prospekt für den Bauhaus-Katalog zur Ausstellung 1923, die Kinross beispielhaft alsfrühe Drucksachen mit den Bauhaus-typischen Stileigenschaften identifiziert.59 In jenemKatalog verdeutlichte Moholy-Nagy die Grundzüge der ›Neuen Typografie‹ in einem gleich-namigen Beitrag, dem die Bewegung ihren Namen verdankte. Berücksichtigt man den be-schränkten Verbreitungsgrad der ersten Dokumente, so ist es legitim, die Notgeldscheine,die etwa zeitgleich mit beiden Drucksachen herausgegeben wurden, als früheste öffentlichstark verbreitete Manifestation der Bauhaustypografie zu bezeichnen.In seinen Ausführungen zur Bauhaustypografie analysiert Kinross Stilmerkmale, beispiels-weise die Verwendung übergroßer Ziffern. Dieses Mittel, das auf die Notgeldscheine ange-wandt wurde, vergleicht er aufgrund seiner Signalwirkung mit »Notfallanweisungen fürBrandfälle«60, was durchaus zur Funktion des Notgeldes passt. Diese Funktion (Anzeigen einesWertes) wird übertrieben und dadurch zur Dekoration. Verwunderlich ist allein, dass bei derbisherigen Betrachtung der Bauhaustypografie Studentenarbeiten wie Bayers Entwurf kaumberücksichtigt wurden. Dabei weist vor allem die Tatsache, dass das Notgeld 1925 in einerbahnbrechenden Publikation erwähnt wurde, darauf hin, dass es sich bei den Geldscheinenin der zeitgenössischen Wahrnehmung um weit mehr als eine ›Schülerarbeit‹ handelte.Die Rede ist von der ersten umfangreichen Publikation zur Neuen Typografie, die im Okto-ber 1925 erschien und von Jan Tschichold herausgegeben wurde.61 Tschicholds Blick wurdedurch den Besuch der Bauhausausstellung in Weimar auf die Moderne gelenkt. Das von ihmzusammengestellte Sonderheft ›elementare typographie‹ des einflussreichen Fachblattes ›Ty-pographische Mitteilungen‹ erreichte damals alle wichtigen Akteure des graphischen Gewer-bes und Druckereiwesens. Die Gestaltung des Heftes weist Merkmale der Bauhaustypografieauf, und das Bauhaus selbst wird durch einen Text von Moholy-Nagy und diverse gestalteri-sche Arbeiten repräsentiert. Bemerkenswert ist, dass von Bayer zwei Werke gezeigt wurden:Eine Zeitungsanzeige für die Bauhausausstellung sowie der Notgeldschein zum Nennwert 1 Million (allerdings ohne Geheimzeichen). Das Heft widerstrebte den damaligen Sehge-wohnheiten und löste einen Jahre andauernden Streit in der Fachpresse aus.62 Für Kinross istdie Veröffentlichung ein Versuch Tschicholds, die Vorstellungen der Avantgarde in die Praxisdes Druckergewerbes zu übertragen.63 Dies könnte als Erfüllung der Programmatik Gropius’»Kunst und Technik – eine neue Einheit« verstanden werden, welche die Bauhausausstellungals Motto begleitete und zum Credo des Bauhauses wurde. Die Geldscheine von Bayer kön-nen ebenso als alltäglich angewandte Manifestation dieser Programmatik gelesen werden,die zudem zwei Tage direkt vor Eröffnung der Ausstellung in Umlauf kamen, die Ausstel-lung somit mottogerecht flankierten. In den Scheinen wurde schließlich kunstvoll untertechnisch schwierigen Bedingungen klare, funktionale Gestaltungsarbeit geleistet.Die nachträgliche Rezeption der Banknoten ist breit gestreut, aber oft ungenau. Fast jedegrößere Publikation zum Bauhaus zeigt einen Abdruck der Scheine64, die dargebotenen In-formationen sind jedoch größtenteils dürftig bzw. unpräzise oder nennen nur knappe Pro-duktionsfakten. Interessanterweise drucken Bayer, Walter und Ise Gropius in ihrem Bau-

