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"Für einen Kabarettisten können Sie aber gut Physik" – Tübinger Visualisierungen der Astrophysik Susanne M Hoffmann 28. März 2014 Inhaltsverzeichnis 1 Tübingen – aus Sicht eines Myons 3 2 Hanns Ruders Visualisierungsgruppe 4 2.1 Historische Visualisierungen der RT ............... 5 2.2 Computer als Forschungswerkzeug ............... 9 2.3 Wie Science-Fiction-Filme besser aussehen müssten ...... 10 3 „Verstehen tun wir nix, aber wir sehen’s wenigstens.“ 15 1

"Für einen Kabarettisten können Sie aber gut Physik" - Tübinger Visualisierungen der Astrophysik

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"Für einen Kabarettisten können Sie aber gutPhysik" – Tübinger Visualisierungen der

Astrophysik

Susanne M Hoffmann

28. März 2014

Inhaltsverzeichnis

1 Tübingen – aus Sicht eines Myons 3

2 Hanns Ruders Visualisierungsgruppe 4

2.1 Historische Visualisierungen der RT . . . . . . . . . . . . . . . 5

2.2 Computer als Forschungswerkzeug . . . . . . . . . . . . . . . 9

2.3 Wie Science-Fiction-Filme besser aussehen müssten . . . . . . 10

3 „Verstehen tun wir nix, aber wir sehen’s wenigstens.“ 15

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susanne
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Abbildung 1: aktueller Stadtplan von der Tübinger Touri-Info (2014). DasTitelbild zeigt die Sicht eines Myons auf den mittelalterlichen Marktplatz.Das hochaufgelöste 3D-Modell des Marktplatzes wurde von dem Heinrich-Bülthoff-Team am MPI für Biologische Kybernetik entwickelt, die Ansichtbei relativistischen Geschwindigkeiten stammt vom Visualisierungsteam derTheoretischen Astrophysik Tübingen (TAT) unter der Leitung von HannsRuder.

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1 Tübingen – aus Sicht eines Myons

Myonen rieseln als Sekundäreffekt der kosmischen Strahlung auf die Erdeund haben dabei Geschwindigkeiten von etwa 0.994 c, also 99.4% der Licht-geschwindigkeit c. Myonen sind rund 207mal schwerer als gewöhnliche Elek-tronen, haben eine sehr kurze Halbwertszeit und zerfallen schon bei ihremFlug zur Erde – und zwar schneller als dieser Flug dauert. . . zumindest siehtes newtonsch erstmal so aus. Stellen wir uns also vor, wir stünden auf demTübinger Marktplatz und wollen Myonen sammeln, dann würden wir (nachder Gesetzen der klassischen Physik) erwarten, dass wir kein einziges aus derkosmischen Strahlung finden, denn die müssten ja alle schon auf dem Wegzu uns zerfallen sein.

Das Paradoxon, dass ein entsprechender Detektor aber doch heftig knisternwürde, ist inzwischen zu einer Standard-Aufgabe in Physiklehrbüchern avan-ciert. Die Lösung findet man natürlich mit der Speziellen Relativitätstheorie(SRT) bzw. der Lorentz-Transformation, denn für das Myon ist der Weg s

auf s = s0

√1− v2

c2verkürzt1. Weil es sich mit fast Lichtgeschwindigkeit re-

lativ zum Beobachter auf dem Marktplatz bewegt, geht seine Uhr für denBeobachter „langsamer“, so dass die Lebenszeit noch nicht um ist, wenn esauf die Erde trifft.

Soweit das Schulbuchproblem der Physik. Aber hat sich eigentlich schon maljemand überlegt, wie das Myon den Marktplatz von Tübingen sehen würde,während es auf unsere Elemenarteilchenfalle zu rast?Wie das aussehen würde, zeigt inzwischen sämtliches Marketing-Materialder Stadt: der Busnetzplan am Bahnhof genauso wie jeder Stadtplan ausder Touri-Info. Man meint fast, für Bewohner dieser urigen Stadt aus Fach-werkhäusern erscheine schon die Reise mit einem ICE/ TGV oder gar mitdem Bus als „nahe Lichtgeschwindigkeit“, so dass man die Reisenden vor-sorglich mit diesen Bildern konfrontiert. Es könnte aber auch sein, dass dieUrsache für dieses Marketing einfach ist, dass die Tübinger wahnsinnig stolzauf ihren berühmten Astrophysik-Emeritus sind, der mit seinem munteren,süddeutsch-blumigen Erzählstil die Theoretische Physik zu einer kabaretti-stischen Abend-Show machen kann: Hanns Ruder liebte es stets, nicht nur inHörsälen, sondern auch für ein breiteres öffentliches Publikum unsere wun-derbare Wissenschaft zu erklären und hat für sein Wirken inzwischen meh-rere Preise für Öffentlichkeitsarbeit bekommen. Auch mein Interview mitihm am 03.03. 2014 war ein großer Spaß und lieferte einige Annekdoten alsGeschichten von seiner Arbeit, die hier erzählt werden sollten.

Dieser Beitrag erzählt also Geschichte (Historie) in persönlichen Geschich-1Dabei ist v die Relativgeschwindigkeit von Erdboden und Myon und s0 die Ruhlänge

der Strecke.

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ten und erhebt mithin mehr journalistischen Anspruch als historischen: Erversteht sich jedenfalls nicht als Studie einer Historikerin, sondern als Zeit-zeugenbericht und Beitrag für künftige Historiker.

