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1 Inhalt Vorwort 3 Christine Koch Bericht über die Archivpflegetagung 2015 4 Thomas Hostert Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden 8 Christine Koch Drei Bändchen im Gesangbuch – Ein Theologiestudent zwischen SA und BK 54 Harri Petras „Manchmal wird es mir zuviel“ – Aufzeichnungen eines Gemeindepfarrers 76 Karl-Heinz Stoltefuß Konfirmanden im Gemeindearchiv Heeren-Werve 83 Wolfgang Günther Novellierung des Fristenplans zur Kassationsordnung 85 Ingrun Osterfinke und Irene Wiedemann Feuer. Wasser. – Strechfolie! Neues aus dem Bielefelder Notfallverbund 87 Claudia Seyfried Archion – ein Jahr Live-Betrieb des Kirchenbuchportals 91 Ingrun Osterfinke Neue Wanderausstellungen, sehenswert nicht nur im Landeskirchlichen Archiv ... 95

Inhalt - Landeskirchliches Archiv

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1

Inhalt

Vorwort 3

Christine Koch

Bericht über die Archivpflegetagung 2015 4

Thomas Hostert

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden 8

Christine Koch

Drei Bändchen im Gesangbuch – Ein Theologiestudent

zwischen SA und BK 54

Harri Petras

„Manchmal wird es mir zuviel“ – Aufzeichnungen eines

Gemeindepfarrers 76

Karl-Heinz Stoltefuß

Konfirmanden im Gemeindearchiv Heeren-Werve 83

Wolfgang Günther

Novellierung des Fristenplans zur Kassationsordnung 85

Ingrun Osterfinke und Irene Wiedemann

Feuer. Wasser. – Strechfolie! Neues aus dem

Bielefelder Notfallverbund 87

Claudia Seyfried

Archion – ein Jahr Live-Betrieb des Kirchenbuchportals 91

Ingrun Osterfinke

Neue Wanderausstellungen, sehenswert nicht nur im

Landeskirchlichen Archiv ... 95

Inhalt

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 2

Anna Warkentin

Ausstellung „Weihnachtsgrüße im Ersten Weltkrieg“ 106

Wolfgang Günther

Wanderausstellung zu Ludwig Steil eröffnet 109

Neue Findbücher 113

Personalia 142

Autorinnen und Autoren 148

3

Vorwort

Liebe Leserinnen und Leser,

wir freuen uns, Ihnen mit der vorliegenden Ausgabe der Archivmittei-

lungen erneut das breite Themenfeld der kirchlichen Archivarbeit prä-

sentieren zu können.

Die quellenkundlichen Beiträge von Thomas Hostert, Christine Koch

und Harri Petras führen eindrücklich vor Augen, welche Erkenntnisse

aus historischen Quellengattungen und Einzeldokumenten gezogen

werden können, wenn sie im Detail ausgewertet und im Entstehungs-

kontext betrachtet werden.

Mit einer Reihe von Kurzberichten aus den Bereichen Archivpflege,

Archivrecht, Notfallvorsorge, Kirchenbuchwesen und Öffentlichkeitsar-

beit möchten wir über Neuerungen informieren und Einblicke in die Ar-

beit des Landeskirchlichen Archivs gewähren.

Recht umfangreich sind in dieser Ausgabe die Personalnachrichten.

Von einigen – teilweise langjährigen – ehrenamtlichen Archivpflegern

mussten wir uns in den letzten Monaten verabschieden. Umso größer ist

die Freude, dass immer wieder neue Mitarbeiter für die Arbeit in den

Archiven vor Ort gewonnen werden können. An dieser Stelle möchten

wir uns daher für die wertvolle Unterstützung, das Engagement und die

gute Zusammenarbeit bedanken! Auch dieses Heft wurde durch einige

Beiträge aus den Reihen unserer Archivpfleger bereichert.

Zuletzt möchten wir an dieser Stelle schon einmal eine Einladung zu

unserer diesjährigen Archivpflegetagung aussprechen. Anders als ge-

wohnt, wird sie in diesem Jahr im Herbst – am 9. November 2016 – im

Landeskirchlichen Archiv in Bielefeld stattfinden. Im Rahmen der Ta-

gung wird die Möglichkeit bestehen, die Wanderausstellung „Leben

nach Luther. Eine Kulturgeschichte des evangelischen Pfarrhauses“ zu

besichtigen, die von Oktober 2016 bis Januar 2017.

Im Auftrag des Herausgebers

Claudia Seyfried

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 4

Bericht über die Archivpflegetagung 2015

von CHRISTINE KOCH

Am 23. April 2015 finden sich im Gemeindehaus der Kirchengemeinde

zu Heeren-Werve 40 Teilnehmer zur diesjährigen Archivpflegetagung

des Landeskirchlichen Archivs der Evangelischen Kirche von Westfalen

zu Fortbildung und gegenseitigem Austausch über ihre Arbeitsfelder

ein.

Nach Informationen zur wechselvollen Historie der Kirchengemein-

de durch Pfarrer Ritter hören wir von Herrn Günther einige Worte zu

Losung und Lehrtext des Tages (Jesaja 60,20; Judas 1,21). In der anschlie-

ßenden Vorstellungsrunde stellen sich auch einige neue Archivpfleger

vor.

Stefan Logemann vom Medienzentrum des Pädagogischen Instituts

in Haus Villigst gibt im ersten Tagungsbeitrag „Kirchliche Medienarbeit

und der Umgang mit Altbeständen“ zunächst einen Überblick über die

Kirchliche Medienarbeit, die bildungsorientiert ausgerichtet ist. Das An-

liegen des Medienzentrums ist es, Medien jeglicher Art für die kirchliche

Bildungsarbeit zugänglich zu machen, über die Möglichkeiten ihrer

Nutzung zu informieren sowie Unterstützung für den Religionsunter-

richt, die Konfirmandenarbeit, die Jugendarbeit, die Erwachsenenbil-

dung und den Kindergottesdienst anzubieten. Neben dem Medienzen-

trum in Villigst mit Bibliothek und Filmzentrale, stehen im Raum der

Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) noch die Mediotheken in

den Kirchenkreisen, die Bibliothek im Landeskirchenamt, die Bücherei-

fachstelle sowie assoziiert die Bibliotheken an den kirchlichen Hoch-

schulstandorten und das Comenius-Institut als EKD-Einrichtung für die

bildungsorientierte Medienarbeit im Raum der EKvW im Medienportal

zur Verfügung.

Die Frage nach dem Umgang mit medialen Altbeständen und ihrer

Erhaltung sieht Herr Logemann eng verknüpft mit dem Auftrag und

dem Selbstverständnis der Institution: Sind kirchliche Bibliotheken und

Medienstellen eher Sachwalter kultureller Güter oder moderne Informa-

Bericht über die Archivpflegetagung 2015

5

tionsdienstleister? Und wenn erhalten, wie? Oft stehen Urheberrechts-

fragen der Digitalisierung zum Erhalt von Beständen entgegen und tech-

nische sowie personelle Ressourcen dafür nicht zur Verfügung. So bleibt

es den Bibliotheken überlassen, die entsprechenden Konzepte für

Archivwürdigkeit zu entwickeln und das Spannungsfeld, in dem sie

sich befinden, auszuloten. Dass auch Medien ein Spiegelbild der Ge-

schichte sind, stehe dabei außer Frage. Für den landeskirchlichen Bereich

sei es wichtig, für diesen Relevantes zu verwahren und Einmaliges nicht

zu vernichten.

Bevor Gerhard Moisel in seinem Beitrag „Kirchenbuchführung mit

KiRa“ auf Dinge, die es dabei zu beachten gilt, aufmerksam macht, führt

er uns die historische Entwicklung der Kirchenbuchführung vom Blan-

kobuch über die Loseblattsammlung bis hin zur gegenwärtigen elektro-

nischen Kirchenbuchführung KiRa vor Augen. Die Daten für die elek-

tronische Kirchenbuchführung werden vom Einwohnermeldeamt zur

Verfügung gestellt und gelangen über das Rechenzentrum in Kassel in

die Gemeindebüros, was oftmals mit einer gewissen Verzögerung ein-

hergeht. Den Gemeinden rät er, vollzogene Amtshandlungen möglichst

umgehend dem Einwohnermeldeamt mitzuteilen und das auf dem Kir-

chenbuchblatt vorhandene Bemerkungsfeld für ergänzende Eintragun-

gen zu nutzen. Hier können beispielsweise bei Taufen Angaben zum

Ehe- oder Nichtehestand der Eltern eingetragen werden, bei Trauungen

Angaben über die Eltern und die Berufe der Brautleute Erwähnung fin-

den, bei Beerdigungen der Beruf des Verstorbenen und der Geburtsna-

me der Witwe vermerkt werden. Sind solche Eintragungen vorhanden,

gelangen sie quasi rückwärtig auch in die Meldedatei des Einwohner-

meldeamtes und wandern bei einem Umzug mit. Dies sei von großem

Wert, weil nach dem Personenstandsgesetz vom 1. September 2009 u. a.

keine Angaben zum Beruf, zur Todesursache, über die Kinderzahl oder

einen Titel mehr vorgesehen sind. Da dies für die historische Forschung

einen Rückschritt darstellt, sei es umso wichtiger, die vorhandenen Mög-

lichkeiten im Rahmen der Kirchenbuchführung zu nutzen.

Nach einem guten Mittagessen erhalten wir bei einer kleinen Exkur-

sion von Herrn Stoltefuß, dem Archivpfleger der Kirchengemeinde zu

Heeren-Werve, Einblicke in die Geschichte des Kirchbaus der Heerener

Bericht über die Archivpflegetagung 2015

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 6

Kirche, den Adelssitz „Haus Heeren“ und die Schwierigkeiten im Ge-

meindeleben, die mit dem Patronatsrecht zusammenhingen. Dieses

wurde erst 1949 durch einen Vertrag zwischen der Kirchengemeinde

und Adolf Graf von Plettenberg-Heeren aufgelöst.1

Danach macht uns Dr. Stephan Flechsig mit der Online-Anwendung

des „Taschenbuches zur Zeitrechnung“ von Grotefend („Universal Ca-

lendar Calculator Windows“, www.cft-win.com) vertraut. Zuvor verge-

genwärtigt uns Dr. Flechsig, warum Kalenderreformen im Laufe der

Jahrhunderte immer wieder notwendig wurden.

Christen wie Juden gliederten die Monate nach dem auch in älteren

vorderorientalischen Kulturen bezeugten Siebentageszyklus. Ein Tag in

der Woche galt als Fest- und Ruhetag. Erst die Französische und später

die Russische Revolution experimentierten mit Dekadengliederungen

des Monats, was sich aber in Europa nicht durchsetzen konnte. Seit der

auf Julius Cäsar zurückgehenden Kalenderreform gab es ein Julianisches

Jahr, das die Grundlage aller modernen Chronologien bildete, ein Son-

nenjahr mit 365 1/4 Tagen, bei einer Gliederung in 12 Monate und einem

alle vier Jahre wiederkehrenden Schalttag. Im Jahr 325 legte das Konzil

von Nizäa den Termin für das Osterfest auf den ersten Sonntag nach

dem Frühlingsvollmond fest und markierte damit die Eckpunkte des

kirchlichen Kalenders. Die Gregorianische Reform von 1582 vollzog eine

bessere Anpassung an das tropische Jahr, indem sie die bereits auf den

11. März vorgerückte Frühlings-Tag-und-Nacht-Gleiche auf den 21.

März festlegte. Obwohl Europa inzwischen konfessionell gespalten war

und es gegen die „päpstliche“ Kalenderreform Widerstände gab, setzte

sie sich allmählich durch. Ab 1700 wurde sie auch von den protestanti-

schen Staaten übernommen, die Sowjetunion folgte erst 1918, 1923 über-

nahmen die Gebiete der griechischen Orthodoxie sie ‒ jedoch ohne die

neue Osterregel ‒ und 1927 die Türkei.

Von Seiten des Landeskirchlichen Archivs wird im Anschluss das

Kirchenbuchportal „Archion“ (www.archion.de) vorgestellt, das unter

1 Mehr über die Geschichte der Kirchengemeinde Heeren-Werve in: Karl-Heinz Stol-tefuß, Heeren-Werve – die Geschichte eines Hellweg-Kirchspiels vom 12. bis zum 20. Jahrhundert. 2000. ISBN 3-00-005868-0. Erhältlich im Buchhandel und im Büro der Ev. Kirchengemeinde zu Heeren-Werve.

Bericht über die Archivpflegetagung 2015

7

der Beteiligung von bislang elf Landeskirchen seit dem 20. März 2015

freigeschaltet ist. Darin können die Auflistungen der Kirchenbücher kos-

tenfrei eingesehen werden, die Einsicht in die Kirchenbücher hingegen

ist kostenpflichtig. Es wird beständig aktualisiert und eine ergänzende

Mitwirkung der Nutzer ist erwünscht. Empfohlen wird das 20-Tage-

Abo, dessen Nutzung über das gesamte Jahr verteilt werden kann.

Bei der Bindung von Kirchenbüchern gibt es neu zu beachtende Da-

tenschutzbestimmungen (DS-EKb 855.15 vom 19. Januar 2011, aktuali-

siert am 3. September 2014). Das Landeskirchliche Archiv hat mit der

Buchbinderei Bethel einen Rahmenvertrag abgeschlossen, den die Kir-

chengemeinden mit nutzen können, wenn die Bindung ihres Kirchenbu-

ches über das Landeskirchliche Archiv erfolgt. Lässt die Kirchengemein-

de ihr Kirchenbuch bei einem privaten Anbieter einbinden, muss sie sel-

ber mit diesem einen Vertrag schließen. Die Kirchenbücher müssen auch

weiterhin in gedruckter Form vorliegen.

Im Hinblick auf die Archivierung von Gemeindebriefen wird darauf

hingewiesen, dass die Gemeindebriefsammlung im Landeskirchlichen

Archiv nicht fortgeführt wird und auf eine Archivierung der Gemeinde-

briefe in den Archiven der Kirchengemeinden zu achten ist.

In der „Aktuellen Stunde“ der diesjährigen Archivpflegetagung wird

gewünscht, das Thema „Kirchenbuchportal“ auch in 2016 wieder in die

Planung einzubeziehen, um einen ersten Erfahrungsaustausch über sei-

ne Nutzung zu ermöglichen.

Abschließend wird die Möglichkeit zur Durchführung von regiona-

len Archivpflegetreffen angeboten. Die nächste Archivpflegetagung fin-

det am 9. November 2016 im Landeskirchlichen Archiv in Bielefeld statt.

Im Rahmen der Tagung wird die Möglichkeit bestehen, die Wanderaus-

stellung „Leben nach Luther. Eine Kulturgeschichte des evangelischen

Pfarrhauses“ zu besichtigen.

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 8

Die Kirchenbücher der

Lüdenscheider Kirchengemeinden

von THOMAS HOSTERT

1. Einleitung zu den Lüdenscheider Kirchenbüchern

Seit der Reformation im 16. Jahrhundert existierten in Lüdenscheid zwei

evangelisch-lutherische Kirchengemeinden, die Kirchspielsgemeinde

(Landgemeinde) und die Stadtgemeinde1, die räumlich für die gleichna-

migen politischen Gemeinden zuständig waren. Das älteste überlieferte

Lüdenscheider Kirchenbuch (1719-1765) beinhaltet, nach Abschnitten

getrennt, Eintragungen für beide Gemeinden. Das Nachfolgebuch (be-

ginnend mit dem Kirchenjahr 1765/66) war zwar zunächst ebenfalls

noch für beide Gemeinden vorgesehen, enthält aber ab 1766 in Umset-

zung der preußischen Verordnung desselben Jahres2 nur noch Amts-

handlungen der Kirchspielsgemeinde. Danach sind für Kirchspiels- und

Stadtgemeinde separate Kirchenbuchreihen geführt worden.

Die Lüdenscheider Außenbürger, die Einwohner der Feldmark, hat-

ten, sofern sie der lutherischen Konfession angehörten, bis 1795 die

Wahl, ob sie Amtshandlungen von der Stadt- oder der Kirchspielsge-

meinde vornehmen lassen wollten. In jenem Jahr wurden sie dann ein-

deutig der Stadtgemeinde zugewiesen3. Das bedeutet für diese Perso-

nengruppe, dass sie bis 1795 zulässig in beiden Registerreihen, in der für

1 Zur Entwicklung im 16. Jahrhundert vgl. Sauerländer, Wilhelm: Kirchen- und Schul-geschichte der Stadt und des Kirchspiels Lüdenscheid von den Anfängen bis 1800, Lüdenscheid 1953 (Sauerländer 1953), S. 17ff. – Die (politische) Gemeinde Lüden-scheid-Land ist erst 1843 entstanden. Auch für die Kirchenbücher für die Vorgänger-gemeinde, das Kirchspiel Lüdenscheid, hat sich im örtlichen, namentlich auch im ar-chivischen Sprachgebrauch der Terminus „Lüdenscheid-Land“ eingebürgert, der bei-de Perioden vereinfachend zusammenfasst. 2 Novum Corpus Constitutionum Prussico-Brandenburgensium praecipue Marchica-rum. Oder Neue Sammlung Königl. Preuß. und Churfürstl. Brandenburgischer, son-derlich in der Chur und Marck Brandenburg, publicirten und ergangenen Ordnun-gen [usw.], Bd. 3 (mit Supplement), Berlin 1766, 1771, 1776 (NCC) Bd. 4, Nr. 2, Verord-nung vom 2.1.1766 mit Geltung rückwirkend vom 1. Advent 1765 an, darin enthalten eine Vorschrift zur Führung separater Register an Orten mit Stadt- und Landgemein-den (Dorfgemeinden). 3 Sauerländer 1953, a. a. O., S. 194f., Vertrag vom 14.2.1795.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

9

die Stadt und in der für das Kirchspiel, auftreten kann. In den Kirch-

spielsregistern begegnet sie allerdings gelegentlich auch später noch.

Die Gründung einer evangelisch-reformierten Gemeinde in Lü-

denscheid geht auf eine Initiative des Hogreven Arnold Richard Hym-

men im frühen 18. Jahrhundert zurück. Die Gründung erfolgte 1724, bis

dahin waren Amtshandlungen für die Lüdenscheider Reformierten von

der Hülscheider Gemeinde verrichtet worden4. Kirchenbücher der Lü-

denscheider Gemeinde sind ab 1755 überliefert. Die gebietsmäßige Zu-

ständigkeit dieser Gemeinde umfasste neben den beiden politischen Ge-

meinden Lüdenscheids auch das benachbarte Kirchspiel Kierspe. Dem

reformierten Pfarrer Hengstenberg erschien es angebracht, diesen Sach-

verhalt explizit zu begründen. So enthält sein Trauregister die Abschrift

eines Erlasses des Regierungsrats in Kleve vom 26. August 1734 in Sa-

chen Trauung eines Kiersper Einwohners. Dieser sei reformierter Reli-

gion und „nebst andern seinen Religions genossen zu Kierspe, der Re-

formirten Gemeine zu Lüdenscheid eingepfarrt“. Das älteste Kirchen-

buch der evangelisch-reformierten Gemeinde Lüdenscheid enthält folge-

richtig regelmäßig Eintragungen, die Bewohner des Kirchspiels Kierspe

betreffen5.

Die beiden lutherischen Gemeinden schlossen sich im August 1822

zu einer evangelisch-lutherischen Kirchengemeinde Lüdenscheid zu-

sammen6. Diese vereinigte Kirchengemeinde setzte die separate Regis-

terführung für Stadt und Kirchspiel in den Gebietsgrenzen der politi-

schen Gemeinden fort, was nach wie vor den Vorschriften der Verord-

nung von 1766 entsprach.

Am 4. Mai 1823 trat die reformierte Gemeinde der vereinigten Ge-

meinde bei, sodass fortan und bis zu Teilungen seit dem Ende des 19.

Jahrhunderts nur noch eine Lüdenscheider Evangelische Kirchenge-

4 Sauerländer 1953, a. a. O., S. 61ff., Rottmann, Friedrich: Chronik der Kirchengemein-de Lüdenscheid, Lüdenscheid 1861, S. 18. 5 Kirchenbuch der ev.-ref. Gemeinde Lüdenscheid 1755-1818 passim, Abschrift des Erlasses im Trauregister Jg. 1756. 6 Waldminghaus, Hartmut: Die Teilung der Evangelischen Kirchengemeinde Lüden-scheid in zehn selbständige Gemeinden. Zusammenschluss zur Evangelischen Kir-chengemeinde Lüdenscheid. In: Der Reidemeister, Geschichtsblätter für Lüdenscheid Stadt und Land, Nr. 136/137 1997, S. 1077ff. (Waldminghaus 1997).

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 10

meinde existierte7. Die Kirchenbücher der reformierten Gemeinde rei-

chen mithin bis 1823, der letzte Eintrag datiert vom 23. Mai.

Eine römisch-katholische Kirchengemeinde ist in Lüdenscheid im

Dezember 1846 gegründet worden, nachdem seit Dezember 1843 eine

Mission bestanden hatte8. Die Kirchenbücher dieser Gemeinde beginnen

mit dem Jahr 1844, also bereits zur Zeit der Mission. – Von etwa 1743 bis

1809 ist die Registrierung von Personenstandsfällen, die Lüdenscheider

Katholiken betreffen, von der reformierten Gemeinde vorgenommen

worden und in der Folge bis 1843 von der seit 17869 bestehenden katho-

lischen Gemeinde in Altena. Das Jahr 1743 lässt sich, wenn auch ein re-

formiertes Kirchenbuch aus jener Zeit nicht mehr existiert, aus der Ver-

zeichnung eines Sterbefalls von 1783 erschließen, nach der „die Catholi-

schen seit 40 jahren zur Reform[ierten] Kirche geho[e]reten“10. Diese

„Zugehörigkeit“ bezog sich auf beide Lüdenscheider politischen Ge-

meinden, die Stadt und das Kirchspiel. Für letzteres bringen dies Eintra-

gungen in das reformierte Taufregister zum Ausdruck: „weil die Catho-

lische[n] auch auff dem Kirchspiel zu unserer gemeine in Parochialibus

gehören“11.

Der weit überwiegende Anteil der Lüdenscheider Bevölkerung ge-

hörte der evangelisch-lutherischen Konfession an. Reformierte stellten –

bis zum Zusammenschluss mit der lutherischen Gemeinde – ebenso eine

Minderheit dar wie Katholiken. Neben den christlichen Konfessionen

existierte in der Stadt Lüdenscheid eine kleine jüdische Bevölkerungs-

7 Waldminghaus 1997, a. a. O., S. 1077ff. 8 Klimberg, Ewald: Die Entwicklung der katholischen Gemeinde im 19. und 20. Jahr-hundert bis 1945. In: Neue Zeit, alter Glaube. Die Geschichte der katholischen Kir-chengemeinde Lüdenscheid, Lüdenscheid 1971, S. 31ff., hier S. 34f. 9 Klimberg, a. a. O., S. 32. 10 Sterberegister der ev.-ref. Gemeinde Lüdenscheid, Jg. 1783. Vgl. ebd. Trauregister Jg. 1776: Trauung eines Lüdenscheider Gerichtsdieners, Katholik, „die zu unserer Kir-che gehören“. 11 Taufregister der ev.-ref. Gemeinde Lüdenscheid, Jg. 1803, zwei Kinder katholischer Väter. Die explizite Erwähnung ist auf den Umstand zurückzuführen, dass der refor-mierte Pfarrer Hengstenberg seines Alters wegen den Weg ins Kirchspiel nicht zu-rücklegen konnte und seine lutherischen Kollegen Hülsmann und Becker daher um Amtshilfe ersuchen musste, die statt Hengstenberg die Taufen vollzogen. Hülsmann übergab die „Nota“ darüber zur Eintragung in das reformierte Kirchenbuch. Zu einem gleichgelagerten Fall siehe ebd., Jg. 1805.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

11

gruppe, die seit dem späten 17. Jahrhundert Erwähnung findet12. In

einem einzigen Jahr (1815) sind Geburten jüdischer Kinder aus der Stadt

im lutherischen Taufregister verzeichnet worden, und zwar in dem der

Kirchspielsgemeinde13.

In gemischtkonfessionellen Familien stand den Eltern frei, ihre Kin-

der nach der einen oder anderen Konfession taufen zu lassen. Die Eintra-

gung hatte in das Kirchenbuch derjenigen Kirche zu erfolgen, bei der die

Taufhandlung vorgenommen wurde14. Für Lüdenscheid ist festzustel-

len, dass, im Einklang mit den Bestimmungen des Allgemeinen Land-

rechts15, Kinder männlichen Geschlechts zumeist, jedoch keineswegs im-

mer, nach der Konfession des Vaters und Kinder weiblichen Geschlechts

zumeist nach der der Mutter getauft wurden. Amtshandlungen, die sol-

che Familien betreffen, sind daher in den Kirchenbüchern verschiedener

Gemeinden zu suchen.

In diesem einleitenden Kapitel zu den Lüdenscheider Kirchenbü-

chern wurden zwei Kriterien aufgeführt, die für die örtliche genealogi-

sche Forschung von großer Wichtigkeit sind: die räumliche Zuordnung

(Stadt, Kirchspiel, Feldmark bzw. Außenbürgerei) und die konfessionel-

le bzw. religiöse Zugehörigkeit von Personen. Sind diese Kriterien für

eine gesuchte Person oder Personengruppe nicht oder nicht vollständig

bekannt, so sind für Recherchen stets mehrere oder sogar alle erwähnten

Registerkategorien heranzuziehen. Bezüglich der Religionszugehörig-

keit ist der Forschungshorizont über kirchliche Provenienzen hinaus ge-

gebenenfalls auch noch auf die bei Gericht geführten Register für Juden

und Dissidenten, darunter Angehörige sonstiger in Lüdenscheid vertre-

tener Bekenntnisgemeinschaften wie Baptisten, Wiedertäufer und ande-

12 Kann, Erich: Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinde in Lüdenscheid. In: Der Reidemeister, Geschichtsblätter für Lüdenscheid Stadt und Land, Nr. 43 1968, S. 333ff. 13 Siehe Kapitel 3, Die Kirchenbücher der Kirchspielsgemeinde ab 1765 bis 1823. 14 NCC, a. a. O., Bd. 5, Nr. 53, preußisches Reglement zur Entrichtung der Stolgebüh-ren bei Taufen und Beerdigungen von Kindern aus gemischtkonfessionellen Famili-en. 15 Allgemeines Landrecht für die Preußischen Staaten von 1794. Textausgabe mit einer Einführung von Hans Hattenhauer und einer Bibliographie von Günther Ber-nert. Frankfurt, Berlin 1970 (ALR), S. 558 (§ 447).

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 12

re, auszudehnen16. Ein dritter wichtiger Aspekt sei an dieser Stelle im

Hinblick auf die Leistungsfähigkeit von Kirchenbüchern als Quellen-

gruppe ebenfalls diskutiert, die Eindeutigkeit von Namen. Bei verbreite-

ten Familien- und sich stets wiederholenden Vornamen im Kontext mit

dem sehr beschränkten Informationsgehalt älterer Kirchenbucheintra-

gungen ist die Gefahr groß, unrichtige Zuordnungen zu treffen. Unter

solchen Umständen sind rein auf Kirchenbücher gestützten Untersu-

chungen enge Grenzen gesetzt, und die Nutzung weiterer Quellengat-

tungen ist unerlässlich. Dieser Aspekt hat auch eine sozialhistorische Im-

plikation, denn eine lediglich auf Namensvorkommen basierende For-

schung kann schnell in eine gesellschaftliche Schicht hineingeraten, der

die gesuchte Person nicht angehörte. Räumliche Zuordnung, konfessio-

nelle bzw. religiöse Zugehörigkeit und sozialer Status sind Kriterien, die

Recherchen stets zu berücksichtigen haben.

2. Die Kirchenbücher der evangelisch-lutherischen Gemeinden bis

1765

Zum Gut Niederschemm in der Brüninghauser Bauerschaft des Kirch-

spiels Lüdenscheid notierte Kirchspielsrezeptor Jacob Fischer 1652: „Ne-

dern Scheme, durchslechtig Erbgut, die an die Kirche zu Leudensche 6

Schepp Zehnthaber ist ausgekauft, davon im Kirchenboiche Bericht“17.

Sauerländer zitiert in der Lüdenscheider Kirchen- und Schulgeschichte18

den westfälischen Geschichtsschreiber von Steinen, der um die Mitte des

18. Jahrhunderts forschte und sich im Kontext der Konfessionalisierung

auf ein Lüdenscheider Kirchenbuch bezog, das die Einführung lutheri-

schen Gesangs dokumentiere. Kirchenbücher sind außer zur Verzeich-

nung von Amtshandlungen auch zur Niederschrift von Vermögensan-

16 Akten zu Geburten, Heiraten und Sterbefällen bei Juden und Dissidenten im Bezirk des Gerichts Lüdenscheid [Protokollbände], Landesarchiv Detmold, Personenstands-archiv, P 5 Nrn. B 78-83, 1847-1874 (6 Bände) sowie Geburten-, Heirats- und Sterbere-gister für Juden und Dissidenten im Bezirk des Gerichts Lüdenscheid, Landesarchiv Detmold, Personenstandsarchiv, P 5, Nrn. 108-113 I/II, 1847-1874 (12 Bände). 17 Kirchspiel Lüdenscheid im Jahre 1652. In: Süderland, Heimatblatt für den südlichen Teil der Grafschaft Mark, 3. Jahrgang 1925, S. 73, 113, 121, 134, 142, 150, 158, 171, 179 (Bericht des Receptors Jacob Fischer von Leifringhausen), S. 135. 18 Sauerländer 1953, a. a. O., S. 10.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

13

gelegenheiten und Ereignissen verwendet worden. Günther19 weist da-

rauf hin, dass der Terminus „Kirchenbuch“, der vereinzelt seit dem 14.

Jahrhundert nachweisbar ist, im frühen Gebrauch keineswegs mit der

heute geläufigen Bedeutung, der Registrierung von Personenstandsfäl-

len, verbunden werden kann. Der Begriff ist ursprünglich auf Unterla-

gen über Einkünfte und wirtschaftliche Angelegenheiten angewandt

worden. Wenn also in der zitierten Quelle aus der Mitte des 17. Jahrhun-

derts und in einem Zusammenhang, der sogar bis in das 16. Jahrhundert

zurückweist, von einem Lüdenscheider Kirchenbuch die Rede ist (oder

mehreren), so lässt sich daraus nicht schließen, dass darin auch Perso-

nenstandsfälle dokumentiert wurden. Die folgenden Ausführungen be-

nutzen den Begriff „Kirchenbuch“ in der heute gängigen Bedeutung.

Für die beiden lutherischen Gemeinden Lüdenscheids, Kirchspiel

und Stadt, beginnen die überlieferten Kirchenbücher mit dem Jahr 1719,

dem Amtsantritt des Kirchspielspfarrers Johann Leopold Riese20. Dass es

vor jenem Jahr Kirchenregister der lutherischen Gemeinden gegeben

hat, ist anzunehmen, da sie von der Kirchenordnung für Kleve und

Mark von 168721 vorgeschrieben waren, auch die Kirchenbücher der

19 Günther, Wolfgang: Personenstandsüberlieferung in evangelischen Archiven. In: Aus evangelischen Archiven. Neue Folge der „Allgemeinen Mitteilungen“, Nr. 45 2005, S. 102ff., hier S. 103. 20 Johann Leopold Riese, Sohn des Lüdenscheider Kirchspielspfarrers (und vorheri-gen Vikars und Stadtpredigers) Diedrich Riese, wurde am 19.3.1719 in Hagen ordi-niert, siehe Waldminghaus, Hartmut: Die evangelischen Pfarrhäuser in Lüdenscheid. Vom Wiedenhof bis zur Teilung der Evangelischen Kirchengemeinde Lüdenscheid im Jahr 1966 (Teil 1), in: Der Reidemeister, Geschichtsblätter für Lüdenscheid Stadt und Land, Nr. 184 2010 (Waldminghaus 2010), S. 1531. 21 „Ein jeglich Presbyterium soll sein Siegel und absonderliche Bücher haben, worin-nen nicht allein dessen acta sondern auch die Nahmen der getaufften, imgleichen de-rer so ihr Glaubens Bekäntnis gethan, den H. Ehestand beschritten, oder auch durch den zeitlichen Todt abgangen seyn möchten, gehörig und ordentlich verzeichnet wer-den“. Nach Scotti, J. J.: Sammlung der Gesetze und Verordnungen, welche in dem Herzogthum Cleve und in der Grafschaft Mark über Gegenstände der Landeshoheit, Verfassung, Verwaltung und Rechtspflege ergangen sind, vom Jahre 1418 bis zum Eintritt der königlich preußischen Regierungen im Jahre 1816. Bd. 1-5, Düsseldorf 1826, hier Bd. 1, S. 595ff., besonders S. 622f., §§ 103, 107. Zitiert ist § 107. In § 103 wird der Begriff Kirchenbuch für ein Protokollbuch des Presbyteriums (Konsistoriums) verwendet. In diesem Sinn und mit Bezug auf § 103 verlangte die lutherische Synode am 21. und 22. Juli 1739 in Hagen die ordnungsmäßige Eintragung der Wahlen zum Konsistorium in ein Kirchenbuch (Göbell, Walter: Die evangelisch-lutherische Kirche

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 14

Nachbargemeinden zum Teil bis in das 17. Jahrhundert zurückreichen

und Lüdenscheid als zentraler Ort in der Region sich mutmaßlich nicht

gegen die Kirchenordnung gestellt haben wird. Ob dies aber tatsächlich

so war und was mit älteren Registern, wenn es solche gab, geschehen ist,

ob sie möglicherweise im Stadtbrand von 1723 untergegangen sind,

bleibt auf verfügbarer Quellenbasis offen.

Kirchspiels- und Stadtgemeinde haben das 1719 begonnene Buch zu-

mindest zunächst, bis 1736, gemeinsam benutzt. Insgesamt ist es bis 1765

verwendet worden, ab 1737 jedoch ausschließlich von der Kirchspielsge-

meinde. Dieses Kirchenbuch ist also in doppelter Hinsicht ein „Misch-

buch“, insofern nicht nur unterschiedliche Amtshandlungen, Taufen,

Trauungen und Sterbefälle, sondern diese auch für beide Gemeinden

darin verzeichnet wurden.

Das älteste Kirchenbuch der lutherischen Gemeinden lässt sich in 12

Abschnitte unterteilen:

Seiten Inhalt

1 1-11 Amtshandlungen beider Gemeinden bis 1721:

Taufen, Trauungen, Sterbefälle beider Gemeinden

1719

Trauungen beider Gemeinden 1720

Taufen der Stadtgemeinde 1720

„Bestätigungen“ aus dem Jahr 1745, die Taufen (und

eine Trauung) der Kirchspielsgemeinde aus dem Zeit-

raum 1717-1721 betreffen

2 12-21 Amtshandlungen der Kirchspielsgemeinde 1722-1724:

Taufen (Geburten) 1722-1724, Sterbefälle 1722-172322,

Trauungen 1723

3 22-41 Amtshandlungen der Stadtgemeinde 1721-1729:

Taufen, Trauungen, Sterbefälle

in der Grafschaft Mark. Verfassung, Rechtsprechung und Lehre. Kirchenrechtliche Quellen von 1710 bis 1800. Bd. I-II, Bethel bei Bielefeld 1961, S. 229f.). 22 Die Verzeichnung von Sterbefällen der Kirchspielsgemeinde 1724 war vorgesehen, wie sich an einer dementsprechenden Überschrift erkennen lässt. Sie ist jedoch unter-blieben.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

15

4 42-46 Amtshandlungen der Kirchspielsgemeinde 1728:

Taufen, Trauungen, Sterbefälle

5 47 Taufen (Geburten) der Stadtgemeinde 1730

6 48-59,

61

Amtshandlungen der Kirchspielsgemeinde 1729 (S. 59

und 61 jeweils mit einem Eintrag der Kirchspielsge-

meinde am Seitenanfang):

Taufen, Trauungen, Sterbefälle

7 59-73 Amtshandlungen der Stadtgemeinde 1730-1736:

Taufen, Trauungen, Sterbefälle (dem Jahrgang 1736

fehlt das Sterberegister, das Taufregister reicht nur bis

Anfang November)

8 74 Taufen der Kirchspielsgemeinde 1731 (nur einige

wenige Eintragungen)

9 75-123 Amtshandlungen der Kirchspielsgemeinde 1732-1739:

Taufen, Trauungen, Sterbefälle in Abschnitten ge-

trennt (die Trauregister 1733 und 1737 sind zweifach

angelegt worden, auf S. 87 eine Taufe des Jahres 1727)

10 123-178 Amtshandlungen der Kirchspielsgemeinde 1740-1752:

Taufen, Trauungen, Sterbefälle

Verzeichnung von Taufen und Sterbefällen gemein-

sam in weitgehend chronologischer Reihenfolge. Trau-

ungen fehlen in der Regel, obwohl deren Verzeich-

nung, anhand der Überschriften erkennbar, vorgese-

hen war. Von einzelnen Ausnahmen abgesehen sind

nur 1746 Trauungen eingetragen worden. Den Jahr-

gängen fehlen teils mehrere Monate (so beginnt 1747

erst mit März), der Jahrgang 1752 reicht nur bis April.

11 179-186 Amtshandlungen der Kirchspielsgemeinde 1765:

Taufen, Trauungen, Sterbefälle

12 187-200 Amtshandlungen der Kirchspielsgemeinde 1761-1764:

Taufen, Trauungen, Sterbefälle (die Jahrgänge sind

mehrheitlich unvollständig, nur 1762 umfasst alle Mo-

nate von Januar bis Dezember).

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 16

Johann Leopold Riese trat also 1719 das Amt des Kirchspielspfarrers an.

Für die Stadtgemeinde stellte das Jahr keine Zäsur in der Stellenbeset-

zung dar, insofern der 1. Stadtprediger Johann Melchior Hömann bereits

seit 1698 und der 2. Stadtprediger Caspar Georg Maes seit 1700 im Amt

waren23. „Hauptpastor“ war indessen Riese, und sein Amtsantritt wird

den Beginn eines (neuen) Kirchenbuchs bestimmt haben – gemeinsam

für beide Gemeinden.

Die Verzeichnung der Amtshandlungen erfolgte in äußerst knapper

Form. Taufeintragungen enthalten i. d. R. nebst dem Datum lediglich die

Namen des Kindes und seines Vaters sowie eine Ortsangabe, sofern sie

sich auf Einwohner der Kirchspielsgemeinde bezogen. Für die Stadt Lü-

denscheid war die Ortsangabe zumeist implizit gegeben, sporadisch

kommen Konkretionen vor, namentlich in Bezug auf Wohnorte außer-

halb der Stadtmauern (z. B. „vorm Thor“, „von der Schlittmecke“24).

Traueintragungen beinhalten nebst Datum regelmäßig die Namen der

Brautleute, den Stand bei verwitweten Personen und – teilweise – eben-

falls Orts- oder Herkunftsangaben. Sterbeeintragungen enthalten i. d. R.

außer dem Datum den Namen des Verstorbenen, das Alter und – für die

Kirchspielsgemeinde – den Wohnort. Des Öfteren aber sind selbst diese

knappen Angaben in einzelnen Eintragungen nicht vollständig25. Der

Wortlaut der Kirchenordnung von 168726 verlangte tatsächlich nur die

Eintragung von Namen. – Eine Verzeichnung der Konfirmationen („de-

rer so ihr Glaubens Bekäntnis gethan“), wie es die Kirchenordnung vor-

sah, enthält das Buch nicht.

Bei Personen des öffentlichen Lebens kann, statt oder in Ergänzung

des Vornamens, die Angabe des Standes oder Berufs stehen (z. B. Rektor

23 Zum Amtsantritt Maes‘ siehe Sauerländer 1953, a. a. O., S. 52. Zu Hömann siehe Waldminghaus 2010, a. a. O., S. 1534: Ordination am 14.9.1698 in Lüdenscheid. Hö-mann wurde am 22.1.1745 beerdigt (ebd. nach Sterberegistern ev.-luth. Lüdenscheid-Land Jg. 1745 o. Nr.). 24 Schlittenbach, eine Siedlung in der Lüdenscheider Feldmark. 25 Als Beispiel, zugleich für einen Extremfall, mag ein Sterbeeintrag in das städtische Register vom 8.6.1727 dienen, der nur eine Altersangabe, jedoch keinen Namen ent-hält. 26 Siehe Fußnote 21.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

17

Seltmann, Stadtdiener Schüngels Söhnlein27). Bei anderen Personen ste-

hen solche Angaben gelegentlich an der Stelle eines Nachnamens (z. B.

Elisabeth ancilla von Brunscheid) oder treten an den Platz des komplet-

ten Namens (z. B. ein Junggeselle von der Wahrde). Der Zusatz „Herr“

wird Personen mit gehobenem sozialen Status beigegeben. Ehefrauen

und Witwen sind teils ohne eigene Vornamen registriert worden (z. B.

conjux Johann Goes, vidua syndici Cronenberg). Sofern bei verwitweten

Personen der Familienstand lediglich durch Abkürzungen (z. B. vid. Jo-

hann Kuithan) zum Ausdruck gebracht wird, ist auf den ersten Blick

nicht erkennbar, ob es sich um männliche oder weibliche Personen han-

delt. Hier hilft bisweilen der Kontext. So weisen die städtischen Tauf-

und Sterberegister innerhalb einzelner Jahrgänge eine geschlechtsbezo-

gene Struktur auf. Zwischenüberschriften fehlen zwar, in mindestens

zwei Sequenzen sind jedoch die männlichen Getauften bzw. Gestorbe-

nen sowie die weiblichen Getauften bzw. Gestorbenen voneinander un-

terscheidbar verzeichnet worden. Diese Struktur tritt nicht in allen Jahr-

gängen konsequent zu Tage. Ursächlich ist mutmaßlich die Frequenz,

mit der die Eintragungen erfolgten. Enthält ein Jahrgang lediglich zwei

Sequenzen (eine männliche, eine weibliche), so mag dies darauf hindeu-

ten, dass die Verzeichnung nur einmal für ein Jahr durchgeführt wurde.

Mehrere Wechsel innerhalb eines Jahres mögen auf mehrere Verzeich-

nungstermine hindeuten.

Nur in Einzelfällen geben die Einträge Eigenschaften von Personen

zu erkennen (z. B. viduus caecus – ein blinder Witwer, virgo decrepita –

eine altersschwache Jungfrau), gehen im Sterberegister, sehr selten, kurz

auf die Biographie ein oder verzeichnen Todesursachen (z. B. in puerpe-

rio – im Wochenbett)28. In dieser Beziehung stellt der Jahrgang 1723 des

Sterberegisters der Kirchspielsgemeinde eine Besonderheit dar, insofern

er Hinweise auf den Brand der Stadt Lüdenscheid am 20. August 1723

27 Vor-, Familien- und Ortsnamen in den Beispielen dieses Absatzes in moderner Schreibweise. 28 Spektakuläre Einzelfälle können ausführlicher sein. So z. B. ein Eintrag vom 30.1.1729 in das städtische Sterberegister: „Joh[ann] georg Scharrowitz aus Bamberg Welcher von altona [Altena] gekommen und des nachts sich verirret und morgens todt auff dem füllen felde in der Widdemhoff Gefunden worden aet[atis] 46 J[ahre]“.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 18

enthält29. Die in den Flammen umgekommenen Kirchspielsbewohner

werden als solche explizit ausgewiesen. Lediglich bei unehelich Gebore-

nen werden im Taufregister der Name der Mutter und – soweit bekannt

– der Name (Herkunft, Stand) des Vaters des Kindes angegeben. Sofern

die Kindseltern nach der Geburt des Kindes heirateten, kann der Tauf-

eintrag einen Hinweis auf diesen Umstand enthalten (z. B. „nunmehro

eheleüte“).

Die Taufregister 1719 (Stadt und Kirchspiel) und die Tauf- und Ster-

beregister 1722/1723 (Kirchspiel) weisen eine Formularstruktur auf, im

Übrigen sind die Amtshandlungen in Fließtext – teils ganzseitig, teils

halbseitig – verzeichnet worden. Die Eintragungen sind zum Teil in la-

teinischer, zum Teil in deutscher Sprache gehalten. Kalenderdaten wer-

den überwiegend nach dem gregorianischen Kalender, teils auch nach

dem Kirchenkalender angegeben.

Die Überschriften zu den Eintragungen der einzelnen Jahrgänge dif-

ferieren in ihrem Bezug auf das zugrundeliegende Ereignis. Sie lauten

auf „Verzeichnis der Getauften“ bzw. „specificatio baptizatorum“ (und

ähnliche Begrifflichkeiten), mit denen die darauf folgenden Sequenzen

als Taufregister identifiziert werden, aber auch auf „Verzeichnis der Ge-

borenen“ bzw. „designatio natorum“ (und gleichbedeutende Begriffe).

Wörtlich genommen beziehen sich letztere mithin auf das Ereignis der

Geburt, nicht auf die kirchliche Amtshandlung der Taufe. Es kann ange-

nommen werden, dass diese Eintragungen gleichwohl unter dem Da-

tum der Taufe vorgenommen wurden, und damit im Übrigen der Kir-

chenordnung entsprachen, und nicht unter dem Datum der Geburt.

Gleiches gilt für Begräbnisse bzw. Sterbefälle („designatio denatorum“

usw.). Hier kann angenommen werden, dass die Eintragungen unter

dem Begräbnisdatum, nicht unter dem Sterbedatum, vorgenommen

wurden30.

