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Ivo Marin§ek 97Ll28l seminar: The MoralitY of War Ethnic wars On the origin and justification of wars which may be defined as the consequences of tensions and hostilities , between ethnic groups; f, War as a cultural phenomenon; Reflections about the morality of war; Machiavelli, Rousseau and Kant classical philosophers who discussed this issue; New nationalistic movements a nightmare for those who believe in the existence of universal values; Diese Stichwortsammlung soll dem werten Leser einen Vorgeschmack auf die lnhalte dieses Papers geben. Versuch eines historischen Überblicks über die Kriegsarten: Bevor ich mich in dieser Arbeit näher mit den ethnischen Kriegen beschäftige, muss mit Hilfe der empirischen Geschichtswissenschaften geklärt werden, auf welche Art und Weise man die kriegerischen Ereignisse der ganzen langen Menschheitsgeschichte klassifizieren kann. Man könnte die Kriege natürlich auch nach einem rein äußerlichen Kriterium einteilen, indem man zum Beispiel See -, Land - und Luftkriege als drei grundverschiedene Kriegsarten anführt. ln der Tat wurden ja zahlreiche Schlachten durch die Ausnützung der Vorteile, die das Gelände bot, entschieden. Da das Thema dieser Seminararbeit aber die Ethik als Teil der praktischen Philosophie ist, müssen wir nach einer Klassifizierung der Kriege suchen, die diese nach den Beweggründen der kriegsführenden Parteien in mehrere Gruppen einteilt. Jeder, der ideologiekritisch geschult ist, wird natürlich zwischen den wirklichen Motiven und der vorgeschobenen Rechtfertigung unterscheiden wollen, doch gab es nicht in allen Epochen eine Doppelmoral in der Geschichtsschreibung, so dass man manchmal über die Ehrlichkeit 'der Quellen verblüfft sein könnte. Der ethnische Krieg ist ein Krieg, der sich -t -

DIe Moralität des Krieges-Ethnische Kriege

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Ivo Marin§ek 97Ll28l

seminar: The MoralitY of War

Ethnic warsOn the origin and justification of wars which may bedefined as the consequences of tensions and hostilities

, between ethnic groups;f, War as a cultural phenomenon;

Reflections about the morality of war;Machiavelli, Rousseau and Kant classical philosopherswho discussed this issue;New nationalistic movements a nightmare for thosewho believe in the existence of universal values;

Diese Stichwortsammlung soll dem werten Leser einenVorgeschmack auf die lnhalte dieses Papers geben.

Versuch eines historischen Überblicks über die Kriegsarten: Bevor ich michin dieser Arbeit näher mit den ethnischen Kriegen beschäftige, muss mitHilfe der empirischen Geschichtswissenschaften geklärt werden, auf welcheArt und Weise man die kriegerischen Ereignisse der ganzen langenMenschheitsgeschichte klassifizieren kann. Man könnte die Kriege natürlichauch nach einem rein äußerlichen Kriterium einteilen, indem man zumBeispiel See -, Land - und Luftkriege als drei grundverschiedeneKriegsarten anführt. ln der Tat wurden ja zahlreiche Schlachten durch dieAusnützung der Vorteile, die das Gelände bot, entschieden. Da das Themadieser Seminararbeit aber die Ethik als Teil der praktischen Philosophieist, müssen wir nach einer Klassifizierung der Kriege suchen, die diese nachden Beweggründen der kriegsführenden Parteien in mehrere Gruppeneinteilt. Jeder, der ideologiekritisch geschult ist, wird natürlich zwischenden wirklichen Motiven und der vorgeschobenen Rechtfertigungunterscheiden wollen, doch gab es nicht in allen Epochen eine Doppelmoralin der Geschichtsschreibung, so dass man manchmal über die Ehrlichkeit'der Quellen verblüfft sein könnte. Der ethnische Krieg ist ein Krieg, der sich

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dadurch auszeichnet, dass er in erster Linie aus nationalideologischenGründen geführt wird. Es gibt auch andere Kriege, die in erster Linie ausideologischen Gründen geführt werden. Dazu zählen unter anderem dieGlaubenskriege, die oft wegen theologischer, dem Ungläubigen lächerlicherscheinender Streitigkeiten geführt wurden und Bürgerkriege, die ausideologischen Gründen geführt wurden, wobei der soziale oder sonstigeStreitgrund ideologisch aufgeladen wurde. Dass die ideologischen Kriegeselten aus rein idealistischen Motiven geführt wurden, sondern meistensmit machtpolitischen und materiellen lnteressen vermengt waren, soll andieser schematischen Einteilung nichts ändern. Wenn man keinTotalanfänger in den historischen Wissenschaften ist, wird man ohnehinerfahren haben, dass alle Klassifikationen Abstraktionen sind, die nicht alleDaten wiedergeben können, dass ihnen also etwas Willkürliches anhaftet' Es

