15
Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie OGM Internationale Fachtagung der ÖGM 43. Internationales Symposium Keramikforschung Mautern an der Donau, September 2010 Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich Keramik und Technik BMÖ 27 | 2011

Das spätmittelalterliche und neuzeitliche Steinzeug aus Posen, Woiwotschaft Großpolen, Polen (Poznán, województwo wielkopolskie, Polska)

Embed Size (px)

Citation preview

Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie

OGM

Internationale Fachtagung der ÖGM

43. Internationales Symposium Keramikforschung

Mautern an der Donau, September 2010

Beitr

äge

zur M

ittel

alte

rarc

häol

ogie

in Ö

ster

reic

h

Keramik und Technik

BMÖ 27 | 2011

Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich27 | 2011

Keramik und Technik

Internationale Fachtagung der Österreichischen Gesellschaft für Mittelalterarchäologiezugleich43. Internationales Symposium Keramikforschung des Arbeitskreises für Keramikforschung

Mautern an der Donau, 20. bis 25. September 2010

Herausgegeben von

Sabine Felgenhauer-SchmiedtNikolaus HoferKarin KühtreiberGabriele Scharrer-Liška

Wien 2011

Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie

OGM

Der Druck dieses Bandes wurde ermöglicht durch die freundliche Unterstützung von

Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Gruppe Kultur, Wissenschaft und Unterricht – Abteilung Wissenschaft und ForschungAmt der Oberösterreichischen Landesregierung, Direktion KulturBundesdenkmalamt, Abteilung für BodendenkmaleBundesministerium für Wissenschaft und ForschungMagistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 7 – Kultur

Alle Rechte vorbehalten© 2011 by Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie, Wien

Herausgeber: Österreichische Gesellschaft für Mittelalterarchäologie, 1190 Wien, Franz-Klein-Gasse 1http://www.univie.ac.at/oegm

ISSN: 1011-0062

Redaktion und Lektorat: Mag. Nikolaus HoferSatz und Layout, Covergestaltung, Bildbearbeitung: Mag. Dr. Karin Kühtreiber

Coverbild: Keramikobjekt aus dem Krahuletz-Museum, Eggenburg. Foto: Peter AbleidingerDruck: Grasl Druck & Neue Medien GmbH, 2540 Bad Vöslau

Inhaltsverzeichnis

Sabine Felgenhauer-SchmiedtVorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Patricia StahlProtokoll der Tagung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9

Volker EllwangerWas ist ein Gefäß? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13

Irmgard EndresDie Masse macht’s! Grafische Auswertungen und Grundlagen der Wahrscheinlichkeitsrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Tünde Kaszab-OlschewskiMisslungenes Experiment? Über das Scheitern der Aachener Sigillata-Produktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

Lutz GrunwaldKeramik für den europäischen Markt. Die römischen und mittelalterlichen Töpfereien von Mayen/Eifel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25

Wenxing Xu und Wolfgang HofmeisterMineralogische Untersuchungsmethoden zur Charakterisierung von Mayener Keramik sowie Darstellung des spätantiken bis spätmittelalterlichen Keramikhandwerks und seiner Technik . . . . . . . . . . . . . . . . 35

Miroslava Gregerová, Blanka Holubová Závodná, Martin Hložek und Rudolf ProcházkaNaturwissenschaftliche Erforschung der mittelalterlichen Keramik aus Brno und Loštice . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42

Eva Roth Heege und Gisela Thierrin-MichaelFrühneuzeitliche Hafnerei in Zug (Schweiz). Archäologische und archäometrische Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Andreas HeegeKeramik aus Bäriswil, Kanton Bern, Schweiz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65

Sonja KönigDas De-Pottere-Porzellan der Ostfriesischen Landschaft in Aurich. Chinesisches Auftragsporzellan der Ostasiatischen Handelskompanie in Emden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Alice KaltenbergerKunstkeramik aus Österreich und ihre Verbindung zur Wiener Werkstätte. Von Michael Powolny zu Kirsche und Enzian . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

Hermann SteiningerEin Münztopf der Zeit um 1540 aus Linz an der Donau (Oberösterreich) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87