29 Zum Stadtbrand siehe Sauerländer, Wilhelm: Geschichte der Stadt Lüdenscheid von den Anfängen bis zum Jahre 1813 (Sauerländer 1965), S. 179. 30 Die Kirchenordnung bezieht sich im Wortlaut auf den Sterbefall (diejenigen, die „durch den zeitlichen Todt abgangen seyn möchten“), siehe Fußnote 21.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

19

Jahrgangsüberschriften im evangelisch-lutherischen Kirchenbuch 1719-

1765:

Jahrgang Überschrift

Stadtgemeinde, Taufen (Geburten)

1719 specificatio baptizatorum

1720 specificatio der Getaufften

1721-1728 specificatio (designatio) natorum

1729 specificatio renatorum

1730-1732 designatio (specificatio) natorum

1733-1736 specificatio renatorum

Stadtgemeinde, Begräbnisse (Sterbefälle)

1719 specificatio mortuorum

1721-1735 designatio (specificatio) denatorum

Kirchspielsgemeinde, Taufen (Geburten)

1719 specificatio baptizatorum

1720 specificatio der Getaufften

1722 specificatio der Gebohrnen

1723 specificatio der Getaufften

1724 specificatio der Gebohrnen (Söhne) bzw. Specificatio der

Getaufften (Töchter)

1728-1729 specificatio der Getaufften (specificatio natarum filiarum)

1730 specificatio natorum

1732 specificatio baptizatorum (aber auch: der Gebohrnen)

1733-1734 Verzeichnüs der Getaufften

1735-1736 baptizatorum, renatorum

1737-1739 designatio renatorum

1740-1747 designatio natorum

1748-1752 renatorum

1761-1764 – keine Angabe –

1765 Getaufte

Kirchspielsgemeinde, Begräbnisse (Sterbefälle)

1719-1729 specificatio der Verstorbenen

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 20

1732-1752 specificatio (designatio) denatorum

1761-1764 – keine Angabe –

1765 Gestorbene (im Text aber: Begrabene oder Gestorbene)

Auf einige Besonderheiten ist hinzuweisen. So ist die Verzeichnung der

Amtshandlungen der Kirchspielsgemeinde 1728 und 1729 (Abschnitte 4

und 6) von dem geradezu zwanghaften Bemühen gekennzeichnet, die

chronologische Reihenfolge zu wahren. Die vielfach zwischen bereits be-

stehenden Zeilen eingefügten zusätzlichen Zeilen machen diese Register

teilweise schwer lesbar. Ähnliches gilt, in abgeschwächter Ausprägung,

für den Jahrgang 1732 (Abschnitt 9). In diesem Jahrgang 1732 ist, zusätz-

lich zu Einfügungen, ein Referenzsystem zur Wahrung der Chronologie

angewandt worden. Referenzen innerhalb der Hauptsequenz verweisen

auf später nachgeholte Eintragungen.

Die Jahrgänge 1733 und 1737 des Trauregisters der Kirchspielsge-

meinde sind doppelt geführt worden. Inhaltlich weichen die Eintragun-

gen nicht selten voneinander ab. Teilweise ergänzen sich die Angaben in

Bezug auf Namen, Familienstand, Herkunft.

Jahrgang 1745 der Kirchspielsgemeinde enthält Personenstandsfälle,

die die Stadtgemeinde betreffen („ex urbe“). Der Grund ist offenbar da-

rin zu suchen, dass nach dem Tod des Stadtpredigers Hömann Kirch-

spielspfarrer Riese die von ihm für die Stadtgemeinde vorgenommenen

Amtshandlungen mit verzeichnet hat. Vereinzelt treten solche Einträge

für Städter auch in weiteren Jahrgängen der Kirchspielsregister auf. Ins-

gesamt aber fehlen städtische Register ab 1737 bis 1765.

1745 sind „Bestätigungen“ zu Taufen und einer Trauung der Kirch-

spielsgemeinde aus der Zeit zwischen 1717 und 1721 nachgetragen wor-

den (in Abschnitt 1). Der Grund für diese nachgeholten Einträge ist nicht

ersichtlich. Da jedoch Zeugen vernommen und deren Aussagen doku-

mentiert wurden, werden Anlässe ursächlich gewesen sein, die eine

kirchliche Bestätigung erforderten.

Einträge, die die adelige Familie von Kessell zum Neuenhof betref-

fen, sind bis 1722 in die Kirchspielsregister, ab 1724 in die städtischen Re-

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

21

gister eingetragen worden. Haus Neuenhof besaß in der Stadt Lüden-

scheid ein Haus31.

Eintragungen zu einigen Familien (Spannagel, Brüninghaus, Selve)

sind in späterer Zeit, wohl im Rahmen von genealogischen Recherchen,

durchgängig markiert worden. Diese Markierungen gehören nicht zum

ursprünglichen Text und dürfen, je nachdem, wo sie angebracht worden

sind, nicht zu Fehlinterpretationen führen.

Eine Sequenz von Einträgen, die von Februar bis Dezember 1763

reicht (Abschnitt 12), schließt mit dem Bemerken: „diese sind aus denen

nachero vorgefund[enen] Calendern des seel[igen] H[errn] Pastoris Rie-

sen ins Kirchbuch eingetrag[en] word[en]“ 32. Riese hat demnach die von

ihm vorgenommenen Amtshandlungen nicht bzw. zumindest nicht

durchgängig direkt in sein Kirchenbuch eingetragen, sondern zunächst

in „Kalender“. Der letzte Eintrag in das nach Rieses Tod weitergenutzte

Kirchenbuch datiert vom 3. November 1765.

Abschnitt 12 offenbart insgesamt eine große Unsicherheit im Um-

gang mit Familiennamen und Siedlungsbezeichnungen. Dies ist ange-

sichts der Tatsache, dass der Prozess der Festigung von Familiennamen

im Kirchspiel Lüdenscheid noch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts an-

dauerte und dadurch die Identifikation einzelner Personen erschwert

wird, ein zusätzlicher Belastungsfaktor.

Die Problematik der Festigung von Familiennamen sei an dieser Stel-

le als kurzer Exkurs an der Person des Johann Hermann Schulte zu Hel-

lersen verdeutlicht. Dieser hat ausweislich des Trauregisters 1720 die

Anna Elisabeth Heller (auch Hellersen) geheiratet. Sein ältester Sohn ist

gemäß einer „Taufbestätigung“ von etwa 1745 im Juli (Heumonat) 1721

geboren, als Vater wird in diesem Vermerk Johann Hermann Geveln-

dorf alias Schulte angegeben. Schulte war Lehnsvasall auf dem landes-

herrlichen Lehngut „Gerden Gut“ (später „Schulten Gut“) zu Hellersen.

Ein Verzeichnis von ca. 1734/36 weist ihn als solchen unter dem Namen

31 Sauerländer 1965, a. a. O., S. 197. 32 Riese starb am 30.3.1765 (Sterberegister ev.-luth. Lüdenscheid-Land Jg. 1765 o. Nr.). Siehe auch Waldminghaus 2010, a. a. O., S. 1531.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 22

Johann Hermann von Gevelndorf aus33. Schulte starb 1762, seine Witwe

im Mai 1765 (Sterberegister der Kirchspielsgemeinde). Die Witwe ist un-

ter dem Namen Verse in das Sterberegister eingetragen worden. Im No-

vember 1765 regelten die Erben des verstorbenen Johann Hermann

Schulte zu Hellersen ihre Nachlassangelegenheiten, so auch in Bezug auf

das Lehngut34. Unter den Erben waren die Lüdenscheider Bürger Her-

mann Andreas Stolle und Johann Wilhelm Schmale sowie Peter Stephan

Glörfeld und Johann Diedrich Rentrop, die im Kirchspiel wohnten. Eben

diese Erben verkauften 1783 einen Frauenkirchensitz, der ihnen von ih-

rem verstorbenen Schwiegervater Johann Hermann Verse (hier Veese)

zu Hellersen zugefallen war35. Gevelndorf als Herkunftsort, Gerden und

Schulte als Gutsnamen und Verse bzw. Veese als Beiname, vielleicht

auch als der ursprüngliche Familienname: Genealogische Forschung in

Lüdenscheid hat solcher Namensvielfalt Rechnung zu tragen.

3. Die Kirchenbücher der Kirchspielsgemeinde ab 1765 bis 1823

Beginnend mit dem Kirchenjahr 1765/66 ist für die Kirchspielsgemeinde

ein Kirchenbuch geführt worden, das sich nach der preußischen Verord-

nung von 176636 richtete, diese, wie zu zeigen sein wird, jedoch nur teil-

weise umsetzte. Das Kirchenbuch ist ein „Mischbuch“ und enthält die

Abschnitte A (Taufen), B (Sterbefälle) und C (Trauungen). Kirchspiels-

pfarrer war vom 23. April 1766 an Johann Anton Meuer37.

Das Taufregister weist eine tabellarische Struktur auf und enthält bis

April 1766 je Eintrag das Taufdatum, den Geburtsort, die Namen der El-

tern und des Kindes sowie eine fortlaufende Nummer („Anzahl“). Wei-

33 Schmidt, Ferdinand: Märkisches A-B-C oder „Gesamelte Nachrichten aus (Cleve und) Mark“. In: Süderland, Heimatblatt für den südl. Teil der Grafschaft Mark, 5. Jahrgang 1928 bis 16. Jahrgang 1938, hier Jg. 1928, S. 15. 34 Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Grafschaft Mark, Gerichte III, Nr. 5, 13, Bd. 2, S. 500ff. 35 Landesarchiv NRW, Abteilung Westfalen, Grafschaft Mark, Gerichte III, Nr. 5, 13, Bd. 5, S. 30ff. Alle Namen in moderner Schreibweise. 36 NCC, a. a. O., Bd. 4, Nr. 2, Verordnung vom 2.1.1766. 37 Datum gemäß Bauks, Friedrich Wilhelm: Die evangelischen Pfarrer in Westfalen von der Reformationszeit bis 1945. Beiträge zur westfälischen Kirchengeschichte Bd. 4, Bielefeld 1980, S. 329 und nach Waldminghaus 2010, a. a. O., S. 1532. Das Datum stimmt mit dem Befund überein, dass die Registerführung ab Mai 1766 erkennbar Änderungen erfuhr.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

23

tere Angaben, die von der Verordnung von 1766 vorgesehen waren,

Stand und Gewerbe des Vaters, Wohnung der Eltern, das Geburtsdatum

des Kindes, Stand, Gewerbe und Wohnung der Taufzeugen, fehlen38.

Auch hielt man sich in Lüdenscheid anfänglich nicht an die vorgeschrie-

bene separate Führung von Registern für die beiden politischen Gemein-

den, das Kirchspiel und die Stadt, denn das Register enthält zunächst

Eintragungen für beide Gemeinden. Die ursprüngliche Absicht, weiter-

hin ein einziges Kirchenbuch für beide Gemeinden zu führen, zeigt sich

auch an den frühen Seitenüberschriften, die sowohl die Stadt als auch

das Kirchspiel adressieren. Nach 1766 sind es nur einige wenige städti-

sche Familien, deren Taufen in das Kirchspielsregister eingetragen wur-

den, die des Pfarrers Meuer, die des Küsters Tappe und die des Rektors

Kocher39. Andere Eintragungen für Städter bleiben vereinzelt. Es sind

dies lediglich zwei Fälle im weiteren Verlauf des 18. Jahrhunderts.

Ab Mai 1766, mit dem Amtsantritt Meuers, nimmt das Taufregister

eine größere Übereinstimmung mit der Verordnung von 1766 an, aller-

dings weiterhin, ohne diese vollständig umzusetzen. Im linken Teil der

über zwei Buchseiten geführten Tabelle sind der Wohnort der Kindsel-

tern sowie die während des Kirchenjahrs fortzuschreibende Statistik

nach Getauften insgesamt, nach ehelichen und unehelichen Söhnen und

Töchtern und nach Kindern aus dem Militärstand, getrennt nach Ge-

schlecht, verzeichnet. Von den beiden Spalten des rechten Tabellenteils

trägt die eine die Überschrift „Der Eltern Vor- und Zunamen, Stand und

Gewerbe, auch dem Orte ihrer Wohnung, Geschlecht und Taufname des

Kindes, Tage der Geburt und der Taufe und Namen, Stand, Gewerbe

38 Die Verordnung unterscheidet zwischen Wohnort und Wohnung. Prinzipiell wäre für die Siedlungen des Kirchspiels Lüdenscheid, in denen mehrere Höfe lagen, die Bezeichnung einer „Wohnung“ zusätzlich zum Wohn- bzw. Geburtsort möglich ge-wesen. – Besondere Bestimmungen enthält die Verordnung für ortsfremde Personen, z. B. Durchreisende (zu verzeichnen mit Ort und Gebiet ihrer Herkunft), und für un-ehelich Geborene (Verzeichnung der Väter nur bei einem Bekenntnis zum Kind). Sie wiederholt die Vorschrift einer Instruktion vom 16.11.1764 (NCC, a. a. O., Bd. 3, Nr. 80) in Bezug auf die Verzeichnung von Besonderheiten (Mehrlingsgeburten, im Wortlaut nur Zwillingsgeburten, und „ob etwas Monstreuses oder ausserordentliches daran gewesen, oder sonst Merkwürdiges“). 39 Das städtische Register enthält Verweise auf solche Amtshandlungen, siehe z. B. ev.-luth. Taufregister Lüdenscheid-Stadt Jg. 1771, o. Nr. (September). – Zu Rektor Ko-cher siehe Sauerländer 1965, a. a. O., S. 214ff.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 24

und Wohnung der Taufzeugen“, was den Vorgaben der Verordnung

entspricht (Haupttext). Die andere trägt die Überschrift „Beimerkung“.

Die Überschriften des Haupttexts und der Bemerkungsspalte finden sich

nur auf einer einzigen Seite und sind in der Folge weggelassen worden.

Inhaltlich gibt der Haupttext indessen auch jetzt nur einen Teil der Infor-

mationen wieder, die nach der Verordnung und dem Wortlaut der

Überschrift hätten vorhanden sein sollen. Er enthält in der Regel die Na-

men der Eltern, nur bei Familien mit sozialem Prestige und Militärperso-

nen Angaben zu Stand oder Gewerbe, das Geschlecht und den Taufna-

men des Kindes, das Taufdatum und die Namen der Taufzeugen, selten

auch deren Wohnort oder deren Stand. Das Geburtsdatum ist erst ab

Anfang 1791 regelmäßig registriert worden, vorher lediglich sporadisch.

Die Anzahl der Taufzeugen ist im Regelfall drei, gelegentlich mehr und

manchmal weniger40. – Die Bemerkungsspalte enthält zuweilen Hinwei-

se, so z. B. auf Mehrlingsgeburten.

Eine übersichtliche Kirchenbuchführung, die auch Anderen eine ein-

fache Lesbarkeit ermöglichte, war Meuers Sache offenkundig nicht. Da-

durch, dass er zwar im linken Tabellenteil die Spaltenüberschriften bei-

behielt, im rechten jedoch nicht, aber auch rechts stets am Seitenanfang

zu schreiben begann, sind die beiden Hälften der Eintragungen gegen-

einander versetzt. Meuer bediente sich einer stark abkürzenden Schreib-

weise, dies nicht nur für die sich wiederholenden Standardformeln, son-

dern oft auch für Namen. Das Schriftbild ist gekennzeichnet von einer

im Lauf der Jahre zunehmend kleiner werdenden Handschrift und von

oft mehr oder minder stark gebogenen Zeilen des Haupttexts.

Beginnend mit dem Jahr 1783 enthält das Taufregister eine zusätzli-

che Nummerierung jeweils auf der linken und der rechten Seite, die sich

nicht, wie der Statistikteil des Registers selbst, am Kirchenjahr, sondern

nunmehr am Kalenderjahr orientiert. Sie mag nach Meuers Tod einge-

fügt worden sein, um die Zuordnung der gegeneinander versetzten Re-

gisterhälften zu erleichtern. Nach 1790 ist für diese Zuordnung die Origi-

nalnummerierung verwendet worden. – Eine weitere zusätzliche Num-

40 Meuer benutzt weit überwiegend die Begriffe Taufzeugen oder testes, nur in Aus-nahmefällen den Begriff Paten.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

25

merierung, innerhalb der Jahrgänge 1769/70, resultiert daraus, dass das

Kirchenbuch irgendwann neu eingebunden worden ist, dabei einige Sei-

ten in unrichtiger Reihenfolge.

Vom Jahrgang 1795 an sind die Sequenzen des Taufregisters gele-

gentlich durcheinandergeraten. 1795 fehlt an einer Stelle im linken Regis-

terteil ein mit der rechten Hälfte korrespondierender Eintrag. An einer

anderen Stelle desselben Jahrgangs finden sich zwei Eintragungen auf

der linken Seite, denen kein Haupttext entspricht, den Meuer später

nachgeholt hat. Diese und eine Reihe ähnlich gelagerter Fälle in den Fol-

gejahrgängen erschweren die Lesbarkeit namentlich in Bezug auf die

Zuordnung der Wohnorte, die sich im linken Teil befinden, zum Haupt-

text.

Das Sterberegister weist eine tabellarische Struktur auf, die gelegent-

lich wechselt. Zu Beginn, mit dem Kirchenjahr 1765/66, sind Spalten für

Begräbnismonat und -tag, für den Sterbeort, für die Namen der Verstor-

benen getrennt in zwei Spalten nach Geschlechtern, zum „Zustand“ (Fa-

milienstand, Angaben zu Eltern bei verstorbenen Kindern, zu Hinter-

bliebenen), zur Todesursache und zum Alter vorhanden. Der Text in der

Rubrik „Zustand“ ist teils in Deutsch, teils in lateinischer Sprache formu-

liert, in einzelnen Einträgen auch aus beiden Sprachen gemischt. Andere

von der Verordnung von 1766 vorgegebene Informationen (Wohnung,

Stand und Gewerbe, Todestag, Stunde des Todes) fehlen, ebenso die für

Sterberegister vorgesehene differenzierte Statistik41. Auch das Sterbere-

gister war zunächst für die Aufnahme von Amtshandlungen beider Lü-

denscheider Gemeinden angelegt, wie das Taufregister, und es enthält

wie dieses Eintragungen, die die Familien Meuer und Kocher betreffen.

Die Anzahl der Städter insgesamt ist während des 18. Jahrhunderts bei

den Sterbefällen etwas höher als bei den Taufen.

41 NCC, a. a. O., Bd. 4, Nr. 2, Verordnung vom 2.1.1766. Zu der auch für Sterberegister vorgesehenen Unterscheidung zwischen Wohnort und Wohnung siehe Fußnote 38. Die Statistik hatte gemäß der Verordnung 15 Kriterien zu berücksichtigen: fortlaufen-de Nummer aller Verstorbenen (1), derer vom Militärstand (2), unzeitig und tot gebo-rene männlichen Geschlechts (3), solche weiblichen Geschlechts (4), ehelich Geborene (5), an den Zähnen verstorbene männliche Personen (6), davon bis zu einem Jahr alt (7), davon zwei bis sechs Jahre alt (8), an den Zähnen verstorbene weibliche Personen (9), davon bis zu einem Jahr alt (10), davon zwei bis sechs Jahre alt (11), Todesfälle im Frühjahr (12), im Sommer (13), im Herbst (14), im Winter (15).

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 26

Vom Kirchenjahr 1766/67 an nimmt das Sterberegister eine Struktur

an, die abgesehen von kleineren Modifikationen bis zum Ende der

Amtszeit Meuers im Jahr 1800 bestehen bleibt: Wohnort des Verstorbe-

nen, laufende Nummer (nicht getrennt nach Geschlechtern, zunächst

noch mit der von der Verordnung von 1766 vorgeschriebenen separaten

Spalte für den Militärstand, die jedoch ab Ende 1773 entfällt), Haupttext

(mit Begräbnisdatum, Namen, Familienstand, Hinterbliebenen), Todes-

ursache, Alter. Auf Überschriften verzichtete Meuer nach und nach und

ab 1774 vollständig. Vom Beginn des Jahres 1791 an enthalten die Eintra-

gungen neben dem Begräbnis- auch das Sterbedatum.

Vermutlich zur Erleichterung der Anfertigung der von den preußi-

schen Verordnungen von 1764/66 vorgeschriebenen Jahreslisten42 hat

Meuer die Verstorbenen, die Opfer von Epidemien waren, in der Spalte

für die Todesursachen extra gezählt.

Das Trauregister schließlich weist eine tabellarische Struktur auf, ent-

hält das Heiratsdatum, den Wohnort der Getrauten, die Namen von

Braut und Bräutigam (Militärpersonen werden als solche ausgewiesen),

den Familienstand der Brautleute und anfänglich eine fortlaufende

Nummer. Die für Trauungen vorgesehene differenzierte Statistik bein-

haltet das Register nicht, verzeichnet jedoch, da für die Statistik neben

einer Familienstands- eine Altersstruktur vorgeschrieben war, stattdes-

sen gelegentlich absolute (in Lebensjahren) oder relative (in Altersspan-

nen, Beispiel: Witwer unter 45 Jahren) Angaben zum Alter43. Die Spal-

42 NCC, a. a. O., Bd. 3, Nr. 80, Instruktion vom 16.11.1764, NCC, a. a. O., Bd. 4, Nr. 2, Verordnung vom 2.1.1766. Die differenzierten Statistikteile innerhalb der Kirchenbü-cher sollten als Grundlage für regelmäßige bevölkerungsstatistische Auswertungen dienen, zu denen die einzelnen Gemeinden mit den sogenannten „Jahreslisten“ bei-zutragen hatten. Die Instruktion von 1764 ist auf der lutherischen Synode in Hagen am 9. und 10. Juli 1765 erörtert worden. Im Zentrum der Erörterungen stand auf die-ser Synode nicht die Führung der Kirchenbücher selbst, sondern die Erstellung und die Einsendung der Jahreslisten. Aus Lüdenscheid war Pfarrer Meuer in Hagen an-wesend, als Novitius, einem Pfarrer, der seit der letzten Synode sein Amt angetreten hatte (Göbell, a. a. O., S. 366ff. Zu den Novitii siehe ebd. S. XVI.). Die klevische Regie-rung hatte zuvor „die Beamten“ am 30.12.1764 bezüglich der Förmlichkeit der Kir-chenbücher und der Jahreslisten angewiesen und die Instruktion am 3.1.1765 publi-ziert (Scotti, a. a. O., Bd. 3, S. 1610). 43 NCC, a. a. O., Bd. 4, Nr. 2, Verordnung vom 2.1.1766. Zu der auch für Trauregister vorgesehenen Unterscheidung zwischen Wohnort und Wohnung siehe Fußnote 38. Eine Information zum Gewerbe des Bräutigams enthält das Register nicht. Die Statis-

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

27

tenüberschriften, die in Deutsch oder Latein gehalten sind, entfallen ab

Mitte 1777 gänzlich.

Informationen zur familiären Abstammung des Brautpaares, im Be-

sonderen die Namen ihrer Väter, sind für die gesamte Amtszeit Meuers

bis zum Jahr 1800 nicht vorhanden. Es war dies von der Verordnung

von 1766 auch nicht gefordert. Gleichwohl erweist sich dieser Umstand

als ein großes Defizit für die genealogische Forschung in Lüdenscheid.

Verzeichnet sind fallweise, nicht durchgängig, lediglich lokale Her-

kunftsangaben für Personen, die nicht aus einer der Lüdenscheider Ge-

meinden stammten, und manchmal Angaben zu nicht-lutherischen

Konfessionen.

Ab Mai 1766 weist das Trauregister nach, ob eine Trauung in der Kir-

che oder außerhalb derselben vollzogen worden ist. Zu dem Zweck er-

hielt das Register eine weitere Spalte (Ort der Copulation). Das Lüden-

scheider Kirchspielsregister differenziert zwischen „in der Kirche“ und

„außer der Kirche“ (im Lauf der Jahre textuell oft stark abgekürzt), die

Verordnung von 1766 zwischen „in der Kirche“ und „im Hause“. Die in

Lüdenscheid gewählte Formulierung lässt ihrem Wortlaut nach nicht

unbedingt auf eine Trauung im zukünftigen Wohnhaus des Brautpaares

oder in einem elterlichen Haus schließen, denn auch Trauungen in Gast-

stätten waren durchaus üblich44. Fortlaufend gezählt wurden ab 1767 die

Trauungen außerhalb der Kirche, dies jedoch nicht in allen Jahrgängen

durchgängig und nur bis Mitte 1793. Eine parallele Zählung auch der

Trauungen in der Kirche ist lediglich ansatzweise vorhanden (so im

Jahrgang 1782). Die Zählung der außerkirchlichen Trauungen orientiert

sich an Abrechnungszeiträumen für die zu entrichtenden Gebühren,

tik sollte 10 Kategorien aufweisen: fortlaufende Nummern aller Trauungen (1), Trau-ungen aus dem Militärstand (2), Trauungen von Ledigen (3), von Junggesellen mit Witwen unter 45 Jahren (4), von Junggesellen mit Witwen über 45 Jahren (5), von Wit-wern unter 60 Jahren mit ledigen Frauen (6), von Witwern und Männern über 60 Jah-ren mit ledigen Frauen oder jungen Witwen (7), von Witwern unter 60 Jahren mit Witwen unter 45 Jahren (8), von Witwern mit Witwen, von denen einer oder beide über 60 bzw. 45 Jahre alt sind (9), Trauungen, bei denen einer oder beide Brautleute geschieden („ein abgeschiedener Ehegatte“) sind (10). 44 Vgl. etliche Eintragungen in das Trauregister ev.-luth. Lüdenscheid-Stadt aus der Zeit bis 1800. Das städtische Trauregister ist in der Beziehung informativer als das der Kirchspielsgemeinde, da es die Orte der Trauungen konkret bezeichnet.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 28

nicht am Kirchenjahr. Das Register enthält wiederholt Abrechnungsver-

merke45. Meuer hat nicht nur zwischen Kirchenjahren, sondern auch

zwischen den Abrechnungszeiträumen Trennzeilen in das Register ein-

gefügt. Jahreszahlen finden sich aber oftmals nur am Beginn einzelner

Seiten, die jeweils mehrere Jahrgänge beinhalten können. In dem Ver-

such, die chronologische Struktur transparenter zu machen, sind von

späterer Hand Jahreszahlen in den Seitentext eingefügt worden. Diese

richten sich jedoch an manchen Stellen nach den Trennzeilen für die Ab-

rechnungszeiträume, entsprechen daher nicht der tatsächlichen Chrono-

logie und tragen daher mehr zur Unübersichtlichkeit bei als zur Trans-

parenz.

Im Gegensatz zu Tauf- und Sterberegister sind die im Trauregister

verzeichneten Amtshandlungen, die die Stadtbevölkerung betreffen,

sehr zahlreich. Der Grund ist darin zu suchen, dass dem Kirchspielspfar-

rer bis ins frühe 19. Jahrhundert das Recht zustand, auch für die Stadtge-

meinde Trauungen vorzunehmen46 und dafür die Gebühren zu erheben.

Der Verordnung von 1766 gemäß sind solche Trauungen in das Register

für die (politische) Gemeinde Lüdenscheid-Stadt, aber informativ auch

in das Kirchspielsregister eingetragen worden.

Die letzten Eintragungen von der Hand Meuers datieren aus der Zeit

kurz vor seinem Tod. Er starb am 14. Dezember 1800. Sterbeeintragun-

gen finden sich, einschließlich einer Biographie, im Kirchspiels- und im

Stadtkirchenbuch. Nach Meuers Tod hat sein Nachfolger im Amt des

Kirchspielspfarrers, Johann Franz Hülsmann, das Kirchenbuch noch bis

1809 fortgeführt. Die Jahrgänge orientieren sich ab 1801 nicht mehr am

Kirchenjahr, sondern am Kalenderjahr.

Hülsmanns Register sind wesentlich übersichtlicher strukturiert als

die seines Vorgängers. Sie erfüllen grundsätzlich die Vorschriften des

Allgemeinen Landrechts von 1794, die an die Stelle der älteren Bestim-

45 So z. B. aus Juni 1788, Berechnung durch den Rendanten für 21 Trauungen im zu-rückliegenden Abrechnungszeitraum. 46 Siehe dazu Sauerländer 1965, a. a. O., S. 298. Von Interesse ist in dem Zusammen-hang das Vorblatt zur Zweitschrift, auf die noch näher eingegangen wird, demzufol-ge das Register die Copulierten des Kirchspiels und die „Hälfte“ der Copulierten der Stadt Lüdenscheid beinhalte.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

29

mungen von 1766 traten47. Das Taufregister ist gegliedert in Spalten für

die laufende Nummer und für Geburts- und Taufdatum, Wohnort,

einen Statistikteil (mit separaten Spalten für ehelich geborene Söhne und

Töchter, für Kinder aus dem Soldatenstand, für Uneheliche und Totge-

burten) und für den Haupttext mit dem Namen des Kindes, den Namen

und dem Familienstand der Eltern und mit den Namen der Taufzeugen.

Deren Anzahl ist im Regelfall drei48. In Bezug auf das Allgemeine Land-

recht fehlt die Stunde der Geburt, den Stand von Taufzeugen vermerkt

Hülsmann zum Teil. – Das Sterberegister beinhaltet eine laufende Num-

mer, Spalten für den Wohnort, für die separate Zählung der männlichen

und weiblichen Verstorbenen, für den Haupttext mit Namen, Todes-

und Begräbnisdatum, Angaben zu Hinterbliebenen sowie bei Erwachse-

nen mit kurzen Biographien, dann Spalten für Alter und Todesursache.

– Das Trauregister enthält Spalten für laufende Nummer und Heiratsda-

tum, Wohnort, einen Statistikteil (nach den Kriterien Junggeselle/Jung-

frau, Junggeselle/Witwe, Witwer/Jungfrau und Witwer/Witwe) und für

den Haupttext mit den Namen und dem Familienstand der Brautleute

und nunmehr auch Angaben zur familiären Abstammung (Namen und

Wohnorte der Väter, nicht bei verwitweten Personen). Nicht umgesetzt

ist die Bestimmung des Allgemeinen Landrechts, zu vermerken, ob El-

tern oder Vormünder ihre Einwilligung in die Ehe erteilt haben, sofern

Brautleute „noch unter Aeltern und Vormündern stehen“. Es fehlen

außerdem Angaben zum Alter der Brautleute. Mit Hülsmanns Register-

führung beginnt für die Lüdenscheider Kirchspielsgemeinde die Ver-

zeichnung von Dimissionen (mit von den Trauungen separater Zäh-

lung).

47 ALR, a. a. O., S. 559, §§ 483, 484 (Trauungen), §§ 485-491 (Taufen), §§ 492-495 (To-desfälle). 48 Dass es sich tatsächlich lediglich um Taufzeugen, also um Zeugen der kirchlichen Amtshandlung, und nicht um Taufpaten gehandelt hat, kann aus einem Vergleich solcher Taufen hervorgehen, die sowohl in das Register der Kirchspielsgemeinde als auch in das der Stadtgemeinde eingetragen worden sind. Beispiel: Taufe des Johann Diedrich Funke, aus einer Außenbürgerfamilie, am 1.9.1805. Von den je drei in die Re-gister eingetragenen Taufzeugen ist nur einer identisch. Die anderen mögen, jeweils unterschiedlich, aus der Reihe der anwesenden Personen genommen worden sein (Taufregister ev.-luth. Lüdenscheid-Land Jg. 1805 Nr. 61, Taufregister ev.-luth. Lüden-scheid-Stadt Jg. 1805 Nr. 43).

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 30

Alle drei Abschnitte des Kirchspielskirchenbuchs 1765-1809 sind am

Schluss des Jahrgangs 1809 mit Abschlussvermerken des Lüdenscheider

Maire Kerksig versehen. Danach oblag die Registerführung bis 1814 den

Kommunalbehörden.

Meuers Kirchenbuch erwies sich wegen der geschilderten Unzuläng-

lichkeiten für den täglichen Amtsgebrauch als offensichtlich untauglich.

Daran konnten wohl auch die an einigen Stellen unternommenen Versu-

che nichts ändern, mehr Transparenz zu schaffen. Man entschloss sich

daher, eine komplette Zweitschrift anzufertigen. Damit war vielleicht

auch – im Nachgang – die Absicht verbunden, einer Forderung des All-

gemeinen Landrechts von 1794 nach Deutlichkeit und Lesbarkeit zu ent-

sprechen49. Weder Original noch Zweitschrift geben zu erkennen, wann

genau dies geschehen ist. Vermutlich ist das Duplikat in der Zeit kurz

nach der Rückübertragung der Registerführung an die Kirchengemein-

den50 entstanden, also im Jahr 1815 oder in den Jahren ab 1815. Die Ab-

schnitte des Originalkirchenbuchs wurden nunmehr auf zwei Bücher

verteilt, eins für den Abschnitt A (Taufen), das andere für die Abschnitte

B (Sterbefälle) und C (Trauungen).

Die Zweitschrift verwendet weitgehend die formale Struktur der Ein-

tragungen von der Hand Hülsmanns in das Originalkirchenbuch aus

der Zeit von 1801 bis 1809. Im Taufregister fehlt die Spalte für die Zäh-

lung von Kindern aus dem Soldatenstand, sonst ist der formale Aufbau

identisch. Inhaltlich unterscheidet sich die Abschrift jedoch in unter-

schiedlicher Hinsicht vom Original. Durchgängig abweichend sind die

Angaben zu Taufzeugen. Während das Original in der Regel drei Tauf-

49 „Die Pfarrer sind schuldig, richtige Kirchenbücher zu halten, und darin alle von ih-nen besorgte, ingleichen alle die Eingepfarrten betreffende und ihnen angezeigte Auf-gebote, Trauungen, Geburten, Taufen, und Begräbnisse, deutlich und leserlich einzu-schreiben“ (ALR, a. a. O., S. 559, § 481). 50 Mit Erlass des preußischen Zivilgouverneurs zwischen Weser und Rhein in Müns-ter vom 31.12.1814 ging in Umsetzung eines Patents der preußischen Regierung die Registerführung wieder auf die Kirchen über (Scotti, a. a. O., Bd. 5, S. 2840, siehe auch Engelbert, Günther: Die personenstandsgeschichtliche Überlieferung in Westfalen-Lippe bis 1874/75. In: Die Bestände des Nordrhein-Westfälischen Personenstandsar-chivs Westfalen-Lippe bis 1874/75, bearb. v. Günther Engelbert und Ilse Kötz, 2. Auf-lage. Veröffentlichung der staatlichen Archive des Landes Nordrhein-Westfalen, Rei-he B, Archivführer und Kurzübersichten, Heft 5, Detmold 1991, S. 3, Patent vom 9.9.1814).

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

31

zeugen aufführt, sind es in der Zweitschrift fast durchgängig nur noch

zwei. Eine Regel, welche Zeugen für die Abschrift ausgewählt wurden

und welche nicht, ist nicht zu erkennen. Fallweise gewinnt man den Ein-

druck, als sei für diese systematisch durchgeführte Vereinfachung die

Lesbarkeit des Meuerschen Texts ursächlich gewesen. Überhaupt weist

die Zweitschrift eine Fülle unrichtig aus der Urschrift übernommener

Angaben auf, besonders in Bezug auf Familien-, Vor- und Ortsnamen,

vielfach auch bezüglich der Datumsangaben. Schwer lesbare Textpassa-

gen, namentlich solche, die vom Standard abweichen (z. B. Zusatzinfor-

mationen zur Herkunft von Ortsfremden), sind auch sonst nicht selten

weggelassen worden. Vereinzelt fehlen Taufen ganz51, die strukturellen

Schwächen des Originals verursachen wiederholt unrichtige Zuordnun-

gen und damit fehlerhafte Informationen in der Zweitschrift52. Das of-

fensichtliche Bemühen um eine Standardisierung der Abschrift durch

Reduktion der Inhalte führt zudem dazu, dass einige Informationskate-

gorien (Stand, Beruf, Konfession, Zugehörigkeit zu militärischen Ver-

bänden, nicht vom Kirchspielspfarrer vollzogene Taufen) in der Zweit-

schrift nur noch sporadisch vorkommen. Die Zweitschrift kann aber, da

nach ihrer Anfertigung für den Amtsgebrauch genutzt, auch über den

Informationsgehalt der Urschrift hinausgehende Angaben enthalten, die

in späterer Zeit ergänzend oder korrigierend hinzugefügt worden sind.

Das „alte Buch“ selbst ist dann noch als Korrektiv benutzt worden,

wenn Zweifel an der Richtigkeit der Abschrift bestanden53.

Sterbe- und Trauregister der Zweitschrift haben die von Hülsmann

schon in der Urschrift verwendete Tabellenstruktur. Die für die Ab-

schrift des Taufregisters dargestellten Probleme gelten für die beiden an-

deren Register analog. Zahlreiche Übertragungsfehler sind auch hier zu

beobachten, im Sterberegister auch das Bemühen um Standardisierung

51 Zweitschrift Jg. 1774/75 Nr. 19, Zwillinge im Original, von denen im Duplikat nur einer verzeichnet ist. 52 So die oben für die Urschrift dargestellten strukturellen Probleme im Taufregister ab 1795. 53 Z. B. Korrektur eines Geburtsorts mit Bezug auf das „alte Buch“ in der Zweitschrift Jg. 1769/70 Nr. 49. Allerdings ist diese Korrektur als solche unrichtig und findet im „alten Buch“ keine Entsprechung. – Korrektur eines Vornamens ebd. Nr. 104 mit Ver-weis auf das „alte Buch“.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 32

durch Reduktion des ursprünglichen Texts. Ergänzungen von späterer

Hand erweitern fallweise den Informationsgehalt des Originals. Das

Duplikat des Sterberegisters „interpretiert“ das Original gelegentlich, in-

dem es dessen Text verändert wiedergibt54.

Die gesamte Abschrift, Tauf-, Sterbe- und Trauregister, weist die Ten-

denz auf, Vornamen, die im Original ausgeschrieben sind, abgekürzt

wiederzugeben. Die Abkürzungen sind unter Umständen nicht mehr

eindeutig. So steht „Mar.“ überwiegend für Maria, gelegentlich aber

auch für Margaretha, „Christ.“ für Christina, Christoph oder Christian

usw.

Von 1810 bis 1814 lag die Registerführung bei den unteren Kommu-

nalbehörden, ab 1815 wieder bei den Kirchengemeinden. Die Tradition,

die Amtshandlungen in einem einzigen Kirchenbuch („Mischbuch“) zu

verzeichnen, hat die Lüdenscheider Kirchspielsgemeinde beibehalten.

Die Register beinhalten indessen auch die Zeitspanne von 1810 bis 1814.

In einer Notiz zwischen Trau- und Sterberegister erläutert Kirchspiels-

pfarrer Hülsmann, er habe es für nützlich gehalten, die Verzeichnisse

fortzuführen. Er beklagt, dass „Gemeinsglieder“ die neuen Verhältnisse

ausgenutzt hätten, dem Prediger die Gebühren vorzuenthalten. Sie seien

schuld daran, dass bisweilen die chronologische Ordnung nicht ganz ge-

nau sei. Die Vollständigkeit seiner Register stellt Hülsmann jedoch nicht

in Frage.

Das Taufregister weist ab 1810 eine tabellarische Struktur auf (fort-

laufende Nummer, Geburts- und Taufdatum, Wohnort, Statistik nach

Söhnen, Töchtern, Totgeburten und Unehelichen, Name des Kindes, Na-

men der Eltern, Namen der Zeugen). Die Spaltenüberschriften variieren.

Ab 1815 hat Hülsmann die Struktur so modifiziert, dass er die Kolum-

nen für Totgeburten und Uneheliche entfallen ließ, um für die Namen

der Eltern und Zeugen mehr Raum zu gewinnen, so seine eigene Be-

gründung. Stattdessen hat er totgeborene Kinder mit einem vorange-

54 Beispiel: Am 5.9.1799 starb die Ehefrau Anna Margaretha Glörfeld, die ihren Vater und ihren Mann hinterließ und von deren sieben Kindern fünf in diesem Jahr gestor-ben waren (so die Urschrift). Die Zweitschrift interpretiert: Sie hinterließ den Vater, den Mann und zwei Kinder. Der Originaltext gibt nicht zu erkennen, ob die Verstor-bene überhaupt Kinder hinterließ, oder ob die beiden nicht im Jahr 1799 gestorbenen Kinder vielleicht schon früher gestorben waren.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

33

stellten „+“ und unehelich Geborene durch doppelte Unterstreichung

gekennzeichnet. Von 1819 an existiert in der Statistik wieder eine Spalte

für Totgeburten, Uneheliche sollten jetzt statt der doppelten Unterstrei-

chung mit einem vorangestellten „NB.“ gekennzeichnet werden. – Am

Schluss des Jahrgangs 1815 sind, einmalig nur für dieses Jahr, die Gebur-

ten der Lüdenscheider jüdischen Gemeinde verzeichnet55.

Das Trauregister enthält Spalten für die fortlaufende Nummer, den

Wohnort, das Datum und den Ort der Trauung, für den Statistikteil

(Junggeselle/Jungfrau, Junggeselle/Witwe, Witwer/Jungfrau und Wit-

wer/Witwe) und für den Haupttext mit den Namen und dem Familien-

stand der Brautleute und Angaben zu ihrer Abstammung (Namen der

Väter bei Ledigen). Dimissionen sind zunächst in der Spalte für den

Haupttext durchnummeriert worden, ab Mai 1816 bis 1821 in einer eige-

nen Spalte in der Statistik, ab 1822 fehlt eine Zählung. – Der Jahrgang

1815 beginnt mit mehreren Paaren, die „wegen Formalitäten, unter dem

Jahr der französischen Herrschaft, nicht kopulirt werden konnten“, so

Hülsmanns Vermerk. – Absolute oder relative Altersangaben für die

Brautleute enthält das Register ab 1816 (nicht bei Dimissionen).

Das Sterberegister schließlich gliedert sich in Spalten für die fortlau-

fende Nummer, den Wohnort, die Zählung der männlichen und weibli-

chen Verstorbenen, für den Haupttext mit Angaben zur Person und zu

Hinterbliebenen, bei Erwachsenen mit biographischen Informationen,

dann Spalten für Alter und Todesursache. Der Haupttext enthält bis Mit-

te 1822 regelmäßig nur das Sterbedatum, erst ab dann auch das Begräb-

nisdatum. Totgeburten sind zeitweilig im Haupttext fortlaufend gezählt

worden.

55 Die Verzeichnung ist also nicht in den Registern der Stadtgemeinde erfolgt, obwohl die Lüdenscheider Juden in der Stadt wohnten. Es entsprach dies einer Verordnung des preußischen Zivilgouverneurs zwischen Weser und Rhein vom 13.1.1815, nach der die Pfarrer der Hauptkirchen – im Fall Lüdenscheids der Pfarrer der Kirchspiels-gemeinde – Register für die innerhalb ihrer Gemeinden wohnenden Juden zu führen hatten (Scotti, a. a. O., Bd. 5, S. 2845). Die Verordnung hatte vorläufige Geltung. Vgl. auch Engelbert, a. a. O., S. 4f. Danach waren für Juden besondere Register zu führen, die als Beilage den Kirchenbüchern angefügt werden sollten. Die Registrierung jüdi-scher Personenstandsfälle innerhalb der Kirchenbücher war nicht vorgesehen und ist für Lüdenscheid ein Einzelfall geblieben.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 34

Ab 1819 waren Kirchenbücher nach neuen Formularvorgaben vorge-

schrieben56. Im Taufregister hat Hülsmann vor dem Jahrgang 1819 ver-

merkt, dass die neuen Kirchenbücher noch nicht fertig seien und er da-

her vorläufig das zur Zeit benutzte Buch weiter verwenden werde. Jo-

hann Franz Hülsmann ist am 5. Juli 1822 gestorben57. Sein ab 1810 ge-

führtes Kirchenbuch ist auch noch nach seinem Tod, bis Oktober 1823,

benutzt worden, und zwar als Vorlage für die Übertragung (ab 1819) in

die offiziellen, jetzt nach Amtshandlungen getrennten Bücher mit stan-

dardisierten Tabellenstrukturen, die sich bis 1874, dem Ende des unter-

suchten Zeitraums, in ihrem grundsätzlichen Aufbau nicht mehr geän-

dert haben. Schema A für Taufregister enthält eine fortlaufende Num-

mer, den Taufnamen des Kindes, den Tag und die Stunde der Geburt,

die Klassifizierung nach ehelichen und unehelichen Geburten, den Na-

men und den Stand des Vaters, den Namen der Mutter, den Wohnort

der Eltern, den Tag der Taufe, den Namen des Predigers, der die Amts-

handlung vollzog, und die Namen der Taufzeugen. Schema B für Trau-

register (inklusive Aufgebote) ist nach laufender Nummer (nicht bei den

Aufgeboten), dem Namen des Bräutigams, dem Stand und Wohnort sei-

nes Vaters (der Formulartext sieht also nicht den Namen des Vaters vor),

der Erklärung zur elterlichen oder vormundschaftlichen Einwilligung,

dem vorherigen Familienstand, all diesen Informationen für die Braut

analog (jedoch sieht der Formulartext hier auch den Namen des Vaters

vor), dem Tag der Trauung und dem Namen des handelnden Predigers

gegliedert. Schema C für Sterberegister schließlich beinhaltet eine laufen-

de Nummer, den Namen und den Stand des Verstorbenen, bei Kindern

auch den Namen und den Stand des Vaters, das Alter nach Jahren, Mo-

naten und Tagen, eine Information zu Hinterbliebenen (im Formulartext

Ehegatten, majorenne oder minorenne Kinder), den Tag und die Stunde

56 Anweisung über die Führung der Kirchenbücher für die evangelischen Pfarrer der Provinz Westphalen (Königl. Preuß. Consistorium der Provinz Westphalen, Münster, 1.12.1818. Landeskirchenamt, Landeskirchliches Archiv, Bielefeld). Der Anweisung sind Schemata für Tauf-, Trau- und Sterberegister, für Konfirmanden- und Kommu-nikantenverzeichnisse beigegeben. 57 Ev.-luth. Sterberegister Lüdenscheid-Stadt Jg. 1822 Nr. 22, ev.-luth. Sterberegister Lüdenscheid-Land Jg. 1822 Nr. 40.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

35

des Todes, die Todesursache, eine Aussage zur Inanspruchnahme ärztli-

cher Hilfe, Begräbnistag und -ort (Kirchhof).