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haus-Buch nur den oben erwähnten ungültigen Entwurf ab und nicht die tatsächliche Bank-note. Der Text dort ist noch leicht abgeändert, beinhaltet gar einen Schreibfehler, es fehlendie Geheimzeichen und die schräg gesetzten Zahlenketten.65 Auch Whitford druckt diesen›falschen‹ Schein ab. Dies ist offenbar eines jener Probeexemplare, die an das Bauhaus ausge-händigt wurden (siehe oben). Whitford nennt zudem ein falsches Erscheinungsdatum, den1. September 1923. Neumann findet ein treffendes Bild zur Bedeutung der Scheine für dieneue Typografie: Er nennt sie »incunabula of functional typography«66. Dabei suggeriert dasWort ›Inkunabel‹ (Wiegendruck), dass es sich bei den Scheinen um eine wichtige und not-wendige Vorstufe der Neuen Typografie handelte. Es scheint deswegen mehr als legitim, vonden Notgeldscheinen als Vorboten der Neuen Typografie zu sprechen.

Hohe Relevanz und offene Fragen

Die oben entwickelte, theoretische Perspektive auf Geld als Kommunikationsmittel undsymbolisch generalisiertes Medium verortet die Scheine als massenhaft verbreitetes, kunst-voll einfach gestaltetes Alltagsmedium. Wie eingangs erwähnt kann durch die breite Zirku-lation der Scheine davon ausgegangen werden, dass eine Verbreitung und Rezeption der›Botschaft‹ des Gestalters stattgefunden hat. Über Umfang und Intensität der Wahrneh-mung durch die Nutzer des Geldes können jedoch keine Aussagen getroffen werden.Das Notgeld besaß über seine Funktion als (instabiler) Wertmaßstab und Tauschmittelhinaus die Funktion der Vermittlung einer Botschaft – die Botschaft der Neuen Typografie.Die Gestaltung des Notgeldes kann demzufolge kommunikativer Akt im Sinne einer »Spra-che des Geldes« verstanden werden, der die modernen Ideen des Bauhauses an zahlreicheRezipienten transportierte. Dabei lassen sich ›Sender‹ (Bayer / das Bauhaus), Empfänger oder›Rezipienten‹ (die thüringische Bevölkerung) sowie Botschaft (das Geld und seine Gestal-tung) verorten – ganz im McLuhanschen Sinne »the medium is the message«.67 Im Rahmendieser Lesart könnte man auch das Geld an sich insofern als Botschaft verstehen, als dass dasBauhaus mit den staatlich abgesegneten Banknoten einen schlagkräftigen Legitimitätsbe-weis hervorgebracht hat. Setzt man diese Funktion im Zusammenhang mit der Bauhausaus-stellung als Legitimationsveranstaltung der Arbeit des Bauhauses insgesamt, so mag es sein,dass die Scheine hierbei unterstützend gewirkt haben oder wirken sollten.Diese positiven Effekte der Scheine im Sinne der Bauhausidee dürften freilich unter denUmständen gelitten haben, unter denen die Rezeption der ›modernen Botschaft‹ des Geldesvonstatten ging. So waren die Notgeldscheine, unabhängig vom Gestalter, wahrscheinlichnegativ konnotiert, da sie für Wertverfall, Krise und Armut standen. Schließlich wurden ge-gen Ende der Hyperinflation mit den wertlos gewordenen Scheinen Heizöfen befeuert.Es sind einige Lücken in den Quellen vorhanden, die eine Gesamtdarstellung der Entste-hung der Banknoten erschweren. Beispielsweise ist bislang die Urheberschaft mehrererGeldscheine der Stadtkasse Sonneberg strittig und ungeklärt, die im August und September1923 emittiert wurden (vgl. Abb. 3) und in einigen Quellen Bayer zugeordnet werden. Beiden Scheinen, die den Bayerschen Entwürfen in der Tat stark ähneln, handelt es sich um dieNennwerte 5 Million (21.08.23), 10 Million (hellbraun, 15.09.23, Serie D), 50 Million