Elfriede Hannelore HuberSpielen mit der Form. Bügelkannen mit zoomorphen Ausgussröhren aus dem keramischen Fundgut Wiens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

Ilse SchützEuropäische Kulturgeschichte im Töpfereimuseum Agost (Alicante) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Rainer G. RichterÖfen und Kacheln aus dem Kunstgewerbemuseum Dresden. Ein sammlungsgeschichtlicher Abriss (15.– 20. Jahrhundert) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105

Baron Ludwig DöryNürnberger Chinoiserien auf Fayencen und Porzellan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119

Éva CsereyHans Kraut aus Villingen oder Thomas Strobl aus Salzburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128

Nikolaus Hofer„Handbuch zur Terminologie der mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Österreich.“Bilanz und Perspektiven eines fünfjährigen Projektes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133

Ronald SalzerDes Kaisers süße Propaganda. Ein Habsburgerwappenmodel für Festbäckerei aus der Burg Grafendorf in Stockerau, Niederösterreich . . . . . . . 135

Gerald Volker GrimmVom Modello zum Model. Herstellungsverfahren und Weiterverarbeitung spätmittelalterlicher Bilddrucke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145

Ingeborg UngerKeramische Objekte aus einer Kölner Apotheker-, Chemiker- oder Alchemisten-Werkstatt des 16. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155

Herbert BöhmerKeramikfunde aus dem Bürger- und Krämerhaus Residenzplatz 11 in Passau. Die Brandkatastrophen von 1442 und 1662 – ein Glücksfall für die Keramikforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165

Hans-Georg StephanWittenberg. Umrisse eines fächerübergreifenden Forschungsprojektes aus der Sicht der Archäologie . . . . . . . . . 173

Johan KamermansDie Industrialisierung der Fliesenproduktion bei Rozenburg, Den Haag (1888–1891) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

Wolf MatthesFarbrezepturen für Hafnerware und Fayencen in der Handschrift von Johan Kizberger in Wels . . . . . . . . . . . . 189

Karla Bianca Roşca und Horst KluschEingefärbte Glasuren. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

Iliana MoiseDer Bleiglasur ein Nimmerwiedersehen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197

Uwe MämpelDie technische Überwindung der giftigen Bleiglasur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199

Jonathan FreyDie Kühlkeramik der Glashütte Court, Pâturage de l’Envers (1699-1714). Ein Werkstattbericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205

Wolfgang SchwabenickyForm, Funktion und Verbreitung bergmännischer Schalenlampen mit Griffloch im Mittelalter . . . . . . . . . . . . . 216

Thomas KühtreiberEin keramisches bozzetto aus der Wiener Alten Universität. Anmerkungen zur Herstellungstechnik sowie zum Einsatz von Ton und Keramik in Kunstwerkstätten der Frühen Neuzeit. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225

Claudia Peschel-WachaMit Federkiel, Tinte und Streusand. Keramische Schreibzeuge aus drei Jahrhunderten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232

Alena KalinováDie ältesten Belege der Volksfayencen aus Mähren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242

Andrzej KowalczykDas spätmittelalterliche und neuzeitliche Steinzeug aus Posen, Woiwotschaft Großpolen, Polen (Poznán, województwo wielkopolskie, Polska) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248

Bärbel Kerkhoff-HaderParameter rheinischer Steinzeugöfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

Michael SeilerDer liegende Töpferofen von Boos im Allgäu.Ein seltener Nachweis spätmittelalterlicher Hafnerei in Süddeutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268

Sonja König, Stefan Krabath und Thomas Krueger, unter Mitarbeit von Mike Huth und Christian LeiberFürstenberg und Meißen. Archäologische Untersuchungen von Brennöfen der frühen europäischen Porzellanproduktion. . . . . . . . . . . . . 281

Doris Schön„… vom hiesigen Ziegelofen in der Juliusburg …“. Der neuzeitliche Ziegelbrennofen des Schlosses Stetteldorf am Wagram, Niederösterreich . . . . . . . . . . . . . . . . . 292

Gabriele Scharrer-LiškaErste Untersuchungsergebnisse zur Hafnerei Hehl aus der Zeit um 1900 in Pulkau, Niederösterreich . . . . . . . . 297