wäre aber ein lrrtum, wenn man aus den erwähnten Beispielen daraufschlösse, dass alle Kriege ideologisch motiviert gewesen seien. Eine einbisschen aufpolierte Allgemeinbildung genügt, um zu erkennen, dass esKriege gab, an denen die ldeologie nicht einmal als lügnerischer Vorwandbeteiligt war. Bewaffnete Feindseligkeiten dieser Art sind für den heutigenBetrachter nur schwer von bloßer Kriminalität, wie sie von Räuberbandenund mafiösen Organisationen ausgeübt wird, zu unterscheiden. ldeologischeKriege haben die Gemeinsamkeit, dass diejenigen, welche sie beginnen dieWaffengewalt als ein Mittel zur Erreichung eines höheren Zweckesbetrachten, so dass manche dieser Kriege sogar eingefleischten Pazifistengerechtfertigt erscheinen können. Das bedeutet aber noch lange nicht, dassdie Soldaten in nichtideologischen Kriegen mit einem schlechten Gewissenoder sonstigen Hemmungen ins Feld ziehen. Da sich die ethischen Werte, diein einer Gesellschaft als verbindlich gelten, von Kultur zu Kultur und vonEpoche zu Epoche zu unterscheiden, ist es nicht verwunderlich, dass Raubund Mord von manchen Menschen als legitim, ja als ein männlicher Sportbetrachtet wurden. Diese uralte Einsicht in die Relativität derherrschenden Sitten soll uns aber nicht dazu verleiten, die Existenzuniversaler Werte zu bestreiten. Dass es verschiedene Ansichten über einProblem gibt, bedeutet ja keinesfalls, dass es nicht eindeutig gelöstwerden kann.John Keegan, ein britischer Militärhistoriker, der durch seinefächerübergr.eifende Perspektive und seine profunden Analysen eine füralle Kulturwissenschaftler lesenswerte Universalgeschichte des Kriegesschrieb, erzählt uns, was die Überlieferung über die Lebensansichten desmongolischen Eroberers Dschingis-Kh an zu berichten weiß: " AchthundertJahre nach Attitas Tod sagte Dschingis- Khan zu seinen mongolischen

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Waffengefährten, die die Falknerei für die herrlichste Wonne des Lebenshielten: lhr irrt euch. Das'größte Glück des Mannes besteht darin, seinenFeind zu hetzen und zu besiegen, dessen gesamten Besitz an sich zubringen, seine Ehefrauen jammern und klagen zu lassen, seinen Wallach zureiten und den Körper seiner Weiber afs Nachtgewand und Unt erlage zubenutzen."(1)Aus dieser Überlieferung, die gar nicht unglaubwürdig wirkt, können wirschließen, dass Dschingis-Khan den Angriffskrieg nicht für unethisch,sondern für den Ausdruck wahren Mannesmutes und für seinen wertvollstenLebensinhalt hielt. Die zentralasiatischen Reitervölker, aber nicht nur sieführten also das Leben von Berufskriegern, weil sie es normal fanden, dassein Mann vom Raub lebt. Auch im Gefolge des osmanischen Heeres amBalkan, gab es Regimenter, die vom Raub lebten und daher grausamerwaren, als es ihr Sultan erlaubte. Sie führten also den Krieg um seinerselbst wilten und schreckten darüberhinaus nicht einmal vor sadistischenGrausamkeiten und Vergewaltigungen zurück. Dschingis-Khan hätte michsicher ausgelacht, wenn ich ihn in einem flammenden Appell gebeten hätte,die Bewohner meiner Heimat zu verschonen. lm Prinzip kann man aber mitjedem Menschen, der seine Vernunft gebrauchen kann und logischeArgumente akzeptieren will, einen ethischen Diskurs führen.Eine solche barbarisch und zudem bewusst egoistische Kriegsführung stehtoffenkundig in Widerspruch zu einer höher entwickelten Ethik undinsbesondere zu den moralischen Geboten der monotheistischenReligionen. Dennoch waren auch die Gesellschaften des christlichenMittelalters von Kriegen geprägt, die Glaubensbrüder aus Machtgier, ausBesitzgier oder manchmal geradezu aus Langeweile gegeneinander führten.Den Rittern scheint diese Heuchelei nicht zu Bewusstsein gekommen zusein. Sie fanden wohl nichts dabei vor einem aus einem Leichtsinn und Stolzbegonnenen Duell zu Gott zu beten, als wäre er eine heidnische Kriegsgötze.Die Haltung der katholischen Kirche war immer zwiespältig, da sie janiemals auf ihre politische Macht verzichten wollte. Es war sogar durchausüblich, dass sich kirchliche Potentaten an den feudalen Kleinkriegenbeteiligten. Aus dem elften Jahrhundert gibt es allerdings einige Beispielekirchlicher lnterventionen gegen die Gewalt unter den Christen: " Soverhängten die narmannischen Bischöfe nach der Schlacht von Hastings1 066 über ihre Ritter eine Buße von einem Jahr Beten und Fasten für dasTöten eines Gegners und van vierzig Tagen für seine Verwundung - obwohlWilhelm der Eroberer mit päpstlicher Biltigung gegen Harald und dieAngelsachsen gekämpft hatte. (.,.) lm Jahre 10BB wurde unter dem Namenlfirban tt. ein Mönch aus Cluny, einem der Klöster, in denen die Theologie der

