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Med-AUSTRON - Ein Österreichisches Krebsforschungs- und Behandlungszentrum zur Hadronentherapie in Europa Machbarkeitsstudie Gesamtherausgeber: R. Pötter, T. Auberger, M. Regler Band I

Strahlenbiologische Grundlagen

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Med-AUSTRON - Ein Österreichisches Krebsforschungs- und Behandlungszentrum zur

Hadronentherapie in Europa

Machbarkeitsstudie

Gesamtherausgeber:

R. Pötter, T. Auberger, M. Regler

Band I

Arbeitsgemeinschaft zur Planung eines medizinischen Forschungszentrums für die

Krebsbehandlung mit Protonen und Leicht-Ionen in Österreich

Projekt des Vereines AUSTRON in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für Radio-Onkologie, Radiobiologie und Medizinische Radiophysik (ÖGRO), der European

Organisation for Nuclear Research (CERN) und den Österreichischen Universitäten

Projektleiter: Prof. Dr. R. Pötter, Wien Projektmanager: Dr. T. Auberger, Innsbruck

Band I

Med-AUSTRON - Machbarkeitsstudie

Die Bedeutung der Hadronentherapie für die Krebsbehandlung

Herausgeber Band I: R. Pötter, T. Auberger

mit Beiträgen von: T. Auberger, D. Georg, A. Hackl, U. Haverkamp, E.B. Hug, K. Kapp, H.D. Kogelnik, P. Lukas, W. Kraft-Weyrather, K. Poljanc,

R. Pötter, H. Rahim, M. Regler, F. Sedlmayer, E. Selzer, H. Tritthart

Gedruckt mit Unterstützung durch die Stadt Wiener Neustadt und durch die Abteilung Kultur und Wissenschaft des Amtes der NÖ Landesregierung und dem Regional-

Innovationszentrum - Niederösterreich Süd

Dezember 1998

Ein ausführlicher englischsprachiger Sonderband (ca. 170 Seiten) der wissenschaftlichen Zeitschrift „Strahlentherapie und Onkologie“ zum Thema „Hadrons – A Challenge for High Precision Radiotherapy“ (Proceedings der 1. Med-AUSTRON Konferenz 1997) wird in Kürze im Verlag Urban und Vogel (München) erscheinen. In diesem Sonderband werden, zum Teil über diese Machbarkeitsstudie hinausgehend, zahlreiche wesentliche Aspekte der Hadronentherapie wissenschaftlich abgehandelt.

ISBN 3-9500952-0-9

Arbeitsgemeinschaft zur Planung eines medizinischen Forschungszentrums für die

Krebsbehandlung mit Protonen und Leicht - Ionen in Österreich

Projekt des Vereins AUSTRON in Zusammenarbeit mit der Österreichischen Gesellschaft für

Radio-Onkologie, Radiobiologie und Medizinische Radiophysik (ÖGRO), der European

Organisation for Nuclear Research (CERN) und den Österreichischen Universitäten

Projektleiter: Univ. Prof. Dr. R. Pötter

Projektmanager: Dr. T. Auberger

Projektassistenz: Dr. K. Eisinger, Mag. R. Galle, Dr. A. Hradsky, DI. K. Poljanc

Obwohl alle Beiträge mit größter Gewissenhaftigkeit geprüft wurden, kann für Schaden, der aus der Verwendung dieser Studie entsteht, keine Haftung übernommen werden. Impressum

Gesamtherausgeber: R. Pötter, T. Auberger, M. Regler 1. Auflage 1998 Alle Rechte, insbesondere das Recht auf Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Herausgeber reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. © 1998 Verein zur Förderung einer Großforschungsanlage in Österreich - „Verein AUSTRON“, Projektbüro Med-AUSTRON, c/o RIZ NÖ Süd, Prof. Dr. Stephan Koren-Straße 10, A-2700 Wiener Neustadt, Eigenverlag Wiener Neustadt, Dezember 1998 ISBN 3-9500952-0-9

Arbeitsgemeinschaft zur Planung eines medizinischen Forschungszentrums für die Krebsbehandlung mit Protonen und Leicht-Ionen in Österreich c/o RIZ NÖ Süd Prof. Dr. Stephan Koren-Straße 10 A-2700 Wiener Neustadt email: [email protected]

Band I: Danksagung

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie i

Dank der Herausgeber

Zuerst dürfen wir uns herzlich bei all jenen Personen und Institutionen bedanken, die durch

ihre Mitarbeit und ihre aktive beratende bzw. finanzielle Unterstützung zum Gelingen dieser

Studie beigetragen haben. Sie haben damit, wie wir aufrichtig hoffen, die Grundlage zum

Erreichen unseres hochgesteckten Zieles gelegt, ein international bedeutendes und für Österreich

in vieler Hinsicht Frucht bringendes nationales und europäisches Krebsforschungszentrum zu

errichten.

Besonders danken wir allen wissenschaftlich und redaktionell tätigen Mitarbeitern an dieser

Studie, die unter Einsatz eines großen Anteils Ihrer Freizeit und meist völlig unentgeltlich als

Autoren, Korrektoren, Berater, Fachgruppenbetreuer und -mitglieder an dieser Studie mitgewirkt

haben. Da innerhalb Österreichs wissenschaftliche Mitarbeiter aus so vielen universitären und

außeruniversitären Forschungsinstituten, Kliniken und Landeskrankenanstalten beteiligt waren,

dürfen wir auch auf die im Anhang des Bandes III angeführte Liste der Mitarbeiter verweisen.

Vor allem sei hier unseren auswärtigen Mitarbeitern und Beratern, die durch ihre

Mitarbeit ihr überregionales wissenschaftliches Interesse an unserem Projekt gezeigt haben,

sowie unserem internationalen „Advisory Board“ gedankt. Stellvertretend für sie alle dürfen wir

hier nennen: Herrn Prof. Dr. André Wambersie, Université Catholique de Louvain, Cliniques

Universitaires St. Luc, Bruxelles, Belgien, Vorsitzender der „European Hadron Therapy Group“,

Herrn Prof. Eugen Hug, MD vom Loma Linda University Medical Center, Loma Linda,

California, USA, Herrn Prof. Dr. Gerhard Kraft und Frau Dr. Wilma Kraft-Weyrather, beide

von der Gesellschaft für Schwerionenforschung in Darmstadt, Deutschland, Herrn Prof. José R.

Alonso, PhD vom Lawrence-Berkeley-Laboratory der University of California in Berkeley/San

Francisco, USA, Herrn Dr. Nick Schreuder und Herrn Dr. Dan Jones vom National

Accelerator Center, Cape Town, Südafrika, Herrn PD. Dr. Wolfgang Enghardt, Institut für

Kern- und Hadronenphysik FZR-Rossendorf, Berlin, Deutschland und Herrn Prof. Dr. Günther

Gademann, Universitätsklinik für Strahlentherapie der Otto Guericke Universität Magdeburg.

Herzlich danken möchten wir auch der Medizinbeschleuniger-Arbeitsgruppe des

Europäischen Laboratoriums für Teilchenphysik CERN in Genf, insbesondere dem Leiter

der Arbeitsgruppe, Herrn Dr. Phillip Bryant, PhD, Herrn DI Dr. Horst Schönauer für sein

langjähriges ehrenamtliches Engagement, Herrn Dr. Charles Steinbach, sowie Herrn DI Dr.

Band I: Danksagung

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie ii

Michael Benedikt, Herrn Mag. Dr. Andrew Mayer und Herrn DI Stefan Reimoser für die

intensive wissenschaftliche Zusammenarbeit und für zahlreiche fruchtbare Diskussionen. Unser

Dank gilt ebenso herzlich dem Direktor für Beschleuniger, DI Dr. Kurt Hübner und dem

„PS-Division Leader“ Dr. Daniel Simons für die mentale Unterstützung des Projektes und für

die langzeitige Freistellung der Mitarbeiter.

Ein besonders großer Dank geht natürlich an alle öffentlichen Institutionen, die uns

finanziell und beratend während der beiden Jahre unserer Studienarbeit unterstützt haben. Ohne

ihre Förderung wäre eine Durchführung dieser Studie unmöglich gewesen.

Zunächst sei den Vertretern der Stadt Wiener Neustadt gedankt, die in einer Zeit, in der

noch kaum jemand an die Sinnhaftigkeit und Machbarkeit eines internationalen

Hadronentherapiezentrums in Österreich glaubte, durch ihre finanzielle Vorleistung im

September 1996 unter Herrn Bürgermeister Dr. Peter Wittmann mit der Finanzierung eines

Projektbüros für die Dauer von zwei Jahren gleichsam den Startschuß für den Beginn dieser

Studie gaben, und uns auch in der Folgezeit unter Frau Bürgermeister Traude Dierdorf immer

wieder die finanzielle Rückendeckung gewährten, die es uns ermöglichte, in unserem Projekt

fortzufahren. Besonders danken möchen wir hier Herrn Vizebürgermeister Holger Linhart, der

sich persönlich mit großem Engagement für unser Projekt einsetzte, und uns in allen Problemen

mit Wohlwollen zur Seite stand. Ein großer Dank geht auch an den Direktor des Regionalen

Innovations-Zentrums (RIZ) in Wiener Neustadt und Leiter der Fachhochschule WN, Herrn

Prof. Mag. Werner Jungwirth, durch dessen Initiative und Förderung es möglich war, für die

gesamte Dauer der Studie ohne finanziellen Aufwand ein Projektbüro für Med-AUSTRON im

RIZ zu etablieren, und der sich auch maßgeblich für die Unterstützung des Projektes durch die

Niederösterreichische Landesregierung eingesetzt hat.

Von der Fachhochschule Wiener Neustadt danken wir ebenfalls sehr herzlich Herrn Univ.

Doz. DI Dr. Erich Griesmayer, der auch in seiner Freizeit wesentliche Aufgaben bei der

Koordination des Planungsbüros übernahm, Frau Mag. Michaela Stockinger für die

fachkundige Unterstützung bei Pressekonferenzen und Frau Dr. Barbara Stöttinger, die durch

die Betreuung einer Diplomarbeit zum Themenkomplex „Internationale medizinische

Forschungszentren und EU“ einen wichtigen Beitrag leistete. Weiterhin danken wir den

Vertretern des Allgemeinen Öffentlichen Krankenhauses der Stadt Wiener Neustadt,

insbesondere der Primaria der Abteilung für Strahlentherapie und Radioonkologie, Frau Univ.

Band I: Danksagung

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie iii

Doz. Dr. Brigitte Pakisch, Herrn Verwaltungsdirektor Mag. Herbert Schnötzinger und der

Direktorin der Akademie für den radiologisch technischen Dienst, Frau Michaela Rosenblattl

für ihre Unterstützung in Fragen des Klinikbetriebes und der Logistik.

Durch die großzügige finanzielle Unterstützung der Niederösterreichischen

Landesregierung wurde es 1997 möglich, den Mitarbeiterstab unseres Projektbüros zu

verdoppeln und wesentliche Konsulententätigkeiten für diese Studie durchführen zu lassen.

Unser Dank gebührt vor allem Herrn Landeshauptmann Dr. Erwin Pröll, der durch seinen

persönlichen Einsatz den Grundstein für eine schnelle und unbürokratische Unterstützung

unserer Studienarbeit gelegt hat. Weiterhin danken wir herzlich dem Leiter des Kulturreferates

des Amtes der NÖ Landesregierung Herrn Univ. Doz. Hofrat Dr. Georg Schmitz und dem für

unser Projekt zuständigem Sachreferenten des Kulturreferates, Herrn Dr. Andreas Kusternig,

der unser Projekt mit großer Geduld und hohem persönlichen Einsatz begleitete.

Auch vom Bundesministerium für Wissenschaft und Verkehr wurde uns wertvolle

Unterstützung zuteil. Wir danken vor allem Frau Ministerialrätin Dr. Anneliese Stoklaska, die

uns immer wieder mit ihrem Rat zur Seite stand und manche wertvollen Arbeitskontakte

vermittelte. Großer Dank geht an Herrn Sektionschef Dr. Raoul Kneucker für seinen Einsatz,

unser Projekt im Rahmen der wissenschaftspolitischen EU-Aktivitäten der Bundesregierung

wohlwollend zu berücksichtigen, und für die finanzielle Unterstützung einer epidemiologischen

Ergänzungsstudie zum Bedarf eines internationalen Hadronentherapiezentrums in Österreich und

den östlichen Nachbarstaaten.

Vom Bundesministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales danken wir Frau Dr.

Brigitte Kraus und vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten Herrn

Ministerialrat Dr. Gerhard Burian für regelmäßige Kontakte und Hilfestellungen.

Frau Dr. Diana Ehrenwert von der Wirtschaftsuniversität Wien danken wir sehr herzlich

für die Beratung in Fragen des „Fund Raisings“ und des Managements.

Danken möchten wir auch denjenigen privaten Institutionen, die uns sowohl durch ihren

fachlichen Beistand als auch durch finanzielle Hilfe unterstützt haben. Von der Firma Siemens

AG Österreich danken wir Herrn Direktor DI Dr. Peter Flicker und Herrn Direktor Ing.

Adolf Hasenauer für die finanzielle Unterstützung von Workshops und Symposien. Herrn

Direktor DI Dr. Siegfried Glatz und Herrn Ing. Gerhard Hilscher von der Abteilung Bau- und

Anlageplanung, sowie Herrn DI Dr. Ernestinus Schwab von der Abteilung

Band I: Danksagung

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie iv

Medizintechnik/Therapie danken wir für zahlreiche äußerst wertvolle beratende Gespräche und

Kalkulationen.

Der Firma IC-Consulenten, Wien (Dr. Willi Reismann), der Firma IBA, Brüssel, und

dem Architekturbüro Sommer, Weisser und Partner, Berlin, danken wir für die begleitende

Projektberatung in Bezug auf Haustechnik und Kostenkalkulation. Für die Infrastrukturplanung

war die Zusammenarbeit mit der Civitas-Nova-Gesellschaft, Wiener Neustadt, und

insbesondere mit Herrn Dipl. Architekt Adolf Holubowsky, dem wir für seine kostenlose

Unterstützung sehr herzlich danken, eine große Hilfe. Die Ergebnisse einer begleitenden Studie

zum Standort Wiener Neustadt des Industriewissenschaftlichen Institutes (IWI), unter der

Leitung von Herrn Univ. Prof. Dr. Werner Clement und Herrn Mag. Richard Winklhofer,

sind in den regionalanalytischen Teil unseres dritten Studienbandes eingeflossen. Wir danken

dem IWI für die Möglichkeit der Mitnutzung dieser Ergebnisse.

Dem Präsidenten der Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie,

Strahlenbiologie und medizinische Radiophysik, ÖGRO (bis Sept.98), Herrn Univ. Doz. Dr.

Josef Hammer, Primarius des Institutes für Radioonkologie des Krankenhauses der

Barmherzigen Schwestern in Linz, danken wir für die großartige und einheitliche Unterstützung

des Projektes durch die österreichischen Strahlentherapeuten und für seine persönlichen

Bemühungen um die Studie, insbesondere auch für das hilfreiche Korrekturlesen. Auch seinem

Nachfolger, Herrn Univ. Prof. Dr. Arnulf Hackl, Vorstand der Abteilung für Radioonkologie

der radiologischen Universitätsklinik der Universität Graz, der durch mehrere eigene Beiträge in

der Studie seine Verbundenheit mit dem Projekt gezeigt hat, gebührt großer Dank für die

konsequente Fortführung der Unterstützung. Herzlich danken wir auch der Österreichischen

Krebshilfe Salzburg für deren finanzielle Unterstützung unseres Projektes.

Dem Verein AUSTRON, seinem Vorsitzenden Magnifizenz O. Univ. Prof. DI Dr. Peter

Skalicky, Vorsitzender der Österreichischen Rektorenkonferenz, und dem medizinischen Beirat

des Vereins mit seinem Vorsitzenden, Herrn Univ. Prof. Dr. H. Dieter Kogelnik, Primarius des

Institutes für Strahlentherapie und Radioonkologie der Landeskrankenanstalten Salzburg, und

seinem stellvertretenden Vorsitzenden, Herrn O. Univ. Prof. Dipl.-Phys. Dr. Peter Lukas,

Vorstand der Universitätsklinik für Strahlentherapie-Radioonkologie der Leopold-Franzens-

Universität Innsbruck, danken wir dafür, daß sie unserem Projekt stets eine wissenschaftliche

Heimat und ein Diskussionsforum gegeben haben. Den beiden Kassieren Herrn DI Dr. Winfried

Band I: Danksagung

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie v

Mitaroff und Herrn DI Dr. Martin Schuster danken wir für die sorgfältige ehrenamtliche

Verwaltung des Förderbugets.

Last but not least dürfen wir unseren jungen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in unserem

Projektbüro in Wiener Neustadt, Frau DI Karin Poljanc, Frau Mag. FH Ingrid Hergovich,

Herrn Mag. Dr. Kurt Eisinger, Herrn Mag. Rolf Galle, Herrn Mag. Dr. Andreas Hradsky,

Herrn DI Georg Schmitz, Herrn Mag. FH Florian Rappelsberger und Herrn Dr. Luca

Marzoli, danken, die sich mit uns ganz oder zeitweise in das Abenteuer dieser Studienarbeit

gewagt haben.

Da die vorgelegten Studienbände nicht alles erfassen können, was in den beiden Jahren an

wissenschaftlichem Material zusammmengetragen wurde, und da nicht alle Mitarbeiter an dieser

Machbarkeitsstudie auch mit eigenen Textbeiträgen in diesen Bänden vertreten sind, sind im

Anschluß alle an der Machbarkeitsstudie Med-AUSTRON beteiligten Mitarbeiter und Institute

nochmals aufgelistet.

Thomas Auberger Richard Pötter Meinhard Regler

Band I: Danksagung

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie vi

Band I: Inhaltsverzeichnis

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 1

Inhaltsverzeichnis

Vorworte .............................................................................................................................5

Short preface for the Med-AUSTRON programme (A. Wambersie, EHTG).................... 5 Med-AUSTRON und die ÖGRO (J. Hammer, ÖGRO) ..................................................... 7 Med-AUSTRON und die Synergien mit der geplanten Großforschungsanlage

AUSTRON (P. Skalicky, Verein AUSTRON) .................................................... 9 Wiener Neustadt als Standort für Med-AUSTRON (T. Dierdorf, H. Linhart,

Wiener Neustadt) .............................................................................................. 10 Der Stellenwert von Med-AUSTRON aus radioonkologischer Sicht (R. Pötter,

T. Auberger, M. Regler, Herausgeber).............................................................. 11

I.1 Einleitung: Ziel der Gesamtstudie ............................................................................15

I.2 Stand der Krebsbehandlung in Europa unter besonderer Berücksichtigung der Strahlentherapie..................................................................................................17

I.2.1 Bedeutung der lokalen Tumorkontrolle in der Krebstherapie ........................ 18

I.2.2 Allgemeine Bemerkungen zur Radiotherapie.................................................... 19

I.2.3 Mögliche strahlenbiologische Ursachen von Rezidiven nach Radio- therapie und klinische Implikationen .......................................................................... 20

I.2.4 Zur Situation der Radioonkologie in Europa (mit ausgewählten Beispielen)24

I.2.5 Schlußfolgerungen und Ausblick........................................................................ 29

I.3 Die Rolle der Strahlentherapie im Rahmen onkologischer Therapiekonzepte ....33

I.3.1 Wirkungsweise der Strahlentherapie ................................................................. 33

I.3.1.1 Sauerstoffeffekt ...................................................................................... 34 I.3.1.2 Linearer Energietransfer....................................................................... 34

I.3.2 Klinischer Einsatz der ionisierenden Strahlen .................................................. 35

I.3.2.1 Wirkung ionisierender Strahlen auf Tumoren ....................................... 36 I.3.2.2 Kombinierter Einsatz mit Operation ..................................................... 37 I.3.2.3 Prinzipien der Kombination von Radio- und Chemotherapie ............... 39 I.3.2.4 Schlußbemerkungen............................................................................... 41

Band I: Inhaltsverzeichnis

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 2

I.4 Physikalische Grundlagen......................................................................................... 45

I.4.1 Die Rolle der Beschleuniger in der Teletherapie............................................... 45

I.4.1.1 Historischer Abriß................................................................................. 45 I.4.1.2 Das Betatron ......................................................................................... 47 I.4.1.3 Der Elektron-Linearbeschleuniger........................................................ 49 I.4.1.4 Das Zyklotron........................................................................................ 50 I.4.1.5 Das Synchrotron.................................................................................... 51 I.4.1.6 Der Med-AUSTRON-Beschleuniger...................................................... 52

I.4.2 Physikalische Eigenschaften von Protonen und Leichtionen im Vergleich mit hochenergetischen Röntgenstrahlen ............................................................. 55

I.4.2.1 Einleitung .............................................................................................. 55 I.4.2.2 Wechselwirkungen................................................................................. 55 I.4.2.3 Bestrahlungstechnik .............................................................................. 59 I.4.2.4 Dosisverteilung...................................................................................... 60 I.4.2.5 Definition der Zielvolumina .................................................................. 63 I.4.2.6 Schlußbemerkungen............................................................................... 63

I.5 Strahlenbiologische Grundlagen .............................................................................. 65

I.5.1 Einleitung .............................................................................................................. 65

I.5.2 Physikalische Grundlagen der Strahlenbiologie für Protonen und Leichtionen65

I.5.3 Erhöhung der relativen biologischen Wirksamkeit .......................................... 67

I.5.4 Biologische Effekte ionisierender Strahlen........................................................ 69

I.5.5 Strahlenbiologische Aspekte einer Therapie mit Ionen und Biophysikalische Grundlagen der Bestrahlungsplanung ......................................................... 76

I.5.6 Strahlenbiologische Grundlagenforschung innerhalb von Med-AUSTRON - Offene Fragen und Experimente................................................................... 80

I.5.7 Zukunftsaspekte: Von der klassischen Strahlenbiologie zur modernen Strahlenbiologie .............................................................................................. 81

I.5.8 Biologisches Begleitprogramm: Beispiele für wichtige Fragestellungen der klinischen und experimentellen Strahlenbiologie........................................ 83

I.6 Bisherige klinische Resultate der Protonen- und Leichtionentherapie ................ 89

I.6.1 Einleitung .............................................................................................................. 89

Band I: Inhaltsverzeichnis

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 3

I.6.2 Tumoren im Bereich der Schädelbasis ............................................................... 91

I.6.3 Komplikationen der Leichtionenbestrahlung im Bereich der Schädelbasis... 94

I.6.4 Juxtaspinale und sakrale Tumoren .................................................................... 95

I.6.5 Hirnstamm- und Rückenmarkstumoren............................................................ 96

I.6.6 Uveamelanome ...................................................................................................... 96

I.6.7 Arteriovenöse Malformationen ........................................................................... 99

I.6.8 Klinische Erfahrungen mit Teilchenbestrahlung mit hohem linearen Energietransfer (High-LET)........................................................................ 100

I.6.8.1 Speicheldrüsenkarzinome .................................................................... 100 I.6.8.2 Prostatakarzinom................................................................................. 100 I.6.8.3 Weichteilsarkome................................................................................. 102 I.6.8.4 Knochensarkome ................................................................................. 103 I.6.8.5 Kopf/Halstumoren ............................................................................... 103 I.6.8.6 Gallengangskarzinome ........................................................................ 104 I.6.8.7 Pankreaskarzinome ............................................................................. 105 I.6.8.8 Maligne Gliome ................................................................................... 105 I.6.8.9 Nicht kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC).................................... 106

I.7 Aktuelle klinische Studien zur Hadronentherapie ................................................115

I.8 Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionen-therapie in der Welt ............123

I.8.1 Einleitung ............................................................................................................ 123

I.8.2 Weltweiter Trend zur Patientenbehandlung in den Jahren 1990-94 anhand der Zentrendaten .......................................................................................... 128

I.8.3 Weltweit verwendete technische Einrichtungen zum Beamdelivery bzw. zur Aufweitung des Strahles............................................................................... 130

I.8.4 Weltweit verwendete Strahlendgeräte (Fixed Beam/Gantries) ...................... 131

I.8.5 Ausblicke ............................................................................................................. 134

I.9 Entwicklung der Protonen- und Leichtionenradio- therapie im Licht der aktuellen Möglichkeiten der Strahlentherapie mit Photonen.......................139

I.9.1 Resultate der Strahlentherapie mit schweren Teilchen .................................. 141

Band I: Inhaltsverzeichnis

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 4

I.9.2 Neutronentherapie (Vorteil höherer biologischer Effektivität) ..................... 141

I.9.3 Protonentherapie (Vorteil höherer physikalischer Selektivität).................... 143

I.9.4 Leichtionentherapie (Vorteil höherer biologischer Effektivität und physikalischer Selektivität).......................................................................... 144

I.9.5 Notwendigkeit der wissenschaftlichen Evaluation der Leichtionen- und Protonentherapie im Vergleich mit der aktuellen Photonen-Radiotherapie145

I.10 Anhang.................................................................................................................... 157

I.10.1 Ausblick auf Band II und III .......................................................................... 157

I.10.2 Autorenliste Band I .......................................................................................... 157

Band I: Vorworte

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 5

Short preface for the Med-AUSTRON programme Univ. Prof. Dr. A. Wambersie, Secretary of the European Hadron Therapy Group (EHTG)

Université Catholique de Louvain, Belgien; Gastprofessor, Universitätsklinik für

Strahlentherapie und Strahlenbiologie, Wien

In the treatment of cancer patients, local failure is still an important issue. As a matter of

fact, about 1/3 of the patients who have only a localized disease at the time of the first

presentation, experience a local recurrence and finally die from their cancer. Radiation therapy

has an obvious role to play in improving local control, alone or in combination with surgery and

in some cases with chemotherapy, e.g., radiosensitizers.

The most dramatic steps in the improvement of radiation therapy results are the consequence

of technical progress. Modern linear accelerators have reached a high degree of reliability; they

allow the radiation oncologist to apply more and more complex techniques such as conformal

therapy (IMRT). However a kind of plateau seems to be reached in the efficiency of photon beam

therapy, and any further progress would need other types of radiation.

Radiation oncologists have indeed, since many years, tried to apply new types of radiation.

Among them, protons are the next logical step to do in order to improve the physical selectivity

of the irradiation. The recent increasing number of patients treated with protons, and the clinical

data available so far indicate that proton therapy is a promising and safe way to go.

Today commercial companies offer relatively simple, proton therapy machines, which are

compact, easy to handle and to maintain. In contrast some „research“ proton therapy centers aim

at exploiting fully the properties of protons, and optimising the beam delivery system (using e.g.,

scanning beam, energy modulation, etc.) which implies the design and development of complex

equipment.

Nevertheless, a question remains open: to what extent is there a real need for such most

complex equipment in proton beam therapy and what benefit do they provide? Med-AUSTRON

is a proton therapy machine planned to offer the highest and most complete technical

possibilities; it will be able to contribute to the debate about the optimum machine for proton

beam therapy and about the need for the most complex treatment delivery.

However, the specificity of the Med-AUSTRON project lies in the possibility to deliver

either proton or carbon-ion beams in similar conditions, with the same physical selectivity, even

when needed, the same beam arrangement, and patient positioning and immobilisation devices.

Band I: Vorworte

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 6

In addition the treatment will be delivered by the same medical, physics and technical team

allowing for a true evaluation of the relative merits of proton beams (low-LET radiation) and

carbon-ion beams (high-LET radiation).

The clinical experience gained with fast neutrons has shown that, for certain well selected

types of tumours, high-LET radiation is more efficient than low-LET radiation. Neutrons were

shown to be superior to photons for salivary gland tumours, prostatic adenocarcinomas and some

slowly growing soft tissue sarcomas. Clinical experience has also shown the role of the physical

selectivity if one wants to avoid severe late complications.

With heavy ions, one can expect the benefit of fast neutrons for local tumour control,

combined with the absence of severe complications due to their excellent physical selectivity.

The clinical experience available so far (e.g. Berkeley), although limited, indicates that this

approach is sound and promising.

From a clinical point of view, Med-AUSTRON will provide suitable treatment for patients

with inoperable, radioresistant tumours, close to critical normal structures, difficult to treat and

for which there is no adequate alternative (e.g., tumours of the base of skull, or adjacent to the

spinal cord). Patients from Austria and surrounding countries could benefit from this novel

opportunity.

In addition, AUSTRON will offer a promising alternative for more frequent tumours (e.g.,

prostate, bronchus, etc). A large number of patients could be treated and it can thus be expected

that these studies could open new perspectives and changes in our therapeutic approach.

In addition to this straightforward advantage from a clinical point of view for the Austrian

population and the populations of the neighbouring countries, Med-AUSTRON will provide a

unique opportunity and facility for research in the clinical field, radiobiology and oncology. It

can be expected that Med-AUSTRON will be able to attract enthusiastic research teams from

Austria, Europe and abroad.

For the future, successful treatment and research in oncology, like in other disciplines,

requires a multidisciplinary approach. It is what Med-AUSTRON is aiming at, combining

collaboration of different University Faculties, such as physics, engineering, biology and of

course medicine. Lastly, the city of the region which will be selected to host Med-AUSTRON

will benefit from obvious fall-out as far as development, social and economical advantages are

concerned.

Band I: Vorworte

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 7

Med-AUSTRON und die ÖGRO Univ. Doz. Prim. Dr. J. Hammer, Präsident der Österreichischen Gesellschaft für

Radioonkologie, Radiobiologie und medizinische Radiophysik (ÖGRO)

In der im Auftrag der EU erstellten Studie „Europa gegen den Krebs“, in der u.a. die

Möglichkeiten untersucht werden, die globale Krebsheilungsrate in Europa um 20% zu erhöhen,

wird der Entwicklung neuer Bestrahlungstechniken und der Erprobung neuer Strahlenarten für

die Krebsbehandlung ein wesentlicher Wert beigemessen.

Bereits heute ist die Strahlentherapie entweder alleine oder in der Kombination mit anderen

Therapieformen (Chirurgie) für etwa 50% aller Krebsheilungen verantwortlich. Auch in

Österreich wurden durch die Neuerrichtung und Neuausstattung vieler Strahlentherapie-

abteilungen landesweit enorme Verbesserungen in der Tumorbehandlung erzielt. Durch die

Errichtung eines internationalen Therapie- und Forschungszentrums wurde für die

österreichische Medizin, und insbesondere für die österreichische Onkologie, eine wesentliche

Verbindung zur internationalen Forschungsspitze auf dem Gebiet der Strahlentherapie, auf dem

bereits in den Anfängen des Faches ganz wesentliche Initiativen von Österreich ausgegangen

waren, geschaffen.

Durch die Errichtung von Med-AUSTRON stünde Österreich das derzeit in der Welt

modernste Therapiezentrum und das erste Hadronenzentrum, an dem sowohl eine Behandlung

mit Protonen als auch mit Ionen möglich ist, zur Verfügung, was für die gesamte Radioonkologie

in Europa von unschätzbarem Wert wäre.

Von der Möglichkeit, zudem ein nationales Krebsforschungszentrum mit dem Schwerpunkt

Radioonkologie in Österreich zu etablieren, in dem sowohl Grundlagenforschung als auch

klinische Forschung unter Beteiligung aller österreichischen radioonkologischen Institute und

Krankenhausabteilungen erfolgen kann, und in dem eine Vertiefung der Ausbildung auf

verschiedenen Spezialgebieten möglich ist, würde die ganze österreichische Radioonkologie

erheblich profitieren.

Im Namen der Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie, Radiobiologie und

medizinischen Radiophysik (ÖGRO) darf ich allen Personen und Institutionen, die bisher an

diesem Projekt mitgearbeitet haben und die diese Arbeit gefördert haben, sehr herzlich danken.

Band I: Vorworte

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 8

Insbesondere danke ich der Projektleitung, dem Projektmanagement und dem Planungsbüro für

ihr enormes Engagement.

Der Stadt Wiener Neustadt, der Niederösterreichischen Landesregierung und dem RIZ

Niederösterreich Süd gebührt unser aufrichtiger Dank für die großartige Unterstützung dieser

Machbarkeitsstudie.

Ich glaube sagen zu dürfen, daß Med-AUSTRON nicht nur für die medizinische

Forschungsgemeinschaft, sondern auch als wissenschaftliches Leitprojekt für Stadt, Land und

Bund eine Vielzahl höchst fruchtbarer regionaler Effekte haben würde. Im Namen der ÖGRO

wünsche ich diesem Projekt eine baldige positive politische Entscheidung, die die Einleitung der

notwendigen Realisierungsschritte rasch vorantreibt.

September 1998 Univ. Doz. Dr. Josef Hammer

Vorsitzender der ÖGRO

Band I: Vorworte

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 9

Med-AUSTRON und die Synergien mit der geplanten Groß-

forschungsanlage AUSTRON Magnifizenz Univ. Prof. Dr. Peter Skalicky, Vorsitzender der Österreichischen

Rektorenkonferenz und Präsident des Vereins AUSTRON

Das Med-AUSTRON Projekt ist ein vorzügliches Beispiel für eine Symbiose zwischen der

Grundlagen- und der angewandten Forschung. Seitdem das von Prof. Meinhard Regler initiierte

AUSTRON Projekt existiert, gab es ein brennendes Interesse aus dem medizinischen Bereich.

Therapiemöglichkeiten, die durch die Nutzung eines Beschleunigers, wie er im Med-AUSTRON

Projekt geplant ist, sind von außerordentlichem Interesse für die Onkologie.

Med-AUSTRON steht im Zusammenhang mit dem AUSTRON Projekt, das sich jetzt im

Stadium der Internationalisierung befindet, ist jedoch im Anwendungsbereich unabhängig. Dies

ist ein erfolgreiches Beispiel der Weiterentwicklung und anwendungsorientierten Spezialisierung

eines internationalen Großforschungsprojektes mit einem starken nationalen Standbein.

Die Bedeutung der Krebstherapie bedarf wohl keiner besonderen Erklärung, wenngleich die

Besonderheiten des Med-AUSTRON Projektes sehr wohl hervorgehoben werden müssen. Die

spezielle Form der Strahlentherapie, besonders erfolgversprechend in der Tumorbehandlung von

Kindern und Jugendlichen, Tumoren im HNO-Bereich, bei Lungenkarzinomen und in der Nähe

von Risikoorganen, rechtfertigt das außerordentliche Interesse und das Engagement der Radio-

Onkologie für dieses Projekt.

Ein Leitprojekt für die Region Wr.Neustadt, stellt Med-AUSTRON ein erstklassiges

Beispiel für interdisziplinäre Zusammenarbeit und den sooft beschworenen Spin-off von

Grundlagenforschung für höchst relevante Anwendungen dar. Anzumerken ist ebenfalls, daß im

Gegenzug auch die Beschleunigerphysik vom Aufbau des Know-How für den anspruchsvollen

RCS Beschleuniger des Gesamtzentrums AUSTRON profitieren wird.

Die nunmehr vorliegende Machbarkeitsstudie eröffnet eine weitere, wichtige Perspektive für

"Europe against Cancer".

Band I: Vorworte

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 10

Wiener Neustadt als Standort für Med-AUSTRON Traude Dierdorf, Bürgermeisterin der Statutarstadt Wiener Neustadt

Holger Linhart, Erster Vizebürgermeister der Statutarstadt Wiener Neustadt

Wiener Neustadt präsentiert sich heute längst nicht mehr als Industriestadt im

herkömmlichen Sinne. Durch Einrichtungen wie das Technologiezentrum, die Fachhochschule

sowie das Regionale Innovationszentrum erfolgt eine dynamische und zukunftsorientierte

Entwicklung, die durch das Stadtentwicklungsprojekt Civitas Nova auch eine zentraleuropäische

Dimension bekommt: Auf zwei Millionen Quadratmetern Fläche entsteht ein städtebaulicher

Mix aus Produktion, Forschung, Erholungseinrichtungen und Wohnungen auf der Höhe der Zeit.

In diesem Zusammenhang ist das Projekt AUSTRON beziehungsweise Med-AUSTRON

von allergrößter Bedeutung. Die Stadt hat ihr Interesse an der Umsetztung dieser Vorhaben durch

nachhaltige Unterstützung dokumentiert: Erwähnt sei in diesem Zusammenhang die

Zurverfügungstellung der Büroinfrastruktur sowie die Finanzierung der Feasibility-Studie.