Christina ErkelenzBringen Scherben Glück? Neue Funde der Düsseldorfer Stadtarchäologie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306

Gerald Volker GrimmBlumen und verräterische Falten. Nachbearbeitungsspuren als Datierungshilfe bei serieller Kleinplastik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 309

Viktoria Pacher und Sandra SabeditschDie mittelalterlichen und neuzeitlichen Funde und Befunde der Grabung Krems/Bundeskonvikt 2007. . . . . . . 314

Oliver Fries und Stefan StrutzEin holzbefeuerter Brennofen im Hafnerhaus zu Raabs an der Thaya, Niederösterreich. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

248

Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich 27/2011, S. 248–255

Unter den größten polnischen Städten nimmt Posen den fünften Platz ein. Die Hauptstadt Großpolens und der Woi-wotschaft Großpolen liegt an der Warthe. Die ersten Spuren von Zivilisation auf dem Gebiet des heutigen Posen reichen bis 8900 Jahre vor unserer Zeit. Den größten Einfluss auf die Entwicklung der Besiedlung hatte eine Burg, die auf der Insel an der Warthe vom Fürsten Mieszko I. Mitte des 10.  Jahrhunderts gebaut wurde. Bei dieser Burg – einer der wichtigsten Piastenburgen – entwickelten sich in den folgenden Jahr-hunderten an beiden Ufern der Warthe wei-tere Siedlungen. Am größten war jene von St. Gotard, gelegen am rechten Ufer, an ei-ner Furth über die Warthe. Aus dieser Sied-lung entwickelte sich eine Stadt, die 1253 von Fürst Przemysl I. mit dem Magdeburger Recht ausgestattet wurde.1 Zu der neuen Stadt mit Markt, Rathaus, Schloss und Kir-che holte der Fürst die Bewohner der anlie-genden Siedlungen, vor allem aber deutsche Siedler aus Schlesien und der Lausitz herbei. Aus dem Grundbuch der Stadt geht hervor, dass in den Jahren 1442  bis 1445 auch die Ankömmlinge aus Brest (Brześć) bei Pit-schen (Byczyna), aus Ochsenfurt am Main, aus Raynsburg und Eger die Stadtrechte be-kamen.2 Bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts wurde die Stadt mit Graben und Stadtmauer befestigt. Ihre wirtschaftliche Blütezeit fällt in das 15. und 16. Jahrhundert. Einer der Gründe dafür war die Eröffnung eines Weges zwischen Litauen und Westeuro-pa, der unter anderem auch durch Polen führte. Gleichzei-tig wurde Danzig für die polnischen Waren geschlossen. Die für die Entwicklung der Stadt günstigen Bedingungen, die Posen durch einige  Jahrhunderte genoss, bestanden nach 1655, also nach dem Überfall der Schweden auf Polen wäh-rend des Zweiten Nordischen Krieges, nicht mehr. Weite-re Konflikte, unter anderem Streitigkeiten über die Thron-folge in Polen und der Siebenjährige Krieg, führten dazu, dass weitere Heere die Stadt verwüsteten. Erst im 19. und

1 Kóčka-Krenz 2004, 21–38. 2 Gąsiorowski 1988, 248.

20. Jahrhundert – unter preußischer und später polnischer Herrschaft – entwickelte sich die Stadt systematisch und die Bewohner wurden immer reicher.

Das Thema dieses Beitrags bildet Steinzeug, das wäh-rend der archäologischen Ausgrabungen in den 1930er-Jahren in Posen geborgen wurde. Es geht dabei um Aus-grabungsstellen innerhalb der Stadtmauer sowie außerhalb

derselben am linken Ufer der Warthe, also in der Vorstadt Chwaliszewo, das bis 1800 eine autonome, zum Domkapitel gehörende Stadt bildete, auf der Dominsel, wo der Bischof seinen Sitz hatte, sowie in Ostrówek und Śródka, den weite-ren autonomen Städten von Posen, wo sich das wirtschaft-liche Hinterland des Bistums befand (Abb. 1).

