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BUFM 47,Balzer, Siedlungsdynamik im Umfeld des Hohenasperg, 157 - 163 157 Sonderdruck aus: Die unteren Zehntausend ÿ auf der Suche nach den Unterschichten der Eisenzeit Ines Balzer Das Projekt ÿErforschung der Siedlungsdynamik im Umfeld des frühkeltischen Fürstensitzes Hohenasperg, Kr. Ludwigsburg, auf archäologischen und naturwissenschaftlichen Grundlagenþ Schlagwörter Hallstattzeit / Frühlatènezeit / Württemberg / Hohen- asperg / þFürstensitzý / Siedlungsarchäologie Zusammenfassung Das hier vorgestellte Projekt mit dem Kurztitel þFrühkeltische Siedlungsdynamik Hohenaspergý beschäf- tigt sich innerhalb des neuen Schwerpunktprogramms der Deutschen Forschungsgemeinschaft þFrühe Zentralisie- rungs- und Urbanisierungsprozesseý mit der Siedlungs- archäologie im Umland des Hohenaspergs. Da der Hohenasperg besonders aufgrund der Prunkgräber bekannt ist, stand die hohe Siedlungsdichte im Umfeld des Hohenaspergs bisher wenig im Blickfeld der Forschung. Diese soll deshalb in den Mittelpunkt gerückt und sowohl mit antiquarischen als auch modernen siedlungsgeo- graphischen Methoden in Bezug auf die Gesamt- fragestellung einer Zentralisierung analysiert werden. Einleitung Standen in den letzten Jahren und Jahrzehnten be- sonders ÿElitenþ, also die in Gräbern exzeptionell ausgestatteten Persönlichkeiten, im Vordergrund der Eisenzeitforschung, beschreitet ein seit April 2004 laufendes Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft andere Wege. Das Gesamt- projekt ÿFrühe Zentralisierungs- und Urbanisie- rungsprozesse ý Zur Genese und Entwicklung ûfrüh- keltischer Fürstensitzeú und ihres territorialen Um- landesþ (DFG-SPP 1171) 1 besteht in der momentan laufenden zweiten Phase (April 2006 ý März 2008) aus 18 Einzelprojekten unterschiedlichster For- schungsrichtungen (Archäologie, Archäobotanik, - Archäozoologie), Methoden, Laufzeiten, und perso- neller Besetzung. 2 Abgesehen von Grabungs- und 1 Dazu beispielsweise Krausse 2004. 2 Mehr unter: www.fuerstensitze.de. Zu allen Projekten des Schwerpunktprogramms 1171 wird momentan ein ausführlicher Berichtband in der Reihe ÿForschungen und Gesamtauswertungsprojekten gibt es hier auch Ar- beiten, die sich mit bereits vorliegenden, aber noch nicht ausgewerteten und unpublizierten Siedlungs- grabungen beschäftigen. Neben dem an der Rö- misch-Germanischen Kommission in Frankfurt ange- siedelten Projekt zu den Altgrabungen auf dem Glauberg ist dies das am Landesamt für Denkmal- pflege in Esslingen entwickelte Projekt ÿErforschung der Siedlungsdynamik im Umfeld des frühkeltischen Fürstensitzes Hohenasperg, Kr. Ludwigsburg, auf archäologischen und naturwissenschaftlichen Grundlagenþ. 3 Das Projekt wird von Jörg Biel geleitet und startete 2004 mit einer wissenschaftlichen Mitar- beiterin. Es ist auf sechs Jahre angelegt. Untersuchungsgebiet Knapp nördlich von Stuttgart liegt der Hohenasperg, ein Zeugenberg des Gipskeupers (Abb. 1). Er über- ragt das mittlere Neckarland um etwa 90 m. Sein Umland ist weniger durch markante topographische Geländemerkmale als durch den Verlauf der Flüsse Neckar, Glems und Enz sowie durch eine äußerst fruchtbare Lößlandschaft geprägt. In der archäologi- schen Forschung ist hier besonders die Akkumula- tion exzeptionell ausgestatteter Ha D2- bis frühlatè- nezeitlicher Prunkgräber wie Asperg ÿGrafenbühlþ 4 (Zürn 1970, 7ù51 mit Taf. 1ù27 und 57ù80), Asperg ÿKleinaspergleþ (Kimmig 1988), Ludwigsburg ÿRö- merhügelþ (Zürn 1987, 98 ù 101 mit Taf. 148 ù 154), Eberdingen-Hochdorf (zusammenfassend: Biel 1985; neueste Einzeluntersuchung mit weiterer Literatur: Koch 2006), Ditzingen-Schöckingen (Paret 1952) und Bad Cannstatt (Paret 1935 u. 1938; Zürn 1987, 189 f.) Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württem- bergþ vorbereitet. 3 Biel/Balzer 2006. Siehe auch http://www.fuerstensitze. de/1109_ Fr%c3%bchkeltische%20Siedlungsdynamik%20H ohenasperg.html. 4 In der Reihenfolge von ihrer nächsten zur weitesten Entfernung zum Hohenasperg.