2 Hanns Ruders Visualisierungsgruppe

Hanns Ruder promovierte 1967 in Erlangen in Kernphysik. Dass der jungeMann überhaupt in die Astrophysik wechselte, verdankt man dem Zufall,dass bei einem Gastvortrag eines Sonnenphysikers bekannt wurde, dass mandort gerade jemanden brauchte, der „gut rechnen kann“, wie Herr Ruder sichheute ausdrückt. Da er sich einerseits schon seit seiner Kindheit für Astrono-mie interessierte und gleichzeitig andererseits einige Schwächen und Grund-satzprobleme der Kernphysik erkannte2, wechselte er daraufhin kurzerhanddie fachliche Ausrichtung.

Es sind nicht allein die Visualisierungen! Es ist vor allem auch diePerson des Lehrers: Ein loses Mundwerk und witzig-geistreichen Redestil hater wohl schon immer gehabt, so dass man ihn gerne auch auf Firmenfeiernund Fortbildungen über die neuesten Erkenntnisse der Physik berichten ließ.So hat ihm wohl schon 1980 nach seinem Vortrag im Rahmen der Abendver-anstaltung einer IBM-Weiterbildung jemand auf die Schulter geklopft undgesagt „wissen Sie, für einen Kabarettisten können Sie ziemlich gut Physik“.Diese Annekdote, die der inzwischen Grauhaarige gern erzählt, demonstriertwunderbar, dass es absolut nicht bloß die Visualisierungen sind, denen HannsRuder seinen verdienten Ruhm als Wissenschaftserklärer verdankt. Es ist sei-ne unnachahmliche, erfrischend muntere Art, die Welt zu erklären. Die Vi-sualisierungen bedienen zwar immerhin 30% unserer Hirnleistung, aber vonden restlichen ca. 70% wird bei seinen Vorträgen ebenfalls einiges positivangeregt und so lernt man die Physik auf eine ganz neue Art zu lieben.

1985 proklamierte er nach eigenen Angaben3 in einer Vorlesung den Einsatzvon Supercomputern als Forschungsinstrument. Dazu führte er folgende Zielean:

• Darstellung des Wasserstoffatoms unterhalb der Grenze der Heisen-bergschen Unschärfe und unter Anregung durch starke Magnetfeldersowie dasselbe auch für größere Atome (Deuterium, Helium)

2nach seiner karikierenden Zusammenfassung: „man rechnet mit einem Hamilton-Operator, der falsch ist und Methoden, die man nicht versteht irgendwas aus und irgend-wie fittet man’s dann an die Messwerte – dabei kann man noch nicht mal das einfachsteDreikörperproblem lösen“, so Hanns Ruder im Interview am 03.03. 2014

3Interview vom 03.03. 2014

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• Darstellung von kataklysmischen Veränderlichen und Neutronenster-nen als komplexe Systeme durch Simulation von allen relevanten phy-sikalischen Effekten (Navier-Stokes-Gleichung der Viskosität über Gra-vitation bis hin zu relativistischen Effekten etc.)

• Simulation der Welt bei Bewegungen mit 99% der Lichtgeschwindigkeitunter gleichzeitiger Berücksichtigung von allen relativistischen Effek-ten und nicht nur isolierte Phänomene, die man von Hand berechnenkann

• Veranschaulichung von Ingenieur-Visionen, wie sie bisher nur ScienceFic-tion sind, allen voran die StarTrek-Technologien wie Warp-Antrieb,Flüge durch Wurmlöcher und so weiter

Ruders Argument für diese Art der Forschung war und ist, dass man dies nurmühsam analytisch berechnen kann, aber die numerische Zusammenschauder zahlreichen verschiedenen Effekte ein paar lehrreiche Bilder ausgibt. ImBild sieht man dann die Lösung auf den ersten Blick, die auch bei den auf-wändigsten analytischen Rechnungen wahrscheinlich nicht rauskäme. Das seialso ein echtes Forschungstool – nicht „nur “ aus didaktischen Gründen wün-schenswert, erklärt der Emeritus für Theoretische Physik.

„Angefangen haben wir das dann 1987 und ab 1992/93 kam dann der Son-derforschungsbereich,“ fasst er die Geschichte zusammen. Das wurde dannziemlich schnell ein Selbstläufer: Freunde von ihm im Kuratorium des Deut-schen Museums in München hatten ihn um solches Lehrmaterial gebeten. Inden Einsteinjahren 1995 und 2005 wurden die Filmchen von verschiedenenFernsehsendern ausgestrahlt und die Ruder-Gruppe selbst gestaltete Aus-stellungen für Museen von Bern (Schweiz) über Einsteins Geburtstadt Ulmbis Taiwan, Beiträge zum Ausstellungsschiff MS Einstein, das auf deutschenGewässern kreuzte sowie für Schulen und Planetarien.