Schließlich stellt Med-AUSTRON für die Stadt als Standort einer der modernsten

Radioonkologien Österreichs sowie des Technologiezentrums Medizintechnik eine geradezu

ideale Ergänzung dieser Einrichtung dar.

Der für AUSTRON beziehungsweise Med-AUSTRON vorgesehene Standort im Norden

Wiener Neustadts war lange Zeit Zentrum der Schwerindustrie. Erst der Zweite Weltkrieg

beendete diese Entwicklung. Heute entsteht hier mit der Civitas Nova jenes neue Stadtviertel, das

über Wiener Neustadt hinaus auch der gesamten Region entscheidende Impulse für das

kommende Jahrtausend geben wird. Auf dem Weg dazu ist AUSTRON ein willkommener

Partner.

Band I: Vorworte

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 11

Der Stellenwert von Med-AUSTRON aus radioonko-

logischer Sicht Die Gesamtherausgeber:

Univ. Prof. Dr. R. Pötter, Projektleiter Med-AUSTRON, Vorstand der Klinik für Strahlentherapie und Strahlenbiologie der Universität Wien, AKH der Stadt Wien

Dr. T. Auberger, Med-AUSTRON Projektmanager, leitender Oberarzt des Instituts für Strahlentherapie und Radioonkologie der Leopold Franzens Universität Innsbruck

Univ. Prof. DI Dr. M. Regler, vertretungsbeauftragter 1. Vizepräsident des Vereins AUSTRON, Institut für Hochenergiephysik der Österreichischen Akademie der Wissenschaften

In Österreich wird seit geraumer Zeit der Umfang der Radioonkologie entsprechend dem

wachsenden Bedarf an onkologischer Patientenversorgung und Forschung in bedeutendem Maße

erweitert. Dies geschieht durch Modernisierung und Ausbau vorhandener strahlentherapeutischer

Abteilungen, durch Eröffnung neuer Abteilungen, sowie durch eine zunehmende Zahl klinisch

und wissenschaftlich engagierter Radioonkologen. Dank dieser Entwicklungen kann die

Strahlentherapie die ihr aufgrund ihrer zentralen Stellung in der Onkologie zukommenden

vielfältigen Aufgaben, sowohl im Rahmen der interdisziplinären Krebsbehandlung, wie auch in

der interdisziplinären Krebsforschung in zunehmendem Maße erfüllen.

Durch die umfassendere und qualitativ verbesserte radioonkologische Krebsbehandlung

konnten wesentliche Fortschritte erzielt werden, sowohl bezüglich einer Verbesserung der

Heilungsraten wie auch bezüglich einer Verminderung therapieassoziierter Nebenwirkungen.

Allerdings sind bei zahlreichen Tumorgruppen die Heilungschancen noch immer nicht

zufriedenstellend, so daß hier weitere wesentliche Aktivitäten notwendig sind, die grundlegende

klinische Forschungstätigkeiten miteinbeziehen müssen. Im Bereich der Radioonkologie sind vor

allem weitere Fortschritte durch Forschungen möglich, die sich auf grundlegende

strahlenbiologische und strahlenphysikalische Aspekte beziehen. Eine bedeutende Forschungs-

und Entwicklungsrichtung befaßt sich mit Untersuchungen der Wirkungsweise besonderer

Strahlenarten (Protonen, Leichtionen, Neutronen), die sich von den bisher verwendeten

Photonen-Strahlen grundlegend unterscheiden hinsichtlich physikalischer und biologischer

Eigenschaften. Wahrscheinlich lassen sich durch den Einsatz dieser Teilchenstrahlen die

Wirkungen der Strahlentherapie bei bestimmten Tumorgruppen deutlich verbessern.

Band I: Vorworte

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 12

Zu Beginn der 90er Jahre entstand am Atominstitut der Österreichischen Universitäten und

an der Technischen Universität in Wien in Verbindung mit dem CERN in Genf eine bedeutende

Initiative zur Errichtung eines speziellen Beschleunigers für grundlegende und

anwendungsbezogene physikalische Untersuchungen mit Hilfe der Neutronenstrahlung

(AUSTRON). Schon nach kurzer Zeit kam es zu intensiven Kontakten dieser Gruppe mit

Strahlentherapeuten, um die Möglichkeiten einer synergistischen Nutzung einer derartigen

Anlage zum Zwecke der Krebsbehandlung frühzeitig mit zu bedenken. Diese Überlegungen

stellten zunächst lediglich einen zusätzlichen interessanten Aspekt zu dem physikalischen

Großforschungsprojekt AUSTRON dar. Im Rahmen der im November 1994 fertiggestellten

Machbarkeitsstudie für das Gesamtprojekt „AUSTRON“ war der medizinische Teil folgerichtig

zwar schon integriert, jedoch im wesentlichen entsprechend dem damaligen Entwicklungsstand

als „Appendix“ angefügt.

In den letzten Jahren gelang es in der weiteren Entwicklung, eine selbständig arbeitende

interdisziplinäre Gruppe in Österreich zu etablieren, die sich intensiv mit der Thematik eines

radioonkologischen Therapieprojektes und der Errichtung eines speziellen Beschleunigers zur

Krebsbehandlung mit Protonen und Leichtionen auseinandersetzt: Med-AUSTRON.

Die aktuelle geopolitische Situation Österreichs nach dem Fall des „eisernen Vorhangs“ und

dem Beitritt zur Europäischen Union spielt hierbei eine herausragende Rolle: bei einem

derartigen Therapieprojekt handelt es sich von vornherein um eine über die nationalen Grenzen

hinausgehende Behandlungs- und Forschungseinrichtung, bei der die benachbarten Staaten mit

einbezogen werden müssen.

Diese selbständige Med-AUSTRON-Initiative wurde möglich dank des Engagements und

der Kooperationsbereitschaft zahlreicher Radioonkologen, Physiker und Biologen aus Österreich

und den Nachbarländern, sowie weiteren europäischen Ländern und aus dem außereuropäischen

Ausland, unterstützt von der Österreichischen Gesellschaft für Radioonkologie, Strahlenbiologie

und Medizinphysik (ÖGRO), der AUSTRON-Projektgruppe einschließlich dem Medizinischen

Beirat, einer maßgeblichen Gruppe von Beschleunigerphysikern aus dem CERN, Vertretern des

Wissenschafts- und Gesundheitsministeriums, sowie Vertretern zahlreicher anderer

Berufsgruppen aus unterschiedlichsten Bereichen wie Architektur, Wirtschaft und Technik.

Als erstes Ziel dieser Med-AUSTRON-Projektgruppe wurde die Erstellung einer

Machbarkeitsstudie definiert, um die Bedingungen für ein zukunftsweisendes internationales

Band I: Vorworte

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 13

radioonkologisches Projekt in der Krebsforschung und Krebsbehandlung zu untersuchen,

entweder als eigenständiges Projekt oder in Zusammenhang mit der Errichtung einer

physikalischen Großforschungsanlage (AUSTRON). Letztendlich ist die Erstellung einer

derartigen Machbarkeitsstudie jedoch ernsthaft nicht möglich, wenn nicht tatkräftige finanzielle

Unterstützung von Seiten Dritter zuteil wird. Diese Unterstützung erfolgte zunächst durch die

Stadt Wiener Neustadt und die Direktion des CERN in Genf, seit dem Juli 1997 auch durch das

Land Niederösterreich. Von Wiener Neustadt und dem Land Niederösterreich wurden die

finanziellen Mittel für das Projektmanagement und den Aufbau, sowie den Unterhalt einer

koordinierenden Büroorganisation im Regional-Innovationszentrum in Wiener Neustadt

bereitgestellt. Vom CERN in Genf wurde eine Gruppe von Beschleunigerphysikern mit der

Planung eines speziell für die Protonen- und Leichtionentherapie ausgerichteten Beschleunigers

für zwei Jahre betraut.

Dank dieser hervorragenden Unterstützung konnten wir vor zwei Jahren mit der Erstellung

der Machbarkeitsstudie für dieses onkologische Therapieprojekt beginnen, die wir hiermit

vorlegen. Entsprechend den unterschiedlichen inhaltlichen Schwerpunkten haben wir eine

Gliederung in drei Hauptteile (Bände) vorgenommen, für die entprechend der jeweiligen

Thematik eine bestimmte Herausgebergruppe maßgeblich war:

Band I: Die Bedeutung der Hadronentherapie für die Krebsbehandlung: R. Pötter,

T. Auberger

Band II: Der Med-AUSTRON Beschleuniger - ein europäisches Konzept zur Protonen- und

Ionentherapie - Aspekte der Beschleunigerphysik und der Medizinphysik: M. Regler,

E. Griesmayer, U. Haverkamp

Band III: Konzept zur Realisierung eines österreichischen Hadronentherapiezentrums:

T. Auberger, R. Pötter, K. Poljanc

Appendix: Accelerator Complex Study Group (CERN)

Die einzelnen Beiträge wurden von zahlreichen Beteiligten mit großem Engagement verfaßt.

Im Anschluß an die einzelnen Bände wird im Anhang (Appendix) ein Beschleunigerkonzept von

der Gruppe der Beschleunigerphysiker am CERN vorgelegt (PIMMS), das im Zusammenhang

dieser Studie unter Beteiligung österreichischer Wissenschafter entwickelt wurde, denen hierfür

ein großer Dank gilt.

Band I: Vorworte

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 14

Ein großer Dank darf an dieser Stelle allen an dieser Machbarkeitsstudie Beteiligten

ausgesprochen werden, nicht zuletzt der Redaktionsgruppe im Med-AUSTRON-Büro. Der

koordinierenden Redaktionsgruppe im Med-AUSTRON-Büro gebührt eine besondere

Anerkennung für das unermüdliche Engagement. Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die

Tatsache, daß sämtliche Autoren und Co-Autoren ihre Beiträge unentgeltlich zusammengestellt

haben.

Zum Schluß sei noch einmal ausdrücklich ein besonderer Dank an die politischen Kräfte in

Wiener Neustadt und an das Land Niederösterreich ausgesprochen, die das Bisherige ermöglicht

haben. Es ist zu hoffen, daß der eingeschlagene Weg über die Fertigstellung der

Machbarkeitsstudie hinaus letztendlich bis zur Realisierung dieses - für die Krebstherapie -

zukunftsweisenden Projekts in das nächste Jahrhundert führt.

Die Herausgeber

Wr. Neustadt, Dezember 1998

Band I.1: Einleitung

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 15

I.1 Einleitung: Ziel der Gesamtstudie

T. Auberger, R. Pötter

Ziel dieser Machbarkeitsstudie war es, Sinn und Notwendigkeit eines internationalen

Forschungs- und Behandlungszentrums für Protonen und leichte Ionen vor dem Hintergrund der

Entwicklung der internationalen Krebstherapieforschung und insbesondere der technischen

Entwicklung der Strahlentherapie aufzuzeigen. Insbesondere sollten die physikalischen und

biologischen Vorteile der neuen Strahlenarten erläutert und die bisherigen klinischen Ergebnisse

der neuen Therapieformen vorgestellt werden.

Des weiteren sollte gezeigt werden, welche Tumorarten mit einer Hadronentherapie besser

zu behandeln sind als mit den bisherigen Behandlungsmethoden und wie viele Patienten aus dem

In- und Ausland von dieser Therapie profitieren könnten. All diese Fragen werden im Band I

dieser Studie im Detail diskutiert.

Ein weiteres Ziel war es, die wissenschaftlichen Voraussetzungen eines solchen neuartigen

Behandlungszentrums aufzuzeigen und die technische und bauliche Durchführbarkeit der

Konstruktion darzulegen. Antworten auf diese Fragen soll der Band II dieser Studie geben, ohne

daß eine technische Designstudie, die Details bis zur Konstruktionsreife entwickeln wird,

vorweggenommen werden kann. Durch die enge wissenschaftliche Verbindung mit dem

internationalen Forschungszentrum CERN in Genf ist es möglich, innerhalb eines

beschleunigerphysikalischen Ergänzungsbandes bereits weiter in die technischen Details des

geplanten Medizin-Großbeschleunigers vorzudringen, als es für eine Machbarkeitsstudie üblich

ist. Dieser ergänzte Band erscheint noch im Herbst dieses Jahres in Form eines CERN Reports in

englischer Sprache als Ergänzung zu dem physikalisch-technischen Band II unserer

Machbarkeitsstudie.

Im Band III der Studie werden die Eckdaten des medizinisch-klinischen und des

wissenschaftlichen Betriebes dargestellt, die möglichen Patientenkapazitäten, der

Personalaufwand für die verschiedenen Betriebsphasen, sowie Ausstattungs-, Raum- und

Architekturkonzepte vorgelegt. Des weiteren wird der Aufwand an Investitions- und

Betriebskosten kalkuliert und die Synergieeffekte mit dem Standort Wiener Neustadt

insbesondere mit dem dort geplanten neuen Stadtteil „Civitas Nova“ diskutiert.

Band I.1: Einleitung

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 16

Ein weiterer wesentlicher Punkt der Diskussion war der Stellenwert eines österreichischen

Hadronentherapiezentrums im Rahmen eines europäischen Gesamtkonzeptes. Selbstverständlich

konnten mit den vorhandenen Mitteln und im vorgesteckten Zeitrahmen nicht alle Details in

vollem Maße ausgeschöpft werden. Insbesondere ist zu berücksichtigen, daß alle Kalkulationen

und Schätzungen, besonders die Berechnungen der Investitions- und Betriebskosten, von den

augenblicklich bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen ausgehen. Eine Vertiefung, bzw.

Ergänzung der Studie erscheint vor allem im Bereich epidemiologischer Evaluationen, im

Bereich der östlichen Nachbarländer und im Bereich der Wertschöpfungsanalysen sinnvoll.

Im Rahmen der Arbeit an dieser Studie ist eine enge Zusammenarbeit mit Wissenschaftern

in Österreich und dem Ausland entstanden. Eine daraus hervorgegangene Arbeitsgruppe wird

sich auch weiterhin intensiv mit der wissenschaftlichen Fortentwicklung der Hadronentherapie

und mit Verbesserungen der vorgelegten Konzepte befassen, die wie alle anderen

wissenschaftlichen Projekte stets nur eine Momentaufnahme in der immer fortschreitenden

Entwicklung neuer Wege sein können.

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 17

I.2 Stand der Krebsbehandlung in Europa unter besonderer

Berücksichtigung der Strahlentherapie

H.D. Kogelnik, P. Lukas, A. Hackl, F. Sedlmayer

Die unzähligen Herausforderungen an die moderne Medizin inkludieren wissenschaftlich

ungelöste Probleme (z.B. Krebs, Aids), die nicht immer ausreichende Verfügbarkeit einer

Spitzenmedizin, einen ungenügenden Transfer vorhandenen Wissens, die Problematik durch die

gesteigerte Lebenserwartung, etc. Krebserkrankungen sind nach wie vor eines der größten

Probleme der Medizin. Derzeit erkrankt bereits etwa jede dritte Person im Laufe des Lebens an

einem malignen Tumor, und jeder fünfte Mensch stirbt durch Krebs [1].

Jeder 3. Mensch erkrankt im Laufe seines Lebens an Krebs

Jeder 5. Mensch stirbt an Krebs

Im Laufe der Jahrzehnte sind die Krebsüberlebensraten graduell von etwa 5% am Beginn

des Jahrhunderts auf 15% in den dreißiger Jahren, und dann von 30% um 1960 auf etwa 45% in

den frühen neunziger Jahren angestiegen. Die gegenwärtige „beobachtete“ 5-Jahres-

Überlebensrate ist 40%. Nach Adjustierung für die normale Lebenserwartung (Berücksichtigung

von Faktoren wie Todesursachen durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Unfälle und

Erkrankungen des höheren Alters) wird jetzt für alle Krebsarten eine „relative“ 5-Jahres-

Überlebensrate von 54% erzielt [1]. Um Fortschritte in der Karzinomtherapie messen zu können,

wird gewöhnlich die relative Überlebensrate verwendet.

Zum Diagnosezeitpunkt haben zirka 70% aller Krebspatienten keine nachweisbaren

Fernmetastasen und benötigen in erster Linie eine lokoregionale Behandlung (Operation

und/oder Strahlentherapie). Mit vermehrten Screening-Untersuchungen und früherer

Diagnosestellung kann eine weitere Zunahme lokal heilbarer Karzinome erwartet werden.

Der relative Beitrag zu den Krebsheilungen durch die drei wesentlichen

Therapiemodalitäten (Chirurgie, Strahlentherapie, Chemotherapie) ist aus nachfolgender

Aufzählung ersichtlich [18]. Die moderne Radiotherapie (Radioonkologie) ist bei nahezu der

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 18

Hälfte aller Heilungen beteiligt. Gegenwärtig erfolgen etwa 90% aller Krebsheilungen

ausschließlich durch die lokoregionale Behandlung, also durch Operation und Strahlentherapie

(„Stahl und Strahl“) [8].

Krebsheilungen nach Behandlungsmodalitäten [18]

Von 100 Krebspatienten werden:

�� 22 durch Chirurgie geheilt

�� 18 durch Strahlentherapie geheilt (allein oder kombiniert mit anderen Modalitäten, aber

mit Radiotherapie als die dominierende Behandlungsform)

�� 5 durch Chemotherapie geheilt (allein, oder häufiger kombiniert mit anderen

Modalitäten)

Von allen Krebsheilungen erfolgen 90% im wesentlichen durch lokale Therapie

(Operation und/oder Radiotherapie)

I.2.1 Bedeutung der lokalen Tumorkontrolle in der Krebstherapie

Für die überwiegende Mehrzahl aller Krebsarten gilt, daß die permanente Beherrschung der

lokoregionalen Krebsgeschwulst (lokale Tumorkontrolle) die unabdingbare Vorbedingung für

eine Krebsheilung ist. Eine erfolglose Behandlung des Primärtumors führt letztlich immer zum

Tode des betroffenen Patienten, da ein nicht mehr heilbares Fortschreiten des Krebswachstums

(lokoregional und/oder Fernmetastasen) eintritt.

Es existieren klare wissenschaftliche Analysen, aus denen hervorgeht, daß durch eine

verbesserte lokale Krebstherapie höhere Heilungsraten erzielbar sind [17]. Außerdem wird eine

effektivere strahlentherapeutische Lokalbehandlung vermehrt zu organerhaltenden Therapien

führen und somit zu einer verbesserten Lebensqualität beitragen.

Von den zirka 55% der derzeit nicht heilbaren Krebspatienten muß immer noch ein Drittel

(18%) deshalb sterben, weil trotz des optimalen Einsatzes aller heute zur Verfügung stehenden

Behandlungsformen die lokale Krebsgeschwulst nicht beherrschbar ist (etwa 37% aller

Krebspatienten sterben wegen unheilbarer Fernmetastasen) [4]. Dies bedeutet mit anderen

Worten, daß insgesamt noch immer jeder sechste Krebspatient primär aufgrund der

Unbeherrschbarkeit der lokalen Krebsgeschwulst stirbt. Wenn eine 100%ige lokale

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 19

Tumorkontrolle gelingen könnte, wäre es möglich, die derzeitigen Heilungsraten um zirka 15%

zu erhöhen [16], und außerdem könnten vermehrt organerhaltende Behandlungen durchgeführt

werden.

I.2.2 Allgemeine Bemerkungen zur Radiotherapie

Im Rahmen der interdisziplinären Krebstherapie kommt der Radioonkologie sowohl im

kurativen, als auch im palliativen Behandlungskonzept ein besonderer Stellenwert zu. Zwei

Drittel aller Krebspatienten benötigen die Hilfe der Strahlentherapie, welche somit die häufigst

angewandte Therapieform bei Tumorpatienten ist [8]. Etwa die Hälfte aller

Bestrahlungsindikationen ist kurativ, die andere Hälfte palliativ. Durch die moderne

Radioonkologie können bei zirka 40% aller geheilten Patienten schonendere organerhaltende

Behandlungsformen (z.B. Mammakarzinom) ermöglicht werden, was für die Lebensqualität der

betroffenen Patienten von großer Bedeutung ist [3].

Kobaltgeräte und Linearbeschleuniger stellen für die Photonen-Teletherapie die

Standardausrüstung radioonkologischer Zentren dar. Bei modernen Linearbeschleunigern

kommen zwei unterschiedliche Photonenenergien, sowie variable Elektronenenergien bis 25

MeV zum Einsatz. Für die Brachytherapie werden Nachladegeräte sowohl für das High-dose-

rate-, als auch für das Low-dose-rate-Verfahren verwendet.

Die Strahlentherapie mit Hadronen ist derzeit weltweit nur in einigen wenigen Zentren

möglich. Die bei der Hadronentherapie applizierten Teilchen inkludieren Neutronen, Protonen,

Pionen (negative Pi-Mesonen), Leichtionen und Schwerionen. Bei der Ionentherapie werden

Teilchen bis zur Atomzahl 20 (Neon) als Leichtionen bezeichnet, während alle übrigen Nuclei

mit höheren Atomzahlen zu den Schwerionen zählen (z.B. Silizium, Argon).

Die „philosophische“ Grundlage der Strahlentherapie wie überhaupt die der gesamten

Medizin liegt darin, einen maximalen therapeutischen Effekt mit einem Minimum an Morbidität

zu erreichen, d.h. die sigmoidförmig verlaufenden Dosis-Wirkungs-Kurven für die

Wahrscheinlichkeit einer Tumorkontrolle (TCP, tumor control probability) und für das Auftreten

von Normalgewebsschädigungen (NTCP, normal tissue complication probability) sollten

möglichst weit voneinander entfernt sein.

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 20

Prinzipiell bestimmen in der Radioonkologie sowohl strahlenbiologische als auch technisch-

physikalische Faktoren die lokale Tumorkontrolle. Während radiobiologische Faktoren im

allgemeinen darauf abzielen, bei gleicher Strahlendosis einen relativ größeren Schaden im Tumor

hervorzurufen, sind physikalisch-technische Faktoren in erster Linie darauf ausgerichtet, höhere

Strahlendosen auf den Tumor als auf das umliegende Normalgewebe zu applizieren

(Hochpräzisions-Strahlentherapie mit verbesserter Dosisverteilung und topographischer

Selektivität). Es werden in der Radioonkologie ständig intensive Forschungsarbeiten in beiden

Richtungen durchgeführt, um höhere Tumorkontrollraten mit einer akzeptablen

Nebenwirkungsrate zu erzielen.

I.2.3 Mögliche strahlenbiologische Ursachen von Rezidiven nach Radio-

therapie und klinische Implikationen

Der sinnvollste Ansatz zur Verbesserung radiotherapeutischer Erfolge liegt in der Studie

und Analyse der Ursachen von strahlentherapeutischen Mißerfolgen (z.B. Rezidive).

Grundsätzlich gibt es drei ursächliche strahlenbiologische Möglichkeiten von Versagern nach

Radiotherapie:

�� Tumor-Klonogen-Faktoren

�� Normalgewebs-Faktoren und

�� die Zufallswahrscheinlichkeit des Zellabtötens durch ionisierende Strahlen.

Tumor-Klonogen-Faktoren, welche für eine gegebene Strahlendosis die Wahrscheinlichkeit

einer Tumorkontrolle limitieren, inkludieren ein großes Tumorvolumen (große Anzahl von

klonogenen Tumorzellen), ein Tumorwachstum bzw. eine (akzelerierte) Regeneration der

klonogenen Tumorzellen während der Strahlentherapie, eine variable inhärente

Strahlensensibilität, eine inadäquate Progression von Tumorzellen innerhalb des Zellzyklus

(mangelnde Redistribution in strahlensensiblere Zellzyklusphasen), die Reparatur von potentiell

letalen Schäden sowie die Hypoxie (erhöhte Strahlenresistenz um einen Faktor von etwa drei).

Auch Normalgewebs-Faktoren können zu einem Therapieversagen beitragen, da sie die

tolerable Strahlendosis limitieren. Die funktionelle Bedeutung eines Organs ist dafür ein

Beispiel, weil einige Tumoren wegen ihrer unmittelbaren Nachbarschaft zu kritischen Strukturen

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 21

und Organen (z.B. Myelon) durch die herkömmliche Strahlentherapie schwer zu heilen sind.

Eine relativ kleine Anzahl von Stammzellen ist die Ursache für eine niedrige „Toleranzdosis“

mancher Organe (z.B. Niere). Die mangelnde Regeneration von Stammzellen während der

Radiotherapie hat in jenen Geweben und Organen eine besondere Bedeutung, in welchen

Spätfolgen auftreten, und daher können in solchen Situationen nur relativ niedrige Strahlendosen

toleriert werden. Auch das Ausmaß des Volumens des bestrahlten Normalgewebes kann zu einer

beträchtlichen Dosislimitierung und daher zu einer verminderten TCP führen. Schließlich können

etliche patho-physiologische Faktoren als Ursache für ein Rezidiv nach einer Strahlentherapie

verantwortlich gemacht werden (z.B. schlechte Mundhygiene und Karies bei HNO-Patienten,

Hypertension, Diabetes und andere Systemerkrankungen, Anämie, Rauchen).

Die Zufallswahrscheinlichkeit, mit der durch die Strahlentherapie Zellen abgetötet werden,

führt zu einer logarithmischen Abnahme der Tumorzellzahl. Es besteht allein aus diesem Grunde

immer eine Chance, daß eine Zelle überlebt, auch wenn die meisten anderen Zellen schon

mehrfach letal getroffen wurden. Dieses Gesetz der Zufallswahrscheinlichkeit beim Überleben

von Zellen nach Bestrahlung ist auch die Basis für die sigmoide Dosis-Wirkungs-Beziehung.

Durch Integration strahlenbiologischer Prinzipien in die klinische Praxis hat sich bei

„operablen“ Tumoren die Kombination von Chirurgie und Strahlentherapie bei einer großen

Anzahl von Tumoren als die optimale lokoregionale Therapie durchgesetzt. Die Radiotherapie

kann kleinere Tumormanifestationen im subklinischen Bereich (bis etwa 106 klonogene

Tumorzellen) mit relativ niedrigen Strahlendosen in einem sehr hohen Prozentsatz bei

gleichzeitig minimaler Morbidität permanent sterilisieren, ist aber bei zunehmender Tumorgröße

weniger erfolgreich. Umgekehrt ist die Chirurgie optimal zur Entfernung der makroskopisch

vorhandenen Tumormassen geeignet, hat jedoch ihre Schwächen im subklinischen Bereich, weil

dann wesentlich radikalere und oft unnotwendig mutilierende Eingriffe mit fragwürdiger

Effizienz eingesetzt werden müßten. Daher ergänzen sich chirurgische und

strahlentherapeutische Kombinationsbehandlungen (insbesondere auch bei schonenderen

organerhaltenden Behandlungen), weil nicht nur die TCP erhöht, sondern auch die

Wahrscheinlichkeit von Komplikationen reduziert wird.

Auch die Interaktion von Strahlentherapie und Chemotherapie kann das therapeutische

Verhältnis verbessern (z.B. Tumorverkleinerung durch Chemotherapie beim M. Hodgkin,

anschließend Radiotherapie mit reduzierter Dosis auf ein verkleinertes Volumen). Eine Variation

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 22

des gleichen Prinzips ist die feldverkleinernde Bestrahlungstechnik (Dosisaufsättigung auf

zentrale Tumormassen), sowie der Einsatz der Brachytherapie für diese zentralen

Tumorresiduen. Geänderte Dosisfraktionierungen (z.B. Hyperfraktionierung bzw. akzelerierte

Fraktionierung), der Einsatz von Strahlensensibilisatoren und Radioprotektoren sowie die

Anwendung von Hadronen mit einem hohen linearen Energietransfer (Neutronen, Leicht- und

Schwerionen, Pionen) für „strahlenresistente“ Tumoren sind weitere klinische Implikationen,

welche aus strahlenbiologischen Prinzipien gewonnen wurden.

Physikalisch-technische Faktoren, die Einfluß auf die lokale Tumorkontrolle haben

Physikalisch-technische Faktoren, die einen signifikanten Einfluß auf die lokale

Tumorkontrolle besitzen, zielen in erster Linie darauf ab, das Bestrahlungsvolumen für

makroskopisch vorhandene Tumorzellmassen zu reduzieren. Bei Hadronen mit hohem linearen

Energietransfer (LET) kommt zusätzlich zu ihrer besonderen radiobiologischen Wirkung (RBE)

noch der Vorteil ihrer hohen physikalischen (topographischen) Selektivität hinzu (siehe auch

Kapitel I.4).

Bedeutende physikalisch-technische Faktoren für die Radioonkologie inkludieren die

gesamte Entwicklung der Hochenergiestrahlen (bis zu den modernsten Linearbeschleunigern)

und alle brachytherapeutischen Errungenschaften. Die verbesserten bildgebenden Verfahren (z.B.

Computertomographie, Kernspintomographie), die dreidimensionale Dosisberechnung, die

Verwendung von Mehrfachblenden-Kollimatoren, die stereotaktische Radiotherapie, die

intraoperative Radiotherapie, verbesserte Patientenlagerungsmöglichkeiten sowie eine Megavolt-

online-Bildgebung sind weitere Ansatzpunkte zur Erreichung höherer Heilungsraten.

Vorteil der Leichtionen: hohe radiobiologische Effektivität

hohe topographische Selektivität

Für die im Laufe der letzten Jahrzehnte erzielten signifikanten Zuwächse an Heilungsraten

in der Radiotherapie haben vor allem die technisch-physikalischen Fortschritte, welche zu einer

verbesserten Dosisverteilung im Zielvolumen führten, beigetragen. Dabei wurden die höheren

Tumorkontrollraten primär dadurch erreicht, weil höhere Strahlendosen auf kleinere

Behandlungsvolumina appliziert werden konnten. Als Beispiel werden in Tabelle 2.3-1 die

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 23

eindrucksvollen Verbesserungen der Heilungsraten von verschiedenen Krebsarten durch die

Hochvolttherapie (Kobaltgeräte und Beschleunigeranlagen) in den sechziger Jahren im Vergleich

zur vorher ausschließlich vorhandenen Orthovolttherapie (konventionelle Röntgentherapie)

angeführt [14].

Tabelle 2.3-1: Verbesserte Überlebensraten durch Hochvolttherapie bei verschiedenen

Krebsarten [14].

Repräsentative 5-Jahres-Überlebensraten (%)

Krebsart Orthovolttherapie Hochvolttherapie

M. Hodgkin 30-35 70-75

Zervixkarzinom 35-45 55-65

Prostatakarzinom 5-15 55-60

Nasopharynxkarzinom 20-25 45-50

Harnblasenkrebs 0- 5 25-35

Eierstockkrebs 15-20 50-60

Retinoblastom 30-40 80-85

Seminom 65-70 90-95

Embryonaler Hodenkrebs 20-25 55-70

Tonsillenkarzinom 25-30 40-50

Wie die geschichtliche Entwicklung zeigt, bestehen berechtigte Hoffnungen, daß durch

geladene Teilchen (Protonen, Leichtionen, Schwerionen) allein aufgrund der damit verbundenen

überlegenen topographischen Selektivität zukünftig weitere Anstiege der Krebsheilungsraten zu

erwarten sind.

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 24

I.2.4 Zur Situation der Radioonkologie in Europa

(mit ausgewählten Beispielen)

Allgemein kann man zur Situation der Radioonkologie in Europa sagen, daß in den meisten

Ländern insbesondere in den vergangenen 20 Jahren ein enormer Aufschwung dieser klinischen

Spezialdisziplin stattgefunden hat und sich die Anzahl der radioonkologischen Zentren (mit der

gesamten dazugehörigen Infrastruktur) deutlich erhöht hat. Einschränkend muß hinzugefügt

werden, daß quantitativ die international vorgegebenen Standards (bis zu zwei von drei

Krebspatienten würden von einer Strahlentherapie profitieren) [8, 13] von vielen europäischen

Ländern noch nicht erreicht werden. Im Unterschied dazu ist die radiotherapeutische Versorgung

in den USA und in Kanada sehr gut. Es gibt in vielen Ländern Europas regional noch deutliche

Unterschiede hinsichtlich der Verfügbarkeit von strahlentherapeutischen Zentren. Außerdem

besteht insgesamt ein klares West-Ost-Gefälle, teilweise auch ein Nord-Süd-Gefälle.

Aus einer 1990 veröffentlichten Studie geht hervor, daß in den damaligen Ländern der

Europäischen Gemeinschaft im Jahr 1980 1,186.000 neue Krebsfälle aufgetreten sind, und im

gleichen Jahr 730.000 Todesfälle durch Krebs zu verzeichnen waren [12]. Diese Zahlen sollen

lediglich veranschaulichen, wie viele Menschen bei einer relativen strahlentherapeutischen

Unterversorgung betroffen sein können. Die Krebsinzidenzrate pro Jahr pro 100.000 Einwohner

variierte in den damaligen Mitgliedstaaten bei Frauen von 0,5 (Larynxkarzinom) bis 56,8

(Brustkrebs), bei den Männern von 1,5 (Gallenblasenkarzinom) bis 64,0 (Lungenkrebs) [12].

Hierzu ist zu bemerken, daß die jährliche Zunahme der Krebsinzidenz bei etwa 1 - 2% liegt, so

daß allein dadurch ein zusätzlicher Bedarf an strahlentherapeutischen Einrichtungen erforderlich

sein wird [15].

Pro Jahr nimmt die Krebshäufigkeit um 1 % bis 2 % zu

In Schweden (Einwohnerzahl 8,6 Millionen) werden jährlich etwa 40.000 neue

Krebspatienten diagnostiziert, und 20.000 Menschen sterben durch Krebs. In einer kürzlich

erschienenen Publikation einer Arbeitsgruppe wurden für Schweden u.a. folgende

Schlußfolgerungen gezogen [15]: Knapp ein Drittel aller schwedischen Karzinompatienten erhält

eine Strahlentherapie (die radiotherapeutische Unterversorgung bezieht sich in erster Linie auf

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 25

palliative Bestrahlungsindikationen); bis zum Jahr 2010 wird mit einer Zunahme an

Krebspatienten von 18% gerechnet, und dies wird zu einem größeren Bedarf an

Strahlenbehandlungen führen; trotz wissenschaftlicher Sicherstellung ist die Anwendung der

hyperfraktionierten Radiotherapie in Schweden noch limitiert; es gibt in der einschlägigen

Literatur keinen Hinweis, daß in absehbarer Zeit die Strahlentherapie durch eine andere

Krebsbehandlungsform ersetzt werden könnte.

Auf dem Sektor der Protonentherapie und der Radiochirurgie hat Schweden bereits vor

Jahrzehnten Pionierarbeit geleistet.

In den Niederlanden bestehen 19 strahlentherapeutische Zentren. In diesen Institutionen

wurden im Jahre 1990 insgesamt 27.000 neue Krebspatienten bestrahlt, das sind etwa 47% aller

Patienten [9]. In Großbritannien liegt der Vergleichswert bei etwa 53% [15].

Frankreich hat entsprechend seiner großen strahlentherapeutischen Tradition bereits 1968

die formelle Trennung von Röntgendiagnostik und Radiotherapie vollzogen. In allen 30

medizinischen Fakultäten wurde ein Professor für Radioonkologie bestellt. Im Jahre 1995

existierten in Frankreich 185 spezialisierte radiotherapeutische Zentren (Einwohnerzahl 58

Millionen), und über 600 Radioonkologen betreiben 223 Hochvolttherapiegeräte [19]. Außerdem

sind drei Zyklotrone zur Hadronentherapie im Einsatz gegen den Krebs.

In Deutschland ist in den letzten Jahren der klinische und technische Standard der

Radiotherapie, ebenso auch die wissenschaftliche Leistung, wieder mit dem internationalen

Standard vergleichbar geworden (insbesondere bezogen auf die USA, Großbritannien, Frankreich

und die skandinavischen Länder) [6].