I. Balzer, Das Projekt „Erforschung der Siedlungsdynamik im Umfeld des frühkeltischen Fürstensitzes Hohenasperg, Kr. Ludwigsburg, auf archäologischen undnaturwissenschaftlichen

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BUFM 47,Balzer, Siedlungsdynamik im Umfeld des Hohenasperg, 157 - 163 157

Sonderdruck aus: Die unteren Zehntausend ÿ auf der Suche nach den Unterschichten der Eisenzeit

Ines Balzer

Das Projekt ÿErforschung der Siedlungsdynamik im Umfelddes frühkeltischen Fürstensitzes Hohenasperg, Kr. Ludwigsburg,auf archäologischen und naturwissenschaftlichen Grundlagenþ

SchlagwörterHallstattzeit / Frühlatènezeit / Württemberg / Hohen-asperg / þFürstensitzý / Siedlungsarchäologie

Zusammenfassung

Das hier vorgestellte Projekt mit dem KurztitelþFrühkeltische Siedlungsdynamik Hohenaspergý beschäf-tigt sich innerhalb des neuen Schwerpunktprogramms derDeutschen Forschungsgemeinschaft þFrühe Zentralisie-rungs- und Urbanisierungsprozesseý mit der Siedlungs-archäologie im Umland des Hohenaspergs. Da derHohenasperg besonders aufgrund der Prunkgräberbekannt ist, stand die hohe Siedlungsdichte im Umfeld desHohenaspergs bisher wenig im Blickfeld der Forschung.Diese soll deshalb in den Mittelpunkt gerückt und sowohlmit antiquarischen als auch modernen siedlungsgeo-graphischen Methoden in Bezug auf die Gesamt-fragestellung einer Zentralisierung analysiert werden.

Einleitung

Standen in den letzten Jahren und Jahrzehnten be-sonders ÿElitenþ, also die in Gräbern exzeptionellausgestatteten Persönlichkeiten, im Vordergrund derEisenzeitforschung, beschreitet ein seit April 2004laufendes Schwerpunktprogramm der DeutschenForschungsgemeinschaft andere Wege. Das Gesamt-projekt ÿFrühe Zentralisierungs- und Urbanisie-rungsprozesse ý Zur Genese und Entwicklung ûfrüh-keltischer Fürstensitzeú und ihres territorialen Um-landesþ (DFG-SPP 1171)1 besteht in der momentanlaufenden zweiten Phase (April 2006 ý März 2008)aus 18 Einzelprojekten unterschiedlichster For-schungsrichtungen (Archäologie, Archäobotanik, -Archäozoologie), Methoden, Laufzeiten, und perso-neller Besetzung.2 Abgesehen von Grabungs- und

1 Dazu beispielsweise Krausse 2004.2 Mehr unter: www.fuerstensitze.de. Zu allen Projekten desSchwerpunktprogramms 1171 wird momentan einausführlicher Berichtband in der Reihe ÿForschungen und

Gesamtauswertungsprojekten gibt es hier auch Ar-beiten, die sich mit bereits vorliegenden, aber nochnicht ausgewerteten und unpublizierten Siedlungs-grabungen beschäftigen. Neben dem an der Rö-misch-Germanischen Kommission in Frankfurt ange-siedelten Projekt zu den Altgrabungen auf demGlauberg ist dies das am Landesamt für Denkmal-pflege in Esslingen entwickelte Projekt ÿErforschungder Siedlungsdynamik im Umfeld des frühkeltischenFürstensitzes Hohenasperg, Kr. Ludwigsburg, aufarchäologischen und naturwissenschaftlichenGrundlagenþ.3 Das Projekt wird von Jörg Biel geleitetund startete 2004 mit einer wissenschaftlichen Mitar-beiterin. Es ist auf sechs Jahre angelegt.