2.1 Historische Visualisierungen der RT

Eigentlich besteht die Überraschung gar nicht in der Visualisierung der Re-lativitätstheorie, sondern darin, dass unter Berücksichtigung klassischer undrelativistischer Effekte die Welt gebogen und verdreht aussieht4 und gar nichtgestaucht. Diese Überraschung gründet sich aber gar nicht bloß an der viel-verklärten und selten verstanden Relativitätstheorie, sondern vor allem dar-auf, dass in der klassischen Physik einfach niemand die „richtigen“ Fragengestellt hat. Was die schnellen Computer der Ruder-Gruppe hier simulieren,ist im Grunde das Zusammenspiel von zwei physikalischen Effekten:

4und verschiedene geometrische Effekte auftreten, je nachdem, in welche Richtung manguckt

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Abbildung 2: Supercomputer als Supermikroskop: In diesem Artikel sindvor den astronomischen Chancen der Simulationsrechnungen vor allem diegrandiosen Ergebnisse mit Blick auf die Atomphysik dargestellt. Die hierabgebildeten symmetrischen Muster zeigen z.B. Anregungszustände des H-Atoms bei Magnetfeldern von 6 Tesla (it 1991), [Ertl et al., 1991]

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Abbildung 3: Geschichte der Visualisierungsversuche der Relativitätstheorie(Phys.Journal: [Kraus & Ruder, 2002]). Witzig ist dabei vor allem in derZeichnung von Gamov, dass die Fahrradkette absurderweise das Vorderradantreibt. . . aber das ist nicht der einzige Fehler im Bild.

1. der Längenkontraktion, beschrieben von Hendrik Antoon Lorentz (1892–1904) und Albert Einstein (1905)

2. der Endlichkeit der Lichtgeschwindigkeit, nachgewiesen von Ole Rømer(1676).

Die Lorentz-Transformation vom ausgehenden 19. Jh. besagt, dass für schnell-bewegte Objekte die Längenkontraktion nicht mehr vernachlässigbar ist. Fürunser schnelles Myon, das auf den Tübinger Marktplatz fällt, ist die Streckekürzer als für den ruhenden Beobachter und seine Lebenszeit wird vom ru-henden Beobachter als gedehnt gemessen.

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Dass Strecken verkürzt gemessen werden, wenn die Relativgeschwindigkei-ten von Messgerät und vermessener Strecke nahe der Lichtgeschwindigkeitliegt,5 ist also eine Erkenntnis von Woldemar Voigt und Hendrik A. Lorentzund wurde bereits im beginnenden 20. Jahrhundert illustriert. Berühmt undvon der Ruder-Gruppe immer gern zitiert wird das Büchlein von Gamov(vgl. Abb. 3), bei dem sich ein Radfahrer durch eine Stadt bewegt, in derdie Lichtgeschwindigkeit nur ca. 30 km/h beträgt: Für den Radfahrer sinddie Häuser lorentzkontrahiert und für den Wachtmeister am Wegrand istder Radfahrer lorentzkontrahiert. Das ist zwar rechnerisch korrekt, aber dieFrage nach Beobachtbarkeit und Messbarkeit hängt damit zusammen, waseigentlich gleichzeitig ist – und diese Frage hat erst Einstein in seinem Artikel„Über die Elektrodynamik bewegter Körper“ gestellt [Einstein, 1905].

Messprozesse. . . sind Vergleiche mit einem Maßstab, z.B. wenn ein (ru-hender) Tuchhändler seine (ruhende) Elle an den (ruhenden) Stoffballen legtund zählt, wie oft die Elle in die Tuchlänge passt: Das Tuch ist dann ebensoundso viele Ellen lang. Moderner könnte man sich einfachstenfalls eine ArtLineal vorstellen, das man an eine Straßen-Kante anlegt und dann sieht, wieviele Meter sie lang ist.Wenn der Radfahrer mit 0.9 c zwei Endpunkte des Straßenstücks an seinemSuper-Lineal misst , dann sind deren Lichtstrahlen zu verschiedenen Zeitenvon der Straße gestartet, denn sonst würden sie den schnellen Radler undsein mitbewegtes Lineal nicht gleichzeitig (in seinem System) erreichen. Voneinem entfernteren Stück Straße musste der Lichtstrahl einen weiteren Wegzurücklegen und mithin früher starten als von einem näheren Stück Straße.

Abbildung 4: Beim Rad-ler gleichzeitig ankom-mende Strahlen sind zuverschiedenen Zeitpunk-ten gestartet.

Diese zwei ungleichen Lichtwege spannen ein Drei-eck mit der Straßenkante vor dem Radfahrer aufund zeigen, dass der blitzschnelle Radler das Stra-ßenstück tatsächlich verlängert sehen würde, weiler das vordere Kantenende zu einem früheren Zeit-punkt sieht.

Scheinbare Verlängerung durch Lichtlaufzeit.

Was nun bereits theoretische Rechnungen von Ro-ger Penrose 1959 gezeigt hat, ist, dass kurioser-weise die Verlängerung durch die Lichtlaufzeitdif-ferenz und die Verkürzung durch den Wechsel desKoordinatensystems (Lorentz-Trafo) den gleichenBetrag haben. Das heißt, sie heben sich gerade auf

5Da die Gesetze der Physik universell sind, gibt es natürlich auch bei langsamen Ge-schwindigkeiten eine Lorentzkontraktion. Diese ist aber so winzig, dass man sie für alleprakischen Zwecke vernachlässigen kann und klassisch rechnen kann. Berücksichtigen mussman sie normalerweise erst bei Geschwindigkeiten von mehr als 2/3 c.