In der Schweiz (Einwohnerzahl 7 Millionen) sind 16 radioonkologische Institutionen

vorhanden (davon 5 Universitätskliniken). Mit 37 Hochvolttherapiegeräten wurden 1995 über

12.000 Krebspatienten bestrahlt [11]. Das Paul Scherrer Institut in Villigen/Schweiz ist

zusätzlich eines der führenden Protonen-Forschungszentren der Welt.

In Österreich hat sich in den vergangenen 10 Jahren die strahlentherapeutische Versorgung

der Krebspatienten drastisch verbessert und an internationale Standards angenähert. In einer

1992/1993 erhobenen Studie wurde festgestellt, daß nahezu 11.000 von 30.000 neuen

Krebspatienten, i.e. 37%, bestrahlt wurden [7]. Damals standen für die 8 Millionen Österreicher

in 11 strahlentherapeutischen Institutionen insgesamt 22 moderne Hochvolttherapiegeräte zur

Verfügung (im Jahr 1989 lediglich 15 moderne Geräte). 1998 sind bundesweit bereits 32

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 26

Hochvolttherapiegeräte in 12 radioonkologischen Zentren im Einsatz. Die Errichtung weiterer

Therapiezentren ist in Planung.

Italien hat bei einer Einwohnerzahl von 57 Millionen Menschen jährlich etwa 240.000 neue

Krebspatienten (145.200 Krebstodesfälle im Jahr 1988). Etwa 50.000 Patienten pro Jahr

bekommen keine adäquate strahlentherapeutische Behandlung, wobei die Unterversorgung

besonders im Süden des Landes evident ist [20]. In 93 radiotherapeutischen Institutionen sind

155 Hochvolttherapiegeräte im Einsatz.

In Spanien (Einwohnerzahl 1991: 38.872.279) existieren 77 radiotherapeutische

Institutionen mit 130 Hochvolttherapiegeräten (davon 84 Kobaltgeräte) [10]. Etwa 39.500

Krebspatienten wurden 1991 und 1992 pro Jahr bestrahlt (internationaler Sollwert: 77.800).

Österreich im internationalen Vergleich

0

1

2

3

4

5

6

F Ch E I Ö

Zentren / Mio EinwohnerGeräte / Mio Einwohner

Abbildung 2.4-1: Relative Anzahl der Zentren und Geräte in ausgewählten

europäischen Ländern.

1.Europäische Krebsforschungsstrategie

Vor wenigen Jahren wurde von der Kommission der Europäischen Gemeinschaft,

Generaldirektion XII - Abteilung Medizin, ein Strategiepapier mit dem Titel „Europäische

Krebsforschungsstrategie“ veröffentlicht [8]. Der Strategieansatz II (Verbesserung der

Lokalbehandlung) wurde teilweise weiterentwickelt und gleichzeitig als „Strategie der

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 27

Europäischen Gemeinschaft im Hinblick auf die Verbesserung der Ergebnisse von

Krebstherapien durch Verbesserung der Strahlentherapie“ publiziert [8].

Im Anhang A1 der Europäischen Krebsforschungsstrategie wird als Ziel die Senkung der

(alterskorrigierten) Zahl der Todesfälle um 15% bis zum Jahr 2000 (im Vergleich zum Trend)

und um 25% bis zum Jahr 2010 definiert. Der strategische Ansatz zur Senkung der Zahl der

Krebstodesfälle ist aus Tabelle 2.4-2 ersichtlich.

Tabelle 2.4-2: Strategie zur Senkung der Krebstodesfälle in Europa [8].

Problem Abhilfe

I. Späte Diagnose Reihenuntersuchungen

II. a) Unzureichende Behandlung Qualitätskontrolle

Verbesserte Lokaltherapien 1

b) Tumoren mit schwieriger

Lokalisation

- Konforme Strahlentherapie 2

- Protonen 3

- Leichtionen 3

- Bor-Neutroneneinfangtherapie (BNCT)

c) Tumoren gegenwärtig

strahlenresistent

Leichtionen und BNCT

III. Konventionelle Therapien nicht

effektiv

Verbesserte Lokaltherapien in Kombination mit

verbesserten systemischen Therapien 4

1 siehe Kapitel I.4 2 siehe Kapitel I.6 3 siehe Kapitel I.6 4 siehe Kapitel I.4

Die Schlußbemerkungen des Strategieansatzes II der Europäischen Krebsforschungsstrategie

beginnen mit nachfolgenden Statements:

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 28

„In den letzten vier Jahren entwickelte die Arbeitsgruppe Krebsforschung eine

europäische Strategie für die Krebsforschung, die von dem Committee of High Level Cancer

Experts und (in einer früheren Fassung) von der CGC Medical and Health Research gebilligt

wurde. Diese Strategie bezweckt, den Forderungen nach effektiver Senkung der Todesfälle

durch Krebs in angemessener Zeit nachzukommen und die Wettbewerbssituation der

europäischen Industrie zu verbessern.

Bei dieser Strategie wird das Schwergewicht auf die Weiterentwicklung der

Strahlentherapie gelegt. Forschung auf dem Gebiet der Strahlentherapie kann mehr als die

auf den Gebieten der Chirurgie oder Chemotherapie und Immunotherapie Nutzen aus einem

transnationalen Ansatz ziehen, da sie große Anlagen benötigt. Ferner bedarf die

Strahlentherapie in höherem Maße als Chirurgie, Chemotherapie und Immunotherapie der

öffentlichen Finanzierung, da ihre Unterstützung durch die Industrie sehr viel weniger

bedeutend ist. Aus diesen Gründen konzentriert sich das vorliegende Dokument, welches eine

Lücke und Chance innerhalb des Programmes „Europa gegen den Krebs“ beschreibt, auf das

Thema der Verbesserung der Strahlentherapie. Es wird damit gerechnet, daß in Westeuropa

eine signifikante Steigerung der Krebs-Überlebensrate (5%) durch Hebung des

Qualitätsniveaus der Strahlentherapie erreicht werden könnte. Für die osteuropäischen

Länder könnte diese Steigerung sogar 15% ausmachen.“

Das EU-Dokument endet mit folgendem Wortlaut:

„Um eine kontinuierliche Entwicklung der Strahlentherapie sicherzustellen und der

europäischen Industrie zu ermöglichen, ihre Wettbewerbsposition bei Neuentwicklungen in

dieser Behandlungsart zu wahren, müssen einige Hochtechnologieprojekte gefördert werden,

die für die Strahlentherapie insgesamt und die mit ihr verknüpften diagnostischen

Bildgebungstechniken Spin-offs erbringen würden.

Experten sind der Ansicht, daß angesichts des Prinzips der Subsidiarität insbesondere

Forschungen über Leichtionentherapie und Bor-Neutroneneinfangtherapie einer direkten

Intervention seitens der Kommission bedürfen, während bei der Protonentherapie der

technische und medizinische Fortschritt bereits so groß ist, daß die Implementierung Sache

der Mitgliedstaaten sein sollte. Jedoch sollte die Kommission so bald wie möglich die

Einführung koordinieren und stimulieren.“

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 29

I.2.5 Schlußfolgerungen und Ausblick

Die ständigen Fortschritte in der Radioonkologie basieren im wesentlichen auf technisch-

physikalischem Gebiet im Sinne einer verbesserten Dosisverteilung innerhalb der zu

bestrahlenden Region, auf radiobiologischen Erkenntnissen (Erhöhung des Differentialeffektes

zwischen Tumor- und Normalgewebe), sowie auf den neueren Möglichkeiten der „predictive

assays“ (vorhersehbares Verhalten von Tumoren und Normalgeweben bei der Bestrahlung

individueller Patienten).

Die Unbeherrschbarkeit des lokoregionalen Krebsgeschehens ist derzeit noch bei jedem

sechsten Krebspatienten (bei 18% aller Patienten) die primäre Todesursache; eine Verbesserung

dieser unbefriedigenden Situation wäre von enormer Bedeutung. Wenn eine 100-prozentige

lokale Tumorkontrollrate gelingen könnte, würden die Krebsheilungsraten sofort von 45% auf

60% ansteigen.

In den letzten Jahren hat sich zunehmend gezeigt, daß durch die Hadronentherapie bei

selektierten Patienten ein beträchtliches Potential besteht, eine weitere Verbesserung der

Tumorkontroll- und Heilungsraten zu erzielen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Einsatz

geladener Partikel wie Protonen und Leichtionen.

Bezüglich der Behandlungskosten ist von Interesse, daß die Bestrahlung mit Leichtionen

unter den durchschnittlichen Kosten einer Krebsbehandlung durchgeführt werden kann [5]. In

diesem Zusammenhang wurde vor einigen Jahren in den USA festgestellt, daß für einen

geheilten Krebspatienten die Gesamtbehandlungskosten US Dollar 15.000,- betragen, für nicht

heilbare Patienten jedoch durch die wiederholten Spitalsaufenthalte und Behandlungen den 5-

fachen Betrag kosten, nämlich US$ 75.000,- [2].

Gesamtkosten einer Krebsbehandlung:

geheilter Patient USD 15.000,-

nicht geheilter Patient USD 75.000,-

Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 30

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Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 31

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Band I.2: Stand der Krebsbehandlung in Europa

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 32

Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 33

I.3 Die Rolle der Strahlentherapie im Rahmen onkologischer

Therapiekonzepte

A. Hackl, H. D. Kogelnik, F. Sedlmayer

I.3.1 Wirkungsweise der Strahlentherapie

Die Wirkung der Strahlentherapie beruht auf der Ionisation von Gewebsmolekülen. Bei der

ionisierenden Strahlung wird die Energie im Gewebe nach dem Zufallsprinzip deponiert.

Sie bewirkt damit durch Schädigungen an der DNS des Zellkerns, an der Kernmembran,

aber auch durch akkumulierte Schäden an Zellbestandteilen eine Störung des Zellwachstums, die

letztlich zum Zelluntergang führt. Obwohl alle zellulären Bestandteile geschädigt werden, ist -

was das Überleben der Zelle betrifft - die Schädigung an der DNS und dabei wiederum ein

Doppelstrangbruch die wichtigste Wirkung: Die Mitose ist nicht mehr unbegrenzt möglich. Eine

Krebszelle ohne Zellteilung ist damit keine Krebszelle mehr.

Dabei werden diese Schäden unmittelbar oder mittelbar durch eine Ionisation des Wassers,

einem der Hauptbestandteile der Zellen, verursacht. Dementsprechend kann man zwischen direkt

ionisierender Wirkung, als unmittelbaren Eingriff in das Zellwachstum und indirekt ionisierender

Wirkung, als Einwirkung von sehr aggressiven Wasserradikalen auf die umgebenden

Zellstrukturen sprechen. Etwa zwei Drittel der Schädigungen beruhen allerdings auf der

indirekten Wirkung freier Radikale, die im Rahmen der Ionisation des Wassers entstehen. Diese

Radikale haben eine Lebenszeit von wenigen Mikrosekunden und können sich daher nur über

sehr kurze Wegstrecken in einem Radius von etwa 10 nm ausbreiten.

Verschiedene Faktoren beeinflussen das Ausmaß der Schädigung am lebenden Gewebe

(siehe auch Kapitel I.4.3).

Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 34

I.3.1.1 Sauerstoffeffekt

Die Wirkung ionisierender Strahlen auf lebende Materie kann durch die Anwesenheit von

molekularem Sauerstoff verstärkt werden. Dies wird dadurch bewirkt, daß die instabilen

Radikale durch Sauerstoff viel aggressiver mit umgebenden Strukturen reagieren. Durch seine

Verbindung mit einem Elektron in der äußeren Hülle der freien Radikale entsteht ein Peroxid,

das wesentlich stabiler aber auch gewebsschädigender ist als das freie Radikal selbst [5]. Fehlt

Sauerstoff, kann zum Erzielen einer gleichen biologischen Wirkung eine bis zu 3-fache Dosis

benötigt werden. Somit ist die Sauerstoffversorgung eines Tumors und damit seine Durchblutung

ein wichtiger Faktor für seine Strahlenempfindlichkeit.

Wegen der guten Versorgung mit Sauerstoff ist auch der Mitose-Index (Anteil von Zellen,

die sich in der Mitose befinden) in der Nähe von Gefäßen am höchsten. Allerdings wandern diese

Zellen innerhalb von etwa 48 Stunden von den Gefäßen über einen schmalen Bereich mit

Hypoxie in Richtung Nekrosezone [21]. Diese Wanderung kann mit jener von Zellen in

Darmkrypten verglichen werden. Experimentell konnte nachgewiesen werden, daß diese 48

Stunden nur für einen Teil der Zellen eines bestimmten Tumors gelten, somit eine große

Streubreite der Zellzykluszeit innerhalb eines Tumors besteht [18]. Sie umfaßt bedeutende

stochastische, also nicht gesetzmäßig immer in gleicher Weise auftretende Elemente und zeigt

nur eine geringe Regelmäßigkeit. Die lebenden Tumorzellen stellen somit eine sehr dynamische

Zellpopulation dar, womit auch die kinetische Heterogenität von Tumoren erklärt werden kann

[15].

I.3.1.2 Linearer Energietransfer

Der Lineare Energietransfer (LET) beschreibt die Dichte von Ionisationsvorgängen im

Verlauf einer Bahn. Sie wird ausgedrückt in der durchschnittlichen Energie (in keV), die ein

geladenes Teilchen abgibt, wenn es eine Strecke von 1 mm durchdringt.

Ein LET-Anstieg bedeutet einen größeren Anteil abgetöteter Zellen pro Gy (Gray,

physikalische Einheit der in Materie absorbierten Energie), die Überlebenskurve für Zellen wird

steiler und verliert die ausgeprägte Schulter. Dies wiederum ist Ausdruck einer Zunahme letaler

Schäden gegenüber potentiell letalen.

Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 35

Neutronen verursachen, obwohl ungeladen, Zellschädigungen ebenso durch freie Radikale

wie die Photonenstrahlung. Der Unterschied besteht darin, daß Neutronen und ebenso andere

schwere Teilchen aus dem Molekülkern andere Teilchen herausschlagen und dadurch eine

deutlich dichter ionisierende Strahlenspur verursachen. Deshalb treten dabei mehr irreparable

Doppelstrangbrüche der DNS auf, als dies bei der Photonenstrahlung der Fall ist.

Wenn eine Strahlung mit hohem LET verwendet wird, ist die unterschiedliche

Strahlensensibilität bei oxygenierten bzw. bei hypoxischen Zellen weitgehend aufgehoben [1].

Strahlen mit hohem LET, also Neutronen, �-Strahlen und andere schwere Teilchen sind so dicht

ionisierend, daß sie, wenn sie durch ein DNS-Molekül strahlen, auch ohne Anwesenheit von

Sauerstoff einen direkten Effekt mit zahlreichen Ionisationsvorgängen pro Wegstrecke

aufweisen.

Auch bei niedriger O2-Sättigung sind high LET Strahlen hoch effektiv

I.3.2 Klinischer Einsatz der ionisierenden Strahlen

Die Strahlentherapie ist - außer bei Anwendung einer Ganzkörperbestrahlung - eine reine

lokoregionäre Maßnahme und unterscheidet sich demnach deutlich von den anderen

Behandlungsarten maligner Tumoren.

Nicht nur im Rahmen des organerhaltenden Therapiekonzeptes ist in vielen Fällen eine

begrenzte operative Entfernung von Tumoren und nicht eine exzessive operative Radikalität weit

im gesunden Gewebe im Hinblick auf die damit verbundene Reduktion der Morbidität sinnvoll.

Bei der Chemotherapie ist wiederum die Wirkung weitgehend an den Zellzyklus gebunden, so

daß Tumoren mit prozentuell nur wenigen Zellen in Teilung und solche mit ungenügender

Gefäßversorgung, wie es ja im Tumorbettbereich nach Operationen meist der Fall ist, von den

Zytostatika nicht adäquat erfaßt werden.

Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 36

I.3.2.1 Wirkung ionisierender Strahlen auf Tumoren

In Tumoren können unterschiedlich große Anteile sehr schnell proliferierender Zellen

vorkommen, die dann auch frühzeitig eine Wirkung auf ionisierende Strahlen zeigen. Andere

Tumoranteile reagieren wiederum sehr langsam.

Das Ansprechen eines Tumors auf die Bestrahlung hängt jedoch von mehreren Faktoren ab.

Neben der Proliferationskinetik maligner klonogener Zellen sind dies, wie auch beim Gewebe

aus dem sie hervorgegangen sind, die vorbestimmte Lebenszeit differenzierter Zellen innerhalb

des Tumors und die Eliminationsgeschwindigkeit abgestorbener Zellen.

Obwohl man annehmen kann, daß bei bestimmten Tumorentitäten die lokale Kontrollrate

für schnell regrediente Tumoren etwas besser ist als für jene, die sich langsam zurückbilden,

sollte man deshalb bei der Bestrahlung nicht die Gesamtdosis reduzieren [20]. Manche Tumoren,

die sich sehr schnell zurückbilden, können auch frühzeitig ein Rezidiv entwickeln. Deshalb muß

man zwischen der Geschwindigkeit einer Tumorregression und der Wahrscheinlichkeit einer

lokalen Tumorkontrolle unterscheiden. In einigen Studien konnte eine Korrelation zwischen der

Rückbildungsrate und der lokalen Kontrollrate gefunden werden, es trifft dies aber nicht auf alle

klinischen Situationen zu [Lit. bei 14]. Tumoren mit einem geringen Anteil von Zellen in der S-

Phase scheinen gegenüber einer konventionell fraktionierten Radiotherapie deutlich resistenter

zu sein. Dies wird damit begründet, daß proportional zu diesem niedrigen Zellzyklusanteil auch

die Redistribution dieser Zellen langsamer abläuft [22]. Als Folge davon wurde bei

Glottiskarzinomen des Stadium T3 N0 eine Erhöhung der Rezidivrate festgestellt.

Letztlich ist das Hauptproblem jedoch nicht die kleine Gruppe der an und für sich schon

sehr rasch wachsenden Tumoren, sondern das stark beschleunigte Wachstum von Tumoren nach

Beginn der onkologischen Behandlung.

Viele Tumoren proliferieren genau so schnell wie früh reagierendes, normales Gewebe;

deshalb ist bei einer Verlängerung der Gesamtbehandlungszeit eine deutliche Anhebung der

Gesamtdosis notwendig. Eine Prolongation der Gesamtbehandlungszeit bedeutet aber - bei

gleicher Gesamtdosis - für die Tumorkontrolle einen Nachteil.

Zwischen der 3. und der 7. Woche ist bei konventionell fraktionierter Bestrahlung von

HNO-Tumoren bei Bestrahlungsunterbrechungen mit einem Verlust von täglich 0,5 - 0,7 Gy zu

rechnen [23]. Dies konnte in zahlreichen Studien nachgewiesen werden. So zeigte sich anhand

Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 37

einer Metaanalyse von insgesamt 12 Studien über Tumoren aus dem HNO-Bereich [6] bei der

Verlängerung der Gesamtbehandlungszeit durch eine 1-wöchige Unterbrechung der

Radiotherapie eine Verringerung der Tumorkontrollwahrscheinlichkeit um durchschnittlich 14%

(3 - 25%).

Bei einer Verlängerung der Gesamtbehandlungszeit muß deshalb die Gesamtdosis erhöht

werden weil bei Verwendung niedrigerer Einzelfraktionen jede einzelne weniger wirksam ist als

eine höhere Einzelfraktion und weil eine Kompensation der Proliferation von Tumorgewebe und

früh reagierendem Gewebe notwendig ist.

Die Verlängerung der Gesamtbehandlungszeit (z.B. split course) - ohne Erhöhung der

Gesamtdosis - hat aber nur einen geringen Einfluß auf eine Reduktion von Spätschäden an

normalen Geweben, weil die entsprechenden Zellpopulationen während der Wochen der

Bestrahlung nicht signifikant proliferieren (siehe auch [25]).

I.3.2.2 Kombinierter Einsatz mit Operation

Die rationale Begründung für die Kombination einer Operation mit einer Radiotherapie liegt

in dem unterschiedlichen Wirkungsbereich beider Behandlungsarten. Die Strahlentherapie

versagt häufig im zentralen Tumorbereich mit einem großen Anteil klonogener, meist außerdem

noch hypoxischer Zellen. Sie versagt selten in der Tumorperipherie mit einer guten Durchblutung

und der relativ geringen Zahl von Tumorzellen. Die Radikalität einer Tumoroperation dagegen

wird durch die notwendige Schonung des normalen Gewebes in unmittelbarer Umgebung zum

Tumor begrenzt. Wenn operativ eine radikale Tumorentfernung nicht erreicht werden kann, ist

dies bedingt durch mikroskopische Tumorzellresiduen in der Peripherie.

Ein Vorteil der präoperativen Radiotherapie besteht in der Abtötung von peripher, im

Bereich des späteren Resektionsrandes gelegenen, gut oxygenierten Tumorzellen [3, 8] sowie im

Abtöten möglicherweise intraoperativ verschleppter Tumorzellen. Ein weiterer Vorteil besteht

darin, daß unter Umständen primär nicht operable Tumoren durch eine Vorbestrahlung

resezierbar werden [11, 13]. Diese Tumorverkleinerung scheint aber nur in seltenen Fällen

postoperativ mit einer lokalen Kontrolle verbunden zu sein. Der bekannte Nachteil einer

präoperativen Radiotherapie ist die für eine Indikationsstellung fehlende pathohistologische

Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 38

Stadieneinteilung, so daß unter Umständen auch niedrige Stadien, die eigentlich nur operativ

behandelt werden sollten, vorbestrahlt werden.

Die von chirurgischer Seite häufig als Nachteil angeführte Verzögerung eines operativen

Eingriffs wird dagegen nicht unbedingt als Nachteil empfunden [9], denn es sollte, solange

überhaupt eine Tumorbehandlung stattfindet, die Art der Behandlung keinen Unterschied

ausmachen.

Bei der präoperativen Dosierung gibt es Differenzierungen zwischen Serien mit geringen

Dosen bis zu 20 Gy und solchen mit höheren Dosen von 40 - 50 Gy, die entweder über 4 - 5

Wochen oder akzeleriert mit höheren Einzeldosen und angepaßten Gesamtdosen appliziert

werden. Die Vorbestrahlung mit einer niedrigen Dosis sollte die intraoperative Implantation von

Tumorzellen verhindern, aber eine baldige Operation ermöglichen. Bei Dosen von 40 - 50 Gy ist

dagegen bis zur Operation ein Intervall von 3 - 4 Wochen einzuhalten, da dann die akute

Strahlenreaktion abgeklungen ist. Nach niedrig dosierter präoperativer Radiotherapie ist auch

eine postoperative Aufsättigung möglich (Sandwich-Methode).

Die postoperative Radiotherapie hat ebenfalls Vor- und Nachteile. Eine genaue

pathohistologische Abklärung ermöglicht eine stadiengerechte Therapie, unnötige Bestrahlungen

können somit vermieden werden. Nach einer postoperativen Erholungsphase kann die

Radiotherapie ohne wesentliche Behinderung der Wundheilung begonnen werden. Als Nachteile

werden die fehlende Beeinflussung der intraoperativen Tumorzellaussaat sowie die z.B. nach

abdominalen Operationen durch Adhäsionen von Dünndarmabschnitten verstärkte

Komplikationsrate [7] gesehen. Außerdem werden durch die operativ notwendige

Gefäßunterbindung verbliebene, präoperativ euoxische Tumorzellen hypoxisch und damit

gegenüber einer Radiotherapie weniger strahlenempfindlich [4, 28]. Es muß auch angenommen

werden, daß in der postoperativen Indikationsstellung verbliebene Tumorzellen ihre

Wachstumsrate deutlich beschleunigen. Diese Meinung wird erhärtet durch Daten, die für HNO-

Tumoren eine reduzierte lokale Kontrollrate nachwiesen, wenn das Intervall bis zum Beginn der

Radiotherapie eine Dauer von 6 Wochen übersteigt [24].

Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 39

I.3.2.3 Prinzipien der Kombination von Radio- und Chemotherapie

Bei der Kombination dieser Therapiemaßnahmen gibt es Möglichkeiten mit und ohne

Interaktion [19].

Bei einem rein örtlichen Zusammenwirken werden Radio- und Chemotherapie für

verschiedene anatomische Bereiche des Tumorleidens eingesetzt. Sie wirken jeweils getrennt, es

besteht also keine Interaktion. Als Beispiel kann die Behandlung der Leukämie angeführt

werden; die Chemotherapie wirkt auf die Systemisierung, die Radiotherapie auf anatomische

Gebiete, die chemotherapeutisch nicht ausreichend behandelt werden (z.B. Hirnhäute).

Ein auf eine Tumorentität ausgerichtetes Zusammenwirken kann auch ohne Interaktion zu

einer verstärkten Tumorrückbildung führen. Jede Behandlungsform ist für sich wirksam, kann

aber wegen starker Nebenwirkungen nur begrenzt eingesetzt werden. Durch die Kombination

verteilen sich die Nebenwirkungen auf unterschiedliche Organe, die Wirkung auf das

Tumorgewebe wird dagegen verstärkt.

Mit einer Interaktion von Radio- und Chemotherapie ist ein potenzierendes (supra-additives)

Zusammenwirken möglich. Diese Wirkung geht über einen rein additiven Effekt hinaus. Sie ist

allerdings nur schwer nachzuweisen, da ja primär die Dosiseffektkurven - außer bei Strahlungen

mit hohem LET - nicht linear verlaufen.

Einzelne Zytostatika können durch ihre Wirkung auf bestimmte Zellzyklusphasen sowie

durch die Blockierung einer weiteren Progression der Zellen im Zellzyklus zur potentiellen

Synchronisation eingesetzt werden. Diese an und für sich elegante Methode der Strahlentherapie

durch zeitliche Gleichschaltung empfindlicher Zyklusphasen hat sich im klinischen Betrieb durch

die große kinetische Heterogenität der Tumoren nicht verwirklichen lassen [12]. Positive

Ergebnisse wurden vorwiegend in Zellkulturen und rasch wachsenden Experimentaltumoren

gefunden.

Aus den Überlegungen für eine Synchronisation des Zellzyklus ergibt sich aber auch eine

weitere Folgerung. Sie besteht darin, daß durch die Bestrahlung nicht proliferierende Zellen

stimuliert werden, sich wieder in den Zellzyklus einzuordnen. Dies wurde vor allem bei der

Kombination mit einer Chemotherapie untersucht. In experimentellen Tumoren konnte nach der

Initialzündung durch eine entsprechende Tumorhandlung eine gesteigerte Wachstumsfraktion

nachgewiesen werden [17]. Der therapeutische Gewinn ist allerdings eher zu vernachlässigen.

Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 40

Eine weitere Möglichkeit der Interaktion ist die Eigenschaft vieler Chemotherapeutika, die

Reparatur des Strahlenschadens zu verhindern [10]. Es gibt jedoch fast keine Anhaltspunkte, daß

dieser Effekt nur Tumoren und nicht auch normale Gewebe betrifft.

Im Hinblick auf die Kinetik des Tumoransprechens ist die neoadjuvante Chemotherapie mit

2 - 3 Zyklen vor einer Radiotherapie insbesondere bei HNO-Tumoren in Frage zu stellen. So ist

durch die Chemotherapie gegen Ende der Bestrahlungsserie eine beschleunigte Repopulation

klonogener Tumorzellen zu erwarten. Es ist nun durchaus möglich, daß dadurch die

chemotherapeutisch erzielte Zytoreduktion mehr als kompensiert wird. Dies kann sich in der

Folge durchaus negativ auf die lokale Kontrollrate auswirken [26]. Dagegen waren in einer

Studie mit wöchentlicher Radio- und Chemotherapie in konkomitanter Form, jeweils alternierend

mit einer Woche Pause, die Ergebnisse, was die lokale Kontrolle betrifft, trotz verdoppelter

Gesamtbestrahlungszeit nicht schlechter als nach konventioneller Radiotherapie [27].

Es gibt es auch Beweise anhand experimenteller Tumoren, daß die Chemotherapie, einige

Tage nach der Radiotherapie verabfolgt, deutlich stärkere biologische Effekte bewirkt [16].

Damit ist leider auch eine verstärkte Schädigung des normalen Gewebes verbunden, das nach

Beendigung der Radiotherapie verstärkt proliferiert.

Die Verringerung der Tumormasse durch die Chemotherapie sollte außerdem zu einer

Reoxygenierung durch die Verringerung des Anteils hypoxischer Zellen und damit zu einer

Steigerung der Strahlenempfindlichkeit von Tumoren bei der nachfolgenden Radiotherapie

führen.

Es gibt jedoch nur wenig Anhaltspunkte für diese Wirkungsweise. Es könnte die

Reoxygenierung auch durch die ersten Fraktionen der Bestrahlung verursacht werden [2].

Bei bestimmten Tumoren bietet die

Kombination von Operation, Chemotherapie und Radiotherapie

die besten Ergebnisse

bezüglich der Lokalrezidivrate als auch der Überlebensraten

Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 41

I.3.2.4 Schlußbemerkungen

Für den klinischen Einsatz ionisierender Strahlen wird es immer wichtiger,

strahlenbiologische Erkenntnisse in die Überlegungen zur Verbesserung der lokalen

Tumorkontrolle und der weitgehenden Schonung des Normalgewebes mit einzubeziehen. Da

aber vielfach tierexperimentelle Untersuchungen die Grundlage für strahlenbiologische Analysen

lieferten, muß diese Einbeziehung kritisch erfolgen.

Fest steht, daß geänderte Fraktionierungsschemata sowie der zeitlich abgestimmte Einsatz

der Chemotherapie die zytotoxische Wirkung der Strahlentherapie verbessern können. Die

Ausgewogenheit zwischen Radikalität der Operation und der bei einer adjuvanten Radiotherapie

notwendigen Höhe der Strahlendosis ist ein weiterer Punkt, der für die Organerhaltung, die

Tumorkontrolle und das umgebende Normalgewebe von ausschlaggebender Bedeutung ist.

Es ist zu erwarten und konnte zum Teil schon bestätigt werden, daß durch

strahlenbiologisch begründete Änderungen der Behandlungsschemata genauso wie durch

physikalisch-technische Fortschritte und den Möglichkeiten einer weitgehend tumorkonformen

Bestrahlung Verbesserungen der Behandlungsergebnisse maligner Tumoren erzielt werden

können.

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Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 43

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Band I.3: Die Rolle der Strahlentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 44

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 45

I.4 Physikalische Grundlagen

M. Regler, U. Haverkamp, H. Rahim, D. Georg

I.4.1 Die Rolle der Beschleuniger in der Teletherapie

Dieser Abschnitt folgt im wesentlichen der Darstellung in dem Buch Lucha W, Regler M.

Elementarteilchenphysik. Theorie und Experiment. Schulbuch- und Lehrmittelverlag Paul Sappl,

1997. (Mit freundlicher Genehmigung des Verlages.)

I.4.1.1 Historischer Abriß

Die Geschichte der Bestrahlung von Tumoren mit ionisierenden Teilchen (für die

Teilchenphysiker gehört auch das Photon zu den elementaren Teilchen) war von Anfang an eng

mit der Entwicklungsgeschichte der Beschleuniger in der physikalischen Grundlagenforschung

verbunden. Dabei muß zwischen zwei Klassen von Teilchen unterschieden werden, den

Teilchen, die beschleunigt werden können (stabile geladene Teilchen wie Elektronen, Protonen,

diverse Ionen), sowie jenen Teilchen, die mithilfe der Wechselwirkung geladener Teilchen in

einem Target erzeugt werden (das sind die ungeladenen Photonen und Neutronen, sowie

geladene Pionen, wobei letztere nur mehr historische Bedeutung haben).

So wird auch die 1897 entdeckte Röntgenstrahlung mit Hilfe eines statischen

Elektronenbeschleunigers über ein (Zwischen-)Target erzeugt. Mittels einer Glühkathode werden

in der klassischen Röntgenröhre Elektronen freigesetzt, um dann nach Beschleunigung durch

eine angelegte Hochspannung im kV-Bereich auf eine Anode (das Target) aufzuprallen. Dabei

werden als Anode Metalle mit hoher Kernladung verwendet. Der im starken Feld des Kernes

entstehenden Bremsstrahlung ist im kV-Bereich die charakteristische Strahlung der Anode

überlagert.

Durch die Erfindung des Betatrons (erste Überlegungen durch SLEPIAN 1922/23,

Stabilitätsbedingung durch WIDERÖE 1928) standen plötzlich Elektronenenergien im Megavolt-

Bereich zur Verfügung, die sowohl zur direkten Bestrahlung mit Elektronen als auch für

Bestrahlung mit harter Röntgenstrahlung (abermals unter Benützung eines Targets) benützt

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 46

wurden. Die letzte Bestrahlung mit Hilfe eines Betatrons fand im „alten“ Allgemeinen

Krankenhaus in Wien im Jahre 1996 statt. Die Maschine, die bereits 1969 ihren Betrieb aufnahm,

stellte eine Photonenenergie von maximal 42 MeV, sowie diverse (prinzipiell kontinuierlich

regelbare, aus dosimetrischen Gründen jedoch auf einige fixe Werte beschränkte)

Elektronenenergien im Bereich von 5-40 MeV zur Verfügung. Die höchste Energie mit einem

Betatron wurde 1950 von KERST (University of Ilinuis/USA) mit 300 MeV erreicht. Parallel

arbeitete LAWRENCE am Konzept des Zyklotrons (1920), das 1931 erstmals von

LIVINGSTONE (Berkeley, CA/USA), einem Studenten von Lawrence, realisiert wurde. Das

Zyklotron ist heute ein Standardinstrument in der Hadronentherapie.

VEKSLER (Ex-UdSSR) sowie McMILLAN (USA) lösten 1944/45 das Prinzip der

Phasenstabilität, womit der Weg für das Synchrotron gebahnt war. Nach Einsatz des Prinzips

der starken Fokussierung durch COURANT, LIVINGSTONE und SNYDER (Brookhaven,

NY/USA) 1952 trat das Synchrotron seinen endgültigen Siegeszug in der Kern- und

Teilchenphysik an. Neuerdings findet es auch in der fortschrittlichen Hadronentherapie

Verwendung (Vorversuche in Berkeley, Routinebetrieb in Loma Linda (CA/USA), ferner

HIMAC (Japan), sowie erste Patientenbehandlungen bei GSI (Darmstadt/D)). Der Hauptvorteil

des Synchrotrons liegt in der Möglichkeit einer fein abgestuften (aktiven) Variation der Energie,

wodurch die vielen Nachteile passiver Elemente für Strahlaufweitung und Energieanpassung

vermieden werden.

Interessant ist, daß der berühmte Beschleuniger- und Teilchenphysiker WILSON neben

seinen persönlichen Freundschaften zu Ärzten auch durch die wesentlich reichlicheren

Forschungsmittel der Medizin motiviert wurde, an einen medizinischen Einsatz des Zyklotrons

zu denken, wobei ihm sein Lehrer Lawrence zur Seite stand. Vorerst war der Schwerpunkt dieser

Zusammenarbeit die Herstellung künstlicher radioaktiver Substanzen. Schließlich wurde Wilson

- inspiriert durch die Anforderungen des Strahlenschutzes - klar, daß die Protonenstrahlen zwei

für die Radiotherapie interessante Eigenschaften besaßen: erstens haben sie im Gewebe eine

definierte Reichweite und zweitens geben sie den Großteil ihrer Energie am Ende ihrer

Wegstrecke ab, wobei letztere über die Einschußenergie gesteuert werden kann. Außerdem

werden die Protonen im Gewebe relativ gering gestreut. Die Ärzte waren skeptisch, und so waren

es vorerst eher „ausrangierte“ Beschleuniger, die in der Medizin Einzug fanden.

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 47

In der Grundversorgung der modernen Strahlentherapie werden heute vorwiegend Elektron-

Linearbeschleuniger eingesetzt. In einem Hohlraumwellenleiter werden Elektronen mittels

einer elektromagnetischen Welle auf bis zu 25 MeV beschleunigt. Die ersten Entwicklungen für

diesen Beschleunigertypus fanden nach dem 2. Weltkrieg im Stanford Linear Accelerator Center

(SLAC, CA/USA) und am Massachusettes Institut of Technology (MIT; Boston/USA) statt.

I.4.1.2 Das Betatron

Wegen seiner Bedeutung für Medizin und Technik sei das Betatron noch einmal ausführlich

beschrieben.