Die Sammlung bilden 949 Fragmente von Steinzeugge-fäßen, datiert in das 14. bis 18. Jahrhundert. Diese Fragmen-te wurden bei 38 verschiedenen Ausgrabungen geborgen, von langjährigen Untersuchungen bis hin zu Baustellen-beobachtungen. Die Steinzeugfunde stellen lediglich 0,5 % des gesamten gefundenen Keramikmaterials dar.

Einzelne Fragmente von Steinzeug aus Waldenburg kommen in Schichten vor, die in das 14.  Jahrhundert da-

Das spätmittelalterliche und neuzeitliche Steinzeug aus Posen, Woiwotschaft Großpolen, Polen (Poznań, województwo wielkopolskie, Polska)

Andrzej Kowalczyk, Poznań

Abb. 1 Stadtplan von Posen aus dem 19. Jh. A – die Stadt innerhalb der mittelal-terlichen Stadtmauer; B – Chwaliszewo, C – die Dominsel; D – Śródka; E – die Stadt am linken Ufer der Warthe außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer; 1 – Anzahl der Steinzeugfragmente aus den einzelnen Ausgra-bungsstätten; 2 – archäologische Ausgrabungen.

249

Das spätmittelalterliche und neuzeitliche Steinzeug aus Posen

tiert werden. In den folgenden Jahrhunderten wurden die Gefäße in weiteren 17 Töpferzentren oder Produktions-regionen hergestellt (Abb. 2, 3). Die größte Gruppe, 26 % der ganzen Sammlung, bilden Fragmente von Steinzeug aus Triebel; 90 % davon werden in das 17. Jahrhundert da-tiert. 19 % bilden Fragmente von Steinzeug aus Waldenburg, datiert hauptsächlich in das 15./16. Jahrhundert. Steinzeug aus Bunzlau (Bolesławiec) bildet 16 % der ganzen Samm-lung, Steinzeug aus Lausitz 10 %, die Steinzeugflaschen für Mineralwasser aus dem 18.  Jahrhundert 7 %. Kleinere Gruppen bilden Gefäße aus Siegburg, Bad Muskau, We-sterwald, Coppengrave und der Falkengruppe, nur einige Fragmente gibt es in den Gruppen aus Aachen, Frechen, Großalmerode, Westsachsen, Bad Schmiedeberg und in der Böttgersteinzeug-Gruppe.

Im 15. und 16. Jahrhundert benutzten Posener die Ge-fäße aus Waldenburg (Taf. 1/4–6). Es waren hohe, schlan-ke Krüge auf Wellenfuß und Becher mit Wellenböden und trichterförmigen Rändern. Es ist auch ein interessan-tes Fragment eines Bartmannskruges erhalten geblieben, an dessen Hals sich das Relief eines bärtigen, männlichen Gesichts befindet (Taf. 1/5). Die Waldenburger Gefäße mit Antlitzdarstellung auf dem Hals sind in Polen unter ande-rem aus Kolberg (Kołobrzeg), Darlow, Danzig und Elbing (Elbląg) bekannt.

Populär waren in Posen im 15. und 16. Jahrhundert Gefä-ße, die aus einfachem Ton hergestellt wurden und erst unter dem Einfluss von gewissen Maßnahmen Eigenschaften des Steinzeugs gewannen, wodurch sie es nachahmten und er-

setzten. Aus Rücksicht auf technische und stilistische Ähn-lichkeiten mit Gefäßen aus Lausitzer Töpfereien werden sie von mir als Lausitzer Steinzeug bezeichnet. Die geborgenen Fragmente stammen von Zylinderbechern und Bechern mit regelmäßigen, rechteckigen Rollstempeln (Taf. 1/1–3).

Im 15. und 16. Jahrhundert gab es in Posen auch Ge-fäße aus der Falkengruppe (Taf. 2). Die meisten Fragmente bilden Teile der Zylinderkelche auf Wellenfüßen. Verziert wurden sie mit rechteckigen, runden, dreieckigen und qua-dratischen Stempeln mit gewölbten Punkten oder mit ge-wölbten Punkten, die zusammengebundene Kreuze bilden. Auf drei Fragmenten sind Reliefs mit dem Antlitz eines bärtigen Mannes zu sehen.

Abb. 2 Der Anteil von Steinzeugfragmenten aus den einzelnen Produktionszentren in der gesamten Sammlung.