Wie schon bei der Zweitschrift für die Register der Kirchspielsge-

meinde aus der Zeit von 1765 bis 1809 sind auch bei der Übertragung

aus der Erstfassung in die ab 1819 geltende Struktur textliche Reduktio-

nen und zahlreiche Übertragungsfehler, aber auch über den Informa-

tionsgehalt des Originaltexts hinausgehende Ergänzungen zu beobach-

ten. Im Taufregister gibt die Abschrift des Öfteren lediglich zwei statt

der ursprünglich drei Taufzeugen an. Dagegen enthält die Abschrift

wiederholt Geburtsdaten, Angaben zur Uhrzeit der Geburt und Taufda-

ten, die ihrerseits im Original fehlen. – Die Abschrift des Trauregisters

verzeichnet zwar die Namen der Väter der Brautleute, lässt aber auffäl-

lig häufig die Information der Erstfassung weg, dass bzw. wann diese

verstorben waren. Namen auswärtiger Wohngemeinden werden des

Öfteren auf die Hauptorte von Gemeinden reduziert (Beispiel: Valbert

statt K[irchspiel] Valbert im Original). Fallweise ergänzt die Abschrift

Altersangaben, die in der Erstfassung fehlen. – Die zeitweilig verwende-

ten fortlaufenden Nummern zur Zählung von Totgeburten im Original

des Sterberegisters sind bei der Übertragung gelegentlich als Mehrlings-

geburten interpretiert worden58.

Konfirmationsregister sind für die Kirchspielsgemeinde ab 1819

überliefert. Formal entsprechen sie den nunmehr geltenden Vorgaben,

nach denen die Register aus Spalten für laufende Nummern, für die Na-

men der Konfirmierten, für die Namen, Stand und Wohnort der Eltern

und für das Alter der Konfirmierten bestehen sollten59. Die ältesten Jahr-

gänge bis 1822 nutzen indessen jeweils nur einen Teil der Spalten in un-

terschiedlichen Kombinationen (nur Namen der Konfirmierten und Al-

ter, nur Namen und Wohnorte, mit oder ohne Namen der Väter usw.).

Erst ab 1823 werden alle Spalten genutzt und werden die Namen beider

Eltern verzeichnet.

58 Sterberegister Jg. 1820 Nr. 50: im Original ein totgeborener Sohn, zweite Totgeburt des Jahrgangs. In der Zweitschrift zwei totgeborene Söhne. Nr. 52 desselben Jahr-gangs: im Original eine totgeborene Tochter, dritte Totgeburt des Jahrgangs. In der Zweitschrift drei totgeborene Töchter. 59 Anweisung von 1818, siehe Fußnote 56.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 36

Im August 1822 schlossen sich die beiden lutherischen Gemeinden,

Kirchspiel und Stadt Lüdenscheid, zu einer Gemeinde zusammen60. In

formaler Hinsicht fanden die Register der Kirchspielsgemeinde mit der

Vereinigung ihren Abschluss und an ihre Stelle traten die Kirchenbücher

der evangelisch-lutherischen Gemeinde Lüdenscheid, Registerreihe für

das Kirchspiel, bei zunächst bruchloser Weiternutzung des letzten für

die Kirchspielsgemeinde angelegten Kirchenbuchs noch bis Herbst 1823.

4. Die Kirchenbücher der Stadtgemeinde ab 1768 bis 1823

Die nach den Vorschriften der preußischen Verordnung von 176661 ge-

führten Register für die Lüdenscheider Stadtgemeinde beginnen erst mit

dem Jahr 1768. Taufen, Trauungen und Sterbefälle wurden nach Kir-

chenjahren in ein „Mischbuch“ eingetragen, das bis 1788 genutzt wurde.

Stadtprediger war in jener Zeit Johann Caspar Büren62.

Das Taufregister ist tabellarisch aufgebaut, enthält eine differenzierte

Statistik, deren Struktur variiert (Spalten für die Zählung aller Getauften,

ehelicher und unehelicher Söhne und Töchter, der Kinder aus dem Mili-

tärstand nach Geschlecht), den Haupttext und eine nicht genutzte Spalte

für Anmerkungen. Der Haupttext ist innerhalb der horizontalen Tabel-

lenstruktur vertikal gegliedert nach den Namen der Eltern (1), dem

Taufnamen des Kindes (2), Geburts- (3) und Tauftag (4) und den Namen

der Taufzeugen (5). Aus diesen fünf mit Nummern versehenen Katego-

rien wurden ab Herbst 1769 sechs, indem die Namen der Eltern auf zwei

Zeilen aufgeteilt wurden. Der Wohnort der Eltern wird anfangs summa-

risch am Seitenbeginn mit Lüdenscheid angegeben, dann nur noch zu

60 Vgl. Kapitel 1, Einleitung zu den Lüdenscheider Kirchenbüchern. 61 NCC, a. a. O., Bd. 4, Nr. 2, Verordnung vom 2.1.1766. Zur Verzeichnung von Amts-handlungen für Städter in das 1765 begonnene und zunächst gemeinsam für beide Lüdenscheider Gemeinden konzipierte Kirchenbuch siehe Kapitel 3, Die Kirchenbü-cher der Kirchspielsgemeinde ab 1765 bis 1823. Vgl. ebenfalls dort zu den Vorgaben der Verordnung von 1766 für die Führung von Tauf-, Trau- und Sterberegistern, hier nicht im Detail wiederholt. Ergänzend sei jedoch auf die vertikale Untergliederung der Haupttexte der städtischen Register innerhalb der horizontalen Tabellenstruktu-ren hingewiesen, die sich an der Verordnung orientiert und die in den Büchern der Kirchspielsgemeinde nicht begegnet. 62 Büren war seit 1748 zweiter, seit 1755 erster Stadtprediger (Waldminghaus 2010, a. a. O., S. 1535) und gemäß Biographie im ev.-luth. Sterberegister Lüdenscheid-Stadt Jg. 1788/89 Nr. 8 seit dem 23.4.1766 alleiniger Stadtprediger. Er starb am 1.1.1789.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

37

Beginn eines neuen Jahrgangs und später weggelassen. Jahrgangsüber-

schriften und Jahrgangssummen nehmen seit den siebziger Jahren zeit-

weilig auf die Stadt einschließlich der Außenbürgerei Bezug.

Im tabellarisch strukturierten Trauregister wird der Wohnort der

Brautpaare in den frühen Jahrgängen am Seitenanfang pauschal mit Lü-

denscheid angegeben. Später fehlt diese Angabe, indessen geben auch

die einzelnen Einträge Wohnorte an (Stadt und Außenbürgerei, auch

Orte außerhalb Lüdenscheids). Der Statistikteil entspricht zunächst den

Vorgaben der Verordnung von 1766, gerät aber im Laufe der Jahre zu-

nehmend in Unordnung, fehlt des Öfteren und steht gelegentlich im Wi-

derspruch zu den Angaben des Haupttexts. Der Haupttext ist in vier Ka-

tegorien unterteilt: Namen der Brautleute (1), Wohnort, Stand und Beruf

(2), Datum der Trauung (3), Ort der Trauung (4). Die Information

„Stand“ kennzeichnet, wo sie vorhanden ist, die Ehemänner als Bürger

oder Außenbürger oder beschreibt spezielle Situationen (z. B. Proselyt-

bürger und Personen aus dem Militärstand). Nach den sehr spärlich ge-

haltenen Einträgen des Kirchenjahrs 1770/71 sind die Kategorien für Da-

tum und Ort der Trauung ab 1771/72 oft zu einer Kategorie zusammen-

gefasst worden. Die Struktur ist später zeitweilig entweder noch weiter

komprimiert oder auch differenziert worden (separate Kategorien für

die Namen des Bräutigams und der Braut, für Wohnort und Beruf), so-

dass sich über die Laufzeit betrachtet ein recht uneinheitliches Bild er-

gibt. Die Nummerierung der Kategorien variiert zudem. Eine Spalte für

das Alter der Verehelichten enthält nur bei der ersten Trauung des Re-

gisters überhaupt einen Inhalt und ist sonst leer. Angaben zu den Vätern

der Brautleute enthält das Register nicht.

Das Sterberegister hat eine tabellarische Struktur. Als Wohnort der

Verstorbenen wird gelegentlich summarisch Lüdenscheid angegeben,

meist ist diese Information weggelassen worden. Die Tabelle enthält

Spalten für die Nummern aller Gestorbenen und solcher aus dem Mili-

tärstand, für den Haupttext (anfängliche Überschrift: „Verzeichnung der

Gestorbenen“), für die Todesursache und für eine differenzierte Statistik

nach Geschlecht, saisonaler Verteilung der Sterbefälle, Tot- und Frühge-

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 38

burten und am Zahnen gestorbener Kinder mit Altersspannen63. Der

teils in deutscher, teils in lateinischer Sprache gehaltene Haupttext be-

steht aus dem Namen des Verstorbenen, Informationen zu Hinterbliebe-

nen und der Altersangabe. Das ebenfalls im Haupttext enthaltene Tages-

datum wird anfänglich nicht entweder als Todes- oder als Begräbnisda-

tum ausgewiesen. Die Verordnung von 1766 sah den Todestag vor. Ab

1770 findet sich im Lüdenscheider Register zunächst sporadisch, dann

durchgängig der explizite Ausweis als Begräbnisdatum, und mutmaß-

lich sind auch die Tagesdaten von 1768 bis 1770 als Begräbnisdaten auf-

zufassen. Die Spalte für die Todesursachen ist bis in das Kirchenjahr

1769/70 hinein kontinuierlich genutzt worden, später nur noch zeitwei-

lig, vor allem während einer Fieberepidemie 1773/74. Stattdessen ist die

Todesursache in den Haupttext einbezogen worden. Bei Außenbürgern

stehen, selten, Hinweise auf Amtshandlungen der Kirchspielsgemeinde.

– Ab 1771 nutzt der Statistikteil eine eigene, zusätzlich zum Haupttext

geführte Altersgliederung nicht mehr nur für Kinder, sondern für alle

Verstorbenen. Wie schon für das Trauregister festzustellen war, so ist

auch der Statistikteil des Sterberegisters mit der Zeit in immer stärkere

Unordnung geraten. Spalten entfallen manchmal, die Kategorien inner-

halb der Statistik korrespondieren oftmals nicht mit dem Haupttext und

können bei einzelnen Einträgen gänzlich fehlen, die saisonale Gliede-

rung variiert hinsichtlich der Zuordnung von Monaten zu Jahreszeiten64.

Beginnend mit dem Kirchenjahr 1788/89 sind für die Stadtgemeinde

neue Kirchenbücher angelegt worden, jetzt nach Amtshandlungen ge-

trennt (A Taufen, B Sterbefälle und C Trauungen). Diese Bücher sind bis

1818 geführt worden65. Nachfolger Bürens als Stadtprediger war Johann

63 Die von der Verordnung vom 2.1.1766 vorgeschriebene Verweisstruktur zwischen zwei Abteilungen der Sterberegister (1. Abteilung: Verzeichnung der Einzelfälle, 2. Abteilung: Statistik) bildet das Lüdenscheider Register anfänglich ab. Da aber beide Abteilungen allenthalben direkt aufeinander folgen, die 1. Abteilung auf der linken, die 2. Abteilung auf der rechten Hälfte einer Doppelseite, ist dieses Referenzsystem bald aufgegeben worden. 64 Gemäß der Verordnung vom 2.1.1766 zählten die Monate März bis Mai zum Früh-jahr, Juni bis August zum Sommer, September bis November zum Herbst und De-zember bis Februar zum Winter. 65 Der Informationsumfang erfüllt im Wesentlichen die Anforderungen des Allgemei-nen Landrechts von 1794, auch schon für die Jahre vor dessen Inkrafttreten. Zu den

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

39

Franz Hülsmann, der 1801 Kirchspielspfarrer wurde. Auf Hülsmann

folgte ab 1803 Johann Peter Becker66. Nach dessen Tod am 25. Juli 1808

übernahm Hülsmann die Kirchenbuchführung auch für die Stadtge-

meinde zunächst wieder bis zum Amtsantritt von Ludolf Brockhaus am

24. März 180967. Stadtprediger seit dem 23. April 1813 war Franz Bern-

hard Hueck68.

Bis 1795 folgt die Jahreseinteilung noch dem Kirchenjahr, ab dann

dem Kalenderjahr. Hülsmann begründet diesen Wechsel mit einem

„verschiedentlich“ geänderten Intervall für die Anfertigung von Jahres-

listen69.

Das Taufregister enthält Geburts- und Taufdatum, eine Statistik (ehe-

lich geborene Söhne und Töchter, Kinder aus dem Militärstand, Uneheli-

che und Totgeburten) und den Haupttext mit dem Namen des Kindes,

den Namen und dem Familienstand der Eltern (teils auch mit dem Beruf

des Vaters oder mit der Identifikation als Außenbürger) und den Namen

der Taufzeugen. Statt der Zeugen verzeichnet der Haupttext ab 1809

zeitweilig Paten. – Im Sterberegister sind Spalten für eine fortlaufende

Nummer, für die Zählung der männlichen und weiblichen Verstorbe-

Bestimmungen des Landrechts vgl. Kapitel 3, Die Kirchenbücher der Kirchspielsge-meinde ab 1765 bis 1823. 66 Sauerländer 1953, a. a. O., S. 52. Zu Hülsmann siehe auch Kapitel 3, Die Kirchenbü-cher der Kirchspielsgemeinde ab 1765 bis 1823. Hülsmann gibt das Ende seiner Regis-terführung für die Stadtgemeinde mit dem 14.2.1803, Becker gibt seine Ordination und den Beginn seiner Registerführung mit dem 15.2.1803 an (Vermerke im ev.-luth. Tauf-, Sterbe- und Trauregister Lüdenscheid-Stadt). Vgl. ferner Trau- und Sterbeein-trag für Becker, ev.-luth. Sterberegister Lüdenscheid-Stadt Jg. 1808 Nr. 35, ev.-luth. Trauregister Lüdenscheid-Stadt Jg. 1807 Nr. 21. Sauerländer gibt die Vornamen Beckers abweichend zum Sterberegister und zu den Eigenangaben im Trauregister, dort jeweils nur Johann Peter, mit Johann Peter Caspar an. 67 Vermerke im ev.-luth. Tauf- und Sterberegister Lüdenscheid-Stadt. Brockhaus starb am 11.2.1812 (ev.-luth. Sterberegister Lüdenscheid-Stadt Jg. 1812 Nr. 6). In der Litera-tur werden seine Vornamen mit Ludwig (nicht Ludolf wie im Sterberegister) Chris-toph angegeben, so Rottmann, a. a. O., S. 39, Kreutler, Erika und Elfriede Hülsberg (Hg.): 900 Jahre Erlöserkirche Lüdenscheid 1072-1972. Festschrift, Lüdenscheid 1972, S. 84. 68 Vermerk im ev.-luth. Konfirmationsregister Lüdenscheid-Stadt. Huecks erste Taufe datiert vom 25.4.1813 (Vermerk im ev.-luth. Taufregister Lüdenscheid-Stadt). Hueck starb am 18.8.1859 in Hagen als emeritierter Pfarrer der Gemeinde Lüdenscheid (ev. Sterberegister Lüdenscheid-Stadt Jg. 1859 o. Nr.). 69 Vermerk im ev.-luth. Taufregister Lüdenscheid-Stadt. Zu den Jahreslisten siehe Fußnote 42.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 40

nen, für den Haupttext und für Alter und Todesursache vorhanden. Der

Haupttext beinhaltet den Namen des Verstorbenen, den Familienstand,

Sterbe- und Begräbnisdatum, Angaben zu Hinterbliebenen und häufig

biographische Informationen. – Das Trauregister gliedert sich in Spalten

für eine laufende Nummer sowie den Tag und den Ort der Trauung, für

eine Statistik (Junggeselle/Jungfrau, Junggeselle/Witwe, Witwer/Jung-

frau und Witwer/Witwe), für das Alter der Brautleute, für den Haupt-

text und für den Stand oder das Gewerbe des Bräutigams (Berufsanga-

ben, Zugehörigkeit zur Außen- oder zur innerstädtischen Bürgerschaft).

Der Haupttext enthält bei Ledigen jetzt zumeist auch Angaben zur fami-

liären Abstammung, regelmäßig Informationen zur lokalen oder regio-

nalen Herkunft und zu nicht-lutherischen Konfessionen. Die Spalte für

die Altersangaben, ohnedies selten genutzt, ist ab dem Kirchenjahr

1793/94 durch eine Spalte für die Zählung der von da an überwiegend

ohne Datum verzeichneten Dimissionen ersetzt worden. Ab 1816 begeg-

net die Spalte für die Altersangaben wieder und wird jetzt weitgehend

regelmäßig genutzt. Die Spalte für Stand oder Gewerbe entfällt ab März

1803, dem Beginn der Amtszeit Beckers. Stattdessen finden sich solche

Informationen des Öfteren im Haupttext.

Tauf-, Trau- und Sterberegister enthalten Abschlussvermerke des Lü-

denscheider Maire Kerksig von Januar 1810. Danach waren „die Kir-

chenbücher in den Händen der Maires ... während der Knechtschaft der

Französischen Tyranney“70. Stadtprediger Hueck war nach Rücküber-

tragung der Registerführung an die Kirchengemeinden ab 1815 bestrebt,

Eintragungen nachzuholen. Die Stadtgemeinde verfügt mithin nicht wie

die Kirchspielsgemeinde über kirchliche Aufzeichnungen für die Zeit, in

der die Registerführung den Kommunalbehörden oblag. Im Taufregister

sind die Jahrgänge 1810 bis 1814 vorhanden, von Anfang 1812 bis April

1813 nur mit Geburtsdaten, es fehlen die Taufdaten. Im Sterberegister

fehlt der Jahrgang 1813 ganz. Die anderen Jahrgänge enthalten fast aus-

schließlich nur Sterbedaten, hier fehlen die Begräbnisdaten. Das Traure-

70 Vermerk im ev.-luth. Taufregister Lüdenscheid-Stadt. Ähnlich lautende Vermerke im ev.-luth. Sterbe- und Trauregister Lüdenscheid-Stadt („...wo wir unter französi-scher Knechtschaft seufzten“).

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

41

gister weist eine Lücke von 1810 bis 1813 auf. Hueck verweist dazu le-

diglich auf die Register der „bürgerlichen Trauung“71.

Nach Inkrafttreten der neuen Formularvorgaben mit dem Jahr 181972

hat die Lüdenscheider Stadtgemeinde im Unterschied zur Kirchspielsge-

meinde von vornherein Bücher benutzt, die diesen Vorgaben entspre-

chen. Lediglich das bisherige Sterberegister ist bis Februar 1819 noch

fortgeführt und seine Inhalte sind dann in das neue Register übertragen

worden. Für die Stadtgemeinde stellen diese wenigen Eintragungen die

einzige Redundanz in der Kirchenbuchführung dar.

1789 beginnt für die Stadtgemeinde Lüdenscheid die Überlieferung

von Konfirmationsregistern. Der bis 1818 geführte erste Band enthält bis

zum Jahrgang 1802 lediglich die Auflistung der Namen der Konfirmier-

ten getrennt nach Knaben und Mädchen. Ab 1803, dem Amtsantritt Be-

ckers, beinhalten die Eintragungen, allerdings nur teilweise und nur

zeitweilig, Informationen zu Abstammung und Herkunft. Einige wenige

Jahrgänge ab 1809 weisen Konfirmationssprüche aus. – Der zweite ab

1819 geführte Band entspricht im Aufbau den ab jenem Jahr geltenden

Formularvorgaben. Dazu zählte, dass die Eltern der Konfirmierten mit

Namen, Stand und Wohnort aufzuführen waren. Im Unterschied zur

Kirchspielsgemeinde hat die Stadtgemeinde von Anfang an die Namen

beider Eltern, den Stand des Vaters und zeitweilig auch den elterlichen

Wohnort verzeichnet.

Mit dem Zusammenschluss der beiden lutherischen Gemeinden,

Kirchspiel und Stadt, im August 182273 traten formal die Kirchenbücher

der evangelisch-lutherischen Gemeinde Lüdenscheid, Registerreihe für

die Stadt, an die Stelle der bisherigen Register der Stadtgemeinde.

5. Die Kirchenbücher der evangelisch-reformierten Gemeinde

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider evangelisch-reformierten Ge-

meinde sind ab 1755 überliefert und reichen bis 1823. Die beiden erhalte-

nen Bücher sind „Mischbücher“, in die Taufen, Konfirmationen, Trau-

ungen und Sterbefälle eingetragen wurden. Das ältere der beiden Bü-

71 Vermerk im ev.-luth. Trauregister Lüdenscheid-Stadt. 72 Siehe dazu Kapitel 3, Die Kirchenbücher der Kirchspielsgemeinde ab 1765 bis 1823. 73 Vgl. Kapitel 1, Einleitung zu den Lüdenscheider Kirchenbüchern.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 42

cher ist von Pfarrer Hermann Heinrich Hengstenberg angelegt worden,

der am 28. Mai 1755 in sein Lüdenscheider Amt eingeführt wurde74.

Ein noch älteres, von Pastor Johann Christian Busch75, dem Vorgän-

ger Hengstenbergs im Amt, geführtes reformiertes Kirchenbuch ist nicht

überliefert. Hengstenberg nimmt auf dieses Register in seinem Kirchen-

buch jedoch mehrfach Bezug. Es wies die Struktur eines Tagebuchs auf,

ähnlich der des ältesten überlieferten lutherischen Kirchenbuchs in eini-

gen Abschnitten, in der die Amtshandlungen in chronologischer Reihen-

folge und nicht nach Sachgruppen getrennt verzeichnet wurden. Von

dieser Struktur wandte sich Hengstenberg bewusst ab: „Da in dem vori-

gen Kirchenbuch alles nacheinander, als in einem diario, eingetragen,

und mit vieler mühe eine sache muß auffgesuchet werden, so habe ich,

Herm[ann] Henr[ich] Hengstenberg, dieses neue Kirchenbuch gleich

nach dem antritt meiner bedienung, 1755 d[en] 28 May, verfertigen [las-

sen], u[nd] darinnen die getauffte Confirmirte, Copulirte u[nd] Verstor-

bene Separatim eingetragen; unter anwünschung alles gottlichen See-

gens, zum wachsthum und erhaltung dieser Gemeine in erkantnüß der

Warheit zur Gottseligkeit“.

Bei Amtsantritt Hengstenbergs galten noch die Vorgaben der refor-

mierten Kirchenordnung für Kleve und Mark76, die staatlichen Erlasse

von 1764 und 176677 waren noch nicht ergangen. Den Formularvorgaben

der Verordnung von 1766 folgte Hengstenberg bis zum Ende seiner

Amtszeit 181278, bzw. bis zur vorübergehenden Einstellung der kirchli-

74 Bauks, a. a. O., S. 199. 75 Busch starb am 26.9.1754 (Rottmann, a. a. O., S. 18). 76 Reformierte Kirchenordnung vom 20.5.1662: Scotti, a. a. O., Bd. 1, S. 391ff., beson-ders S. 405, § 75, Führung von Kirchenbüchern. „Ein jedes Consistorium soll seine ab-sonderliche Bücher haben, neben demjenigen, was darinnen verhandelt worden, auch die Namen der Kinder, so getaufft werden; Item derer, welche die Bekäntniß ih-res Glaubens gethan; Imgleichen die sich in den Stand der Ehe begeben, und die durch den zeitlichen Tod abgegangen sind, zu verzeichnen“. Die Bestimmungen sind mit denen der lutherischen Kirchenordnung identisch (siehe Fußnote 21). Beide Kir-chenordnungen, die lutherische in ihrer grundsätzlichen Konzeption und die refor-mierte, sind in etwa zur selben Zeit entstanden, wenn es auch noch bis 1687 dauerte, bis die lutherische verabschiedet wurde (vgl. Göbell, a. a. O., S. XV.). 77 NCC, a. a. O., Bd. 3, Nr. 80, Instruktion vom 16.11.1764, NCC, a. a. O., Bd. 4, Nr. 2, Verordnung vom 2.1.1766. 78 Hengstenberg trat am 30.7.1812 in den Ruhestand. Vgl. Bauks, a. a. O., S. 199.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

43

chen Registerführung ab 1810, nicht. Die Statistikteile fehlen gänzlich

und waren für die kleine Gemeinde mit einer geringen Anzahl von

Amtshandlungen wohl auch entbehrlich. Inhaltlich setzte Hengstenberg

die Vorschriften teilweise um.

Die Verzeichnung beider Eltern, nicht nur des Vaters, im Taufregister

beginnt mit November 1765 und steht damit im Einklang mit der Ver-

ordnung von 1766. Regelmäßig angegeben sind im Taufregister bereits

seit 1755 Geschlecht und Taufname des Kindes, dessen Geburts- und

Taufdatum sowie die Namen der Taufzeugen. Ortsangaben fehlen, so-

fern Personen verzeichnet sind, die in Lüdenscheid wohnten. Die Anga-

ben zu ortsfremden Personen, namentlich zu auswärtigen Taufzeugen,

beinhalten die Nennung des Wohnorts.

Den Taufeintragungen sind Sterbedaten, gelegentlich nur Sterbejahre

und fallweise Altersangaben hinzugesetzt, auch mit langem zeitlichen

Abstand zu den Taufen, sofern die Getauften zu Lebzeiten Hengsten-

bergs starben und dieser Kenntnis von den Todesfällen hatte. Die Tauf-

einträge wurden in diesen Fällen durchgestrichen. Die späteste dieser

„Beischreibungen“ datiert vom 13. Juli 1810 (Taufregister 1791). Die im

Taufregister vermerkten Sterbedaten beziehen sich fast ausschließlich

auf Personen, die offensichtlich in der Gemeinde verblieben waren. Die

Verzeichnung eines Ortsnamens erfolgte dann nicht. Eine Ausnahme

stellt ein 1791 Getaufter dar, der 1810 in der Nachbargemeinde Halver

starb (ebenfalls Taufregister 1791).

Die erste sicher als solche identifizierbare Verzeichnung der Taufe

eines unehelich geborenen Kindes fällt in das Jahr 1799. Diese Eintra-

gung steht im Widerspruch zu den Bestimmungen des seit 1794 gelten-

den Allgemeinen Landrechts79. Es ist der Fall der Katholikin Anna Ca-

tharina Wever von Gerlingen bei Olpe80, die sich seit drei Jahren in Lü-

denscheid aufgehalten hatte, und 1799 eine unehelich geborene Tochter

taufen ließ. Gegen den „angeblichen“, also wohl von der Mutter nam-

haft gemachten Vater, auch ein „Fremdling“ und katholisch, führte sie

zum Zeitpunkt der Taufe einen Prozess, den sie später gewann. Nach

79 ALR, a. a. O., S. 559, §§ 487ff. (Bestimmungen zu unehelich Geborenen). 80 Zur Registrierung von Katholiken im ältesten reformierten Kirchenbuch siehe Kapi-tel 1, Einleitung zu den Lüdenscheider Kirchenbüchern.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 44

den Bestimmungen des Allgemeinen Landrechts hätte die Verzeichnung

des Vaters unterbleiben müssen, denn wenn dieser der Angabe der Mut-

ter widersprach oder wegen entfernten oder unbekannten Aufenthalts

nicht vernommen werden konnte, durfte sein Name nicht registriert

werden.

Das Konfirmationsregister enthält die Namen der Konfirmierten so-

wie deren Wohn- oder Herkunftsorte, wenn sie nicht aus Lüdenscheid

stammten. Gelegentlich vermerkt das Register Verwandtschaftsbezie-

hungen81. Konfirmationen fanden nicht jährlich statt, sondern oftmals im

Abstand von zwei oder mehreren Jahren. – Die Jahrgänge seit 1803 wei-

sen auswärtige Zöglinge des Lüdenscheider Instituts nach, der Bürger-

und Handlungsschule des Rektors Kuithan, die in jener Zeit ihre Blüte

erlebte82.

Im Trauregister sind von Beginn an die Väter der Brautleute ver-

zeichnet und nicht nur, wie die Kirchenordnung und die preußischen

Verordnungen es vorschrieben, die Namen der Brautleute selbst. Es ist

dies allerdings nicht konsequent durchgehalten worden. Hengstenberg

hat von Anfang an auch Proklamationen und Dimissionen registriert.

Ortsangaben sind implizit gegeben („hieselbst“), sofern es sich um Per-

sonen handelt, die in Lüdenscheid wohnten. Standesangaben (z. B. Wit-

werstand, Bürgerstatus) kommen anfänglich regelmäßig vor, Berufsan-

gaben gelegentlich. Personen, die dem Militärstand angehörten, sind als

solche identifizierbar, ebenso geschiedene Personen83. Beide Personen-

gruppen waren in den Jahreslisten gesondert auszuweisen. Die Vor-

81 Z. B. ev.-ref. Konfirmationsregister, Jahrgang 1757: Catharina Maria Hengstenberg, meines [des Pastors Hengstenberg] Bruders Tochter von Westhofen. 82 Sauerländer 1953, a. a. O., S. 88ff. – Für Konfirmationen bestand im 19. Jahrhundert Parochialpflicht. Grundsätzlich durfte ein Pfarrer nur Kinder konfirmieren, die zu sei-ner Gemeinde gehörten, oder für die eine Dimission der Heimatgemeinde vorlag. Da-von ausgenommen waren Kinder, die ihren Lebensmittelpunkt in ihrer Wohnge-meinde hatten und als Lehrling, Gesinde, Familienmitglied oder in einer Schul- und Pensionsanstalt am Ort waren (Jacobson, H. F.: Das evangelische Kirchenrecht des Preußischen Staates und seiner Provinzen. Halle 1866, S. 489). 83 Der Jahrgang 1804 des ev.-ref. Trauregisters enthält z. B. den Hinweis auf eine Scheidung kurz nach der Eheschließung, da die Braut ohne „Verschulden“ des Bräu-tigams von einem Anderen als schwanger befunden worden war. Der Bräutigam hei-ratete im selben Jahr ein weiteres Mal.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

45

schrift, anzugeben, ob die Trauungen in der Kirche oder im Hause voll-

zogen wurden, ist nicht umgesetzt worden.

In Fällen, in denen Zweifel daran entstehen konnten, ob Eheschlie-

ßungen oder Dimissionen juristisch überhaupt zulässig waren, suchte

Hengstenberg deren Rechtmäßigkeit durch die Verzeichnung zusätzli-

cher Dokumente und durch Verweise auf Präzedenzfälle zu belegen. Be-

merkenswert ist der Fall eines Herscheider Brautpaares im Trauregister

1756. Hengstenberg erteilte dem reformierten Bräutigam, der sich „be-

dencklich und wanckelmuthig“ zeigte und den er offensichtlich nicht

trauen wollte, einen Losbrief. Eine Trauung sei gleichwohl zulässig ge-

wesen, es hätte auf „Verlangen die Copulation Krafft folgendes urtheil

geschehen können“, kraft eines Präzedenzfalls, der durch Regierungser-

lass vom 26. August 1734 entschieden worden war. Dabei hatte der lu-

therische Pastor in Kierspe ein Paar getraut, bei dem der Bräutigam der

reformierten, die Braut jedoch der lutherischen Konfession angehörte

und damit seine Kompetenzen überschritten. Das Recht, die Trauung

vorzunehmen, habe auf (offenkundig geäußertes) Verlangen des Bräuti-

gams dem reformierten Pastor in Lüdenscheid zugestanden84. Im umge-

kehrten Fall, wenn der Bräutigam lutherischer und die Braut reformier-

ter Konfession gewesen wäre, habe die Trauung vom lutherischen Pas-

tor in Kierspe vorgenommen werden müssen. Nur wenn ein Bräutigam

sich der Braut zu Gefallen von einem Prediger ihrer Konfession trauen

lassen wolle, sei auch dies statthaft. Hengstenberg dehnte die für Kierspe

festgestellte Berechtigung auf das Kirchspiel Herscheid aus und suchte

diese auch in ihrem sachlichen Gehalt zu belegen. – Das Recht zur Trau-

ung eines katholischen Bräutigams mit einer lutherischen Braut gründe-

te Hengstenberg 1776 auf einen Präzedenzfall von 1746 (ev.-ref. Traure-

gister 1776). Die Betreuung der Lüdenscheider Katholiken oblag der re-

formierten Gemeinde. In diesem Fall gehörten beide Brautleute nicht-re-

formierten Konfessionen an, die Konfession des Bräutigams jedoch gab

den Ausschlag85.

84 Zur Zuständigkeit der Lüdenscheider reformierten Gemeinde für Kierspe siehe Ka-pitel 1, Einleitung zu den Lüdenscheider Kirchenbüchern. 85 Zur Praxis und Rechtslage gemischtkonfessioneller Ehen im 18. und 19. Jahrhun-dert vgl. Jacobson, a. a. O., S. 538f.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 46

Das Sterberegister, das mit dem Jahr 1756 beginnt, verzeichnet außer

dem Namen und dem Alter des Verstorbenen zumeist das Sterbedatum,

gelegentlich auch das Datum der Beerdigung. Manchmal fehlt ein Name

völlig (z. B. „der Abdecker“, „eine reformierte Frau zu Wigginghau-

sen“), bei Kindern sind häufig statt des eigenen Namens der Name

und/oder Stand des Vaters (z. B. „des Schulmeisters Ochsenfeld Söhn-

lein“), bei Ehefrauen fallweise nur der des Ehemanns angegeben86. An-

gaben zu Stand und Beruf sowie zu Lebensumständen begegnen gele-

gentlich. Ortsangaben enthält das Register dann nicht, wenn die Verstor-

benen aus Lüdenscheid stammten und auch in der Stadt wohnten. To-

desursachen verzeichnet das Register bis zum Inkrafttreten der preußi-

schen Verordnung von 1766 lediglich sporadisch, seither weitgehend re-

gelmäßig. Erwähnenswert sind Hinweise auf Leichenpredigten87.

Am Schluss des Bandes hat Hengstenberg 1789 ein Rezept gegen

Tollwut („gegen den tollen Hundebiss“) eingetragen, das aus der engli-

schen Grafschaft Buckingham stammte und in der Lippstädter Zeitung

veröffentlicht worden war.

Vom 1. Januar 1801 datiert eine Notiz Hengstenbergs zur Feier des

hundertjährigen Krönungsfests des Hauses Preußen, das „sonsten auff

d[en] 18 Jan[uar] eingefallen wäre“ und mit einem feierlichen Gottes-

dienst begangen wurde. Hengstenberg hielt eine Predigt über Daniel

2,20.21, „von denen honoratioribus [wurde] ein gemeinschaftl[iches]

Pickenick und concert u[nd] ball gegeben“.

Nachfolger Hengstenbergs wurde Johann Diedrich Arnold Dresel. Er

war Hengstenberg seit dem 17. Januar 1813 adjungiert und trat das Amt

des reformierten Pfarrers nach dessen Tod am 9. Mai 1814 an88. Nach-

dem mit Beginn des Jahres 1810 die Registerführung auf die lokalen Ver-

waltungsbehörden übergegangen, das Kirchenbuch eingezogen und

nach Hagen zur Arrondissementsverwaltung verbracht worden war,

ließ Dresel es dort im August 1815 wieder abholen. Den „eigentlichen“

86 Namen in moderner Schreibweise. 87 So z. B. beim Tod des Sekretärs Pöpinghaus, der 1760 unverheiratet zum Leidwesen der ganzen Gemeinde starb und den Text der Predigt selbst bestimmt hatte (Hiob 14 IX 13). 88 Vermerk Dresels vom 1.9.1815 im ev.-ref. Kirchenbuch.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

47

Anfang seiner eigenen Kirchenbuchführung gab er mit dem Jahr 1813,

also mit dem Beginn seiner Tätigkeit als Adjunkt, an. „Das Vorhergehen-

de habe ich nur aus dem Kirchenbuche – das der verstorbene H[err] Pre-

diger Hengstenberg – nachdem er dieses hatte abgeben müssen – wieder

angefangen hat – weiter fortgeführt – damit es besser in Ordnung fort-

schreitet“89. Demnach hatte Hengstenberg seit 1810 auch weiterhin Auf-

zeichnungen geführt, die Dresel nach Rückerhalt des Kirchenbuchs in

dieses übernahm. Der Form nach setzte Dresel die Kirchenbuchführung

Hengstenbergs fort. Auch er benutzte vor 1819 keine Vordrucke oder

Formulare.

Die nachträglichen Ergänzungen sind für das Taufregister mutmaß-

lich vollständig erfolgt, jedenfalls enthält dieses Register alle Jahrgänge

zwischen 1810 und 1814. Im Konfirmationsregister fehlen die Jahrgänge

1812 und 1813, im Trauregister die Jahrgänge 1813 und 1814 und im

Sterberegister der Jahrgang 1812. Die Jahrgänge 1811 und 1813 des Ster-

beregisters beinhalten jeweils nur einen Eintrag. Das Taufregister weist

für die Jahre 1813 und 1814 mehrheitlich lediglich Geburtsdaten aus,

nicht jedoch die Daten der Taufen, und auch die Taufzeugen fehlen oft.

Dresel mag das Kirchenbuch auf Basis des zivilen Geburtenregisters er-

gänzt haben.

Im Trauregister sind ab 1815, unregelmäßig, die Namen beider Eltern

der Brautleute, nicht nur der Name des Vaters, verzeichnet. Im Sterbere-

gister finden sich ab 1815 bei Kindern die Namen beider Eltern und

ebenfalls nicht nur der Name des Vaters oder des Kindes selbst. Eine

Neuerung war ferner die Verzeichnung von Erben im Sterberegister, be-

gonnen 1815 und unregelmäßig bis 1817 fortgeführt90.

Ab 1819 und bis zur Vereinigung der reformierten mit der lutheri-

schen Gemeinde im Mai 1823 nutzte Dresel ein Kirchenbuch, das der

neuen Registerordnung entsprach91. Auch dies Buch war noch ein

„Mischbuch“, in dem alle Arten von Personenstandsfällen verzeichnet

89 Vermerke Dresels vom 27.8.1815 und vom 1.9.1815 im ev.-ref. Kirchenbuch. 90 Dies selbst bei totgeborenen Kindern, u. a. bei einer tot zur Welt gekommenen Tochter 1815, Erben: Eltern. 91 Zur Struktur vgl. Kapitel 3 (Kirchenbücher der lutherischen Kirchspielsgemeinde ab 1765 bis 1823).

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 48

wurden, was für die kleine reformierte Gemeinde ausreichend war. Ne-

ben Tauf-, Trau-, Konfirmations- und Sterberegister findet sich ein Kom-

munikantenverzeichnis für die Jahre 1819 bis 1822, in dem die Teilneh-

mer namentlich aufgeführt worden sind92.

Dresel selbst hat Amtshandlungen bis September 1822 vollzogen und

Lüdenscheid noch im selben Jahr verlassen93. Für den Rest des Jahres

1822 und bis Mai 1823 begegnen im Tauf- und im Trauregister dann die

Namen der lutherischen Pfarrer der Lüdenscheider Gemeinde und auch

aus Nachbargemeinden als Ausführende.

6. Die Kirchenbücher der evangelischen Gemeinde ab 1823

Im August 1822 waren die beiden evangelisch-lutherischen Gemeinden

Lüdenscheids, Kirchspiel und Stadt, zu einer Gemeinde zusammenge-

schlossen worden. Kirchenbücher führte diese Gemeinde den amtlichen

Vorgaben gemäß für beide politische Gebietsteile separat. Der vereinig-

ten Gemeinde trat im Mai 1823 die evangelisch-reformierte Gemeinde

Lüdenscheid bei, deren Kirchenbuchführung damit aufhörte94. Die so

entstandene Evangelische Kirchengemeinde Lüdenscheid behielt bis

1874, dem Schluss des betrachteten Zeitraums, die vorgeschriebene ge-

trennte Registerführung für Stadt und Kirchspiel bei. An die Stelle des

Kirchspiels trat 1843 die politische Gemeinde Lüdenscheid-Land95. Der

Aufbau der Kirchenbücher entspricht den Vorgaben des Erlasses vom 1.

Dezember 181896.

92 Nach Jacobson, a. a. O., S. 500, waren die Pfarrer verpflichtet, Kommunikantenre-gister zu führen. Diese enthielten in der Regel nur die Anzahl der Kommunikanten, ohne sie namentlich aufzuführen. Die summarische Angabe der Kommunikanten in den Jahreslisten, getrennt nach Geschlecht, bestimmte bereits die Instruktion vom 16.11.1764. Dazu und zu den Jahreslisten siehe Fußnote 42. 93 Rottmann, a. a. O., S. 18f. 94 Vgl. schon Kapitel 3, Die Kirchenbücher der Kirchspielsgemeinde ab 1765 bis 1823, Kapitel 4, Die Kirchenbücher der Stadtgemeinde ab 1768 bis 1823 und Kapitel 5, Die Kirchenbücher der evangelisch-reformierten Gemeinde. 95 Hostert, Walter: Bildung und Auflösung der Gemeinde Lüdenscheid-Land. Ein Beitrag zur Verwaltungsgeschichte unseres Raumes. In: Der Reidemeister, Ge-schichtsblätter für Lüdenscheid Stadt und Land, Nr. 65/66 1978, S. 517ff. 96 Zur Struktur siehe Kapitel 3, Die Kirchenbücher der Kirchspielsgemeinde ab 1765 bis 1823.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

49

Tauf-, Trau- und Sterberegister gliedern sich, soweit sie die in diesem

Kapitel zu behandelnde Zeitspanne von 1823 bis 1874 einschließen und

nicht als „Mischbücher“, sondern ausschließlich für eine der Amtshand-

lungen geführt wurden, in folgende Bände97.

Amtshandlung Politische Gemeinde Zeitraum

Taufen Kirchspiels-(Land-)gemeinde 1819-1857

Taufen Kirchspiels-(Land-)gemeinde 1857-1868

Taufen Kirchspiels-(Land-)gemeinde 1868-1881

Taufen Stadtgemeinde 1819-1847

Taufen Stadtgemeinde 1853-1866

Taufen Stadtgemeinde 1866-1878

Sterbefälle Kirchspiels-(Land-)gemeinde 1819-1863

Sterbefälle Kirchspiels-(Land-)gemeinde 1863-1884

Sterbefälle Stadtgemeinde 1819-1859

Sterbefälle Stadtgemeinde 1860-1873

Sterbefälle Stadtgemeinde 1873-1885

Trauungen Kirchspiels-(Land-)gemeinde 1819-1851

Trauungen Kirchspiels-(Land-)gemeinde 1852-1879

Trauungen Stadtgemeinde 1854-1872

Trauungen Stadtgemeinde 1873-1892

In der Tabelle sind die Taufen der Stadtgemeinde von 1847 bis 1853 und

die Trauungen der Stadtgemeinde von 1819 bis 1853 nicht enthalten. Die

städtischen Trauungen von 1819 bis 1847 sind in einem „Mischbuch“ zu-

sammen mit Konfirmationen verzeichnet worden. Da das von der refor-

mierten Gemeinde bis Mai 1823 genutzte Kirchenbuch nach Beendigung

der Registerführung noch reichlich Platz für weitere Eintragungen bot,

ist es ab Mai 1847 (Taufen, bis Oktober 1853) bzw. ab Juli 1847 (Trauun-

gen, bis Ende 1853) von der Evangelischen Gemeinde als Tauf- und

Trauregister innerhalb der städtischen Registerreihe erneut verwendet

97 Siehe Kirchenbücher ev. Lüdenscheid-Land und ev. Lüdenscheid-Stadt für den Zeitraum bis 1874, passim.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 50

worden98. Durch diese Wiedernutzung entstand, im Grunde vorschrifts-

widrig, jedoch ressourcenschonend, mithin nochmals ein „Mischbuch“

in doppelter Hinsicht, insofern das Buch aus der reformierten Phase al-

lenthalben schon unterschiedliche Amtshandlungen und solche letzten

Endes für zwei Gemeinden enthält.

Bis 1851 verzeichnen die Trauregister lediglich die Väter der Braut-

leute, ab dann, allerdings nicht durchgängig, die Namen beider Eltern.