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und der Radler sieht das, was auf ihn zu kommtweder verkürzt noch verlängert.6

2.2 Computer als Forschungswerkzeug

Diese zwei Effekte konnte man noch durch Kopfrechnen verwalten und ge-meinsam betrachten. Nur dauerte es bis 1959, bis einmal jemand auf dieIdee kam, diese Betrachtung durchzuführen. Das Verdienst von Herrn Pen-rose generierte jedoch auch neue Fragen. Seine Erkenntnisse sind nun ein-mal nicht wirklich der realen Welt entlehnt sind, sondern wirken eher wiemathematische Taschenspielchen. Folgerichtig stellte sich als nächstes dieFrage nach dem Zusammenspiel zahlreicher Effekte in realen physikalischenAnwendungen. Hier kommen die Ruderschen Proklamationen ins Spiel: Ersah bereits in den 1980er Jahren die Anwendung von schnellen Computernals Forschungsinstrument zur Entdeckung von physikalischen Realitäten, diesich der Wahrnehmung durch die menschlichen Sinne entziehen – also derComputer als ähnlich bahnbrechendes Werkzeug wie Teleskop und Mikro-skop etwa drei Jahrhunderte früher.

Der Computer dringt dabei in Welten vor, die nie ein Mensch zuvor gesehenhat. Entweder, weil sie kleiner sind als die Wellenlänge des Lichts (Weltder Atome) oder weil sie aufgrund ihrer kosmischen Entfernungen und derBeugungsbegrenztheit jeglicher Optik unterhalb der Auflösungsgrenze liegen(Welt der fernen Sterne).

Die Abbildungen 5, 6 und 7 aus Artikeln des Ruderschen Visualisierungs-teams der Einsteinjahre 2004 (125ster Geburtstag) und 2005 (100 Jahre SRT,90 Jahre ART, 50. Todestag ihres Schöpfers) zeigen einige der populärstenSpielereien vom Tübinger Marktplatz: Inzwischen sind wir allerdings schonbei allgemein-relativistischer Physik. Es geht nicht mehr nur darum, dass sichirgendwelche Dinge mit wahnsinniger Geschwindigkeit bewegen, sondern umEinsteins neue Gravitationstheorie und einige ihrer Konsequenzen.

Diese Effekte haben ebenfalls sehr reale Anwendung in der Astronomie; wirfinden sie direkt am Himmel beobachtbar bzw. nachweisbar. Die Kernaus-sage der ART ist, dass die Gravitation nicht nur eine Wechselwirkung vonklassischen Massen untereinander ist, sondern dass sie in erster Linie eineWechselwirkung von Massen und der Raumzeit ist. Massen krümmen denRaum und der gekrümmte Raum diktiert nicht nur anderen Massen, son-

6Hier muss beachtet werden, dass die Welt jeweils anders erscheint, je nachdem, ob derRadler in Fahrtrichtung nach vorne, nach hinten oder zur Seite schaut: Nach hinten und zurSeite kann sie auch verkürzt (aber stärker als lorentzkontrahiert) und zur Seite hin verdrehtaussehen. Für ausführliche Behandlung dieser Thematik siehe z.B. [Nollert & Ruder, 2005]oder Lehrmaterialien auf der Seite http://tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de vonProf. Dr. Ute Kraus und Dr. Corvin Zahn.

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dern auch dem Licht, wie es sich bewegen soll. Gravitation wirkt also nichtnur auf Massen, sondern auch auf Licht. Wenn man so will, kann man auchreformulieren: Licht wird von Massen „angezogen“ oder (schwächer gesagt)abgelenkt.

Gravitationslinsen. Dadurch sehen die Astronomen am Himmel man-cherorts Objekte, die eigentlich von anderen Objekten mit großer Masse ver-deckt werden. Sie werden dennoch am Himmel abgebildet, weil etwas vomLicht des hinteren Objektes um das vordere herum zu uns gelenkt wird. Dasso „gelinste“ Objekt wird dadurch als Zerrbild an unseren Himmel gemalt –natürlich auf derart kleinen Winkeln, dass man den Effekt erst ab 1979 mitSuperteleskopen und bei riesigen Objekten (Galaxien) erstmalig beobachtenkonnte.7 Inzwischen ist dieser Gravitationslinsen-Effekt aber ein regelrech-tes Standardtool der beobachtenden Astronomie geworden: egal, ob es umkosmologische Fragen geht oder um die Suche nach Exoplaneten. Vorher-gesagt wurde der Lichtablenkungseffekt des Lichts an Massen bereits klas-sisch, berechnet von Soldner 1801 und von Einstein 1911. Ab 1916 konnteeine allgemein-relativistische Korrektur berücksichtigt werden, wodurch klarwurde, dass der Effekt der Lichtablenkung sich als doppelt so groß entpupptewie bisher gedacht. Seine astronomischen Anwendungen aufgezeigt wurdendennoch erst in den 1930ern durch Fritz Zwicky und Henry N. Russell: Heutekann man solche so genannten Gravitationslinsen als „natürliche“ Teleskopefürs ferne All nutzen.

2.3 Wie Science-Fiction-Filme besser aussehen müssten

Populär veranschaulichen kann das Tübinger Visualisierungsteam den Gravi-tationslinseneffekt mit dem künstlichen Schwarzen Loch8 vor einem AllSky-Milchstraßen-Foto eines fleißigen Amateurastronomen9. In der Montage wirddeutlich, was passieren würde, wenn an unserem Himmel ein Schwarzes Lochauftauchen würde und wie der Himmel für eine Expedition aussähe, die sichauf dieses Schwarze Loch zu bewegen würde: die Schwärze des Lochs wür-de mehr und mehr des Himmels dieser Expedition füllen und der gewohnte

7Entdeckung des Zwillingsquasars QSO 0957+561 am Kitt Peak Observatorium durchein anglo-amerikanischen Team um die Briten Dennis Walsh, Robert Carswell und denAmerikaner Ray Weymann.