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päpstlichen Macht ihren sitz hatte, zum Papst gewählt. (...) Gleichzeitigpredigte er, ein Kampf von Christen gegen Christen sei Sünde. Auf derSynode von Clermont verwies er im Jahre 1A95 auf den Gottesfrieden, daskirchtiche Friedensgebot, das während der vorösterlichen Fastenzeit undan bestimmten Feiertagen das Fehderecht einschränkte. Er mahnte dieChristen, nicht weiter einander zu töten und " statt dessen einen qerechtenKrieg zu kämpfen." " (2)Es ist ein erstaunliches Phänomen der mittelalterlichenldeologiegeschichte, dass die Kirche verkündete, der alltägliche und legaleKleinkrieg, den die christlichen Ritter gegeinander fÜhrten sei Sünde, abernichts Ernstliches dagegen unternahm. Sogar der Gottesfrieden war eineEinrichtung, die zu dieser Doppelmoral beitrug, denn durch ihn wurde nichtdas Fehdewesen überhaupt verboten, sondern nur eine Waffenruhegesetzlich vorgeschrieben. Die christliehen Ritter fühlten sich allerdings aneinen gewissen Ehrenkodex gebunden, wenn man von schwarzen Schafenabsieht. Es gab also bereits Ansätze zu einem Kriegsrecht, das unterkirchlichem Einfluss sogar schriftlich niedergelegt wurde. Derselbe PapstUrban der Zweite war aber auch der Ansicht, dass es Kriege gebe, diegerecht, das heißt von Gott gewollt, seien. Er rief die Ritter zu einemKreuzzug gegen die Ungläubigen auf und veränderte damit den Lauf derWeltgeschichte. Der Kreuzzug widerspricht einer radikal pazifistischenlnterpretation des Evangeliums, insbesondere der Bergpredigt, aberangesichts des Heilsabsolutismus der katholischen Kirche muss man sichfragen, warum sie nicht mehr Zwangsbekehrungen durchführte. Wenn mannämlich das Seelenheil, die ewige Glückseligkeit von der irdischenGlaubenszugehörigkeit abhängig ist, so ist ein brutaler Angriffskrieg mitseinen Martern und Zerstörungen besser als die ewigen Höllenqualen derAndersdenkenden, die eine Einhaltung der Menschenrechte bewirken würde.ln den Kreuzzügen vermischten sich tatsächlich Profitgier undGlaubenseifer, aber die Ritter machten sich auch schwererKriegsverbrechen schuldig, Die mittelalterlichen Kriege nationalistischinterpretieren zu wollen, wäre jedenfalls das Resultat des Zerrbilds einertendenziösen Historiographie. Die meisten innerchristlichen Kriege warenBesitzstreitigkeiten zwischen Waffenträgern, die entweder geadelteGroßbauern oder Herrscher über das Territorium eines modernenNationalstaats sein konnten. Da die wenigsten mittelalterlichenTerritorialstaaten zentralisierte, absolutische Monarchien waren, hattenmanchen Staaten sogar ein institutionalisiertes Recht auf Bürgerkrieg, sokomisch das auch klingen mag.lm Königreich Ungarn kam es erst im Zuge der Türkenkriege, im Jahre ',687 ,

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zu einer Verfasserungsänderung, die die Gewalt des Königs stärkte. Zitat: rr

Eine wesentliche Veränderung mußten die Stände aber zugestehen. Das 'It

Aufstandsrecht " ( ius insurrectionis ) aus der Galdenen Bulle von 1 222, dasgegen einen " ungerechten König " wahrgenommen werden durfte, wurdeäufgehaben. Dafür erlaubte Habsburg den Ständen der sog. Magnatentafel( Hochadet und Prälaten ), wieder einen Palatin zu wählen, während denRepräsentanten der Ständetafel ( Komitatsadel, niederer Klerus, Städte )die Wattt des sog, Personal zugestanden wurde. (,..) Das Haus Habsburgerreichte in tJngarn also nicht das Stadium eines DOMINIUM ABSOLUTUM ,

auch wenn mri es aft als " Patrimanial - Königreich " bezeichnete. " ( 3 )Das Aufstandsrecht und das Fehderecht machten den Bürgerkrieg zu etwasLegalem, so dass das mittelalterliche Europa eine sehr militaristischeGesellschaft war. Das sollte sich in der Renaissance und im Barock raschändern: " Später dann, mit Beginn des 17. Jahrhunderts, wurde dieGesellsc haft Europas westlich von Oder und Drau - das heißt von Berlin undWien bis zum Atlantik - schrittweise, aber konsequent, entmilitarisiert.Dazu gehörte, daß man der Bevötkerun{Aen Besitz von Feuerwaffenuntersagt€, die Burgen des Landadels schleifte, seine Söhne als Offiziereübernahm, spezialisierte Artillerieeinheiten aufstellte, deren Offiziere ausden bis dahin nicht der Kriegerkaste angehörenden Ständen stammten, unddie Herstellung van Kriegsgerät staatlichmonopolisierte. "(4)Italien, das Vaterland Niccolo Machiavellis, nahm aber eine Sonderstellungein, da schon vor Beginn des Spätmittelalters die feudalen Strukturendurch die wachsende ökonomische und politische Macht der Stadtstaatenzurückgedrängt wurde. Die Einwohner der italienischen Kommunen warenbegeisterte Lokalpatrioten, die sich mit ihrer geliebten Heimatstadtindentifizierten. Daher kommt es, dass ein Krieg zwischen Pisa und Florenzeher ein ethnischer Krieg war als ein Kampf um die Erbfolge zwischen zweiverfeindeten Dynasten. Trotzdem fühlten sich die ltaliener aber immer auchals ltaliener" Machiavelli ist ja dafür berüchtigt, dass er den Staatsmännerndie Wahl skrupelloser Mittel empfohlen hatte, Aber Machiavelli hatte nichtdie Absicht, die ethischen Normen seiner Zett zu untergraben, er wollte nurals Patriot eine Handlungsanleitung für die Rettung seiner Heimat vor dersich abzeichnenden Herrschaft der großen europäischen Monarchienschreiben. ln seinem bekanntesten Werk " ll Principe " beschäftigte er sichunter anderem mit der Frage, für welche Eigenschaften ein Fürst besondersgelobt werden sollte. Für Machiavelli ist es natürlich selbstverständlich,dass der Fürst für das politische Wohlergehen des Gemeinwesens sorgensollte. So schrieb er: " Es bteibt nun nach zu prüfen, von welcher Art das