Abb. 3 Töpfereizentren, in denen das Posener Steinzeug hergestellt wurde.

250

Andrzej Kowalczyk, Poznań

Taf. 1 Posen, Steinzeug. 1–3 – Lausitz, 4–6 – Waldenburg und Westsachsen.

Posen gehörte nie zu den Hansestädten, doch die im 15.  Jahrhundert populären Krüge auf Wellenfuß und die Siegburger Schnellen aus dem 16.  Jahrhundert waren den Posener Bürgern gut bekannt. Davon zeugen einige Ge-fäßfragmente, die bei den archäologischen Ausgrabungen auf dem Alten Markt gefunden wurden (Taf. 3/5–7). Vier Fragmente stammen von einer Schnelle, die in der Töpfe-rei von Christian Knütgen angefertigt wurde (Taf. 3/7). Das Exemplar wurde mit zwei identischen Reliefauflagen mit Wappen bedeckt. Beide stellen ein Wappenschild mit dem Doppeladler dar, dessen Brust mit einem Querbal-ken und Turm belegt ist. Der gekrönte Adler hat an bei-den Seiten das Datum 15 – 73. Christian Knütgen zierte das Gefäß mit dem Wappen des Kaisers des heiligen römi-schen Reiches deutscher Nation und Königs von Böhmen – Maximilian II.

In Posen wurden auch einzelne Fragmente von Steinzeug aus Bad Schmiedeberg, Coppengrave, Aachen und Frechen gefunden. Das sind vor allem sehr kleine Fragmente, die höchstwahrscheinlich von bauchigen Krügen stammen.

Zu den populärsten Steinzeuggefäßen in Posen im 17. und 18. Jahrhundert gehörten Krüge und Bierkrüge aus Triebel (Taf. 4). Die gefundenen Fragmente stammen vor allem von birnenförmigen Krügen mit maximalem Bauch-durchmesser unterhalb der Gefäßmitte und ovalen Krügen mit maximalem Bauchdurchmesser in der Gefäßmitte. Ei-nen kleinen Prozentsatz bilden Fragmente von zylindri-schen Bierkrügen, Schatullen, Butterdosen, Deckeln und Tüllenkannen. Es kommen interessanterweise Fragmen-te von Gefäßen mit kleinen Produktionsdefekten, die aber keinen direkten Einfluss auf die Gebrauchseigenschaften hatten, vor.

251

Das spätmittelalterliche und neuzeitliche Steinzeug aus Posen

Taf. 2 Posen, Steinzeug. Falkegruppe.

Großer Beliebtheit erfreuten sich in Posen im 17.  und 18. Jahrhundert auch Bunzlauer Krüge, die von den Pose-nern buncloki genannt wurden (Taf. 5/3–4). Neben Silber-, Zinn- und Messinggegenständen kommen sie im bürgerli-chen Inventar im 18. Jahrhundert ziemlich oft vor. Für das älteste Stück wird ein Fragment eines eiförmigen Kruges, geziert mit zahlreichen charakteristischen schmalen Rip-pen, gehalten, das in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts datiert wird. Genau aus dieser Zeit soll auch ein hoher, ova-ler Krug mit weißen Dekorauflagen, der aus 58 Fragmen-ten zusammengeklebt wurde, stammen. Weitere Exemplare bilden Teile von Krügen und Deckeln, datiert ans Ende des 18. Jahrhunderts.

Es mag erstaunen, dass nur 42 Fragmente von Krügen aus Bad Muskau stammen, wenn gleichzeitig das Steinzeug aus Triebel eine große Gruppe bildet. Man kann kein Fragment feststellen, das mit weißen Feldspatsteinchen verziert wur-de. Es herrschen vor allem Krüge mit schmalem, leicht ge-wölbtem Bauch vor. Dabei kann man Fragmente von gro-ßen, bauchigen sowie birnenförmigen Krügen mit niedrig gelegenem maximalem Bauchdurchmesser und langem Hals finden (Taf. 5/1–2).