Untersuchungsgebiet

Knapp nördlich von Stuttgart liegt der Hohenasperg,ein Zeugenberg des Gipskeupers (Abb. 1). Er über-ragt das mittlere Neckarland um etwa 90 m. SeinUmland ist weniger durch markante topographischeGeländemerkmale als durch den Verlauf der FlüsseNeckar, Glems und Enz sowie durch eine äußerstfruchtbare Lößlandschaft geprägt. In der archäologi-schen Forschung ist hier besonders die Akkumula-tion exzeptionell ausgestatteter Ha D2- bis frühlatè-nezeitlicher Prunkgräber wie Asperg ÿGrafenbühlþ4

(Zürn 1970, 7ù51 mit Taf. 1ù27 und 57ù80), AspergÿKleinaspergleþ (Kimmig 1988), Ludwigsburg ÿRö-merhügelþ (Zürn 1987, 98 ù 101 mit Taf. 148 ù 154),Eberdingen-Hochdorf (zusammenfassend: Biel 1985;neueste Einzeluntersuchung mit weiterer Literatur:Koch 2006), Ditzingen-Schöckingen (Paret 1952) undBad Cannstatt (Paret 1935 u. 1938; Zürn 1987, 189 f.)

Berichte zur Vor- und Frühgeschichte in Baden-Württem-bergþ vorbereitet.3 Biel/Balzer 2006. Siehe auch http://www.fuerstensitze.de/1109_Fr%c3%bchkeltische%20Siedlungsdynamik%20Hohenasperg.html.4 In der Reihenfolge von ihrer nächsten zur weitestenEntfernung zum Hohenasperg.

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Abb. 1. Der Hohenasperg (1) von Westen inBlickrichtung nach Osten. In etwa 1 km Entfernungliegen das Kleinaspergle (2) und der heute nicht mehrsichtbare Grafenbühl (3).

ins Blickfeld geraten (Abb. 2). Etwaige eisenzeitlicheSiedlungsspuren auf dem ungefähr 6 ha großenPlateau des Hohenaspergs dürften dagegen sehrwahrscheinlich dem mittelalterlichen Dorf und dendarauf folgenden Festungsbauten zum Opfer gefal-len sein, auch wenn an einzelnen Stellen durchausnoch mit intakten vorgeschichtlichen Schichten ge-rechnet werden kann (Menzel 1995, 113 f.). Beson-ders am Süd- und am Osthang findet sich hallstatt-und frühlatènezeitliche Keramik, die als Siedlungs-rest vom Plateau des Hohenaspergs zu interpretierenist (Rademacher 1995; Rademacher/Schwarzkopf1995). Am Hangfuß im heutigen Dorf Asperg, eben-falls auf der Süd- und Ostseite, sind Befunde derSpäthallstatt-/Frühlatènezeit anzutreffen (Klein 2004,bes. 227 f.; Rademacher 1995; Rademacher/ Schwarz-kopf 1995).5

Die ehemalige Bedeutung des Hohenaspergs alseisenzeitlicher ÿFürstensitzþ lässt sich also nur nochvermuten. Indizien sind neben der ý im wahrstenSinne des Wortes ý herausragenden Lage über demmittleren Neckartal die oben erwähnten außerge-wöhnlich reich ausgestatteten Gräber im Umfeld und

5 Kartierung: Menzel 1995, 113 Abb. 62; Rademacher/Schwarzkopf 1995, 373 Abb. 1; Rademacher 1995, 24 Abb.1. Auf der Kartierung von Menzel ist an der östlichenHangseite des Hohenaspergs noch ein neuer Fundpunktzu ergänzen: 2004 konnten dort neun späthallstatt-/frühlatènezeitliche Befunde ausgegraben werden.

die Akkumulation eisenzeitlicher Siedlungsstellen.Das für das Forschungsprojekt gewählte Untersu-chungsgebiet besitzt einen Radius von etwa 15 kmum den Hohenasperg (Abb. 2) und umfasst damitalle wichtigen Grabfunde und bekannten Siedlungs-ballungen.