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Verhalten eines Fürsten gegenüber seinen llntertanen und seinen Freundensein muß. Da ich weiß, daß schon viele hierüber geschrieben haben, fürchteich, für anmaßend gehalten zu werden, wenn ich darüber schreibe,insbesondere da ictt bei der Erörterung dieses Themas von den Argumentender anderen abweiche. Da es aber meine Absicht ist, etwas Nützliches fÜrden zu schreiben, der es versteht, schien es mir angemessener, derWirktictrkeit der Dinge nachzugehen als den bloßen Vorstellungen über sie.Viete haben sich Repubtiken vorgestellt, die nie iemand gesehen odertatsächlich gekannt hat;denn es liegt eine sa große Entfernung zwischen dem Leben, wie es ist, unddem Leben, wie es sein sollte, daß derjenige, welcher das, was geschieht,unbeachtet läßt zugunsten dessen, was geschehen sollte, dadurch eherseinen lJntergang als seine Erhaltung betreibt; denn ein Mensch, der sich in

jeder Hinsicht zum Guten bekennen will, muß zugrunde gehen inmitten vanso viel anderen, die nicht gut sind. Datter muß ein Fürst, wenn er sichbehaupten will, die Fähigkeit erleFnQ[7, nicltt gut zu sein, und dieseanwenden oder nicht anwenden, je nach dem Gebot der Notwendigkeit. " ( 5) Machiavelli kommt also zu einer Erkenntnis, die uns ziemlich modernanmutet, und zwar zur Einsicht in die Diskrepanz zwischen dem Sein unddem Sollen. Wenn er ethisch schlechte Handlungen empfiehlt, tut er diesaber nur, weil er der Ansicht ist, dass sie angesichts der allgemeinverbreiteten Schlechtigkeit meistens das geringere Ünel sein werden. lchweiß nicht, ob er die Nation für das höchste Gut gehalten hätte, aber siewar ihm sicher ein Wert, für den er bereit war, Opfer zu fordern und zuerbringen. ln der Tat kann man sich vorstellen, dass sein Werk vonfaschistischen Bewegungen aJ ihren Zwecken instrumentalisiert wurde, daseine patriotische Motivation ja offensichtlich ist.Ein konkretes Beispiel für die ethisch unerlaubten Vorgangsweisen, dievom Florentiner vorgeschlagen werden, ist der Wortbruch: " Da also einFürst gezwungen ist, van der Natur der Tiere den rechten Gebrauch machenzu können, muß er sich unter ihnen den Fuchs und den Löwen auswählen; dennder Löwe ist wehrlos gegen Schlingen und der Fuchs gegen Wölfe. Man mußalso ein Fuchs sein, um die Schlingen zu erkennen, und ein Löwe, um dieWötfe zu schrecken, (...) Ein kluger Herrscher kann und darf daher sein Wortnicht halten, wenn ihm dies zum Nachteil gereicht und wenn die Gründefortgefallen sind, die ihn veranlasst hatten, sein Versprechen zu geben.Wären alle Menschen gut, dann wäre diese Regel schlecht; da sie aberschlecht sind und ihr Wort dir gegenüber nicht haltenwürden, brauchst du dein Wort ihnen gegenüber nicht zu halten, " ( 6 ) Mankann also erkennen, dass Machiavelli die herrschenden Werte keinesfalls