Bei den Ausgrabungsarbeiten wurden 24  Fragmente von Westerwälder Steinzeug gefunden (Taf. 3/1–4). Darun-ter befinden sich vor allem birnenförmige und zylindri-sche Krüge mit charakteristischen Friesen auf den Hälsen,

252

Andrzej Kowalczyk, Poznań

Taf. 3 Posen, Steinzeug. 1–4 – Westerwald, 5–7 – Siegburg.

die Halbfiguren der Kurfürsten mit Wappenschildern dar-stellen. Es kommen auch einzelne Fragmente von zylindri-schen Bierkrügen und Kurfürstenkrügen vor.

In dem Keramikmaterial gibt es Fragmente von Stein-zeugflaschen für Mineralwasser aus dem 18.  Jahrhundert. Wahrscheinlich wurden sie meist im Westerwald hergestellt, weil sie Signaturen des Selterswassers besitzen.

54  Fragmente stammen von kleinen Salbtöpfen oder Spielgeräten, die in nicht näher bestimmten Töpfereien hergestellt wurden. Sie stammen höchstwahrscheinlich aus dem 18. Jahrhundert und dienten als Behälter für nicht nä-her bestimmte Produkte.

Im 18.  Jahrhundert benutzten die Posener einzelne Exemplare von Böttgersteinzeug und Gefäße aus West-

sachsen/Großalmerode, wovon einmalige geborgene Frag-mente zeugen.

Die größte Anhäufung der Fragmente im Stadtgebiet trifft man an jenen Stellen, wo es im Mittelalter Festungs-gräben gab (Abb. 1). Das ist darauf zurückzuführen, dass die Bewohner des mittelalterlichen Stadtzentrums den Müll hinter die Stadtmauer wegräumten – und der Festungsgra-ben war dazu ideal geeignet. Es gab sogar eine Pflicht, den Müll nachts in diesen zu werfen.

Das meiste Steinzeug, das an der Stelle des alten Domi-nikanerklosters geborgen wurde, stammt aus der Zeit, als die Mönche ihre Position in der Stadt und unter den ande-ren bestehenden Klöstern festigten. Im 15. Jahrhundert hiel-ten sich bei den Posener Dominikanern deutsche Prediger

253

Das spätmittelalterliche und neuzeitliche Steinzeug aus Posen

Taf. 4 Posen, Steinzeug. Triebel/Trzebiel.

auf. In der internationalen Handelssprache Mitteleuro-pas hielten sie Predigten für die Zugereisten.3 Es ist nicht ausgeschlossen, dass eben sie die in Posen eher exklusiven, in der Hanse aber sehr popu-lären Krüge und Trinkpokale mitbrachten.

Die meisten Fragmente von Steinzeug – 228 Stück – wurden in dem alten Fluss-bett der Warthe aus dem 19.  Jahrhundert ausgegraben (Abb. 1). Der Schutt mit Anti-quitäten stammt höchstwahr-scheinlich aus dem Juden-stadtviertel, das im Jahr 1803 bis auf die Stadtmauern nie-dergebrannt ist. Dass es sich hier um Material aus dem Ju-denstadtviertel handelt, be-zeugen die Konsumreste – nämlich die Tierknochen. Eine Analyse konnte keine Schweineknochen nachwei-sen, wobei gleichzeitig der Anteil der Gänseknochen sehr hoch war. Man kann vermuten, dass die Samm-lung exklusiver Fayence- und Steinzeugbehälter das Essge-schirr der reichsten Juden, also der Fernhändler, bilde-te. Kontakte mit anderen Ge-meinden, die in westeuro-päischen Städten bestanden, begünstigten den Warenaus-tausch. Es wird angenom-men, dass die Entstehung der Judengemeinde auf den Zu-strom deutscher und fran-zösischer, später auch böh-mischer Flüchtlinge zurückzuführen ist.4 Die jüdischen Rabbiner aus der Posener Gemeinde arbeiteten früher in Städten, wo die Steinzeuggefäße bereits bekannt und sehr populär waren.