Beim Betatron handelt es sich, von einem rein prinzipiellen Standpunkt aus betrachtet, im

wesentlichen um nichts anderes als einen „Freiflug“-Transformator. Die elektrische

Umlaufspannung U in einer Leiterschleife eines Transformators ist nach dem Induktionsgesetz

gleich der (negativen) zeitlichen Änderung des magnetischen Flusses �, welcher die von dieser

Leiterschleife begrenzte Fläche F durchsetzt:

U ddt

� �

� .

Für ein räumlich konstantes Magnetfeld ist der magnetische Induktionsfluß � das Produkt

aus Flußdichte B und umgrenzter Fläche F:

� � BF .

Die Umlaufspannung U hängt für eine kreisförmige Leiterschleife mit dem Radius r, wie sie

ja - zwar immateriell, aber doch - auch beim Betatron vorliegt, mit der beschleunigten

elektrischen Feldstärke E E�

gemäß

U rE� 2�

zusammen. Genau diese Umlaufspannung durchläuft auch ein im Betatron beschleunigtes

Teilchen der Ladung q bei jedem Umlauf. Es erfährt daher bei jedem Umlauf einen

Energiezuwachs �E der Größe

�E =qU.

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 48

Während jedoch beim Transformator der Strom durch die Wicklungen der Spule kontrolliert

wird, muß beim Betatron durch eine speziell geformte Form der Polschuhe das Magnetfeld so

beschaffen sein, daß die Teilchenbahnen um die Sollbahn stabil bleiben (Abbildung 4.1-1).

Gleichzeitig dient der Magnet auch als Biegemagnet. Mit dem maximal möglichen Magnetfeld

ist zugleich auch die maximal erzielbare Teilchenenergie erreicht.

Abbildung 4.1-1: Betatron (schematisch nach [1]). In der Mitte zwischen den

Polschuhen liegt das gepulste Induktionsfeld, außen das Joch zur

Rückleitung des magnetischen Flusses. Die Elektronen oszillieren während

der Beschleunigung um die Sollbahn, die innerhalb des evakuierten

Strahlrohrs liegt.

Sollbahn

Joch Spule

Vakuum-

röhre

Polschuh

Induktionsfeld

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 49

I.4.1.3 Der Elektron-Linearbeschleuniger

Während man in Linearbeschleunigern für Protonen Resonatoren mit einer stehenden Welle

benützt, werden Elektronen, die wegen ihrer deutlich geringeren Masse ziemlich bald

Geschwindigkeiten in der Nähe der Lichtgeschwindigkeit erreichen, durch eine in einem

Hohlleiter laufende elektromagnetische Welle - ähnlich wie beim Surfen auf einer

Brandungswelle - beschleunigt. Die Wellengeschwindigkeit wird der Bewegung der Elektronen

durch Blenden angepaßt, die Driftröhren entfallen.

Abbildung 4.1-2: Linearbeschleuniger (siehe auch [2, 3]). Der Linearbeschleuniger

selbst befindet sich im Pendelteil des Gerätes.

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 50

I.4.1.4 Das Zyklotron

Der Weg zu den großen Beschleunigern für schwere Teilchen begann mit der Erfindung des

Zyklotrons. (Die Linearbeschleuniger für Protonen und Ionen waren vorerst recht bescheiden).

Dabei ist das Prinzip im höchsten Grade einfach: Wird an ein Paar von (wegen ihrer

offensichtlichen Erscheinungsform als solche bezeichneten) „D-Elektroden“ - die zusammen

eine „geschlitzte Dose“ bilden - ein elektrisches Wechselfeld zur Beschleunigung von (schweren)

Teilchen angelegt, und werden diese Teilchen durch ein konstantes Magnetfeld auf einer

Kreisbahn gehalten, so gibt es (allerdings nur in nichtrelativistischer Näherung!) genau eine

bestimmte Umlauffrequenz der Teilchen, welche (über die Stärke des Magnetfeldes) auf die

Frequenz des Wechselfeldes abgestimmt werden kann (Abbildung 4.1-3):

mqB

�� .

Im nichtrelativistischen Grenzfall ist nämlich die Umlaufzeit von der Geschwindigkeit

unabhängig, da der Radius der Teilchenbahn durch die Beziehung qBmvr � gegeben ist.

Werden nun Teilchen aus einer Quelle extrahiert und auf einer stabilen Kreisbahn auf die

Reise geschickt, so können diese Teilchen solange mit fester Frequenz beschleunigt werden, bis

der maximale Radius erreicht ist. Dort verlassen die Teilchen das Zyklotron in Richtung Target.

Bei höheren Energien ist selbstverständlich die relativistisch korrekte Form für die

Umlauffrequenz � des beschleunigten Teilchens zu verwenden. Dies bedeutet aber, in oben

angeführter Gleichung ist die Masse m des Teilchens durch den von der Teilchengeschwindigkeit

v und damit von Teilchenenergie abhängigen Ausdruck

�m m

vc

�12

2

zu ersetzen, so daß die Frequenz des beschleunigenden elektrischen Wechselfelds entsprechend

nachgeführt („synchronisiert“) werden muß. Man spricht in diesem Fall von einem

Synchrozyklotron. Die Frequenz der Beschleunigungsspannung muß also während der

Beschleunigung entsprechend abnehmen, um der Reduzierung der Umlauffrequenz Rechnung

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 51

tragen zu können. Die Umlauffrequenz zu korrigieren, indem man das Magnetfeld mit

steigendem Radius anwachsen läßt, scheitert an der defokussierenden Wirkung einer solchen

Magnetfeldkonfiguration.

Abbildung 4.1-3: Zyklotron [1]. Teilchen bewegen sich in einem homogenen

Magnetfeld auf einer spiralförmigen Bahn und gewinnen bei jedem

Durchlauf der Spannung im Spalt zwischen den beiden D-förmigen

Elektroden Energie.

I.4.1.5 Das Synchrotron

Statt den Radius der Teilchenbahnen wie im Zyklotron mit zunehmender Energie anwachsen

zu lassen, werden im Synchrotron die Teilchen segmentweise auf einer Kreisbahn mit festem

Durchmesser gehalten, indem das Magnetfeld entsprechend dem Impulszuwachs erhöht wird.

Dementsprechend muß die Frequenz der beschleunigenden Resonatoren mit der durch die

anwachsende Energie steigenden Umlauffrequenz abgeglichen („synchronisiert“) werden.

Anfangs stellte die Magnetfeldkonfiguration ein großes Problem dar. Nahm das Magnetfeld

nach außen hin zu schwach ab, führte dies zu Instabilitäten; nahm es zu stark ab, gingen die

Teilchen einfach nach außen hin verloren. So stand nur wenig Spielraum für die Fixierung

stabiler Teilchenbahnen zur Verfügung, und die große laterale Amplitude stellte eine ernsthafte

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 52

Begrenzung für die erzielbaren Intensitäten dar („schwache Fokussierung“). Ein Ausweg wurde

im Prinzip der starken Fokussierung gefunden.

Das Magnetfeld stammt nicht mehr nur von einem einzelnen Magneten, sondern von einer

Folge von ringförmig angeordneten Biegemagneten (Dipolmagneten), die wegen ihrer relativ

geringen Größe auch leichter „gepulst“ werden können. Der Energiezuwachs der Teilchen wird

durch mit Vielfachen der Umlauffrequenz angeregten Resonatoren bewirkt; Quadrupole und/oder

wechselnder Gradient der Biegemagnete dienen der Fokussierung (Abbildung 4.1-4). In

modernen Maschinen werden die Funktionen der Ablenkung - durch Biegemagnete - und der

starken Fokussierung - durch ein Quadrupolfeld - getrennt bewerkstelligt. Die Protonenanlagen

arbeiten mit einem linearen Vorbeschleuniger.

Erst durch das variable („gepulste“) Magnetfeld wird die Flexibilität, durch verschiedene

Magnetzyklen unterschiedliche Teilchen zu verschiedenen Endenergien zu beschleunigen,

ermöglicht.

Abbildung 4.1-4: Starke Fokussierung [1].

I.4.1.6 Der Med-AUSTRON-Beschleuniger

Das Herzstück des Med-AUSTRON-Beschleunigerkomplexes ist ein Synchrotron, basierend

auf dem Prinzip der „starken Fokussierung“, wie oben beschrieben. Die Verwendung eines

Synchrotrons ermöglicht die Beschleunigung verschiedener Teilchenarten, im Falle von Med-

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 53

AUSTRON sind dies Protonen und Kohlenstoff-Ionen. Das Med-AUSTRON Synchrotron [3] hat

einen Umfang von ca. 75m, die Hauptstruktur bilden 16 Dipol- und 32 Quadrupolmagnete.

Vor der Injektion in das Synchrotron müssen sowohl die Protonen als auch die Kohlenstoff-

Ionen vorbeschleunigt werden. Im Med-AUSTRON Komplex sind hierfür zwei

Linearbeschleuniger vorgesehen. Im Synchrotron erfolgt dann die Beschleunigung der injizierten

Teilchen auf die jeweils zur Patientenbestrahlung erforderliche Energie. Anschließend werden

die Teilchen unter Verwendung eines speziellen Verfahrens, der sogenannten „langsamen

Resonanzextraktion“, extrahiert und in einen der Bestrahlungsräume gelenkt. Die langsame

Extraktion ermöglicht die „online Messung“ der applizierten Dosis sowie die Verwendung der

aktiven Bestrahlungstechnik, welche die beste Anpassung der Dosisverteilung an das

Zielvolumen garantiert.

Med-AUSTRON Synchroton

Umfang U = 74.04

2.5 m x 2.5 m SkalierungHorizontaler Grundriß

Abbildung 4.1-5: Med-AUSTRON Synchrotron [1, 4].

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 54

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und Lehrmittelverlag Paul Sappl, 1997.

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855. University of Jyväskylä, Finland, 7-18 September 1992.

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Extraction for Hadrontherapy. Dissertation, Technische Universität Wien, 1997.

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 55

I.4.2 Physikalische Eigenschaften von Protonen und Leichtionen im Vergleich

mit hochenergetischen Röntgenstrahlen

I.4.2.1 Einleitung

Leichtionen und Protonen, wie sie bei Med-AUSTRON verwendet werden sollen, auf der

einen Seite, und Photonen, wie sie bei der Strahlentherapie heute üblich sind, auf der anderen

Seite, unterscheiden sich in Bezug auf die klinische Strahlenphysik im wesentlichen im Hinblick

auf den vertikalen und horizontalen Dosisverlauf in der Gewebetiefe. Dieses hat insbesonders

Folgen für die notwendige Bestrahlungstechnik, wobei das Tumorvolumen optimal behandelt

werden soll, bei gleichzeitiger Schonung des gesunden Gewebes.

I.4.2.2 Wechselwirkungen

Beim Eintritt von hochenergetischer Röntgenstrahlung in biologisches Gewebe treten eine

Reihe von Wechselwirkungen auf (Streuung, Photoeffekt, Comptoneffekt, Paarbildung), die zum

Teil zur Ionisation und damit zur Bildung von Ionen und Sekundärelektronen führen. Die

Sekundärelektronen sind für die biologische Wirkung verantwortlich (Abbildung 4.2-1). Der

Photonenfluß nimmt exponentiell ab, die Sekundärelektronen/ Masseeinheit und damit die

Strahlendosis nimmt zunächst zu (Aufbaueffekt, 0,5 cm bis 3,5 cm, je nach Energie) und fällt

dann nahezu exponentiell ab.

Photonenfluß � = �0 e-�x

(� - Schwächungskoeffizient, x - Gewebetiefe)

Dosisverlauf D = D0 � (x + �)2 dx e-�x

(� - Tiefe des Dosismaximums)

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 56

10 -16

10 -13-

10-13

- 10 -2

10-2

--10 8

( s )

Gestreutes Photon

BiologischeWirkung

Chemische Verä nderung Bremsstrahlungs-photon

Sekundä relektron

Eintritt in biologische Körper,Wechselwirkung mit Atomen

Strahlungsfeld energiereicher Photonen

Abbildung 4.2-1: Schema der Wechselwirkungen von Strahleintritt bis zur biologischen

Wirkung für Photonen (frei nach Reich [1]).

gestreutes Teilchen

Biologische Wirkungen

Chemische Veränderungen

Stoßprozesse mitIonisation

(primär und sekundär)

Eintritt in biologische KörperWechselwirkungen mit Atomen

TeilchenstrahlLeichtionen/Protonen

Abbildung 4.2-2: Schema der Wechselwirkungen von Strahleintritt bis zur biologischen

Wirkung für Protonen/Leichtionen.

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 57

Wenn geladene Teilchen, wie Protonen oder Leichtionen, auf ein absorbierendes Medium

treffen, verlieren sie infolge von Wechselwirkungsprozessen (Coulomb Wechselwirkung mit den

Targetelektronen, quasi-elastische Streuung) Energie (Abbildung 4.2-2). Der Energieverlust pro

Weglänge kann mit der Bethe-Bloch-Gleichung beschrieben werden (nach [2]):

-dE/dx = 4� Zeff² e4 /mv² N Ztarget [ln 2mv²/I- ln (1-ß²) - ß²]

mit Zeff Effektive Kernladung N Anzahl der Targetatome pro Volumen [cm³] Ztarget Kernladungszahl des Targetmaterials I mittleres Ionisierungspotential der Targetatome m,e Masse, Ladung des Elektrons v=ßc Projektilgeschwindigkeit Dabei nimmt der Energieverlust /Weglänge mit abnehmender Partikelgeschwindigkeit zu

(üblicherweise angegeben in keV/�m). Dieses führt im Vergleich zu Photonen zu einer

„inversen“ Dosisverteilung: Die Dosis nimmt mit der Tiefe nur gering zu, bis es zu einem

scharfen Maximum kommt (Bragg-Peak), in dessen Bereich der Energieverlust der Teilchen

maximal ist, bis sie schließlich ihre Reichweite erreicht haben. Graphisch ergibt sich eine Kurve,

die mit einer Parallelen zur Abzisse beginnt (Plateau) und in einen steilen Peak übergeht

(Abbildung 4.2-3).

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 58

Abbildung 4.2-3: Tiefendosiskurven für unterschiedliche Strahlenarten [3]. Die Vorteile

der Ionen sind offensichtlich. Hochenergetische Photonen (im MV-

Bereich) führen zu einer relativ geringen (und daher hautschonenden)

Dosis an der Oberfläche. Das Dosismaximum liegt einige Zentimeter

unter der Haut, kann allerdings nicht in tiefere Bereiche verschoben

werden. Darüber hinaus ist auch die Seitenstreuung relativ gering. Mit

invertierter Planung für intensitätsmodulierte Vielfeldbestrahlung

werden heute gut lokalisierte Dosisverteilungen erzielt. Für 60Co

Gammastrahlung gehen diese Vorteile weitgehend verloren. Bei

Neutronen ist die Hautschonung am geringsten. Neutronen haben auch

außerhalb des Zielvolumens einen hohen RBW-Wert. Die bei geringer

Intensität ansteigende RBW verringert die Vorteile der

Vielfeldbestrahlung. Die Applizierung hochenergetischer Neutronen

zwecks besserer Hautschonung führt zu einem teilweisen Verlust der

höheren RBW. Auch die Dosiskontrolle ist relativ schwierig.

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 59

Ein Maß für die Energieübertragung auf das Gewebe ist der lineare Energietransfer (LET),

der den Verlust der Strahlungsenergie im Gewebe beschreibt und in Beziehung zur relativen

biologischen Wirksamkeit steht. Kohlenstoffionen zeigen eine deutlich höhere Ionisationsdichte

als Protonen (siehe Abbildung 4.2-4). Die entscheidenden Vorteile der Ionen gegenüber den

Protonen liegen neben der höheren RBW im bragg peak auch in der besseren physikalischen

Dosisverteilung. Von wenigen Indikationen abgesehen, ist noch ungeklärt, ob die Protonen

Vorteile gegenüber einer intensitätsmodulierten 3D-Photonenbestrahlung haben.

Abbildung 4.2-4: Schema zur unterschiedlichen biologischen Wirkung von Protonen und

Kohlenstoffionen [4]. Die Kohlenstoffionen führen zu einer höheren

Dichte von Sekundärteilchen, die Wahrscheinlichkeit von Brüchen der

DNA steigt und damit die biologische Wirksamkeit. (Monte-Carlo-

Simulation der Produktion von �-Elektronen und deren

Wechselwirkung beim Durchgang durch Wasser).

I.4.2.3 Bestrahlungstechnik

Die charakteristischen Unterschiede im Tiefendosisverlauf von Röntgenstrahlung und

Leichtionen/Protonen stellen die Basis für die unterschiedliche physikalische Selektivität dar.

Unter physikalischer Selektivität wird die Möglichkeit verstanden, das gewünschte Zielvolumen

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 60

ausreichend mit der notwendigen Strahlendosis zu versorgen und dabei das umliegende Gewebe

zu schonen. Betrachtet man die Bestrahlung nur über ein Stehfeld, werden die Unterschiede

deutlich: Bei Röntgenstrahlung gibt es zwar einen Hautschonungseffekt, aber die Dosis nimmt

mit der Tiefe ab, es muß also immer mehr Dosis eingestrahlt werden, als im Zielvolumen

benötigt wird. Bei Leichtionen/Protonen ist für ein einzelnes Teilchen die Wechselwirkung mit

Gewebe im Zielvolumen maximal, allerdings muß die Reichweite der einzelnen Teilchen variiert

werden, um eine ausreichende Volumendosis zu erreichen. Griffin [5] bewertet den

Tiefendosisverlauf von Protonen und Kohlenstoffionen als sehr gut, während der von Neutronen

und, man darf hinzufügen auch der von Photonen, als schlecht betrachtet wird.

Tabelle 4.2-1: Zusammenstellung der physikalischen Eigenschaften üblicher

Strahlenarten sowie für Protonen und Leichtionen (frei nach [5,6]).

Photonen Elektronen Neutronen Protonen Leichtionen Ladung 0 -1 0 +1 +2 bis +8 Masse (MeV) 0 0,511 939,6 938,3 4 bis 16 x 103

Tiefendosisverlauf* expon. plateauartig expon. Bragg Peak Bragg Peak Tiefendosisvorteil keiner +, ger. Tiefe keiner +++ +++ Halbschatten + + ++ - - LET klein klein hoch klein Hoch

(* näherungsweise Beschreibung, Aufbaueffekt und ähnliches nicht berücksichtigend)

I.4.2.4 Dosisverteilung

Ein Vergleich von Tiefendosisverläufen bietet allerdings nur einen Aspekt, um Unterschiede

bei der Patientenbestrahlung bei der Leichtionen/Protonentherapie diskutieren zu können. Die

weiteren Aspekte sind die Art der Bestrahlungsfelder und die Möglichkeiten eine homogene

räumliche Dosisverteilung zu erreichen. Dabei müssen technische Möglichkeiten verglichen

werden, die jeweils den zur Zeit geltenden Stand von Wissenschaft und Technik wiedergeben.

Die Geschichte der Neutronentherapie zeigt, daß Vergleiche von Therapieergebnissen basierend

auf Maschienen und Techniken unterschiedlichen Entwicklungsstandes eine Aussage über die

Wirksamkeit bestimmter Strahlenarten nicht sicher möglich machen [7,8,9]. Der Standard ist die

Photonentherapie mit einem Strahlenfeld, dessen Homogenität etwa � 5% beträgt und einen

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 61

Abfall der Dosis am Feldrand („Halbschatten“) von 80% auf 20% innerhalb von 1 cm aufweist.

Die Feldform ist rechteckig und kann durch spezielle Blenden irregulär geformt werden. Bei

einer 3D-Bestrahlungstechnik wird über mehrere Felder bestrahlt, bei neueren Techniken mit

einer Modulation der Strahlintensität [10]. Über die Energie kann die Tiefendosis variiert

werden. Auf diese Weise lassen sich Zielvolumina mit einer Homogenität von +8% und -5% der

Referenzdosis bestrahlen, das gesunde Gewebe, sofern es in einem Strahlengang liegt, erhält

etwa 70% der Referenzdosis. Bei Leichtionen/Protonen wird die räumliche Dosisverteilung

grundsätzlich anders erreicht. Je nach Energie haben die Teilchen eine bestimmte Reichweite, die

durch Absorber oder durch Energievariationen erreicht werden kann (passive und aktive

Modulation). Voxel für Voxel des Zielvolumens kann durch Reichweiteveränderungen und

Ortsveränderungen des Strahls erreicht werden. Dadurch verändert sich auch der

Tiefendosisverlauf, es entsteht eine mehr oder weniger konstante Tiefendosis, bis die maximale

Reichweite erreicht ist (Abbildung 4.2-5, Tabelle 4.2-1).

Abbildung 4.2-5: Tiefendosiskurven, zusammengesetzt aus „Einzelkurven“ zur

Bestrahlung eines Volumens mit geladenen Teilchen, sowie für

Neutronen [6].

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 62

Ein weiterer Vorteil ist der geringe Halbschatten, der durch die geringe Seitenstreuung der

Ionen bedingt ist. Dieses führt vor allen Dingen bei Feldkombinationen zu deutlich geringeren

Dosen im Betrachtungsvolumen (Tabelle 4.2-2).

Tabelle 4.2-2: Dosis im Bestrahlungsvolumen, relativ zum Referenzpunkt, für

unterschiedliche Feldanordnungen bei der Photonen- und

Protonen/Leichtionentherapie

Dosis im Bestrahlungsvolumen (gesundes Gewebe)

Bestrahlungstechnik Dosis im Referenzpunkt Photonen Protonen/ Leichtionen

Stehfeld 100 % bis zu 170 % bis zu 46 % 2 opp. Felder 100 % bis zu 115 % bis zu 23 % 3-Felder-Box 100 % bis zu 77 % bis zu 15 % 4-Felder-Box 100 % bis zu 58 % bis zu 12 %

Abbildung 4.2-6: Dosisprofile für eine 4-Felderanordnung (Box-Technik).

Dosis

Tiefe in cm 0 3010 20

0,0

0,5

1,0

1,5 15MeV Photonen

Protonen

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 63

I.4.2.5 Definition der Zielvolumina

Eine Basis für den Vergleich der Photonen- und Protonen/Leichtionentherapie z.B. im

Rahmen von Therapiestudien ist die Dosisspezifikation, hier insbesonders die Definition des zu

bestrahlenden Volumens. Die Richtlinie gibt der ICRU-Report 50 [11] mit der Beschreibung von

drei Volumina: Das „Gross Tumor Volume“ (GTV) entspricht dem makroskopischen

Tumorvolumen, dem sichtbaren oder tastbaren Tumor, das „Clinical Target Volume“ (CTV)

schließt zusätzlich den vermuteten klinischen (mikroskopischen) Befall ein, das „Planning Target

Volume“ (PTV) umschließt das CTV mit einem Sicherheitsrand, der durch räumliche

Unsicherheiten (Organbewegungen, Halbschatten etc.) bestimmt wird. Die zu erwartenden

Unterschiede zwischen der Photonen- und Protonen/Leichtionentherapie liegen in der Variation

der Strahlgeometrie, bedingt durch das Voxel Scanning und die geringere Seitenstreuung bei

Protonen/Leichtionen.

Tabelle 4.2-3: Einfluß Patienten bedingter und technisch bedingter Parameter auf das

Planungs-Zielvolumen (PTV)

Parameter, die einen Einfluß auf das PTV haben Photonentherapie Protonen / Leichtionentherapie

Bewegung der Organe, die im CTV enthalten sind + + Bewegung des Patienten - - Variation der Form der Organe die im CTV enthalten sind (z.B. Blasenfüllung)

+ +

Variation der Strahlgeometrie Feldgröße Strahlrichtung Halbschatten

- - +

-- -- --

I.4.2.6 Schlußbemerkungen

Die „Nagelprobe“, inwieweit der physikalische Vorteil der Protonen/Leichtionen von

Bedeutung ist, kann die physikalische Therapieplanung erbringen. Hier müssen für eine

ausreichende Patientenzahl und Tumorlokalisationen die Isodosenverläufe für Photonen und

Leichtionen/Protonen verglichen werden.

Band I.4: Physikalische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 64

Literatur

[1] Reich H, (Hrsg.): Dosimetrie ionisierender Strahlung, Verlag B.G. Teubner,

Stuttgart, (1990).

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[3] Amaldi U., Tosi G. Overview of the Hadrontherapy Project and Summary of this

Feasibility Study. In: Amaldi U., Silari M. (eds.), The TERA Project and the Centre

for Oncological Hadrontherapy. Vol. I. 1995.

[4] Krämer M, Kraft G. Heavy Ion Track Structure Calculations. In: Biophysical

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[5] Griffin TW. Particle Beam Therapy in: C.A.Perez, L.W.Brady Principles and

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Hagerstown (1992).

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Protons aus Principles and Practise of Radiation Oncology, 3rd Ed. by

C.A. Perez, L. Brady Lippincott-Raven Publishers, Philadelphia 1997, 593-606.

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[9] Scalliet P. The trouble with neutrons, Europ.J.Cancer 27 (225-230) 1991.

[10] Bortfeld T, Kahler DL, Waldron TJ, Boyer AL. X-ray field compensation with

multileaf collimators. Int.J.Radiat.Oncol.Biol.Phys. 28, 723-730 (1994).

[11] Prescribing, Recording, and Reporting Photon Beam Therapy, ICRU-Report 50

(1993).

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 65

I.5 Strahlenbiologische Grundlagen

E. Selzer, W. Weyrather, A. Hackl, H. Tritthart, R. Pötter

I.5.1 Einleitung

Das Wissen um die biologischen Effekte nach Strahleneinwirkung hat mit den technischen

Fortschritten, die in den letzten Jahrzehnten in der Strahlentherapie erreicht werden konnten,

nicht Schritt gehalten. So basiert die Optimierung von Behandlungsplänen primär noch

weitgehend auf mathematischen sowie physikalischen Modellen; strahlenbiologische Effekte

können derzeit nur in begrenztem Umfang in die Bestrahlungsplanung mit einbezogen werden.

Um die Kenntnisse besonders über strahlenbiologische Effekte von Protonen und

Leichtionen zu verbessern, ist als Voraussetzung parallel zum Beginn der Patientenbehandlung

im Rahmen des Med-AUSTRON Projektes eine Intensivierung der strahlenbiologischen

Forschung notwendig. Es ist wünschenswert, daß neben der Strahlenquelle die dafür vorgesehene

Forschungseinheit (das Labor) möglichst bald zur Verfügung steht und in die geplante

Therapieeinheit integriert wird. Dadurch kann eine enge Kooperation zwischen den in der

Grundlagenforschung tätigen Spezialisten und den rein klinisch tätigen Strahlentherapeuten

ermöglicht werden.

I.5.2 Physikalische Grundlagen der Strahlenbiologie für Protonen und

Leichtionen

Der Einsatz leichter Ionen für die Behandlung von Tumoren beruht vor allem auf zwei

wesentlichen Vorteilen gegenüber „konventionellen“ Strahlenarten: Der genau bestimmbaren

Abgabe einer erhöhten Dosis im Tumor und der verstärkten biologischen Wirksamkeit der im

Tumor deponierten Dosis. Die scharf begrenzte Dosisverteilung ergibt sich aus der definierten

Reichweite, der Zunahme des linearen Energietransfers (LET) am Ende der Reichweite sowie der

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 66

geringen seitlichen Aufstreuung des Ionenstrahls. Dies sind Effekte, die auf den physikalischen

Eigenschaften schwerer geladener Teilchen beruhen: Die Wechselwirkung des Ionenstrahls mit

Materie vollzieht sich hauptsächlich mit den Elektronen des Targetmaterials. Dadurch wird die

Energieabgabe und die seitliche Aufstreuung des Schwerionenstrahls bestimmt.

Die Begründung für die therapeutische Anwendung leichter Ionen wie z.B. Protonen oder

Kohlenstoffionen liegt darin, daß ab einer definierten Eindringtiefe die Energiedeposition bis

zum Bragg-Maximum stark zunimmt und danach steil abfällt. Diese Verlaufskurve des linearen

Energietransfers (LET) ist von der Ordnungszahl der verwendeten Elemente und der Energie der

Teilchen abhängig [1]. Somit ergibt sich für schwere geladene Teilchen eine im Eintrittsbereich

kleinere Energiedeposition als am Ende der Reichweite.

Bei hoher Teilchengeschwindigkeit ist die Wechselwirkung zwischen den Projektil-Ionen

und den Targetelektronen gering und damit die Energieabgabe zunächst klein. Die resultierende

Kurve weist einen für die Therapie sehr günstigen Dosisverlauf auf: Eine niedrige Dosis im

Eingangskanal und eine hohe am Ende der Reichweite mit einem steilen Dosisabfall (siehe Abb.

4.2-3). Für Photonen und Neutronen ist dagegen die integrale Energieabgabe im Eingangskanal

stets größer als im tiefer gelegenen Tumorbereich.

Aufgrund des großen Massenunterschiedes von Elektronen und Ionen sind bei allen

Streuprozessen schwerer Ionen die Ablenkwinkel klein. Diese Massenunterschiede sind auch der

Grund, daß die seitliche Aufstreuung des Ionenstrahls mit steigender Ordnungszahl abnimmt.

Eine deutliche Verringerung der seitlichen Streuung ergibt sich vor allem, wenn man von den

Protonen ausgeht, für die Heliumstahlung und weiter bis zur Kohlenstoffionenstrahlung (jeweils

um den Faktor 2). Ähnlich ist auch die Reichweitenstreuung von Kohlenstoffionen gegenüber

Protonen deutlich reduziert. Für Ionen von Elementen schwerer als Kohlenstoff ist die seitliche

Abgrenzung nur noch unwesentlich schärfer, die Reichweitenstreuung wird durch die

zunehmende Produktion von leichteren Kernfragmenten sogar noch vergrößert, so daß der

Dosisabfall am Ende der Reichweite verflacht.

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 67

I.5.3 Erhöhung der relativen biologischen Wirksamkeit

Da die Zellinaktivierung im wesentlichen durch DNA-Schäden hervorgerufen wird, hängt

die biologische Wirkung eines Teilchens von der im Zellkern abgegebenen Dosis und damit von

der lokalen Ionisationsdichte innerhalb der Teilchenspur ab. Für beschleunigte Ionen verringert

sich mit abnehmender Geschwindigkeit die Querschnittsfläche der individuellen Teilchenspuren.

Sowohl der LET als auch die lokale Ionisationsdichte innerhalb der Spur sind im Vergleich zu

dünn ionisierender Strahlung - wie Röntgen- oder Gammastrahlung - deutlich erhöht. Dies führt

bei gleicher physikalischer Energieabgabe, d.h. bei gleicher Dosis, zu einer größeren Ausbeute an

nicht reparierbaren Doppelstrangbrüchen und damit zu einem erhöhten biologischen Effekt - der

letztlich zum Zelltod führt [2]. Bei weiterer Erhöhung der lokalen Ionisationsdichten treten

Sättigungseffekte auf und die relative biologische Wirksamkeit (RBW sinkt wieder ab [3]. Bei

den verschiedenen Strahlenqualitäten werden diese Veränderungen durch die RBW beschrieben.

Sie ist definiert als das Verhältnis der Dosen von Röntgen- und Teilchenstrahlen, die zum

gleichen biologischen Effekt führen.

Die Erhöhung der RBW am Ende der Teilchenreichweite bewirkt damit neben einer

günstigeren physikalischen Dosisverteilung noch zusätzlich eine Steigerung des biologischen

Effektes im Tumor gegenüber dem Eingangsbereich (Abb.5.3-1).

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 68

Abbildung 5.3-1: Bestrahlung von Zellen des Chinesischen Hamsters (CHO) mit 2x107 cm2

Kohlenstoffionen einer Anfangsenergie von 270 MeV/u in verschiedenen

Tiefen einer Wassersäule. oberes Bild: die gestrichelte Linie zeigt die

physikalische Dosis, die durchgezogene Linie zeigt die biologisch effektive

Dosis, die sich aus der Multiplikation der physikalischen Dosis mit der RBW

an den einzelnen Punkten ergibt. Das mittlere Bild zeigt das gemessene

Überleben und das untere Bild die jeweilige relative biologische

Wirksamkeit.

Dieser Effekt, der sich bei Protonen noch nicht bemerkbar macht, nimmt mit steigender

Ordnungszahl des Targetmaterials zu. Bei Ionen von Elementen mit einer höheren Ordnungszahl

als Sauerstoff ist allerdings die RBW schon im Eingangskanal stark erhöht (Abb. 5.3-2). Dadurch

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 69

sind Hoch-LET-Effekte und in der Folge auch vermehrt Spätschäden im gesunden Gewebe nicht

auszuschließen. Neben einem größeren Anteil letaler Schäden verursacht der hohe LET auch auf

chromosomaler Ebene effektivere und schwerwiegendere genetische Veränderungen [4,5].

Abbildung 5.3-2: Relative biologische Wirksamkeit als Funktion der Eindringtiefe für C,

Ne, Si und Ar-Ionen [6].

Um vermehrte Langzeitschäden im gesunden Gewebe zu vermeiden, ist es nötig, die

maximale Wirkung der ionisierenden Strahlen auf das Tumorvolumen zu beschränken und nur

Ionen zu verwenden, deren RBW im Eingangskanal noch entsprechend niedrig ist. Bei

Kohlenstoffionen sind die Verhältnisse der biologischen Wirkung zwischen Eingangs- und

Tumorbereich optimal und auch bezüglich ihrer Seiten- und Reichweitenstreuung sowie ihrer

Kernfragmentierung zeigen sie günstige Werte. Erste Analysen nach Bestrahlungen mit

Kohlenstoffionen zeigten, daß die geringe RBW-Erhöhung im Eingangsbereich mit einer

verringerten Anzahl an chromosomalen Veränderungen einhergeht [7].

I.5.4 Biologische Effekte ionisierender Strahlen

Die in der Strahlentherapie übliche fraktionierte Bestrahlung, d.h. die Aufteilung der

Gesamtdosis in eine Anzahl von Einzelfraktionen, die über einen längeren Zeitraum in

regelmäßigen Abständen (üblicherweise 24 Stunden) gegeben werden, dient dazu, das gesunde

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 70

Gewebe zu schonen und die Wirkung auf den Tumor zu erhöhen. Die strahlenbiologischen

Ursachen, die zu diesem Effekt führen, erklären die 4 R´s [8]:

1. Reparatur subletaler Schäden

2. Redistribution (reassortment) der Zellen innerhalb des Zellzyklus

3. Repopulation

4. Reoxygenierung

Bei der Bestrahlung mit geladenen Teilchen ist zu beachten, daß in Bezug auf die oben

angeführten Effekte die Niedrig-LET-Komponente im Eingangskanal und die Hoch-LET-

Komponente im Tumor eine unterschiedliche Wirkung hervorrufen. Die Hoch-LET-Komponente

verursacht einen großen Anteil letaler Schäden und gleichzeitig die Abnahme potentiell

reparabler Schäden mit einer Änderung der reparaturabhängigen Effekte. Dies führt zu einer

Erniedrigung des Sauerstoffeffektes, zu einer Nivellierung der Strahlensensibilität zwischen

verschiedenen Zellzyklusphasen, bzw. zwischen schnell und langsam proliferierenden Zellen und

zur Verringerung der Reparatur bei fraktionierter Bestrahlung, - einem wesentlichen Effekt für

die Strahlentherapie mit Ionenstrahlen, die einen hohen LET aufweisen.

Reparatur subletaler Schäden

Wenn eine hohe Gesamtdosis in mehrere Fraktionen unterteilt appliziert wird, können - bei

nicht letalen Dosen - Reparatur- und Erholungsmechanismen wirksam werden. Damit durch die

fraktionierte Bestrahlung der gleiche biologische Effekt wie bei einer Einzelbestrahlung

hervorgerufen wird, muß demnach die Gesamtdosis aus der Summe der Einzelfraktionen einen

höheren Wert ergeben. Dies beruht auf der Fähigkeit vieler Zellen subletale Strahlenschäden zu

reparieren und äußert sich durch eine ausgeprägte Schulter in der Überlebenskurve bei Niedrig-

LET-Strahlung. Ganz allgemein gilt, daß langsam reagierendes Gewebe langsam repariert wird,

schnell reagierendes Gewebe dagegen in wesentlich kürzeren Zeitabschnitten.