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aufheben wollte. lmmanuel Kant hätte sich über diese Zeilen zwaraufgeregt, aber sogar er hätte sie nur für böse und nicht für teuflischgehalten, Machiavelli war ein früher Pragmatiker und Utilitarist. Es ist wohldurchaus angebracht, einen Krieg durch Listen und Notlügen zu verkürzen.Seine Mahnung zum Realismus darf natürlich in keiner ethischen Abhandlungfehlen. Er wusste nämlich, dass die Politiker seiner Zeit, darunter auch derberüchtigte Renaissancepapst Atexander der Sechste, ihren Erfolggeschickten und hinterhältigen Betrügereien verdankten.Auch die Motivation, die Ziele, die die Akteure des politischen Lebensverfolgten, sah er ganz realistisch: " Sieht man dach, daß die Menschen aufverschiedene Weisen vorgehen, um das Ziel zu erreichen, das ein jeder vorAugen hat, nämtich Ruhm und Reichtum: der eine verfährt mit Besonnenheit,der andere mit L)ngestüm; dieser mit Gewalt, jener mit List; einer mitGeduld, ein anderer mit deren Gegenteil; so kann jeder auf unterschiedicheWeise an sein Ziel gelangen. " ( 7 ) Dieses Streben nach den weltlichenGlücksgütern bedeutet kein Lastslda Askese und Weltflucht demZeitgeist der Renaissance, die sich am Vorbild der Antike orientierte,weder theoretisch und praktisch entsprachen.Der Prediger Savonarota war mit dem Versuch, ein sittenstrenges Leben zuverkünden, kläglich gescheitert. Machiavelli war kein fürchterlicherZyniker, er versuchte nur, die richtigen Lehren aus dem Scheitern derAnständigen und dem Erfolg der Betrüger zu ziehen. Deshalb war er derAnsicht, dass man Gesellschaftsphilosophie nur empirisch betreiben kann.Das bedeutete wiederum eine Loslösung der politischen Theorie von derEthik und der Theologie. ln der traditionellen politischen Philosophie (Aristoteles und seine scholastischen Anhänger ) nahm man an, dass derMensch seine Bestimmung und sittliche Vollendung erst in derGemeinschaft finden könne, Machiavelli sah die empirische Notwendigkeiteiner Staatsgewalt in einer Welt, die nicht vollkommen, aber dennochlebenswertwar.(8)Machiavelli vertritt in seinen Büchern eine zyklische Geschichtsauffassung,wodurch er sich vom Fortschrittsoptimismus der späteren Neuzeit und vonder Geschichtsdeutung der christlichen Orthodoxie unterscheidet. Das warein Rückgriff auf antikes politisches und historisches Denken und entsprachals solches dem Zeitgeist der Renaissance. Obwohl das vierzehnte undfünfzehnte Jahrhundert eine Epoche der kulturellen Blüte ltaliens waren,galten sie in gewisser Weise auch als ein Zeitalter einer politischen undwirtschaftlichen Krise. Die italienischen Stadtstaaten, die oft auchdespotisch reg iert wurden, führten gegeinander Kleinkriege, wobei siehauptsächlich Söldnerheere unter der Führung von Condottieri einsetzten.

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Der politische Denker erkannte, dass diese Art der Kriegsführung dieZersplitterung ltaliens verewigte und einen Widerstand gegen dieGroßmächte nahezu unmöglich machte. Er wusste, dass aummachtpolitischen Erfolg nicht nur eine kluge Staatskunst, sondern auch einezeitgemäße Kriegskunst gehört. ( I )Überhaupt war er ein Realist, wir haben ja schon gesehen, dass er die

Motivation der politisch Handelnden ganz realistisch einschätzte. AlsPessimist wusste er über die Schlechtigkeit der menschlichen NaturBescheid. Der Geschichtsverlauf war für ihn zum Teil politischvorherbestimmt, zum Teil vom blinden Spiel des Geschicks, von den Launender GIücksgöttin Fortuna gelenkt. Dennoch enthält sein BuchHandlungsanweisungen, denn er nahm an, dass das richtige, tüchtige Handelnunter den passenden Umständen zum Erfolg führen würde und deshalb gutsei ( er spricht von virtü ). Dieses Werk steht am Anfang der Neuzeit, aberes hatte wegen sein radikalen Aufrichtigkeit eine sehr große Nachwirkung.Seine Betrachtungen über eine passende Regierungsform und über dieNatur des Menschen warfen Fragen auf, die man im siebzehnten undachtzehnten Jahrhundert durch die Theorien über den Gesellschaftsverfr?gzu lösen versuchte.Rousseau war im Unterschied zu Hobbes eher optimistisch, was die Güteder Menschennatur betrifft. Seine Behauptung, dass alle Menschen frei undgleich geboren werden, kam seinen konservativeren Zeitgenossen sicherziemlich kühn vor. Sehr interessant ist seine Abhandlung über das Rechtdes Stärkeren.Zitat: " Der Stärkste ist nie stark genug, um ständig Herr zu bleiben, wenner seine Stärke nicht in Recht und den Geharsam nicht in Pflicht verwandelt.Daher kommt auclt der Ausdruck " das Recht des Stärkeren"; Recht wirdhier scheinbar iranisch aufgefaßt, und dennoch rst es rn Wirklicltkeit alsPrinzip anerkannt, (...)Der Stärke nachgeben ist eine Handlung der Natwendigkeit, nicht desWillens; Höchstens noch eine Handlung der Klugheit. ln welchem Sinne kannes eine Pflicht werden? " ( 10 ) Der Erfolg in einem Krieg beruht aberausschließlich auf dem Recht des Starkeren, von dem auch jeder tiefereDenker vor Rousseau wusste, dass es kein Recht, sondern Unrecht ist. DerGesellschaftsvertrag ist kein pazifistisches Buch, aber, ob einAngriffskrieg wirklich dem allgemeinen lnteresse dienen kann, wird durchRousseus Weltanschauung sehr zweifelhaft. Jedoch glaubte er, dass durchden Gesellschaftsvertrag eine Schicksalsgemeinschaft aller Staatsbürgerentsteht. Das kann man mit ein bisschen Phantasie auch totalitär odernationalistisch auslegen. Tatsächlich entstand gerade in der Zeit der