8Nachgewiesen wurde die Lichtablenkung bereits 1919 am Sonnenrand durch Beob-achtungen von A. Eddington; man braucht also keine Schwarzen Löcher dafür. Allerdingsist bei diesen der Effekt besonders groß und mithin leicht einsichtig. Daher eignen siesich vortrefflich für didaktische Zwecke. Als Schwarzes Loch wurde hier vereinfachend dieSchwarzschildmetrik verwendet, siehe: [Schwarzschild, 1916]

9Das hier verwendete Milchstraßenpanorama wurde zwischen 1998 und 2000 von demPhysiker und Amateurastronomen A. Mellinger aus 52 Einzelaufnahmen zusammenge-stellt.

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Anblick der Milchstraße würde um es herum verzerrt und verbogen werden.

Abb. 6 zeigt die Welt aus Sicht einer wiederum anderen Expedition: UnsereBeobachter auf dem Tübinger Marktplatz finden nun nämlich ein Wurmlochdort, wo bisher der Brunnen war. Wurmlöcher sind Verbindungen, die sichmöglicherweise in unserem gekrümmten Universum hin und wieder bildenkönnten und – zumindest nach der Theorie von Einstein und Nathan Rosen(1935) – auch schnell wieder kollabieren müssten, wie Wheeler und Fuller1962 zeigten. Bisher wurde noch keine solche Abkürzung beobachtet, aberwenn es sie gibt, dann könnten sie zwei beliebig weit entfernte Punkte desUniversums verbinden. Könnte man also durch sie hindurch reisen, dannwürde man innerhalb eines Wimpernschlags am anderen Ende rauskommenund dadurch scheinbar unüberwindbare Entfernungen zurücklegen können.

Das Problem mit diesen Einstein-Rosen-Brücken ist, dass – falls sie über-haupt existieren – erstens bestenfalls Elementarteilchen hindurchpassen wür-den, dass sie zweitens nicht stabil sein dürften und dass man drittens nieweiß, wo man ankommt. Sollte also etwas hindurch kommen, dann kommt eswahrscheinlich nicht wieder zurück, weil das Wurmloch dann schon wiederkollabiert sein dürfte. Darum haben sich bereits Physiker darüber Gedankengemacht, wie die Physik aussehen müsste, damit es eine solche Raumzeit-Brücke geben könnte. Eine Lösung fanden Michael Morris und Kip Thorne,indem sie eine (bisher nicht beobachtete) Art von „exotischer Materie“ postu-lierten: mit negativen Energiedichten und Antigravitation ausgestattet, wür-de diese „exotische Materie“ dafür sorgen, dass das Wurmloch nicht sofort kol-labiert (Morris-Thorne-Wurmloch, vgl. [Morris, Thorne & Yurtsever, 1988]),aber es könnte durch den Einfluss von gewöhnlicher Materie kaputt gehen.

Das Visualisierungsteam vernachlässigt hier einmal diese realistischen „Klei-nigkeiten“ der Natur und tut so, als gäbe es zumindest die Morris-Thorne-Wurmlöcher tatsächlich. Eines solcher stabilen Wurmlöcher – wie sie inStarTrek Deep Space 9 und anderer Sci-Fi gern für Ausflüge nach Utopica10

genutzt werden – befinde sich gerade jetzt auf dem Tübinger Marktplatz:Wie würde das aussehen?

In diesem Fall wurde als anderes Ende der Mars gewählt. Wir schauen hin-durch und sehen zunächst einmal nur eine orangefarbene Wüste. Das Durch-queren des Wurmlochs entpuppt sich dann ebenfalls nicht so, wie es uns Hol-lywood mit seiner Special-Effect-Industrie weismachen wollte: Man bewegtsich keineswegs durch einen Tunnel mit spacig leuchtenden Wänden. Manhat nicht einmal den Eindruck, dass man überhaupt durch irgendwas hin-durch geht. Man würde es eher wie einen Türrahmen ohne Tür erleben: Man

10Das griechische Wort o 'u t 'opoc ist eine Negation von „Ort“, also ein „Un-ort“, d.h. einOrt, den es nicht wirklich gibt. Hier doppeldeutig gemeint, einerseits als Ort, den man sichvorstellen kann, aber nicht wirklich besuchen und andererseits (daher) als Ort, an demeine Geschichte des Literatur-Genres Utopie spielt.

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Abbildung 5: Zerrbilder durch Lichtablenkung am Schwarzen Loch (Spek-trum 2005), [Nollert & Ruder, 2005]

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kann hindurchschauen, sieht die andere Seite, macht einen Schritt nach vornund ist dann instantan an dem anderen Ort. . . nur, dass die andere Seite, dieman vom Marktplatz aus sieht (oder eben umgekehrt der Tübinger Markt-platz von der anderen Seite aus gesehen), stark verzerrt ist, weil sich auchdas Licht durch diese sonderbare Raumzeit-Struktur zwängen muss.