Bei einer fraktionierten Bestrahlung mit Kohlenstoffionen bleibt im Eingangsbereich die

Reparaturfähigkeit im bestrahlungsfreien Intervall weitgehend erhalten. Die Fähigkeit zur

Reparatur nimmt mit steigendem LET jedoch so stark ab, daß sie in einzelnen Fällen bei Hoch-

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 71

LET-Bestrahlung sogar zu einer Potenzierung der tumorizidalen Wirksamkeit der fraktionierten

Bestrahlung führt.

Redistribution der Zellen innerhalb des Zellzyklus

Die Zellkinetik kann von zwei Gesichtspunkten aus gemessen werden, nämlich der Zellzahl

(Gesamtzellzahl, Mitoseindex usw.) oder zeitlichen Parametern, wie der Zellzykluszeit, der

Verdoppelungszeit usw. Für Tumoren des Menschen betragen Zellzykluszeiten zwischen 15 und

mehr als 100 Stunden, durchschnittlich sind das etwa 2,3 Tage [9]. Im Gegensatz dazu sind die

Volumenverdoppelungszeiten für Tumoren wesentlich länger. Sie betragen zwischen 4 Tagen bis

über 1 Jahr, im Mittel etwa 3 Monate [10].

Die potentielle Verdoppelungszeit (Tpot) wird dabei als Zeit definiert, innerhalb welcher

sich die Zellzahl verdoppeln würde, wenn es zu keinem Zellverlust käme. Biopsien aus Tumoren

weisen etwa zu 2/3 eine Tpot von < 7 Tagen auf [11]. Bei einer Differenzierung nach Tumorart

konnten besonders bei Karzinomen aus dem HNO-Bereich und Zervixkarzinomen sehr kurze

Verdoppelungszeiten von unter 5 Tagen nachgewiesen werden.

Für dünn ionisierende Strahlung zeigen Zellen je nach ihrer Stellung im Zellzyklus eine

unterschiedliche Strahlenempfindlichkeit. Dabei stellt sich zwischen sensiblen und weniger

empfindlichen Phasen ein Unterschied dar, der ähnlich jenem ist, wie er für die Bestrahlung

aerober bzw. hypoxischer Zellen nachgewiesen werden konnte. Am Ende einer S-Phase des

Zellzyklus besteht die größte Strahlenresistenz [12].

Durch eine fraktionierte Bestrahlung können Zellen in empfindlichen Phasen soweit

geschädigt werden, daß sie ihre unbegrenzte Teilungsfähigkeit verlieren und letztlich - meist

nach Durchlaufen von ein bis zwei weiteren Zellzyklen - absterben. Zellen in resistenten

Zyklusphasen verharren kurz in der Phase, in der sie sich unmittelbar vor der Bestrahlung

befunden haben und entwickeln sich dann im Zellzyklus weiter. Dadurch ist zu erwarten, daß bei

der Applikation der nächsten Fraktion - bei der konventionellen Bestrahlung nach etwa 24

Stunden - neuerlich Zellen in einer strahlenempfindlichen Phase vorliegen und damit bleibend

geschädigt werden. Dieses Phänomen einer induzierten Teilsynchronisation, verbunden mit dem

Fortschreiten im Zellzyklus, wird als Redistribution (= reassortment) bezeichnet.

Bei vielen experimentellen Tumoren wurde eine wesentlich geringere Wachstumsrate

nachgewiesen als man primär vermutete. Dies ergibt sich aus der hohen Zellverlustrate. Der

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 72

Zellverlust kann in zwei Formen ablaufen: dem passiven, zur Nekrose führenden Zelluntergang

und der von der Zelle selbst ausgelösten Apoptose.

Mit steigendem LET nimmt die Anzahl reparaturfähiger Schäden immer mehr ab. Dies

führt zu einer Nivellierung der Empfindlichkeitsunterschiede der einzelnen Zellzyklusphasen.

Bei sehr hohem LET tritt an deren Stelle die Abhängigkeit des Überlebens von der

Zellkerngröße. Zellen mit größerem Zellkern haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, getroffen

und damit inaktiviert zu werden als Zellen mit kleinem Zellkern. Dies gilt sowohl für normale

Zellen und die oft größeren Tumorzellen, aber auch wenn man die verschiedenen

Zellzyklusphasen ein- und derselben Zellinie miteinander vergleicht.

Repopulation

Unter Repopulation versteht man das Wiederauffüllen des Zellpools durch die Zellteilung

und das Weiterwachsen der Zellpopulation nach einer Bestrahlung. Sowohl in Tumoren als auch

in Normalgeweben mit proliferierenden Stammzellen können während einer fraktionierten

Bestrahlung Zellteilungen nachgewiesen werden. Damit wirkt sich die Repopulation für das

gesunde Gewebe als Vorteil, bei Tumoren aber als Nachteil aus. Die Behandlung des Tumors mit

einem zytotoxisch wirkenden Agens - also sowohl eine Radio- als auch eine Chemotherapie -

kann allerdings eine schnellere Teilung der überlebenden Zellen auslösen. Dies wird als

beschleunigte (akzelerierte) Repopulation bezeichnet. Nach der initialen Einwirkung durch

ionisierende Strahlen ist die Wachstumsrate 3-4 Wochen danach deutlich größer.

Durchschnittlich wachsen diese Tumorzellen 15-20mal schneller als bei Beginn der Bestrahlung

[13-16]. Bisher wurde bei Karzinomen im HNO-Bereich, bei Harnblasen-, Haut- und

inflammatorischem Mammakarzinom, sowie beim Melanom eine beschleunigte Repopulation

nachgewiesen.

Bei der Bestrahlung mit Kohlenstoffionen führt die Hoch-LET-Komponente der Dosis im

Tumor zu einer drastischen Reduzierung der Repopulationswahrscheinlichkeit. Die

unterschiedliche Repopulation entlang des Kohlenstoffionenstrahls kann daher als ein positiver

Effekt für das Normalgewebe angenommen werden.

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 73

Reoxygenierung

Als Sauerstoffeffekt definiert man die bis zu dreimal geringere Strahlenempfindlichkeit für

hypoxische Zellen oder Gewebeteile, wie sie in schlecht vaskularisierten Tumoren auftreten

können, verglichen mit Zellen und Gewebeteilen, die gut mit Sauerstoff versorgt sind. Er beruht

darauf, daß potentiell letale Schäden, die in Abwesenheit von Sauerstoff repariert werden

können, in Anwesenheit von Sauerstoff als Schäden fixiert werden.

In Tumoren überwiegt der Sauerstoffverbrauch das Sauerstoffangebot. Wegen der relativ

geringen Diffusionsstrecke von 30-100µm [17] kann es schon bei Tumoren der Größe von etwa

0,75 ml zu einer Hypoxie und damit zu einer reduzierten Strahlenempfindlichkeit kommen. In

einer prospektiven Studie konnte nachgewiesen werden, daß beim Zervixkarzinom der

prätherapeutisch bestimmte Sauerstoffpartialdruck im Tumor einen signifikanten Prognosefaktor

darstellt [18]. Dabei wurde der Mittelwert aus mehreren Messungen bestimmt und eine Gruppe

mit einem pO2 < 10 mmHg einer weitgehend gleichen Gruppe mit einem pO2 = 10 mmHg

gegenübergestellt. Sowohl das Gesamtüberleben als auch das rezidivfreie Überleben waren bei

den zuletzt genannten Patienten mit einem höheren pO2 signifikant besser.

Durch eine Bestrahlung z.B. mit einer hohen Einzeldosis können die meisten der gut mit

Sauerstoff versorgten Zellen abgetötet werden. Die überlebenden Zellen sind überwiegend

hypoxisch und daher weniger strahlensensibel. Da die Abtötung von Zellen letztendlich aber

auch eine Reduktion des Tumorvolumens bewirkt, wird die Durchblutung und damit die

Sauerstoffversorgung der verbliebenen Zellen wieder besser. Dieses Phänomen wird als

Reoxygenierung bezeichnet.

Mit zunehmendem LET verschwindet der Unterschied in der Strahlenempfindlichkeit

zwischen hypoxischen und oxischen Zellen [19]. Das bedeutet, daß bei Bestrahlung mit

Kohlenstoffionen die Strahlenempfindlichkeit eines Tumors durch Reoxygenierung nicht

wesentlich verändert werden kann.

Folgerungen für die Fraktionierung

Ausgehend von einer konventionellen Fraktionierung mit Einzeldosen von 1,8 oder 2 Gy

täglich, 5mal pro Woche, gibt es zahlreiche Möglichkeiten einer Änderung der Applikation von

Einzelfraktionen. Um das therapeutische Verhältnis, das ist der Abstand zwischen der

Tumorkontrollwahrscheinlichkeits- (TCP-) Kurve und der Kurve der Komplikationswahr-

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 74

scheinlichkeit des normalen Gewebes (NTPC), zu verbessern, wurden verschiedene

Fraktionsschemata eingeführt.

Durch strahlenbiologische Untersuchungen konnte festgestellt werden, daß wenige aber

hohe Einzelfraktionen eher zum Auftreten von Spätschäden führten als zahlreiche Fraktionen mit

einer niedrigen Dosis. Daraus wurde abgeleitet, daß eine Hyperfraktionierung durch die größere

Schonung des Normalgewebes zu besseren strahlentherapeutischen Ergebnissen führt.

Eine hyperfraktionierte Bestrahlung, mehr als 1mal am Tag, wird unter anderem auch

deshalb angewendet, weil man annimmt, daß nach einer Pause von 4-6 Stunden die

Strahlenempfindlichkeit eines Tumors wieder den Ausgangswert angenommen hat. Zellen, die

sich bei der ersten Bestrahlung in der weniger strahlenempfindlichen späten S-Phase befinden,

entwickeln sich im Zellzyklus weiter und kommen dabei nach der angegebenen Zeit in die

sensible Phase (optimale Nutzung des Redistributionseffektes). Die meisten Schemata einer

Hyperfraktionierung sind jedoch Mischformen mit der akzelerierten Bestrahlung, die dadurch

gleichzeitig einer beschleunigten Repopulation entgegenwirken. Eine akzelerierte Fraktionierung

und die daraus resultierende Verkürzung der Gesamtbehandlungszeit ist somit besonders bei

schnell proliferierenden Tumoren wirksam. Die akuten Nebenwirkungen begrenzen jedoch die

Möglichkeiten der Akzeleration, die Spätfolgen bleiben niedrig. Die Vorteile einer akzelerierten

Radiotherapie konnten in mehreren Untersuchungen nachgewiesen werden [20]. Eine

Sonderform der akzelerierten Fraktionierung stellt die kontinuierliche, nicht durch

bestrahlungsfreie Wochenenden unterbrochene, hyperfraktioniert-akzelerierte Bestrahlung

(CHART) dar. Dabei wird die Gesamtbehandlungszeit von 6-7 Wochen auf 12 Tage reduziert.

Niedrige Einzeldosen von etwa 1,5 Gy werden 3mal täglich - in zumindest 6-stündlichen

Intervallen - in 36 Fraktionen verabfolgt.

Die hypofraktionierte Bestrahlung mit erhöhten Einzeldosen sollte wegen der dabei

vermehrt auftretenden Spätschäden nur im Rahmen palliativer Therapiekonzepte Anwendung

finden, weil dabei potentielle Spätschäden in der Regel klinisch nicht mehr manifest werden. Bei

der Auswahl zeitlicher Parameter einer Bestrahlungsserie sollte, was die Gesamtbestrahlungszeit

betrifft, folgendes Kriterium unbedingt berücksichtigt werden: Nach Beginn einer

Strahlentherapie ist die Gesamtbehandlungszeit unter Berücksichtigung der akuten

Nebenwirkungen so kurz wie möglich zu halten.

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 75

Bei der Bestrahlung mit beschleunigten Teilchen sind aufgrund der strahlenbiologischen

Eigenschaften des Teilchenstrahls andere Fraktionierungsschemata möglich. Im Gegensatz zur

Photonentherapie ist dabei ein Einfluß der Fraktionierung auf die Tumorkontrolle wegen der

wirksamen Hoch-LET-Effekte zu vernachlässigen. Zwei andere Faktoren erlauben jedoch

kürzere Fraktionierungsschemata: Erstens bewirkt das inverse Dosisprofil eine niedrigere

effektive Dosis im Normalgewebe. Dadurch kann die Tumordosis erhöht und die Zahl der

Fraktionen verringert werden. Zweitens ist auch für hochenergetische Kohlenstoffionen im

Vergleich zur Photonenstrahlung das ��- Verhältnis im Eingangskanal erhöht. Dadurch wird der

biologische Sättigungseffekt der Treffer schon bei einer geringen Anzahl von Fraktionen erreicht.

Vergleich Protonen - Kohlenstoffionen

Bei der klinischen Anwendung dieser Strahlung muß sowohl die erhöhte biologische

Wirksamkeit im Tumor als auch im gesunden Gewebe in Betracht gezogen werden. Spätfolgen

im gesunden Gewebe zeigen normalerweise eine Dosiswirkungskurve mit einer ausgeprägten

Schulter, das entspricht einem niedrigen ��-Verhältnis. Um von der erhöhten biologischen

Wirksamkeit in der Hoch-LET-Region zu profitieren, sollte das ��-Verhältnis im Tumor kleiner

sein als dasjenige für Spätfolgen im Normalgewebe oder zumindest diesem vergleichbar. Ist in

der Dosiswirkungskurve für den Tumor der �-Term deutlich größer, kann unter Umständen bei

der Bestrahlung mit Kohlenstoffionen die RBW gegenüber einer Photonenbestrahlung nicht

erhöht sein und dadurch gegenüber der Photonentherapie auch kein Vorteil bestehen. In diesem

Fall kann die Bestrahlung mit Protonen günstiger sein. Battermann et al. [21] fanden einen

Zusammenhang zwischen der Form der Dosiswirkungskurve für Photonen und der

Verdopplungszeit des Tumors bei Lungenmetastasen verschiedener Primärtumoren. Langsam

wachsende Metastasen zeigen Dosis-Responsekurven mit ausgeprägten Schultern. Für diese

langsam wachsenden Metastasen konnten nach Neutronenbestrahlung die höchsten RBW-Werte

nachgewiesen werden. Daher ist zu erwarten, daß auch langsam wachsende, für eine

Photonentherapie als nicht strahlenresponsibel geltende Tumoren wie z.B. Chordome,

Chondrosarkome und adenoid-zystische Karzinome, aufgrund der Hoch-LET-Effekte mit

Kohlenstoffionen eher kontrolliert werden können.

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 76

I.5.5 Strahlenbiologische Aspekte einer Therapie mit Ionen und

Biophysikalische Grundlagen der Bestrahlungsplanung

Derzeit hängt die Planung einer strahlentherapeutischen Behandlung von der Tumorart, der

zu applizierenden Gesamtdosis, den zu erwartenden Nebenwirkungen, dem

Fraktionierungsschema wie der Definition des Planungszielvolumens ab. Aufgrund dieser

Parameter wird eine Dosisverteilung auf zweidimensionaler oder dreidimensionaler Basis

berechnet. Weiters können nach Auswertung der Dosisverteilungen die sogenannten Dosis-

Volumen-Histogramme erstellt werden. Die Werte für die Normalgewebstoleranz und die

vorgeschriebene therapeutische Dosis basieren einerseits auf klinischer Erfahrung, andererseits

auch auf experimentellen Daten der Literatur, z.B. aus Tierexperimenten oder Versuchen in der

Zellkultur. Für eine Niedrig-LET Therapie mit Photonen oder Elektronen kann zum Beispiel

angenommen werden, daß die biologisch effektive Dosis weitgehend mit der physikalischen

Dosis übereinstimmt. Diese Annahme gilt nicht für eine Bestrahlung mit Hoch-LET Strahlen;

besonders nicht für eine Bestrahlung mit Leichtionen, die in Abhängigkeit von ihrer Position

entlang der Tiefendosiskurve innerhalb des Planungszielvolumens eine unterschiedliche

biologische Wirkung haben. Um dem Ziel einer biologischen Bestrahlungsplanung näher zu

kommen, müssen weitere experimentelle Studien durchgeführt werden, deren Ziel es ist, den

Zusammenhang zwischen dem biologischen Effekt und der Position des Teilchens zu erforschen.

Daraus geht hervor, daß die Erstellung geeigneter biologisch-mathematischer Modelle eine

der Hauptaufgaben der Forschungstätigkeiten innerhalb des Med-AUSTRON Projektes sein

wird. Die Forschung auf diesem Gebiet soll in näherer Zukunft die Grundlagen für eine

biologische Bestrahlungsplanung liefern.

Mehrdimensionale Strahlentherapie

Historisch betrachtet hat die Entwicklung innerhalb der Radiotherapie von der sogenannten

zweidimensionalen zur dreidimensionalen Bestrahlungsplanung und weiter zur Konformations-

therapie [22] geführt.

Fortschritte in dieser Richtung werden auch in die Photonentherapie eingehen, wobei,

basierend auf unterschiedlichen Modellen, zusätzlich individuelle und/oder tumorspezifische

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 77

Parameter (die sogenannte vierdimensionale Bestrahlungsplanung) mit einbezogen werden. Zur

grafischen Erläuterung dieses Begriffes siehe Abbildung 5.5-1.

Abbildung 5.5-1: Vier-dimensionale Strahlentherapie: Technische Fortschritte haben es

ermöglicht eine höhere Tumordosis zu applizieren und gleichzeitig das

Normalgewebe zu schonen (drei Dimensionen); eine zusätzliche

Verbesserung kann durch die Einbeziehung einer vierten Dimension

(biologische Faktoren) erzielt werden.

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 78

Für die Behandlung ausgedehnter Tumorbereiche muß die natürliche, einige Millimeter

betragende Ausdehnung des Bragg-Maximums verbreitert werden. Durch aktive Energievariation

kann die Reichweite verändert und damit das Bragg-Maximum über den gesamten Tumorbereich

ausgedehnt werden; Plateaubereich und Bragg-Peak-Bereich werden überlagert. Durch die

Reichweitenmodulation wird die starke Überhöhung im Bragg-Peak reduziert. Trotzdem bleibt

die Tiefendosisverteilung, bezogen auf das Normal- und Tumorgewebe, erheblich günstiger

verglichen mit dem, bei elektromagnetischer Strahlung und bei Neutronen nachzuweisendem,

exponentiellen Abfall der Dosis (Abbildung 5.5-2).

Abbildung 5.5-2: Zellüberleben von CHO Zellen nach Bestrahlung mit einem Kohlenstoffionenstrahl mit 227 MeV/u maximaler Energie. Das obere Bild zeigt die eingestrahlte Dosis, das mittlere Bild das jeweilige Überleben und das untere die RBW, die sich daraus an jedem Punkt ergibt. Wie erwartet, ist die RBW in dem als Tumor definierten und mit stoppenden Teilchen belegten Teil am höchsten, man sieht aber auch die geringere absolute RBW bei niedrigerem Überleben.

Bei einer tumorkonformen Bestrahlung irregulärer Volumina ergeben sich für Leichtionen

besondere Schwierigkeiten. Es ändert sich nicht nur die Zusammensetzung des Strahls mit

Energie undOrdnungszahl an den einzelnen Punkten des Targetvolumens sondern in

beschränktem Maße auch diejenige des Eingangskanals durch Energievariation, Energieverlust

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 79

und Kernfragmentation Das führt dazu, daß sich die Dosis in jedem einzelnen Targetpunkt aus

einer Reihe von Einzeldosen mit unterschiedlichem LET zusammensetzt. Für solch ein

Strahlungsfeld mit unterschiedlicher Teilchenzusammensetzung läßt sich kein einheitlicher

Zusammenhang zwischen Dosis und biologischer Wirkung herstellen.

Für die Ermittlung der biologisch effektiven Dosis muß also die Zusammensetzung des

Strahls nach Energie, Ordnungszahl und LET bekannt sein. Dann kann die RBW jedes Teilchens

einzeln berechnet werden. Dabei sind die vorher dargelegten Änderungen des

Reparaturverhaltens ebenso zu berücksichtigen wie die Tatsache, daß die RBW für

unterschiedliche Überlebensniveaus nicht einheitlich ist. Um diese Schwierigkeiten zu

überwinden, wurde ein Modell entwickelt, das die Empfindlichkeit von Gewebe gegenüber

Ionenbestrahlung von der Empfindlichkeit gegenüber einer Bestrahlung mit Photonen ableitet. Es

benutzt als Eingangsgrößen die Überlebenskurve nach Photonenstrahlung die radiale

Dosisverteilung innerhalb der Teilchenspur und die Größe des sensitiven Targetsd.h. des

Zellkerns. Dieses Modell, das zunächst für Zellkulturen entwickelt wurde, läßt sich auf beliebige

Gewebe übertragen, sofern deren Verhalten gegenüber dünn ionisierender Strahlung bekannt ist

[23,24].

Bei Kenntnis sämtlicher physikalischer Parameter des Strahls und der aus dem oben

angegebenen Modell ermittelten RBW-Werte kann mit Hilfe einer geeigneten

Näherungsmethode eine Bestrahlungsplanung erfolgen

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 80

.

I.5.6 Strahlenbiologische Grundlagenforschung innerhalb von

Med-AUSTRON - Offene Fragen und Experimente

Derzeit gibt es nur einige wenige Forschungszentren weltweit, an denen strahlenbiologische

Grundlagenforschung mit Leichtionen durchgeführt wird. Das Lawrence Berkely Laboratory ist

derzeit eine der wenigen Institutionen, die eine nennenswerte klinische Erfahrung mit

Leichtionen haben und an denen auch gleichzeitig strahlenbiologische Grundlagenforschung

betrieben wird. Das Med-AUSTRON Projekt wird daher einen ganz wesentlichen Platz - auch

aus internationaler Sicht - einnehmen.

Allgemeines

Die Individualisierung der Strahlentherapie ist eines der wichtigen ungelösten Probleme der

Strahlentherapie. Dieses Problem bezieht sich nicht nur auf die Anpassung des

Behandlungsvolumens an das entsprechende Tumorvolumen, sondern auch auf das individuelle

biologische Verhalten des Tumors. Bei der Ionentherapie kommt hierzu noch die Abhängigkeit

von der unterschiedlichen RBW des Tumor- und Normalgewebes. Um solche Fragen zu lösen,

ist es notwendig, ein biologisches Begleitprogramm zu erstellen, in dem versucht wird, eine

Korrelation der biologischen Wirkung zwischen den durch Biopsie entnommenen, und im Labor

weiter kultivierten und bestrahlten Zellen und den in-vivo bestrahlten Normalgeweben und

Tumoren herzustellen. Hauptaufgabe der strahlenbiologischen Forschung für die Ionentherapie

wird es sein, solche Korrelationen zu finden, um mit Hilfe von prädiktiven Tests in Zukunft eine

auf den jeweiligen Tumor und Patienten bezogene biologische Bestrahlungsplanung erstellen zu

können. Es ist deshalb notwendig, die Effekte einer Bestrahlung auf verschiedene biologische

Systeme genauer zu untersuchen. Innerhalb der physikalischen, chemischen und biochemischen

und biologischen Verlaufskette der Strahlenwirkungen sind die biologischen (klinischen)

Wirkungen das letzte Glied.

Die biochemischen Effekte können letztendlich zu Zellschäden und zum Zelltod führen.

Auch mit der Erforschung und Beschreibung dieser Phänomene auf makroskopischer wie auch

mikroskopischer Ebene beschäftigt sich die Strahlenbiologie.

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 81

Spätfolgen

Während das Problem der tumorkonformen Bestrahlung schon annäherungsweise lösbar

scheint, ist über die Entstehung von Spätfolgen im gesunden Gewebe nach Ionenbestrahlung

noch sehr wenig bekannt. Es ist anzunehmen, daß durch die Einführung geeigneter Systeme mit

Primärkulturen, durch Tierversuche mit Langzeitbeobachtungen und durch klinische

Beobachtungen am Menschen mehr Erfahrungen zu diesem wichtigen Punkt gewonnen werden

können.

Fraktionierung

Ein weiteres, noch nicht gelöstes Problem der Bestrahlung mit Leichtionen ist die Erstellung

geeigneter Fraktionierungsschemata. Wie aus experimentellen und auch klinischen

Beobachtungen bekannt ist, beeinflußt die Fraktionierung die Effekte auf den Tumor wie auch

auf das Normalgewebe. Sowohl für die konventionelle Fraktionierungsmethode über 6 Wochen

als auch für eine ausgesprochen kurze Behandlungszeit von 10-14 Tagen lassen sich – je nach

der individuellen Behandlungssituation - Argumente finden. Zell- und auch Tierexperimente, die

– ähnlich wie im Rahmen einer Bestrahlungsserie - über einen längeren Zeitraum gehen, können

über das Reparaturverhalten der unterschiedlichen biologischen Systeme Aufschluß geben.

I.5.7 Zukunftsaspekte: Von der klassischen Strahlenbiologie zur modernen

Strahlenbiologie

Die Konvergenz von strahlenbiologischer Grundlagenforschung und Molekularbiologie wie

auch das Zusammenwachsen mit anderen strahlenbiologischen Teilgebieten, wie etwa der

Strahlenchemie, wird zu vollkommen neuen Entwicklungen innerhalb der Strahlenbiologie

führen [25].

Das Konzept eines kritischen Volumens in der Zelle, in der ionisierende Ereignisse

stattfinden müssen, um zu meßbaren zellulären Reaktionen zu führen, war lange ein Paradigma

der „klassischen“ Strahlenbiologie. Das Chromosom wurde als die wichtigste strahlensensitive

Substruktur in der Zelle betrachtet. Jedoch hat sich dieses Bild in letzter Zeit verändert. Durch

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 82

die Einführung neuer Methoden aus der Molekularbiologie ist es erst in den letzten Jahren

möglich geworden, die strahleninduzierten Veränderungen auf molekularer Ebene besser

nachzuvollziehen. In den letzten zwei Dekaden hat sich der Schwerpunkt der

Forschungsaktivitäten auf die Mechanismen der strahleninduzierten Veränderungen vor allem an

der Erbsubstanz (Strangbruchinduktion) konzentriert. Diese Forschungsaktivitäten können

inzwischen der klassischen Strahlenbiologie zugeordnet werden. Das Bild einer sogenannten

„klassischen“ Strahlenbiologie kann der „modernen“ Strahlenbiologie gegenüber gestellt werden.

In dem neueren Modell ist zum Beispiel die Aktivierung verschiedener Gene oder die

Beeinflussung von Signaltransduktionswegen bereits mit berücksichtigt.

Sehr wenig ist über die Effekte radioaktiver Strahlen auf zytoplasmatische

Signaltransduktionswege bekannt. Kürzlich wurde entdeckt, daß ionisierende Strahlen eine

Kaskade intrazellulärer Ereignisse in der Zelle bewirken können. Ein wichtiges Forschungsgebiet

wird daher das Studium der durch Strahlen bedingten Veränderungen der

Signaltransduktionswege sein. Diese Veränderungen können sowohl zu einer Aktivierung als

auch zu einer Inhibierung intrazellulärer Enzyme führen (zum Beispiel zu einer Aktivierung der

Protein Kinase C oder zu einer Aktivierung verschiedener Tyrosinkinasen). Auch hier wird ein

Schwerpunkt im Rahmen von Med-AUSTRON die Untersuchung von Unterschieden in den

Einflüssen verschiedener Strahlenqualitäten auf diese Prozesse sein.

In den letzten Jahren wurde erkannt, daß ioniserende Strahlen zu spezifischen

Veränderungen in der Zelle führen können. Dazu zählt man die Induktion wie auch Inhibierung

der Expression verschiedener Wachstumsfaktoren und Zytokine. Diese Effekte haben

möglicherweise eine Bedeutung für die Kontrolle des Zellzyklus, von Reparaturprozessen und

auch für die Repopulation. Sie könnten auch für die Entstehung und Entwicklung von

Strahlenschäden, bspw. einer Fibrose von Bedeutung sein. Weiters ist anzunehmen, daß diese

Faktoren auch einen Einfluß auf die Strahlensensibilität von Geweben und Organen haben.

Welche Mechanismen, abgesehen von Doppelstrangbrüchen, können den Eintritt des

Zelltodes verursachen (zum Beispiel Apoptose, Membranveränderungen, etc.)? Ist es möglich,

diese durch eine Bestrahlung induzierten Prozesse selektiv zu beeinflussen?

Die Aktivität verschiedener Gene wird durch Strahlung moduliert. Dazu zählen der Gewebe-

Plasminogen Aktivator (t-Pa), Onkogene sowie Gene, die das Wachstum und die Differenzierung

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 83

regulieren. Die Induktion (und Repression) von Genen durch radioaktive Strahlen hängt sehr

wahrscheinlich mit der phänotypischen Antwort der Zelle zusammen und wirkt u.a. über eine

Beeinflussung von DNA-Reparatur, Apoptose, mitotischem Zelltod, Mutagenese und

Karzinogenese. Es wird sicherlich von entscheidender Bedeutung sein, in Zukunft mehr Wissen

über die durch Bestrahlung induzierten Veränderungen in der Genexpression zu gewinnen.

Wird es möglich sein, Faktoren zu bestimmen, die die Strahlensensibilität einzelner Zellen

oder Gewebe vorhersagen? Kürzlich wurden Gene identifiziert, (p53, Bcl-2, ATM, Ras, SOD,

u.a.), deren Expression mit der Strahlensensibilität in manchen Geweben korreliert. Einige

dieser Faktoren (Gene) könnten in Zukunft eine Rolle im Rahmen von sogenannten „predictive

assays“ spielen.

Siehe auch allgemeine und weiterführende Literatur über moderne Aspekte der

Strahlenbiologie und Apoptose [26,27] einschließlich Gentherapie [28,29].

I.5.8 Biologisches Begleitprogramm: Beispiele für wichtige Fragestellungen

der klinischen und experimentellen Strahlenbiologie

Eine Liste der wesentlichen experimentellen Fragestellungen, die im Rahmen von Med-

AUSTRON untersucht werden sollen, ist im Folgenden angeführt. Insbesondere soll darauf

hingewiesen werden, daß sich viele Experimente auch mit den Unterschieden in den

biologischen Wirkungen zwischen den verschiedenen Strahlenqualitäten beschäftigen sollen.

Molekulare Genetik

� Untersuchungen zu den Mechanismen der durch Strahlen induzierten DNA-Schäden und

chromosomalen Aberrationen.

� Untersuchungen zum Einfluß genetischer Faktoren auf die Strahlenwirkungen (z.B. bei

AT, XP, Bloom's Syndrom, Fanconi Anämie, Cocakyne Syndrom u.a. Erkrankungen).

� Einfluß von Onkogenen u.a. auf die Strahlenresistenz von Tumoren.

� Untersuchungen zur strahleninduzierten Karzinogenese und zu den hereditären Effekten

einer Bestrahlung. Wirkungen von Strahlen auf den Embryo und auf den Fötus.

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 84

Zellüberleben und Zelltod

� Bestimmung des Zellüberlebens und Erstellen von Dosis-Wirkungsbeziehungen für

verschiedene Normal- und Tumorgewebe (Untersuchungen zur Radiosensitivität und

ihrem Zusammenhang mit der Histologie). Untersuchungen der Wirkungsmechanismen

neuer Strahlenqualitäten. Bestimmung der relativen biologischen Effekte verschiedener

Strahlenqualitäten.

� Untersuchungen zu den Mechanismen des Zelltodes (z.B. Bedeutung der Apoptose).

Experimentelle Modelle

� Die Entwicklung von geeigneten Modellen - sowohl tierexperimentell wie auch in vitro -

um die Strahleneffekte auf Menschen möglichst gut nachzuvollziehen.

Aufklärung der DNA-Reparaturmechanismen

� Aufklärung der Mechanismen der DNA-Reparatur und der involvierten Enzyme nach

Bestrahlung mit unterschiedlichen Strahlenarten.

Mechanismen der inter- und inrazellulären Signaltransduktion

� Untersuchungen der Wirkungen von Strahlen auf die Signaltransduktion und auf die

Expression von Genen.

Quantitative Strahlenbiologie

� Erstellung mathematischer Modelle zur Vorhersage der optimalen Dosis und

Fraktionierung.

Wechselwirkungen mit anderen Substanzen

� Wechselwirkungen von Strahlen mit Chemotherapeutika, Pharmaka und anderen

Modifikatoren der Strahlenwirkung, z.B. Hyperthemie; Entwicklung von

Radiosensitizern und Radioprotektoren.

Band I.5: Strahlenbiologische Grundlagen

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 85

Predictive assays

� Erforschung von Parametern der individuellen Strahlensensibilität und Entwicklung von

prädiktiven Assays.

Evaluation neuer potentieller Therapien

� Neue potentielle Therapien sollen evaluiert werden, um die Effizienz der Strahlentherapie

zu steigern: z.B. durch Einsatz von Zytokinen oder der Gentherapie - Modifikation von

erwünschten und unerwünschten Wirkungen.

Strahlenbiologie und Strahlenschutz bei der bemannten Raumfahrt

Ein wesentliches Problem der bemannten Raumfahrt ist die kosmische Strahlung, der die

Astronauten ausgesetzt sind. Diese Strahlung, die sich aus verschiedenen Partikeln

zusammensetzt, führt zu einer signifikanten Gesundheitsgefährdung, die nicht ausreichend

abgeschätzt werden kann. Das Risiko steigt mit der Länge der Aufenthaltsdauer an, wie zum

Beispiel in den Raumstationen, die in permanentem Betrieb sind, oder wie es bei den geplanten

Missionen zum Mars sein könnte.

Die Untersuchung von biologischen Effekten verschiedener Partikel und eine experimentelle

Evaluierung von RBW-Werten zur Abschätzung des Risikos ist daher von großer Bedeutung.

Diese Fragestellungen könnten im Rahmen des Med-AUSTRON Projektes untersucht werden

[30].

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Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 89

I.6 Bisherige klinische Resultate der Protonen- und

Leichtionentherapie

F. Sedlmayer, K. Kapp, A. Hackl, H.D. Kogelnik,

I.6.1 Einleitung

Erste Erfahrungen über die klinische Anwendung von Protonen stammen aus den 50er

Jahren aus Berkeley [50, 80] und aus Uppsala [48, 49].

Die damaligen Indikationen am Lawrence Berkeley Laboratory (LBL) lagen primär in der

Behandlung von Hypophysentumoren, diabetischen Retinopathien und Hypophysen-

Ausschaltungen bei metastasierten Mammakarzinomen [51, 54, 81]. Es kamen dabei durchwegs

wenige Fraktionen in hoher Einzeldosierung zum Einsatz.

In Uppsala wurden zunächst funktionelle neurologische Erkrankungen einer Bestrahlung

zugeführt, erst sekundär wurde die Behandlung von malignen Tumoren in das Programm

inkludiert.

Am Massachussetts General Hospital - Harvard Cyclotron Laboratory (MGH-HCL) wurden

Protonen in den 60er Jahren klinisch eingesetzt, wobei primär die Behandlung von

Hypophysenerkrankungen und die Therapie zerebraler arteriovenöser Malformationen im

Vordergrund standen [38, 39, 40, 41]. Auch in diesem Zentrum wurde erst in den folgenden

Jahren die Tumortherapie in das Programm aufgenommen.

Ebenfalls aus den 60er Jahren stammen die ersten Erfahrungen vom Institut für theoretische

Physik in Moskau (ITEP) sowie aus Japan vom Nationalen Institut für Radiologische

Wissenschaften (NIRS) und in der Folge dem Proton Medical Research Center (PARMS) in

Tsukuba. Auch in diesen Instituten stand die Radiotherapie hypophysärer Erkrankungen im

Vordergrund der klinischen Forschung.