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französischen Revolution ein starkes Nationalgefühl, obwohl die Kriegezwischen 1792 und 1B1s.nicht nur ethnische Kriege waren. ln seinem Buchbeschäftigt sich der Genfer Patriot weiters mit dem Recht des Souveränsüber Leben und Tod seiner Untertanen. ln jenem Kapitel steht auch dieserSatz: " Wer sein Leben auf Kosten anderer erhalten will, muß es sobald esnötig ist, auch für sie hingeben. " ( 1 1 )Damit ist sicherlich die allgemeine Wehrpflicht gerechtfertigt, durch dieder Krieg vorn Vergnügen einer Kriegerkaste zu einer gemeinsamenAnstrengung des gesamten Volkes wird. Der Einzelne hat sich laut Rousseaudem allgemeinen lnteresse unterzuordnen,lmmanuel Kant, der für seine rigorose Ethik weltberühmt wurde, stellte ineinem seiner Werke die Frage, ob sich ein ewiger Friede ohne göttlichesEingreifen verwirklichen lasse. Ein Pessimist Hobbes hatte gelehrt, dassvor dem Gesellschaftsvertrag sogar die lndividuen häufig untereinanderKrieg führten. Wenn man nun diese Lehre vorn Gesellschaftsvertrag -aweiterentwickelt, kann man sich fragen, ob nicht der rechtloseNaturzustand zwischen den Staaten durch einen Vertrag aus der Weltgeschafft werden könne.Kant wusste natürlich, dass die Menschen, insbesondere die Mächtigen, sehrkriegslüstern waren. Aber er versuchte, die praktische Möglichkeit einesewigen Friedens nachzuweisen. Dafür wandte Kant selbstverständlich auchseine empirische Gelehrsamkeit an; denn er erörtert die notwendigenpraktischen und gesetzlichen Vorbedingungen, die die Wahrscheinlichkeiteines dauerhaften Friedens möglichst groß machen. Seine Vorschläge sindmanchmal fast revolutionär, zum Beispiel erkennt er, dass dasBerufssoldatentum der stehenden Heere eine Gefahr für den Frieden stelltoder dass die Staatsgrenzen nicht leichtfertig geändert werden sollten.Weiters legt er natürlich großen Wert auf die Vermeidung unmoralischerKriegspraktiken. Außerdem legte er Wert darauf, dass die Verfassungeines Staates nicht despotisch sein darf, das heißt sie muss Verantwortungund Gewaltenteilung garantieren. Obwohl Kant keinen revolutionärenUmsturz predigt, enthält diese Schrift also sehr viel systemzersetzendesGedankengut. Er wagte es sogar, die Besitzergreifung der von " Wilden "bewohnten Gebiete als Unrecht zu bezeichnen. Sein Werk ist durch unddurch kosmopolitisch, auch wenn er eine Arbeit über nationale Stereotypengeschrieben hat. Wenn man mit der Aufklärung an den Fortschritt glaubte,mußte man wohl auch an den ewigen Frieden glauben. Mit diesem Gedankenendet schließlich seine Schrift: " Wenn es Pflicltt, wenn zugleich gegründeteHoffnung da ist, den Zustand ernes öffentlichen Rechts, abgleich nur in einerins lJnendliche fortschreitenden Annäherung wirklictr zu machen, so ist der

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ewige Friede, der auf die bisher fälschlich so genannten Friedensschlüsse (eigentlich Waffenstiltstände ) folgt, keine leere ldee, sondern eineAufgabe, die nach und nach aufgelöst, ihrem Ziele ( weil die Zeiten, in denengleiche Fortscttritte geschehen, hoffentlich immer kürzer werden )beständig näher kommt, " ( 1 Z ) Er schreckt davor zurück, alle Kriege fürUnrecht zu erklären. lst aber der ewige Friede ein Ziel, so ist keinAngriffskrieg irgendwie zu rechtfertigen. Eine Trennung zwischen Politikund Moral war für den Königsberger Denker unzulässig; Originalton: " Dennalsdann fällt dieser Begriff aus der Moral von selbst weg ( ultra posse nemoobligatur );mithin kann es keinen Streit der Politik, als ausübender Rechtslehre, mitder Moral, als einer solchen, aber thearetischen ( mithin keinen Streit derPraxis mit der Theorie ) geben: man müßte denn unter der letzteren eineallgemeine Klugheitslehre, d. i. eine Thearie der Maximen verstehen, zuseinen auf Vorteil berechneten Absichten die taugticttsten Mittet zu wähten, fd. i. leugnen, daß es überhaupt eine Maral gebe. " ( 13 )Dies widerspricht der damals wie heute verbreiteten Ansicht, dass derZweck die Mittel heilige. Ein ethnischer Krieg, als ein Akt nationalistischerAggression, lässt sich kantianisch nicht rechtfertigen, die Gemeinschaft istnicht der höchste aller Werte, kein Politiker darf moralische Geboteverletzen, um einen Krieg zu gewinnen. Kant geht ja gar so weit, dass ereine rein pragmatische Handlungsanweisung für unmoralisch erklärt. Da erseine Werte für universal und rational begründbar hält, ist eineübernationale und überkonfessionelle Geisteshaltung eine konsequenteWeiterentwicklung seiner Ethik. Seine politischen Vorstellungen kann erauch deshalb sehr theoretisch begründen, weil er an die Freiheit desMenschen glaubt. Darum, weil der Mensch frei ist, lassen sich Aussagen überseine Natur formulieren und begründen, die keine Sätze der empirischenWissenschaften von Menschen sind. Es stellt sich heraus, dass zahlreichepolitische Klugheitsregeln unmoralisch sind, weil sie nicht das Streben nacheigener Vollkommenheit und fremder Glücksseligkeit zum Ziel haben,sondern bloß der Erfüllung selbstsüchtiger Triebregungen dienen.Wir können uns auch ohne jeden konkreten Anlass fragen, warum ein Kriegvon Nationalisten, die Macht und Ehre für ihr Volk erstreben, angezetteltwird. Meistens ist leicht zu erkennen, dass das ethischeArgumentationsniveau der Nationalisten eher primitiv ist. So berufen siesich einfach auf das Recht des Stärkeren oder darauf, dass sich die Nationin einem harten Existenzkampf um den Lebensraum befinde. Sie könnensogar behaupten, dass die Unterwerfung ein Segen für das feindliche Volksein werde, weil ihre Kultur um so viel überlegen sei. Ethnische Gruppen