Wenn wir nun schon bei diesen skurrilen Effekten der Sci-Fi sind, können wirauch noch anschauen, wie für uns von der Erde aus die Planeten aussehenwürden, wenn es tatsächlich ein Raumschiff mit Warp-Antrieb in unseremSonnensystem gäbe und es zwischen uns und dem Planeten vorüber flie-gen würde. Der Warp-Antrieb, den die Raumschiffe der zweiten Generationseit den 1980er Jahren in Gene Roddenberrys StarTrek benutzen, um mit(scheinbarer) Überlichtgeschwindigkeit durchs All zu düsen, beruht auf sehrkonkreten Ideen der theoretischen Physik. Realisierbar ist das nicht so leicht,aber eine pfiffige Idee, wie man die Gesetze der Physik austrixen könnte.11

Man schlug damals vor, dass das Raumschiff sich in einer Raumzeitblasebefindet12 und sich dort in Ruhe befindet, aber die außen liegende Raumzeitsich um diese Blase herum aufrollt, so dass das Schiff in der Projektion gigan-tische Entfernungen in kurzer Zeit zurücklegen und für den Außenstehendenscheinbar Überlichtgeschwindigkeit erreichen kann.

Um diese Raumzeitblase würde das Licht natürlich nach ART ebenso ab-gelenkt wie um Massenkrümmungsgebiete und alles, was also hinter einerWarp-Blase liegt, würde verzerrt werden. Das hat einer der ehemaligen Dok-toranden Ruders visualisiert, als er bereits Professor in Vancouver, Canadawar. Auch Abb. 7 von Ruder und Weiskopf aus dem Heft 23 der Schriften-reihe der Ernst-Abbe-Stiftung zeigt diesen Effekt – und zwar an Beispie-len der Planeten unseres Sonnensystems. Nun würde zwar kein vernünftigerSternenflotten-Captain im StarTrek-Universum mit Warp-Geschwindigkeit

11Eine (ruhende) irdische Astronomin misst bspw. die Entfernung zu anderen Sternenvon mehreren Lichtjahren, d.h. das Licht – der schnellste Bote der Welt – braucht mehrereJahre für diese Distanz. Dann steigt sie in ein Raumschiff und reist mit fast Lichtgeschwin-digkeit dort hin. Aufgrund der Gesetze der SRT läuft allerdings für sie die Zeit langsamerals für den irdischen Beobachter und wenn sie ankommt, sind für sie weniger Jahre vergan-gen (Zwillingsparadoxon). Sie kann also die hunderte von Lichtjahren Entfernung durchausinnerhalb ihrer Lebenszeit zurücklegen; diese Überlegungen überhaupt anzustellen, ist al-so absolut korrekt. Nun könnte man naiv denken, dass sie mit Überlichtgeschwindigkeitreisen würde, weil das Licht viele Jahre braucht und sie nicht. Der „Trick“ ist hier, dassman in der Formel v = s/t eben nicht für s die ruhend gemessene Distanz durch diebewegt gemessene Zeit teilen darf. Vielmehr muss der rechnende Physiker sich eben füreins der beiden Koordinatensysteme entscheiden, also entweder die Zeit ins ruhende oderdie Strecke ins bewegte System lorentztransformieren. Aus Sicht eines Photons würde dieDistanz nämlich keine Lichtjahre betragen wie für die Astronomin, sondern ein Photon istsozusagen instantan da, denn die lorentztransformierte Strecke ergiebt sich für das Photon

mit der Vakuumgeschwindigkeit v = c zu s = s0

√1− v2

c2= 0, womit auch seine Reisezeit

t = sv= 0 ist.

12daher der Name: Warp-Antrieb

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Abbildung 6: ein Wurmloch ist wie eine Türschwelle – nicht etwa ein„Tunnel“ wie in der SciFi – in eine andere Welt (Spektrum 2005),[Nollert & Ruder, 2005]

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durchs Sonnensystem fliegen, denn die Kollisionsgefahr ist dort viel zu groß.Allerdings sieht man nun einmal bei den schönen Strukturen der Planetenrecht gut, wie das aussehen würde.

3 „Verstehen tun wir nix, aber wir sehen’s wenig-stens.“

Inzwischen haben Herr Ruder und sein Team mehrere Preise für Öffent-lichkeitsarbeit und Popularisierung der Physik gewonnen,13 was eine großeAnerkennung ist – doch anfangs waren seine Ideen gar nicht so populär, alses darum ging, dafür Forschungsgelder auszugeben. Der Physiker ist ja ei-gentlich fertig, wenn er weiß, dass er mit dem richtigen Koordinatensystemrechnet und seine Transformationsgleichungen entweder mitbewegt oder ru-hend korrekt angewendet hat; „sehen“ muss er eigentlich nicht in der relati-vistischen Welt, sondern nur richtig rechnen.

Ruders Antwort auf die rechnenden Skeptiker war wohl „wissen Sie, das ismia wurscht, wie Sie das finden – ich mach’s ja ßowieso“, denn er wollte dieVisualisierungen nunmal einfach haben, um seine unterhaltsamen Vorträgebesser zu untermalen. Dass ein Bild oder Film dem Laien mehr sagt als einWald von Gleichungen, ist eine Binsenweisheit der Didaktik – mindestensseit Comenius, wenn nicht sogar seit Cicero.

Man lernt aber auch für die Forschung etwas daraus, weil die Computergra-fik Dinge zeigt, die optische Messgeräte aus physikalischen Gründen nichtabbilden. Nicht selten findet man durch solche Forschungen auch Dinge, mitdenen man vorher gar nicht gerechnet hat – Entdeckungen sind nicht immervorhersagbar. Wie oft gehen wir deshalb in der Forschung Fragen nach, dienicht wirklich alltagsrelevant sind, sondern allein deshalb, weil wir es einfachwissen wollen – gerade in der Astrophysik. Darum, sagt Herr Ruder, habedie entsprechende DFG-Kommission nachsichtig beschlossen, ihm das bean-tragte Geld für das entsprechende Teilprojekt in dem SFB „Verfahren undAlgorithmen zur Simulation physikalischer Prozesse auf Höchstleistungsrech-nern“ zu bewilligen. So stellt er es zumindest heute dar.