Am MGH-HCL begannen 1974 Suit et al. Langzeitstudien über lokale Dosis-

Effektbeziehungen im Bragg-peak-Bereich an ausgewählten Tumorentitäten, die einer

fraktionierten Protonenbestrahlung zugeführt wurden. Die technischen Vorgaben hinsichtlich

Strahlenenergie und Eindringtiefe an diesem Beschleuniger beschränkte die klinische Forschung

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 90

im wesentlichen auf eher oberflächennahe gelegene Zielvolumina wie Tumoren des

Kopf/Halsbereichs, paraspinale Tumoren, aber auch selektiert auf Prostatakarzinome [2, 3, 4, 5,

30, 62, 63, 76, 78].

1975 begannen Castro et al. an der University of San Francisco (UCSF) in Zusammenarbeit

mit dem LBL klinische Dosis-Effekt-Studien von Leichtionen bei der Bestrahlung maligner

Tumoren [13, 14, 17, 20, 56, 57]. Ziel dieser Untersuchungen war primär, den relativen Beitrag

der physikalisch-ballistischen Eigenschaften oder aber der radiobiologischen Vorteile bei der

Verwendung dieser Strahlenqualitäten zu definieren.

Nach der Verfügbarkeit der Computertomographie sowie - darauf basierend - der

Entwicklung computerunterstützter, dreidimensionaler Bestrahlungsplanungssysteme wurden am

MGH-HCL und am UCSF-LBL die ersten umfangreicheren Studien zur fraktionierten Bragg-

peak-Therapie ermöglicht.

Bis 1996 wurden weltweit über 17.000 Patienten einer Ionenbestrahlung zugeführt, von

diesen Patienten wurden ca. 14.000 mit Protonen behandelt. Einrichtungen zur Radiotherapie mit

Protonen existieren derzeit in 10 Ländern; in einigen Staaten werden in naher Zukunft

zusätzliche Zentren eröffnet werden. Am UCSF-LBL kamen aufgrund der leichteren technischen

Herstellbarkeit Heliumionen anstatt Protonen zum Einsatz.

Die OER (oxygen enhancement ratio: Sauerstoffverstärkungseffekt) von Heliumionen

wurde mit einem Faktor 2,5 - 3 angegeben [8, 9, 50]. Die klinische Wertigkeit scheint mit jener

von Protonen vergleichbar zu sein, obwohl für Heliumionen die RBE (relative biologische

Effektivität) für die meisten Gewebearten mit einem 1,2 bis 1,4-fachen Wert angegeben wird

(lediglich für das ZNS wurden Werte um 1,6 angenommen). Im Vergleich dazu wurde am MGH-

HCL für die Wertung der RBE von Protonen ein geschätzter Faktor von 1,1 verwendet.

Das verfügbare Energiespektrum der Heliumionen reichte von 150 - 232 MeV. Tumordosen

wurden in GyE (Gray-Äquivalent) ausgedrückt, wobei die physikalische Dosis mit dem RBE-

Faktor multipliziert wurde, so daß im Vergleich zu Photonenbestrahlungen von gleichen

Wahrscheinlichkeiten im Auftreten von Spätreaktionen auszugehen war.

Die physikalischen Eigenschaften von Protonen und Heliumionen, aber auch z.B. von

Kohlenstoffionen sind hervorragend geeignet, eine präzise Hochdosisbestrahlung eines

Zielvolumens bei gleichzeitiger besserer Schonung umliegender Risikostrukturen (wie etwa

zentralnervöse Strukturen, Hirnnerven und Rückenmark) durchzuführen [70, 71]. Dadurch

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 91

werden im Vergleich zu konventionellen Photonenbestrahlungen bei bestimmten Tumorentitäten

Dosiseskalationen von 10% - 35% ermöglicht, die über eine Zunahme der lokalen

Tumorkontrollraten letztlich zu höheren Überlebensraten führen.

Der klinische Einsatz dieser Strahlenqualitäten erforderte intensive Vorarbeiten auf dem

Gebiet der radiobiologischen Grundlagenforschung, aber auch im technisch-apparativen Bereich,

beginnend mit CT-, MRI- und PET- gestützter Bestrahlungsplanung über die Entwicklung von

dreidimensionalen Planungssystemen, geeigneten Lagerungsvorrichtungen und vieles mehr. Die

bisherigen Erfahrungen am MGH-HCL und am UCSF-LBL haben für einige Tumorentitäten im

Vergleich zu historischen Daten eine deutliche Verbesserung der lokalen Tumorkontrollen und

des Gesamtüberlebens gezeigt.

I.6.2 Tumoren im Bereich der Schädelbasis

Bei der Leichtionenbestrahlung von Tumoren im Bereich der Schädelbasis wurden während

der letzten 15 Jahre Verbesserungen in der Bestrahlungsplanung und der Genauigkeit der

Dosisapplikation erzielt. Einerseits wurde durch die verbesserte Diagnostik (CT, MRI)

konsekutiv eine präzisere Umsetzung in immer komplexeren Planungssystemen erreicht,

andererseits erlaubt die Entwicklung auf dem Feld neurochirurgischer Techniken heute oft

zumindest eine Tumorreduktion in anatomisch schwer zugänglichen Regionen. Verbliebene

Tumorreste sind für die Strahlentherapie besser geeignet. Da diese Tumoren überwiegend nicht

metastasieren, drückt sich eine Zunahme lokaler Tumorkontrollraten direkt in erhöhten

Gesamtüberlebensraten aus. Die prognostisch wichtigsten Faktoren sind Tumorhistologie,

Tumorgröße und Zeitpunkt der Behandlung (Ersttherapie/Rezidivtherapie).

Resultate am UCSF-LBL

Zwischen 1977 und 1992 wurden am UCSF-LBL 126 Patienten mit Schädelbasistumoren

bestrahlt [7, 12, 71]. 109 Patienten wurden mit Heliumionen behandelt, bei 17 Patienten wurde

ein Teil der Therapie mittels Neonionen durchgeführt. Die mittlere Nachbeobachtungszeit beträgt

61 Monate.

Bei 53 Patienten lag ein Chordom vor, bei je 27 Patienten lautete die Histologie

Chondrosarkom bzw. Meningeom, bei 19 Patienten wurden andere Histologien beschrieben (wie

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 92

Osteosarkom oder Neurofibrosarkom). In 4 Fraktionen pro Woche wurden Gesamtdosen von

60 - 80 GyE (im Mittel 68 GyE) mit einer täglichen Einzeldosis von 2 GyE appliziert. Die

gerechnete RBE für Heliumionen betrug an ZNS-Strukturen 1,6, für alle anderen Gewebe 1,3.

Die oberen Grenzen der Toleranzdosen lagen beim Hirnstamm bei 60 GyE, am Chiasma opticum

bei 55 GyE und am Halsrückenmark bei 45 GyE.

Durch Einschränkungen in der zeitlichen Verfügbarkeit wurden die Heliumbehandlungen oft

mit Photonenbestrahlungen im Ausmaß von 30-70% der Gesamtdosis kombiniert. Die lokale

Tumorkontrolle und das Gesamtüberleben waren bei allen Tumorhistologien im Vergleich zu

historischen Kollektiven verbessert. Bezogen auf alle 126 Patienten lagen die lokalen

Tumorkontrollraten nach 5 Jahren bei 71% und nach 10 Jahren bei 57%; die Überlebensraten

nach Kaplan/Meier [35] betrugen nach 5 Jahren 77% und nach 10 Jahren 62%. Die 5-Jahres-

Tumorkontrollraten für Meningeome betrugen 85%, Chondrosarkomen 78%, Chordomen 63%

und für andere Sarkome 58% (Tabelle 6.2-1).

Die lokalen Tumorkontrollraten nach 5 Jahren nahmen von 60% bei den ersten Patienten,

die zwischen 1977 und 1986 behandelt wurden, auf 78% bei den zwischen 1978 und 1992

bestrahlten Patienten zu, was den Einfluß der verbesserten Technologien hinsichtlich

Bestrahlungsplanung, Dosisapplikation, Einsatz von MRI und verbesserter

Patientenimmobilisierung klar dokumentiert.

Für die 109 Patienten, die mit Heliumionen bestrahlt wurden, lagen die 5- und 10-Jahres-

Tumorkontrollraten bei 78% bzw. 62%; die Überlebensraten nach 5 und 10 Jahren betrugen 84%

und 70%. In der histologischen Zuordnung lagen die 5-Jahres-Raten bezogen auf die lokale

Tumorkontrolle bei 88% für 23 Patienten mit Chondrosarkomen, weiters bei 60% für 48

Patienten mit Chordomen und bei 89% für 26 Patienten mit Meningeomen [10]. Bei anderen

Sarkomhistologien (inkl. Osteosarkome) lagen die 5-Jahres- Lokalkontrollraten bei 58%, wobei

die Gesamtüberlebensrate nach 5 Jahren 71% betrug.

Kaplan und Mitarbeiter werteten die Ergebnisse nach Heliumbestrahlung von nicht oder nur

teilweise resezierten Meningeomen der Schädelbasis oder des Rückenmarks aus [36]. Zwischen

1981 und 1992 wurden am LBL 29 Patienten mit solchen Tumoren mittels Heliumionen

bestrahlt; 26 Tumorlokalisationen lagen intrakraniell, 3 Patienten litten an einem spinalen

Tumor. Es wurden Gesamtdosen von 53-80 GyE (im Mittel 63 GyE) verabreicht. Die lokalen

Tumorkontrollraten sowie die Gesamtüberlebensraten nach 10 Jahren betrugen 84% bzw. 80%.

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 93

Die einzigen Tumorrezidive wurden bei 4 Patienten in der Frühphase der Studie verzeichnet.

Mittlerweile wird bei nicht- oder teilresezierbaren Meningeomen, die in unmittelbarer Nähe von

radiosensiblen ZNS-Strukturen oder Hirnnerven gelegen sind, eine Leichtionenbestrahlung mit

60 GyE als Standardbehandlung empfohlen.

Am LBL wurden darüber hinaus 97 Patienten bestrahlt, bei denen die primäre

Tumorlokalisation im Bereich der Speicheldrüsen, des Nasopharynx oder der paranasalen Sinus

gelegen war und die sekundär in die Schädelbasis einwuchsen. Auch bei diesen prognostisch

sehr ungünstigen Situationen wurden nach 5 Jahren sehr gute lokale Tumorkontrollraten erzielt,

die je nach Histologie zwischen 45 und 83% gelegen waren [28, 62]. Behandlungstechnik und

Dosierung waren vergleichbar mit den Patienten mit primären Schädelbasistumoren.

Resultate am MGH-HCL

Am MGH-HCL wurden seit 1974 über 250 Patienten mit Tumoren der Schädelbasis und des

zervikalen Rückenmarks bestrahlt, wobei primär Chordome und niedrig maligne

Chondrosarkome behandelt wurden [1, 3, 6, 62, 77]. Diese Studien wurden von Munzenrider et

al. [63] in einem Bericht über 194 Patienten mit Chordomen und niedrig malignen

Chondrosarkomen erneut analysiert. Die Tumordosen lagen bei 57-76 GyE (mediane Dosis

68 GyE), wobei eine RBE für Protonen von 1,1 gerechnet wurde. Die üblichen täglichen

Einzeldosen lagen bei 1,8 GyE, die Therapie erfolgte an 5 Tagen pro Woche, üblicherweise

kamen 4 Fraktionen mit Protonen und 1 Fraktion mit Photonen zum Einsatz. Das

lokalrezidivfreie Überleben lag nach 5 Jahren bei 76%, das Gesamtüberleben nach 5 Jahren für

das gesamte Kollektiv bei 90%. Bei Patienten mit Chondrosarkomen betrug das lokalrezidivfreie

Überleben 95% nach 5 Jahren, bei den nicht-chondroiden Chordomen lag das lokalrezidivfreie

Überleben nach 5 Jahren lediglich bei 62%. In dieser Gruppe wurde auch ein

geschlechtsspezifischer Unterschied beschrieben (das lokalrezidivfreie 5-Jahres-Überleben

betrug 63% bei weiblichen Patienten im Vergleich zu 89% bei männlichen Patienten), wobei die

Gründe unklar blieben.

Derzeit sind weitere Studien der Proton Radiation Oncology Group (PROG) im Gange, um

vor allem für die Chordome der Schädelbasis den Effekt höherer Enddosen bis zu 79 GyE zu

bestimmen.

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 94

Patienten mit Tumoren im Bereich des zervikalen Rückenmarks zeigten eine schlechtere

Prognose als Patienten mit Schädelbasistumoren, wobei das Gesamtüberleben nach 5 Jahren für

erstere 73% und 90% für letztere betrug.

Am MGH-HCL wurden bei paraklival gelegenen Meningeomen ähnliche Resultate

berichtet. Austin-Seymour et al. veröffentlichten einen Bericht über 13 Patienten, die nach

subtotaler Resektion mit einer Protonenbestrahlung von 59,4 GyE im Mittel behandelt wurden

[3]. Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von 26 Monaten waren alle 13 Patienten lokal

tumorfrei.

I.6.3 Komplikationen der Leichtionenbestrahlung im Bereich der

Schädelbasis

Am MGH-HCL berichtete Munzenrider über eine Gesamtkomplikationsrate von 34% (alle

Komplikationsgrade) [62, 63, 83]. Grad 3-4 Komplikationen wurden lediglich bei 8% der

Patienten beobachtet, kein Patient verstarb an therapieinduzierten Nebenwirkungen. Als

häufigste Nebenwirkungen wurden Einschränkungen des Hörvermögens berichtet (36 Patienten),

weiters endokrine Dysfunktionen (28 Patienten), Hirnnekrosen unterschiedlichen Ausmaßes bei

24 Patienten sowie Visusbeeinträchtigungen bei 8 Patienten.

Am UCSF-LBL konnten 185 Patienten mit primären Schädelbasistumoren ausgewertet

werden, davon waren 126 Patienten nach 1-15 Jahren tumorfrei [7, 12]. Dabei zeigte sich, daß

zwischen 1977 und 1986, als die Bestrahlungsplanung noch primär CT-gestützt erfolgte und die

Behandlungstechniken erst in Entwicklung waren, 12 von 29 (41%) Patienten Grad 3, 4 oder 5 (=

letale) Komplikationen aufwiesen. Von 1987 bis 1992 erfolgte die Bestimmung des

Zielvolumens routinemäßig mittels MRI. Während dieses Zeitraumes standen verbesserte

Lagerungstechniken zur Verfügung. Überdies wurden inzwischen neue radiobiologische

Erkenntnisse über Normalgewebstoleranzen berücksichtigt. Während dieser Zeit fiel die Rate der

Behandlungskomplikationen auf 20% (nur mehr 11 von 55 tumorfreien Patienten zeigten Grad 3-

5 Komplikationen). Dabei wurde in erster Linie über Spätreaktionen am Nervusoptikus, am

Hirnstamm, sowie am Temporallappen berichtet. Als schwere Komplikationen wurden

Hirnnekrosen, Osteoradionekrosen im Schädelbasisbereich und schwere Temporallappenschäden

angeführt. Bei 4 von 85 Patienten wurden Grad 5 Komplikationen beschrieben (3 dieser

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 95

Patienten waren bereits früher bestrahlt worden). Durch die Optimierung der Protonentherapie

für Schädelbasistumoren wird für Patienten, die keine vorangegangene Bestrahlung hatten, eine

Rate von unter 5% an schweren Spätreaktionen erwartet Die Verwendung von high-LET-Ionen

(schwerer als Protonen oder Heliumionen) muß in diesen Regionen aufgrund der größeren RBE

mit äußerster Vorsicht erfolgen, um die Rate an ZNS-Spätschäden gering zu halten.

I.6.4 Juxtaspinale und sakrale Tumoren

Resultate am UCSF-LBL

Am UCSF-LBL wurden 62 Patienten mit Chordomen oder Chondrosarkomen der

Wirbelsäule und des Sakrums bestrahlt [65, 74]. Die meisten Patienten wurden mit Heliumionen

behandelt (davon 21 Patienten kombiniert mit Photonen), einige Patienten mit Neonionen. Die

median applizierte Dosis betrug 70 GyE.

Insgesamt waren die lokalen Tumorkontrollraten niedriger als bei Schädelbasistumoren:

50% für Chondrosarkome (11 von 22 Patienten, mediane Nachbeobachtung 31 Monate) und 45%

für Chordome (18 von 40 Patienten, mediane Nachbeobachtungszeit von 40 Monaten). Bei

Patienten, die mit Neonionen bestrahlt wurden, konnte eine höhere lokale Tumorkontrollrate

beobachtet werden: bei 6 von 8 Patienten mit Chordomen wurde mit Neonbestrahlung eine

lokale Tumorkontrolle erzielt, im Vergleich dazu nur bei 12 von 32 Patienten, die mit

Heliumionen behandelt worden waren. Bei Patienten mit juxtaspinalen Sarkomen

(Osteosarkome, Neurofibrosarkome, maligen fibrösen Histiozytomen etc.) wurde bei 16 von 29

Patienten eine lokale Tumorkontrolle erreicht (mediane Nachbeobachtungszeit von 32 Monaten).

Resultate am MGH-HCL

Hug et al. berichteten 1995 über Langzeitresultate von Patienten nach Protonenbestrahlung

von Tumoren des Stammskelettes [34]. Zwischen 1980 und 1992 waren 47 Patienten auswertbar,

wobei die 5-Jahres-Kontrollraten und Überlebensraten bei Chordomen 53 bzw. 50% und bei

Chondrosarkomen 100% betrugen. Für Osteosarkome wurde nach 5 Jahren eine lokale

Tumorkontrollrate von 59% berichtet. Aufgrund der Metastasierungsneigung dieser Erkrankung

war jedoch nur eine Gesamtüberlebensrate von 44% erreicht.

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 96

I.6.5 Hirnstamm- und Rückenmarkstumoren

Resultate am UCSF-LBL

Am UCSF-LBL wurde für die Teilchenbestrahlung von Tumoren, die teilweise oder

vollständig den Hirnstamm oder das Rückenmark umschließen, eine spezielle Technik entwickelt

[11, 23]. Durch den enormen Aufwand dieser komplexen Methode konnten bei den ersten 47

Patienten mit Chordomen, Chondrosarkomen, Meningeomen, Osteosarkomen und

metastatischen Absiedelungen lokale Tumorkontrollraten von 62% erreicht werden (mediane

Nachbeobachtungszeit: 20 Monate). Die Rate an radiogenen Schäden am Rückenmark oder

Hirnstamm war trotz der hohen Enddosen von 60 GyE und darüber mit 6% bemerkenswert

niedrig. Mit dieser Methode wurde unter Beweis bestellt, daß unmittelbar an hochsensiblen

Strukturen gelegene Läsionen mit Dosen bestrahlt werden können, die in der gegenwärtigen

„konventionellen“ Photonentherapie nicht erreichbar sind.

I.6.6 Uveamelanome

Über die Behandlung von Uveamelanomen mit Protonen oder Heliumionen wird seit

nunmehr fast 20 Jahren berichtet. Aufgrund der Möglichkeit, mit diesen Strahlenqualitäten eine

hohe Dosis an ein Zielvolumen meist geringer Größe zu verabreichen, können extrem hohe

lokale Tumorkontrollraten von rund 96% erreicht werden. Dadurch gelingt in 85-94% der Fälle

die Organerhaltung und bei knapp der Hälfte der Patienten auch die Erhaltung der Sehfähigkeit.

Diese Behandlung wird mittlerweile in mehr als 10 Ländern der Welt durchgeführt. Als Pioniere

der Teilchenbestrahlung von Uveamelanomen gelten Constable, Suit, Gragoudas et al. im MGH-

HCL [22, 29, 30, 61, 64] und am UCSF-LBL Char, Castro et al. [17, 18, 19, 20, 55, 59].

Resultate am MGH-HCL

Am MGH-HCL und an der Massachusetts Augen- und Ohrenklinik (MEEI) wurden seit

1976 mehr als 1.500 Patienten bestrahlt [25, 30, 61, 64, 75]. In 5 Sitzungen (über 1-2 Wochen)

wurden mittels Protonen Gesamtdosen um die 70 GyE appliziert. Bei einem Mindestabstand des

Tumorvolumens von der Fovea oder dem Nervus opticus von 3 mm konnte bei zwei Drittel der

Patienten ein hohes Maß an Visusschärfe erhalten werden.

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 97

Die Enukleationsrate betrug insgesamt lediglich 10% (primär bei Ziliarkörper - und/oder

fovea-nahen Prozessen mit Tumordicken über 8 mm) [61, 64]. Gradoudas et al. berichtete bei

1.077 Patienten, die seit 1987 behandelt worden waren, über äußerst niedrige Lokalrezidivraten

von 4% [30]. Die meisten Lokalrezidive waren Feldrandrezidive, lediglich 3 Patienten wiesen ein

Rezidiv innerhalb des Bestrahlungsvolumens auf.

Resultate am UCSF-LBL

Am UCSF-LBL wurden zwischen 1978 und 1992 347 Patienten mit Heliumionen bestrahlt:

Innerhalb einer Behandlungsdauer von 4-16 Tagen wurden mittels 4-5 Fraktionen Gesamtdosen

zwischen 48 und 80 GyE appliziert. Unabhängig von der Dosis und der Tumorgröße wurden

annähernd gleich hohe lokale Tumorkontrollraten von 96% beobachtet. Von diesen 347 Patienten

sind 230 noch am Leben (mediane Nachbeobachtungszeit 75 Monate). 14 Patienten (4%)

entwickelten ein Lokalrezidiv und benötigten entweder eine Enukleation oder eine neuerliche

Bestrahlung. Von diesen 14 Patienten sind 6 an Fernmetastasen verstorben. Neunundvierzig

Patienten (14%) mußten aufgrund von Komplikationen der Heliumbestrahlung enukleiert

werden.

Auch in dieser Serie bestätigte sich, daß Patienten mit Tumorlokalisationen nahe am Nervus

opticus oder der Fovea eine geringere Chance auf die Erhaltung (oder Verbesserung) ihres

prätherapeutischen Sehvermögens aufweisen. Insgesamt konnte das Sehvermögen bei 81

Patienten nach einer Nachbeobachtungszeit von mindestens 5 Jahren ausgewertet werden: als

stärkste Risikofaktoren hinsichtlich einer Verschlechterung des Visusresultates erwiesen sich

zunehmende Tumorgröße, abnehmende Distanz zur Fovea, sowie verminderte Visusschärfe vor

der Bestrahlung [59].

Char et al. publizierten 1993 die Ergebnisse einer randomisiert prospektiven Untersuchung

an 184 Patienten mit Uveamelanomen, die alternativ einer Heliumionentherapie oder einer

Brachytherapie mittels Jod-125-Plaques zugeführt wurden [20]. Trotz augenscheinlich

äquivalenter Dosierung war im brachytherapeutischen Arm eine signifikant höhere

Lokalrezidivrate zu beobachten; ebenso wurde nach Brachytherapie häufiger enukleiert. Nach

Heliumionenbestrahlung von Tumoren im vorderen Uveasegment traten häufiger

Komplikationen auf. Die lokale Tumorkontrolle war im Heliumarm signifikant höher (100%

gegen 87% im Brachytherapie-Arm), die Rate an Enukleationen war signifikant niedriger (9%

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 98

gegen 17%). Die Autoren zogen den Schluß, daß vor allem für dorsal im Bulbus gelegene

Läsionen die Teilchenbestrahlung die überlegene Therapieform darstellt.

Derzeit entwickeln ca. 20% aller Patienten mit Uveamelanomen in weiterer Folge

Fernmetastasen. Diese Metastasierung ist Ausdruck präexistenter Mikrometastasen zum

Zeitpunkt der Primärtumorbestrahlung [66].

Eine besondere Stellung nehmen Melanome, die den Ziliarkörper (mit-)betreffen, ein; im

Vergleich mit allen anderen Uveamelanomen weisen diese Patienten eine schlechtere Prognose

auf. Decker und Mitarbeiter [24] berichteten über 54 Patienten mit Ziliarkörpermelanomen, die

zwischen 1978 und 1985 einer Helium-Ionenbestrahlung zugeführt worden waren. Trotz der

hohen lokalen Tumorkontrollrate von 98% betrug aufgrund der hohen Metastasierungsrate bei

diesem Kollektiv das tumorfreie Überleben nach 5 Jahren nur 59 %. Wichtigster Prognosefaktor

war auch hier die Tumorgröße. Aufgrund der Lokalisation lag die Inzidenz der neovaskulären

Glaukome nach 5 Jahren bei 43% und die Rate schmerz- oder glaukombedingter Enukleationen

bei 26%.

Mittlerweile stellt die Protonentherapie von Uveamelanomen eine etablierte Methode dar,

wobei in mehr als 10 Ländern eine große Zahl von Patienten erfolgreich behandelt werden

konnte:

So wurden am Paul-Scherrer-Institut/Schweiz rund 1.500 Patienten bestrahlt, im

Protonentherapiezentrum Orsay/Frankreich 400 Patienten, im Zentrum Antoine Lacassagne,

Nizza/Frankreich rund 340 Patienten, und an der Douglas Cyclotron Unit,

Clatterbridge/Großbritannien über 500 Patienten [21, 26, 72].

Offene Fragen bestehen hinsichtlich der Reduktion der Vorderkammerglaukomrate und der

Entwicklung effektiver Therapieformen für Patienten, die ein hohes Metastasierungsrisiko

aufweisen. Weitere Dosisreduktionen und die Verwendung von Mehrfeldtechniken sollen die

Rate an Komplikationen vermindern helfen; diesbezüglich sind Studien am UCSF-LBL im

Gange (in Verwendung des Crocker Nuclear Laboratory Cyclotron). An der MGH-HCL-MEEI

ist eine randomisierte Protonenstudie beendet worden, wobei 70 GyE gegen 50 GyE verglichen

wurden, die Auswertung ist noch offen.

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 99

I.6.7 Arteriovenöse Malformationen

Protonen und Heliumionen sind zur stereotaktischen radiochirurgischen Behandlung von

arteriovenösen Malformationen (AVMs) mehrfach verwendet worden.

Die Protonentherapie vom AVMs wurde von Kjellberg et al. am MGH-HCL eingeführt, wo

über 1.300 Patienten bestrahlt wurden [37]. Am LBL sind seit 1980 über 400 Patienten mit

inoperablen intrakraniellen AVMs mit Heliumionen behandelt worden [27, 52, 53].

Am Borodenko Neurochirurgischen Institut für theoretische und experimentelle Physik in

Moskau, sowie am Leningrader Institut für Nuklearphysik, sind über 250 Patienten mit AVMs

einer Protonenbestrahlung zugeführt worden [67]. Diese Behandlungen werden u.a. auch noch in

Südafrika an der South African Proton Facility in Faure durchgeführt.

Kjellberg berichtete 1988 über 709 Patienten mit einer 20jährigen Nachbeobachtungszeit;

wonach in den meisten Fällen eine partielle oder komplette Obliteration erreicht werden konnte

[37]. Die Autoren zogen den Schluß, daß eine Radiochirurgie mittels Protonen für inoperable

AVMs eine hochgradig wirkungsvolle Therapieform darstellt.

In einer Studie aus dem LBL wurde eine volumenabhängige Obliterationsrate nach

Radiochirurgie mit Heliumionen berichtet. Für Volumina unter 40cm3 betrug die komplette

angiographisch diagnostizierte Obliterationsrate 3 Jahre nach der Radiochirurgie zwischen 90

und 95%, für größere Behandlungsvolumina 60-70%. Die Gesamtobliterationsrate bei allen 230

Patienten (Zielvolumina bis 70cm3) lag bei 80-85%. Bei Patienten, die weniger als 25 GyE

erhielten, wurden bis dato keine Komplikationen registriert. Lediglich bei höherer Dosierung

mußten z.T. schwere Komplikationen bis hin zu symptomatischen vasogenen Ödemen und

Vaskulopathien festgestellt werden [27]. Trotz der Effektivität der Methode liegen die Nachteile

einer Teilchenbestrahlung von AVMs in der langen Periode bis zur kompletten Obliteration. Die

Rolle der Protonen im Vergleich zur stereotaktischen Radiochirurgie am Linearbeschleuniger ist

noch nicht definitiv gesichert. Bei großen irregulären Läsionen, die mit herkömmlichen

stereotaktischen Photonentechniken nicht mehr erfaßbar sind, können Protonen entscheidende

Vorteile bieten.

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 100

I.6.8 Klinische Erfahrungen mit Teilchenbestrahlung mit hohem linearen

Energietransfer (High-LET)

I.6.8.1 Speicheldrüsenkarzinome

Weltweit sind bis dato Hunderte von Patienten mit nicht resezierbaren

Speicheldrüsenkarzinomen in Phase I / II Studien mit high-LET-Strahlen bestrahlt worden. Alle

diese Untersuchungen zeigten verbesserte Therapieresultate im Vergleich mit konventionell

bestrahlten historischen Kollektiven [45, 84].

1993 wurde über eine Phase III RTOG/MRC Neutronen Studie an Patienten mit nicht-

resektablen Speicheldrüsenmalignomen berichtet [45]. Zwölf Patienten wurden mit

konventioneller Photonen- oder Elektronentherapie behandelt; 13 Patienten wurden mit

Neutronen bestrahlt. Die 10-Jahres-Analysen zeigten einen signifikanten Vorteil in der lokalen

Tumorkontrolle zugunsten der Neutronen (56% gegen 17%), obwohl kein Unterschied im

Gesamtüberleben gezeigt werden konnte. Die Neutronenpatienten zeigten primär eine hohe Rate

an Fernmetastasen, wohingegen im konventionellen Arm lokoregionäre Rezidive vorherrschten.

Schwere Nebenreaktionen waren im Neutronenarm häufiger, tödliche Komplikationen wurden

nicht beobachtet.

Am LBL behandelten Linstatt et al. 18 Patienten mit primär inoperablen oder rezidivierten

Speicheldrüsenmalignomen mit high-LET-Neonionen. Die lokale Tumorkontrollrate nach 5

Jahren betrug 61%, das krankheitsfreie Überleben 59% [57]. Eine Nachfolgeanalyse 1995 zeigte

abermals eine signifikant hohe lokale Tumorkontrolle und Überlebensrate von ca. 50% [10].

Im Vergleich von high-LET-Bestrahlungen mit einer „klassischen“ Photonentherapie hat

sich die high-LET-Behandlung als überlegene Therapieform beim nicht oder nur teilweise

resezierten Speicheldrüsentumoren erwiesen.

I.6.8.2 Prostatakarzinom

Bei langsam wachsenden Tumoren wie dem Prostatakarzinom kann sich eine high-LET-

Teilchenbestrahlung aus mehreren Gründen als vorteilhaft erweisen:

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 101

Unterschiede in der Empfindlichkeit während verschiedener Zellzyklusphasen werden

eliminiert. Darüber hinaus sind bei diesen Tumoren oft hypoxische Areale vorhanden, die

gegenüber einer low-LET-Bestrahlung wesentlich radioresistenter sind. Die modernen

Konformationstechniken in der Bestrahlung des Prostatakarzinomes finden auch in der

Hadronentherapie Anwendung.

Zur Zeit sind zwei Phase III-Studien der RTOG/Neutron Therapy Clinical Working Group

abgeschlossen, in denen eine Neutronen- mit einer Photonenbestrahlung für lokal fortgeschrittene

Prostatakarzinome verglichen wurde [47,69].

Zwischen 1977 und 1983 wurden in der ersten Studie 91 Patienten in den Tumorstadien T3

N0 oder N1 entweder mit Hochvoltbestrahlung (36 Patienten) oder gemischter Photonen-

/Neutronentherapie behandelt (55 Patienten) [47]. Die 10-Jahres-Analysen zeigten einen

signifikanten Vorteil für den Neutronenarm in puncto lokaler Tumorkontrolle (70% gegenüber

58% in der Photonengruppe), ebenso zeigte sich ein klarer Vorteil hinsichtlich des

Gesamtüberlebens (46% gegenüber 29% im Photonenarm) [46].

In der zweiten Studie wurden ab 1986 172 Patienten in den Tumorstadien T2-4; N0-1

analysiert, wobei 87 Patienten mit Neutronen und 85 mit Photonen behandelt wurden. Abermals

waren nach 5 Jahren die mittels Neutronen bestrahlten Patienten hinsichtlich der lokalen

Tumorkontrolle signifikant im Vorteil (89% gegenüber 68% im Photonenarm) [69]. Zu diesem

Zeitpunkt wurden keine signifikanten Unterschiede im krankheitsfreien- oder Gesamtüberleben

beobachtet. Schwere Spätreaktionen waren in der Neutronengruppe häufiger (11% gegenüber

3%).

Trotz der höheren lokalen Tumorkontrollrate in den Neutronenarmen der beiden Studien

bleibt die Rolle einer Neutronentherapie in der Behandlung lokal fortgeschrittener

Prostatakarzinome unklar.

Vor allem im Hinblick auf die zwischenzeitlich publizierten Resultate nach neoadjuvanter

antiandrogener Therapie und konformaler Photonenbestrahlung kann die Wertigkeit der beiden

Bestrahlungsmodalitäten derzeit nicht geklärt werden.

Interessant ist der therapeutische Ansatz, der im UCSF-LBL gewählt wurde: In einer kleinen

Studie an 23 Patienten wurden Boostbestrahlungen der Prostata nach herkömmlicher

Photonenbeckenbestrahlung mit Neonionen durchgeführt. Nach einer medianen

Nachbeobachtungszeit von 51 Monaten zeigten lediglich 2 Patienten ein gesichertes

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 102

Lokalrezidiv. Nach 7,5 Jahren liegt die Tumorkontrollrate bei 85% und die Überlebensrate bei

64% [10]. Die Applikation von high-LET-Teilchenstrahlung scheint die Lokalrezidivrate auch

bei lokal fortgeschrittenen Tumoren auf 10 - 15% zu reduzieren. Allerdings entwickelten 3 dieser

23 Patienten z.T. schwerere Rektumkomplikationen, die möglicherweise auf die

Neonboostbestrahlung zurückgeführt werden müssen. Die Dosisempfehlungen aus dieser kleinen

Serie lauten 45-50 Gy Photonenbestrahlung des Beckens, gefolgt von einem Boost von 15-20

GyE, einer physikalischen Dosis von 5-7 Gy entsprechend.

I.6.8.3 Weichteilsarkome

Weichteilsarkome mit ungünstigen prognostischen Kriterien weisen permanente lokale

Tumorkontrollraten von nur 35 - 38% auf, im Vergleich zu 80 - 90% bei anatomisch günstiger

gelegenen Läsionen.

Aus einigen Phase II Studien an insgesamt 297 Patienten mit Weichteilsarkomen und

ungünstigen Prognosefaktoren wurden nach Neutronentherapie lokale Tumorkontrollraten von

53% berichtet [44]. Ähnliche Verbesserungen wurden für Osteosarkome und Chondrosarkome

berichtet [33]. Nachdem noch keine Resultate aus Phase III Studien vorliegen, kann trotz

ermutigender Zwischenresultate keine abschließende Beurteilung hinsichtlich der Rolle von

high-LET-Strahlen bei Sarkomen gefällt werden.

Zwischen 1978 und 1989 wurden 32 Patienten mit Weichteilsarkomen und ungünstigen

Prognosefaktoren im LBL einer Radiotherapie mit Helium- und/oder Neonionen einer

Behandlung unterzogen [56, 68]. Bei 22 Patienten befand sich die Tumorlokalisation am Stamm,

bei 10 Patienten im Kopf/Halsbereich; bei 22 Patienten lag zum Zeitpunkt der Bestrahlung ein

makroskopischer Tumor vor. Bei den überlebenden Patienten konnte nach 3 Jahren eine lokale

Tumorkontrollrate von 62% erzielt werden, die korrespondierende Überlebensrate betrug 50%.

Patienten mit makroskopischen Tumoren erreichten nach 3 Jahren lokale Tumorkontrollraten

von 48%, wohingegen bei allen Patienten mit mikroskopischen Residuen eine lokale

Tumorkontrolle von 100% erreicht werden konnte. Die korrespondierenden Überlebensraten

nach 3 Jahren betrugen 40% bei Patienten mit makroskopischen Resten und 78% bei Patienten

mit mikroskopischen Residuen. Patienten mit retroperitoneal gelegenen Sarkomen zeigten einen

günstigeren Verlauf mit lokalen Tumorkontrollraten von 64% und eine Gesamtüberlebensrate

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 103

von 62%. Die Komplikationsrate wurde als akzeptabel bezeichnet, therapieassoziierte letale

Komplikationen wurden keine beschrieben. In einer neuerlichen Analyse von 1992 bestätigte

sich der günstige Trend; nach 5 Jahren lagen die Überlebensraten bei 42% und die lokalen

Tumorkontrollraten bei 59% [10].