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müssen sich durch irgendein Merkmal von kultureller Relevanz voneinanderunterscheiden, diese Funktion kann die Sprache oder die Konfessionübernehmen. Es ist theoretisch sehr schwer zu begründen, warum dieseMerkmale so wichtig sein sollen. Eigentlich ist ein bloßesZusammengehörigkeitsgefühl nicht genug, um den besonderen Wert derGruppe sicher zu stellen. Wer die Gültigkeit ethischer Prinzipien auf dieMitglieder seiner Gruppe einschränkt, muss damit rechnen, dass seineGruppe im regellosen und brutalen Kriegsgeschehen unterliegt und selbstbrutal und unethisch behandelt wird. Wer den totalen Krieg will, muss miterbittertem Widerstand rechnen. Außerdem sollte doch niemand seineGegner mit Waffengewalt attackieren, wenn er nicht sicher sein kann, dasser im Recht ist.Ethnische Kriege unterscheiden sich grundsätzlich von den meisten Kriegender früheren Zeiten, da sie Kriege zwischen zwei ganzen Völkern sind. EinKrieg wie der Erste Weltkrieg war natürlich teilweise ein ethnischer Kriegfaber die Machtpolitik der europäischen Kabinette ist nicht reinnationalistisch zu erklären. Wenn zwischen den verfeindeten Völkern eineStimmung entsteht, die von absolutem Hass geprägt ist, handelt es sich umeinen wirklichen ethnischen Krieg, der auch ideologisch aufgeladen ist.Solche Kriege führen zu einer Remilitarisierung der Bevölkerung, die derneuzeitlichen Tendenz zur Zivilgesellschaft widerspricht.Die Nationalisten könnten eventuell versuchen, ihre Vorgehensweise durcheinen ethischen Relativismus zu rechtferigen. Das ist aber sehrproblematisch, weil ein konsequenter Relativismus sich selbst widerlegtund die Vertreter eines absoluten Relativismus sich den anderen Kulturennicht einmal überlegen fühlen können. Man kann sich eine ideale lVeltdenken, in welcher atle Menschen nach gründlichem, rationalem Nachdenkenethische Normen gefunden haben, die für alle einleuchtend undverpflichtend sind. Deshalb kommen auch Vertreter der analytischenPhilosophie zum Schluss, dass man am Anspruch, man könne alle Werterational begründen, festhalten kann. William K. Frankena schreibt darüber:" lch kamme daher zum Schluß, daß der metaethische Relativismus nichtbewiesen ist: Wir brauchen bei unseren moralischen und wertenden Urteilenden Anspruch nicht aufzugeben, daß sie objektiv gültig sind, d. h. daß sieeiner kritischen Prüfung durch alle diejenigen standhalten werden, diekeinem Zwang unterliegen, klar denken können, voll informiert sind und vondem betreffenden Standpuikt aus urteilen " ( 14 )Damit lässt sich zeigen, dass wir an einer objektiven Gültigkeit derWerturteile festhalten können. Man muss allerdings für eine Debatte seinenStandpunkt, ats Ausdruck der Zwecke, die man verfolgt, klar angeben

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können. Dass dieser Standpunkt willkürlich gewählt ist, ist unbewiesen.Der aggressive Nationalismus beruft sich, wenn man von Phrasen undProgagandalügen absieht, letztlich nur auf das Recht des Stärkeren. Das istaber keine rationale Begründung.Sehr interssant ist es, wie die Nation den Platz des höchsten Gutes auf derWerteskala einnehmen konnte, wodurch transzendale und religiöseLebensorientierungen in den Hintergrund gerieten. Gewöhnlich erklärt mandas verstärkte Auftreten eines ideologischen aufgeladenen Nationalismusmit dem Verlust der Geborgenheit in den traditionellen Glaubenssystemen,der sich in der Neuzeit allmählich ereignete. Dieser Ansicht ist auch MichaelLey: " Damit ist gemeint, daß der Natianalismus eine Gegenbewegung zurModernisierung darstellt und gleichzeitig die Nationenbildungvorwegnimmt, Der Nationalismus ist eine Konsequenz gesellschaftlicherund technisch - ökanamischer Modernisierung, aber nicht eine der 4Nationenbildung. Auf die Modernisierungsprozesse, die traditionellenLebensformen und Mentalitäten aufweichen, reagieren lntellektuelle mitder Rückbesinnung auf die vermeintliche histarische Vergangenheit desVotkes. Anders ausgedrückt: Madernisierung schafft die Voraussetzung fürdie Erfindung eines Mythos der Völker. lnsofern werden Nationen erfunden,indem auf eine heroische Vergangenheit eines einstmals bestehendenReiches oder auf einen erfundenen Mythos verwiesen wird. " ( 1 5 )lnsbesondere die frühere starke Bedeutung der Religionsgemeinschaften,denen die Bewohner eines Staates automatisch angehörten, wurde imZeitalter der Säkularisierung auf die Nation übertragen. Die mentaleVerwandtschaft mit dem religiösen Fanatismus, welche auch im Schrifttumund in den Symbolen der nationalen Bewegungen zum Ausdruck kommt,erklärt einerseits die Opferbereitschaft und andererseits die Grausamkeitder Nationalisten. Schon die Denker der deutschen Romantik, denen mannicht pauschal einen militanten Nationalismus unterstellen sollte, sprachenvon einer historischen Heilsmission ihres Volkes. Zum Teil wirkt ihreVerklärung der Machtstrukturen dennoch wie ein Vorbote totalitärerSonntagspropag anda.