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(hellblau, 25.09.23, Serie E) und 100 Millionen Mark (orange, 25.09.23 Serie F).68 Da essich um eine durchgängige Serie handelt, liegt die Vermutung nahe, dass die abgebildetenScheine69 die einzigen ihrer Art sind; nicht bekannt ist die Erscheinungsform des 500 Mil-lionen Mark-Scheins, der möglicherweise auch in der Bauhaustypografie bzw. Bayer-Optikgestaltet wurde. Augenscheinliche Unterschiede zwischen den Weimarer und den Sonneberger Scheinensind die verwendeten Schriften und die anders gewählte Anordnung der Elemente. So sindetwa die bankseitigen Informationen unter die übergroßen Nennwerte gesetzt, die hier imÜbrigen ausgeschrieben und nicht in einer Zahl dargestellt wurden. Ähnlichkeiten bestehenvor allem in der Verwendung grafischer Blöcke sowie der Zahlenbänder zur Strukturierungdes gestalterischen Aufbaus. Für eine Urheberschaft Herbert Bayers könnte sprechen, dassdem Bauhaus-Archiv auch ein Exemplar des Sonneberger Notgeldscheins übergeben wurde,allerdings gerade nicht als Teil von Bayers Nachlass und ohne weitere Kommentierung.70

Dagegen spricht außerdem, dass es über die Sonneberger Scheine weder im umfänglichenund auf breiter Front erhaltenen Archivmaterial über das Weimarer Bauhaus noch in Publi-kationen zum Bauhaus bzw. zu Bayers Werk irgendwelche Aufschlüsse gibt; außerdem exis-tieren keine Belege für Arbeiten bzw. Aufenthalte von Bayer in Sonneberg. Deswegen liegtaufgrund der Chronologie der Ereignisse die Vermutung nahe, dass es sich schlicht um ein

Das Bauhaus in allen Taschen 2773 Notgeldscheine von Stadt und Kreis Sonneberg (August/September 1923)

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Plagiat der zwei Wochen zuvor emittierten Weimarer Scheine handelt, die evtl. sogar ohneBayers Wissen von den örtlich Verantwortlichen oder gar den Setzern in der Druckerei aus-geführt wurden, was in der damaligen Situation keine außergewöhnliche Vorgehensweisedargestellt hätte.Bayers Entwürfe und ihre Nachahmungen werden hier erstmals als ›Kommunikations-medien‹ beschrieben, die eine Botschaft trugen und rezipiert wurden. In der werkorientier-ten Forschung wurde bisher verkannt, dass ihre Relevanz genau in jener Öffentlichkeitswir-kung bestand.71 Denn hier wurden radikal fortschrittliche, das Auge des zeitgenössischenBetrachters irritierende, teils gar provozierende Ideen auf einem unverzichtbaren Gebrauchs-gegenstand realisiert, der zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens zwingend erforder-lich war. Tatsächlich konnte sich kein Einwohner Thüringens diesem Bauhaus-inspiriertenAlltagsmedium entziehen. Eine öffentliche Wahrnehmung lässt sich jedoch lediglich anhandder Integration in die Diskurse um die Neue Typografie aufzeigen, es fehlen authentischezeitgenössische Reaktionen auf die Banknoten. Die Tatsache, dass eine hoheitliche Stelle wiedie thüringische Landesregierung das Bauhaus mit einem solch offiziellen Auftrag betraute,könnte maßgeblich zum Imagegewinn der Einrichtung und ihrer innovativen Arbeit beige-tragen haben. Zudem darf die mutmaßliche Funktion dieses Auftrags für die Steigerung desSelbst- und Sendungsbewusstseins des Bauhauses und seiner Angehörigen nicht unter-schätzt werden.

1 Vgl. Ralf-Dieter Brunowsky: Geld. Der menschliche Faktor. Bonn 1988.2 Vgl. Pia Krisch: Alltag, Geld und Medien. Die kommunikative Konstruktion monetärer Identität. Dissertation,

Universität Erfurt 2008, S. 33.3 Rolf Kramer: Ethik des Geldes. Eine theologische und ökonomische Verhältnisbestimmung. Berlin 1996, S. 108.4 Ebd., S. 107.5 Krisch, Alltag (Anm. 2), S. 34.6 Vgl. Geoffrey Ingham: The Nature of Money. Cambridge (u. a.) 2004, S. 60f.7 Vgl. Krisch, Alltag (Anm. 2), S. 36ff.8 Vgl. ebd., S. 37.9 Vgl. Kramer, Ethik des Geldes (Anm. 3), S. 111.

10 Ebd., S. 112.11 Vgl. Krisch, Alltag (Anm. 2), S. 38.12 Herbert Bayer, Walter Gropius, Ise Gropius (Hrsg.): Bauhaus 1919–1928. Stuttgart 1955. S. 84.13 Vgl. Bernd Sprenger: Das Geld der Deutschen. Geldgeschichte Deutschlands von den Anfängen bis zur Gegenwart.