In den Trauregistern fehlen ab Oktober 1874 die Informationen zur

Einwilligung von Eltern oder Vormündern bzw. der Vormundschaftsge-

richte in die Eheschließungen. Stattdessen enthalten die Eintragungen

Verweise auf die Register der nunmehr eingerichteten Standesämter (für

die Lüdenscheider Gemeinden: Stadt Lüdenscheid und Amt Lüden-

scheid). Die Referenzen sind explizit mit Angabe des Standesamts, des

Datums der Zivilehe und der Registernummer (Trauregister der Land-

gemeinde) oder implizit nur mit Angabe des Datums (Trauregister der

Stadtgemeinde) ausgeführt. In den Sterberegistern für die Land-

gemeinde fehlen, ebenfalls ab Oktober 1874, fallweise die Angaben zu

Hinterbliebenen, zur Todesursache und zur eventuell geleisteten ärztli-

chen Hilfe.

Geführt wurden die Register für die Kirchspiels- bzw. Landgemein-

de bis 1849 von Pfarrer Peter Caspar Philipps, die für die Stadtgemeinde

bis 1851 von Franz Bernhard Hueck99. Später wechselten sich die Pasto-

ren der Lüdenscheider Gemeinde jahrgangsweise in der Registerfüh-

rung für die beiden politischen Gemeinden ab: Albert Spiritus (ab 1851),

Friedrich Evertsbusch (ab 1852), Friedrich Wilhelm Rottmann (ab 1854)

und Carl Niederstein (ab 1861)100.

Das städtische Sterberegister enthält am Schluss des Bandes 1819-

1859 eine ausführliche Schilderung der Witterung von Oktober 1836 bis

April 1837.

98 Kommentare bezüglich der Wiedernutzung des reformierten Kirchenbuchs im Tauf- und Trauregister ev. Lüdenscheid-Stadt Jg. 1847 sowie im reformierten Buch im Vorspann zum Taufregister und zwischen den Jahrgängen 1823 und 1847. 99 Philipps starb am 18.10.1849, Hueck wurde am 21.9.1851 emeritiert (Waldminghaus 2010, a. a. O., S. 1533, 1535). 100 Beginn der Amtszeit jeweils gemäß einer Zusammenstellung in Kreutler und Hülsberg, a. a. O., S. 85.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

51

Hinzuweisen ist bezüglich gemischtkonfessioneller Ehen auf etliche

Widersprüche zwischen den evangelischen und den von 1844 an geführ-

ten katholischen Registern101, vor allem den Trauregistern. In geringe-

rem Umfang gilt dies auch für Tauf- und Sterberegister, in denen ge-

meinsame familiäre Kontexte seltener vorkommen als in den Trauregis-

tern.

Für die Verzeichnung von Konfirmationen sind die 1819 eingeführ-

ten Register für die beiden politischen Gemeinden zunächst weiter be-

nutzt worden102. Das Buch für die Kirchspiels- bzw. Landgemeinde ent-

hält zudem ein Kommunikantenverzeichnis, das 1824 beginnt, bis 1935

reicht und in dem die Teilnehmer nur anzahlmäßig erfasst sind103. – Ab

1852 sind Konfirmationsregister für Land- und Stadtgemeinde gemein-

sam geführt worden. Zwei Bände sind für den betrachteten Zeitraum re-

levant, der eine für die Phase von 1852 bis 1868, der andere für die von

1868 bis 1890. Zusätzlich zu den oder statt der Altersangaben enthalten

diese Register zeitweilig die Geburtsdaten der Konfirmierten, zeitweilig

verzeichnen sie auch Konfirmationssprüche.

7. Die Kirchenbücher der römisch-katholischen Gemeinde

Tauf-, Trau- und Sterberegister beginnen mit dem Jahr 1844. Die Struk-

tur der katholischen Register entspricht weitgehend der Struktur der lu-

therischen Register jener Zeit104. Die Formulare unterscheiden sich ein-

mal dadurch, dass die katholischen Register jeweils noch eine zusätzli-

che Bemerkungsspalte aufweisen. Ferner sieht das Formular für das ka-

tholische Trauregister die Verzeichnung der Eltern der Brautleute (das

evangelische Formular nur Angaben zu den Vätern) sowie – anfänglich

– die Verzeichnung der Trauzeugen vor.

101 Siehe Kapitel 7, Die Kirchenbücher der römisch-katholischen Gemeinde. 102 Siehe die Kapitel 3, Die Kirchenbücher der Kirchspielsgemeinde ab 1765 bis 1823 und Kapitel 4, Die Kirchenbücher der Stadtgemeinde ab 1768 bis 1823. 103 Vgl. Fußnote 92 zur Führung von Kommunikantenregistern (summarische oder namentliche Verzeichnung). 104 Siehe dazu das Kapitel 3 zu den Kirchenbüchern der lutherischen Kirchspielsge-meinde ab 1765 bis 1823. Zu den Ausführungen des Kapitels 7 siehe im Übrigen die kath. Kirchenbücher Lüdenscheid, Zeitraum 1844-1874, passim.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 52

Während das Formular für das Taufregister unverändert blieb, ist für

das Trauregister ab 1861 ein neues Formular verwendet worden, in dem

die Spalte für Vor- und Zunamen des Bräutigams um dessen Stand er-

gänzt und die Spalte für den Namen des Pfarrers, der die Amtshand-

lung vollzog, und der Zeugen auf die Angabe des Pfarrers reduziert

wurden. Ab 1871 ist der Spaltentext indessen mehrheitlich handschrift-

lich wieder bezüglich der Trauzeugen ergänzt worden. Die Formularän-

derung sollte die Pfarrer auch nicht von der Pflicht befreien, Trauzeugen

weiterhin mit anzugeben. Ein Revisionsvermerk im Trauregister 1871

verlangt dies ausdrücklich („Praesentat[um] in Visitationi die 11 Okto-

bris 1871 cum nota, testes copulationes esse apponendes“). – Im Sterbe-

register war der Wohnort des Verstorbenen bis 1860 zusammen in einer

Spalte mit dessen Stand, ab 1861 gemeinsam in der Spalte mit dessen

Namen anzugeben, entfielen ab 1861 die Trennung der Spalten für Tag

und Stunde des Todes (ohne dass dadurch eine Änderung im Informa-

tionsgehalt Platz griff) sowie die Spalte für Bemerkungen, wurde in der

Spalte zur geleisteten ärztlichen Hilfe der Formulartext in der Weise ab-

geändert, dass nur noch die Hilfe approbierter Ärzte, nicht mehr jedoch

die Hilfe von Wundärzten hinterfragt wurde.

Jährliche Revisionsvermerke enthalten die Register ab 1866. Die Kir-

chenbuchrevisionen wurden durch die Dechanten im Rahmen der Ge-

meindevisitationen durchgeführt. Beanstandungen finden sich, außer

der zuvor erwähnten Klarstellung hinsichtlich der Registrierung von

Trauzeugen, nicht.

Jahresabschlussvermerke seitens der kirchenbuchführenden Pfarrer

bzw. Pfarradministratoren oder Pfarrverweser enthalten die Bücher seit

1847, dem Jahr des Amtsantritts von Pfarrverwalter Boeckeler.

In den ersten zwölf Jahren ihrer Existenz erlebte die Lüdenscheider

katholische Gemeinde häufige Wechsel ihrer Seelsorger105: Missionar

und Pfarrer Johann Ludwig Habbel (1843-1847), Pfarrverwalter Boecke-

ler (1847-1848), Pfarrverweser Kleinschmidt (1848), Pfarrverweser Fi-

scher (1848), Pfarrverweser, später Pfarrer Heinrich Stein (1848-1854),

Pfarrverweser Ferdinand Jodocus Blinde (1854-1856). Erst mit Pfarrer

105 Nach Klimberg, a. a. O., S. 35f.

Die Kirchenbücher der Lüdenscheider Kirchengemeinden

53

Anton Baumhöer erhielt die Gemeinde dann einen Seelsorger, dessen

Amtszeit sich auf mehr als ein Jahrzehnt erstreckte. Auf Baumhöer folgte

Pfarrer David Sylvester Herdes (seit 1867).

Im Taufregister hatte schon Habbel begonnen, den einzelnen Einträ-

gen in der Bemerkungsspalte Symbole hinzuzusetzen („+“ und „x“), mit

denen mutmaßlich zum Ausdruck gebracht werden sollte, ob die Ge-

bühren für die kirchlichen Amtshandlungen entrichtet worden waren.

Habbel hat dies lediglich 1844, und nur für einen Teil des Jahrgangs, ge-

tan. Stein führte dies Verfahren ab 1849 zunächst in der Weise wieder

ein, dass er sowohl im Tauf- als auch im Sterberegister einen Hinweis

auf die Vermögensverhältnisse der Familien anbrachte („arm“,

„pauvre“), dann aber auch Symbole verwendete („Ø“ wohl für nicht

entrichtete Gebühren). Als letzter hat Blinde bis 1855 eine solche Symbo-

lik, ebenfalls im Tauf- und im Sterberegister, beibehalten, wobei bei ihm

eindeutig erkennbar wird, dass es sich bei den Zeichen um Vermerke

über die Nichtzahlung der Stolgebühren handelte, da er das Zeichen

„Ø“ im Taufregister alternativ zu den Abkürzungen „bez.“ oder „b.“

(für bezahlt) verwandte und das eine mit dem anderen fallweise auch

korrigierte.

Ebenso wie die Lüdenscheider evangelischen Taufregister jener Epo-

che, so beschränken sich auch die katholischen Register auf die Verzeich-

nung von Taufzeugen, die registrierten Personen sind also als Zeugen

der Amtshandlung zu identifizieren, nicht jedoch als Taufpaten. Ledig-

lich während der Amtszeit Blindes, in den Jahrgängen 1855 und 1856,

sind Personen explizit als Paten verzeichnet.

Textpassagen und protokollartige Notizen sind teils in deutscher,

teils in lateinischer Sprache ausgeführt worden.

Die räumliche Zuständigkeit der Lüdenscheider katholischen Ge-

meinde beschränkte sich nicht auf die beiden politischen Gemeinden Lü-

denscheid-Stadt und Lüdenscheid-Land, sondern bezog auch Nachbar-

gemeinden mit ein, mit Ausnahme von Altena, wo bereits seit 1786 eine

katholische Gemeinde existierte106.

106 Klimberg, a. a. O., S. 32.

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 54

Drei Bändchen im Gesangbuch –

ein Theologiestudent zwischen SA und BK

von CHRISTINE KOCH

Das Landeskirchliche Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen

hat über Professor Benad zwei Schriftstücke und ein Gesangbuch erhal-

ten, um sie dem Bestand der Kirchlichen Hochschule Bethel1 beizufügen.

Die Unterlagen stammen von der Witwe eines ehemaligen Studierenden

an der Theologischen Schule Bethel2, Karl Hermann Werner Oloff.

Bei den Schriftstücken handelt es sich um ein achtseitiges hand-

schriftliches Schreiben Werner Oloffs an den Führer des Sturmbannes

II/174, Sturmhauptführer Klommhaus3, sowie um eine handschriftliche

Empfangsquittung4 von Obertruppführer Josef Blaschke.

Das „Gesangbuch der Zionsgemeinde in Bethel“, das einen beeindru-

ckenden Anhang hat, ist 1936 in der Verlagshandlung der Anstalt Bethel

1 Landeskirchliches Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen (LkA EKvW), Bestand 13.99. 2 Als „Theologische Schule Bethel“ wird die Theologische Hochschule Bethel 1905 ge-gründet. Sie ist die älteste evangelische Hochschule in Deutschland. 2007 fusioniert sie mit der Kirchlichen Hochschule Wuppertal zur „Kirchlichen Hochschule Wupper-tal/Bethel – Hochschule für Kirche und Diakonie“ an den Standorten Wuppertal und Bielefeld. 3 Ob es sich hier um den Sturmhauptführer Gustav Klommhaus (geb. am 23. 07.1897 in Fürstenau/Kreis Elbing); verheiratet, fünf Kinder; von Beruf Ingenieur, am 23.02.1929 Zuzug ohne Ehefrau und Kinder von Elbing nach Brackwede, Gütersloher Str. 87; am 27.05. 1929 Umzug und Zuzug der Ehefrau mit zwei Kindern von Elbing nach Ummeln 183; am 02.01.1930 Umzug nach Kupferhammer 61; am 08.10.1934 Um-zug nach Quelle 185; am 29.04.1939 Umzug des Gustav Klommhaus nach Köslin, Fü-silierstr. 6 - Umzug der Ehefrau mit Kindern nach Quelle 185; am 30.06.1939 Umzug der Ehefrau und Kinder nach Köslin, Füsilierstr. 6) handelt, lässt sich anhand der Mel-dekartei Brackwede nicht ausmachen, da sich hier kein Hinweis auf eine Partei- oder SA-Angehörigkeit findet, wenngleich diese Auskünfte doch ein Hinweis sein können. (Vgl. Stadtarchiv Bielefeld (StA Bi), Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 33: Mel-dekartei Brackwede.) Auch in den Beständen des Landesarchivs NRW Abteilung OWL und beim Bundes-archiv in Berlin lassen sich hierzu, ebenso wie zu Truppführer Blaschke, keine Doku-mente ermitteln. Auf nähere Nachforschungen beim Landesarchiv NRW Abteilung Rheinland hinsichtlich einer evtl. Entnazifizierungsakte wird hier verzichtet. 4 Abbildung der Empfangsquittung s. Seite 69.

Drei Bändchen im Gesangbuch

55

in Bethel bei Bielefeld erschienen und mit drei Bändchen in den Farben

grün, weiß und rot versehen. Eingelegt sind diese bei folgenden Liedern:

Nummer 252 „Bis hierher hat mich Gott gebracht durch seine große

Güte...“, welches auch im aktuellen Gesangbuch unter der Nummer 329

noch zu finden ist.

Nummer 605 „O König, dessen Majestät weit über alles steiget...“5, ist

den meisten heute wohl eher nicht mehr bekannt. Oberhalb des Textes

findet sich ein Verweis auf Lukas 18,4-14, zu singen ist es nach der Weise

„An Wasserflüssen Babylon“.

Nummer 65 im Teil „Geistliche Volkslieder“ „Weiß ich den Weg

auch nicht, du weißt ihn wohl,...“, dessen Text von der Liederdichterin

Hedwig von Redern, die einer Offiziersfamilie entstammt, verfasst wur-

de. Dieses weit verbreitete und Mut machende Lied findet sich ebenfalls

noch in den aktuellen Gesangbüchern6. Neben das Geburtsdatum der

5 Liedtext „O König, dessen Majestät weit über alles steiget...“: „1. O König, dessen Majestät weit über alles steiget, dem Erd‘ und Meer zu Dienste steht, vor dem die Welt sich neiget; der Himmel ist dein helles Kleid, du bist voll Macht und Herrlichkeit, sehr groß und wundertätig; ich armer Wurm vermag nichts mehr, als daß ich ruf‘ zu deiner Ehr‘: Gott sei mir Sünder gnädig! 2. Hier steh‘ ich, wie der Zöllner tat, beschämet und von ferne. Ich suche Hilf‘ und Gnad‘, o Herr, von Herzen gerne. Doch weil ich voller Fehler bin und, wo ich mich nur wende hin, beschmutzet und unflätig: so schlag‘ ich nieder mein Gesicht vor dir, du reines Himmelslicht. Gott sei mir Sünder gnädig! 3. Die Schulden, die ich mir bewußt, durchängsten mein Gewissen. Drum schlag‘ ich reuig an die Brust und will von Herzen büßen. Ich bin, o Vater, gar nicht wert, daß ich noch wandle auf der Erd‘; doch weil du winkst, so bet‘ ich mit ganz zerknirschtem, bangem Geist, der gleichwohl dich noch Abba heißt: Gott sei mir Sünder gnädig! 4. Mein Abba, schaue Jesum an, den Gnadenthron der Sünder, der für die Welt genug getan, durch den wir Gottes Kinder im gläubigen Vertrauen sind. Der ist’s, bei dem ich Ruhe find‘; sein Herz ist ja guttätig. Ich fasse ihn und laß ihn nicht, bis Gottes Herz mitleidig spricht: Gott sei mir Sünder gnädig! 5. Regiere doch mein Herz und Sinn in diesem ganzen Leben. Du bist mein Gott, und was ich bin, bleibt ewig dir ergeben. Ach, heilige mich ganz und gar, laß meinen Glauben immerdar sein durch die Liebe tätig. Und will es nicht fort, wie es soll, so ruf‘ ich, wie mein Herz ist voll: Gott sei mir Sünder gnädig! 6. Mein Leben und mein Sterben ruht allein auf deiner Gnade. Mir geh‘ es gleich bös‘ oder gut, gib nur, daß es nicht schade. Kommt dann das letzte Stündlein an, so sei mir auf der Todesbahn, mein Jesu, selbst beirätig; und wenn ich nicht mehr sprechen kann, so nimm den letzten Seufzer an: Gott sei mir Sünder gnädig!“ Das Lied stammt von Valentin Ernst Löscher, geb. 1673 in Sondershausen, der Ober-konsistorialrat und Superintendent in Dresden war und 1749 verstarb. 6 Evangelisches Gesangbuch, Ausgabe Rheinland, Westfalen und Lippe von 19961 Nummer 650.

Drei Bändchen im Gesangbuch

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 56

Dichterin ist mit Bleistift handschriftlich ein Kreuz und die Zahl 1935

hinzugefügt worden7.

Mit dem Lied „Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn wohl“ hat

die junge baltische Adlige Marion von Klot abends als Gefangene im Ri-

gaer Zentralgefängnis ihre Mitgefangenen getröstet, ehe sie mit 31 ande-

ren Pastoren und Adeligen am 22. Mai 1919 kurz vor der Befreiung Ri-

gas von den Kommunisten ermordet wurde – 16 Jahre vor Hedwig von

Rederns Tod. Dies findet seine Erwähnung auch in der Sonntagsbetrach-

tung einer Tageszeitung8, die bei diesem Lied im Gesangbuch eingelegt

wurde (s. Abbildung am Ende des Beitrags). Außerdem findet sich am

Anfang des Gesangbuches eingelegt noch folgendes Kärtchen:

Im Zusammenhang mit dem handschriftlichen Schreiben Werner Oloffs

an Sturmhauptführer Klommhaus wurde ich den Eindruck nicht los,

dass das alles kein Zufall sein kann und die Bändchen dieses Gesangbu-

ches ganz bewusst bei genau diesen Liedern eingelegt wurden und es

7 Es ist davon auzugehen, dass diese Hinzufügung von Werner Oloff stammt. Hed-wig von Redern verstarb am 22. Februar 1935. Geboren wurde sie am 23. April 1866 in Berlin. 8 Um welche Tageszeitung es sich handelt, ihr Erscheinungsdatum und der Verfasser des Artikels sind nicht vermerkt worden. Aufgrund der Vita von Werner Oloff – er nimmt im Februar 1935 am Kurs im Artillerie-Luftkommando 2 in Allenstein teil – ist davon auszugehen, dass die Sonntagsbetrachtung in einer ostpreußischen Zeitung er-schienen ist.

Drei Bändchen im Gesangbuch

57

offensichtlich auch bis zum Lebensende des Besitzers geblieben sind, es

für diesen also von ganz existenzieller Bedeutung gewesen sein muss.

So auf den Inhalt der Studierendenakte von Werner Oloff neugierig

geworden, holte ich sie mir aus dem Archivbestand9. Sie beinhaltet einen

handschriftlichen zweiseitigen Lebenslauf mit Passfoto, der am 7. Okto-

ber 1936 von ihm in Berlin-Friedenau aufgeschrieben wurde, einen Fra-

gebogen der Theologischen Schule zu Bethel, Belegbögen vom Winterse-

mester 1936/37 und vom Sommersemester 1937, eine Auflistung der ge-

hörten Vorlesungen vom Sommersemester 1932 (1. Semester) bis zum

Sommersemester 1935 (7. Semester) sowie Korrespondenz von Januar

1937 bis April 1939.

Aus dem Lebenslauf und dem Fragebogen geht hervor, dass Werner

Oloff am 23. November 1912 in Elbing/Ostpreußen als Sohn des Diplom-

ingenieurs Ernst Oloff und seiner Ehefrau Charlotte, geb. Schwendy, zur

Welt kommt. Beide Elternteile versterben früh, die Mutter 1919 und der

Vater, der 1920 zum zweiten Mal heiratet, am 14. Dezember 1928. In der

Zeit von 1935 bis 1936 wohnt Werner Oloff bei Frau M. Schwendy, sei-

ner Großmutter mütterlicherseits, in Berlin-Friedenau.

Von Ostern 1919 bis Ostern 1922 besucht er die Vorschule des staatli-

chen Gymnasiums zu Elbing; seine Reifeprüfung legt er am 3. März 1932

ab, danach nimmt er das Studium der Theologie in Königsberg auf (SS

1932 u. WS 1932/33). Tübingen (SS 1933), Berlin (WS 1933/34), wieder

Königsberg (SS 1934 bis SS 1935) und Bethel (WS 1936/37 – Immatrikula-

tion am 3. November 1936, Exmatrikulation am 2. Juli 1937) sind seine

weiteren Studienorte.

Im Zeitraum von 1932 bis 1936 absolviert er vom 20. Oktober bis

2. November 1932 einen freiwilligen Arbeitsdienst in Migehenen (Kreis

Braunsberg/Heilsberger Dreieck in Ostpreußen) und nimmt vom 1. bis

21. März 1933 am Wehrsportlager in Worienen (Ostpreußen) teil. Einen

weiteren freiwilligen Arbeitsdienst leistet er vom 1. August bis 15. Okto-

ber 1933 in Glashütte (Kreis Sigmaringen/Hohenzollern). Vom 7. Januar

bis 23. März 1935 nimmt er am Kurs im Artillerie-Luftkommando 2 in

9 Studierendenakte Karl Hermann Werner Oloff: LkA EKvW 13.99 Nr. 1421.

Drei Bändchen im Gesangbuch

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 58

Allenstein teil und vom 4. November 193510 bis zum 30. September 1936

erfüllt er beim Pionierbataillon 21 in Elbing seine militärische Dienst-

pflicht.

Sein Erstes Theologisches Examen legt er 1939 bei der Bekennenden

Kirche in Königsberg ab11. Danach tritt er eine Vikarstelle bei Pfarrer

Gerhard Ebel12 in Rössel bei Allenstein an. Von September 1939 an ist er

als Pionier im Kriegsdiensteinsatz, wobei er am 16. Oktober 1941 am

Wolchow in Russland verwundet wird, was eine Amputation des rech-

ten Unterschenkels zur Folge hat und zu entsprechenden Lazarettauf-

enthalten führt.

Von Mai 1944 bis Januar 1945 setzt er in Rössel sein Vikariat fort. Mit

dem Lazarettzug flieht er von dort über Pillau per Schiff nach Hamburg.

Bis Kriegsende erfolgt ein weiterer Einsatz als Soldat mit daran anschlie-

ßender Gefangenschaft in Garmisch bis zum Sommer 1945. Weil er nur

in die amerikanische Zone entlassen wird, nimmt ihn ein Kamerad nach

Nordheim bei Heilbronn mit. Von 1946 bis 1947 absolviert Werner Oloff

ein Vikariat in Jagstfeld und Birkenfeld und versieht 1948 seinen Dienst

als Pfarrverweser in Weilheim/Teck. Das Zweite Theologische Examen

legt er 1946 ab.

Da die Schwester von Werner Oloff in Tübingen evakuiert ist und er

nicht nach Ostpreußen zurück kann, lebt er dort von 1948 bis 1951. Von

August 1951 bis zu seinem Ruhestand im August 1976 ist er Gemeinde-

10 Im Fragebogen der Theologischen Schule Bethel findet sich gegenüber der Angabe im Lebenslauf eine davon abweichende Angabe: Dort ist der 28. Oktober angegeben. 11 Im Februar 1952 heiratet er die 1930 in Pforzheim geborene Damenschneiderin Irm-gard Stengel. Dem Ehepaar werden die Töchter Renate und Elisabeth geschenkt. Die letzten Lebensjahre ab dem Jahr 2003 verbringt Werner Oloff aus gesundheitlichen Gründen in einem Höchberger Pflegeheim, wo er am 31. Januar 2007 verstirbt. Die Angaben zur Vita ab 1939 stammen von der Ehefrau Irmgard Oloff aus Höchberg, die dem Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen dankenswer-ter Weise ihre Zustimmung zur Veröffentlichung aller Daten ihren Mann betreffend erteilt hat. [Angaben, die mit dem Vermerk „ca.“ versehen waren, wurden überprüft und stimmen mit dem Adressbuch der evangelischen Pfarrerinnen und Pfarrer in Württemberg von 2006 überein.] Im handschriftlichen Begleitschreiben zur Vita er-wähnt Frau Oloff, dass die Unterlagen ihres Mannes den Krieg „überlebt“ haben, weil sie 1944 durch ihn von Elbing zu Verwandten nach Thüringen geschickt wur-den. 12 Pfarrer Gerhard Ebel in Rössel (geb. 16.06.1884), s. Deutsches Kirchliches Adress-buch, Berlin 1937, Sp. 26 1.5.

Drei Bändchen im Gesangbuch

59

pfarrer in Reinsbronn bei Creglingen im Dekanat Weikersheim – Präla-

tur Heilbronn.

Frau Oloff erwähnt in ihrem Begleitschreiben zur Abgabe der Unter-

lagen ihres verstorbenen Mannes, dass der „ganze Trupp der Theolo-

gen“ damals „nach einem Vortrag gegen die Juden im Alten Testament“

aus der SA ausgetreten ist.13 Ferner geht aus einem Schreiben vom Juli

201514 an das LkA EKvW hervor, dass Werner Oloff Professor Schlink

als seinen „geistlichen Vater“ bezeichnet hat und an dessen Trauerfeier

teilnahm. Möglicherweise ist es zu letzterem gekommen, weil Schlink

selber einen nicht leichten Weg zu gehen hatte.

Am 19. März 1935 wird dieser zum Anstaltsgeistlichen der Inneren

Mission berufen. Sein Hauptauftrag ab dem Sommersemester 1935 ist

die Dozentur für systematische Theologie an der Theologischen Schule

Bethel, wobei Schlinks Schwerpunktbereich die Dogmatik und die Prak-

tische Theologie werden.15 Aus Hessen bringt er die Erfahrung von Kon-

flikten mit dem NS-Regime mit. Weil er nicht regimekonform gepredigt

hatte, verweigert das hessische Ministerium ihm „die Erteilung der

venia legendi, also das Recht, Vorlesungen zu halten“16. Da die Theolo-

gische Schule Bethel nicht an staatliche Vorgaben gebunden ist, kann er

dort die Dozententätigkeit ausüben.17

13 Handschriftl. Begleitschreiben von Frau Oloff vom 08.10.2014 in: LkA EKvW 13.99 Nr. 1421. 14 Handschriftliches Dankesschreiben von Frau Oloff an LkA EKvW vom 30.07.2015 für die Übersendung der Unterlagen [in Kopie] aus der Studierendenakte von Wer-ner Oloff in: LkA EKvW 13.99 Nr. 1421. 15 Gottfried Michaelis, Andreas Lindemann: Lehren und Studieren in Bethel 1934 bis 1946, Bethel-Verlag, Bielefeld 1999, S. 15. Edmund Schlink (geb. 06.03.1903 in Darmstadt, verst. 20.05.1984 in Heidelberg) stu-diert in Marburg und Münster u. a. bei Karl Barth. Nach Schließung der Theologi-schen Schule Bethel Visitator der BK in Hessen-Nassau, von 1941-1945 Pfarrverweser in Bielefeld und ab Mai 1943 auch Studiendirektor im Straßburger Thomasstift. Nach Kriegsende Ephorus des Predigerseminars in Brackwede, daneben wieder Dozent an der Theologischen Schule Bethel. Von 1946 bis zu seiner Emeritierung 1971 Professor für Systematische Theologie in Heidelberg. Vgl. Michaelis/Lindemann, S. 183. 16 Michaelis/Lindemann, S. 14. 17 Die Theologische Schule Bethel ist im Gegensatz zu den Kirchlichen Hochschulen in Wuppertal und Berlin formell keine Ausbildungsstätte der Bekennenden Kirche (BK). Vgl. Frank-Michael Kuhlemann: Die Kirchliche Hochschule Bethel. Grundzüge ihrer Entwicklung 1905–2005, Verlag für Regionalgeschichte, Bethel Verlag, Bielefeld 2005, S. 54.

Drei Bändchen im Gesangbuch

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 60

Die akademische Gemeinschaft in brüderlicher Verbundenheit, die

den Lehrkörper der Kirchlichen Hochschule Bethel kennzeichnet, ist

„einzigartig, jedenfalls im Vergleich mit den theologischen Fakultäten an

staatlichen Universitäten“18. Und es entspricht dem Wunsch Friedrich

von Bodelschwinghs d. J., dort Mitarbeiter zu haben, die es verstehen,

mit den Studenten verständnisvoll umzugehen, was für diesen mit

einschließt, „ihnen die Freiheit der Entscheidung in geistigen und

Lebens-Fragen zu gewähren“19.

1936 verstirbt Professor Schlinks Frau aufgrund einer alten

Herzschwäche. Dieser Schicksalsschlag trifft Schlink schwer20. In der

notvollen Zeit erfährt er viel kollegiale Hilfe. Neben den privaten Nöten

beschäftigen Schlink aber auch die politischen und kirchlichen

Geschehnisse sehr. Beides findet seinen Niederschlag in Schlinks

Veröffentlichungen.21 Mit dem 1930 nach Bethel berufenen Dozenten

Pastor Georg Merz22 verbindet Professor Schlink „eine umfassende geis-

18 Michaelis/Lindemann, S. 16. 19 Michaelis/Lindemann, S. 16. Friedrich von Bodelschwingh d. J. (geb. 14.08.1877 in Bethel/Gadderbaum, dort verst. 04.01.1946). Er studiert in Bonn, Basel, Tübingen, Greifswald und Göttingen Theolo-gie. Nach seiner Zeit als Hilfsprediger in Dortmund arbeitet er in den von Bodel-schwinghschen Anstalten Bethel (heute: v. Bodelschwinghsche Stiftungen Bethel) und übernimmt 1910 von seinem Vater deren Leitung. Am 27.05.1933 wird er erster Reichsbischof der im NS-Staat neu geschaffenen Deutschen Evangelischen Kirche, tritt von diesem Amt aber schon am 24.06.1933 wieder zurück. Bodelschwingh stellt sich im Kirchenkampf auf die Seite der BK. Auf seine Haltung im Zusammenhang mit Sterilisation, Euthanasie und der sog. „Aktion T 4“ kann hier nicht differenzierter eingegangen werden. Nach dem Krieg nimmt er 1945 an der Kirchenversammlung in Treysa teil. Vgl. Personalakte LkA EKvW 1 alt Nr. 145. 20 Vgl. Michaelis/Lindemann, S. 16. 21 Sein Beitrag für die Festschrift zu Karl Barths 50. Geburtstag heißt „Die Verborgen-heit Gottes des Schöpfers nach lutherischer Lehre“ mit dem Untertitel „Ein Beitrag zum lutherischen Verständnis der zweiten These der Barmer Theologischen Erklä-rung“ und eine andere Schrift, die in der Reihe „Theologische Existenz heute 59“ er-scheint, hat zum Titel „Die Gemeinde Jesu Christi und die Anfechtung.“ In einem An-hang hierzu findet sich eine Predigt Schlinks zur Erzählung von Jakobs Kampf am Jabbok, in der er ausführt: „Die Geschichte von Jakobs Kampf ist ein ganz tröstliches Stück, vielleicht das tröstlichste Stück des ganzen Alten Testamentes. Sie ist eben Trost in allergrößter Not, und diesen Trost wird nur hören, wer die allergrößte Not kennt.“ (Michaelis/Lindemann, S. 18). Im Oktober 1938 findet er in der Studentin Irm-gard Oswald aus Basel-Riehen seine zweite Frau, mit der ihm noch zwei Söhne ge-schenkt werden. Vgl. Michaelis/Lindemann, S. 17. 22 Georg Merz (geb. 03.03.1892 in Walkersbrunn, verst. am 15.11.1959 in Neuendettels-au) studiert in Leipzig Philosophie, Geschichte, Pädagogik und Theologie. Nach sei-

Drei Bändchen im Gesangbuch

61

tige Bildung“23. In der Studienzeit Werner Oloffs an der Kirchlichen

Hochschule Bethel übt Dozent Georg Merz dort die Rektoratstätigkeit

aus.

Nach dem Fortgang des Systematikers Hans-Wilhelm Schmidt, der

„mit dem Nationalsozialismus uneingeschränkt“24 kooperiert, gehört

1934 der gesamte Lehrkörper der Theologischen Schule Bethel der Be-

kennenden Kirche an. Ab dem Wintersemester 1934/35 wird den

Studenten, die an der Theologischen Schule Bethel ihr Studium aufneh-

ner Ordination in München ist er dort von 1916–1930 als evangelischer Religionsleh-rer und Studentenpfarrer tätig. Er ist mit Karl Barth befreundet und von 1922–1933 Schriftleiter der Zeitschrift „Zwischen den Zeiten“. 1930 nimmt Merz einen Ruf als Dozent an die Theologische Schule Bethel an, wo er bis zu deren Schließung im März 1939 Praktische Theologie und Kirchengeschichte lehrt. Er ist Mitverfasser des Bethe-ler Bekenntnisses [LkA EKvW 5.1. Nr. 431 Fasc. 1], Mitglied der ersten westfälischen Bekenntnissynode am 16. März 1934 in Dortmund [LkA EKvW 5.1. Nr. 743 Fasc. 2] und der Barmer Bekenntnissynode der DEK vom 29.–31. Mai 1934 [LkA EKvW 5.1. Nr. 708 Fasc. 2]. Ab 1934 gehört er der Prüfungskommission der Westfälischen BK an. Vom SS 1936 bis zum WS 1938/39 ist er Leiter der Theologischen Schule Bethel. Nach deren Schließung im März 1939 wird Merz Leiter des Katechetischen Amtes der Be-kennenden Kirche. Von 1942–1945 ist er Dekan in Würzburg, 1946 wird er Rektor des neugegründeten Pastoralkollegs in Neuendettelsau und 1947 der Gründungsrektor der Augustana Hochschule in Neuendettelsau. Von 1951–1957 lehrt er dort Praktische Theologie, Reformationsgeschichte und Kirchengeschichte des 19. und 20. Jahrhun-derts. Vgl. Manacnuc Mathias Lichtenfeld, Georg Merz – Pastoraltheologe zwischen den Zeiten. Leben und Werk in Weimarer Republik und Kirchenkampf als theologi-scher Beitrag zur Praxis der Kirche, Gütersloh 1997. 23 Michaelis/Lindemann, S. 16. 24 Kuhlemann, S. 67. Hans Wilhelm Schmidt (geb. 11.02.1903 in München, verst. 14.11.1991 in Riemer-ling/Bayern) studiert in München, Tübingen, Greifswald und Erlangen. Mit nur 24 Jahren ab 1927 Dozent für Systematische Theologie an der Theologischen Schule Be-thel. Dort ist er als Mitglied der Deutschen Christen (DC) an der Vertreibung seines Kollegen Wilhelm Vischer (s. hierzu: Gottfried Michaelis: Der Fall Vischer. Ein Kapitel des Kirchenkampfes. Ein Beitrag zur Geschichte Bethels 1932–1946, Bielefeld 1994) maßgeblich beteiligt. In Bethel übernimmt er die Leitung der dortigen DC-Ortsgrup-pe. 1934 erhält er eine Professur nach Münster, 1935 wechselt er nach Bonn, von wo aus er sich für ein Verbot der Kirchlichen Hochschule Wuppertal starkmacht. 1939 folgt er einem Ruf nach Wien. In der Zeit tritt er dem „Institut zur Erforschung und Beseitigung des Jüdischen Einflusses auf das deutsche kirchliche Leben“ „Um der Sa-che willen“(Michaelis, S. 163) bei. Nach dem Krieg übt er ab 1947 in Starnberg und ab 1956 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand in München den Beruf des Pfarrers aus. 1962 erhält er aufgrund eines Gesuches an das Bayerische Staatsministerium „die Rechtsstellung eines an der Universität Erlangen-Nürnberg entpflichteten ordentli-chen Professors der systematischen und neutestamentlichen Theologie...“ (Michaelis, S. 175) zuerkannt. Vgl. Michaelis, S. 140-183.

Drei Bändchen im Gesangbuch

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 62

men wollen, diese Grundausrichtung des Lehrkörpers mitgeteilt. So hat

sich die „Theologische Schule im Kirchenkampf, wenn nicht formell, so

doch faktisch, zu einer Lehr- und Ausbildungsstätte bzw. ‚Fakultät der

Bekennenden Kirche‘ entwickelt.“25

Die Betheler Studentenschaft wird 1934 in die allgemeine Deutsche

Studentenschaft überführt. Dies hat u.a. zur Folge, dass aus den Wohn-

heimen „‚sog. Kameradschaftshäuser‘ für die männliche studierende Ju-

gend“26 werden. In der Betheler Studentenschaft vollzieht sich aber nach

anfänglicher Zustimmung zur Machtergreifung Hitlers ein Wandel. Ins-

besondere seit dem Sommersemester 1935 zeigen sich „Züge der äuße-

ren und inneren Distanzierung vom NS-Staat. War es im Sommer 1934

noch geradezu selbstverständlich gewesen, daß die Studenten der

‚Sturm-Abteilung‘ (SA) oder der NSDAP selber angehörten, so wurde

die Gruppe bald zur Minderheit“.27 Ablesen lässt sich dieser Wandel

auch anhand der Aufzeichnungen in den sogenannten „Dienstbü-

chern“28 der im Jägerstift wohnenden Studenten, worin diese im Zeit-

raum vom Sommersemester 1934 bis zum Sommersemester 1936 akri-

bisch ihren gesamten Tagesablauf einschließlich des obligatorischen

Wehrsports dokumentieren. Die BK-Orientierung vieler Studenten führ-

te sogar zur Beteiligung an einer Demonstration im Zusammenhang mit

der Absetzung eines Gottesdienstes der Bekenntnissynode in Bielefeld-

Sieker durch das Konsistorium in Münster im Mai 1936, worüber Pfarrer

Buschtöns sich bei Friedrich v. Bodelschwingh d.J. beschwert.29 Der zu

dem Zeitpunkt amtierende Rektor der Theologischen Schule Bethel, Lic.

Wilhelm Brandt,30 hält eine Entschuldigung bzgl. des Verhaltens der

25 Kuhlemann, S. 60f. 26 Kuhlemann, S. 50. 27 Michaelis/Lindemann, S. 44. 28 LkA EKvW 13.99 Nr. 51 Transkription N.N. und LkA EKvW 13.99 Nr. 1398 Origi-nalbücher. 29 Vgl. „Brief von Pfarrer Buschtöns an F. von Bodelschwingh“ vom 11.05.1936 in: Gerhard Ruhbach (Hg.), Kirchliche Hochschule Bethel 1905–1980, Kirchliche Hoch-schule Bethel, Bielefeld 1980, S. 187ff. Zum sogenannten Fall Mebus/Sieker sind im LkA EKvW im Bielefelder Archiv zum Kirchenkampf – Sammlung Wilhelm Niemöller – Unterlagen vorhanden (LkA EKvW 5.1 Nr. 242 Fasc. 2 – Nr. 243 Fasc. 2.) 30 Wilhelm Brandt (geb. 27.08.1894 in Iserlohn, verst. 18.10.1973 in Bethel) lehrt von 1927–1939 und von 1945–1950 an der Theologischen Schule bzw. Kirchlichen Hoch-

Drei Bändchen im Gesangbuch

63

Studenten Pfarrer Buschtöns gegenüber aber für nicht notwendig, wie

aus einem erklärenden Brief an Friedrich v. Bodelschwingh d.J. hervor-

geht.31

Da der Student Werner Oloff im Wintersemester 1936/37 und im

Sommersemester 1937 in Bethel studiert, müsste der von Frau Oloff er-

wähnte „Trupp der Theologen“ in Gadderbaum, dem Werner Oloff an-

gehört, wie sein Schreiben an den Sturmhauptführer Klommhaus belegt,

zu dem Zeitpunkt der oben erwähnten Minderheit der noch der SA an-

gehörenden Betheler Studenten zugerechnet werden. Inwieweit seine

SA-Zugehörigkeit zu diesem „späten“ Zeitpunkt mit dem frühen Tod

seiner Eltern, insbesondere dem seiner ersten Mutter, oder aber dem

Einfluss von Studentenschaften und Professoren an den vorherigen Stu-

dienorten oder der Zeit der Ableistung seiner militärischen Dienstpflicht

im Zusammenhang steht, wird an dieser Stelle nicht näher untersucht.32

Auf jeden Fall aber hat er sich nach der Ableistung seiner Dienstpflicht

trotz seiner SA-Zugehörigkeit für die Fortsetzung seines Studiums an

der Theologischen Schule Bethel und damit für ein Studium an einer

BK-orientierten Hochschule entschieden.

schule Bethel Innere Mission, Diakonie und Neues Testament, was er im Nebenamt bis 1958 fortführt. Von 1933–Mai 1936 ist er deren Leiter, 1936 zugleich auch der Leiter des Kandidatenkonvikts in Bethel. In den Jahren von 1950 bis zum Eintritt in den Ru-hestand am 30.04.1963 ist er Vorsteher der Westfälischen Diakonissenanstalt Sarepta in Bethel. Vgl. Personalakte LkA EKvW 1 neu Nr. 291 und Michaelis, S. 102-109. 31 Vgl. „Brief von W. Brandt an F. von Bodelschwingh“ vom 18. Mai 1936 in Ruhbach S. 189f. 32 Dass seine Biographie einen Einfluss auf seinen weiteren Werdegang hat, darauf lassen ein Brief von Merz an Werner Oloff vom 28.01.1937 und ein Gutachten (s. Anm. 46 und Text weiter unten) schließen. Aus dem Brief geht hervor, dass Werner Oloff, der sich zu dem Zeitpunkt in Hannover aufhält, sein Studium wohl nicht fort-setzen will. Merz schreibt: „Es wäre mir ja das Liebste, wenn ich die Freudigkeit hätte, Sie etwas bedrängen zu dürfen, daß Sie doch bei uns bleiben. ...Ich habe mich Ihrer Aufrichtigkeit, Ihres Ernstes, Ihrer Gründlichkeit, persönlicher Fragen zu durchleiden, so gefreut, daß ich Ihnen wünschen möchte, daß Sie nicht lange im Ungewissen schweifen müssen, sondern bald die Möglichkeit bekommen, auf einen Beruf hinzu-arbeiten, von dem Sie die Gewissheit haben, dass Sie dafür bestimmt sind.“ S. maschi-nenschriftl. Schreiben von Pastor [Merz] an stud. theol. Werner Oloff vom 28.01.1937 in: LkA EKvW 13.99 Nr. 1421. Laut dem Melderegister der Stadt Bielefeld wohnt Werner Oloff ab dem 16.01.1937 in Hannover Viktor-Lutze-Allee, kehrt aber am 23.02.1937 von dort nach Gadderbaum Königsweg 24 zurück. Vgl. StA Bi, Bestand 104,3/Einwohnermeldeamt, Nr. 27: Mel-dekartei Gadderbaum.

Drei Bändchen im Gesangbuch

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 64

An einem Abend des Trupps Gadderbaum, dem 30. April 1937, der

in der dortigen Volksschule stattfindet, hält Sturmhauptführer Klomm-

haus einen Vortrag über „die Aufgabe der SA“. Hierauf geht Werner

Oloff, nachdem er darüber bereits mit Truppführer Blaschke Rückspra-

che gehalten hat, in seinem Schreiben an Sturmhauptführer Klommhaus

ein:33

An den Führer des Sturmbannes II/174

Sturmhauptführer Klommhaus

Hierdurch möchte ich mir erlauben, auf den SA-Dienst des Trupps

Gadderbaum (Sturm 11/174).[.]str. Brackwede am 30.IV.37 in der Volksschu-

le Gadderbaum zurückzukommen, den Truppführer Blaschke leitete

u. bei dem Sie in längeren Ausführungen über die Aufgabe der SA

sprachen. Ich hatte mich am gleichen Tage bereits mittags an Tru[pp]-

f[führer] Blaschke wegen einer Aussprache über Äußerungen seiner-

seits bezüglich des Christentums beim SA-Dienst von der vorherge-

henden Woche gewandt, u. nach Beendigung des letzten Dienstes hat

diese Aussprache auch stattgefunden. Dabei habe ich gleich zu An-

fang gefragt, ob es – entgegen Ihren Ausführungen, Sturmhauptfüh-

rer – nun nicht doch möglich sei, bei der vorgesehenen Schulung das

Christentum wie religiöse Fragen überhaupt vollständig auszuschal-

ten. Diese Frage wurde von Truf. Blaschke mit einem entschiedenen

Nein beantwortet mit dem Bemerken, daß Nationalsozialismus u.

Christentum sich nicht vereinbaren ließen. Truf. Blaschke legte mir

darauf seine Ansicht dar: der Nationalsozialismus sei eine Weltan-

schauung, in der es gerade so wie im Christentum auch um einen

Glauben ginge, der jedoch seinerseits das Christentum überflüssig

mache; er (Truf. Blaschke) habe sehr wohl in den vergangenen Jahren

eine derartige Erfahrung gemacht. Ich stellte demgegenüber fest, daß

der christliche Glaube eine Erhebung politischer Weltanschauungen

zu Sätzen eines religiösen Glaubens ausschließt u. weder neben sich

noch an seiner Stelle Offenbarungen Gottes sehen könne, vielmehr

sich ganz allein auf Jesus Christus gründe, wie es in den Schriften des

Alten und Neuen Testaments bezeugt worden sei, daß dieser Chris-

33 Das handschriftl. Schreiben Werner Oloffs an den Führer des Sturmbannes II/174, Sturmhauptführer Klommhaus vom 30.04.1937 ist undatiert, aber vermutlich zeitnah zum Vortrag verfasst worden. Hier in Transkription eingestellt.