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ln Westeuropa schien der Nationalismus nach 1945 seine Glanzzeit hintersich zu haben. Der neue flechtsradikalismus ( Ausländerfeindlichkeit etc. ),von dem trotzdem immer wieder in den Medien zu lesen war, ist eher eineReaktion gesellschaftlicher Außenseiter. ldeologisch wirkt er immer mehrwie ein Gefasel halbgebildeter Möchtegernwelterklärer.Davon hebt sich der Erfolg neonationalistischer politischer Strategien inden Ländern des ehemaligen " Ostblocks " ab, da diese Staaten nicht aufderselben gesellschaftlichen Entwicklungsstufe stehen.Ley analysiert die Lage dieser Länder, wie folgt: " Soziologisch erinnert derNeonationalismus an die gesellschaftlichen Verhältnrsse der zwanziger unddreißiger Jahre, Da der Sozialismus eine Modernisierung weitgehendblockierte, entstand nach dem Zusammenbruch des politischen undökanomischen Systems eine Art Basarkapitalismus, der in vielen Punktenan die Situatian nach dem 1. Weltkrieg erinnert "(16) e'<Es ist trivial, aber unbedingt notwendig, diesen Unterschied zwischen Ostund West zu bedenken. Der Nationalismus scheint einigen osteuropäischenPolitikern jedoch auch als Vorwand für eine private Machtpolitik, ja sogarfür kriminelle Machenschaften gedient zu haben. Plünderungen müssen nichtideologisch beschönigt werden. Die Tagespolitik hat leider sehr vieleBeispiele sowohl für nationalistischen Wahn wie für die erwähntenMafiastrukturen geliefert.Ley zitiert die Ansichten eines Historikers über ein sehr heikles Kapitelder tschechischen Geschichte: " Es ( die Vertreibung der Sudetendeutschen) war die Erfüllung seines Wahns vom reinen tschechoslowakischenNatianalstaat, der mit dem Wahn der heutigen groß - serbischenChauvinisten durchaus vergleichbar ist und sich auch vergleicttbarer Mittelbedienen mußte. Die Massaker an der deutschen Zivilbevölkerung, die inder tschechischen Bevölkerung auch heute noch manchrnal als "bedauerliche Ausschreitungen " bagatellisiert werden, die man leidernicht hätte verhindern können, entsprachen einer kaltblütigennationalistischen Logik. " (17 )Was man auch immer über diese dunkle Epoche denken mag, man musserkennen, dass ein Glaube an ein Volk, das sein Revier gegen eine Welt vollFeinden verteidigen muss, schnell zu unethischen Grausamkeiten führt. EinePolitik, die Kriegsverbrechen nicht nach den Normen einer fairenGerichtsbarkeit ahndet, Kollektivstrafen verhängt und die Voruteileschürt, statt sie abzubauen, macht sich schuldig. Das Gesetz der Blutracheund das Recht des Stärkeren verewigen den Hass und erschweren einezukünftige friedliche Lösung der interethnischen Probleme.Wer den ethnischen Krieg rechtfertigen will, verlässt die Ebene des

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demokratischen Diskurses und der rationalen Ethik. Beide scheinen miraber eine unverzichtbare trrungenschaft des Humanismus für Menschen inallen Lebenslagen zu sein.

Referenzen:( 1 ) John Keegan, Die Kultur des Krieges, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg,1997;s.281.(?) ebenda; S. 41 8 / 419.( 3 ) Günther Barudio, Fischer Weltgeschichte: Das Zeitalter desAbsolutismus und der Aufklärung, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurtam Main , 1987; S. 27 5 / 27 6.( 4 ) John Keegan, Die Kultur des Krieges, Rowohlt, Reinbek bei Harnburg,1997; S.89.( 5 ) Niccolö Machiavelli, Il Principe ( Der Fürst ), Reclam, Ditzingen, 1993; S'1 19.(6)ebenda;S.137.(7 )ebenda; S. 1 95( I ) ebenda; S. e39.( 9 ) Herfried Münkler, Machiavelli, Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurtam Main, 1985; S. ?23.( 10 ) Jean Jaques Rousseau, Der Gesellschaftsvertrag, Verlag PhilippReclam jun., Leipzig, 1988; S. 41.(11 )ebenda;S.66.( 1? ) lmmanuel Kant, Schriften zur Anthropologie, Geschichtsphilosophie,Politik und Pädagogik 1, Suhrkäffip, Frankfurt am Main, 1981; S. 251 .

( I3)ebenda;5.?29.( 14 ) William K. Frankena, Analytische Ethik, Deutscher Taschenbuchverlag,München,1972; S. 134.( 1 5 ) Michael Ley; Das Ende des Nationalismus, WUV - Universitätsverlag,Wien, 1996; S. 12 / 13.(16)ebenda;S.25 /?6,( lt ) ebenda; S. 33 / 34.

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