Offensichtlich ist, dass es ihm eine helle Freude ist, seinen Spaß bei der Arbeitanderen kundzutun. Selbstironisch resümiert er darum auch sehr wahr dieBotschaft seiner Abendvorträge stets mit dem legendären Satz „verstehen tunwir damit nix, aber wir sehen’s wenigstens“ und damit haben wir Einsteindurchaus schon einiges voraus.

13z.B. Robert-Wichert-Pohl-Preis der Physik 2002, Medaille für Naturwissenschaftli-che Publizistik der Deutschen Physikalischen Gesellschaft 2006, Loren-Oken-Medaille derGesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte (GDNÄ – Die Wissensgesellschaft) 2012

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Abbildung 7: Während „Einsteins Holodeck“ [Ruder et al.] noch Zukunfts-musik ist, existiert „Ruders Holodeck“ schon längst: So würde man die Pla-neten sehen, wenn die U.S.S. Enterprise mit Warp-Antrieb durchs Sonnen-system düsen würde (Ernst-Abbe-Stiftung 2004), [Ruder & Weiskopf, 2004]16

Wenn man es sich recht überlegt, ist aber nicht einmal das wahr: In denobigen Darstellungen, in denen man ja wirklich „wenigstens was sieht“, fehltnämlich noch ein Effekt, der nicht berücksichtigt wurde: Die Verschiebungder Wellenlänge als relativistischer Doppler-Effekt.14 Fliegen wir auf ein Ob-jekt zu, wird das von ihm ausgehenden Licht blau verschoben; wenn wir unsentfernen, wird es rotverschoben. Bei großen Geschwindigkeiten können un-sere Augen dann bald gar nichts mehr sehen, weil die Farben (Wellenlängen)von gewöhnlichen Häusern des Tübinger Marktplatzes dann im UV oder IRliegen würden.15

Durch die Erweiterung des Bildfeldes (da alles so verbogen aussieht) würdeaußerdem viel mehr Licht in unser Auge gelangen als bei klassischen Ge-schwindigkeiten und selbst wenn es die Farbverschiebung nicht gäbe, wür-den wir bald keine Farben mehr erkennen, weil alles einfach nur wahnsinnighell (sozusagen „weiß“, also überbelichtet) aussähe. Wir würden also vom IRgewärmt und vom UV mit etwas Glück gebräunt oder schlimmerenfalls vonRöntgenstrahlung durchleuchtet werden – aber sehen (erkennen) würden wirbei 90% c fast nichts (vgl. Abb. 8).

14dazu auch siehe: [Hoffmann & Keller, 2011]15Selbstredend würde die (bestimmt starke) Abstrahlung der Tübinger Fachwerkhäuser

im IR ins Sichtbare verschoben werden, solange man sich darauf zu bewegt. Man würdealso immer noch etwas sehen – aber halt nichts mehr so, wie man’s gewohnt ist, d.h.einfach andere Teile der Welt: in gewisser Weise die Temperaturen der Häuser und nichtihre Wände.

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Abbildung 8: Farben- (links) und Helligkeiten-Änderung (rechts): letztlichwürden wir immer weniger sehen, je schneller wir unterwegs wären (Spek-trum 2005), [Nollert & Ruder, 2005]

Literatur

[Einstein, 1905] Einstein, Albert: Über die Elektrodynamik bewegter Kör-per, Annalen der Physik 17, 1905, in: Stephen Hawking: Klassiker derPhysik, Hoffmann und Campe, Hamburg 2004, 966–991

[Einstein, 1911] Einstein, Albert: Über den Einfluss der Schwerkraft aufdie Ausbreitung des Lichts, Annalen der Physik 35, 1911, in: StephenHawking: Klassiker der Physik, Hoffmann und Campe, Hamburg 2004,991–999

[Einstein, 1915] Einstein, Albert: Erklärung der Perihelbewegung des Mer-kur aus der allgemeinen Relativitätstheorie, Sitzungsberichte der Köngl.Preuß. Akademie der Wissenschaften, 1911, 831–839

[Einstein, 1916] Einstein, Albert: Die Grundlage der Allgemeinen Relativi-tätstheorie, Annalen der Physik 49, 1916, in: Stephen Hawking: Klassikerder Physik, Hoffmann und Campe, Hamburg 2004, 999–1044

18

[Einstein, 1917] Einstein, Albert: Kosmologische Betrachtungen zur Allge-meinen Relativitätstheorie, Sitzungsberichte der Preußischen Akademieder Wissenschaften, 1917, 142–152 in: Stephen Hawking: Klassiker derPhysik, Hoffmann und Campe, Hamburg 2004, 1045–1060

[Ertl et al., 1991] Ertl, T., Ruder, H., Geyer, F.,Herold, H., Kraus, U., Mün-zel, S., Nollert, H.-P., Rebetzky, A., Schweizer, W., Zahn, C.: FremdeWelten auf dem Graphikschirm – Die Bedeutung der Visualisierung fürdie Astrophysik, Informationstechnik it 33 (1991) 2, R. Oldenburg Verlag,S. 91–99

[Fuller & Wheeler, 1962] Fuller, Robert A., Wheeler, John A.: Causality andMultiply-Connected Space-Time, Physical Review, Band 128, 1962, S.919