Fragestellungen und Forschungsansatz

Wie im Projekttitel schon anklingt, gilt die Haupt-frage der Veränderung der Siedlungslandschaft zwi-schen Ha C und LT B im Umfeld und in Bezug aufden Hohenasperg.

Dazu ist ein umfangreiches Arbeitsprogramm,das in drei große Phasen untergliedert ist, erforder-lich. In einer zweijährigen Anlaufphase wurden allevorhandenen Informationen zu den hallstatt- undfrühlatènezeitlichen Fundplätzen gesammelt, aufDokumentationslücken überprüft und in Katalogund Datenbank zusammengefasst. Dazu wurden dieOrtsakten und einschlägigen Publikationen der be-troffenen Kreise (Kr. Ludwigsburg, Stadtkreis Stutt-gart, Teile des Rems-Murr-Kreises und des Kr. Böb-lingen; siehe auch Abb. 2) durchgegangen, ersteFundkomplexe gesichtet und Kontakte mit den eh-renamtlichen Mitarbeitern, denen ein Großteil derGrabungen der letzten zwei Jahrzehnte zu verdan-ken ist, aufgenommen.

Um Siedlungsmuster herausarbeiten und damitletztendlich die Frage nach einer Siedlungsdynamikbeantworten zu können, müssen sowohl die Befundewie auch die Siedlungen möglichst zeitscharf erfasstwerden. Deshalb ist die momentan laufende, zweiteArbeitsphase von Überlegungen zur Typologie undFeindatierung sowohl der einzelnen Befunde alsauch der gesamten Siedlungsplätze gekennzeichnet.Dazu sollen anhand streng definierter Referenzbe-funde, die eine ausreichende Menge an aussagekräf-tigen Funden wie spezifischer Keramik, Importfun-den und/oder Metallfunden beinhalten müssen,zuerst eine handhabbare Keramiktypologie und da-nach mittels antiquarischer Analysen und Präsenz-Absenz-Analysen bzw. Kombinationstabellen einChronologiegerüst für das mittlere Neckarland er-stellt werden. Wesentlich wird dabei ý wie in ande-ren Forschungsregionen auch ý die Unterscheidungund klare Ansprache jeweils besonders der Ha D2-,D3-, LT A- und LT B-zeitlichen Keramik sein.

In einem letzten Schritt werden alle vorhandenenarchäologischen, archäozoologischen und archäobo-tanischen Daten einer Synthese zugeführt. Wie ent-wickeln sich die Siedlungen von Ha C bis LT B? Isteine Platzkonstanz feststellbar, und wenn ja, in wel-chen Phasen? Was ist ihre wirtschaftliche Grund-lage? Wie konnte es im Umland des Hohenaspergs

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phasenweise überhaupt zu solch einer hohen Akku-mulation von Siedlungen kommen? Wie sind dieSiedlungen zu deuten, gibt es Knotenpunkte, zen-tralörtliche Funktionen etc.? Welchen Anteil hat derHohenasperg daran? Ist hier eine Zentralisierung

oder gar Urbanisierung fassbar? Wie ist das Gebietdes Hohenaspergs abzugrenzen? Dabei sollen auchMethoden der Siedlungs-, Wirtschafts- und Agrar-geographie sowie Hilfsmittel wie ein GIS zur An-wendung kommen.

Abb. 2. Das Arbeitsgebiet mit eingezeichneten Prunkgräbern und im Text erwähnten Siedlungsfundstellen.