I.6.8.4 Knochensarkome

Zwischen 1979 und 1989 wurden am LBL 17 Patienten mit prognostisch ungünstigen

Knochensarkomen (Osteosarkome, Ewing-Sarkome, Osteoblastomrezidive) zur Gänze oder

teilweise einer Bestrahlung mit Helium- und/oder Neonionen zugeführt [82]. Die Mehrzahl

dieser Tumoren war in unmittelbarer Nachbarschaft von kritischen Organstrukturen wie dem

Rückenmark gelegen. Zum Zeitpunkt der Bestrahlung lag bei 15% ein makroskopischer Befall

vor (davon 6 Rezidivtumoren). Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 40 Monaten

betrug die 5-Jahres-Überlebensrate 41%. Über die Hälfte der Patienten verstarb an der

Fernmetastasierung.

Eine 1995 durchgeführte Folgeanalyse bestätigte diese Resultate, wobei nach 5 Jahren lokale

Tumorkontrollraten von 59% und Überlebensraten von 45% berichtet wurden [10].

I.6.8.5 Kopf/Halstumoren

Die bisherigen Resultate mit high-LET-Neutronenbestrahlungen für Kopf/Halskarzinome

waren weniger ermutigend. Es wurden zwei Phase III Studien der RTOG durchgeführt, in denen

eine alleinige Neutronen- mit einer Photonenbestrahlung und eine gemischte

Neutronen/Photonentherapie mit alleiniger Photonenbehandlung verglichen wurde.

Im ersten Ansatz konnte ein Vorteil für die Neutronengruppe hinsichtlich kompletter lokaler

Remissionsraten erzielt werden (52% gegenüber 17%), der sich jedoch nicht in einem

Gesamtüberlebensvorteil niederschlug [31].

In der zweiten Studie konnte auch hinsichtlich der lokalen Tumorkontrolle kein Vorteil für

den high-LET-Arm beschrieben werden [32]. Die lokale Kontrolle von

Halslymphknotenmetastasen war im gemischten Neutronen/Photonenarm statistisch der

Kontrollrate nach Photonenbestrahlung überlegen (komplette Remissionsraten 69% gegenüber

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 104

55%; nach 2 Jahren regionäre Kontrollraten 46% gegenüber 33%), ohne das Gesamtüberleben zu

beeinflussen [85].

Von Maor et al. stammt eine Analyse der jüngsten internationalen HNO-Tumor-Studie aus

mehreren Zentren in den Vereinigten Staaten und Großbritannien [60]. In dieser Studie wurden

20,4 Gy Neutronen (12 Fraktionen über 4 Wochen) mit 70 Gy Photonen (35 Fraktionen über

7 Wochen) bei lokal fortgeschrittenen Plattenepithelkarzinomen des Oropharynx,

Laryngopharynx und der Mundhöhle verglichen. In der Neutronengruppe wurde eine erhöhte

komplette Remissionsrate beschrieben; in der abschließenden Analyse zeigten sich allerdings

keine signifikanten Unterschiede hinsichtlich der lokoregionären Tumorkontroll- oder

Überlebensrate, obwohl ein Trend zu Gunsten des Neutronenarms zu verzeichnen war. Die

Komplikationsrate war im Neutronenarm erhöht. In einer Phase I/II Studie am LBL an 13

Patienten mit lokal fortgeschrittenen HNO-Tumoren konnten bislang ebenso keine Vorteile zu

Gunsten einer Neonionenbestrahlung demonstriert werden [14, 57]. Allerdings waren in dieser

Studie die verwendeten Dosen niedrig, so daß mit Dosiseskalationen durch konformale Therapie

die Resultate verbessert werden könnten.

I.6.8.6 Gallengangskarzinome

Schöntaler et al. analysierten retrospektiv 48 Patienten mit Gallengangkarzinomen, die

postoperativ einer Radiotherapie am UCSF-LBL zwischen 1977 und 1987 zugeführt worden

waren [73]. Dreißig Patienten erhielten eine Photonentherapie (mediane Dosis 54 Gy), während

18 Patienten mit Helium und/oder Neonionen (mediane Dosis 60 GyE) bestrahlt wurden.

Sechsunddreißig dieser Patienten hatten zum Zeitpunkt der Radiotherapie makroskopische

Tumorresiduen, die übrigen mikroskopische Residuen.

Die Gesamtüberlebensrate nach 2 Jahren betrug 28%: 44% für die mit high-LET bestrahlten

Patienten und 18% für die lediglich mit Photonen bestrahlten Patienten. Das mediane Überleben

lag in der ersten Gruppe bei 23 Monaten, in der zweiten bei 12 Monaten. Auch war die lokale

Tumorkontrolle bei den 18 Patienten, die einer Hadronenbestrahlung zugeführt worden waren,

signifikant erhöht.

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 105

I.6.8.7 Pankreaskarzinome

Über die Anwendung von Hadronen liegen zwei randomisiert prospektive Studien vor: In

einer RTOG-Studie wurde an 49 Patienten der Einsatz von Photonen gegenüber einer gemischten

Neutronen/Photonenbestrahlung, sowie einer alleinigen Neutronentherapie verglichen.

Aufgeschlüsselt nach der verwendeten Strahlenqualität betrugen die medianen Überlebensraten

bei Neutronen 5,6 Monate, bei gemischten Strahlenqualitäten 7,8 Monate, und bei Photonen 8,3

Monate [79].

Eine Studie der NCOG verglich an 49 Patienten den Einsatz von Heliumionen gegenüber

Photonen; das mediane Überleben war 7,8 Monate für die Helium-, und 6,5 Monate für die

Photonentherapie (nicht signifikant) [58, 86]. Die Resultate aller mit Neonionen behandelten

Patienten zeigten vergleichbare Überlebensraten gegenüber den derzeitigen Radiotherapien mit

Photonen. Ähnliche Ergebnisse wurden in kleinen Analysen bei der Bestrahlung von

Magenkarzinomen und Ösophaguskarzinomen mit Neonionen publiziert [57,16].

I.6.8.8 Maligne Gliome

In einer Dosisfindungsstudie der RTOG wurden insgesamt 190 Patienten einer gemischten

Photonen/Neutronentherapie zugeführt. Das mediane Überleben lag bei 9,9 Monaten bei

Patienten mit einem Glioblastoma multiforme; anaplastische Astrozytome zeigten ein medianes

Überleben von 22 Monaten. Die unterschiedlichen Neutronendosen bewirkten keine Änderung

des medianen Überlebens [43] und sind denen der herkömmlichen Hochvolttherapie nicht

überlegen.

Am LBL wurden 16 Patienten mit Neonionen bestrahlt, wobei nur ein Patient mit einem

anaplastischen Astrozytom überlebte [15, 57]. Eine Folgestudie über hochdosierte

Neonionenbestrahlung an weiteren 14 Patienten mit Glioblastomen zeigte keinen signifikanten

Überlebensvorteil.

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 106

I.6.8.9 Nicht kleinzellige Lungenkarzinome (NSCLC)

102 Patienten mit NSCLC wurden in einer randomisierten RTOG Studie einer

Radiotherapie mit Neutronen, Photonen oder einer gemischten Neutronen/Photonen-Bestrahlung

zugeführt [42]. Zwischen den Therapiearmen zeigte sich kein signifikanter

Überlebensunterschied; die 3-Jahres-Überlebensraten betrugen 8% für die Photonengruppe, 16%

für die gemischten Strahlenqualitäten und 5% für die Neutronentherapie. Tödliche

Komplikationen und radiogene Myelitiden wurden nur in der Neutronentherapiegruppe

beobachtet.

In einer kleinen Serie vom LBL an 20 Patienten mit fortgeschrittenem NSCLC, die einer

Neonionenbestrahlung zugeführt worden waren, wurden nach 5 Jahren Überlebensraten von nur

5% erzielt [57].

Tabelle 3.3-1: Ergebnisse nach Teilchenbestrahlung von Schädelbasistumoren.

Lokale Tumorkontrolle nach 5 Jahren

UCSF-LBL MGH-HCL

Meningeome: 85% 100%

Chondrosarkome: 78% 95%

Chordome: 63% 62%

Andere Sarkome: 58% 59%

Überleben nach 5 Jahren

Meningeome: 82% 100%

Chondrosarkome: 83% 95%

Chordome: 75% 81%

Andere Sarkome: 71 % 44%

UCSF-LBL: mediane Nachbeobachtungszeit 53 Monate (4-201 Mo)

MGH-HCL: mediane Nachbeobachtungszeit 40 Monate (2-211 Mo)

Band I.6: Bisherige klinische Resultate

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 107

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Band I.7: Aktuelle klinische Studien

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 115

I.7 Aktuelle klinische Studien zur Hadronentherapie

E.B. Hug, T. Auberger

1. Augenmelanome

Seit 1994 wurden mehr als 2000 Patienten am Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts /

Harvard Cyclotron Laboratorium behandelt. Die überwiegende Anzahl der Patienten erhielt

70 CGE (Cobalt Gray Äquivalent) in 5 Fraktionen. Die lokale 5 Jahres–Tumorkontrollrate

beläuft sich auf über 96 %. Bei etwa 93% dieser Patienten konnten die Augen erhalten werden.

(Die Ergebnisse variieren in Abhängigkeit von der Tumorgröße sowie Tumorlokalisation im

Globus). Andere Zentren bestätigten die exzellenten, lokalen Kontrollraten. Im Allgemeinen

beläuft sich die 5 Jahres-Überlebensrate auf etwa 85%. Im Vergleich zur chirurgischen

Enukleation stellt dieses ein vergleichbares Ergebnis dar. Eine prospektive Studie mit einer

Randomisierung zwischen 50 und 70 CGE wurde initiiert und durchgeführt, um den Effekt einer

niedrigeren Zielvolumendosis auf die Visusveränderungen zu untersuchen. Die Studie wurde

bereits abgeschlossen, aber längere Nachbeobachtungszeiten sind noch erforderlich, um die

Durchführbarkeit und den tatsächlichen Effekt der niedrigeren Zielvolumendosis vollständig zu

analysieren.

2. Chordome / Chondrosarkome der Schädelbasis

Über 400 Patienten mit Chordomen oder Chondrosarkomen der Schädelbasis oder des

Achsenskeletts erhielten eine Protonenbestrahlung. Die Mehrzahl der Patienten wurde im

Rahmen einer kooperativen prospektiven Studie (PROG Protokoll 85 - 26) zwischen dem

Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts / Harvard Cyclotron Laboratorium und dem

medizinischen Zentrum der Loma Linda-Universität behandelt. Die initiale Randomisierung der

Patienten erfolgte im Hinblick auf die Dosis von 66,6 CGE oder 72,0 CGE bezogen auf das

Zielvolumen. Die lokale 5 Jahres-Tumorkontrollrate für Chondrosarkome im

Schädelbasisbereich ist größer als 95 %. Für Chordome beträgt der entsprechende Wert etwa

60%.

Band I.7: Aktuelle klinische Studien

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 116

Diese Daten sind mit historischen Angaben großer Institutionen in Beziehung zu setzen,

welche konventionelle Bestrahlungsformen verwandten. Hierbei erreichen die besten Serien bis

zu 40 % (Princess Margaret Hospital: 20% nach 5 Jahren). Bei weiteren Subgruppen-Analysen

wurden zahlreiche Untergruppen mit unterschiedliche Risikofaktoren identifiziert.

Zu der Hochrisikogruppe zählen Patientinnen mit Schädelbasis-Chordomen sowie

Tumormanifestationen im cervicalen Wirbelsäulenbereich unabhängig von Geschlecht und

Histologie.

Zu der Niedrigrisikogruppe zählen Männer mit Chordomen im Schädelbasisbereich oder

Chondrosarkome ohne geschlechtsspezifische Unterschiede.

Daher wurde das aktuelle Protokoll modifiziert. Für Hochrisikopatienten erfolgt eine

Randomisierung in Gruppen, welche entweder 72,0 CGE oder 97,2 CGE erhalten. In Bezug auf

die Niedrigrisikogruppen wurde die Randomisierung mit entweder 66,6 CGE oder 72,0 CGE

beibehalten. Im Vergleich zum initialen Studiendesign haben an dieser Studie bereits mehr

Patienten als ursprünglich vorgesehen teilgenommen. Daher wird diese Studie in Kürze beendet.

Die weiteren Ergebnisse bleiben abzuwarten.

3. Sarkome des Achsenskeletts

Eine Vielzahl von osteogenetischen und chondrogenetischen paraspinalen Sarkomen wurde

mit einer Protonenbestrahlung behandelt. Im Vergleich zur konventionellen Strahlentherapie

zeigte sich in einer Analyse von 47 Patienten eine verbesserte lokale Kontrolle für die

unterschiedlichen Histologien (E. Hug; IJROBP).

4. Weichteilsarkome der Kopf-Hals-Region

Unter Berücksichtigung der schlechten Prognose der Patienten sowie der gravierenden

Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität auf Grund funktioneller und kosmetischer Veränderungen

stellen diese Tumoren eine besondere Herausforderung dar. Mehr als 50 Patienten wurden an

dem Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts und dem Medizinischen Zentrum der Loma Linda

Universität behandelt. In einer Analyse von 34 Patienten (E. Hug) variierte die lokale

Tumorkontrollrate in Abhängigkeit von den unterschiedlichen histologischen Untergruppen

Band I.7: Aktuelle klinische Studien

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 117

sowie dem Differenzierungsgrad der Tumoren. Die lokale Kontrolle der gesamten Gruppe war

größer als 60%. Unter Berücksichtigung der negativen Patientenselektion mit Tumoren im

Rezidivstadium (Mehrzahl der Patienten) oder großen, im Schädelbasisbereich lokalisierten und

teilweise infiltrierend wachsenden Resttumoren, erscheinen diese Daten günstiger als historische

Daten auf der Basis konventioneller Bestrahlungen.

5. Tumoren der Nasennebenhöhlen

45 Patienten mit ausgedehnten Tumoren im Bereich der Nasennebenhöhlen (überwiegend

Karzinome) erhielten eine aggressive Behandlung mit 76,0 CGE in einem BID-

Fraktionierungsschema. Bei den Patienten wurden am Morgen zunächst 1,8 Gy

Photonenbestrahlung appliziert. Nach einem zeitlichen Intervall von mindestens 6 Stunden

erfolgte dann die Protonenbestrahlung (1,4 CGE). Die vorläufigen Ergebnisse zeigen bei 19 von

21 Patienten einen lokal kontrollierten Tumor. 2 Patienten verstarben mit Tumorrezidiv. Die

Toleranz dieses vergleichsweise aggressiven Behandlungsregimes war zufriedenstellend.

6. Retinoblastome

13 Kinder wurden bisher behandelt, wobei eine gute akute Toleranz verbunden mit einer

frühen Tumorregression feststellbar war. Bisher wurden keine Rezidive im Bestrahlungsfeld bei

Patienten beobachtet, welche eine Dosis von 40 - 46 CGE mit 2 CGE pro Fraktion erhielten und

bei denen die Therapie an 4 Tagen pro Woche auf der Basis einer 3 D-Bestrahlungsplanung

erfolgte. Das Zielvolumen umfaßte den individuellen Tumor an unterschiedlichen Lokalisationen

im Globus, die gesamte Retina hinter dem Äquator bzw. größere Anteile bei weiter

fortgeschrittenen Tumoren.

Wenn die Behandlung über ein einzelnes laterales Feld erfolgt, besteht keine Dosisbelastung

jenseits der Mittellinie. Hieraus ergibt sich eine geringere Bestrahlung des gesunden Gewebes im

Vergleich zur Behandlung mit Photonen. Die Reduktion des bestrahlten, gesunden Gewebes

könnte ein wichtiger Faktor für die Reduktion der Zweitmalignomhäufigkeit im

Bestrahlungsvolumen sein, was die häufigste Todesursache bei erblich bedingten

Retinoblastomen darstellt. Diese sehr jungen Patienten (ca. 1 Jahr) sind als eine besondere

Band I.7: Aktuelle klinische Studien

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 118

Herausforderung zu betrachten, weil eine allgemeine Anästhesie für die adäquate Immobilisation

und Augenfixierung erforderlich ist. (Eine entsprechende Publikation ist in Vorbereitung).

Entwickelt wurde eine neue Behandlungstechnik, welche die nahezu vollständige

Aussparung der Knochenwachstumsregionen bei gleichzeitiger ausreichender Erfassung der

Tumorregion mit Sicherheitssaum ermöglicht (Krengli, Hug).

Im Kindesalter stellt das Retinoblastom den häufigsten Augentumor dar, welcher mit einer

Häufigkeit von 1:15.000–30.000 auftritt. Die Zahl an Neuerkrankungen in Amerika beläuft sich

auf geschätzte 200-350 pro Jahr

Retinoblastome sind die Ursache für 5 % aller Erblindungen im Kindesalter. Diese

Erkrankung kann als erbliche oder nicht erblich bedingte Form in Erscheinung treten und ein uni-

oder bilaterales Befallsmuster aufweisen. Traditionell wurde die Enukleation als Behandlung der

Wahl für den unilateralen Augenbefall betrachtet. Bei bilateraler Retinoblastommanifestation

wurde die Enukleation des vergleichsweise stärker befallenen Auges empfohlen.

Die konventionelle Radiotherapie hat sich als effektive, lokale Behandlungsmethode bei

frühen Tumorstadien erwiesen. Bei Tumoren über 10 mm ist trotzdem die Enukleation des

Auges in 30 % der Fälle erforderlich. Des weiteren müssen 80 - 90 % der Augen mit

fortgeschrittenem Tumorbefall letztlich enukleiert werden.

Ungeklärte Fragen im Rahmen der konventionellen Strahlentherapie beinhalten:

1. Die Reproduzierbarkeit der täglichen Einstellung, sowie mögliche, geographische

Ungenauigkeiten.

2. Die Bestrahlung von Normalgewebe und der Effekt auf Wachstum und Entwicklung des

Normalgewebes.

3. Das nachgewiesene potentielle Risiko der Zweitmalignominduktion im Bestrahlungsfeld,

insbesondere bei Patienten, welche das Retinoblastomgen tragen.

7. Atypische und maligne Meningeome

Etwa 7 % - 10 % aller Meningeome weisen atypische oder maligne Formen auf. In Amerika

sind jährlich etwa 150 - 225 Neuerkrankungen zu verzeichnen.

Band I.7: Aktuelle klinische Studien

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 119

Eine vergleichbare Zahl an Patienten erkrankt in Amerika jährlich an Schädelbasis-

Chordomen und Chondrosarkomen.

Unabhängig vom Ausmaß der chirurgischen Resektion rezidivieren die meisten Patienten

mit malignen oder atypischen Meningeomen lokal. Daher wird im allgemeinen eine Bestrahlung

als erforderlich betrachtet. Trotzdem sind die Ergebnisse auf der Basis der konventionellen

Megavoltphotonenbestrahlung bis 60 Gy unbefriedigend, da je nach Histologie und Dauer der

Nachbeobachtung eine lokale Rezidivrate von 30%-74% feststellbar ist. Atypische oder maligne

Meningeome sind zumeist in der Konvexität, der parasagittalen Region oder am Os sphenoidale

lokalisiert.

Zwischen 1974 und 1995 wurden 34 Patienten an dem Allgemeinen Krankenhaus

Massachusetts wegen eines atypischen oder malignen Meningeoms im Schädelbereich

bestrahlt. Die Behandlung bestand aus einer Megavolt-Photonen- oder Protonenbestrahlung. Für

maligne und atypische Meningeome zeigten sich statistisch signifikant verbesserte, lokale

Tumorkontrollraten nach 5 bzw. 8 Jahren bei der Protonenbestrahlung im Vergleich zur

Photonentherapie (80% versus 29 %). Für beide Tumorentitäten ergaben sich verbesserte

Heilungsraten für eine Zielvolumendosis von mehr als 60 Gy.

Eine kooperative, prospektive Studie durchläuft derzeitig den Genehmigungsprozeß am

Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts und dem medizinischen Zentrum der Loma Linda-

Universität. In dieser prospektiven Studie sollen maligne Meningeome bis zu einer Gesamtdosis

von 72 CGE und atypische Meningeome bis zu einer Dosis von 69 CGE behandelt werden.

Eine ähnliche Rekrutierungsquote wie bei den Schädelbasischordomen soll erzielt werden.

8. Benigne Meningeome

Patienten mit rezidivierenden oder partiell resezierten Meningeomen intrakranieller

Lokalisation werden im Rahmen einer prospektiven Studie (PROG Protokoll 92 - 13) behandelt.

Die Randomisierung erfolgt hierbei zwischen 55,8 CGE sowie 63 CGE.

Meningeome liegen in etwa 20% aller primär intrakraniellen Neoplasien vor. In Amerika

sind etwa 2000 Neuerkrankungen pro Jahr zu verzeichnen. Unkontrolliertes Tumorwachstum

kann zu einer erheblichen Morbidität bis hin zum Tod führen. Die meisten Patienten werden

primär chirurgisch behandelt, wobei das Ausmaß der Resektion jedoch variiert. Am Allgemeinen

Band I.7: Aktuelle klinische Studien

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 120

Krankenhaus Massachusetts konnten vollständige Tumorresektionen bei 64% der Patienten

durchgeführt werden. Ein vergleichbares Ergebnis wurde an der Universität von Florida erzielt.

Demgegenüber erfolgten an den Universitäten von Kalifornien und San Francisco komplette

Tumorresektionen nur in 38% der Fälle. In der MGH-Serie war die Wahrscheinlichkeit eines

Tumorrezidives bei inkompletten Resektionen statistisch signifikant kleiner als bei subtotaler

Tumorresektion (70% versus 55% nach 10 Jahren). In bezug auf die lediglich subtotal resezierten

Tumoren waren an der UCSF Rezidivraten von 40% bzw. 100% nach 5 bzw. 10 Jahren

feststellbar.

Konventionelle Photonenbestrahlungen wurden bei inoperablen, inkomplett resezierten oder

rezidivierenden Meningeomen bis zu einer Gesamtdosis von 50 - 55 Gy verwandt. Die UCSF-

Erfahrungen illustrieren den vorteilhaften Effekt einer derartigen Behandlungsform. Nach

alleiniger Operation beläuft sich die lokale Rezidivrate bei inkomplett resezierten Tumoren nach

5 bzw. 10 Jahren auf 40% bzw. 100%. Durch eine zusätzliche postoperative Bestrahlung

(mittlere Dosis 52 Gy) konnten diese Werte auf 20% bzw. 52% verringert werden.

Aus diesen Daten ist jedoch auch ersichtlich, daß trotz Operation und anschließender

Bestrahlung bei einer erheblichen Zahl von Patienten ein Lokalrezidiv auftritt. Im Rahmen des

Protonenprotokolls soll geprüft werden, ob eine ansteigende Tumordosis ohne Erhöhung der

Dosis im umgebenden Normalgewebe zu einer verbesserten lokalen Tumorkontrollrate ohne

ansteigende Häufigkeit der späten Nebenwirkungen führt.

9. Prostatakarzinome

Eine Erhöhung der Bestrahlungsdosis führt zu einer verbesserten lokalen Tumorkontrolle.

(Hanks, GE International Journal of Radiation Oncology, Biology and Physics). Im Rahmen

einer früheren, randomisierten Studie wurden konventionelle Dosierungsschemata verglichen mit

einer Dosiseskalation auf der Basis von Protonen am Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts

und kürzlich publiziert (Shipley WLI et al. JIRBP, 1995). Im Rahmen dieser Studie wurden T3 -

T4 Tumoren behandelt. Es zeigte sich eine verbesserte lokale Tumorkontrollrate für eine Dosis

von 75,6 CGE im Vergleich zu einer Dosis von lediglich 67,2 CGE, was in der Untergruppe der

histologisch wenig differenzierten Tumoren ein statistisch signifikantes Ergebnis darstellte. Es

erscheint wahrscheinlich, daß bei kleineren Tumoren die Applikation einer höheren Dosis mit

Band I.7: Aktuelle klinische Studien

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 121

Verbesserungen der lokalen Tumorkontrollraten einhergehen wird. Daher werden in der

laufenden Studie des Allgemeinen Krankenhauses Massachusetts und dem medizinischen

Zentrum der Loma Linda-Universität zwei Behandlungsarme verglichen. Diese Studie wird von

der Proton Radiation Oncology Group (PROG 95 09) durchgeführt. Im Rahmen dieser

Untersuchung erfolgt die Randomisierung zwischen 70,2 CGE sowie 79,2 CGE. Als

Einschlußkriterien in diese Studie gelten: PSA Werte � 15, Nx oder NO - Status sowie die

klinischen Stadien TIP - T2B. Der Studienverlauf ist sehr befriedigend und die Anzahl der

rekrutierten Patienten übersteigt die Protokollanforderungen. In einer aktuellen Auswertung des

medizinischen Zentrums der Loma Linda Universität von mehr als 600 Patienten mit

Prostatakarzinomen zeigen sich hinsichtlich des biochemischen erkrankungsfreien Überlebens

die besten derzeit verfügbaren Ergebnisse. Im Vergleich zu publizierten, historischen Daten

zeigte sich darüber hinaus eine Verringerung nennenswerter Nebenwirkungen insbesondere der

rektalen Blutungen.

10. Glioblastoma multiforme

Eine Pilotstudie ist am Allgemeinen Krankenhaus Massachusetts durchgeführt worden. Im

Anschluß an die maximal mögliche Resektion erhielten die Patienten auf der Basis von

schrittweise verkleinerten Zielvolumina letztendlich eine Gesamtdosis von 90 CGE im Bereich

der potentiellen Tumorregion. Diese Daten wurden kürzlich analysiert und werden zur

Publikation vorbereitet. Es zeigte sich, daß das mediane Überleben nach Beendigung der

strahlentherapeutischen Behandlung auf 20 -22 Monate anstieg. Für diese spezifische

Patientengruppe stellen die Resultate eine statistisch signifikante Verbesserung gegenüber einem

durchschnittlichen medianen Übenleben von 11-13 Monaten nach konventioneller

Strahlentherapie mit herkömmlichen Dosierungschemata dar. Die einzige Therapiemodalität, bei

welcher über eine vergleichbare Verbesserung des Überlebens berichtet wurde, stellt die

Brachytherapie dar. Sicherlich ist die strahlentherapeutische Induktion von Nekrosen durch das

aggressive Behandlungsschema als ein wichtiges ungelöstes Problem zu betrachten. Zur Zeit

wird das laufende Protokoll überarbeitet.

Band I.7: Aktuelle klinische Studien

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 122

11. Bronchialkarzinome

Eine Pilotstudie für frühe Stadien eines Bronchialkarzinoms wird derzeitig an dem

medizinischen Zentrum der Loma Linda-Universität durchgeführt. In Abhängigkeit von der

Lungenfunktion sieht das Protokoll zwei Therapiearme vor. Bei Patienten mit guter

Lungenfunktion ist die Applikation von 73 CGE in einem Zeitraum von 4 Wochen mit

kombinierter Photonen- und Protonenbestrahlung vorgesehen. Die Therapie erfolgt in einem

hyperfraktionierten, akzelerierten Bestrahlungsschema mit 1,8 Gy pro Fraktion BID. Im Rahmen

der Photonenbestrahlung wird die Tumorregion sowie das Mediastinum erfaßt. Die Applikation

der Protonentherapie erfolgt als Boost im Bereich der initialen Tumorregion. Bei Patienten mit

einer schlechten Lungenfunktion sind 51 CGE in einem Zeitraum von 2 Wochen vorgesehen,

wobei sich die Einzeldosis pro Fraktion auf 5,1 CGE beläuft. Die vorläufigen Ergebnisse sind

ermutigend und weisen auf eine verbesserte lokale Kontrollrate ohne ansteigende, akute

Morbidität hin. Die Langzeitergebnisse bleiben abzuwarten.

12. Pädiatrische Hirntumoren

Momentan werden bei Kindern mit niedriggradigen Tumoren i.e. niedriggradige

Astrozytome, Craniopharyngeome, Hypophysenadenome, etc. Protonenbestrahlungen mit

konventionellen Dosierungsschemata angewandt. Der größte Vorteil besteht in einer Reduktion

der Spätnebenwirkungen in dem im Wachstum befindlichen Gewebe. Ein Schwerpunkt in naher

Zukunft wird die Erstellung formaler Protokolle eventuell mit Dosiseskalationen insbesondere

bei niedriggradigen Astrozytomen mit residualem Tumor sein. Diese Entwicklung wird

insbesondere von den Eltern und der Gruppe der pädiatrischen Onkologen mit großem Interesse

verfolgt.

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 123

I.8 Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionen-

therapie in der Welt

K. Poljanc, T. Auberger

I.8.1 Einleitung

Bis ins Jahr 1996 waren weltweit 17 Protonen- und Leichtionen-Behandlungsanlagen in

Betrieb, 15 davon im andauernden Patientenbetrieb. Seit 1996 nimmt die Anzahl der

strahlentherapeutisch genutzten Anlagen immer weiter zu. Zumeist werden zur Erzeugung der

Protonen bzw. ionisierenden Teilchen Beschleuniger im grundlagenphysikalischen Einsatz für

Forschung und Entwicklung mit genutzt. Man findet daher Hadronentherapieanlagen meist als

Teilprojekte von Großforschungsanlagen der Beschleunigerphysik. Die durch den physikalischen

Forschungsbetrieb limitierten Strahlzeiten beschränken die Anzahl der Patienten. Nur im Loma

Linda University Medical Center (LLUMC)/USA ist es gelungen, einen Protonen-Beschleuniger

im alleinigen Spitalsbetrieb im Dauereinsatz zu führen. Ein weiteres im alleinigen Spitalsbetrieb

befindliches Zentrum wird das im Bau befindliche North East Proton Therapy Center (NPT) am

Massachusetts General Hospital in Boston/USA sein. Der Routinebetrieb dieser klinikgestützten

Protonentherapieanlage wird in etwa 1 ½ Jahren beginnen.

Im folgenden Überblick soll die Verteilung der im Betrieb befindlichen Protonen- und

Ionenbestrahlungsanlagen veranschaulicht werden, wobei die Protonenanlagen rot, die

Ionenanlagen schwarz dargestellt sind. Das in Klammer gesetzte Zentrum der Gesellschaft für

Schwerionenforschung (GSI) in Darmstadt/Deutschland befindet sich im Probebetrieb und kann

zur Zeit nur auf wenige behandelte Patienten verweisen. Für den ausschließlichen Spitalsbetrieb

ist nur die Anlage im Loma Linda University Medical Center (LLMUC)/Kalifornien/USA

konzipiert. Loma Linda liegt in der Anzahl der mit Protonen behandelten Patienten weltweit in

Führung. HIMAC (Heavy Ion Medical Accelerator Center) in Chiba/Japan ist das zur Zeit

einzige im Routinebetrieb befindliche Ionenzentrum der Welt. Nachfolgend sei anhand der

überarbeiteten Quelle [1] ein Überblick über die derzeit in Betrieb befindlichen Zentren

aufgezeigt:

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 124

UppsalaVancouverBostonDubnaGatchinaMoscowClatterbridgeOrseyNicePSI VilligenLouvrain-la-Neuve(GSI)ChibaTsukubaLoma LindaIndianaSacramentoFaure

Abbildung 8.1-1: Weltweite Hadronentherapieanlagen.

Nachfolgende Tabelle listet die Patientenzahlen und die Zeiträume der Datenerhebung der

Zentren auf. Der Zeitraum der Datenerhebung kann sich in einigen Fällen auch auf den Zeitraum

des Patientenbetriebs beziehen (Berkeley, Indiana University, Louvain-la-Neuve). Von den

Zentren der ehemaligen Sowjetunion liegen nur vereinzelte Daten vor. Tabelle 8.1-1 bezieht sich

in überarbeiteter Form auf Quelle [2] und [3].

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 125

Tabelle 8.1-1: Therapiezentren an Protonen- und Ionen-Quellen nach Jahren und

Betriebsphasen.

Zentren Land Teilchen-art

Energie (MeV)

Patienten Betriebs-zeiten

Anmerkungen

Berkeley 184 CA.USA p 740 30 1954-57 keine BehandlungBerkeley CA. USA He 2054 1957-92 Juni 91

keine BehandlungUppsala Schweden p 185 73 1957-76 keine BehandlungHarvard MA. USA p 160 7694 1961-98/1 Dubna Rußland p 680 84 1967-74 keine BehandlungITEP Moskau Rußland p 200 3039 1969-96/5 Los Alamos NM. USA pi - 230 1974-1982 keine BehandlungSt. Petersburg Rußland p 1000 1029 1975-97/12 Berkeley CA. USA heavy ion 433 1975-1992 Juni 91

keine Behandlung

Chiba Japan p 86 96 1979-96/10 TRIUMPF Canada pi - 520 367 1979-93/12 keine BehandlungPSI (SIN) Schweiz pi - 503 1980-93 keine BehandlungPMRC, Tsukuba

Japan p 250 576 1983-97/7

PSI Schweiz p 72 2487 1984-97/12 Dubna Rußland p 40 1987-97/12 Uppsala Schweden p 147 1989-97/4 Clatterbridge England p 62 817 1989-97/7 Loma Linda USA p 250 3433 1990-97/12 Spitalsbetrieb Louvain-la-Neuve

Belgien p 90 21 1991-93/11

Nice Frankreich p 65 1010 1991-98/1 Orsey Frankreich p 200 956 1991-97/5 NAC Faure Süd Afrika p 200 263 1993-97/12 IUCF Indiana IN. USA p 200 1 1993-97/12 UCSF-CNL CA. USA p 162 1994-97/12 HIMAC Chiba Japan heavy ion 389 1994-97/8 TRIUMF Canada p 37 1995-98/1 PSI Schweiz p 9 1996-97/12 GSI-Darmstadt

Deutschland heavy ion 2 1997-98/3

Berlin Deutschland p 3 1998-

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 126

In Summe sind in den Jahren 1954 bis etwa 1997 25.985 Patienten einer Hadronentherapie

zugeführt worden. Betrachtet man die Anzahl der Patienten nach den Teilchenarten, so wurden

1100 Patienten (=4,2%) mit Pionen, 2878 Patienten (=11,1%) mit schweren Ionen und 22007

Patienten (=84,7%) mit Protonen behandelt. Der überwiegende Teil der Tumoren fällt somit

einer Therapie mit Protonen zu, die in folgenden Zentren behandelt wurden:

�� Harvard in Massachussets/USA (7694 Patienten),

�� Loma Linda in Kalifornien/USA (3433 Patienten),

�� ITEP Moskau/Rußland (3039 Patienten) und

�� PSI in Villigen/Schweiz (2487 Patienten).

Erfahrungen mit Ionen stützen sich noch nicht auf eine solch umfangreiche Statistik. Das

einzige zur Zeit im ständigen Betrieb befindliche Zentrum für Tumortherapie mit Ionen ist das

Heavy Ion Medical Accelerator Center (HIMAC) in Chiba/Japan, in dem bis dato etwa 400

Patienten behandelt wurden.

Tabelle 8.1-2: Anzahl der Protonenbestrahlungsanlagen nach Jahren.

(> ... ansteigend, genaue Daten liegen nicht vor)

1990 1994 1996 1997/98

Gesamtzahl der Protonenbestrahlunsanlagen 10 16 17 21

Zentren mit Patientenbetrieb 10 14 15 16

geschätzte Anzahl an Patientenbehandlungen

pro Jahr, weltweit

876 1732 > >

Drei der bis ins Jahr 1996 in Betrieb befindlichen Zentren erzeugen hochenergetische

Teilchen mittels Synchrotronen, neun mittels Zyklotronen und fünf Zentren verwenden

Synchrozyklotrone. Der wesentliche Unterschied dieser Großgeräte liegt in der diskreten bzw.

variablen Energiedisposition und in der Maximalenergie der erzeugten Teilchenpakete.