3. Aufl., Paderborn (u. a.) 2002, S. 202.14 Die Rasanz der Werteverfalls lässt sich gut anhand der Entwicklung des Wertes der Mark im Jahr 1923 nachvollziehen:

Während der US-Dollar am 2. Januar noch 7.260 Mark kostete, waren es am 1. Juli bereits 160.000 Mark und zumJahresende die immense Summe von 4,2 Billionen Mark. Vgl. ThHStAW, Thür. Staatsbank, Geschäftsbericht 1923, S. 8.

15 Über 80.000 verschiedene Scheine sollen in Umlauf gebracht worden sein, etwa 5.800 Ausgabestellen sind bekannt.Der Umfang des Notgeldes betrug Ende 1923 über 700 Trillionen Mark und übertraf die im Umlauf befindlichenReichsbanknoten um 200 Trillionen Mark. Vgl. Sprenger, Geld der Deutschen (Anm. 13), S. 203.

16 Vgl. Ingrid Bubeck: Geldnot und Notgeld in Thüringen. Erfurt 2007, S. 8.17 Sprenger, Geld der Deutschen (Anm. 13), S. 209.18 Vgl. ThHStAW, Thür. Staatsbank, Geschäftsbericht 1923, S. 8.19 Hans Otto Eglau: Mehr Schein als Sein. Als die Mark Kapriolen schlug. Deutsches Notgeld 1914–1923. Düsseldorf

1998, S. 96.20 David Standish: The Art of Money. History and Design of Paper Currency from around the World. San Francisco

2000, S. 80.

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21 Vgl. ebd., S. 11. Auch Whitford betont die Andersartigkeit der Scheine Bayers im Vergleich zu denen, die in derInflationszeit zirkulierten; vgl. Frank Whitford: Bauhaus. London 1985, S. 147.

22 Ebd., S. 11.23 Vgl. Patrick Rössler: Die Hygiene des Optischen. Neue Typografie, Typofoto und der Buchumschlag zwischen den

Kriegen. Vortrag, Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Berlin (12.12.2008).24 Vgl. Walther Scheidig: Bauhaus Weimar 1919–1924. Werkstattarbeiten. Leipzig 1966, S. 37; Ute Brüning: Das A

und O des Bauhauses. Leipzig 1995, S. 163.25 Ein 3-seitiges Schreiben nennt strenge Auflagen, unter denen die Notgeldausgabe zu erfolgen hatte. Die Notgeld-

scheine durften nur auf 1 Million Mark lauten und die Summe von 300 Mrd. Mark nicht überschreiten. An die Aus-gabe des Notgeldes war als Sicherheit die Einrichtung eines Guthabenkontos zugunsten des Reichsfinanzministersgebunden. Vgl. ThHStAW, Thür. Finanzministerium 7845, Blatt 169–171.

26 Vgl. Bayer u. a., Bauhaus (Anm. 12), S. 84.27 In den Aktenbeständen des thür. Finanzministeriums zum Notgeld 1923 wurden die entscheidenden Unterlagen

vom 5. Januar bis zum 8. August 1923 entfernt (Verbleib unbekannt).28 Vgl. den Beitrag von Etzold im vorliegenden Band.29 Archivakten verweisen auf frühere derartige Arbeiten des Bauhauses. Gropius bot in einem Schreiben vom 4. No-

vember 1921 die Dienste des Bauhauses zur Gestaltung der gesamten öffentlichen Beschriftung aller thür. Ministe-rien an, einschließlich Briefmarken, Wappenkunde, Stempeln und amtlicher Formulare (vgl. ThHStAW, Bauhaus70, Blatt 49–50). Im April 1921 ging am Bauhaus eine Einladung der Stadt Meiningen zu einem Entwurfswettbe-werb für Papiergeld ein (vgl. ThHStAW, Bauhaus 70, Blatt 146). Dem Bauhaus wurde offenbar von Außen dieKompetenz zur Gestaltung eines solch offiziellen Dokuments zugewiesen.

30 Vgl. ThHStAW, Thür. Finanzministerium 7845, Blatt 160. Ein ähnliches Schreiben liegt auch von einer JenaerDruckerei vor, die sich bereits Ende 1922 ›vorsorglich‹ um den Auftrag bewarb.