Forschungs- und Arbeitsstand

Alle späthallstatt- und frühlatènezeitlichen Fundstel-len in Württemberg bis etwa 1981 sind in einer Dis-sertation von Friedrich Klein zusammengestellt(Klein 2004). Jörg Biel konnte 1988 eine Karte mit 75Siedlungs- und 33 Gräberfundstellen im Gebiet des

Hohenaspergs vorlegen (Biel 1988, 209; 211ù214). Diebis dahin bekannten Ha C/D1-zeitlichen Siedlungendes mittleren Neckarlandes wurden 1996 von PeterMenzel publiziert (Menzel 1996). Allerdings ist abden 1980er Jahren durch umfangreiche Straßenarbei-ten und Ausweisungen von Neubau- und Gewerbe-gebieten eine Vielzahl an neuen, auch großflächig

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ergrabenen Siedlungsstellen hinzugekommen. Daszeigt auch die hohe Anzahl an Siedlungsorten, die inder ersten Projektphase zusammengestellt werdenkonnten. Nahezu 400 Siedlungsplätze sind nun do-kumentiert (Abb. 3) ý ihre Zahl hat sich also seit 1988

in etwa verfünffacht! Einige Fundstellen davon wer-den sich jedoch nach ihrer Umfeldanalyse zusam-menfassen lassen, andere dürften nach Feststellenihrer zeitlichen Tiefe weiter zu untergliedern sein.

Abb. 3. Siedlungsfundstellen der Hallstatt- und Frühlatènezeit im Umfeld des Hohenaspergs

Ein Großteil der Siedlungsplätze, nämlich fast dieHälfte, ist als Lesefundstelle oder, besonders in derälteren Literatur, pauschal als ÿWohnstättenþ oderÿGrubenþ erfasst (Abb. 4). 31 % der Fundorte sindbisher allein anhand durch ein bis zwei Befundecharakterisiert. Immerhin ein Fünftel der Siedlungs-stellen wiesen drei bis 19 Befunde auf, 20 bis über600 Befunde traf man bei 5 % der Siedlungen an.Großflächig untersuchte, aber noch nicht publizierteSiedlungen sind beispielsweise Eberdingen-Hoch-dorf ÿRepsþ (zusammenfassend: Biel 1995; das Ma-nuskript ist in Druckvorbereitung), Freiberg-Beihin-gen ÿGänsweidleþ (letzter Vorbericht: Stork 1993),Korntal-Münchingen ÿLingwiesenþ (Vorbericht:

Stork 1997), Remseck-Aldingen ÿHalden III-Vþ (un-publiziert), Walheim ÿ(Vordere) Burgþ (Vorberichte:Menzel 1995, 116 f.; Busse 1996), Stuttgart-Mühlhau-sen ÿWanne/Viesenhäuser Hofþ (letzter Vorbericht:Kurz 1993) und Stuttgart-Stammheim ÿBaugebietSüdþ (W. Joachim/G. Kurz, unpubl. Manuskript;Joachim 1986; ders. 1987). Dabei kann es allerdingsnicht Ziel des hier nur knapp skizzierten Projektessein, jede Siedlung mit ihren Funden im Detail dar-zulegen; für die Fragestellung des Projektes ist aus-schließlich die Vorlage des Siedlungsplanes, seineBewertung auf Vollständigkeit und die Feindatie-rung der Einzelbefunde aufgrund gut datierter undvorzulegender Referenzbefunde relevant.

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0 20 40 60 80 100 120 140

Lesefunde

"Wohnstätten"

"Gruben"

1-2 Befunde

3-9 Befunde

10-19 Befunde

20-29 Befunde

30-39 Befunde

40-49 Befunde

50-99 Befunde

über 100 Befunde

Abb. 4. Anzahl und Art der hallstatt- und frühlatènezeitlichen Siedlungsfundstellen im Umfeld desHohenaspergs, aufgegliedert nach der jeweils dort aufgefundenen Befundanzahl. Gezählt wurden nur Befundewie Gruben, Grubenhäuser und Gräb(ch)en, jedoch keine Pfostengruben.