[Hoffmann & Keller, 2011] Hoffmann, S., Keller, Ch.: Real-time simulationof aberration and Doppler effect of light, in: Wolfschmidt, Gudrun (ed.):Colours in Culture and Science, tredition, Hamburg 2011, S. 345-355

[Kraus & Ruder, 2002] Kraus, U., Ruder, H., Weiskopf, D., Zahn, C.: WasEinstein noch nicht sehen konnte – Schnelle Computer visualisieren rela-tivistische Effekte, Physik Journal, Wiley-VCH Verlag GmbH, 1/ 2002,Nr 7/8, S. 1–5

[Kraus, 2005] Kraus, Ute: Reiseziel Schwarzes Loch – Visualisierungen zurAllgemeinen Relativitätstheorie, Sterne und Weltraum, Heidelberg, 2005,siehe auch: http://www.tempolimit-lichtgeschwindigkeit.de

[Morris, Thorne & Yurtsever, 1988] Morris, Michael, Thorne, Kip, Yurtse-ver, Ulvi: Wormholes, time machines and the weak energy condition,Phys. Rev. Lett., 61, 1988, 1446-1449

[Nollert & Ruder, 2005] Nollert, H.-P. und Ruder, H.: Was Einstein gernegesehen hätte, Spektrum der Wissenschaft Spezial, Verlag Spektrum derWissenschaft, 3/2005

[Penrose] Penrose, R.: The apparent shape of a relativistically moving sphe-re, Proc. Cambr. Phil. Soc. 55, Cambridge, 1959, p. 137–139

[Ruder et al.] Ruder, H., Nollert, H.-P. und das Visualisierungsteam derTAT: „Einsteins Holodeck“ – Relativistische Visualisierungen und nochviel mehr, Tübinger Blätter – Das Magazin des Bürger- und Verkehrs-vereins 2005/06, S. 91–93

[Ruder & Weiskopf, 2004] Ruder, H., Weiskopf, D.: Simulation und Visua-lisierung relativistischer Effekte oder eine wundersame Reise des ErnstAbbe mit der U.S.S. Enterprise, Schriftenreihe der Ernst-Abbe-StiftungJena, 23, 2004

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[Schwarzschild, 1916] Schwarzschild, Karl: Sitzungsber. d. Preuß. Akad.Wiss. 1916, S.189

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1 Weiterleben der Forschung

Hanns Ruder ist im September 2006 pensioniert worden, aber durch Arbeits-gruppen seiner ehemaligen Doktoranden lebt die Idee seiner Forschungenweiter. Im Stuttgarter Exzellenzcluster VIS forschen Informatik-Gruppen aufsehr technischer Basis und erschließen neue Möglichkeiten für die Forschungan und mit Supercomputern und der Nutzung von Visualisierungen. An derUniversität Hildesheim arbeitet das Institut für Physik und Physikdidaktikseit 2009 an der Erforschung und Entwicklung neuer Visualisierungen derRelativitätstheorie für den Einsatz im Schulunterricht.

Für ein bißchen Lokalkolorit wurde alternativ zum Tübinger Marktplatz dortnun der Hildesheimer Marktplatz modelliert. In einem mehrmonatigen Pro-jekt mit fünf Lehramt-Studierenden mit unserer Betreuung wurden die hi-storischen Gebäude des Hildesheimer Zentrums fotografiert und mithilfe derSoftware blender dreidimensional modelliert.

Die Echtzeit-Raytracing-Software „World of Relativity“ von Christoph Kellerermöglicht es, diesen 3d-modellierten Hildesheimer Marktplatz in Echtzeitzu durchfliegen. Im Schülerlabor können sich mehrere Gruppen gleichzeitigan joystick-gesteuerten Computern die speziell-relativistischen Effekte vorAugen führen und studieren. Eine freie Version der Software ermöglicht esschon lange, dass eine komplette Schulklasse gleichzeitig und in Echtzeit dierelativistischen Effekte betrachtet. Im Hildesheimer Schülerlabor wird dieSoftware nun auf den Hildesheimer Marktplatz so angewandt, wie in denAbbildungen 1 und 2 gezeigt.

Abbildung 1: Wir sehen einen hölzernen Vorsprung als Detail des Hildes-heimer Wahrzeichens „Knochenhaueramtshaus“. Links sieht man das Hausim Ruhezustand: Die Säulenfront ragt gerade nach oben. Rechts unterfliegenwir die Ballustrade mit 292.856 km/s (ca. 98% c) in World of Relativity.Dann sorgt die Aberration des Lichts dafür, dass die eigentlich geraden Säu-len und Wände verbogen erscheinen.

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susanne
Textfeld
ab hier Co-Autor Christoph Keller, vom dem auch die Bilder stammen

Abbildung 2: Dies wäre die Ansicht, die die Schüler hätten, wenn sie in ih-rem fast lichtschnellen Raumschiff in World of Relativity von der Mittedes Marktplatzes senkrecht nach oben starten würden. Ohne die Beschleu-nigungsphase einer normalen Rakete zu berücksichtigen, habe unser Raum-schiff bereits auf Höhe des zweiten Stocks der Häuser eine Geschwindigkeitvon 289131 km/s (97% c). Durch die Aberration des Lichts erweitert sichder Blickwinkel dergestalt, dass der Pflasterboden des Marktes, der eigentlichhinter uns liegt, vorn im Bildfeld erscheint.

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