31 Vgl. Herbert Bayer: Das druckgrafische Werk. Berlin 1971, S. 26.32 Wahrscheinlich wurde der Notgeld-Entwurf in gleicher Höhe vergütet, da er von ähnlichem Umfang gewesen sein

muss. Laut Brüning wurden kleinere Aufträge von den Bauhäuslern teilweise auch ehrenamtlich und freiwillig, alsounentgeltlich, erledigt. Vgl. Brüning, A und O (Anm. 24), S. 163.

33 ThHStAW, Bauhaus 70, Blatt 36. Die Meister konnten offenbar selbst keine Zeit für den Entwurf erübrigen.34 Die Entwürfe wurden Bayer für die Bauhaus-Ausstellung vom Justizministerium zur Verfügung gestellt. Später war

er auf Italienreise und hatte sie noch nicht zurückgegeben, das Justizministerium benötigte sie jedoch zur Herstel-lung der Marken (vgl. ThHStAW, Bauhaus 70, Blatt 40).

35 Vgl. Brüning, A und O (Anm. 24), S. 163.36 Herbert Bayer: Herbert Bayer. Painter Designer Architect. New York 1967, S. 11.37 Manche Auftraggeber baten Gropius persönlich um eine Empfehlung zur Entwurfsausführung. In einem Brief der

Zeitung ›Deutschland‹ heißt es mit der Bitte um Plakatentwürfe: »Sie haben sicherlich unter Ihren Schülern einegeeignete Persönlichkeit, die diese Aufgabe zu erfüllen vermöchte.« (ThHStAW, Bauhaus 70, Blatt 82).

38 Vgl. Brüning, A und O (Anm. 24), S. 163.39 Vgl. ThHStAW, Thür. Finanzministerium 7845, Blatt 176ff.40 Ebd., Blatt 243.41 Vgl. ebd., Blatt 243.42 Das Reichsfinanzministerium genehmigte enorme Summen, wie aus der Chronik der Thüringischen Staatsbank her-

vorgeht: »Am 20. August 1923 genehmigte der Reichsfinanzminister die Ausgabe von [...] 700 Milliarden MarkNotgeld, am 25. August 1923 einer weiteren Billion Mark Notgeld und am 18. Oktober 1923 die Ausgabe weiterer500 Billionen Mark Notgeld [...]. Am 31. Oktober 1923 beantragte das Thüringische Finanzministerium [...] dieAusgabe von 20.000 Billionen Mark Notgeld.« Insgesamt wurde die unglaubliche Summe von 20,5 Trillionen Markvom Land Thüringen emittiert. Vgl. ThHStAW, Thür. Staatsbank, Chronik (5. Hauptabschnitt / 7. Sonderaufgaben /II. Notgeldausgabe in der Inflationszeit).

43 Vgl. Eckhard Neumann: Functional Graphic Design in the 20`s. New York 1967, S. 39 und 45.44 Die Farben markierten die verschiedenen Serien, z. B. wurden die Scheine mit Nennwert 1 Million in 8 Farben he-

rausgegeben (die erste Serie am 10. August 1923). Die Ausgabe erfolgte zunächst noch in Zwei-Tage-Rhythmus, mitsich verschärfender Inflation verkürzten sich die Abstände, teilweise erschienen mehrere Serien an einem Tag. Vgl.Hans-Ludwig Grabowski: Deutsches Notgeld. Bd. 10: Das Papiergeld der deutschen Länder von 1871 bis 1948. 2. Aufl., Regenstauf 2006. S. 569–589.

45 Vgl. Roland Tornare: Technische Aspekte einer neuen Notenserie. Bern 2005, S. 1. http://www.snb.ch/de/mmr/speeches/id/ref_20050202_rt/source [05.02.09].

46 Vgl. ThHStAW, Thür. Finanzministerium 7845, Blatt 164–167.

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47 Ebd., Blatt 166.48 Zur Verbreitung der Scheine: Die erste Kohorte (Serie A bis E, ab 10. August 1923) umfasste 300.000 Scheine

(300 Mrd. Mark in 1 Million-Scheinen), dies entspricht ungefähr 60.000 Exemplaren pro Serie. Die Auflage wurdevermutlich später erhöht, um den Bedarf annähernd zu decken.