Insgesamt wurden gut 3700 Siedlungsanzeiger wieGrubenhäuser und Gruben gezählt. Die Mehrzahlsind Grubenbefunde, meist handelt es sich um dietypischen umgekehrt trichterförmigen Vorrats-gruben. Alles in allem sind aus dem Arbeitsgebietetwa 2100 Gruben bekannt.6 Dazu kommen nochetwa 200 Grubenhäuser, die mit ihrem Innenraum,also mit Pfosten-, Keller- und Kochgruben, teilweiseexzellent dokumentiert sind. Die ehemaligen eisen-zeitlichen Laufhorizonte sind erosionsbedingt nichtmehr erhalten, so dass Zaungräbchen und Spurenvon Pfostenbauten kaum noch existieren. Einzig inder Siedlung Eberdingen-Hochdorf konnten dieÜberreste eines Schwellbalkenhauses und von Pfos-tenspeicherbauten freigelegt werden (Biel 1995; Ma-nuskript Biel in Vorb.), Pfostenbauten sind auch ausWalheim bekannt (Busse 1996, 77). Während einigerSiedlungsgrabungen, beispielsweise Stuttgart-Mühl-hausen oder Freiburg-Geisingen (Piening 1988a undb), wurden auch Erdproben entnommen, so dass zurarchäozoologisch und botanisch komplett aufgear-beiteten Siedlung Eberdingen-Hochdorf Vergleichs-plätze vorliegen. Bei der Zusammenführung allerarchäologischen und naturwissenschaftlichen Datenbesteht deshalb die berechtigte Hoffnung, auch wirt-schaftsarchäologische Aussagen treffen zu können.

6 Hinter dieser ebenso wie der oben genannten Gesamtzahlan Befunden verbirgt sich jede einzelne Grube, also auchKellergruben oder Mulden, die in Grubenhäusern ange-troffen wurden.

In der Hauptsache bestanden die Befundverfül-lungen aus unterschiedlich großen Mengen an zer-scherbter Keramik, darunter auch immer wiederqualitätvolle Drehscheibenkeramik der Frühlatène-zeit. Überdies wurden in der frühlatènezeitlichenSiedlung Eberdingen-Hochdorf auch sechs Frag-mente von attisch rotfigurigen Schalen aus dem 3.Viertel des 5. Jahrhunderts v. Chr. gefunden (Shefton1995; Wehgartner 1995). Erstaunlich ist auch derMetallreichtum der Siedlungen: Beispielsweisestammen allein aus Eberdingen-Hochdorf fast 30Fibeln, aus Stuttgart-Stammheim elf. Immerhinkonnten im Untersuchungsgebiet gut 200 Referenz-befunde, die für die Erstellung eines Chronologiege-rüstes im mittleren Neckarland nutzbar sind, ausge-zählt werden. Nur am Rande sei erwähnt, dassaußerdem bisher von 24 Siedlungsplätzen im Ar-beitsgebiet 48 Befunde mit Skelett- oder Schädelres-ten von insgesamt mindestens 53 menschlichen Indi-viduen vorliegen.

Der Siedlungsschwerpunkt im Gebiet um denHohenasperg ist zeitlich gesehen eindeutig in Ha D3und FLT auszumachen. Dabei sind in den letztenJahren besonders viele frühlatènezeitliche Siedlun-gen dazugekommen. Eindeutige Ha C/D1-zeitlicheSiedlungen sind dagegen kleiner und verstreuter(siehe Menzel 1996) und deshalb auch schwerer auf-zufinden; es dürfte sich hier in der Regel um Einzel-gehöfte handeln. Demgegenüber scheinen ab etwaHa D2 Siedlungen ortskonstanter und Einzelgehöfteseltener zu sein, zugunsten großer Ansiedlungen, diebis in die Frühlatènezeit hinein bewohnt werden. In

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der Frühlatènezeit werden dann weitere Siedlungenwie beispielsweise Eberdingen-Hochdorf oder Mark-gröningen ÿSträßleþ, eine 2005 entdeckte Ansiedlung(unpubliziert), gegründet. Wie dies im Bezug auf denHohenasperg zu werten ist, wird die Arbeit dernächsten Projektjahre zeigen.

Literatur

Biel 1985: J. Biel, Der Keltenfürst von Hochdorf(Stuttgart 1985).

Biel 1988: J. Biel, Die Hallstattkultur in Württemberg.Eine Standortbestimmung. In: D. Planck (Hrsg.),Archäologie in Württemberg. Ergebnisse und Per-spektiven archäologischer Forschung von der Alt-steinzeit bis in die Neuzeit (Stuttgart 1988)199ù214.