Drei Bändchen im Gesangbuch

65

tus zur Erlösung aller Menschen von Gott selbst in die Welt gesandt,

gekreuzigt und auferstanden u. die Botschaft von ihm allen Völkern

ohne Ausnahme durch die Kirche zu verkünden sei. Das sei durch 1

½ Jahrtausende in Deutschland geschehen, eine deutsche Geschichte

ohne dies wäre undenkbar. Hier eine Änderung vorzunehmen, sei

unbegründet wie auch im Interesse des Staates durchaus von Nach-

teil. Im Verlaufe dieser Aussprache bemerkte schließlich Truf. Blasch-

ke, daß es nach Lage der Dinge für mich am besten wäre, wenn ich

die Konsequenzen zöge u. aus der SA ausschiede. Bevor die Unterre-

dung hierauf weiter fortgesetzt wurde (es wurden dann u. a. Fragen

über das Alte Testament berührt, wobei Truf. Blaschke u. noch ein an-

derer inzwischen hinzugekommener Kamerad dies für deutsche

Menschen unserer Zeit als untragbar bezeichneten), erklärte ich ent-

sprechend dem Anraten des Truf. Blaschke, unter diesen Umständen

meinen Austritt aus der SA zu vollziehen, bat noch um nähere Aus-

kunft hierüber u. erhielt zur Antwort, daß es nach Lage der Dinge

möglich sei, einen ehrenvollen Austritt zu erhalten. – Bevor ich jedoch

einen derartigen Schritt unternehme, möchte ich doch zuerst noch

einmal an Sie herantreten. Ich kann mir kaum vorstellen, daß in der

SA für einen Christen heute kein Raum mehr sein solle (ein anderer

Grund liegt ja für mich zum Austritt nicht vor). Das würde jedenfalls

den Schluß sehr nahe legen, als betrachte man jeden Christen als

Staatsfeind oder als politisch unzuverlässig. Dagegen ist jedoch aufs

Schärfste Einspruch zu erheben. Weiter ist zu fragen: ist das die Auf-

fassung der staatlichen Stellen – wobei zu beachten ist, daß die kirch-

lichen Gruppen sowohl der „Deutschen Christen“ wie auch der „Be-

kennenden Kirche“ vom Staate anerkannt sind u. überhaupt Glau-

bens- u. Gewissensfreiheit gewährleistet ist – oder ist das lediglich die

Meinung der Partei oder einzelner ihrer Gliederungen, die dann aber

im Gegensatz zur staatlichen Auffassung stünden? Dabei muß indes

auf den Punkt 24 des Parteiprogramms34 verwiesen werden. Oder

34 „24. Wir fordern die Freiheit aller religiösen Bekenntnisse im Staat, soweit sie nicht dessen Bestand gefährden oder gegen das Sittlichkeits- und Moralgefühl der germa-nischen Rasse verstoßen. Die Partei als solche vertritt den Standpunkt eines positiven Christentums, ohne sich konfessionell an ein bestimmtes Bekenntnis zu binden. Sie bekämpft den jüdisch-materialistischen Geist in und außer uns und ist überzeugt, daß eine dauernde Genesung unseres Volkes nur erfolgen kann von innen heraus auf der

Drei Bändchen im Gesangbuch

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 66

aber gilt auch in den Reihen der SA Glaubens- u. Gewissensfreiheit u.

sind dann dem entgegenstehende Äußerungen einzelner als private

Meinungen zu nehmen, die für die Gesamtheit nicht verbindlich

sind? In welchem Sinne sind demgemäß Ihre Ausführungen auf dem

Truppabend am 30. IV. zu verstehen wie auch die des Truf. Blaschke

beim vorhergehenden Dienst? Denn von verschiedenen rein ge-

schichtlichen Unrichtigkeiten Ihres Vortrages ganz abgesehen – konn-

ten Ihre Äußerungen über das Christentum von keinem Christen hin-

genommen werden; das zeigte sich ja schon deutlich in der Ausspra-

che jenes Abends. Sie werden sich sicher noch erinnern, worum es in

diesem Punkte besonders ging35: die Erfindung der Religion durch

das nach Ihrer Meinung nur angeblich „auserwählte Volk“ der Juden

zum Zwecke des Minderwertigmachens u. Beherrschens der fremden

Völker; die Umwandlung der Lehre des großen Nazareners („Liebe

deinen Nächsten“) durch die Juden zum gleichen Zweck; Saulus, der

politische Revolutionär, der da lehrte: „Gehet hin in alle Welt!“ (das

sagte indes Jesus selbst), um die Völker gegen Rom zu hetzen; die ge-

waltsame Missionierung der Germanen mit der „christlichen Reli-

gion“ durch die Juden zur Befriedigung ihrer Machtgelüste; Verdre-

hung der Bedeutung Luthers (die Bibel lüge, weil in ihr nicht von An-

tipoden die Rede sei, die es aber doch anerkanntermaßen gebe) Lu-

ther aber habe deren Existenz aufgrund der Bibel verneint); Hetze der

Juden zum 30jährigen Krieg zur Vernichtung des deutschen Volkes;

Verdrehung u. Verhöhnung der christlichen Begriffe „ewiges Leben“

u. „Himmel“; Friedrich d. Große etwa lebe ewig im Gedächtnis der

Generationen fort, sei aber nie in einen Himmel gekommen; die Be-

hauptung, daß der Jude sich im Marxismus den „Bundesgenossen“

des Christentums zur Hilfe nahm, das dann fälschlicherweise vom ir-

dischen Jammertale u. dem Menschen als armem, elenden Wurme re-

de um dem Menschen Minderwertigkeitsgefühle aufzuzwingen und

sie sich gefügig zu machen. Das Gesetz (10 Gebote) sei für die Juden

gegeben, die entartet u. sittlich verkommen seien; die Deutschen hät-

Grundlage: Gemeinnutz vor Eigennutz“ (http://www.documentarchiv.de/wr/1920/ nsdap-programm.html) 35 Fußnote im Original: „vergl. dazu: zu vergleichen gegen diese Art der Auseinan-dersetzung auf Reichswart Folge 19 (1937), Seite 2, Spalte 2-4 („Für oder gegen den Stürmer)!

Drei Bändchen im Gesangbuch

67

ten dies Gesetz nicht nötig; sie seien zu anständig u. wüßten selber,

was sie zu tun hätten; daraus folge die Meinung, daß wir nicht Gott,

sondern dem Volk allein für unsere Taten verantwortlich seien. – Ich

wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich einmal darüber äußern würden

(sei es privat mir gegenüber oder vor dem versammelten Trupp), ob

Sie all das als für alle verbindlich gemeint oder damit nur Ihrer ganz

persönlichen Auffassung Ausdruck gegeben [haben]. In beiden Fäl-

len könnte u. kann ein Christ nicht schweigen. Im letzteren Falle in-

des wäre eine Regelung sehr gut möglich, indem nämlich Fragen

über Christentum u. Religion im allgemeinen völlig ausgeschaltet

werden im Dienst. Im ersteren Falle bliebe einem Christen nichts an-

deres, als immer jeweils solchen Behauptungen das christliche Zeug-

nis entgegenzusetzen solange, bis man gegen ihn [in] irgendeiner

Weise vorginge, d. h. ihn ausschlösse oder ihm zum Austritt riete.

Auf jeden Fall aber stellte das m. E. einen Verstoß gegen die Aufgabe

der SA dar, die sich mit religiösen Fragen nicht zu befassen hat ent-

sprechend der Weisung des Führers: „dem politischen Führer haben

religiöse Lehren u. Einrichtungen seines Volkes immer unantastbar

zu sein, sonst darf er nicht Politiker sein, sondern soll Reformator

werden, wenn er das Zeug hierzu besitzt“ (Adolf Hitler: Mein Kampf,

149./150. Aufl. 1935, Seite 127). Zu verweisen ist auch auf die Gewis-

sensfreiheitsverfügung des Stellvertreters des Führers (1. Reichswart,

Folge 20 (15.v.1737.), Beilage „Religion und Leben“, 1. Seite, Spalte 1-2).

Die endgültige Entscheidung meinerseits bezüglich des mir angerate-

nen Austritts bitte ich von Ihrer Entscheidung über die Fragen abhän-

gig machen zu dürfen, die ich mir oben an Sie zu stellen erlaubt habe.

Heil Hitler!

Werner Oloff

SA-Mann

Sturm II/174

(Elbretter)

Den Angaben Frau Oloffs nach kommt es daraufhin zum Austritt

aus der SA. Was das Schreiben Werner Oloffs an den Sturmhauptführer

Klommhaus im Sommersemester 1937 an der Theologischen Schule Be-

thel alles ausgelöst haben mag, lässt sich nur erahnen. Ohne Folgen wird

es nicht geblieben sein und dürfte einer Erinnerung des Dozenten Robert

Drei Bändchen im Gesangbuch

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 68

Frick36 nach an der Theologischen Schule Bethel für manchen Diskus-

sionsstoff gesorgt haben. In eindrücklicher Erinnerung bleibt Dozent

Frick die Rede des Seniors der Studentenschaft zum Schluss des Som-

mersemesters 1937, in der es heißt: „Wer noch zum Schluß des vorigen

Semesters in der Illusion lebte, in den Fragen der Kirche eine – wie man

sagt – neutrale Stellung einnehmen zu können, dem wird im Laufe der

letzten Monate deutlich geworden sein, daß Kirche Jesu Christi nur sein

kann als eine bekennende Kirche unter der Richtschur des Wortes Got-

tes, das kein Menschenwort neben sich duldet und keine menschlichen

Rücksichtnahmen erlaubt.“37

Bei Werner Oloff muss dies in der Folgezeit zu einer Desillusionie-

rung hinsichtlich des Verhältnisses von Staat und Christentum und der

Stellung des Staates zum Judentum geführt haben, wie der Brief an man-

chen Stellen bereits anklingen lässt, wenngleich er hier einen Weg des

Nebeneinanders für eventuell noch möglich zu halten scheint und den

Austritt zunächst verzögert: „Bevor ich jedoch einen derartigen Schritt

unternehme, möchte ich doch zuerst noch einmal an Sie herantreten. Ich

kann mir kaum vorstellen, daß in der SA für einen Christen heute kein

Raum mehr sein solle (ein anderer Grund liegt ja für mich zum Austritt

nicht vor). Das würde jedenfalls den Schluß sehr nahe legen, als betrach-

te man jeden Christen als Staatsfeind oder als politisch unzuverlässig.“

Wann der Austritt genau erfolgte, lässt sich anhand der Studieren-

denakte nicht eruieren. Auffällig ist, dass die Empfangsquittung vom 2.

Juli 1937, auf welcher der inzwischen offensichtlich zum Obertruppfüh-

rer beförderte SA-Mann Blaschke die Abgabe der SA-Uniform bestätigt,

genau auf den Tag der Exmatrikulation Werner Oloffs an der Theologi-

schen Schule Bethel datiert ist.

36 Robert Frick (geb. 03.09.1901 in Berlin, verst. 13.02.1990) kommt im September 1931 aus der Gemeindearbeit in Bad Saarow als Dozent für Kirchengeschichte und Grie-chisch an die Theologische Schule Bethel. Dort leitet er auch den Bekenntniskreis mit, was für ihn ein Verhör bei der Gestapo mit sich bringt. Von 1939–1945 wirkt er als Brüderpfarrer in der Diakonenanstalt Nazareth und von 1945–1949 ist er erneut Do-zent an der Theologischen Schule. In der Zeit von 1949 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1969 übt er das Amt des Vorstehers der Diakonissenanstalt Kaiserswerth aus. Vgl. Personalakte LkA EKvW 1 neu Nr. 3669 und Michaelis, S. 114–127. 37 Ruhbach, S. 99.

Drei Bändchen im Gesangbuch

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Empfangsquittung vom 2. Juli 1937

Aus einem Brief Werner Oloffs38, den er am 5. April 1938 aus Königs-

berg an Pastor [Merz] schreibt, geht hervor, dass er sich in einem intensi-

ven Prozess des inneren Ringens befindet und sich mit der Frage be-

schäftigt, ob er sich zum Examen anmelden könne oder nicht. Er selber

hält eine Anmeldung zum Examen zu dem Zeitpunkt für „unverant-

wortlich u. leichtsinnig“, sucht in dieser Frage aber Rat bei Lic. Hein39,

bei Bruder Dobrick40, der Vikar in Löwenhagen bei Pfarrer Gollnick41 ist,

38 Handschriftl. Schreiben von Werner Oloff aus Königsberg an Pastor [Merz] vom 05.04.1938 in: LkA EKvW 13.99 Nr. 1421. 39 In Hugo Linck, Der Kirchenkampf in Ostpreußen 1933 bis 1945. Geschichte und Dokumentation, München 1968, 296 S., weist Linck auf S. 219 Lic. Hein als Kreispfar-rer von Pillkallen und Mitglied des Ostpreußischen Bruderrates aus. Das Deutsche Kirchliche Adressbuch von 1937 gibt an, dass Lic. Hein am 27.04.1902 geboren und seit dem 01.01.1930 Pfarrer in Kussen bei Pillkallen ist. Vgl.: Deutsches Kirchliches Adreßbuch. Ein Führer durch die Deutsche Evangelische Kirche und die deutschen evangelischen Kirchen und Gemeinden außerhalb der Reichsgrenzen, Berlin 19373, Sp. 22 7.3. 40 Bei dem erwähnten Bruder Dobrick handelt es sich sehr wahrscheinlich um Heinz Dobrick, geb. am 11.02.1912 in Brakau/Kreis Marienwerder-Westpreußen, der in der Zeit vom 18.11.1935–30.06.1936 als Student an der Theologischen Schule Bethel einge-schrieben ist und zu dem Zeitpunkt Streckfuß bei Elbing in Ostpreußen als Heimat-wohnsitz angibt. Auch er studiert wie Oloff im SS 1932 Theologie in Königsberg, im SS 1933 in Tübingen und im SS 1934 wieder in Königsberg. Von daher liegt es nahe davon auszugehen, dass Dobrick und Oloff sich persönlich kennen und sie ein brü-

Drei Bändchen im Gesangbuch

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 70

und bei Professor Schlink. Da dieser Rat sehr unterschiedlich ausfällt,

wendet er sich nun noch ratsuchend an Pastor [Merz]. Während Werner

Oloff diesen Brief am Schluss noch mit „Heil Hitler!“ zeichnet, fällt auf,

dass dies im Brief vom 20. April 1938 weggelassen wird.

Am 20. April 1938 bittet Werner Oloff Pastor [Merz]42 um ein Gutach-

ten zu seiner Person, weil er, wie er schreibt „nach großen Zweifeln nun

vor Kurzem doch zu dem auch vor Ihnen im Sommer vorigen Jahres ge-

äußerten Entschluß zurückgekehrt bin und mich jetzt bereits gemeldet

habe. Entscheidenden Einfluss hatte dabei neben einigen Kommilitonen

Herr Walter Müller, der ehemalige Inspektor des Lutherheims43 ...“

Pastor [Merz] antwortet dem nun wieder „stud. theol. W. Oloff“ am

23. April 193844:

derschaftliches Verhältnis miteinander verbindet. Vgl. Studierendenakte Heinz Do-brick in: LkA EKvW 13.99 Nr. 847/5. 41 Erich Walter Alfred Gollnick (geb. 02.01.1902 in Gurzen/Kreis Flatow in Westpreu-ßen, gefallen am 14.04.1944 bei Nizniow am Dnjestr) ist von Mai 1922 bis Februar 1924 Senior des Theologenkonvikts „Lutherheim“. Von 1931–1944 bekleidet er ein Pfarr-amt in Löwenhagen/Ostpreußen. Von Beginn an gehört er zur Ostpreußischen Be-kenntnissynode und später auch zu deren Rat, ein Weg, der ihn wie viele andere ost-preußische Pfarrer ins Gefängnis führt. An der Ausbildung der jungen Theologen in Ostpreußen ist er maßgeblich beteiligt. Franz-Reinhold Hildebrandt hebt in seinen Ausführungen zu Erich Gollnick besonders dessen Gabe der Seelsorge hervor und berichtet von einem Kommen und Gehen von Studenten, Vikaren und Hilfspredi-gern im Pfarrhaus, die bei ihm Rat und Stärkung suchen. Vgl.: Franz-Reinhold Hilde-brandt „Erich Walter Alfred Gollnick“ in: Lebensbilder aus der Bekennenden Kirche, hg. von Wilhelm Niemöller, Bielefeld 1949, S. 28–37. Zum „Lutherheim“ s. Fußnote 42. 42 Handschriftl. Schreiben von Werner Oloff aus Königsberg an Pastor [Merz] vom 20.04. 1938 in: LkA EKvW 13.99 Nr. 1421. 43 Das Theologenkonvikt „Lutherheim“ in Königsberg wird 1917 aus den Gaben der evangelischen Gemeinden Ostpreußens anlässlich des 400-jährigen Reformationsjubi-läums gegründet. Von 1934–1938 ist Pfarrer Walter Müller dort Inspektor. Am 03.02.1938 wird das Lutherheim aufgrund einer Staatspolizeilichen Verfügung vom 02.02.1938 geschlossen. Alle Heiminsassen, 20 Theologen und fünf Nichttheologen, müssen innerhalb weniger Stunden das Haus verlassen und werden, sofern sie kein Nachtquartier finden, der Obdachlosenpolizei zugewiesen. Sämtliche Studentenzim-mer und die Bibliothek werden versiegelt. Vgl. „Staatspolizeiliche Verfügung!“ in: LkA EKvW 5.1 Nr. 119 Bl. 331; Bericht „Staatspolizeiliche Schliessung des Luther-heims für Theologiestudenten zu Königsberg/Pr.“ in: LkA EKvW 5.1 Nr. 119 Bl. 332 u. 333. 44 Maschinenschriftl. Antwortschreiben von Pastor Merz an stud. theol. Werner Oloff vom 23.04.1938 in: LkA EKvW 13.99 Nr. 1421.

Drei Bändchen im Gesangbuch

71

„Es freut mich herzlich, daß Sie der Weisung von Dr. Schlink, die

ganz mit meiner Anschauung übereinstimmt, Folge leisten. Ich möchte

Ihnen von Herzen wünschen, daß Sie sich durch die Bedrängnis Ihrer

Prüfung nicht bedrücken lassen. Sie haben das Recht, diesen Weg freu-

dig zu gehen, selbst wenn er im einzelnen manche Enttäuschungen brin-

gen sollte. In herzlichem Gedenken“.

Das Gutachten, von Pastor Merz am 30. April 193845 verfasst, schickt

er an Pfarrer Hildebrandt aus Goldap in Ostpreußen46. Darin charakteri-

siert er Werner Oloff als einen Menschen, den man während seiner Stu-

dienzeit in Bethel „um seiner Aufrichtigkeit und Lauterkeit willen schät-

zen gelernt“ habe, der aber „unerbittlich im Gericht über sich selbst“ sei

und „darum manche Anfechtungen“, die „anderen erspart bleiben oder

die andere scheuen“, auf sich nimmt. Weiter führt er aus, dass er aber

gerade darum „in wachsendem Maße geistliche und geistige Kraft ge-

wonnen“ habe, „Schwierigkeiten, die ihm durch Schicksale in seiner

Familie erwachsen waren, zu überwinden.... Wir haben das Vertrauen,

daß er ein ernster und gewissenhafter Pfarrer sein wird, wobei wir

freilich wünschen, daß er der notwendigen Führung in einem

brüderlichen und väterlichen Kreise teilhaftig wird.“

Am [2.] April 193947 schreibt Werner Oloff eine Karte an Pastor

[Merz] auf der er mitteilt, dass er „vor Kurzem wider alle Erwartung

45 Maschinenschriftl. Gutachten vom 30.04.1938 in: LkA EKvW 13.99 Nr. 1421. 46 Pfarrer Franz-Reinhold Hildebrandt (geb. 12.01.1906 in Braunsberg, verst. 18.12.1991 in Brühl bei Köln) übt von 1933 bis zu seinem Einzug zum Wehrdienst in Goldap/Ostpreußen sein Pfarramt aus. Seit 1934 gehört er zum Bruderrat der Ost-preußischen Bekenntnissynode, deren Vorsitzender er ab 1936 ist. Von 1937–1939 lei-tet er das sich in der Nähe von Goldap befindliche „Illegale“ Predigerseminar der BK. Auch Hildebrandt bleibt nicht von Verhaftungen verschont. Nach dem Zweiten Welt-krieg ist er mitbeteiligt am Wiederaufbau der Evangelischen Kirche in Deutschland. Von 1946–1952 wirkt er als Propst in Halberstadt und Quedlinburg und von 1952 bis zu seiner Emeritierung im August 1972 bekleidet er das Amt des Präsidenten der Kir-chenkanzlei der Evangelischen Kirche der Union (EKU). Vgl.: Johannes Jänicke „Theologe unter dem ersten Gebot“ in: Oskar Söhngen, Günter Heidtmann: Zeugnis und Dienst im Spannungsfeld der Zeit. Beiträge aus der Evangelischen Kirche der Union zum sechzigsten Geburtstag von Franz-Reinhold Hildebrandt, Presseverband der Evangelischen Kirche im Rheinland e.V., Beiheft der Evangelischen Kirchenzei-tung „Kirche in der Zeit“, Düsseldorf 1966, S. 9–13. Vgl. Erlass Himmlers in: LkA EKvW 5.1 Nr. 29 Fasc. 2 Bl. 25. 47 Handschriftl. Schreiben von Werner Oloff aus Kuggen/Kreis Königsberg an Pastor [Merz] vom [2.]04.1939 aus Königsberg in: LkA EKvW 13.99 Nr. 1421.

Drei Bändchen im Gesangbuch

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 72

und Würdigkeit“ sein Studium abgeschlossen hat. „Die Linie, die so zu

dem jetzt erreichten Punkte führt, hat ja in Bethel ihren Anfang genom-

men. Ihnen als Lehrer meine ich als Schüler darum meinen besonderen

Dank sagen zu dürfen u. zu müssen. Mit besten Grüßen Ihr dankbar er-

gebener Werner Oloff.“

Hierauf antwortet Pastor D. Georg Merz am 19. April 193948 „Bruder

Oloff“ zum „so erfreulich gut“ bestandenen Examen, wodurch „sich

auch an Ihnen wiederum eine gnädige Führung sichtbar vollzogen“ hat:

„Ich denke gern an den großen Ernst, mit dem Sie damals Ihre Entschei-

dung durchkämpften, und bin nie in der Gewißheit irre geworden, daß

ich Ihnen von diesen Tagen her verbunden geblieben bin, sowie mir

auch damals unser Bruder Schiefferdecker49 groß und verehrungswür-

dig erschien, wie er Ihre Not brüderlich uns seelsorgerlich zu seiner eige-

nen machte. Dass Sie unter solchen Zeichen Ihren Weg in das Amt ge-

hen durften, soll Ihnen Stärkung und Verheißung sein.“

Vergegenwärtigt man sich nun die Unterlagen der Studierendenakte

Werner Oloffs, ist man dem Menschen dahinter doch ein Stück weit nä-

her gekommen, wenngleich noch manche Frage offen bleibt. U. a. wel-

chen Einfluss die Professoren der Königsberger Fakultät mit ihrer Stel-

lung zum Nationalsozialismus auf ihn gehabt haben mögen und wie

stark ihre Theologie ihn geprägt hat?50 Hatte Werner Oloff schon vor

48 Maschinenschriftl. Antwortschreiben von Pastor Merz aus Bethel an Vikar Werner Oloff in Kuggen/Kreis Königsberg vom 19.04.1939 in: LkA EKvW 13.99 Nr. 1421. 49 Bei dem erwähnten „Bruder Schiefferdecker“, der Elbing als seine Heimatadresse angibt, handelt es sich sehr wahrscheinlich um Hans-Günther Schiefferdecker, der vom WS 1935–WS 1937 an der Theologischen Schule Bethel eingeschrieben ist. In sei-ner Studierendenakte befindet sich ein Gutachten von Pastor D. Merz, das Schieffer-decker für sein Vikariat benötigt. Darin heißt es über ihn, dass „er mit großem Ver-ständnis und mitwilliger Hingabe in der Gemeinschaft der Brüder stand und sich de-rer, für die er sich besonders verantwortlich wußte, auch mit echter Fürsorge an-nahm“. Studierendenakte Hans-Günther Schiefferdecker: LkA EKvW 13.99 Nr. 1555/1. 50 Im Rahmen dieses Artikels kann nicht näher auf die besondere Geschichte des Kir-chenkampfes in Ostpreußen eingegangen werden und damit auch nicht näher da-rauf, welche besondere Rolle die Theologische Fakultät Königsberg mit ihrem Lehr-körper (insbesondere die Professoren Hans Joachim Iwand, Julius Schniewind, Mar-tin Noth und Günther Bornkamm) dabei spielte. Verwiesen sei hier u.a. auf: Koschor-ke, Manfred: Materialsammlung zur Darstellung des Kirchenkampfes in Ostpreußen: September 1934 bis 1939 [nach 1963], Nachlass G. Niemöller, 150 S.; Koschorke, Man-fred (Hg.): Geschichte der Bekennenden Kirche in Ostpreußen 1933–1945. Allein das

Drei Bändchen im Gesangbuch

73

oder erst nach seiner Studienzeit in Bethel Kontakt mit dem Luther-

heim? Kannte er Sturmhauptführer Klommhaus51 bereits?

Aus dem Fragebogen der Theologischen Schule52, den Werner Oloff

am 7. Oktober 1936 in Berlin-Friedenau ausfüllt, geht hervor, dass sein

Berufsziel Pfarrer ist und dass er schon vor Bethel der Bekennenden Kir-

che nahesteht.

Auf die Frage „10a. Was wollen Sie werden? (Z.B. Pfarrer, Missionar,

Religionslehrer)“ antwortet Werner Oloff: „Pfarrer“ und auf die Frage

„10b. „In den Dienst welcher Landeskirche (Religionsgemeinschaft) wol-

len Sie treten?“: „Habe mich im Sommer 1935 der Ostpr. Bekenntnissy-

node zur Verfügung gestellt.“

Dies bestätigt, dass die schweren Krisen, inneren Kämpfe und Zwei-

fel Werner Oloffs erst in Bethel beginnen und dort sowohl im Winterse-

mester 1936/37 als auch im Sommersemester 1937 virulent sind. Der

Vortrag des Sturmhauptführers Klommhaus scheint bei Werner Oloff

den status confessionis hervorzurufen, insbesondere im Hinblick auf die

Judenfrage.53 Nach seinem Schreiben an Sturmhauptführer Klommhaus,

dessen Reaktion darauf nicht vorliegt, schließt sich für Werner Oloff eine

Vereinbarkeit von SA-Zugehörigkeit und seinem Christsein aus und er

vollzieht seinen Austritt.

In dem Lied „O König, dessen Majestät weit über alles steiget...“ en-

det jede Strophe mit „Gott sei mir Sünder gnädig!“, was ebenso wie der

Vers aus Römer 2,4 auf dem Kärtchen „Weißt du nicht, daß Gottes Güte

dich zur Buße leitet?“ darauf hindeutet, dass Werner Oloff für sich eine

große Schuld darin sehen mag, dies erst so spät erkannt zu haben. Er

hält sich eines Pfarramts für nicht mehr würdig und ringt darum, wie es

Wort hat's getan, Göttingen 1976, 536 S.; Sänger, Peter (Hg.): Hans Joachim Iwand – Theologie in der Zeit. Lebensabriss und Briefdokumentation, Bibliographie, München 1992, 327 S. 51 Vgl. Fußnote 3. Wenn es sich dabei um jenen Gustav Klommhaus handeln sollte, stammt dieser wie Werner Oloff aus Elbing. 52 Fragebogen der Theologischen Schule zu Bethel in: LkA EKvW 13.99 Nr. 1421. 53 Hier auf die Stellung der BK in der Judenfrage näher einzugehen, sprengt ebenfalls den Rahmen. Eberhard Bethge konstatiert dazu „Das Zeugnis für den status confes-sionis im Blick auf die Judenverfolgung war schon lange vor Treysa und Stuttgart na-hezu verstummt.“ (Eberhard Bethge, Bekennen und Widerstehen. Aufsätze – Reden – Gespräche, München 1984, 75 S.)

Drei Bändchen im Gesangbuch

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 74

mit ihm weitergehen kann: „Weiß ich den Weg auch nicht, du weißt ihn

wohl...“. Dabei setzt er ganz auf die Hilfe seines HERRN: „Hilf ferner-

weit, mein treuster Hort, hilf mir zu allen Stunden, hilf mir an all und je-

dem Ort, hilf mir durch Jesu Wunden, damit ich sag bis in den Tod:

Durch Christi Blut hilft mir mein Gott, er hilft, wie er geholfen.“

Auf die eingangs gestellte Frage, ob die drei Bändchen im Gesang-

buch nur zufällig bei diesen Liedern eingelegt sind oder ob eventuell

mehr dahintersteckt, kann m. E. die Antwort gewagt werden, dass es

sich hier nicht um einen Zufall handelt, sondern dass sie Ausdruck eines

inneren Ringens um den rechten Weg eines Studenten der Theologie in

schwerer Zeit sind. Es zeigt sich dabei auch, welch ein historischer

Schatz Studierendenakten früherer Zeiten sein können.

Drei Bändchen im Gesangbuch

75

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 76

„Manchmal wird es mir zuviel“ –

Aufzeichnungen eines Gemeindepfarrers

von HARRI PETRAS

„Manchmal wird es mir zuviel…“ – So beschreibt Pfarrer Wilhelm Tho-

mas Reimers im Jahre 1950 in seinen stenografischen Notizen seine phy-

sisch-psychische Situation als Gemeindepfarrer für den Pfarrbezirk

Winz-Baak der Evangelischen Kirchengemeinde Hattingen für die zu-

rückliegenden Jahre seit 1945.

Bei meinen Recherchen zur Geschichte der Evangelischen Kirchenge-

meinde Hattingen und deren Nachfolgegemeinden bekam ich 2003 auch

fünf Stenoblock-Zettel von einem Gemeindeglied überreicht, auf denen

Pfarrer Reimers seine persönlichen Empfindungen bei der täglichen –

damals bekanntermaßen schwierigen – Arbeit eines Gemeindepfarrers

notiert hat. Wir wissen nicht, ob er dies „für später“ tat, um vielleicht

einmal seine Memoiren zu schreiben.

Dieser Auffindungserfolg der Stenotexte war nur möglich, weil ich

unentwegt den Kontakt zu vielen älteren Gemeindegliedern gesucht

hatte, doch bitte wichtige Dokumente – aber auch womöglich „unwich-

tige“ Stücke/Relikte/Überreste – aufspüren zu helfen und mir zu überge-

ben.

Obwohl ich als Jugendlicher selbst die Deutsche Einheitskurzschrift

bis zu einer Geschwindigkeit von 120 Silben in der Minute mit befriedi-

gendem Ergebnis beherrscht habe, wie mir die Lehrer versicherten,

konnte ich nur bruchstückhaft den Text entziffern.

Um nun herauszufinden, was denn da geschrieben stand, bat ich den

ehemaligen Stenografie- und Schreibmaschinen-Lehrer Wilhelm Bock,

den Text in Langschrift zu übertragen. Diesen Text gab ich Christel Arn-

scheidt aus Winz-Baak – ehemals Wegbegleiterin von und Kindergottes-

diensthelferin bei Pfr. Reimers –, die bestätigte, dass die Langschrift Sinn

mache. Danach blieben sieben Textstellen offen, also nicht zu entziffern.

Im August 2014 fiel mir ein, dass der inzwischen emeritierte Pfarrer

Hans Frederking 13 Jahre Pfarramtskollege von Pfarrer Reimers gewe-

„Manchmal wird es mir zuviel“

77

sen war – von 1965 bis 1978 – und die stenografische Eilschrift be-

herrscht. Da beide zwar nicht die Situation um 1950 in Hattingen ge-

meinsam erlebt hatten, aber von Berufs wegen Tätigkeitsfelder vielfach

deckungsgleich waren oder sich wenigstens teilweise deckten/berühr-

ten, bat ich Pfarrer Frederking, sich die stenografischen Notizen auch

einmal anzusehen, um aus dem Kontext heraus und aufgrund eigener

Studien zur Hattinger Kirchengeschichte eventuell die noch offenen Lü-

cken schließen zu können. Der Versuch war erfolgreich, wie das vorlie-

gende Ergebnis zeigt.

Mit diesem hier vorgestellten Beispiel vom Bekommen des Originals

(der Quelle) bis zu ihrer schriftlich/sprachlichen „Durchdringung“

(Übertragung in Langschrift) und weiteren Aufschlüsselung (Beschrei-

bung der örtlichen und topografischen Gegebenheiten) ist es uns – so

finde ich – in Hattingen gelungen, diese zunächst „nicht verwertbaren“

stenografischen Notizen für unsere weiteren Forschungen „lebendig“

bzw. nutzbar zu machen. Damit können wir die ersten Dienstjahre des

Pfarrers Wilhelm Thomas Reimers – und vielleicht auch den kirchlichen

Dienst manch anderen Pfarrers – nach dem Ende des Zweiten Weltkrie-

ges besser verstehen und aus einem anderen Blickwinkel betrachten.

Zum weiteren Verständnis die folgenden Vorbemerkungen:

Die kursiv und in Klammern eingestellten Wörter und Sätze sind von

mir eingefügt worden, damit Ortsfremde die beschriebenen Vorgänge,

Personen und Gebietsbesonderheiten besser verstehen können und

Klarheit herrscht, z. B. bei der Benennung des Gymnasiums. Dem ge-

neigten Leser wird schnell auffallen, dass Pfarrer Reimers einen oft tele-

grammartigen, „eckigen“ Text geschrieben hat. Die Übergänge von HE 3

zu HE 4, aber auch zu HE 5 sind zudem fortlaufend formuliert.

Die Begriffe „Höhen“ und „Tiefen“ sind in diesem Zusammenhang

hier zu kurz gegriffen. Im Pfarrbezirk Winz-Baak, dem zweitgrößten in

der damaligen Evangelischen Kirchengemeinde Hattingen, gab es Ge-

ländesteigungen von 15 %. Kein Problem, wird ein heutiger Pfarrer sa-

gen. Damals war es ein Problem, solche Strecken – manchmal mehrmals

am Tag – zu bewältigen, denn gleich nach dem Zweiten Weltkrieg ver-

fügte Pfarrer Reimers über kein Fahrzeug, nicht einmal ein Fahrrad. Das

hätte ihm bei der vorhandenen Oberflächengestalt seines Pfarrbezirkes,

„Manchmal wird es mir zuviel“

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 78

in dem er zwei Predigtstätten pro Sonntag nacheinander zu bedienen

hatte, auch nicht viel genutzt. Vergessen werden darf zudem nicht die

schlechte Versorgung mit Lebensmitteln, die den physischen Aktionsra-

dius des Pfarrers zusätzlich belastete.

Warum Pfarrer Reimers (geb. 10. Juli 1911 in Osterholz-Scharmbeck,

gest. 25. Juni 1983 in Hattingen) seine fünf Stenoblock-Zettel mit HE 1 bis

HE 5 gekennzeichnet hat, bleibt sein Geheimnis. Sollte er tatsächlich da-

mit seine „Hattinger Erinnerungen“ gemeint haben?

Hier nun der Text dieses einsatzfreudigen Kirchenmannes, der sei-

nen Pfarrdienst für die Zeit zwischen 1945 und 1950 widerspiegelt:

„HE 1

Konkrete feste Erinnerungen habe ich am besten noch von den Jungen

und Mädchen, die damals zu unserer Hattinger Jugendarbeit im Ring St.

Georg gehörten. Sie standen mir nahe, vor allem diese, deren Namen

und Gesichter mir noch im Gedächtnis sind. Als ich das Angebot erhielt,

ein Predigerseminar zu übernehmen, habe ich dies Angebot ihretwegen

ausgeschlagen. Wie sie Vertrauen zu mir hatten, so ich zu ihnen.

Jungen: Gerd Popp, Albrecht Graeve, Gerd Nieland, Helmar Lange,

Ernst Lange, Martin Pawlowski, Dieter Weißhaar, Dieter Rösch, dessen

Bruder, Manfred Roth, Günter Jakob, Ernst August Schepmann, (Rolf)

Hamacher, Herbert Engels, Beine.

Mädchen: Inge Riesenbeck, Lore Potthoff, Gundi Levringhaus, Helga

Passmann, Hildegard Brand, Helga Niederdräing, Marianne Schwarz,

Inge Schwarz, Christel Arnscheidt, Lilo Jansen.

(Kindergottesdienst)Helfer: Julius Nieland, August Jacob, Adolf Baak.

HE 2

Am meisten zu danken habe ich Julius Nieland, Posaunen-General (Nie-

land spielte als Jugendlicher im Posaunenchor des Evangelischen Männer- und

Jünglingsvereins, seit 1927 im Blasorchester des Evangelischen Gesellenvereins.

Er baute nach dem Krieg die Blechbläserkultur in der Kirchengemeinde wieder

auf.). Er wohnte in der alten katholischen Kirche (die seit 1870 als Wohn-

haus diente). Er hat einen großen Kreis von Posaunenspielern, er zog stets

neue an. Zu vielen Gottesdiensten zog er mit seinem Posaunenheer her-

an, am Heiligen Abend spielte er auf den Plätzen Hattingens und vor

„Manchmal wird es mir zuviel“

79

den Häusern prominenter Bürger. Wenn irgendwo Not am Mann war,

zog man ihn heran. Es hätte auch von Seiten der Gemeinde ihm viel

mehr gedankt werden müssen.

Mein Arbeitsfeld (Damit war die Ausdehnung des Pfarrbezirks Winz-Baak

gemeint): Lembeck, Schulenberg, von Poststraße über Brücken nach

Winz-Baak, linke Bochumer Straße bis Ingenhamm, dann rechts Bochu-

mer Straße über Verbandsstraße bis Gaststätte Dellmann, dann durch

die Borg nach Sundern hinauf bis Gaststätte Westerhoff (West-Ost-Aus-

dehnung ca. 7 km, nördlich und südlich der Ruhr. Sein Dienstsitz war südlich

der Ruhr, unweit der St.-Georgs-Kirche.). Das alles wurde besorgt vom Pott-

acker aus (östliche Innenstadt Hattingens), wo ich bei Johanna Zwirner (in

zwei Zimmern) wohnte. In jedem Fall, ob nach Winz oder nach Sundern,

weite Entfernungen, die ich oft nur im Dauerlauf erledigen konnte (von

der Wohnung aus wiederum, über die Ruhr, ca. 4 km bzw. 7 km Entfernung).

Morgens Gymnasium (Waldstraße), Jungen wie Mädchen, drei Jahre

lang an zwei Stunden, dazu zwei Stunden Landwirtschaftliche Schule

(am) Beul. Mittagessen beim alten Rathaus (in einer Gaststätte). Katechu-

menen- und Konfirmanden-Unterricht, vier (Schulstunden) Winz und

vier (Schulstunden) Sundern, Sundern 1½ Stunde abends Jugendstunde

bei Hoses.

HE 3

Ebenfalls, schweißtriefend von Sundern zurückkommend, im Dauer-

lauf, Bibelstunde oben im Zeichensaal der alten Schule an der Dahlhau-

ser Straße. Im Schluss daran um 21.15 Uhr (bis) 22 Uhr (Kindergottes-

dienst)Helfer-Vorbereitung im Hause Wenner (beide Örtlichkeiten lagen

nördlich der Ruhr). 22.15 Uhr Frau Busch und Frau Klein nach Hause ge-

leitet (ca. 1,5 km Entfernung mit Geländesteigungen), dicht vor Ingenhamm

(letzter Bauernhof in Unter-Winz, kurz vor der Ruhr). Von da Frau Leiende-

cker nach Hause gebracht, über die Eisenbahnbrücke (über die Ruhr nach

Süden) an den abgestellten Eisenbahnwagen entlang (noch einmal 2 km

Fußweg).

Vom Zentraltheater an (einem der Kinos in Hattingen-Innenstadt)

zählte ich dann, völlig erschöpft wie ich war, die Schritte bis zum Pott-

acker (die Wohnung, zwei Zimmer, in der östlichen Innenstadt). Zu Hause

„Manchmal wird es mir zuviel“

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 80

die Care-Pakete, deren Ausgabe Frau Engelhardt (Vorsitzende der Frauen-

hilfe) durchführte. Diese Pakete im Schlafzimmer bis unter die hohe De-

cke gestapelt, drohten umzufallen, sie hätten mich, auf das Bett umkip-

pend, erschlagen. Erlebnis, wie Frau Thöne (eine Kulturmäzenin mit bun-

desweiten Beziehungen und internationalen Kontakten) Pakete abholte und

vor den staunenden Leuten von ihren amerikanischen Freunden sprach

und von deren Pedulen (Uhren).

Auch in Winz-Baak hielt ich Jugendstunde. Die eigentlich gewichtige

Jugendstunde war die im (evangelischen) Gemeindehaus (in der Bruchstra-

ße, Stadtmitte), später Ring St. Georg geheißen. Angefangen hatte sie mit

einer Hausbibelstunde bei Frau Zwirner mit Oberschülern, die man in

der Schule (Gymnasium Waldstraße) kennengelernt hatte. Es wurden bald

immer mehr, so dass wir umzogen in den Weißen Saal des Gemeinde-

hauses. In recht kurzer Zeit (innerhalb weniger Wochen) wurden aus den

20 Teilnehmern 50, 70, 80, zuletzt sogar 96. Irgendwann kamen auch

Mädchen hinzu, wir schickten sie nicht weg. Diese ganze Arbeit war

nicht systematisch gegründet und weitergeführt, alles entwickelte sich

von selbst. Die Teilnahme der Mädchen schien mir modern, lockerte die-

se Stunden auf. Es war kein CVJM, sollte es auch nicht sein. Das einzige,

was wir bewusst und absichtlich machten, war der Name

HE 4

Ring St. Georg. (St. Georg heißt auch heute noch die Kirche im Zentrum der

Stadt. Reimers hatte große Schwierigkeiten, diesen Kreis koedukativ zu erhalten,

weil der damalige Superintendent des Kirchenkreises Hattingen-Witten, Pfarrer

Gräfe zu Baringdorf aus Hattingen, zusammen mit Presbytern in alter Tradi-

tion Jungen- und Mädchenarbeit strikt trennen wollte.) Meine Arbeit zu der

Zeit war physisch erschöpfend, pausenlos, weiträumig und vielseitig,

denn ständig mussten Besuche gemacht werden mit Schwester Luise bis

tief nach Sundern hinein. (Die Gemeindeschwester, die seit 1928 in der Ge-

meinde tätig war, war im Gegensatz zu Reimers – 1,90 m – nur 1,45 m groß

und hatte wegen der naturgegebenen unterschiedlichen Schrittlänge große

Schwierigkeiten, ihrem Pfarrer zu folgen.) Amtshandlungen auch am Sams-

tag. Beerdigungen von Sundern auch vom Trauerhause aus (Die weiteste

Entfernung einer evangelischen Familie bis zum Friedhof in Hattingen betrug 7

„Manchmal wird es mir zuviel“

81

km). Besonders für Wege, die alle zwischen Unterrichtsstunden (zu erledi-

gen waren). Sonntags auch Beerdigungen, zu der Zeit noch im alten

Haus. Vom Pottacker hinunter nach Winz. Dann im Eilschritt nach Hat-

tingen, wo es um 18 Uhr noch Abendgottesdienst gab. Es gab ganz

schlimme Tage. Sonntag in Bredenscheid Gottesdienst, weiter Weg (ca.

6 km Entfernung in sehr hügeligem Gelände – nur zu Beginn eine Busverbin-

dung), anschließend Kindergottesdienst, von da zum Mittagessen beim

alten Rathaus. Von da 14–15 Uhr Kindergottesdienst St. Georg. 15–16.30

Uhr Konfirmanden-Prüfung in St. Georg, die 2. Prüfung 17–18.30 Uhr,

danach völlig erschöpft. Dann am Sonntagabend noch Akademiker-Bi-

belstunde im Hause von Pawlowski (in der Hattinger Innenstadt).

Ich mag gerne daran zurückdenken, weil mir allein bei dem Gedan-

ken daran das Herz übermäßig zu schlagen beginnt. Was für übermäßi-

ge Anstrengungen waren das, wenn ich vom Pottacker durch das Lud-

wigstal lief, von unten nach oben nach Welper (ca. 4 km), dann wieder

von da zur Kosterbrücke und von da auf Wegen, steilen Höhen hinauf

und hinunter (um über Stiepel nach Sundern und Winz-Baak zu gelangen),

um dann sofort zu beginnen. Ich mag nicht mehr daran denken.

Ja, so hatte sich wie von selbst der Ring St. Georg entwickelt. Er

wuchs sehr rasch. Es war wohl auch nach dem Krieg die erste Jugendar-

beit überhaupt, wir hatten keine Konkurrenz. Es gab

HE 5

weder Fußball noch Tennis noch Tanzclubs und auch keine Diskothek.

Es lag aber nicht an diesen Umständen, dass die Gruppe so rasch wuchs.