Der auffallend hohe Anteil des Steinzeugs im Fundma-terial von der Dominsel ist ein Indiz dafür, dass die Inselbe-wohner im Ausland ausgebildet wurden, wie zum Beispiel Hochschullehrer an der Lubranski-Akademie – der aner-kannte Humanist Christoph Hegendorfer, der 1526 aus Leipzig nach Posen kam5, und Johann Paul Krosner, der in Würzburg (1611) und Padua (1613) studierte. Auf die Po-

3 Wiesiołowski 1977, 413–414. 4 Muszyński und Bergmann 2006, 14–16. 5 Żołądź-Strzelczyk 1999, 145.

sener Insel kam 1732 aus der Schweiz auch Johann Conrad Schwartz, ein bekannter Drucker.6 Eben solche Personen könnten das exklusive Steinzeuggeschirr benutzt haben.

Im spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Posen herrschte Steinzeug aus zwei Töpfereizentren vor. Im 14., 15. und 16. Jahrhundert kauften die Posener Krüge und Be-cher aus Waldenburg und Westsachsen, während im 17. und 18.  Jahrhundert Steinzeug aus Triebel den Posener Markt beherrschte. Es gibt in Posen nur einzelne Exemplare von Gefäßen aus anderen Töpfereien. Einen großen Einfluss auf den Import des Steinzeugs nach Posen hatten vermut-lich die politische Situation sowie Geschäfte, die Posener

6 Sójka 1999, 238.

254

Andrzej Kowalczyk, Poznań

Taf. 5 Posen, Steinzeug. 1–2 – Bad Muskau, 3–4 – Bunzlau/Bolesławiec.

in Niederschlesien, Hessen, dem südlichen Sachsen-Anhalt und Nordböhmen führten.

Um die Wende vom 14. zum 15. Jahrhundert kann man in Posen einen hohen Prozentsatz von deutschsprachigen Bewohnern mit schlesischem Dialekt feststellen. Indem sie sehr früh Polnisch zu sprechen begannen, assimilierten sich die Ankömmlinge an die einheimischen Bewohner.7 Außer-dem brachten sie oft neue, den Einheimischen bisher nicht bekannte Gefäße nach Posen. Viele Ankömmlinge betrie-ben Fernhandel. Das waren vor allem Großhändler, die Leder, Pelze, Pfeffer, Wachs und Talg sowohl ein- als auch ausführten. Sie belieferten die ausländischen Händler mit

7 Gąsiorowski 1988, 252.

Wolle aus Großpolen und kauften selbst unzählige Men-gen von schlesischen und sächsischen Stoffen.8 Die Käufer reisten meist auf dem Landweg und über die Warthe. Bei dem Handel mit Steinzeug im 15. und 16. Jahrhundert ver-mittelten die schlesischen Händler. Sie benutzten dabei den alten Weg von Breslau nach Trebnitz (Trzebnica), über Tra-chenberg (Żmigród), Punitz (Poniec), Kriewen (Krzywiń), Kosten (Kościan) und Schrimm (Śrem) nach Posen.9 Seit dem 15. Jahrhundert war ein Weg von Posen nach Schlesien über Glogau (Głogów) populär – über diesen Weg konn-ten die Käufer aus Mittel- und Süddeutschland nach Po-

8 Sieciechowiczowa 1974, 22. 9 Gąsiorowski 1988, 276.

255

Das spätmittelalterliche und neuzeitliche Steinzeug aus Posen

sen kommen, ohne dabei durch Frankfurt zu fahren (die einheimischen Händler vermittelten oft beim Handel auf der Oder und die Stadt erlegte hohe Zollgebühren auf).10 Den Weg über Glogau benutzten vor allem die Käufer aus Leipzig und den süddeutschen Städten.11 Das Waldenburger Steinzeug, dessen Lager in Frankfurt an der Oder gefunden wurde, zeugt von der Rolle der Stadt beim Handel mit die-sem spezifischen Keramiksortiment. Vermutlich gelangte es über den altbekannten Weg über Meseritz  (Międzyrzecz) nach Posen. Dafür sprechen die ständigen Kultur- und Handelskontakte der Posener Bürger – Befürwortern des Luthertums – mit deutschen Städten wie Frankfurt an der Oder, Leipzig und Nürnberg. Ein Zwischenfall von Anfang Mai 1535 kann auch bezeugen, dass der Weg über Meseritz mindestens bis Mitte des 16. Jahrhunderts populär war. Da-mals verbreitete sich in Posen das Gerücht, dass ein gewisser Johann Schlegel in der Nähe von Meseritz sechs Fuhrwer-ke der Posener Käufer mit Waren aus Nürnberg überfallen hätte.12 Die Posener führten also – wie man sieht  – sehr gern Transaktionen mit den Bewohnern des süddeutschen

10 Chojnacka 2007, 152–158.11 Groth 1927, 345.12 Sieciechowiczowa 1974, 174.

Raums durch und versuchten dabei die Vermittlung der schlesischen Käufer zu umgehen.