Biel 1995: J. Biel, Die Siedlung der Späthallstatt-/Frühlatènezeit von Hochdorf/Enz, Kr. Ludwigs-burg. In: Fürstensitze, Höhenburgen, Talsiedlun-gen. Bemerkungen zum frühkeltischen Siedlungs-wesen in Baden-Württemberg. Arch. Inf. Baden-Württemberg 28 (Stuttgart 1995) 30ù37.

Biel/Balzer 2006: J. Biel/I. Balzer, Erforschung derSiedlungsdynamik im Umfeld des frühkeltischenFürstensitzes Hohenasperg, Kr. Ludwigsburg, aufarchäologischen und naturwissenschaftlichenGrundlagen. http://fuerstensitze.de/dna_media/Biel+Balze444750e04b551.pdf

Busse 1996: A. Busse, Ausgrabung einer eisenzeitli-chen Höhensiedlung in Walheim, Kreis Ludwigs-burg. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg 1996,76ù79.

Joachim 1986: W. Joachim, Vorgeschichtliche Sied-lungsstellen mit Grubenhütten in Stuttgart-Stammheim. Arch. Ausgr. Baden-Württemberg1986, 79ù82.

Joachim 1987: W. Joachim, Archäologische Ausgra-bungen in Stuttgart-Stammheim 1984-1987. Arch.Inf. Baden-Württemberg 2 (Stuttgart 1987).

Kimmig 1988: W. Kimmig, Das Kleinaspergle. Stu-dien zu einem Fürstengrabhügel der frühen Latè-nezeit bei Stuttgart. Forsch. u. Ber. Vor- u. Früh-gesch. Baden-Württemberg 30 (Stuttgart 1988).

Koch 2006: J. K. Koch, Hochdorf VI. Der Wagen unddas Pferdegeschirr aus dem späthallstattzeitlichenFürstengrab von Eberdingen-Hochdorf (Kr. Lud-wigsburg). Forsch. u. Ber. Vor- u. Frühgesch. Ba-den-Württemberg 89 (Stuttgart 2006).

Klein 2004: F. Klein, Siedlungsfunde der ausgehen-den Späthallstatt- und frühen Latènezeit ausWürttemberg (Dissertation Tübingen 1985). URN:urn:nbn:de:bsz:21-opus-13152 URL: http://w210.ub.uni-tuebingen.de/dbt/volltexte/2004/1315/ .

Krausse 2004: D. Krausse, Frühe Zentralisierungs-und Urbanisierungsprozesse. Zur Genese undEntwicklung frühkeltischer Fürstensitze und ihresterritorialen Umlandes. Ein Schwerpunktpro-gramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft.Arch. Nachrbl. 9/4, 2004, 359ù374.

Kurz 1993: G. Kurz, Zum Abschluß der Ausgrabun-gen beim Viesenhäuser Hof, Stuttgart-Mühlhau-sen. Arch. Ausgr. Baden-Württemb. 1993, 34ù38.

Menzel 1995: P. Menzel, Archäologische Untersu-chungen an eisenzeitlichen Höhensiedlungen immittleren Neckarland. Arch. Ausgr. Baden-Würt-temberg 1995, 112ù117.

Menzel 1996: P. Menzel, Siedlungsfunde der frühenEisenzeit (Ha C/D1) im mittleren Neckarland.Fundber. Baden-Württemberg 21, 1996, 225ù300.

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Piening 1988b: U. Piening, Neolithische und hall-stattzeitliche Pflanzenreste aus Freiberg-Geisingen(Kr. Ludwigsburg). In: H. Küster (Hrsg.), Der prä-historische Mensch und seine Umwelt. Festschriftfür Udelgard Körber-Grohne zum 65. Geburtstag.Forsch. u. Ber. Vor- und Frühgesch. Baden-Würt-temberg 31 (Stuttgart 1988) 213ù228.

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AbbildungsnachweisAbb. 1: nach Zürn 1970, Taf. C, bearbeitet von C.Nübold, Landesamt für Denkmalpflege, Esslingen. ùAbb. 2ù3: C. Nübold, Landesamt für Denkmalpflege,Esslingen. ù Abb. 4: I. Balzer, Landesamt für Denk-malpflege, Esslingen.