Es ging zwanglos zu, man war nicht gebunden. Fröhlich und doch recht

gesittet, wir hatten es noch nicht mit Rabauken zu tun, die ihre Freiheit

ständig durch undiszipliniertes Verhalten zeigen mussten.

1. Teil Bibelarbeit. Fragen und Antworten, wenn auch noch nicht im

heutigen Stil, freie bis freche Diskussion. Diese Arbeit wurde mit Ernst

betrieben. Dann Pause. Man tobte auf dem Hof zwischen Trümmern

oder machte Spiele im großen zerbombten Großen Saal.

2. Teil Unterhaltung und Unterrichtung. Entweder Singen oder Vor-

lesungen oder Vorträge durch Lehrer, Ingenieure von der (Henrichs)-

Hütte oder durch Ärzte oder sonst bekannte Leute. In bester Erinnerung

„Manchmal wird es mir zuviel“

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 82

noch ein Abend, an dem der Direktor der Bogestra (Bochum-Gelsenkirche-

ner-Straßenbahn AG) von einem dollen Erlebnis seiner Straßenbahn er-

zählte.

Abschluss mit Lied oder gemeinsam gesprochener Liedstrophe und

Gebet. Meist schöne Abende. Ohne jede Anordnung saßen Mädchen auf

der einen, Jungen auf der anderen Seite. Auch haftete zwar dem ganzen

ein Hauch des modernen Neuen an, eben deshalb ließ ich auch Jungen

(und) Mädchen gemeinsam. Was dem Ring St. Georg in der Stadt seinen

Ruf einbrachte, das war es.“

83

Konfirmanden im Gemeindearchiv Heeren-Werve

von KARL-HEINZ STOLTEFUß

Den Konfirmandenunterricht attraktiv gestalten und junge Menschen an

die Gemeindearbeit heranführen – das ist das Ziel des Unterrichtskon-

zeptes in der Evangelischen Kirchengemeinde zu Heeren-Werve (Kir-

chenkreis Unna). Die Konfirmanden besuchen in Projektwochen die

Gruppen in der Kirchengemeinde, lernen die Aufgaben kennen und tre-

ten in Kontakt mit den Leitern und Leiterinnen, beteiligen sich an den

Veranstaltungen und bringen sich aktiv in die Gestaltung der Zusam-

menkünfte ein. Dabei werden sie betreut durch Jugendreferentin Christi-

na Pfingsten und Pfarrerin Andrea Mensing.

Auch das Kirchenarchiv hat sich an dieser Arbeit beteiligt. Archiv-

pfleger Karl-Heinz Stoltefuß war überrascht, dass sich 5 Konfirmandin-

nen und Konfirmanden für die Arbeit im Archiv interessierten. Sie hat-

ten sich aus dem Angebot das Archiv ausgesucht, weil sie immer schon

wissen wollten, was sich hinter den vergitterten Fenstern im Anbau des

alten Pfarrhauses verbirgt. Diese Neugierde konnte der Archivpfleger

schnell befriedigen. Etwas erstaunt standen sie vor den Regalen mit den

vielen Kartons und dem umfangreichen Bildarchiv. Die jungen Teilneh-

mer erfuhren zunächst etwas über die Rechtsgrundlagen für die kirchli-

che Archivarbeit und über den Aufbau der Aktensammlung, die über

1.200 Signaturen umfasst.

Dann ging es an die praktische Arbeit. Dabei stand natürlich das

Findbuch im Mittelpunkt. Die Konfirmanden erfassten schnell die da-

hinterstehende Systematik und waren in der Lage, nach ausgewählten

Stichwörtern die dazu gehörenden Akten zu finden. Spannend wurde es

bei Leseproben aus Akten des 19. Jahrhunderts. Hier mussten die Kon-

firmanden streiken und waren auf die Mithilfe des Archivpflegers ange-

wiesen. Kopien der Leseproben nahmen die Konfirmanden mit nach

Hause. Erstaunlich viel wurde in häuslicher Arbeit „übersetzt“. Aktiv

beteiligten sich die jungen Gemeindeglieder an der Auswertung von

Akten des ev. Männerdienstes, der in diesem Jahr sein 125-jähriges Be-

Konfirmanden im Gemeindearchiv Heeren-Werve

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 84

stehen feiert. Hier wurde die Entstehung des ev. Arbeitervereins im Jahr

1890 anhand der Protokollbücher nachgezeichnet.

Es wurden noch einige Fotos gemacht, die zur Gestaltung einer Col-

lage, die die Mitarbeit im Archiv am Ende der Projektwochen dokumen-

tieren soll, nötig waren.

Im Archiv der Evangelischen Kirchengemeinde zu Heeren-Werve: Archiv-pfleger Karl-Heinz Stoltefuß und fünf Konfirmandinnen und Konfirmanden.

85

Novellierung des Fristenplans

zur Kassationsordnung

von WOLFGANG GÜNTHER

Mit der Einführung eines neuen Aktenplans zum 1. Januar 2007 hat das

Landeskirchenamt im Dezember 2006 einen neuen Fristenplan beschlos-

sen. In diesem Plan wird festgelegt, welche Unterlagen aus den laufen-

den Registraturen der kirchlichen Einrichtungen und Kirchengemeinden

aufbewahrt werden müssen bzw. wann sie vernichtet werden können.

Der Hauptunterschied zum alten Fristenplan lag darin, dass die neue

Struktur des Aktenplans zur Grundlage der Struktur des neuen Fristen-

plans gemacht wurde. Diese Entscheidung sollte überprüft werden, so-

bald der damals schon beabsichtigte EKD-Kassationsplan verabschiedet

wäre.

Zwischenzeitlich hat sich beim Verband kirchlicher Archive und Bi-

bliotheken unter Leitung von Dr. Wennemuth – Archiv- und Registra-

turleiter der Badischen Landeskirche – eine Arbeitsgruppe gebildet, bei

der der Autor die westfälische Landeskirche vertreten hat. Dort wurde

der Bielefelder Fristenplan weitestgehend übernommen, es gab noch

Konkretisierungen und Empfehlungen für die Aktenführung von Perso-

nal- und Bauakten, die aber nicht in den EKD-Beschluss direkt mit ein-

geflossen sind. 2009/2010 war die Arbeit der Arbeitsgruppe beendet.

2014 hat nun die EKD diesen Fristenplan in Kraft gesetzt, verbunden

mit der Bitte, in den Gliedkirchen die Übernahme zu prüfen.

Zwischenzeitlich haben wir im Landeskirchlichen Archiv auf Grund

unserer Erfahrungen bei der praktischen Archivtätigkeit bei den Kir-

chenkreisen und Kirchengemeinden, aber auch auf Grund von rechtli-

chen Änderungen verschiedene kleinere Veränderungen und Ergänzun-

gen gesammelt, die bei einer Novellierung des Rechts berücksichtigt

werden sollten. Bei der Überprüfung des Fristenplanes zum Kassations-

plan konnten wir nun nach Erlass der EKD-Richtlinie feststellen, dass

der seinerzeitige Plan mustergültig ist, da ihn die EKD praktisch über-

Novellierung des Fristenplans zur Kassationsordnung

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 86

nommen hat. Gleichzeitig konnten wir nun unsere gemachten Erfah-

rungen in die Neufassung mit einfließen lassen.

Worin bestehen nun die gravierendsten Änderungen? Neu hinzuge-

kommen sind Bestimmungen über die Aufbewahrung und Vernichtung

von Unterlagen aus dem Schulbereich. Bei den Personalunterlagen wur-

de nunmehr differenziert zwischen den öffentlich-rechtlichen und pri-

vatrechtlich beschäftigten Mitarbeitenden, da es hier auch unterschiedli-

che Rechtsgrundlagen gibt. Daneben sind die Fristen für die Unterlagen

aus dem Friedhofsbereich konkretisiert worden und steuerrechtliche

Fragestellungen aufgenommen worden.

Die neue Kassationsordnung mit dem dazugehörigen Fristenplan ist

im Amtsblatt der westfälischen Landeskirche in der Nr. 12/2014 ab S. 353

veröffentlicht worden und im Internet unter www.kirchenrecht-

westfalen.de abrufbar.

Nach der Novellierung ist vor der Novellierung. Sollten Ihnen in der

Praxis noch andere Sachverhalte auffallen, die im Fristenplan neu oder

anders geregelt werden müssten, teilen Sie uns diese mit. Wir sammeln

diese Vorschläge und versuchen diese bei der nächsten Novellierung zu

berücksichtigen.

87

Feuer. Wasser. – Stretchfolie!

Neues aus dem Bielefelder Notfallverbund

von INGRUN OSTERFINKE und IRENE WIEDEMANN

Notfallvorsorge im Landeskirchlichen Archiv erstreckt sich nicht nur auf

die Erkennung und Behebung von Gefahrenquellen am eigenen Stand-

ort oder die regelmäßige Kontrolle von Notfall-Plan und -Ausrüstung

(sogenannte Notfallboxen). Wichtig ist darüber hinaus die regelmäßige

Schulung der Mitarbeiter zum Verhalten im Brandfall und bei der Ber-

gung von Archivgut. Sehr hilfreich im Notfall ist jedoch auch die Vernet-

zung mit ortsnahen Fachleuten. Daher engagiert sich das Landeskirchli-

che Archiv von Anfang an in dem 2011 gegründeten Bielefelder Notfall-

verbund von 10 Bielefelder Archiven und Bibliotheken. Die halbjährlich

bis jährlich reihum stattfindenden Treffen dienen dazu, die Örtlichkeiten

der anderen für die Hilfe im Notfall kennenzulernen und sich über Neu-

erungen zu informieren. Außerdem werden der aktuelle Stand der Not-

fallplanung und die zur Verfügung stehenden technischen und räumli-

chen Ressourcen abgestimmt. Auch bei den jährlich stattfindenden bun-

desweiten Treffen deutscher Kulturgutschutz-Notfallverbünde ist der

Bielefelder Notfallverbund vertreten.

In diesem Sommer stand nun eine Übung zur Bergung feuer- und

wassergeschädigter Archivalien für alle Mitglieder des Bielefelder Not-

fallverbundes auf dem Plan. Nachdem die Archive am Bethelplatz eine

solche Übung unter Anleitung des LWL-Archivamtes bereits vor drei

Jahren einmal durchgeführt hatten, bot sich hier nun die Möglichkeit,

die koordinierte Bergung in einem fremden Team (wie es im Notfall bei

Hinzuziehung freiwilliger Hilfskräfte ja der Fall wäre) zu üben. Auf dem

Gelände der Bielefelder Feuerwehr wurde dafür eigens ein Regal aufge-

stellt und mit – selbstverständlich nicht archivwürdigen! – Akten und

Büchern bestückt, in Brand gesetzt und anschließend gelöscht. In ord-

nungsgemäßer Schutzmontur mussten die Mitarbeiter aus dem Notfall-

verbund sodann zur Tat schreiten: Einteilung der Einsatzgruppen – Wer

verpackt das wassergeschädigte Schriftgut in die Stretchfolie zur Vorbe-

Feuer. Wasser. – Stretchfolie!

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 88

reitung der Gefriertrocknung? Wer führt die Listen über die verpackten

Archivalien? – Abstimmen der Verfahrensweise: Lohnt sich insbesonde-

re bei neueren Büchern die Bergung und Restaurierung im Vergleich zur

Neubeschaffung? Wie wird das Schriftgut am besten fachgerecht in die

Stretchfolie gewickelt? Wie wird es nach Schadensgruppen (Nass/Nass

mit Brandschaden/Unversehrt) in die passenden Behälter sortiert? Für

die Gefriertrockung sollten Prioritäten gesetzt werden, denn durchnässte

Archivalien mit Brandschaden zerfallen schneller als nasses Schriftgut

ohne Brandschaden.

Nachdem die Akten im Regal in Brand gesetzt worden waren ...

Feuer. Wasser. – Stretchfolie!

89

… konnten sie erfolgreich gelöscht ...

… und schließlich mit vereinten Kräften fachgerecht verpackt werden!

Das Fazit bei schönstem Wetter und bester Stimmung: Die Übung

war sehr lehrreich. Einige Abläufe gaben zur Diskussion Anlass. Die

Identifizierung der Akten, wenn sie über keine Signatur (mehr) verfü-

gen, sollte überdacht werden – ebenso die Ausführlichkeit bei der

Feuer. Wasser. – Stretchfolie!

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 90

schriftlichen Dokumentation der Verpackung. Die Einweg-Overalls des

Landeskirchlichen Archivs waren zu dünn und rissen schnell. Es wur-

den inzwischen andere beschafft. Damit sich die neugewonnenen Er-

kenntnisse über Handgriffe und Arbeitsschritte festigen können, sollte

eine solche Übung in den nächsten Jahren wiederholt werden.

91

Archion – ein Jahr Live-Betrieb des Kirchenbuchportals

von CLAUDIA SEYFRIED

Im Jahr 2013 gründete die Evangelische Kirche in Deutschland gemein-

sam mit elf evangelischen Landeskirchen die Kirchenbuchportal GmbH

mit dem Ziel, über ein eigenes Internetportal Kirchenbücher und andere

biographische Quellen zur Verfügung zu stellen.

Zur Erprobung des Kirchenbuchportals, das inzwischen den Namen

„Archion“ erhalten hatte, startete im Herbst 2014 die Betatest-Phase. Ar-

chivare und Test-User konnten nun den Betrieb des Portals, die Nutzer-

freundlichkeit, die einzelnen Funktionen und die Darstellung der Digita-

lisate kennenlernen und kritische Rückmeldungen an den Betreiber ge-

ben.

Im März 2015 konnte Archion dann in den Live-Betrieb gehen. Seit-

dem besteht für jeden Interessierten die Möglichkeit, sich auf der Seite

www.archion.de zunächst unverbindlich zu registrieren, um sich über

das Angebot von Archion zu informieren und zu prüfen, welche Kir-

chenbücher im Portal zur Verfügung stehen.

Die Browse-Ansicht ermöglicht die strukturierte Suche nach Kirchenbüchern der verschiedenen Landeskirchen.

Archion – ein Jahr Live-Betrieb des Kirchenbuchportals

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 92

Um auf die entsprechenden Kirchenbücher im Detail zuzugreifen, ist

es dann nötig, gegen Gebühr einen von drei verschiedenen Pässen zu

buchen (20-Tage-Kontingent, Monatspass, Jahrespass). Mit diesem Pass

können die Kirchenbücher nun Seite für Seite am Bildschirm betrachtet

werden.

Der Viewer bietet die Möglichkeit, die einzelnen Kirchenbuchseiten zu vergrö-ßern, die Helligkeit zu verändern und Downloads von Kirchenbuchseiten bzw. –ausschnitten anzufertigen.

Im Archion-Forum haben Nutzer die Möglichkeit, sich untereinander

auszutauschen, um Hilfestellung beispielsweise bei Leseschwierigkeiten

oder der Ortssuche zu erhalten.

Archion – ein Jahr Live-Betrieb des Kirchenbuchportals

93

Noch nicht realisiert wurde die Möglichkeit der Indizierung einzel-

ner Kirchenbucheinträge durch die Nutzer.

Die westfälischen Kirchenbücher, soweit sie bisher auf Mikrofilm ge-

sichert waren, d.h. sämtliche westfälischen Kirchenbücher bis 1875 und

in Einzelfällen darüber hinaus, sind seit Juli 2015 bis auf wenige Ausnah-

men online. Einige Kirchenbücher sind aufgrund ihrer Laufzeit noch für

die Nutzung gesperrt und können erst nach Ablauf der Sperrfrist freige-

geben werden. Einzelne Bücher müssen aus Qualitätsgründen vom Ori-

ginal nachdigitalisiert werden. Diese Bücher werden in den nächsten

Monaten nach und nach digitalisiert und in Archion importiert.

Inzwischen konnten im Landeskirchlichen Archiv die Bestände der

Zivilstandsregister sowie der Garnisons- und Regimentskirchenbücher

digitalisiert und die dazugehörigen Metadaten erfasst werden. Auch

diese Bestände sind in den letzten Wochen bei Archion hochgeladen

worden. Somit ist aus westfälischer Sicht ein großer Teil der Arbeit ge-

tan. Das Hauptaugenmerk wird nun zum einen darauf liegen, qualitativ

schlechte Kirchenbuchdigitalisate durch Nachdigitalisierung zu erset-

zen. Dabei reagieren wir vor allem auf die Rückmeldungen, die wir von

unseren Nutzern im Lesesaal und über Archion erhalten. Zum anderen

sind die von Archion-Nutzern eingehenden Rückmeldungen – etwa

über fehlende Kirchenbuchseiten – zu bearbeiten und Fragen, die uns di-

rekt, über den Archion-Support oder das Archion-Forum erreichen, zu

beantworten.

Zu den eingangs genannten Gesellschaftern sind in der Zwischenzeit

weitere Landeskirchen hinzugekommen. Unsere benachbarten Landes-

kirchen im Rheinland und in Lippe sowie die Ev.-Luth. Landeskirche in

Braunschweig beteiligen sich in Zukunft am Archion-Portal. Im März

„feierte“ Archion ein Jahr Livebetrieb des Kirchenbuchportals. Nach

einem Jahr stehen nun 6,5 Millionen Digitalisate online. Da sie meist

Doppelseiten zeigen, sind es damit schon etwa 13 Millionen Kirchen-

buchseiten. Für die Darstellung und die verschiedenen Zoomstufen

wird jedes Digitalisat in viele Einzelbilder konvertiert. Dadurch verwal-

tet das System bald 10 Milliarden Dateien mit einem Speicherbedarf von

rund 135 Terabyte (mit Spiegelung der Daten 270 Terabyte)! Nach einem

Jahr zählte das Portal 10.500 Nutzer.

Archion – ein Jahr Live-Betrieb des Kirchenbuchportals

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 94

Diese Zahlen und die Rückmeldungen vieler Archion-Kunden zei-

gen, dass die Online-Präsentation der Kirchenbücher gefragt ist und ger-

ne angenommen wird. Gemeinsam mit der Geschäftsstelle der Kirchen-

buchportal GmbH werden wir weiterhin daran arbeiten, die westfäli-

schen Kirchenbücher möglichst vollständig und in guter Qualität zu prä-

sentieren.

Das Archion-Team: Judith Sutter, Bianca Beyermann, Harald Müller-Baur, Erik Philipps.

95

Neue Wanderausstellungen,

sehenswert nicht nur im Landeskirchlichen Archiv …

von INGRUN OSTERFINKE

Für die Präsentation von Ausstellungen unterschiedlichster Art bietet

das Foyer unserer Archive am Bethelplatz optimale Möglichkeiten. Das

Landeskirchliche Archiv hat dies in den letzten Jahren rege genutzt. Als

Hauptausstellungszeit haben sich dabei die letzten beiden Monate im

Jahr herauskristallisiert. Im November tagt die einwöchige Landessyno-

de in direkter Nachbarschaft und die Landessynodalen nutzen inzwi-

schen gerne die Gelegenheit, in den Pausen einen Blick in das Ausstel-

lungsangebot zu werfen. Am ersten Dezember-Wochenende findet auf

dem Bethelplatz direkt vor den Türen unseres Archivzentrums der

Weihnachtsmarkt des Bielefelder Stadtteils Gadderbaum statt. Es lohnt

sich, zu diesem Anlass auch am Wochenende zu öffnen, um den vielen

interessierten Besuchern einen Besuch der aktuellen Ausstellung(en) zu

ermöglichen.

In einem kleinen Überblick folgen die in den vergangenen eineinhalb

Jahren gezeigten Ausstellungen. Vornehmlich handelt es sich um Wan-

derausstellungen, die das Landeskirchliche Archiv selbst entliehen hatte

und deren Präsentation vielleicht auch in der ein oder anderen Kirchen-

gemeinde von Interesse ist:

Papier ist nicht geduldig – Wanderausstellung des Arbeitskreises

Nordrhein-Westfälischer Papierrestauratoren

Gemeinsam mit dem Hauptarchiv der v. Bodelschwinghschen Stiftun-

gen Bethel zeigte das Landeskirchliche Archiv vom 15. September bis

zum 6. Oktober 2014 eine Wanderausstellung zur Papierrestaurierung

unter dem mahnenden Titel „Papier ist nicht geduldig“. Spätestens seit

dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs 2009 sind Archive und ihre Auf-

gaben stärker in das öffentliche Bewusstsein gerückt. Die Ausstellung

des Arbeitskreises Nordrhein-Westfälischer Papierrestauratoren schärft

aber nicht nur das Bewusstsein für die Bedeutung und Erhaltung von

Archivgut, sondern will auch die Arbeit der Papierrestauratoren näher-

Neue Wanderausstellungen

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 96

bringen. Im Mittelpunkt steht die Restaurierung von Akten, Pergament-

urkunden mit Siegeln, Büchern und Fotografien. Zudem wird auf die

Anforderungen an die Konservierung des Archivguts wie eine sachge-

rechte Verpackung, Kontrolle der Klimabedingungen und die Sicherstel-

lung eingegangen. Im Hinblick auf den Brand der Anna Amalia Biblio-

thek in Weimar 2004 und den Archiveinsturz in Köln wird auch das

Thema der Notfallvorsorge aufgegriffen. Beispielsweise haben sich die

Bielefelder Archive zu einem Notfallverbund zusammengeschlossen,

um im Katastrophenfall eine schnelle Hilfe gewährleisten zu können.

Der Besucher wird dafür sensibilisiert, welche kulturellen Schätze in un-

seren Archiven aufbewahrt werden. Zudem weist die Schau auf die

Wichtigkeit der Erhaltung von Archivalien hin, die nicht nur für die gro-

ße Geschichtsschreibung, sondern auch für die Familienforschung uner-

lässlich sind.

Die 11 Rollups der Wanderausstellung wurden ergänzt durch Expo-

nate aus den Beständen des Landeskirchlichen Archivs der Evangeli-

schen Kirche von Westfalen und dem Hauptarchiv der v. Bodel-

schwinghschen Stiftungen Bethel in Zusammenarbeit mit der Betheler

Handwerksbuchbinderei und Papierrestaurierungswerkstatt proWerk,

Neue Wanderausstellungen

97

die das Restaurierungshandwerk und die unterschiedlichen Erhaltungs-

zustände des Archivguts veranschaulichten.

Die Ausstellung ist ausleihbar beim Arbeitskreis Nordrhein-Westfäli-

scher Papierrestauratoren e.V., E-Mail: [email protected],

Internet: www.papierrestauratoren.de.

80 Jahre Theologinnen in Westfalen – Wanderausstellung von Frauen-

referat und Landeskirchlichem Archiv der EKvW

Vom 17. bis zum 21. November 2014 präsentierten das Frauenreferat

und das Landeskirchliche Archiv der EKvW die gemeinsam erstellte

Wanderausstellung „80 Jahre Theologinnen in Westfalen“. Anlass waren

mehrere Jubiläen auf dem Weg der Theologinnengesetzgebung in der

Evangelischen Kirche von Westfalen. Als die Westfälische Landessyno-

de mit Beschluss vom 18. Oktober 1974 Pfarrerinnen und Pfarrer in der

Landeskirche gleichstellte, öffnete sich Frauen der Weg in die Gemein-

deleitung und in andere kirchliche Leitungsämter. Frauenordination ist

eng verknüpft mit dem gesellschaftlichen und kirchlichen Rollenbild der

Frau und der gesamtgesellschaftlichen und kirchlichen Gleichstellung

von Frauen und Männern. Die Ausstellung greift diese Aspekte anhand

der Dokumentation von 80 Jahren Theologinnengeschichte in Westfalen

Neue Wanderausstellungen

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 98

auf und beleuchtet sie auf 12 Rollups. Die Darstellung von Ereignissen,

Beschlüssen und Fotos liefert den Besuchern einen guten Einblick ins

Thema und lässt dabei Spielraum für eigene Interpretation und Fragen.

(Foto: Frauenreferat der EKvW)

Die Schau wurde mit einem kleinen Abendempfang während der

Landessynode 2014 eröffnet und erfreute sich regen Besuchs. Frauenre-

ferat und Landeskirchliches Archiv haben danach mit einem besonderen

Begleitprogramm für Konfirmanden- oder andere Gemeindegruppen

für eine erneute Präsentation im September 2015 geworben, mangels In-

teresses hat diese jedoch nicht stattgefunden.

Die Ausstellung kann beim Frauenreferat im Institut für Kirche und

Gesellschaft ausgeliehen werden: Anke Engelmann, Tel. 02304-755230,

[email protected].

Pünktlich zum Weihnachtsmarkt auf dem Bethelplatz zeigte das Lan-

deskirchliche Archiv anschließend die Postkartenausstellung „Weih-

nachtsgrüße im Weltkrieg 1914/18“ und nahm sich somit zugleich des

Neue Wanderausstellungen

99

Gedenkjahrs zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs an. Anna Warkentin

berichtet in diesem Heft ausführlich über die Ausstellung.1

Mit Bilderfliesen durch die Bibel – Wanderausstellung der Projekt-

gruppe Kulturgut Bibelfliesen

Gleichzeitig war im Foyer der Archive am Bethelplatz auch die Wan-

derausstellung „Mit Bilderfliesen durch die Bibel“ zu sehen. Wandflie-

sen mit Abbildungen zu biblischen Geschichten sind eine Besonderheit

aus der niederländischen Wohnkultur. Eine reichhaltige Auswahl der

Fayencefliesen aus niederländischen Manufakturen seit dem 17. Jahr-

hundert zeigte das Landeskirchliche Archiv vom 27. November 2014 bis

zum 13. Januar 2015.

Während in den calvinistisch geprägten nördlichen Niederlanden ein

strenges Bilderverbot herrschte, dienten Bilder von biblischen Geschich-

ten daheim der privaten Erbauung und religiösen Erziehung. Auf den

1 Anna Warkentin, Ausstellung „Weihnachtsgrüße im Ersten Weltkrieg“, s. S. 106ff.

Neue Wanderausstellungen

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 100

Fliesen an der Wand der Herdstellen oder in der guten Stube waren die

Motive aus dem Alten und Neuen Testament beim Bibellesen stets vor

Augen. So lässt es sich auch beim Ausstellungsbesuch erleben. Anhand

der bereitliegenden Bibeln können Besucher die passenden Textstellen

zu den 96 ausgestellten Wandfliesen gleich nachlesen. Als Vorlage für

die handgeformten Kacheln wurden bekannte Kupferstiche genommen,

ihre Herstellung war aufwändig und kostspielig. Von den Manufaktu-

ren in Amsterdam, Bolsward, Harlingen, Makkum, Rotterdam und Ut-

recht verbreiteten sich diese kunsthandwerklichen Produkte über die

Wasserstraßen in die protestantischen Gebiete an Nord- und Ostseeküs-

te. Heute sind sie ein begehrtes Sammlerobjekt.

Die Wanderausstellung wurde erarbeitet von der Projektgruppe Kul-

turgut Bibelfliesen. Seit dem Jahr der Bibel 2003 engagieren sich ihre eh-

renamtlichen Mitarbeiter in Kooperation mit niederländischen Fliesen-

experten für die Erforschung und Dokumentation der häufig unbekannt

und unbenannt gebliebenen Bibelfliesen und leisten damit einen wichti-

gen kulturgutfördernden Beitrag. Zur Ausstellung ist ein Katalog erhält-

lich, sowie die FLIESENBIBEL, in der über 600 Abbildungen von histori-

schen niederländischen Wandfliesen mit biblischen Motiven zum voll-

ständigen Text der Gute-Nachricht-Bibel enthalten sind. Zur Ausleihe

der Ausstellung: www.fliesenbibel.de

„Adam und Eva im Para-dies – der Sündenfall“ – Die älteste Bibelfliese in der Ausstellung aus dem Jahre 1670, hergestellt in der Ma-nufaktur Rotterdam (1. Mo-se 3.), Foto: Heiko Wilts/Norder Bibelfliesen-team.

Neue Wanderausstellungen

101

Ein von der Evangelischen Kirche von Westfalen gefördertes gemein-

sames Projekt des Lehrstuhls für Kirchengeschichte der Friedrich-Schil-

ler-Universität Jena und des Landeskirchlichen Archivs fand seinen Ab-

schluss in der Wanderausstellung „Ludwig Steil – Ein Streiter der Be-

kennenden Kirche“, die im Landeskirchenamt vom 12. März bis zum 1.

April zu sehen war und nun durch Westfalen wandert. Wolfgang Gün-

ther berichtet darüber in diesem Heft.2

Mit zwei sehr unterschiedlichen Wanderausstellungen bot das Lan-

deskirchliche Archiv im vergangenen November schließlich die Mög-

lichkeit, sich dem evangelischen Themenjahr 2015 „gotteswort – Refor-

mation. Bild. Bibel.“ sowohl aus künstlerischer Perspektive als auch aus

Sicht des Historikers zu nähern.

Zeitgenössische Kunst zur Bibel – Wanderausstellung von Pfarrer Jo-

hannes Beer, Herford

Unter dem Titel „Zeitgenössische Kunst zur Bibel“ waren Besucher vom

2. bis zum 27. November 2015 zu einer Reise durch eine beeindruckende

Kunstsammlung eingeladen, die Pfarrer Johannes Beer aus Herford an-

lässlich des Themenjahrs zusammengestellt hatte. Auf dem Weg zum

500-jährigen Reformationsjubiläum 2017 rückten im vergangenen Jahr

Bild und Bibel und damit Schätze des Glaubens und der Kultur beson-

ders in den Mittelpunkt.

Jahrhundertelang stand die bildende Kunst ganz im Dienst der Reli-

gion. Die große Kunst des Mittelalters ist nur vor diesem Hintergrund

zu verstehen. Die Kirche bestimmte, was Maler und Bildhauer schufen.

Es war ein langer, vielschichtiger und wechselvoller Prozess, in dem sich

Künstler schließlich von dieser Bindung emanzipierten. In der Kunst des

20. Jahrhunderts kommen biblische Themen immer wieder höchst un-

terschiedlich vor. Auch heute ist das Verhältnis zwischen Kunst und Kir-

che nicht frei von gegenseitigen Vorurteilen und auch negativen Erfah-

rungen. Auf der einen Seite steht die Befürchtung, Kunst könnte christ-

lich vereinnahmt und so ihrer Freiheit beraubt werden. Die andere Seite

2 Wolfgang Günther, Wanderausstellung zu Ludwig Steil eröffnet, s. S. 109-112.

Neue Wanderausstellungen

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 102

wehrt sich gegen respektlose Provokationen und mangelnde Ehrfurcht

vor dem Gottesdienstraum.

Johannes Beer, der als Kulturbeauftragter des Kirchenkreises Herford

seit vielen Jahren den Dialog mit Künstlern pflegt, hatte zahlreiche

Künstlerinnen und Künstler um ein Werk zur Bibel gebeten. Beteiligt ha-

ben sich 91 Kunstschaffende und Fotografen aus Deutschland, Öster-

reich, Belgien, Indonesien und der Schweiz. Von den eingereichten 124

Arbeiten zeigte das Landeskirchliche Archiv eine Auswahl. Zu ihren

Werken hatten die Künstlerinnen und Künstler keine Vorgaben zu Art,

Stil oder Größe, außer dass sie transportabel und für eine Wanderaus-

stellung geeignet sein sollen. Auch gab es keine Vorschläge zu Bibeltex-

ten, sondern die Bezüge konnten frei gewählt werden. Die Vielfalt der

Formen entspricht dem Selbstverständnis der einzelnen Künstlerpersön-

lichkeiten. Das Spektrum der Werke reicht von Öl- oder Acrylgemälden

über Zeichnungen und verschiedenste Grafiken bis hin zu fotografi-

schen Arbeiten und Skulpturen: Ein Spiegel zeitgenössischer Kunst ent-

steht. Dabei geht es weniger um klassische Illustrationen als um die Be-

gegnung autonomer Arbeiten mit Inhalten der Bibel. Die Arbeiten wei-

sen, wie gute Kunst es eigentlich immer tut, über sich hinaus und neh-

men den Betrachter mit, ganz neu auf die Inhalte der Bibel zu schauen.

Einige Werke haben unmittelbaren biblischen Bezug, bei anderen zeigt

die Assoziation der Künstler mögliche Wege.

„All about Eve (and Adam)“, Ute Friederike Schernau.

Neue Wanderausstellungen

103

„Kreuzbild. Dort das Licht.“, Erich Krain

Diese Wanderausstellung vereint Kleines und Großes, Auffälliges

und Unscheinbares, widerborstige und gefällige Werke. Sie lässt etwas

von den unendlichen Möglichkeiten ahnen, wie zeitgenössische Kunst

die Themen der Bibel aufgreifen, illustrieren, mit ihnen spielen oder sich

an ihnen reiben kann. Sie ist ausleihbar bei Pfarrer Johannes Beer, Her-

ford.

Von Cranach zur BILD-Zeitung – Wanderausstellung des Instituts für

Kirchliche Zeitgeschichte des Kirchenkreises Recklinghausen

Eine andere Sicht auf das Themenjahr und zugleich einen Einblick in die

Rezeptionsgeschichte der Reformation eröffnete die Ausstellung „Von

Cranach zur BILD-Zeitung – 500 Jahre Kirchen- und Kulturgeschichte

im Spiegel von Lutherbildnissen“ vom 20. bis zum 27. November eben-

falls im Foyer des Landeskirchlichen Archivs.

Von der Reformationszeit bis zur Gegenwart beleuchten hier 30 Lu-

therbildnisse von 21 Künstlern die Sicht auf die herausragende Figur des

Reformators Martin Luther im Wandel der Zeit. Erläuternde Texte ord-

Neue Wanderausstellungen

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 104

nen die Reproduktionen der Bilder historisch in die einzelnen Epochen,

vor allem der protestantischen Kirchengeschichte, ein. Sichtbar wird ein

kulturgeschichtlich wohl einmaliges Phänomen: Die Geschichte einer

Nation im Spiegel der Bildnisgeschichte eines Individuums.

Erarbeitet wurde die Ausstellung anlässlich des evangelischen The-

menjahrs „gotteswort – Reformation. Bild. Bibel“ im Institut für Kirchli-

che Zeitgeschichte des Kirchenkreises Recklinghausen. Konzeption und

Design der 14 Rollups stammen von Prof. Dr. Albrecht Geck. Die Aus-

stellung ist ausleihbar bei Prof. Dr. Albrecht Geck, albrecht.geck@kk-

ekvw.de.

Eine kleine Einführungsveranstaltung während der in dieser Zeit ta-

genden Landessynode mit Herrn Pfarrer Beer und Herrn Dr. Geck run-

dete die Präsentation erfolgreich ab.

Neue Wanderausstellungen

105

Und in diesem Jahr?

Die Vorbereitungen laufen bereits, denn ab Oktober 2016 wird im Foyer

der Archive am Bethelplatz die Wanderausstellung des Deutschen His-

torischen Museums „Leben nach Luther. Eine Kulturgeschichte des

evangelischen Pfarrhauses“ zu sehen sein – angereichert selbstverständ-

lich mit interessanten Exponaten aus den Beständen des Landeskirchli-

chen Archivs und des Hauptarchivs Bethel.

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 106

Ausstellung „Weihnachtsgrüße im Ersten Weltkrieg“

von ANNA WARKENTIN

Zum Jahresende 2014 zeigte das Landeskirchliche Archiv die An-

sichtskarten mit „herzlichen Weihnachtsgrüßen“ aus der Zeit des Ersten

Weltkrieges. Die Ansichtskarten stammen zum einen aus dem Besitz des

Landeskirchlichen Archivs, zum anderen aus der Sammlung des Ehe-

paares Christa und Peter Salchow. Ergänzend waren historische Doku-

mente aus den Beständen des Landeskirchlichen Archivs zu sehen, die

die Weihnachtsstimmung an der Front und in der Heimat dokumentie-

ren.

Nie zuvor wurde so viel Post geschrieben wie im Ersten Weltkrieg.

Die Feldpost war für die Soldaten die einzige Möglichkeit, Kontakt mit

ihren Angehörigen zu halten. Der Brief oder die Karte waren eine ent-

scheidende Quelle der Hoffnung und der Freude, die zu Weihnachten

gesteigerte Bedeutung erhielt.

Charakteristisch für die Gestal-

tung der weihnachtlichen Feldpost-

karten war die Benutzung von pa-

triotischen und militärischen Sym-

bolen wie Bänder und Schleifen in

den Landesfarben, Fahnen, Wap-

pen, Kronen etc.

Einen Gegensatz zu den „zivi-

len“ Karten bilden die sogenannten

„aggressiven“ Weihnachtskarten.

Es sind Karten, die von Hass und

Grausamkeit geprägt sind. Solche

Motive haben auch im Ersten Welt-

krieg nicht der Vorstellung vom

Christfest entsprochen und wurden

selten verschickt.

Ausstellung „Weihnachtsgrüße im Ersten Weltkrieg“

107

Stark vertreten auf Ansichtskarten des Ersten Weltkrieges war die re-

ligiöse Thematik. Der Erste Weltkrieg wurde von einer Welle patrio-

tisch-religiöser Begeisterung begleitet. Die durch die äußere Bedrohung

zusammengeschweißte „Volksgemeinschaft“ strömte in die überfüllten

Kirchen und bat um Gottes Hilfe für die „gerechte Sache“.

Nach dem Rausch

der ersten Kriegswo-

chen folgte eine rasche

Ernüchterung. Die

Schrecken des Krieges

und die schnell wach-

senden Verluste

verunsicherten die

Menschen. Die Frage

nach der Vereinbarkeit

von Christentum und Krieg wurde gerade zur Weihnachtszeit ange-

sichts der Botschaft vom „Frieden auf Erden“ immer drängender ge-

stellt. Die Kirchengemeinden antworteten darauf u.a. mit einer Fülle

kleiner Hefte und Broschüren, die den Soldaten als „Weihnachtsgruß“

ins Feld geschickt wurden. Die darin enthaltenen Predigten, Gebete und

Betrachtungen sollten vor allem Trost spenden und zum „Durchhalten“

motivieren.

Die Karten von der Front zeigen meist fröhliche Weihnachtsfeiern

der Soldaten. Die Männer sitzen in geselliger Runde um den Weih-

nachtsbaum zusammen, musizieren, packen ihre Geschenke aus oder le-

sen Feldpostbriefe. Man sieht nur glückliche, zufriedene Gesichter. Die

Wirklichkeit des Krieges hat in dieser „Scheinwelt“ keinen Platz.

Ausstellung „Weihnachtsgrüße im Ersten Weltkrieg“

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 108

Aus der Heimat kam eine Flut sentimentaler Karten als „moralische

Unterstützung“ ins Feld. Sie glorifizierten das „treue deutsche Herz“

und zeigten Kinder, Frauen und Mütter, die für den Vater beten. Die

Verbindung zur Front war durch kleine Szenen „in Gedanken“ stets prä-

sent.

Rein propagandisti-

schen Zwecken diente

das recht verbreitete

Motiv der „Kindersol-

daten“. Es sollte das

Kriegsgeschehen ver-

niedlichen und ver-

harmlosen, gewisserma-

ßen als ungefährliches

„Kinderspiel“ darstel-

len. Es bedurfte zweier Weltkriege, um ein Umdenken einsetzen zu las-

sen.

Beliebtes Motiv der Feldpostkarten

ist der Weihnachtsbaum. Zu den

Weihnachtsfeiertagen wurden den

Soldaten von ihren Familienange-

hörigen kleine Weihnachtsbäume

ins Feld geschickt. Diese Bäumchen

waren ein wichtiges emotionales

Bindeglied zwischen Front und

Heimat. Die Karten zeigen Christ-

bäume in Verbindung mit unter-

schiedlichsten patriotischen und

militärischen Symbolen, die teilwei-

se als Schmuck dienten.

109

Wanderausstellung zu Ludwig Steil eröffnet

von WOLFGANG GÜNTHER

Am 12. März 2015 wurde durch die Präses Annette Kurschus die

Wanderausstellung zu Ludwig Steil eröffnet.

Ludwig Steil (1900–1945) war der

einzige evangelische Pfarrer aus

Westfalen, der im Konzentrationsla-

ger Dachau ums Leben kam. Als jun-

ger Gemeindepfarrer der Kirchenge-

meinde Holsterhausen bei Herne

wehrte er sich früh gegen die Macht-

ansprüche der Deutschen Christen

(DC). Am 15. August 1933 wurde

Steil mit 32 Jahren zum ersten Super-

intendenten des neugeschaffenen

Kirchenkreises Herne gewählt. Diese

Wahl wurde aber auf Druck der DC

annulliert. Bei der darauf folgenden

Wahl bekam der Wahlvorschlag der DC eine Mehrheit. Ludwig

Steil ließ sich durch solche Rückschläge in seinem Engagement für

die Bekennende Kirche nicht aufhalten. Zusammen mit Hans Eh-

renberg hatte er bereits Pfingsten 1933 das Bochumer Bekenntnis

formuliert. Auf der 1. Westfälischen Bekenntnissynode hielt Steil

eine programmatische Rede. Als Mitglied des daraufhin gebildeten

westfälischen Bruderrates wirkte er auch auf der Reichsebene mit.

Er nahm an allen vier Reichsbekenntnissynoden teil, in Barmen ge-

staltete er z. B. aktiv die „Erklärung zur praktischen Arbeit der Be-

kenntnissynode der Deutschen Evangelischen Kirche“ mit. Unter

Präses Karl Koch gehörte Ludwig Steil zur geistlichen Leitung der

westfälischen Bekenntniskirche und arbeitete bis 1939 viereinhalb

Jahre als ständiger Vertreter beim Konsistorium der Kirchenprovinz

in Münster und hatte damit dort eine Schlüsselstellung. Über die

Wanderausstellung zu Ludwig Steil eröffnet

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 110

Gründe, warum Karl Koch ihn dann von dieser Aufgabe entband,

ist nun etwas mehr bekannt. Offiziell entzündete sich der Streit an

der Frage des Vorsitzes der Prüfungskommission bei den westfäli-

schen Kandidaten. Nachdem Steil verhindert hatte, dass ein Profes-

sor, der führend bei den DC war, den Vorsitz übernahm, eskalierte

der Konflikt im eher DC-orientierten Konsistorium. Weil sich da-

raufhin viele Kandidaten auf Anraten Steils geweigert hatten, sich

unter einem DC-Vorsitzenden prüfen zu lassen, verweigerte Kon-

sistorialpräsident Thümmel die weitere Zusammenarbeit mit Steil.

Thümmel bekam Schützenhilfe vom Evangelischen Oberkonsisto-

rium in Berlin, das Präses Koch dazu zwang, Steil fallenzulassen.

Andernfalls wäre auch die geistliche Leitung durch Präses Karl

Koch gefährdet gewesen. Fest steht, dass das gute Verhältnis zwi-

schen Karl Koch und Ludwig Steil nicht darunter gelitten hat.

Daneben war er in seinem persönlich wichtigsten Arbeitsgebiet,

der Volksmission, bis nach Königsberg unterwegs und hielt – wie

auch für die Bekennende Kirche – viele Vorträge. Ludwig Steil war

ein gefragter Prediger und Streiter.

Sein Engagement blieb nicht ohne Widerspruch der nationalso-

zialistischen Machthaber. Seine Predigten wurden mitgeschrieben,

Anzeigen bei der Gestapo gemacht. 15 polizeiliche Vorladungs-

schreiben sind im Privatnachlass erhalten. Mitschriften der Predig-

ten und der daraus folgenden Anzeigen sind im Gemeindearchiv zu

finden. Im Jahre 1938 liefen fünf verschiedene Verfahren beim Son-

dergericht Dortmund wegen Vergehens gegen das sogenannte

Heimtücke-Gesetz. Bei der Verhaftung am 11. September wurde

ihm u.a. vorgeworfen, bei volksmissionarischen Abenden in Herne

die Euthanasieproblematik angesprochen und damit das NS-Re-

gime kritisiert zu haben. Ein ordentliches Gerichtsverfahren fand

nicht statt. Als politischer Gefangener wurde er – mit einem roten

Winkel versehen – mit der Nummer 136939 in das KZ Dachau ein-

geliefert. Die Todesnachricht, die in den letzten Kriegsmonaten auf

Umwegen nach Holsterhausen kam, traf Freunde und Gemeinde

völlig unerwartet.

Wanderausstellung zu Ludwig Steil eröffnet

111

Anlass für diese Wanderausstellung zum 70. Todestag von Lud-

wig Steil war das beharrliche Recherchieren und Forschen von Prof.

Dr. Christopher Spehr. Im Rahmen seines Vikariates war er auch in

Herne-Holsterhausen tätig und bekam dort Kontakt mit der Tochter

von Ludwig Steil. Es stellte sich heraus, dass sich viele Unterlagen

zu dessen Wirken noch in Privathand befanden. Erst nach dem Tod

der Tochter war eine wissenschaftliche Aufarbeitung möglich.

Christopher Spehr war zwischenzeitlich Professor in Jena gewor-

den. Mit finanzieller Förderung der Westfälischen Landeskirche

und Unterstützung durch das Landeskirchliche Archiv wurde nun

dieser Nachlass wissenschaftlich aufgearbeitet.

Ausstellungseröffnung im Landeskirchenamt mit Präses Annette Kurschus und Vizepräsident Klaus Winterhoff.

Ein Ergebnis dieser Aufarbeitung ist die Wanderausstellung. Auf

10 Tafeln wird das Leben und Wirken von Ludwig Steil in anspre-

chender Weise dargestellt. Text und Bilder wechseln dabei ab und

machen die Tragweite der damaligen Auseinandersetzung deutlich.