49 Bayer, Herbert Bayer (Anm. 36), o. S.50 Die ab Oktober 1923 ausgegebenen 1 Milliarde Mark-Scheine orientieren sich deutlich an Bayers Entwürfen

(Schrift, Gestaltung) und der Bauhaustypografie, ebenso wie beide Serien des 2 Billionen Mark-Scheins. Sie habenaber insgesamt einen anderen Aufbau und wurden zudem in einem größeren Format gedruckt. Vgl. Grabowski,Notgeld (Anm. 44), S. 590–594 und 603f.

51 Vgl. Meisterratssitzung vom 11. Dezember 1922. In: Volker Wahl (Hrsg.): Die Meisterratsprotokolle des StaatlichenBauhauses Weimar 1919 bis 1925. Köln (u. a.) 2001, S. 281.

52 ThHStAW, Bauhaus 101, Blatt 21.53 Ebd., Blatt 22.54 Schreiben vom 14. September 1923. Ebd., Blatt 24.55 Ebd., Blatt 25.56 Wortlaut der Nachricht: »Neue Notgeldscheine hat gegenwärtig die thüringische Landesregierung in der Prägung

von 1 Million Mark herausgegeben. [...] Diese Maßnahmen sollen eine Erleichterung für die augenblickliche Zah-lungsmittelnot bedeuten und man rechnet hier auf ein verständnisvolles Entgegenkommen der Geschäftswelt, be-sonders in der Lebensmittelbranche.« Zeitung ›Deutschland‹ vom 12. August 1923.

57 Die wichtigsten Quellen der Bauhaustypografie sind der russische Konstruktivismus und die holländische De Stijl-Bewegung. Als direkte Einflüsse gelten der Kontakt zwischen Moholy-Nagy und El Lissitzky (1921) sowie der Be-such von Theo van Doesburg in Weimar (1922). Vgl. Robin Kinross: Das Bauhaus im Kontext der Neuen Typogra-phie. In: Brüning, A und O (Anm. 24), S. 9–14, hier S. 9.

58 Vgl. Neumann, Graphic Design (Anm. 43), S. 39. Die typografische Gestaltung der Geldscheine kann in diesemZusammenhang als kommunikativer Akt bzw. Kommunikationsmittel verstanden werden.

59 Vgl. Kinross, Bauhaus Typographie (Anm. 57), S. 9.60 Ebd., S. 9.61 Vgl. den Beitrag von Rössler, Medienthema Bauhaus im vorliegenden Band.62 Vgl. Rössler, Hygiene (Anm. 23).63 Vgl. Kinross, Bauhaus Typographie (Anm. 57), S. 11.64 Beispielsweise Gerd Fleischmann: bauhaus drucksachen typografie reklame. Düsseldorf 1984; Brüning, A und O

(Anm. 24); Bayer u. a., Bauhaus (Anm. 12).65 Vgl. Bayer u. a., Bauhaus (Anm. 12), S. 84.66 Neumann, Graphic Design (Anm. 43), S. 45.67 Marshall McLuhan: The Medium is the Message. In: Meenakshi G. Durham, Douglas M. Kellner (Hrsg.): Media

and cultural Studies 2e: Key Works. 2. ver. Aufl. Oxford (u. a.) 2006. S. 107–116, hier 107.68 Vgl. Klassifizierung »Notgeld der Länder 1923 (nach Keller)« http://www.tieste.de/papiergeld/keller/23er/keller_ s.htm

[18.04.09].69 Ich richte meinen Dank an das Stadtarchiv Sonneberg, insbesondere an Frau Roß und Frau Büttner, für die schnelle

und unkomplizierte Hilfe bei der Beschaffung von Repro-Scans der Scheine.70 Diverse Antiquariate bieten die Scheine, allerdings ohne Angabe weiterer Quellen, als Entwürfe von Herbert Bayer

mit hohem Seltenheitswert an. Die Rarität wird dadurch unterstrichen, dass die Scheine jeweils nur in einer Serie he-rausgegeben wurden; die Serien erreichten jedoch offenbar hohe Auflagen (vgl. 100 Millionen Mark-Schein aus demStadtarchiv Sonneberg, Serie G, mit der Serien-Nr. 111321).

71 Vgl. Patrick Rössler: Die visuelle Identität des Weimarer Bauhauses. Strategien und Maßnahmen im CorporateDesign. In: Hellmut Th. Seemann, Thorsten Valk (Hrsg.): Klassik und Avantgarde. Das Bauhaus in Weimar 1919–1925. Göttingen: Wallstein 2009, S. 367–384, hier S. 378f.

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