Die einzelnen Exemplare aus Siegburg, Coppengrave, Dippoldiswalde, Bad Schmiedeberg und Westerwald wur-den nach Posen vereinzelt als „Souvenirs“ von verschiede-nen Reisen mitgebracht. Es ist möglich, dass die Siegburger und später auch Westerwälder Steinzeuggefäße von Ostsee-häfen nach Posen gelangten.

Bei den archäologischen Ausgrabungen wurde Stein-zeug in Posen nur vereinzelt geborgen. In den alten pol-nischen Hansestädten oder in Niederschlesien – also in den Orten, die unweit von den Steinzeugtöpfereien gele-gen waren und zu den Fürstentümern in den Grenzen des Deutschen Reiches gehörten – sieht das sicherlich ganz an-ders aus.

Ein ähnliches Sortiment luxuriöser Steinzeugkeramik ist wahrscheinlich auch im archäologischen Inventar ande-rer großer Städte im westlichen Teil des ehemaligen König-reichs Polen zu finden.

Literatur

Chojnacka 2007Kazimiera Chojnacka, Handel na Warcie i Odrze w XVI i pierwszej połowie XVII wieku, Poznań 2007.

Gąsiorowski 1988Antoni Gąsiorowski, Ludność Poznania od połowy XIII do XV wieku. Rzemiosło i handel. In: Jerzy Topolski  (Red.), Dzieje Poznania, Bd. 1, Warszawa-Poznań 1988, 245–276.

Groth 1927Paweł Groth, Handel Poznania z Zachodem w wie-kach średnich. Kronika Miasta Poznania H.  1, Poznań 1927, 340–366.

Kóčka-Krenz 2004Hanna Kóčka-Krenz, Ostrów Tumski we wczesnym średniowieczu. In: Leszek Wilczyński (Red.), Ostrów Tum-ski–kolebka Poznania, Poznań 2004, 21–38.

Muszyński und Bergmann 2006Lech Muszyński und Bronek Bergman, Sylwetki poznańskich rabinów. Kronika Miasta Poznania H. 3, Poznań 2006, 14–37.

Sieciechowiczowa 1974Lucyna Sieciechowiczowa, Życie codzienne w renesan-sowym Poznaniu. 1518–1619, Warszawa 1974.

Sójka 1999Jan Sójka, Drukarnia akademicka w Poznaniu 1689–1780. Jan Lubrański i jego dzieło. Kronika Miasta Poznania H. 2, Poznań 1999, 236–251.

Wiesiołowski 1977Jacek Wiesiołowski, Klasztory średniowiecznego Poznania. In: Włodzimierz Błaszczyk  (Red.), Początki i rozwój Sta-rego Miasta w Poznaniu w świetle badań archeologicznych i urbanistyczno-architektonicznych, Warszawa-Poznań 1977, 405–419.

Żołądź-Strzelczyk 1999Dorota Żołądź-Strzelczyk, Academia Lubransciana (1519–1780). Dzieje szkoły od powstania do czasów Komisji Edukacji Narodowej. Jan Lubrański i jego dzieło. Kronika Mi-asta Poznania H. 2, Poznań 1999, 141–151.

Abbildungsnachweis

Abb. 1: Grafik auf Grundlage des Stadtplans von Posen (W. Kur -natowski 1843).

Abb. 2 und Taf. 1–5: Andrzej KowalczykAbb. 3: Grafik auf Grundlage des Stadtplans des deutschen Rei-

ches von 1648

Andrzej KowalczykUniwersytet im. A. Mickiewicza w Poznaniu

Instytut Prahistorii Św. Marcin 78

PL-61809 PoznańPolen

[email protected]