Wanderausstellung zu Ludwig Steil eröffnet

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 112

Das Landeskirchliche Archiv konnte die Wanderausstellung mit Ex-

ponaten aus dem Gemeindearchiv der Kirchengemeinde Holster-

hausen ergänzen. Im Gegensatz zu anderen evangelischen Theolo-

gen, die durch die Verfolgung im Nationalsozialismus zu Tode ge-

kommen sind – wie z. B. Dietrich Bonhoeffer – ist Ludwig Steil rela-

tiv schnell wieder in Vergessenheit geraten. Auch die lange Zeit feh-

lende wissenschaftliche Aufarbeitung seines Wirkens unterstreicht

die immer noch bestehende Notwendigkeit der Auseinanderset-

zung mit diesem Kapitel der deutschen Geschichte.

Aber nicht nur Aufarbeitung, sondern auch Versöhnung ist noch

nötig und möglich. Bei der Eröffnung der Ausstellung im März wa-

ren nicht nur Mitglieder der Familie Steil anwesend. Auch Angehö-

rige eines früheren DC-Anhängers, der damals die Berichte über die

Predigten geschrieben und Vorwürfe gegen Steil beim Konsisto-

rium erhoben hatte, waren angereist. Und man konnte spüren, wie

der Wunsch nach Versöhnung und Aufarbeitung bei allen Beteilig-

ten vorhanden war. So bot die Eröffnungsveranstaltung auch nach

so vielen Jahren die Gelegenheit, über früheres Unrecht ins Ge-

spräch zu kommen und Brücken zu bauen. Die Vergangenheit ist

oft noch näher, als man denkt.

Im Zusammenhang dieser Ausstellung ist zudem die auch heute

noch lesenswerte Biografie von Ludwig Steil, verfasst von seiner

Ehefrau Gusti Steil, wieder neu aufgelegt worden. Sie ist erschienen,

ergänzt um eine wissenschaftliche Einordnung von Dr. Spehr, im

Neukirchener Verlag.

Die Ausstellung kann gerne beim Landeskirchlichen Archiv aus-

geliehen werden.

113

Neue Findbücher

Ev. Kirchengemeinde Amelunxen, Ev. Kirchenkreis Paderborn

372 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum 1651-1998

In Amelunxen, damals Teil des Stiftgebiets Corvey, hielt das lutherische

Bekenntnis in den 1530er Jahren Einzug und ab 1572 wurde auch eine

eigene evangelische Pfarrstelle errichtet. Die Überlieferung der Kirchen-

gemeinde beginnt Mitte des 17. Jahrhunderts. In diese Zeit fällt auch der

„Amelunxer Rezess“, welcher die Streitigkeiten zwischen Evangelischen

und Katholiken um die Nutzung der Kirche in Amelunxen beendete

und die Versuche der Gegenreformation zurückdrängte. Von nun an ge-

hörte die Georgskirche den Lutheranern. Die Bedeutung des Rezesses

war der Diaspora-Gemeinde im katholischen Kernland durchaus be-

wusst und so gab es regelmäßige Restitutionsfeiern und man gedachte

jährlich des Ereignisses. Als Pfarrer Konrad Gottlieb Schnorr es Ende des

18. Jahrhunderts jedoch wagte, die Feierlichkeiten einzustellen, wende-

ten sich Teile seiner Gemeinde mit einer Beschwerde an den Generalvi-

kar zu Corvey. Fortan war die Erinnerung an den Rezess wieder fest

verwurzelt, ohne ihn wäre der evangelische Glaube in Amelunxen si-

cherlich schnell wieder erloschen. 1951 erschien im Zuge des 300-jähri-

gen Bestehens des Rezesses auch eine Chronik über die Gemeinde Ame-

lunxen.

Streitigkeiten mit den katholischen Gemeinden in Amelunxen, Wehr-

den und Drenke blieben jedoch an der Tagesordnung und tauchen auch

in den Archivakten bis in das 20. Jahrhundert hinein immer wieder auf.

In diesem Kontext erfuhr die Pfarrgemeinde Amelunxen regelmäßige

Unterstützung durch den Gustav-Adolf-Verein, wovon sich viele Zeug-

nisse in den Akten finden. Zu den ältesten Überlieferungen des Bestan-

des gehört ein Verzeichnis über Taufen, Trauungen, Sterbelisten von

1674 bis 1790. Kollations- und Patronatsrecht lagen bis in die Reforma-

tionszeit bei dem Abt von Corvey, dann fiel es an den Gutsherrn in

Amelunxen. Pfarrberufung und Investitur verblieben jedoch beim Abt

von Corvey. Der Grundbesitz der Familie von Amelunxen ging am En-

de des 17. Jahrhunderts durch Kauf an den Freiherren Wolff-Metternich

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 114

in Wehrden. Dieser erhielt damit auch die Patronatsrechte über die Ge-

meinde, erst 1975 wurden diese durch den Verzicht des Patrons aufge-

hoben. 1815 ordnete die preußische Regierungskommission die Zusam-

menlegung der Kirchengemeinden Amelunxen und Bruchhausen an,

doch nicht nur Pfarrer Schnorr von Amelunxen und seine Gemeinde

protestierten, sondern auch in Bruchhausen fand der Entschluss nur we-

nig Gegenliebe. 1817 wurden die beiden Pfarreien wieder getrennt und

ihre Einkünfte verbessert. 1830 trat Amelunxen der Union bei, fünf Jah-

re später fand die erste Presbyteriumswahl statt. Von 1835 stammt auch

das erste Protokollbuch des Presbyteriums. Von 1842 bis 1854 wurden

Teile des Kirchengebäudes renoviert. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts

wurde zunächst ein neues Pfarrhaus erbaut (1904) und von 1914 bis

1920, unterbrochen durch den Ersten Weltkrieg, die alte Georgskirche

erneut und umfangreich renoviert. In dieser Zeit wurde auch eine neue

Orgel erstanden, bereits nach der Jahrhundertwende im Jahr 1901/2 hat-

te der Kirchturm neue Glocken erhalten. Im Aktenbestand befindet sich

auch eine Übersicht der teilweise sogar vorreformatorischen Epitaphe

und Grabplatten in dem Kirchengebäude.

Ab 1933 stellte sich der Gemeindepfarrer Eduard Kuhr im Kirchen-

kampf auf die Seite der BK, ansonsten bemerkte man in Amelunxen eher

Tendenzen zu Gunsten der DC. Insgesamt verlief der Kirchenkampf in

relativ ruhigen Bahnen. Nach dem Tod des Pfarrers Kuhr änderte sich

das jedoch und der DC-Pfarrer Neumüller aus Beverungen sorgte für

Unruhe in der Gemeinde. Nach dem Krieg wurde Neumüller wegen

Verletzung seiner Amtspflichten und seiner Tätigkeiten während der

NS-Zeit in den Ruhestand versetzt. Pfarrer Julius Volke, er vertrat das

Pfarramt in Amelunxen von 1938 bis 1942 und 1948 bis 1956, setzte sich

jedoch für seinen umstrittenen Amtsbruder ein und so kam es, dass

Neumüller weiterhin Pensionsansprüche zustanden und er Volke regel-

mäßig bei Amtshandlungen vertreten konnte, wenn dieser urlaubs- oder

krankheitsbedingt abwesend war. Pfarrer Volke sei auch deshalb er-

wähnt, weil seine erste Amtszeit sehr kurz währte und er als Streiter der

Berneuchener Bewegung innerkirchliche Erneuerungsideen so stark vo-

rantrieb, dass er den Draht zu seiner sensiblen, anti-katholisch geprägten

Diaspora-Gemeinde verlor. Kurzerhand wurde entschieden, dass Volke

Neue Findbücher

115

das Pfarramt mit seinem Kollegen Leopold Schütte aus Aplerbeck

tauscht, welcher aus politischen Gründen als BK-Pfarrer ausgewiesen

worden war. Schon 1948 füllte Volke dann wieder die vakante Amelun-

xer Pfarrstelle aus und erwies sich in der Folgezeit als geschickter und

beliebter Ortspfarrer. Nach dem Krieg – bedingt durch Flüchtlinge und

Vertriebene – stieg die Größe der Gemeinde so stark an, dass sogar evan-

gelische Gottesdienste in den katholischen Kirchen der Region stattfan-

den. Durch den Zustrom an Seelen wurde zudem bereits am 2. Juli 1945

ein eigener, evangelischer Kindergarten eröffnet – eine Ausnahme im

katholisch dominierten Paderborner Land. Die Einrichtung konnte sich

bis 1971 halten. 1951 feierte die Gemeinde ihr 300-jähriges Bestehen und

besann sich mit einer Chronik und der Erinnerung an den Amelunxer

Rezess seiner Geschichte. 1967 wurde das Küsterhaus umfangreich reno-

viert. Wie viele westdeutsche Gemeinden hatte auch Amelunxen Kon-

takt zu einer Patengemeinde in der Deutschen Demokratischen Repu-

blik, der Gemeinde Gethsemane in Berlin-Pankow, und unterstützte die-

se tatkräftig, wovon auch die Akten zeugen.

Seit den 1980er Jahren kam es zu Umpfarrungen. Nach ein paar Jah-

ren der pfarramtlichen Verbindung mit der Kirchengemeinde Höxter

führten der demographische Wandel und rückläufige Gemeindeglieder-

zahlen 2014 schließlich zur Vereinigung der kleinen Diaspora-Gemein-

de, die sich als eine der wenigen evangelischen Gemeinden seit der Re-

formation kontinuierlich in einem katholisch-dominierten Umfeld gehal-

ten hatte, mit Höxter, Beverungen und Bruchhausen zur Weser-Nethe-

Kirchengemeinde Höxter.

Der weitere Verbleib des Archivs ist noch nicht geklärt. (ost)

Ev. Kirchengemeinde Berchum, Ev. Kirchenkreis Iserlohn

414 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1452-1997

Das Archiv wurde 1999/2000 im Landeskirchlichen Archiv der Evangeli-

schen Kirche von Westfalen in Bielefeld verzeichnet und 2015 durch

einen Nachtrag erweitert.

Die Geschichte der Kirchengemeinde reicht bis ins 14. Jahrhundert

zurück. Im Verhältnis zum Alter der Kirchengemeinde ist der Umfang

des vorhandenen Archivguts eher als gering einzuschätzen. Schwer-

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 116

punkt der Überlieferung ist die Dokumentation der Vermögensverhält-

nisse der Kirchengemeinde. Ein besonderes Augenmerk verdienen die

Vorgänge, die das Armen- und Schulwesen dokumentieren.

Das Archiv wird vor Ort bei der Kirchengemeinde verwahrt. (wrk)

Ev. Johannes-Kirchengemeinde Bochum, Ev. Kirchenkreis Bochum

22 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1949-2007

Die Johannes-Kirchengemeinde Bochum wurde zum 1. Juni 1964 durch

die Auspfarrung des 7. und 10. Pfarrbezirks der Kirchengemeinde Bo-

chum errichtet. Zum 1. Januar 2006 wurden beide Kirchengemeinden

wiedervereinigt. Die Überlieferung befindet sich größtenteils noch vor

Ort.

Der Bestand ist im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestands-

nummer 4.200 deponiert. (wrk)

Ev. Kirchengemeinde Bruch, Ev. Kirchenkreis Recklinghausen

172 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum 1892-2012

Das Archiv der Ev. Kirchengemeinde Bruch wurde im Frühjahr 2008 im

Landeskirchlichen Archiv in Bielefeld verzeichnet und 2015/16 um einen

umfangreichen Nachtrag ergänzt.

Leider sind für den Zeitraum seit der Gründung der Gemeinde 1893

bis in die 1950er Jahre fast ausschließlich die Protokollbücher der Kir-

chengemeinde erhalten, die zusammen mit weiteren Unterlagen des

Presbyteriums den Schwerpunkt des Bestandes bilden. Alle weiteren

Arbeitsbereiche der Kirchengemeinde waren zunächst eher lückenhaft

dokumentiert. Durch eine umfangreiche Abgabe von Akten durch den

ehemaligen Kirchmeister Wilhelm Westhues konnte der Bestand um

wichtige Unterlagen erweitert werden. So sind nun zum einen aufwen-

dig von Westhues zusammengetragene Materialsammlungen zu den

kirchlichen Gebäuden, Mitarbeitern, Gemeindegruppen und zur Ge-

meindegeschichte überliefert. Zum anderen konnten Unterlagen der

Frauenhilfe und des Männerdienstes sowie Schriftgut aus der Zeit des

Kirchenkampfes ergänzt werden.

Der Bestand ist im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestands-

nummer 4.215 deponiert. (sey)

Neue Findbücher

117

Vereinigte Kirchenkreise Dortmund, Fachbereich 3/Personal und

zentrale Verwaltung

1.125 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1867-2012

Das Archiv der Vereinigten Kirchenkreise Dortmund, Fachbereich 3/Per-

sonal und zentrale Verwaltung wurde 2005 im Landeskirchlichen Ar-

chiv der Evangelischen Kirche von Westfalen verzeichnet und 2015 um

einen Nachtrag erweitert.

Die Verwaltung der Vereinigten Kirchenkreise Dortmund (VKK)

wurde zum 1. Juli 2007 in drei Verwaltungsbereiche untergliedert:

Fachbereich 1: Bau und Liegenschaften, Fachbereich 2: Haushalt und Fi-

nanzen, Fachbereich 3: Personal und zentrale Verwaltung. Dementspre-

chend wurden bei der Archivierung von Akten der VKK im Jahr 2005

drei Archivbestände gebildet. Zum 1. Januar 2006 erfolgte eine Reduzie-

rung auf zwei Fachbereiche: Fachbereich 1: Personal, Immobilien und

zentrale Verwaltung, Fachbereich 2: Haushalt und Finanzen. Als im Zu-

ge der Vereinigung der Dortmunder Kirchenkreise zum 1. Januar 2014

auch die Akten der Vereinigten Kirchenkreise Dortmund geschlossen

wurden und teilweise zur Archivierung anstanden, wurde auf die Bil-

dung eines neuen Archivbestandes verzichtet. Da es sich ausschließlich

um Akten aus den Bereichen „Zentrale Verwaltung“ und Geschäftsfüh-

rung handelte, wurden die Unterlagen dem Bestand VKK Dortmund,

Fachbereich 3 zugeordnet; Personalakten wurden bisher nicht ausgeson-

dert. Bei fast der Hälfte der verzeichneten Akten handelt es sich um

Ortsakten der Kirchengemeinden und Kirchenkreise. Einen inhaltlichen

Schwerpunkt bilden die Akten zu den Organisationsuntersuchungen

der Verwaltungen der VKK, der Kirchenkreise und des Diakonischen

Werkes.

Das Archiv wird vor Ort beim Ev. Kirchenkreis Dortmund im Rei-

noldinum verwahrt. (sey)

Ev. Kirchengemeinde Gelsenkirchen-Horst, Ev. Kirchenkreis

Gelsenkirchen und Wattenscheid

246 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1881-2013

Die 1882 erfolgte Gründung der Kirchengemeinde hat keinen Nieder-

schlag im Gemeindearchiv gefunden. Bei der Überlieferung handelt es

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 118

sich um das überwiegend nach dem Zweiten Weltkrieg entstandene

Schriftgut, was möglicherweise auf Kriegsverluste zurückzuführen ist.

Immerhin sind Protokollbücher seit dem Gründungsjahr erhalten geblie-

ben.

Einen Schwerpunkt der Überlieferung bilden die Bauakten. Durch

Luftangriffe wurden sämtliche kirchlichen Gebäude bereits 1943 schwer

beschädigt und gingen verloren. Somit wurde die Kirchengemeinde ge-

zwungen, sich neue Räumlichkeiten für den Gottesdienst und die Ge-

meindearbeit zu schaffen; es entstanden zwei Gottesdienststätten und

drei Gemeindezentren. Beeindruckend ist das Spendenbuch des Kirch-

bauvereins, das die Anstrengungen der Gemeindeglieder für den Bau

einer Notkirche unmittelbar nach dem Krieg dokumentiert. 2006 musste

die Kirchengemeinde angesichts der wegbrechenden Kirchensteuerein-

nahmen eine der beiden Gottesdienststätten aufgeben. Den schwierigen

Prozess der Haushaltskonsolidierung zeigen entsprechende Akten im

Gemeindearchiv.

Das Archiv wird vor Ort bei der Kirchengemeinde verwahrt. (wrk)

Ev. Kirchenkreis Gütersloh

743 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum 1835-2012

Der weit zurückreichende Überlieferungszeitraum täuscht über das tat-

sächliche Alter des Kirchenkreises hinweg, der als einer der jüngsten

Kirchenkreise in der westfälischen Landeskirche erst 1949 gegründet

wurde. Bei den ältesten Archivalien handelt sich um zwei Akten mit den

Verhandlungen der Kreissynode Bielefeld, aus der der Kirchenkreis Gü-

tersloh durch Teilung hervorging. Der zeitliche Schwerpunkt des vorlie-

genden Archivbestandes beginnt erst nach dem Zweiten Weltkrieg. In-

haltlich überwiegt deutlich die Aktenüberlieferung der Superintenden-

tur mit Verhandlungen der Kreissynode und ihrer Ausschüsse, Pfarr-

konferenzen und Visitationen. Die Unterlagen zur Finanzverwaltung

(resp. Haushaltsplänen oder Jahresrechnungen) sowie die Akten der

Bau- und Liegenschaftsabteilung befinden sich noch in der kreiskirchli-

chen Verwaltung und werden das Archiv zu gegebener Zeit bereichern.

Das Archiv ist im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestandsnum-

mer 4.264 deponiert. (ost)

Neue Findbücher

119

Ev.-Luth. Kirchengemeinde Halle, Ev. Kirchenkreis Halle

406 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum 1653-2007

Die Überlieferung der aus vorreformatorischer Zeit stammenden Kir-

chengemeinde reicht weit zurück, wobei die frühesten Dokumente bei

den Kirchenbüchern, den Kirchen- und Armenrechnungen und weite-

ren Vermögensunterlagen, aber auch bei den Schulangelegenheiten zu

finden sind. Eine regelmäßigere, viele Bereiche der Gemeindeverwal-

tung und des Gemeindelebens abdeckende Aktenführung ist erst seit

den 1830er Jahren vorhanden. Über die Gemeindegrenzen von Halle hi-

naus von Interesse sind hier die Schulinspektionsakten über die dem

Schulinspektionsbezirk Halle unterstehenden Schulen. Da 1971 die Kir-

chengemeinde Hörste aufgehoben und in die Kirchengemeinde Halle

eingepfarrt wurde, finden sich einige wenige Unterlagen aus der Über-

gangszeit ebenfalls im vorliegenden Archivbestand.

Der Archivbestand war bereits in den 1970er Jahren im Landeskirch-

lichen Archiv verzeichnet worden. Bei einer Umbettung von der stehen-

den in die liegende Verwahrung und gleichzeitiger Übertragung in das

Datenbankprogramm 2009 erhielten die Verzeichnungseinheiten neue

Archivsignaturen. Für die Altsignaturen wurde eine Konkordanz er-

stellt. Im vergangenen Jahr folgte die Ergänzung eines Nachtrags.

Das Archiv ist im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestandsnum-

mer 4.21 deponiert. (ost)

Ev. St.-Georgs-Kirchengemeinde Hattingen, Ev. Kirchenkreis

Hattingen-Witten

182 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1932-1996

Das Archiv wurde 2008 im Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen

Kirche von Westfalen in Bielefeld verzeichnet und 2015 durch einen

Nachtrag erweitert.

Die St.-Georgs-Kirchengemeinde entstand mit der Aufteilung der

Kirchengemeinde Hattingen in fünf selbstständige Kirchengemeinden

zum 1. Januar 1968. Es ist zu beachten, dass mit der Auflösung der Kir-

chengemeinde Hattingen kein Registraturschnitt gemacht wurde und

die Akten weitgehend weitergeführt wurden als Akten der neuen St.-

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 120

Georgs-Kirchengemeinde. Das Archiv beinhaltet also teilweise die Über-

lieferung der Mutter-Kirchengemeinde Hattingen.

Das Archiv dokumentiert das Gemeindeleben in der Hattinger In-

nenstadt sowie im Gemeindebezirk Holthausen. Einen weiteren Schwer-

punkt bilden die Bauakten zur Sanierung der St.-Georgs-Kirche und zur

Errichtung der Gemeindehäuser an der Augustastraße und in Holthau-

sen an der Dorfstraße.

Das Archiv wird vor Ort beim Gesamtverband Ev. Kirchengemein-

den Hattingen verwahrt. (wrk)

Ev. Kirchengemeinde Holzwickede, Ev. Kirchenkreis Unna

451 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1879-2010

Das Archiv der Ev. Kirchengemeinde Holzwickede wurde 2003 im Lan-

deskirchlichen Archiv der Evangelischen Kirche von Westfalen verzeich-

net und 2013 und 2015 um Nachträge erweitert. Neu hinzugekommen

sind Unterlagen zur Verwaltung, Geschichte und Auflösung der Ev.

Präparandenanstalt Holzwickede und des Hellweger Kinderheims, Ma-

terialsammlungen zur Gemeindegeschichte und Bauakten.

Das Archiv wird vor Ort bei der Kirchengemeinde Holzwickede und

Opherdicke verwahrt. (sey)

Ev. Kirchengemeinde Höxter, Ev. Kirchenkreis Paderborn

1.235 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1579-2002

Der Archivbestand birgt interessante Dokumente aus allen Bereichen

des kirchlichen Lebens einer der ältesten Kirchengemeinden im heutigen

Kirchenkreis Paderborn. Die unter der Landesherrschaft des Corveyer

Benediktinerabtes stehende Stadt Höxter wandte sich schon früh der Re-

formation zu. Bereits 1533 schlossen Stift und Stadt einen Vertrag, der

die Kiliani- und die Nikolaikirche den Evangelischen überließ und in der

weiter vom katholischen Stift genutzten Petrikirche eine frühmorgendli-

che evangelische Predigt gestattete. Zwei Jahre später wurde die Petri-

kirche ganz der evangelischen Gemeinde überlassen. Das Pfarrstellenbe-

setzungsrecht war an allen drei Stadtkirchen bis zur Reformation durch

die Stiftsherren vom Petrikollegialstift ausgeübt worden und ging dann

auf den Rat der Stadt über. 1555 fiel auch die Minoritenkirche des ehe-

Neue Findbücher

121

maligen Franziskanerklosters den Lutheranern zu. Die folgenden zwei

Jahrhunderte standen im Zeichen der Religionskriege: Die Rekatholisie-

rungsbemühungen des katholischen Abtes zu Corvey und des Pader-

borner Weihbischofs führten in Höxter zur gewaltsamen Unterdrü-

ckung der Lutheraner. 1628/29 wurden die evangelischen Geistlichen ge-

fangengesetzt oder der Stadt verwiesen, die lutherische Predigt war ver-

boten. Im Gemeindearchiv belegen Abschriften das Blutbad, das das kai-

serliche Heer nach der Besetzung der Stadt durch verteidigende schwe-

dische Truppen 1734 anrichtete. Zwar wurden die lutherischen Gemein-

den 1649 nach Ende des Dreißigjährigen Kriegs entsprechend dem Zu-

stand des Normaljahres wiederhergestellt, doch als 1661 der Münster-

sche Bischof Bernhard von Galen Administrator des Stiftes wurde, be-

gann die Gegenreformation erneut. Entsprechende Vorfälle und Streitig-

keiten sind im vorliegenden Archivbestand dokumentiert. Die Minori-

ten nahmen Kloster und Klosterkirche wieder in Anspruch, die Nikolai-

kirche ist seitdem katholische Pfarrkirche. In dem Gnaden- und Segenre-

zess von 1674 legte Bischof Bernhard von Münster als neuer Administra-

tor schließlich die konfessionelle Parität fest. Eine Abschrift des Doku-

mentes findet sich ebenfalls im Gemeindearchiv. Mit dem Reichsdeputa-

tionshauptschluss 1802/03 und der Säkularisation der Abtei endete die

katholische Herrschaft. Bereits wenig später wurde das Corveyer Land

dem Königreich Westphalen einverleibt. Die französische Regierung

vereinigte die Petrigemeinde gegen ihren Willen mit der Kilianigemein-

de 1810, und ließ die Petrikirche zugunsten eines Schulneubaus abrei-

ßen. Das Vermögen der aufgehobenen Gemeinde sollte die finanzielle

Ausstattung der Schuleinrichtungen in der Stadt verbessern.

Mit der Wahl von Pfarrer Beckhaus 1852 warf die preußische Regie-

rung Minden die Frage auf, ob das seit jeher vom Magistrat der Stadt

Höxter geübte Präsentationsrecht einem Patronatsrecht gleichkomme.

Regierung und Konsistorium deuteten schließlich die als Attribute eines

Kirchenpatronats angesehenen Rechte und Verpflichtungen des Magis-

trats ihrem Ursprung nach als Ausflüsse und Betätigungen von dessen

amtlichen Stellung als christlicher Obrigkeit in älterer Zeit, die zu der

Praxis geführt hatten, der Gemeinde zur Wahl eines Pfarrers drei Kandi-

daten vorzuschlagen. Wie das Gemeindearchiv belegt, einigte man sich

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 122

am 5. Februar 1855 in einem Rezess, indem dem Magistrat ein Patronats-

recht soweit zugestanden wurde, dass er formell die Vokationen mitun-

terzeichnet.

Die zahlreichen Akten zum Gemeindeleben zeugen davon, wie die

Innere Mission des 19. Jahrhunderts auch Höxter erfasste und zur Grün-

dung von kirchlichen Vereinen und Werken führte. 1848 bildete sich der

Evangelische Verein zur Hebung des kirchlichen Lebens und zur Ar-

menpflege (später: Verein für Innere Mission). Ein zeitgleich nach dem

Vorbild Wicherns ins Leben gerufenes Rettungshaus – zunächst für Er-

wachsene, später ausschließlich Erziehungs- bzw. Konfirmandenanstalt

für Kinder – wurde dem Verein nach dem Willen der Kreissynode Pa-

derborn übertragen. Aus ihm ging später mit einem Neubau auf dem

Kirchhof der abgebrochenen Petrikirche das St. Petri-Stift hervor. Weite-

re Einrichtungen der Inneren Mission folgten, von denen einige der ge-

samten Diaspora der Synode zugutekamen, so 1879 das Evangelische

Alumnat für die Betreuung evangelischer auswärtiger Schüler des

König-Wilhelm-Gymnasiums, 1884 das Vereinshaus mit einer Herberge

zur Heimat und 1901 das Siechen- und Altenwohnheim „Marienstift“ in

dem ehemaligen Minoriten-Franziskaner-Kloster, das die Kirchenge-

meinde – wie 50 Jahre zuvor die Minoritenkirche – käuflich erworben

hatte. 1910 folgte die Eröffnung eines Evangelischen Krankenhauses, das

1977 mit dem katholischen St. Nikolai-Krankenhaus zu einem neuen

Schwerpunktkrankenhaus in vermögensrechtlich katholischer Träger-

schaft zusammengelegt wurde.

Durch den Zuzug Ostvertriebener nach dem Zweiten Weltkrieg

wuchs die Gemeinde auf das Doppelte an. Ende der 1950er Jahre ent-

stand im Petrifeld ein Gemeindezentrum mit Pfarrhaus und Kirchsaal,

seit 1979 diente das Gebäude des ehemaligen Marienstifts als Gemeinde-

zentrum mit Gemeindeamt und Diakoniestation. Rückläufige Gemein-

degliederzahlen und finanzielle Ressourcen ließen die Kirchengemein-

den auf ehemals Corveyer Gebiet in jüngster Vergangenheit wieder zu-

sammenwachsen und führten 2014 zur Vereinigung der bisherigen Kir-

chengemeinde Höxter mit Amelunxen, Beverungen und Bruchhausen

zur Weser-Nethe-Kirchengemeinde Höxter.

Neue Findbücher

123

Das Archiv ist im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestandsnum-

mer 4.5 deponiert. (ost)

Ev. Kirchengemeinde Kierspe, Ev. Kirchenkreis Lüdenscheid-

Plettenberg

744 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1484-2006

Das Archiv bietet eine hervorragende Quelle zur Geschichte der Kir-

chengemeinde und des Ortes Kierspe. Alle Bereiche der kirchlichen Ver-

waltung und des Gemeindelebens sind ausreichend dokumentiert. Die

frühen Nachrichten aus dem 16.-17. Jahrhundert beziehen sich vor allem

auf die Vermögensverhältnisse und den Zustand kirchlicher Gebäude.

Ein wichtiger Hinweis zum Konfessionsstand der Kirchengemeinde fin-

det sich im Fragment des Berichtes des Pfarrers Hermann Rövenstrunck,

erstellt bezüglich der amtlichen „Erkundigungen“ über das Kirchen-

und Religionswesen der märkischen Kirchengemeinden in den Jahren

1664-1667. Die endgültige Version dieses Berichtes, den Akten des

Staatsarchivs Münster entnommen, wurde zusammen mit den Berichten

anderer Kirchengemeinden 1909/10 veröffentlicht (s. Jahrbuch des Ver-

eins für die Evangelische Kirchengeschichte Westfalens. 11./12. Jahrgang.

– Gütersloh 1909 und 1910, S. 183-303). Demzufolge ist die Kirchenge-

meinde Kierspe schon hundert Jahre vor 1666 eine lutherische Gemein-

de gewesen.

Eindrucksvoll sind Quellen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krie-

ges von 1618 bis 1648. Sie berichten über das Leid und Elend der Bevöl-

kerung, wie z. B. in dem folgenden Brief des Richters und der Vorsteher

an den Kurfürsten, geschrieben nach 1653: „… in a[nn]o 1636 der großere

Theil der Kirspelsleuthe verstorben, ubrige wegen ubermeßiger tribulation und

ausplünderung und verderbens von Hauß und Hoff verweichen, alles verlaßen

müßen, daß Kirspell bis ins Jahr 1641 und 1642 gantz wühste gelegen …“ Ty-

pische Dokumente für die Zeit des Dreißigjährigen Krieges sind Aufstel-

lungen der Verpflegungskosten für die Truppen, Abrechnungen der

Kontributionszahlungen, Aufstellungen über verwüstete Höfe und

Plünderungsschäden.

Für die Gemeindegeschichte des 18.-19. Jahrhunderts sind Akten, die

Aufschluss über kirchliche Aktivitäten in den Bereichen Schule und Für-

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 124

sorgetätigkeit geben, hervorzuheben. Auffallend viele Quellen berichten

über Geschehnisse im Verwaltungs- und Gerichtsbezirk Kierspe, was

eher untypisch für ein kirchliches Archiv ist. Es sind Quellen wie Kirch-

spielsrechnungen und Belege dazu, Rezeptur-Rechnungen, Gerichtspro-

tokolle …

Auch für die Familienforscher bietet das Gemeindearchiv eine reiche

Quelle, indem es Unterlagen (Prozesssachen, Grundstücksangelegenhei-

ten, Nachlasssachen) zur Geschichte der alteingesessenen Familien und

der Bauernhöfe beinhaltet. Zu erwähnen wäre an dieser Stelle das Inven-

tarium des Vermögens der minderjährigen Strang zu Berken aus dem

Jahr 1783 und Briefe der Kinder der Familie Crone zu Beckinghausen an

die „lieben Eltern“, 1835-1836, beides beeindruckende Zeugnisse der

Zeitgeschichte.

Zu den privaten Dokumenten zählen einige Rechnungsbücher, die

sicherlich eine interessante Quelle zur Entwicklung der Eisenindustrie

darstellen.

Das Archiv wird vor Ort bei der Kirchengemeinde verwahrt. (wrk)

Ev. Kirchenkreis Siegen

2.259 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1626-2011

Das Archiv des Kirchenkreises Siegen, der seit 1818 besteht, dokumen-

tiert das evangelische Leben im Siegerland vom 17. Jahrhundert bis in

die Gegenwart. Der Altbestand des Archivs, der rund 450 Verzeich-

nungseinheiten umfasst und bereits in den 1950er Jahren grob verzeich-

net wurde, wurde im Landeskirchlichen Archiv überarbeitet und um

einen umfangreichen Nachtrag ergänzt. Er enthält u.a. Konventsproto-

kolle der Klasse Siegen und Visitationsberichte aus der zweiten Hälfte

des 17. Jahrhunderts sowie eine umfangreiche und aussagekräftige

Überlieferung zum kirchlichen Leben im Siegerland des 18. bis 20. Jahr-

hunderts. Im Jahr 2014 konnte nun auch die Überlieferung des Kirchen-

kreises von der Nachkriegszeit bis zum Jahrtausendwechsel erschlossen

werden. So ist nun beispielsweise der Bau des Ev. Gymnasiums Siegen,

das im Jahr 2014 sein 50. Jubiläum feierte, im Archiv des Kirchenkreises

ausführlich dokumentiert. Sehr umfangreich ist auch das Material zum

kirchlichen Vereinswesen des 19. und 20. Jahrhunderts, das im Sieger-

Neue Findbücher

125

land besonders ausgeprägt ist (u.a. der Evangelisch-kirchliche Männer-

dienst im Siegerland, früher Verband evangelischer Arbeiter- und Volks-

vereine, und der Ev. Frauenverein Siegen). Außerdem konnte der Be-

stand um interessante Unterlagen zu den kirchenpolitischen Auseinan-

dersetzungen im Siegerland zur Zeit des Nationalsozialismus ergänzt

werden.

Das Archiv wird vor Ort beim Kirchenkreis verwahrt. (sey)

Ev. Kirchenkreis Tecklenburg

2.148 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1617-2011

Der bereits 2007 im Landeskirchlichen Archiv verzeichnete Bestand

wurde 2014 durch einen Nachtrag erweitert. Das Archiv umfasst neben

Akten der zentralen kreiskirchlichen Verwaltung und den Ortsakten der

Kirchengemeinden auch die Überlieferung der Osterberger Geistlichen

Güterkasse zur Vermögensverwaltung des ehemaligen Klosters Oster-

berg. Nach Auflösung des Klosters 1633 diente das Vermögen zur Un-

terstützung bedürftiger Gemeinden. Dagegen wurden aus der Oberlin-

genschen Geistlichen Güterkasse, deren Schriftgut sich ebenfalls in dem

Archivbestand befindet, die Pfarrgehälter der vier oberlingischen Ge-

meinden Brochterbeck, Mettingen, Recke und Ibbenbüren bestritten: Der

dienstjüngste Pfarrer saß mit dem kleinsten Gehalt in Brochterbeck und

stieg mit jeder vakant werdenden Pfarrstelle über Mettingen und Recke

nach Ibbenbüren auf. Erst 1819 hob man diese Regelung auf und stellte

die Pfarrer einander gleich. Die Akten der Tecklenburger und der Ober-

lingenschen Prediger-Witwen- und -Waisenkasse schließlich belegen die

Kassenverwaltung vor und nach der Vereinigung beider Kassen. Zu be-

achten ist, dass sich unter den Ortsakten auch Überlieferung der Kir-

chengemeinden Burgsteinfurt, Emsdetten-Greven, Gronau und Ochtrup

befindet, die mit der Umpfarrung in die neugegründeten Kirchenkreise

Münster bzw. Steinfurt-Coesfeld-Borken nicht in die dortigen Archive

mitgewandert waren.

Das Archiv ist im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestandsnum-

mer 4.197 deponiert. (ost)

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 126

Ev.-Luth. Kirchengemeinde Wetter/Ruhr, Ev. Kirchenkreis Hagen

988 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1350-2015

Das umfangreiche Archiv, das keine Kriegsverluste erlitten hat, ist eine

bemerkenswerte, höchst bedeutsame Quelle für die Geschichte der Kir-

chengemeinde. Es bietet einen guten Einblick in alle Bereiche der Ver-

waltung und des kirchlichen Lebens.

Hervorzuheben ist das älteste Protokollbuch der Kirchengemeinde

mit der Überschrift „Protokollum Ecclesiae Wetterensis. Das ist Ver-

zeichnis allerley gedenkwürdiger Sachen, und Geschichte, so sich in der

Gemeinde zu Wetter begeben und zugetragen haben, mit Namen derer,

die sich in den h. Ehestandt begeben, und daselbst copuliert, getauft,

und gestorben seyn. Angefangen Anno Christi 1638“. Das „Protokollum

Ecclesiae Wetterensis“ ist also ein Chronik- und Protokollbuch sowie zu-

gleich Kirchenbuch, das kirchliche Amtshandlungen dokumentiert.

Außerdem ist es das älteste Lagerbuch, das die Vermögensverhältnisse

der Kirchengemeinde festhält. Das Buch berichtet über das wichtigste

Ereignis in der Geschichte der Gemeinde – die Einführung der Reforma-

tion in Wetter um das Jahr 1550 durch den Kaplan Everhardt Blanckena-

gel.

Aufschlussreich berichtet das Gemeindearchiv über das Verhältnis

zur kleineren reformierten Kirchengemeinde in Wetter-Freiheit, die 1657

durch die Trennung von der lutherischen Gemeinde entstanden ist. Im

Gefolge des Unionsaufrufs von Friedrich Wilhelm III. im Jahr 1817 be-

schlossen die beiden evangelischen Gemeinden in Wetter ihre Vereini-

gung, die aber nur kurz Bestand hatte. 1822 entschieden die Gemeinden

in einer Abstimmung, dass die beiden Pfarrreien und die Besitztümer

getrennt bleiben sollen. Das Scheitern einer Union hat die ständig zuneh-

mende Zusammenarbeit in der Missions- und Fürsorgetätigkeit und in

den kirchlichen Vereinen nicht beeinträchtigen können.

Einen Schwerpunkt der Überlieferung bilden die Bauakten. Eine Ak-

te dokumentiert die Reparatur der alten Kirche Ende des 17./Anfang des

18. Jahrhunderts. Mitte des 18. Jahrhunderts musste die Kirchengemein-

de diese Kirche aufgeben. Der Zustand der Kirche wird folgendermaßen

beschrieben: „Unser liebes Gottes-Haus steht auch fast wüste. Unsere al-

te Kirche will nun ganz einfallen. Das Gewölbe ist schon eingefallen,

Neue Findbücher

127

und man kann durchs eingefallene Gewölbe und Dach in die Luft sehen.

Wenn regnet, steht das Wasser Fus hoch in der Kirche. Wir müssen den

sonst angenemen Gottes-Dienst mit Angst halten, aus Furcht, man mög-

te alle Augenblick unter Schutt und Steinen vergraben werden. Wegen

des ietzigen Krieges haben wir 2 Jahre die einstürzende Kirche mit gros-

sen Bäumen gestützt, aber es will nicht mehr helffen.“ Pfarrer Griesen-

beck ist es gelungen, im Jahr 1756 die königliche Genehmigung für eine

Haus- und Kirchenkollekte zu erlangen. Wegen der Kriegszeiten konnte

die Kollekte nicht fortgesetzt werden und so ging er selbst 1760 auf eine

Kollektenreise nach Holland und Ostfriesland. Es sind zwei Kollekten-

bücher überliefert, sie zeugen von nachahmenswerter Opferwilligkeit

und evangelischer Brüderlichkeit. 1762 wurde die Kirche eingeweiht.

Anfang des 19. Jahrhunderts ist diese Kirche für die infolge der Indus-

trialisierung stark gewachsene Gemeinde zu klein geworden; sie wurde

1904 abgebrochen und an derselben Stelle ist die heutige Lutherkirche

errichtet worden. Seit 1985 wird sie in der Denkmalliste der Stadt Wetter

geführt.

Aussagekräftig sind die Akten über den „Kirchenkampf“ in Wetter.

Besonders zu erwähnen sind die Berichte des BK-Pfarrers Paul Weg-

mann über die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen in Wetter.

Bedauerlich ist das fast vollständige Fehlen von Sammlungsgut wie

Zeitungsausschnitten, Fotos im Gemeindearchiv. Solche Sammlungen

ergänzen und bereichern das in der kirchlichen Verwaltung entstandene

Schriftgut.

Das Archiv wird vor Ort bei der Kirchengemeinde verwahrt. (wrk)

Ev.-Ref. Kirchengemeinde Wiblingwerde, Ev. Kirchenkreis Iserlohn

672 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1747- 2009

Das Archiv wurde 1989 im Landeskirchlichen Archiv der Evangelischen

Kirche von Westfalen in Bielefeld verzeichnet und 2014 durch einen

Nachtrag erweitert.

Der relativ späte Überlieferungsanfang ist auf den Umstand zurück-

zuführen, dass 1709 das alte Archiv beim Brand des Kirchendaches und

der Turmspitze vernichtet wurde. Das älteste Kirchenbuch 1691-1765

war möglicherweise noch in den 1930er Jahren vorhanden. Damals hat

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 128

man dessen Inhalt wohl vollständig auf vorgedruckten Karteikarten ver-

zeichnet und sie dann nachträglich als kleine Bände binden lassen. Das

Fehlen des ältesten Kirchenbuches ist in dem Schriftverkehr von 1964

festgehalten.

Der Bestand bietet einen interessanten Einblick in das Gemeindele-

ben, insbesondere in die Nachkriegszeit nach 1945. Umfangreich doku-

mentiert ist auch das Wirken der Kirchengemeinde Wiblingwerde bei

der Ansiedlung von Flüchtlingen und die Ermöglichung von Woh-

nungsbauten im Zeichen der Wohnungsnot nach dem Kriege durch den

Verkauf und die Zurverfügungstellung von Grundstücken.

Das Archiv wird vor Ort bei der Kirchengemeinde verwahrt. (wrk)

Ev. Tagungsstätte „Haus Nordhelle“

101 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1976- 2007

Die Planungs- und Bauphase von Haus Nordhelle ist in den Akten der

Gründer-Kirchenkreise Iserlohn, Lüdenscheid, Plettenberg, Siegen und

Wittgenstein überliefert.

Das aktuelle Archiv gibt Aufschluss über die Aktivitäten von „Haus

Nordhelle“ als einer Weiterbildungseinrichtung, die sowohl Tagungen

der Familienbildung als auch der Erwachsenenbildung anbietet. Vor al-

lem im Bereich der personenbezogenen Bildungsarbeit, in der Auseinan-

dersetzung mit Lebens- und Glaubensfragen der Teilnehmer sowie den

Angeboten der politischen Bildung hat die Bildungsarbeit in „Haus

Nordhelle“ einen Schwerpunkt gefunden. Außerdem berichten Akten

über zahlreiche Kulturangebote der Tagungsstätte für die Region wie

Ausstellungen, Konzerte und Lesungen.

Der Bestand wird im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestands-

nummer 4.265 deponiert. (wrk)

Beauftragter für die Seelsorge an Kriegsdienstverweigerern und

Zivildienstleistenden der EKvW

87 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1968-1989

Bei dem Bestand handelt es sich um Akten, welche die jeweiligen Beauf-

tragten für die Arbeit an Kriegsdienstverweigerern und Zivildienstleis-

tenden im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit angelegt haben.

Neue Findbücher

129

Die Akten geben Auskunft über durchgeführte Tagungen und Rüst-

zeiten, allgemeine Beratung und Beratung in Konfliktfällen, Begleitung

der Kriegsdienstverweigerer und Zivildienstleistenden. Auch finden

sich Dokumente im Zusammenhang mit der sog. „Gewissensprüfung“

der Kriegsdienstverweigerer sowie Unterlagen von Sitzungs- und Perso-

nalunterlagen, Unterlagen zu Prüfungsverfahren auf Anerkennung als

Kriegsdienstverweigerer.

Seit der Gründung des Instituts für Kirche und Gesellschaft (IfKG) ist

diese Arbeit dort angesiedelt. Von 1992-1998 war Uwe Trittmann hier als

Referent im Amt des Beauftragten der EKvW für die Kriegsdienstver-

weigerer-/Zivildienstseelsorge und Friedensarbeit zuständig. Seit 1999

ist er Studienleiter für Friedenspolitik und internationale Beziehungen

im Fachbereich Theologische und gesellschaftliche Grundfragen am

IfKG.

Mit der Abschaffung der Wehrpflicht im Jahre 2011 ging die Bera-

tung und Begleitung von Kriegsdienstverweigerern mehr und mehr auf

die in Bonn ansässige Evangelische Arbeitsgemeinschaft für Kriegs-

dienstverweigerung und Frieden (EAK) über, in der Personen, Landes-

und Freikirchen sowie Verbände zusammengeschlossen sind. Jährlich

berät sie rund 300 Zeit- und Berufssoldaten oder Reservisten, die ihren

Dienst mit der Waffe nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren kön-

nen und deshalb aussteigen möchten. Darüber hinaus tritt sie aber auch

für die Rechte von Kriegsdienstverweigerern auf internationaler Ebene

ein.

Der Bestand wird im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestands-

nummer 13.25 verwahrt. (kc)

Diaspora-Pfarrkonferenz der EKvW

38 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum 1872-2003

Auf ihrer 126. Tagung am 11. Juni 2003 beschlossen die Mitgliederver-

sammlung und der Vorstand nach einer 132-jährigen Geschichte die

Auflösung der Westfälischen Diaspora-Pfarrkonferenz. Die Konferenz

wurde 1871 nach der Einweihung der evangelischen Abdinghofkirche in

Paderborn gegründet, um „die westfälischen Diaspora-Geistlichen

durch brüderliche Aussprache und Belehrung in ihrem Berufe zu stär-

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 130

ken“. Auf den jährlich durchgeführten Tagungen stand die seelsorgerli-

che, theologische und bildungsmäßige Unterstützung von Gemeinde-

pfarrern, insbesondere in den Diaspora-Kirchenkreisen Paderborn,

Münster und Arnsberg, im Vordergrund. Die Teilnahme an den Diaspo-

ra-Pfarrkonferenzen nahm aber stetig ab und der Vorstand sah die An-

liegen, die sich aus der Diasporasituation ergeben, im Gustav-Adolf-

Werk und im Evangelischen Bund hinreichend vertreten, sodass ein spe-

zifischer Auftrag für die Diaspora-Pfarrkonferenz nicht mehr unmittel-

bar gegeben war. Der Beschluss zur Auflösung erfolgte einstimmig.

Von den Anfängen bis zur Auflösung änderte sich die Bezeichnung

mehrmals. Die Gründung erfolgte 1871 als „Westfälische Diaspora-

Geistlichen-Konferenz“. Im Jahrzehnt von 1980 bis 1990 führte sie die

Bezeichnung „Diaspora-Pfarrerkonferenz der Evangelischen Kirche von

Westfalen“. Danach bis zur Auflösung im Jahre 2003 hieß sie „Diaspora-

Pfarrkonferenz der Evangelischen Kirche von Westfalen“.

Die dem Bestand zugrunde liegenden Akten sind vom jeweiligen

Vorsitzenden (Sup. Baersch, Soest / Sup. Bramesfeld, Münster / Sup. Bru-

ne, Emsdetten / Pfr. Wilhelm Knebel, Ibbenbüren / Pfr. Dietrich Böning,

Ascheberg-Herbern / Sup. Klaus-Dieter Marxmeier, Münster / Pfr. Gil-

bert Drews, Borgentreich) geführt worden. Sie enthalten in der Hauptsa-

che Unterlagen, die im Zusammenhang mit der jeweiligen Jahrestagung

stehen. Besonders erwähnenswert sind hier die Tagungen von 1917, bei

der es eine scharfe Kontroverse um die Thesen von Pfarrer Ebbinghaus,

der eine christliche Verantwortung für den Krieg ablehnte, gab, sowie

die Konferenzen von 1949–1951 mit ihrer Auseinandersetzung mit der

„Una-Sancta-Bewegung“, die zu einem entsprechenden Votum an die

Kirchenleitung führte.

In den Unterlagen befinden sich auch eine Übersichtstabelle „Tagun-

gen der Westf. Diaspora-Geistl. Konferenz seit 1957“, in der die Hauptre-

ferenten mit Titelnennung ihrer Vorträge, 1957–1973, aufgeführt werden

(LkA EKvW 13.35 Nr. 22), Listen der Pfarrer in den Diasporagemeinden

verschiedener Kirchenkreise, ein „Programm des missionarischen Ge-

meindeaufbaus in der Volkskirche“ (LkA EKvW 13.35 Nr. 23) und ein

Vortrag über „Die ökumenische Bedeutung der gemeinsamen Erklärung

Neue Findbücher

131

zur Rechtfertigungslehre“ (LkA EKvW 13.35 Nr. 25). Auffällig ist, dass

in der Überlieferung zwischen 1872 und 1902 eine große Lücke klafft.

Das Archiv ist im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestandsnum-

mer 13.35 deponiert. (kc)

Sauerländischer Gemeinschaftsverband e.V. (SGemV)

37 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1905-2010

Die Gemeinschaftsbewegung ist eine Bewegung, die ihre Wurzeln in der

Reformation des 16. Jahrhunderts, dem Pietismus des 17. und 18. Jahr-

hunderts und der Erweckungsbewegung des 19. Jahrhunderts sieht. Sie

versteht sich als eine innerkirchliche Laienbewegung, deren Aufgaben in

der Evangelisation und der Gemeinschaftspflege besteht. Die Gemein-

schaftsverbände in Deutschland organisieren sich als freie Werke unter

dem als Dachverband 1888 ins Leben gerufenen „Gnadauer Gemein-

schaftsverbandes für Gemeinschaftspflege und Evangelisation“. Der

1905 gegründete SGemV (damals: „Vereinigung der kirchlichen Ge-

meinschaften im Kreise Altena“) ist seit 1920 dem Westfälischen Ge-

meinschaftsverband und damit auch dem Gnadauer Verband ange-

schlossen. Besonders beeinflusst wurde der SGemV gerade in seiner

Gründungsphase vom Siegerländer Reisepredigerverein, der auch den

ersten Prediger für das Sauerland stellte. Die Motivation zur Gründung

des Verbandes war zweierlei. Zum einen sollten grundlegende Fragen,

welche die Gemeinschaften bewegten, im Kreis der leitenden Brüder be-

sprochen werden, und zum anderen bestand der Wunsch, durch ge-

meinsame Versammlungen „Erweckung und Vertiefung des Glaubens-

lebens“ in den Gemeinschaften zu bewirken.

Mit der Zeit wurde der hauptamtliche Mitarbeiterstab des Gemein-

schaftsverbandes immer weiter ausgebaut. Zum heutigen Zeitpunkt fin-

den sich im SGemV 25 Gemeinschaften zusammen. Mit seinen 4-6

hauptamtlichen Mitarbeitern erreicht der Verband ca. 1.000 Menschen in

der Gemeinschafts-, EC-Jugend- und Kinderarbeit. Die regelmäßige Ar-

beit in Bibelkreisen, Gemeinschaftsstunden, Gottesdiensten, Jugendkrei-

sen und Hauskreisen wird noch ergänzt durch Schulungs-, Seelsorge-

und Freizeitarbeit.

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 132

Das Archiv des SGemV umfasst vor allem die Überlieferung des Vor-

standes und seiner Vorsitzenden in Form von Protokollen und Schrift-

wechsel zur Organisation der Verbandsarbeit.

Der Bestand ist im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestands-

nummer 13.63 deponiert. (sey)

Evangelische Akademie Iserlohn

95 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1948-2005

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kam es zur Gründung von

Evangelischen Akademien als besonderen kirchlichen Orten, in denen

zu gegenwärtigen und zukünftigen gesellschaftsrelevanten Themen Se-

minare angeboten werden und Raum zur kritischen Auseinanderset-

zung und Reflexion ermöglicht wird. Sie verstehen sich selbst als ein Fo-

rum für strittige Themen und offene Probleme, die Menschen bewegen

und betreffen und „suchen ständig den Zugang zu unterschiedlichen

Arbeits- und Lebensbereichen von Menschen verschiedener sozialer Mi-

lieus, Herkunft, unterschiedlichen Alters und Geschlechts, verschieden-

artiger Bildung und Religion, um frühzeitig Entwicklungstrends und

Problemlagen wahrzunehmen“ (http://www.evangelische-akade-

mien.de).

Die Evangelische Akademie Rheinland-Westfalen in Iserlohn (Haus

Ortlohn), in Trägerschaft der Evangelischen Kirche von Westfalen

(EKvW), begann ihren Seminarbetrieb im Jahr 1950 in einem Wasser-

schloss in Hemer. Hierhin lud der frühere Schwelmer Pfarrer Wilhelm

Becker im Auftrag der EKvW u. a. Mitglieder von Verbänden, Verant-

wortliche aus Politik, Gewerkschaften und Arbeiterverbänden sowie

Vertreter verschiedener Berufsgruppen zu Tagungen ein. Da die Räum-

lichkeiten in Haus Hemer schnell zu klein wurden, erwarb die Landes-

kirche 1954 Haus Ortlohn in Iserlohn, eine ehemalige Gründerzeitvilla,

und erweiterte sie um ein Gästehaus und eine Kapelle. An den Veran-

staltungen nahmen Gäste aus dem gesamten Bundesgebiet teil. Die Ar-

beit der Akademie wurde so gut angenommen, dass die Landeskirche

1956 Pfarrer Walter Schmidt, der Tagungserfahrung aus seiner Tätigkeit

bei der Heimvolkshochschule Wislade mitbrachte, als Studienleiter nach

Iserlohn berief. Ihm folgte 1968 Dr. Fritz-Hermann Keienburg. In den

Neue Findbücher

133

folgenden Jahrzehnten erfolgten stetig größere Erweiterungen und die

Akademie wurde Mitglied des „Europäischen Leiterkreises“. Zwischen

Coventry und Iserlohn bestanden intensive Beziehungen.

In der Evangelischen Akademie Iserlohn eine andere Form kirchli-

cher Arbeit vorzufinden, stieß auf viel positive Resonanz, wozu auch

das Angebot von Andachten und Gottesdiensten gehörte. Im Jahr 1990

führte sie durchschnittlich 140 Tagungen pro Jahr durch und hatte sich

als Iserlohner Institution im gesellschaftspolitischen Leben fest veran-

kert.

1999 wurde die Evangelische Akademie Iserlohn Teil des neuen Insti-

tutes für Kirche und Gesellschaft (IfKG) der EKvW, das seine Aufgaben

im Bereich gesellschaftlicher und politischer Handlungsfelder wahr-

nimmt. Ende 2007 wurde der landeskirchliche Standort Iserlohn aufge-

geben und die Akademiearbeit an den landeskirchlichen Standort Vil-

ligst verlegt, wo die Arbeit als Akademie Villigst (Haus Villigst) weiter-

geführt wird. Ziel der Akademiearbeit bleibt, ihren Beitrag für die Ge-

sellschaft vor dem Hintergrund des christlichen Menschenbildes und

der christlichen Werte einzubringen.

Der Aktenschnitt erfolgte mit der Aufgabe des Standortes Iserlohn.

Die zahlreichen Handakten der verschiedenen Leiter und Mitarbeiter

enthalten u. a. Korrespondenz, Protokolle und Gremienakten, Unterla-

gen zur Öffentlichkeitsarbeit. Hauptschwerpunkt des Bestandes bilden

die Tagungsunterlagen, in denen sich die vielfältige Akademiearbeit wi-

derspiegelt und gesellschaftliche Veränderungen, Fragestellungen und

Problemanzeigen abbilden. Da es anfangs keine zusammenfassenden

Jahresberichte oder ähnliches gab, wurden diese Tagungsunterlagen we-

gen der gesellschaftspolitischen Bedeutung der Akademiearbeit ins Ar-

chiv übernommen. Zudem enthalten diese Akten auch Korrespondenz

mit bedeutenden Persönlichkeiten. Erst später wurden Jahresprogram-

me erstellt, die eine Übersicht über die Arbeit der Akademie erlauben,

und in Tagungsprotokollen die Ergebnisse der Tagungen zusammenge-

fasst.

Der Bestand wird im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestands-

nummer 13.67 verwahrt. (kc)

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 134

Ökumenische Versammlung Westfalen

52 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1986-1989

Auf der Weltfriedenskonferenz in Vancouver 1983 wurde durch eine

Delegation aus der DDR der Weg zu einer „Ökumenischen Weltver-

sammlung der Christen für Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der

Schöpfung“ angestoßen. Der Zentralausschuss des Ökumenischen Rates

griff diesen Vorschlag auf und beschloss, 1990 eine Weltkonferenz für

Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung abzuhalten.

Während des Düsseldorfer Kirchentages 1985 formulierte der Philo-

soph und Friedensforscher Carl Friedrich von Weizäcker einen Aufruf

zu einem Konzil des Friedens, der auf breites Echo stieß. Da der Begriff

„Konzil“ für viele Kirchen die Einheit und die eucharistische Gemein-

schaft voraussetzt, verständigte sich der Ökumenische Rat der Kirchen

auf den Begriff Weltversammlung. Die römisch-katholische Kirche er-

klärte durch Kardinal Willebrands im Dezember 1987, dass sie sich zwar

an den Vorbereitungen zur Weltversammlung beteiligen, aber nicht als

Mitveranstalter fungieren wolle.

1986 beschloss die westfälische Landessynode, in Verbindung mit

der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) als Beitrag zum

konziliaren Prozess und einen Schritt hin zur Ökumenischen Weltver-

sammlung der Christen 1990 in Seoul, am 29. Oktober 1988 in der Dort-

munder Westfalenhalle eine Ökumenische Versammlung Westfalen un-

ter dem Leitwort „...und richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“

auszurichten. Gemeinden und Initiativgruppen wurden in die Vorberei-

tungen, die vom früheren Präses Dr. Heinrich Reiß koordiniert wurden,

mit einbezogen. Im Mittelpunkt der Versammlung standen Arbeitsgrup-

pen zu den Themenbereichen „Gerechtigkeit“, „Frieden“ und „Bewah-

rung der Schöpfung“. Den Abschluss und Höhepunkt bildete ein öku-

menischer Gottesdienst, in dem der Präses der EKvW, Hans-Martin Lin-

nemann, und der katholische Bischof des Bistums Münster, Dr. Rein-

hard Lettmann, predigten. An der Versammlung nahmen als Mitwir-

kende u.a. eine Delegation der Russisch-Orthodoxen Kirche aus Moskau

und viele Politiker teil. Südafrikanischen Referenten wurde seitens ihrer

Heimatbehörden die Reisegenehmigung verweigert. Mit über 23.000

Neue Findbücher

135

Teilnehmern übertraf die Reaktion auf die Versammlung die Erwartun-

gen.

Die Akten zur Ökumenischen Versammlung Westfalen bilden die

Genese hin zu dieser Veranstaltung und deren Durchführung ab. Sie

enthalten die Planungsunterlagen, Unterlagen der Vorbereitungsgrup-

pen, Adress- und Delegiertenlisten, Einladungen, Kostenkalkulationen,

Flyer, Programmhefte, Buttons, Design- und Musterentwürfe für einen

Regenbogenschal, Aufkleber, Plakate, Lagepläne, Transportorganisation

(u.a. Einsatz von Sonderzügen) u.a.m.

Der Bestand wird im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestands-

nummer 13.90 verwahrt. (kc)

Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Nordrhein-Westfalen

130 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1970-2008

Die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) wurde am 10. März

1948 in Kassel gegründet. Ziel und Aufgabe ihrer Arbeit ist es, die öku-

menische Verständigung und die Einheit und Zusammenarbeit der Kir-

chen zu fördern und zu vertiefen. Ihr erster Vorsitzender war Pastor

Martin Niemöller. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten neben der

Evangelischen Kirche in Deutschland fünf evangelische Freikirchen, da-

runter die Methodisten, Baptisten, Mennoniten und die Alt-Katholiken.

1970 kam es zur Gründung der „Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kir-

chen in der DDR“ (AGCK), weil es den ACK-Delegierten aus den Kir-

chen auf dem Gebiet der damaligen DDR ab 1963 nicht mehr möglich

war, an den gemeinsamen Sitzungen teilzunehmen. Die Römisch-Katho-

lische Kirche (Deutsche Bischofskonferenz) und die Griechisch-Orthodo-

xe Kirche wurden 1974 Mitglied der ACK (West), was einen großen

Schritt für die deutsche Ökumene bedeutete. Nach der Wiedervereini-

gung schlossen sich die AGCK und die ACK (West) im November 1991

wieder zusammen und unterzeichneten eine neue Satzung. Gegenwär-

tig gehören zur ACK 17 Mitgliedskirchen und sechs Gastmitglieder so-

wie vier ökumenische Organisationen mit Beobachterstatus.

Am 31. Januar 1966 beschlossen Vertreter der evangelischen Landes-

kirche und der evangelischen Freikirchen sowie der Alt-Katholischen

Kirche in Westfalen auf Anregung von Präses Wilm, ihre begonnene

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 136

ökumenische Arbeit als „Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen und

Gemeinden in Westfalen“ organisiert fortzuführen.

Unter zusätzlicher Beteiligung der römisch-katholischen Diözesen,

der orthodoxen und altorientalischen Kirchen, der Evangelischen Kirche

im Rheinland und der Lippischen Landeskirche sowie weiterer evange-

lischer Freikirchen fand am 12. September 1972 eine erste ordentliche

Delegiertenversammlung der erweiterten Arbeitsgemeinschaft statt, die

seither den Namen „Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Nord-

rhein-Westfalen“ (ACK-NRW) trägt. Gegenwärtig gehören zur ACK-

NRW 29 Voll- und fünf Gastmitglieder.

Gemäß der Grundsätze der ACK-NRW erfüllt sie ihre Aufgaben vor

allem in den Mitgliederversammlungen, in den Ökumenischen Regio-

naltagungen und durch die Publikation „Ökumenische Mitteilungen der

ACK-NRW“. An den zweimal jährlich stattfindenden Mitgliederver-

sammlungen nehmen die entsandten Delegierten der Mitgliedskirchen

teil. Die Ökumenischen Regionaltagungen finden einmal jährlich in Zu-

sammenarbeit mit der Ökumenischen Centrale Frankfurt für einen grö-

ßeren Personenkreis statt. Dabei werden Informationen und Erfahrun-

gen zu verschiedenen ökumenischen Arbeitsfeldern ausgetauscht und

ein Schwerpunktthema gemeinsam bedacht. Die drei- bis viermal im

Jahr erscheinenden „Ökumenischen Mitteilungen“ erarbeitet ein Redak-

tionsteam, dem Vertreter der verschiedenen Mitgliedskirchen angehö-

ren. Darüber hinaus beteiligt sich der ACK-NRW an Kirchentagen. Ein

Geschäftsführender Ausschuss (GA) führt zusammen mit dem Vorsit-

zenden die allgemeinen Geschäfte, bereitet die Mitgliederversammlun-

gen vor und ist für die Planung von Veranstaltungen des ACK-NRW

zuständig.

Die Akten des Bestandes der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kir-

chen in Nordrhein-Westfalen (ACK-NRW) stammen von den ehemali-

gen Vorsitzenden Norbert Beer (Superintendent i. R. des Kirchenkreises

Münster) und Dr. Michael Kappes (Leiter der Fachstelle Theologische

Grundsatzfragen und Ökumene im Bistum Münster). Der Bestand ent-

hält die Grundsätze der ACK-NRW und Satzungen örtlicher ACKs. Be-

richte des Vorsitzenden, Protokolle von Mitgliederversammlungen, Ver-

lautbarungen der ACK u.a. geben Auskunft über Inhalt und Ziel der Ar-

Neue Findbücher

137

beit. Unterlagen zur Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft, zur Tauf-

praxis und zum Amtsverständnis zeigen die ökumenischen Spannungs-

felder auf, um die gemeinsam gerungen wird. Gut dokumentiert sind

die Mitgliederversammlungen und Studientage, die jeweils einen The-

menschwerpunkt haben, der dabei gemeinsam erarbeitet wird sowie der

Prozess „Dekade zur Überwindung von Gewalt – Kirchen auf der Suche

nach Versöhnung und Frieden“.

Das Archiv ist im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestandsnum-

mer 13.95 deponiert. (kc)

Ev. Altenzentrum Fritz-Heuner-Heim, Kirchenkreis Dortmund

124 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1902-2009

Im Jahr 1926 beschlossen die Kirchengemeinden Barop, Eichlinghofen,

Hombruch und Kirchhörde (alle im Dortmunder Süden gelegen) ge-

meinsam ein evangelisches Altenheim zu errichten. Von den Vereinig-

ten Stahlwerken Dortmund wurde das Westfalenheim „Am Spörkel“ in

Hombruch, ein ehemaliges Wohnheim für ledige Bergleute, im Februar

1927 käuflich erworben. In den Zeiten der aufkommenden Wirtschafts-

krise bedeutete dies für die beteiligten Gemeinden ein hohes finanzielles

Risiko, was die Kirchengemeinde Kirchhörde bewog, sich aus dem Vor-

haben zurückzuziehen. Nach der Durchführung der nötigen Umbau-

maßnahmen konnten im Mai 1928 die ersten Bewohner das Altenheim

beziehen, das bald mit knapp 200 Personen belegt war. Die zum Alten-

heim gehörige Landwirtschaft wurde 1937 ausgebaut: Von den vereinig-

ten Stahlwerken wurden 20 Morgen Land gepachtet und ein landwirt-

schaftlicher Verwalter eingestellt. Die Landwirtschaft half in der Kriegs-

und Nachkriegszeit über die schwersten Ernährungskrisen hinweg.

Nach Kriegsende war das Altenheim bald wieder voll belegt. Im Festsaal

des Hauses fanden die Gottesdienste und Kindergottesdienste der Kir-

chengemeinde Hombruch statt, deren Kirche erst 1950 wieder einge-

weiht werden konnte. 1961 wurde das bisherige „evangelische Alters-

heim“ nach dem langjährigen Pfarrer der Kirchengemeinde Eichlingho-

fen und Superintendent des Kirchenkreises Dortmund in „Fritz-Heuner-

Heim“ umbenannt. Nach rund fünfzig Jahren sollte die Arbeit des Al-

tersheims nach einem neuen Konzept fortgeführt werden. An der Sto-

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 138

ckumer Straße in Barop wurde als Zentrum für stationäre und ambulan-

te Altenhilfe das neue „Evangelische Altenzentrum Fritz-Heuner-Heim“

errichtet. Die Trägerschaft ging von den drei Kirchengemeinden auf den

Kirchenkreis Dortmund-Süd über. Im Juli 1977 wurden Altenwohnun-

gen für 55 Personen bezugsfertig und 1979 der Grundstein für ein neues

Altenkrankenheim mit Therapieabteilungen gelegt. Das alte Haus „Am

Spörkel“ wurde an eine Düsseldorfer Firma verkauft. Zum heutigen

Zeitpunkt ist die Diakonische Altenhilfe Dortmund und Lünen gemein-

nützige GmbH (Zusammenschluss der Diakonie Ruhr und des Diakoni-

schen Werkes Dortmund und Lünen) Trägerin des Ev. Altenzentrums.

2006 wurde zur Förderung der Arbeit des Altenzentrums die „Stiftung

Fritz-Heuner-Heim“ gegründet.

Geschichte und Entwicklung des Fritz-Heuner-Heims lassen sich be-

sonders an den im Archiv enthaltenen Protokollen des Vorstandes und

den Jahresberichten der Heimleiter nachvollziehen. Den Schwerpunkt

des Bestandes bilden die Akten zur Verwaltung der Grundstücke und

zu dem Bau, Neubau und Umbau der verschiedenen Immobilien.

Der Bestand ist im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestands-

nummer 13.102 deponiert. (sey)

Westfälische Studierendenpfarrkonferenz

10 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1988-2010

Die Arbeit der Evangelischen Kirche an den Hochschulen richtet sich so-

wohl an Studierende und Lehrende als auch an die übrigen Hochschul-

angehörigen. Sie möchte Orientierungsangebote offerieren und in viel-

fältiger Form präsent sein. Sie sucht das Gespräch mit Menschen aller

Kulturen, Glaubensüberzeugungen und Weltanschauungen und arbei-

tet mit anderen Hochschulgruppen und kirchlichen Einrichtungen wie

der Evangelischen Akademikerschaft oder dem Evangelischen Studien-

werk zusammen. Gottesdienste, Seelsorge, Kasualien, Musik und vieles

mehr werden angeboten bzw. laden zur Mitwirkung ein. Im Rahmen

von Ringvorlesungen, Hochschultagen u.ä. versteht sich die Kirche als

kritisches Gegenüber von Hochschule und Wissenschaft. Ihre christliche

Verantwortung sieht sie insbesondere auf dem Gebiet Gerechtigkeit,

Frieden und Bewahrung der Schöpfung. Die Studierendenpfarrerinnen

Neue Findbücher

139

und -pfarrer repräsentieren durch ihr Amt die Kirche dabei in besonde-

rer Weise. Die Studierendenpfarrkonferenz (SPK) ist der Zusammen-

schluss der Studierendenpfarrerinnen und -pfarrer.

Die evangelische Arbeit mit Studenten begann am 5. Dezember 1926,

als in Münster der erste Studentenpfarrer, Johannes Wilkens, vom da-

maligen Generalsuperintendenten Wilhelm Zoellner in sein Amt einge-

führt wurde. Landeskirchliche Einrichtungen wurden die Studentenge-

meinden erst nach dem Zweiten Weltkrieg.

Einen Bruch in der Studierendenarbeit gab es nach den Studentenre-

volten Ende der 1960er Jahre, als die Akzeptanz dieser Arbeit sank und

auch die Zusammenarbeit mit der Universität und den theologischen

Fakultäten schwieriger wurde. Trotzdem wurden im Zuge der Neu-

gründung von Universitäten und Fachhochschulen z. B. in Bielefeld, Bo-

chum, Dortmund, Paderborn und Siegen weitere Stellen für Studenten-

pfarrer eingerichtet. Die Studierendenarbeit wurde politischer und viel-

fältiger, bietet ein reiches Programm- und Angebotsspektrum und

möchte für alle Interessengruppen und Nationalitäten offen sein. So fin-

det in den Studierendengemeinden ein Stück gelebte Ökumene statt.

Die SPK der EKvW, die sich jährlich viermal trifft und eine Wochen-

endtagung oder Klausurtagung im Jahr durchführt, besteht aus den Stu-

dierendenpfarrerinnen und -pfarrern sowie den hauptamtlichen päda-

gogischen Mitarbeitenden der Studierendengemeinden. Die zuständi-

gen Dezernenten sind beratende Mitglieder. Zu ihren Aufgaben gehört

es u.a., die Studierendenpfarrämter zu koordinieren und den Erfah-

rungsaustausch zu ermöglichen. Die oder der alle vier Jahre zu wählen-

de Vorsitzende pflegt den Kontakt mit dem Landeskirchenamt und ver-

tritt die SPK auf der Bundesebene.

Der Bestand enthält Unterlagen zu Satzungsangelegenheiten, den

strukturellen Bedingungen der Arbeit der Studierendengemeinden,

Presseartikel, Haushaltsangelegenheiten, Sitzungsunterlagen, Korres-

pondenz mit dem Landeskirchenamt, Grundsatzpapiere und Personal-

angelegenheiten.

Der Bestand wird im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestands-

nummer 13.109 verwahrt. (kc)

Neue Findbücher

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 140

Nachlass Gerhard Jasper

254 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1970-2008

Gerhard Jasper wurde am 17. Mai 1927 in Bethel bei Bielefeld geboren.

Nach seinem Abitur 1946 studierte er für einige Semester in Bethel, Er-

langen und Münster evangelische Theologie. Nach seinem ersten theolo-

gischen Examen bei der Evangelischen Kirche von Westfalen (EKvW) im

Herbst 1951 verbrachte er ein Semester in Dubuque/Iowa. Daraufhin trat

er sein Vikariat beim Deutschen Evangelischen Missionsrat in Hamburg

an (1952) und wechselte 1953 nach Bielefeld zur St. Marien-Kirchenge-

meinde. Im Frühjahr 1954 bestand Jasper sein zweites theologisches Exa-

men bei der EKvW. Im gleichen Jahr wurde er in Hille ordiniert und trat

eine Stelle für die v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel in Ostafrika

an. Als Pfarrer war Jasper sechzehn Jahre lang für die Bethel-Mission in

Tansania tätig (1955-1971). Im Anschluss war er für weitere elf Jahre bei

der Vereinigten Evangelischen Mission (VEM) beschäftigt, kam als Pas-

tor im Gemeindedienst für Weltmission ins Ruhrgebiet. Seit dem 1.

März 1985 leitete Gerhard Jasper die neu gegründete „Evangelische Be-

ratungsstelle für Islamfragen der Vereinigten Evangelischen Mission“

(später: „Beratungsstelle für christlich-islamische Begegnung“, Bestand

13.66 im Landeskirchlichen Archiv). Zum 1. Juni 1992 trat er in den Ru-

hestand und verstarb am 17. September 2007 in Wuppertal.

Der Nachlass ist im Landeskirchlichen Archiv unter der Bestands-

nummer 3.128 deponiert. (kc)

Nachlass Dr. Hildegard Maas

105 Verzeichnungseinheiten; Zeitraum: 1875-1995

Hildegard Maas wurde am 4. Februar 1921 als einziges Kind des Land-

wirts Friedrich Maas und seiner Frau Elisabeth, geborene Stuckenhoff, in

Schüren bei Dortmund geboren. Nach dem Abschluss des Abiturs im

Jahr 1940 und dem verpflichtenden Einsatz im Reichsarbeitsdienst stu-

dierte Hildegard Maas von 1941 bis 1944 Volkswirtschaft in Göttingen

und München. Das Studium schloss sie mit der Diplomprüfung für

Volkswirte „mit Auszeichnung“ ab. Nach einer kurzen Beschäftigung

bei der Preisbehörde der Stadt Dortmund konzentrierte sich Maas – ne-

ben der Arbeit im elterlichen Betrieb – auf die Ausarbeitung ihrer Disser-

Neue Findbücher

141

tation „Die Grundlagen und Leistungen der landwirtschaftlichen Betrie-

be im Raum Groß-Dortmund und ihre Beeinflussung durch die Schwer-

industrie“. Von 1951 bis 1953 arbeitete sie in der Sicherheitenabteilung

des „Bankvereins Westdeutschland“, anschließend als Prüferin im Be-

triebsprüfungsdienst der Oberfinanzdirektion Münster, Finanzamt Dort-

mund˗Ost. Ende 1977 schied sie krankheitsbedingt auf eigenen Wunsch

aus der Finanzverwaltung des Landes Nordrhein-Westfalen aus. Sie ver-

waltete von nun an das elterliche Vermögen. Hildegard Maas verstarb

am 23. Januar 1996 im Alter von 74 Jahren.

Einen Großteil ihres Vermögens vererbte sie der Kirchengemeinde

Schüren. Es sollte von nun an besonders der kirchlichen Jugend˗ und Se-

niorenarbeit zugutekommen. Das 2000/2001 neu errichtete Gemeinde-

zentrum erhielt im Andenken an die Stifterin den Namen „Hildegard-

Maas-Haus“.

Der Nachlass umfasst vor allem Unterlagen zur Vermögensverwal-

tung der Familie Maas, zur Bauunterhaltung derjenigen Gebäude, die

später der Kirchengemeinde vererbt wurden, und persönliche Unterla-

gen der Familie Maas-Stuckenhoff. Besonders hervorzuheben ist dabei

eine Sammlung von Fotos des Soldaten Friedrich Stuckenhoff, die den

Kriegsalltag im Ersten Weltkrieg dokumentiert, sowie ein Briefwechsel

von Hildegard Maas mit ehemaligen Zwangsarbeiterinnen des elterli-

chen Hofes aus den 1990er Jahren.

Der Nachlass wird bei der Ev. Kirchengemeinde Schüren verwahrt.

(sey)

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 142

Personalia

Nachdem sich zum 1. Januar 2016 die Ev. Kirchenkreise Dortmund-Mit-

te-Nordost, Dortmund-Süd, Dortmund-West und Lünen zum Ev. Kir-

chenkreis Dortmund zusammengeschlossen hatten, war das Amt des

Kreissynodalarchivpflegers neu zu bedenken. Mit Pfarrer i.R. Günter

Birkmann konnten wir einen in der Archivarbeit bereits sehr erfahrenen

Ansprechpartner für die Archivpflege dieses großen Kirchenkreises ge-

winnen. Günter Birkmann leitete lange Jahre bis zu seinem Eintritt in

den Ruhestand das Schulreferat der Vereinigten Kirchenkreise Dort-

mund, dem auch das Archiv und die Bibliothek angeschlossen sind. Die

historischen Bestände des Archivs wurden in den letzten Jahren im Lan-

deskirchlichen Archiv deponiert, das Archiv der Vereinigten Kirchen-

kreise hingegen wird nach wie vor im Reinoldinum in Dortmund ver-

wahrt. Bei der Betreuung dieser Bestände wird Herr Birkmann von Elke

Simon, Mitarbeiterin in der Bibliothek des Ev. Kirchenkreises Dort-

mund, unterstützt. Darüber hinaus steht Herr Birkmann den Dortmun-

der Kirchengemeinden als Ansprechpartner in Archivfragen zur Verfü-

gung und besucht zur Zeit in regelmäßigen Abständen die Kirchenge-

meinden, die ihre Archive vor Ort verwahren. Ihm und Frau Simon

wünschen wir weiterhin viel Freude bei der Archivarbeit und danken

herzlich für ihr Engagement!

Nach acht Jahren hat Hartmut Grajetzky seine Tätigkeit als Archiv-

pfleger der Ev. Kirchengemeinde Harpen im Jahr 2014 beendet. Er war

uns stets ein kompetenter und engagierter Gesprächspartner in den An-

gelegenheiten der Archivpflege seiner Kirchengemeinde. Dank seiner

Bemühungen sind die wertvollen Archivalien der Kirchengemeinde

Harpen gesichert und nach neuesten Standards erschlossen. Wir bedan-

ken uns für die angenehme und produktive Zusammenarbeit und wün-

schen Herrn Grajetzky für seinen Lebensweg alles Gute und Gottes Se-

gen!

Im Jahr 2013 hatte Dennis Heick, Sachbearbeiter der Finanzabteilung

des Kirchenkreises Unna, das Amt des Kreissynodalarchivpflegers in

Personalia

143

Unna übernommen. Leider mussten wir uns nun schon wieder von ihm

verabschieden, da er Anfang des Jahres 2016 in eine neue Tätigkeit beim

Ev. Kirchenkreis Dortmund eingetreten ist. Wir danken Herrn Heick für

die gute Zusammenarbeit und wünschen ihm einen guten Start in der

neuen Stelle und für die Zukunft Gottes Segen!

Für Brigitte Jahnke endete 2013 ihre dreijährige Tätigkeit als Archiv-

pflegerin der Kirchengemeinde Tecklenburg mit der Deponierung der

Tecklenburger Archivbestände im Landeskirchlichen Archiv. Frau Jahn-

ke, Historikerin und Archivarin, hatte die wertvollen Bestände der vier

vereinigten Kirchengemeinden Brochterbeck, Ledde, Leeden und Teck-

lenburg im Gemeindeamt in Ledde betreut. Ihrer Initiative ist es zu ver-

danken, dass die Archivbestände bei einem Wasserschaden in dem Ar-

chivraum zeitnah gerettet und fachgerecht der Trocknung zugeführt

wurden. Aus der vorübergehenden Auslagerung im Landeskirchlichen

Archiv wurde nun aus räumlichen Gründen ein Depositum. Wir dan-

ken Frau Jahnke für die nette und vertrauensvolle Zusammenarbeit.

Horst-Walter Logemann, langjähriger Kreissynodalarchivpfleger des

Kirchenkreises Lübbecke, ist aus gesundheitlichen Gründen aus seinem

Amt ausgeschieden. Im Jahre 2004 wurde er in dieses Amt berufen und

hat sich mit viel Engagement um die Erschließung neuer Archivbestän-

de gekümmert. Dank seiner guten Vernetzung im Kirchenkreis gelang

es auch, Archive von Vereinen und Gruppen in das kreiskirchliche Ar-

chiv zu bekommen. Besonders lag ihm die sachgerechte Aufteilung und

Neugewinnung von Magazinflächen am Herzen. Das eigentliche Ar-

chivmagazin im Kreiskirchenamt wurde durch die zunehmende Nut-

zung als Altregistratur zu eng. Während seiner Amtszeit wurden zu-

sätzliche Magazinflächen im benachbarten Diakonischen Werk bezogen.

Leider ist es bisher noch nicht gelungen, einen Nachfolger für seine Tä-

tigkeit zu finden. Wir bedanken uns von Herzen für sein Engagement

und wünschen ihm für die Zukunft Gottes Segen.

Peter Oestmann ist seit 2013 neuer Archivpfleger in der Kirchenge-

meinde Hiltrup. Der Professor für Bürgerliches Recht und Deutsche

Rechtsgeschichte an der Universität Münster ist Finanzkirchmeister im

Hiltruper Presbyterium. Die Affinität zur Archivarbeit ergibt sich für

Personalia

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 144

den Rechtshistoriker aus seiner Profession, was er übrigens mit seinem

Vorgänger im Archivpflegeramt, Wolfgang Knackstedt, gemeinsam

hat. Herr Dr. Knackstedt war bis zu seinem Ruhestand Archivar im Lan-

desarchiv NRW, Abteilung Westfalen in Münster und hat das Archiv-

pflegeamt aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben. Das Landeskirch-

liche Archiv dankt ihm für sein Engagement und die gute Zusammenar-

beit. Herrn Prof. Dr. Oestmann wünschen wir viel Freude bei der neuen

Aufgabe, die mit der Herrichtung eines Archivraumes im umgebauten

Gemeindehaus begonnen hat.

Für die Betreuung des Archivs der Kirchengemeinde Warendorf lös-

te Bärbel Pasler den bisherigen Archivpfleger Alfred Smieszchala ab.

Herr Smieszchala, selbst viele Jahre im Kreisarchiv Warendorf tätig, hat-

te sich langjährig um die Sicherung und Verzeichnung des Archivgutes

der Kirchengemeinde gekümmert. Das Landeskirchliche Archiv dankt

Herrn Smieszchala für sein unermüdliches Engagement. Das von Herrn

Smieszchala erstellte Findbuch wurde anschließend durch eine Bürger-

arbeitsplatz-Initiative der Kirchengemeinde in das Datenbankprogramm

Augias übertragen und steht somit auch in der Datenbank des Landes-

kirchlichen Archivs zur Verfügung. Seit 2014 ist Bärbel Pasler neue Ar-

chivpflegerin in Warendorf. Frau Pasler arbeitete bis zu ihrer Pensionie-

rung als Rechtspflegerin beim Amtsgericht Warendorf. Aus dieser Tätig-

keit ist sie mit der Organisation von Registratur und Archiv bereits ver-

traut. Daneben war sie acht Jahre lang Presbyterin und hat auch einige

Jahre die Kirchenbücher der Gemeinde geführt. Sie ist in verschiedenen

Gemeindegruppen aktiv. Wir wünschen Frau Pasler viel Freude bei der

neuen Aufgabe.

Zum Ende des Jahres 2015 ging der Archivar des Kirchenkreises Bo-

chum Rüdiger Pelz in den Ruhestand. Jahrzehntelang hat er sich haupt-

amtlich um die Überlieferung des Kirchenkreises Bochum und seiner

Kirchengemeinden gekümmert, die Archivbestände geordnet und An-

fragen beantwortet. Herr Pelz war stets ein kompetenter Ansprechpart-

ner nicht nur für die eigene Verwaltung und das Landeskirchliche Ar-

chiv, sondern auch für interessierte Familien- und Geschichtsforscher.

Mit großem Verantwortungsgefühl hat er die Übergabe der Archivbe-

Personalia

145

stände der aufgelösten Archivräume in Bochum an das Landeskirchli-

ches Archiv vorbereitet und begleitet. Wir danken Herrn Pelz für sein

Engagement und wünschen ihm für die Zukunft alles Gute!

Mit der Vereinigung der Dortmunder Kirchenkreise hat Superinten-

dent i.R. Klaus-Bernhard Philipps sein Amt des Kreissynodalarchiv-

pflegers des Kirchenkreises Dortmund-Süd niedergelegt. Im Jahr 2005

wurde Herr Philipps offiziell zum Archivpfleger des Kirchenkreises er-

nannt, doch schon in den Jahren zuvor stand er dem Landeskirchlichen

Archiv und den Gemeinden als kompetenter Ansprechpartner in Ar-

chivfragen zur Verfügung. Bei unseren jährlichen Archivpflegetagungen

gab Herr Philipps häufig wichtige Impulse für die Archivarbeit in unse-

rer Landeskirche und wir danken ihm an dieser Stelle herzlich für die

konstruktive und vertrauensvolle Zusammenarbeit. Wir freuen uns,

dass wir durch sein Interesse an der Geschichte des Kirchenkreises Dort-

mund nach wie vor in Verbindung stehen und wünschen ihm weiterhin

fröhliches Schaffen und einen gesegneten Ruhestand.

Dr. Winfried Schonefeld, Ev. Kirchengemeinde Stiepel, ist am 5. Mai

2014 verstorben. Mit Respekt möchten wir die Arbeitsleistung und das

Engagement von Herrn Dr. Schonefeld hervorheben. Fast 40 Jahre war

er als hochmotivierter ehrenamtlicher Archivpfleger der Ev. Kirchenge-

meinde Stiepel tätig. Er hat das Gemeindearchiv geordnet und für die

historische Forschung zugänglich gemacht. Er hat mehrere Veröffentli-

chungen zur Geschichte der Kirchengemeinde und der alten ehrenwür-

digen Dorfkirche herausgegeben. Vor einigen Jahren hat er sich um sei-

ne Nachfolge gekümmert und Wilfried Krunke und Dr. Stephan Flech-

sig in die Archivpflege eingearbeitet. Seinen Einsatz für die kirchliche

Archivarbeit werden wir in guter Erinnerung behalten und ihm ein eh-

rendes Andenken bewahren.

Der Archivpfleger der Ev. Kirchengemeinde Herscheid Herbert

Schulte ist 2014 verstorben. Als Lehrer und Rektor hat er in seinen 32

Dienstjahren ganze Schülergenerationen ausgebildet. Als Orts- und

Kreisheimatpfleger hat er sich um die Bewahrung der Heimatpflege ver-

dient gemacht. Als langjähriger Presbyter hat er seine Kirchengemeinde

mitgeprägt. Seit 1995 kümmerte er sich um das Archiv der Kirchenge-

Personalia

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 146

meinde. Er ordnete und verzeichnete das Gemeindearchiv und begleite-

te seinen Umzug in die jetzigen Räume. In zahlreichen Publikationen hat

Herbert Schulte sein umfangreiches Wissen über die Herscheider Ar-

chivschätze der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Stets hat er eine enge

Zusammenarbeit mit dem Landeskirchlichen Archiv gepflegt, seine jähr-

lichen Archivpflegeberichte ließen uns an der Archivpflege der Kirchen-

gemeinde teilnehmen und sind in ihrer Regelmäßigkeit und ihrem Um-

fang beispiellos1. Wir werden Herrn Schulte ein ehrendes Gedenken be-

wahren. Zur Nachfolgerin von Herrn Schulte hat die Kirchengemeinde

Birgit Hüttebräucker berufen. Sie begann schon 2007 damit, die alten

Kirchenbücher zu verkarten. Dadurch hatte sie eine gute Einsicht in die

Arbeitsweise von Herbert Schulte bekommen. Wir wünschen Frau Hüt-

tebräucker in ihrer neuen Tätigkeit viel Freude.

Claudia Brack hat im Jahr 2015 geheiratet und führt nun den Namen

Claudia Seyfried. Wir wünschen dem frisch getrauten Ehepaar alles

Gute für die gemeinsame Zukunft und Gottes Segen.

Irene Wiedemann hat ihren Dienst am 1. September 2014 im Landes-

kirchlichen Archiv begonnen. Nach dem Abschluss ihrer Ausbildung

zur Fachangestellten für Medien- und Informationsdienste, Fachrich-

tung Archiv, hat sie im früheren Hauptstaatsarchiv in Düsseldorf gear-

beitet. Ihr Aufgabenbereich im Landeskirchlichen Archiv umfasst u.a.

die Betreuung von Altregistraturen des Landeskirchenamts, Verzeich-

nungsarbeiten, Magazinbetreuung sowie Benutzersaaldienste und Fami-

lienforschung. Wir wünschen ihr weiterhin viel Freude bei der Arbeit im

Landeskirchlichen Archiv.

Am 3. März 2015 verstarb der ehemalige Archivpfleger der Ev. Kir-

chengemeinde Kamen Wilhelm Wieschhoff im Alter von 93 Jahren.

Drei Jahrzehnte lang ordnete und betreute Herr Wieschhoff das umfang-

reiche Archiv der Kirchengemeinde. Durch diese Arbeit und durch seine

langjährige Mitarbeit im Presbyterium, als Kirchmeister und im Kreis-

synodalvorstand des Kirchenkreises Unna war er ein Kenner und Ver-

1 Vgl. Herbert Schulte, Archivpflege in der Evangelischen Kirchengemeinde Her-scheid im Jahre 2010, in: Archivmitteilungen, Nr. 20, 2010/11, S. 41-43.

Personalia

147

mittler der Kamener Kirchengeschichte und stets zuverlässiger An-

sprechpartner für interessierte Nutzer des Archivs. Wir gedenken Wil-

helm Wieschhoffs in Dankbarkeit für seinen langjährigen Dienst und

sein Engagement.

Nachdem er bereits jahrelang ehrenamtlich für die Erschließung und

fachgerechte Aufbewahrung des Archivgutes der Kirchengemeinde

Lügde gesorgt hatte, wurde Manfred Willeke 2014 vom Lügder Presby-

terium zum Archivpfleger berufen. Der gelernte Konditor war als Stadt-

archivar der Stadt Lügde beschäftigt, bevor er sich als Zeichner und

Landschaftsmaler ausbilden ließ und als Archivar des Flecken Aerzen

den Nachlass des Kunstmalers Ernst Duttmann ordnete und eine Aus-

stellung vorbereitete. Neben seinem vielseitigen ehrenamtlichen politi-

schen und archivarischen Engagement veröffentlicht Herr Willeke regel-

mäßig zur Orts- und Heimatgeschichte. Das Landeskirchliche Archiv

freut sich auf die weitere Zusammenarbeit.

Archivmitteilungen Nr. 23, 2015/16 148

Autorinnen und Autoren

Wolfgang Günther, Landeskirchliches Archiv Bielefeld

Thomas Hostert, IT-Servicemanager, Wuppertal

Christine Koch, Landeskirchliches Archiv Bielefeld (kc)

Ingrun Osterfinke, Landeskirchliches Archiv Bielefeld (ost)

Harri Petras, Archivpfleger des Ev. Kirchenkreises Hattingen-Witten

Claudia Seyfried, Landeskirchliches Archiv Bielefeld (sey)

Karl-Heinz Stoltefuß, Archivpfleger der Kirchengemeinde zu Heeren-

Werve

Anna Warkentin, Landeskirchliches Archiv Bielefeld (wrk)

Irene Wiedemann, Landeskirchliches Archiv Bielefeld