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 127

Tabelle 8.1-3: Jährliches Patientenaufkommen gegliedert nach Protonenbestrahlungs-

anlagen.

(> ... Tendenz steigend; < ... Tendenz sinkend)

1990 1994 1996 1997/98

<= 10 Patienten / Jahr 3 2 < <

11 - 100 Patienten / Jahr 4 5-6 > >

101 - 200 Patienten / Jahr 2 3-4 > >

201 - 300 Patienten / Jahr 1 2 > >

>= 400 Patienten / Jahr 0 1 > >

Teilt man die bis ins Jahr 1996 weltweit im Patientenbetrieb befindlichen

Hadronentherapieanlagen nach ihrer möglichen Maximalenergie, so kann in 5 Zentren (PSI-

Augen, Clatterbridge, Nice, ...) entweder aufgrund der Beschleuniger oder der Strahlführung eine

maximale Energie von kleiner als 75 MeV erzeugt, bzw. weitergeleitet werden. In einigen

Zentren (Chiba Protonen, Harvard (USA), Louvain-la-Neuve, ITEP-Moskau, Orsay, NAC-Faure,

IUCF-Indianapolis) liegt die maximale Energie der Teilchen zwischen 75 und 200 MeV, nur bei

wenigen Zentren (Loma Linda, PMRC-Tsukuba, St. Petersburg) können optimale Energiewerte

für alle Tumoren erreicht werden. Um verschiedene Tumorarten in allen Gewebetiefen sicher

erreichen zu können, sind Protonenenergien zwischen 235 und 250MeV nötig. Zentren mit

geringerer maximaler Energie müssen sich auf geringere Eindringtiefen beschränken und sind

daher in den Indikationen der zu behandelnden Tumoren stark eingeschränkt. Typisch dafür ist

die Behandlung von Augentumoren bei geringer Energiedeposition im tief sitzenden Gewebe.

Augentumoren können mit Energien zwischen 55 und 60 MeV bestrahlt werden [5].

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 128

I.8.2 Weltweiter Trend zur Patientenbehandlung in den Jahren 1990-94 anhand der

Zentrendaten

Der allgemeine Trend der Behandlung von Tumoren ist der nachfolgenden Statistik zu

entnehmen. Es zeigt sich, daß der Grundtendenz einer steigenden Patientenzahl durch die

Errichtung von immer mehr Zentren Rechnung getragen wird. Die angefügte Übersicht behandelt

die Jahre 1990 bis 1994 im Detail. Therapiezentren, die im Jahre 1990 noch nicht in Betrieb

waren, scheinen daher nur in der Statistik des Jahres 1994 auf. Die Anzahl der Fraktionen ist nun

vergleichbar mit der Anzahl der Fraktionen einer konventionellen Therapie. Dem Trend einer

hochfraktionierten Therapie wird auch bei der Behandlung mit Protonen Rechnung getragen.

0%

5%

10%

15%

20%

25%

30%

35%

Chi

ba

Dub

na

Upp

sala

UC

SF-C

NL

St. P

eter

sbur

g

NA

C

Tsuk

uba

Cla

tterb

ridge

Nic

e

Mos

kau

Ors

ay

PSI -

Aug

en

HC

L

LLU

MC

Jahr 1990Jahr 1994

Abbildung 8.2-1: Prozentuelle Aufteilung der Patienten nach Zentren (Überblick 1990 und

1994).

Die Anzahl der Patienten ist ein wesentlicher Aspekt zur Beurteilung der Etablierung eines

Therapiezentrums. Allerdings sollten auch Daten zur Anzahl der gegebenen Fraktionen und zur

behandelten Tumorart nicht außer Acht gelassen werden. Im Vergleich zur konventionellen

Therapie liegt einer der in der Praxis bemerkbaren Unterschiede in der meist geringeren Anzahl

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 129

der Fraktionen. Zu Beginn der Tumortherapie mit Hadronen beschränkte man sich auf nur

wenige Fraktionen. Wie die Abbildung 8.2-2 erkennen läßt, hat sich dies in den letzten Jahren

gründlich geändert. Die Einzelbestrahlungen nehmen einen geringen Anteil an allen

Patientenbestrahlungen ein. (Anmerkung: Von Rußland liegen keine detaillierten Angaben vor

und gehen daher in der nachfolgenden Statistik nicht ein). Der Trend geht eindeutig zu einer

Fraktionierung in kleinere Dosen, wie sie bei der herkömmlichen Strahlentherapie üblich ist, bis

hin zur Hyperfraktionierung (mehrmals tägliche Bestrahlung).

0102030405060708090

100

1990

1991

1992

1993

1994

EinzelfraktionenMehrfachfraktionen

Abbildung 8.2-2: Prozentuelle Anzahl von Einzelfraktionen im Vergleich zu

Mehrfachfraktionen in den Jahren 1990-94.

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 130

Betrachtet man das Fraktionierungsverhalten gegliedert nach Einzelbestrahlungen und

fraktionierter Therapie bei verschiedenen Tumorarten der Jahre 1990 bis 1994, so ergibt sich

folgende Übersicht.

Tabelle 8.2-1: Behandelte Tumorentitäten der Jahre 1990-1994 nach Einzel und

Mehrfachfraktionen.

Jahr 1990 1991 1992 1993 1994 Einzelbestrahlungen Hypophysentumoren 3,8 3,7 1,5 1,6 1,3 AVMs 14,1 11,4 4,9 3,5 5,6 Andere 0 0,6 1,1 1,3 2,2 Fraktionierte Therapie (Mehrfachbestrahlungen)

Uveale Melanome 59,8 59,8 53,8 52,6 48,8 verschiedene Augenerkrankungen 3,5 2,6 3,3 3,7 4,9 andere ausgewählte Tumoren, fraktioniert

Prostata 1,0 1,1 14,2 16,4 14,9 Chordome & Chondrosarkome 5,1 5,2 4,3 5,6 4,9 Meningeome 0,9 1,8 1,9 1,6 2,6 Leber 1,7 1,6 1,4 1,8 1,9 Kopf und Hals 0,7 1,1 2,1 1,8 1,9 Gliome 0,7 0,7 2,2 1,0 1,8 Weichteilsarkome 0,7 1,2 0,5 0,6 1,1 AVM etc. 0 0,4 0,4 1,1 0,8 Nasennebenhöhlen Tumoren 0 0,5 1,1 0,8 0,8 Hypophysentumoren 0,3 1,3 1,6 0,6 0,6 Ösophagus 0,9 0,6 0,4 0,1 0,1 Lunge 0,7 0,6 0 0,1 0,1 Verschiedene 6,4 5,5 5,5 5,6 5,8

I.8.3 Weltweit verwendete technische Einrichtungen zum Beamdelivery bzw. zur

Aufweitung des Strahles

Der herausragende Vorteil der Protonen- und Ionentherapie liegt in der exakten Deposition

der Energie in ein vorher definiertes lokal begrenztes Tumorvolumen. Die meisten in Betrieb

stehenden Anlagen stützen sich auf die Technik der passiven Streuung, wobei der Strahl in der

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 131

lateralen Dimension durch Streufolien aufgeweitet wird. Die dritte Dimension der Abgabe der

Dosis über einen definierten Tiefenbereich [6] kann mittels spezieller Vorrichtungen, wie

rotierender Propeller, Ridge Filter, etc. gewährleistet werden. Um den Strahl lateral aufzuweiten,

kommen abhängig von der Feldgröße einfache, doppelte, oder konturierte Streusysteme zum

Einsatz. Typische Größenordnungen von erzielten Tiefen für Feldgrößen von 40cm im

Durchmesser liegen bei 15cm (Harvard Cyclotron) [4]. Passive Streutechniken werden meist in

der Adaption einer oder mehrerer Beamlines von bestehenden Physik-Beschleunigeranlagen

verwendet. Durch passives Streuen können relativ große homogene Felder erzeugt werden.

Durch diese Streutechnik nimmt man allerdings den Verlust einiger Eindringtiefen und

Strahlintensitäten in Kauf. Als Alternative bietet sich hier aktives Scanning an. Die nur an

einigen wenigen Zentren im Einsatz befindliche Technik basiert auf dem Prinzip der Rasterung

einzelner Volumina. Zur Zeit wird eine Form der Rastertechnik am PSI in Villigen/Schweiz und

am GSI in Darmstadt/Deutschland eingesetzt. Geplante Zentren, wie Med-AUSTRON/Österreich

und TERA/Italien wollen diese Technik der Voxel-für-Voxel-Abrasterung in zeitabhängigen

Schritten („microvoxel-scanning“) fix in ihr Programm aufnehmen.

I.8.4 Weltweit verwendete Strahlendgeräte (Fixed Beam/Gantries)

Um die Energiedisposition mittels Rasterscanning zu verwirklichen und um der

herkömmlichen Strahlentherapie vergleichbare Behandlungstechniken einsetzen zu können, ist

der Einsatz von drehbaren Strahlführungssystemen (Gantries) zur optimalen Behandlung von

Patienten unumgänglich.

Weltweit bildet noch das fixe Strahlrohr das häufigste Ende der Bestrahlungskette:

Linearbeschleuniger - Kreisbeschleuniger - Beamlines – vertikales oder horizontales fixes

Strahlrohr. Nur in Loma Linda sind drei Gantries seit nunmehr mehreren Jahren ständig im

Einsatz. Die Tendenz der Strahlführung über eine Gantry ist steigend, man kann damit im

optimalen Fall eine 4�-Geometrie (Einstrahlwinkel von allen Seiten) gewährleisten und so den

Patienten im für ihn individuell günstigsten Winkel behandeln.

Für Protonentherapieanlagen wurde im Forschungsbetrieb im Jahr 1996 am PSI in

Villigen/Schweiz eine kompakte Gantry entwickelt. In Kashiwa/Japan werden ab 1999 zwei

Protonengantries zum Einsatz kommen. Ein weiterer horizontaler Fixstrahl kann als Augenstrahl

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 132

eingesetzt werden. Der dazugehörige Behandlungsstuhl kann zu einem Tisch umgestellt werden

und bietet die Möglichkeit der Gegenfeldbestrahlung im Kopf-Halsbereich und im Bereich des

Körperstammes [7].

Am GSI in Darmstadt/Deutschland werden Überlegungen zur Installation einer 60° Gantry

angestellt. Hier geht man von einer kompakten, nicht supraleitenden Gantry eventuell in

Kombination mit einem vertikalen fixen Strahl aus. Um eine 4�-Geometrie gewährleisten zu

können, wurden Überlegungen angestellt, die Lage des Patienten im Extremfall bis zu � 15° aus

der Horizontalen zu verändern. Für den täglichen Routinebetrieb ist die im Extremfall ständige

Umlagerung und die damit verbundene Neueinstellung des Patienten schwer durchzusetzen [8].

Parallel dazu werden Überlegungen zur Entwicklung einer Gantry angestellt, die sich sowohl für

den Protonen- als auch für den Ionenbetrieb eignet.

Von den Zentren der ehemaligen Sowjetunion liegen derzeit keine detaillierten Daten vor.

Sicher ist, daß in St. Petersburg, in Dubna und am ITEP in Moskau keine Gantries im Einsatz

sind. An den genannten Anlagen werden Patienten mit Fixstrahlen an Forschungszentren

behandelt.

In Deutschland sind einige Zentren in Planung bzw. in Betrieb. Das Hahn-Meitner-Institut

(HMI) in Berlin besitzt einen Beschleuniger mit fixem Strahlaustritt. Am deutschen

Krebsforschungszentrum Heidelberg ist ein eigenständiges Protonen- und Ionenzentrum (1

horizontaler Fixstrahl, 2 Gantries) mit der technischen Unterstützung der GSI-Darmstadt in

Planung. Eine Protonentherapieanlage in Erlangen ist im Projektzustand. Beim Erlangener

Projekt soll ein kommerziell erhältliches Komplettsystem mit Fixstrahlen und Gantries mit

privaten Sponsorengeldern finanziert werden. Es gibt weltweit 2 Firmen, die kommerziell

erhältliche Protonenbestrahlungsanlagen anbieten: IBA/Brüssel und Optivus Technology/Loma

Linda.

Alle geplanten Zentren in Europa implementieren Protonengantries in ihre Anlagen. Alle

drei für die Ionentherapie konzipierten Anlagen planen darüber hinaus auch die weit schwieriger

zu realisierende Konstruktion von großen Ionen-Gantries für die Carbon-Ionentherapie. Das

einzige zur Zeit primär für den Patientenbetrieb erbaute Ionenzentrum der Welt, HIMAC in

Chiba (Japan), ist nur mit fixen Strahlaustritten (horizontale/vertikale und in Kombination)

ausgestattet [9].

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 133

Ausstattung am Beispiel einiger Zentren:

Loma Linda University Medical Center/Kalifornien/USA

Linearbeschleuniger: für Protonen

Kreisbeschleuniger: Synchrotron, 4 diskrete Energieniveaus, die durch „shifter“ variiert

werden können, Konstruktion und Errichtung durch das Forschungszentrum Los Alamos/USA

und durch die Firma Optivus

5 Beamlines: 3 Gantries und ein Fixstrahlraum zum Patientenbetrieb, 1 Strahl für den

Forschungsbetrieb; auffällig ist bei näherer Betrachtung der Strahlführung, daß einige der

Ablenkmagneten nicht horizontal gelagert sind.

CT, MRI (Zur Planung werden zur Zeit nur CT Daten verwendet)

Zur Lagerung der Patienten mit Tumoren am Körperstamm werden individuelle Schalen

angefertigt. Für Patienten mit Tumoren im Kopf-Hals-Bereich werden Gesichtsmasken mit

Vakuumsystem verwendet, wie sie auch in der konventionellen Präzisionstherapie zum Einsatz

kommen. Der Augenstuhl ist, im Gegensatz zum Augenstuhl in Kashiwa, nicht zum Tisch

umbaufähig. Für jeden Patienten werden individuelle Blöcke bzw. Keile angefertigt.

Bestrahlungsprogramm: Parallel zum 3D Bestrahlungsprogramm des Massachussettes

General Hospital ist das auf WinNT4.0/Win95/Win97 aufgesetzte Bestrahlungsplanungs-

programm, entwickelt von Dr. D. Miller im Einsatz. Für etwa 100 Patienten, die pro Tag einer

Bestrahlung mit Protonen zugeführt werden, werden individuelle 3D-Pläne erstellt.

Die Peripherie, wie CT, Bestrahlungsplanung, Mulagenraum, Computerräume, Büros, etc.

nehmen im Vergleich zu anderen Zentren einen geringen Anteil ein, da sie teilweise – ebenso

wie der gesamte Diagnostik – und Ambulanzbereich – nicht der Protonentherapie sondern

institutsüberschreitend der gesamten Klinik für Radioonkologie zugeordnet sind.

Chiba/Japan

Beschleuniger: 2 übereinander gelagerte Kreisbeschleuniger (für „slow and fast extraction“),

die nach der Extraktion in einer Beamline zusammengeführt werden.

Beamlines: Die Beamlines erstrecken sich über 2 - 3 Geschosse, die eine vertikale

Strahlführung in die beiden Behandlungsräume ermöglichen. Im ersten Behandlungsraum ist

zusätzlich ein horizontaler Fixstrahl im Einsatz. Weiters bietet ein Strahl für biologische

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 134

Experimente ausreichende Möglichkeiten für strahlenbiologische und medizinphysikalische

Forschung.

Zur Bildgebung werden CT Schnittbilder herangezogen. Die Lagerung erfolgt in eigenen

Schalen analog der Lagerung am Loma Linda University Medical Center. Zusätzlich wird bei

manchen Patienten eine Synchronisation der Dosisabgabe mittels Atemtriggerung durchgeführt.

Die Bestrahlungsplanung erfolgt mittels HIPLAN, einem 3 D-Bestrahlungsplanungsprogramm.

Von der Ausstattung her ist reichlich Platz für die Patientenvoruntersuchung an CT, MRI

und konventionellen Röntgeneinrichtungen. In jedem Bestrahlungsraum befindet sich ein CT zur

Kontrolle der Bestrahlungsposition.

I.8.5 Ausblicke

Derzeit ist in den westlichen Staaten die Intention groß, die Kapazität für die Tumortherapie

mit Hadronen erheblich zu erweitern und neue Therapie- und Forschungszentren zu errichten.

Eine Zusammenfassung der geplanten Zentren in Europa und Übersee gibt der nachfolgende

Überblick:

Tabelle 8.5-1: Geplante Protonen- und Ionentherapieanlagen.

Institution Land Teilchen-art

geplanter Zeitpunkt der Erst- bestrahlung

Energie in MeV

Anmerkung

Berlin Deutschland p 1998 72 Zyklotron, Augentumoren NPTC (Harvard) MA USA p 1998 235 Zyklotron

2 Gantries, 3 horizontaler Kashiwa Japan p 1998 235 Zyclotron

2 Gantries, 1 horizontaler INFN-LNS, Catalina

Italien p 1999 70 1 horizontal

Bratislava Slowakei p, ion 2000 75 Zyclotron, Protonen und Ionen, + BNCT

CGMH, Northern Taiwan

Taiwan p 2000 250 Synchrotron 3 Gantries, 1 Fixed beam

HYOGO Japan p, ion 2001 2 Gantries 2 horizontale, 1 vertikaler, 45°

NAC, Faure Südafrika p 2001 neuer Behandlungsraum mit

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 135

30° von der Vertikalen Tsukuba Japan p 2001 270 2 Gantries, 1

Forschungsstrahl Wakasa Bay Japan 2001? Mehrzweckbeschleuniger Shizuoka Cancer Center

Japan 2002? 230? Synchrotron 2 Gantries, 1 horizontaler

CNAO, Milano/Pavia

Italien p 2002? Synchrotron, 1 Gantry, 2 Fixed beam, 1 Forschungsstrahl

Med-AUSTRON Österreich p, C-ion ? 235 Synchrotron, 2 Protonengantries, 1 Ionengantry, 1 Protonen Fixed, 1 Ionen fixed, 1 Forschungsstrahl

Peking China p ? 250 Synchrotron Zentralitalien Italien p ? Zyklotron, 1 Gantry, 1 Fixed Clatterbridge Groß-

britannien p ? Upgrading, Boost

Linearbeschleuniger TOP / ISS Rome Italien p ? 200 Linac, 1 Augenstrahl, Gantry?3 Projekte in Moskau

Rußland p ?

HIRFL, Lanzhou VR China C-ion ? Jülich Deutschland p ? Forschungsstrahl, Therapie? Krakau Polen p ? 60 KVI Groningen NL p ? 200 1 Gantry, 1 Fixed beam Moskau Rußland p ? 320 Fixed beam Proton Development N.A.Inc.

IL USA p ? 300 Therapie und Forschung

PROTOX Groß-britannien

p 2001? 250 Synchrotron, 3 Gantries

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 136

Tabelle 8.5-2: Zusammenstellung der Strahleigenschaft der zur Zeit fünf

bedeutendsten Hadronentherapieanlagen im Vergleich mit der aus CERN geplanten

Therapieanlage für Med-AUSTRON [10].

LLUMC Loma

Linda/USA

MGH Boston/

USA

PSI Villingen/Schweiz

HIMACChiba/ Japan

GSI Darmstadt/ Deutschland

Med-AUSTRONÖsterreich

in Betrieb in

Betrieb in

Testphasein

Betrieb in Testphase Design-

phase Protonen Passives

Spreading x x x x

Aktives Scanning

teilweise x

Leichte Ionen

Passives Spreading

X

Aktives Scanning

x x

Im Gegensatz zu den bisher in Betrieb befindlichen Therapiezentren kann Med-AUSTRON

sowohl Passive Streutechniken, als auch Aktives Scanning für Protonen und Leichte Ionen

anbieten, sodaß erstmals für beide Strahlarten eine Präzision erreicht wird, die der

stereotaktischen Bestrahlung mit Photonen deutlich überlegen ist.

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 137

Literatur

[1] überarbeitete Quelle: http://www-medical.kek.jp/WFacility.html

[2] überarbeitete Quelle: http://www-medical.kek.jp/Wfacility.html

[3] Particle Newsletter, No21, PTCOG, Editor J.M. Sisterson, January 1998

[4] Sisterson J.M., Proton Therapy in 1996; CP392; Application of Accelerators in

Research and Industry, edited by J.L. Duggan and I.L.Morgan, AIP Press, New

York,1997

[5] Goitein M. et al., Int. J. Radiat. Oncol. Biol. Phys. 9 (1983) 259-260

[6] Chu W.T. et al., Rev. Sci. Instr. 64 (1993) 2055-2122

[7] IBA, Proton Therapy System, Technical Description, July 1997

[8] Pawlovich M., GSI-Report and privat communication, as well as presentation at the

GSI-Gantry workshop in Darmstadt, March 1998 and PTCOG XXIX, Heidelberg,

Darmstadt

[9] HIMAC/ Chiba/Japan

[10] Bryant P., Benedikt M., Regler M.; Zusammenstellung einiger weltweit in Betrieb

oder in Bau befindlichen Hadronentherapiezentren der Welt

Band I.8: Derzeitiger Stand der Protonen- und Leichtionentherapie

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 138

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 139

I.9 Entwicklung der Protonen- und Leichtionenradio-

therapie im Licht der aktuellen Möglichkeiten der

Strahlentherapie mit Photonen

Zusammenfassung und Ausblick auf Med-AUSTRON

R. Pötter, T. Auberger

Fortschritte in der Tumorbehandlung sind innerhalb der letzten Jahrzehnte wesentlich durch

die Weiterentwicklungen lokoregionaler Maßnahmen beeinflußt worden. Die Tumorkontrollrate

konnte durch verbessertes chirurgisches Vorgehen in unterschiedlichem Ausmaß angehoben

werden:

Im Bereich des Abdomens geringfügig bei Tumoren des Pankreas und des Magens, deutlich

bei Tumoren des Rektums, der Prostata und der Harnblase; im Bereich des Thorax geringfügig

bei Tumoren des Ösophagus, z.T. deutlich bei Tumoren des Bronchus; in der Gynäkologie

geringfügig bei Tumoren der Gebärmutter, deutlich bei Tumoren des Ovars; im Bereich der

Kopf-Hals-Region nur geringfügig bei der Mehrzahl der Tumoren; im Bereich des ZNS deutlich

bei gut abgrenzbaren Tumoren; bei Tumoren der Weichteile und Knochen deutlich bei der

Mehrzahl der Tumoren.

Abhängig von der biologischen Aggressivität dieser Tumoren führten diese Verbesserungen

des chirurgischen Vorgehens über eine Steigerung der lokalen Tumorkontrolle zu einer

Verbesserung der Heilungsraten. Bezogen auf die Lebensqualität der Patienten konnte des

weiteren ein wesentlicher Fortschritt durch eine Reduktion mutilierender operativer Eingriffe

erzielt werden.

Hinsichtlich der lokoregionalen Tumorkontrolle gilt die Strahlentherapie nach der Chirurgie

als zweitwichtigste onkologische Behandlungsform und wird bei einer Vielzahl von Tumoren

entweder allein oder in Kombination mit einem operativen Verfahren eingesetzt. Verbesserungen

auf dem Gebiet der lokoregionalen Tumorkontrolle durch gezielten Einsatz

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 140

strahlentherapeutischer Maßnahmen sind nicht zuletzt auf gerätetechnische Weiterentwicklungen

der Strahlentherapie zurückzuführen. Darüber hinaus ist es u.a. durch die Verbesserung

radioonkologischer Behandlungstechniken zu einer deutlichen Reduktion strahlenbedingter

Morbidität gekommen.

Die medikamentöse onkologische Therapie, die in erster Linie der Bekämpfung klinisch

okkulter und manifester metastatischer Absiedlungen dient, spielt eine zunehmend bedeutende

Rolle bei metastastierenden Malignomen. Sie trägt aber nur in geringem Umfang zur

Verbesserung der lokoregionalen Tumorkontrolle bei.

Die aktuelle Forschung auf dem Gebiet der Strahlentherapie bedarf nennenswert großer

technischer Einrichtungen. Technisch kostenintensive Institutionen profitieren mehr als

chirurgische, chemotherapeutische oder immuntherapeutische Zentren von internationaler

Zusammenarbeit. Darüberhinaus ist die Strahlentherapie in großem Umfang von der finanziellen

Unterstützung öffentlicher Geldgeber abhängig, weil sie nur in geringem Ausmaß von der

Industrie (z.B. Pharmafirmen) unterstützt wird.

Innerhalb der europäischen Krebsforschungsstrategien - neuerlich publiziert durch die

Kommission der EG unter dem Titel „European Cancer Research Strategies“ - wird der

Hauptschwerpunkt auf die Weiterentwicklung der Strahlentherapie gelegt. Die hier

vorgeschlagene Strategie für die Anhebung der lokoregionalen Tumorkontrolle besteht einerseits

in einer Verbesserung der Strahlentherapie vor allem durch Qualitätssteigerung, andererseits in

der Einführung und Evaluation neuer strahlentherapeutischer Behandlungsmethoden wie der

Hadronentherapie, hier in erster Linie der Radiotherapie mit Leichtionen.

Für Tumoren, die vor allem lokal wachsen und unter konventioneller Therapie (Photonen-,

Elektronentherapie) als wenig strahlenempfindlich gelten, besteht die Möglichkeit, diese relative

Strahlenresistenz durch Erhöhung der Strahlendosis zu überwinden. Eine Steigerung der

Strahlendosis ohne wesentliche Steigerung der strahlentherapieassoziierten Morbidität kann nur

dann erreicht werden, wenn spezifische Formen der Strahlentherapie eingesetzt werden, die das

tumorumgebende Normalgewebe aussparen oder dies in geringerem Maße beeinträchtigen

würden: Dies sind spezielle Techniken der Dosisapplikation (konformal, stereotaktisch,

intraoperativ), spezielle Fraktionierungsschemata (hyperfraktioniert-akzeleriert),

Teilchenstrahlung mit höherer biologischer Effektivität (Neutronen) und physikalischer

Selektivität (Protonen). Leichtionen vereinigen die Vorteile der Neutronen und Protonen.

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 141

Die Leichtionentherapie wurde am Lawrence Berkeley-Laboratorium der Universität von

Kalifornien erstmals eingesetzt und untersucht. Weiters gibt es ein Forschungs- und

Behandlungsprojekt am „Heavy Ion Medical Accelerator“ in Chiba/Japan (HIMAC). In

Deutschland werden grundlegende Aspekte der Leichtionenstrahlen von der „Gesellschaft für

Schwerionenforschung“ in Darmstadt in Kooperation mit dem Deutschen

Krebsforschungszentrum in Heidelberg und der Radiologischen Universitätsklinik in Heidelberg

bearbeitet [3].

I.9.1 Resultate der Strahlentherapie mit schweren Teilchen

Neutronen, Protonen und Leichtionen

Im Folgenden werden die bisher erzielten Resultate bei lokal wachsenden Tumoren, die

gegenüber einer konventionellen Strahlentherapie als relativ strahlenresistent gelten, kurz

zusammengefaßt. Nichtsdestoweniger erscheint es angezeigt, auf die Übersichtsarbeiten in

diesem Bericht und spezielle Literaturartikel zu verweisen, da ein detaillierter kritischer

Überblick weit über den hier vorgesehenen Rahmen hinausgehen würde.

I.9.2 Neutronentherapie (Vorteil höherer biologischer Effektivität)

Die besten Behandlungsergebnisse bezüglich der lokalen Tumorkontrolle finden sich bei

Speicheldrüsentumoren, Kopf/Halstumoren (Lymphknotenmetasen) und bei lokal

fortgeschrittenen Prostatakarzinomen.

Diese Resultate entstammen in erster Linie Langzeitnachbeobachtungen von prospektiven,

randomisierten klinischen Studien, die die Neutronentherapie mit der Photonentherapie

vergleichen.

Inoperable und rezidivierende Tumoren der Speicheldrüse

Die lokale 10 Jahres-Kontrollrate beträgt für Photonen 17 % gegenüber 56 % für Neutronen.

Es gibt keinen signifikanten Unterschied in der Überlebensrate und in der Morbidität [4].

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 142

Lokal fortgeschrittene Plattenepithelkarzinome der Kopf-Hals-Region (Mundhöhle,

Oropharynx, Hypopharynx, Larynx)

Bei primären Tumoren, insbesondere in den frühen Stadien, fand sich kein signifikanter

Unterschied zwischen der Behandlung mit Photonen und Neutronen, was die lokale

Tumorkontrolle betrifft. Vorteile der Neutronentherapie ergaben sich aber bei fixierten

Lymphknotenmetastasen [5]. Ein Problem stellt die unmittelbare Nähe von Tumoren im Kopf-

Hals-Bereich zu Risikoorganen dar. Es fand sich allerdings kein Unterschied in der

Überlebensrate, jedoch eine höhere Gewebetoxizität bei Patienten, die mit einer Kombination

von Photonen und Neutronen behandelt worden waren.

Lokal fortgeschrittene Prostatakarzinome

Eine Multicenterstudie amerikanischer Universitäten zeigte einen signifikanten Vorteil

zugunsten der Behandlung mit Neutronen: die lokoregionale Kontrollrate nach 68 Monaten

betrug 87% für Neutronen gegenüber 68% für Photonen [6]. Es fand sich kein signifikanter

Unterschied in der Überlebensrate (nach 5 Jahren) und in der Morbidität, wenn lediglich die

konformalen Techniken der Neutronentherapie berücksichtigt wurden. Die vorangehende Studie

der nordamerikanischen Gruppe hatte einen Vorteil der Neutronentherapie in Bezug auf die

lokale Tumorkontrolle und die 10-Jahres-Überlebenszeit erbracht [7].

Diese auf randomisierten Studien basierenden Daten (Phase III) entsprechen Ergebnissen

zahlreicher Phase I/II-Studien, die in Überblicksarbeiten zusammengefaßt sind [8,9].

Entsprechend klinischen Erfahrungen und wissenschaftlichen Mitteilungen, die auf Daten

von Phase I/II-Studien basieren, findet man darüberhinaus weitere Indikationen, bei denen der

Einsatz der Neutronentherapie vorteilhaft sein dürfte:

�� Tumoren der Nasennebenhöhlen (lokale Kontrollrate 50 %),

�� inoperable Weichteilsarkome (lokale Kontrollrate 53 %),

�� inoperable Chondrosarkome (lokale Kontrollrate 56 %),

�� Osteosarkome (lokale Kontrollrate 62 %),

�� Rezidive von Rektumkarzinomen,

�� Melanome (lokale Kontrollrate 64%).

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 143

I.9.3 Protonentherapie (Vorteil höherer physikalischer Selektivität)

Die wesentliche Verbesserung der Therapieergebnisse wurde bei gut abgrenzbaren Tumoren

erzielt sowie bei Tumoren in unmittelbarer Nähe von Risikoorganen.

Der Vorteil dieser Therapie wurde bisher durch einen Vergleich mit historischen Daten der

Photonentherapie hergeleitet, da zur Zeit keine Daten aus prospektiv randomisierten klinischen

Studien vorliegen.

Ein großes Ausmaß an Erfahrungen wurde für folgende Tumoren gesammelt.

�� Augentumoren

(Melanome der Aderhaut, mehr als 4000 Patienten)

Die lokale Kontrollrate beträgt 96%, unabhängig von der Tumorgröße, (MGH/Boston [10],

PSI/Schweiz, [2]) und ist bei Tumoren mit über 5 mm Dicke der Brachytherapie mit

radioaktivem Material beschichteten Applikatoren (Ru 106, J 125, Co 60) überlegen [11,12].

Bei völligem Erhalt der Sehfähigkeit erreicht hiermit die Protonentherapie eine nahezu

identische Heilungsrate wie eine operative Entfernung des Auges.

Ähnliche Resultate wurden bei einer kleineren Patientenzahl mit der Leichtionentherapie unter

Verwendung von Helium erreicht [13]. Die biologische Effektivität von Helium ist ähnlich

der Protonen- und Photonentherapie einzustufen.

�� Tumoren im Bereich der Schädelbasis

(Chordome und Chondrosarkome, mehr als 300 Patienten)

Die 5-Jahres-Überlebensrate beträgt 94% für Chondrosarkome und 63% für Chordome

gegenüber etwa 35% bei konventioneller Photonentherapie (MGH/Boston) [14,21].

Ähnlich vielversprechende Resultate wurden sowohl für maligne als auch nichtmaligne

Tumoren im Bereich der Schädelbasis, am Hirnstamm und im Bereich des Rückenmarks

publiziert: z.B. inkomplett resektable Meningeome, Hypophysentumoren, Neurinome,

Sarkome (Überblick über die MGH-Erfahrungen [15]).

Über diese klinischen Erfahrungen hinausgehend ist ein interessanter Überblick über

potentielle Applikationen der Protonentherapie enthalten in einem Bericht anläßlich eines

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 144

Workshops am National Cancer-Institute unter dem Titel „Potential clinical gains by use of

superior radiation dose distribution“. Untersucht wurden hier Hirntumoren (pädiatrisch),

paraspinale Tumoren, retroperitoneale Tumoren, spezielle Tumoren der Kopf-Hals-Region,

Oesophagusmalingome, nicht kleinzellige Lungenkarzinome, Weichteilsarkome,

Cervixkarzinome, Prostata- und Rektumkarzinome [16].

I.9.4 Leichtionentherapie (Vorteil höherer biologischer Effektivität und

physikalischer Selektivität)

Zu den möglichen Anwendungen der Leichtionentherapie, die den Vorteil der besseren

Dosisverteilung (physikalische Selektivität: Protonen) mit dem Vorteil der besseren biologischen

Effektivität (Neutronen) verbindet, liegen vielversprechende Daten aus Phase I/II-Studien vor.

Diese Studien erfolgten in Berkeley an einer Behandlungseinheit innerhalb eines großen

Beschleunigerkomplexes in Verbindung mit der Universität von San Franzisco.

Die möglichen Anwendungen ergeben sich systematisch aus den positiven Ergebnissen der

Neutronentherapie und der Protonentherapie.

1. Primär inoperable oder rezidivierende Tumoren der Speicheldrüsen

Die Lokalkontrolle der 18 in Berkeley behandelten Patienten betrug nach 5 Jahren 61%

[17];

2. Nasennebenhöhlentumoren

Die Lokalkontrolle der 12 in Berkeley behandelten Patienten betrug 69% nach 5 Jahren

[17];

3. Prostatakarzinom

Die Lokalkontrolle nach 5 Jahren betrug 75% bei 12 Patienten, die in Berkeley mittels

einer Neon-Ionen-Boost-Radiotherapie behandelt worden waren [17];

4. Fortgeschrittene Weichteil- und Knochensarkome

Die Lokalkontrolle war nach 5 Jahren 65% bzw. 69% bei 12 bzw. 18 der in Berkeley

behandelten Patienten [17].

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 145

In den oft numerisch kleinen Studien, die in Berkeley durchgeführt wurden, ließ sich bei

folgenden Tumorgruppen kein Vorteil der Leichtionentherapie feststellen: maligne Gliome,

Pankreas-, Gallengangs-, Magen-, Oesophagus- und Bronchialkarzinome sowie fortgeschrittene

Tumoren bzw. Rezidive von Karzinomen der Kopf-Hals-Region.

Bei Chordomen und Chondrosarkomen nahe der Schädelbasis wurde in 45 Fällen eine

Heliumbehandlung durchgeführt (vergleichbar der Protonentherapie).

Das Ergebnis war ähnlich den Resultaten der Protonentherapie, wobei die lokale

Tumorkontrollrate für Chondrosarkome höher lag als die für Chordome [18].

I.9.5 Notwendigkeit der wissenschaftlichen Evaluation der Leichtionen- und

Protonentherapie im Vergleich mit der aktuellen Photonen-

Radiotherapie

Es gibt einige bedeutsame klinische Hinweise bezüglich der Überlegenheit der

Leichtionentherapie und der Protonentherapie im (historischen) Vergleich mit der

herkömmlichen Strahlentherapie, die sich auf Erfahrungen aus Phase I/II-Studien stützen.

Diese Resultate werden sich allerdings nur verallgemeinern lassen, wenn sie im Rahmen

von prospektiven randomisierten klinischen Studien bestätigt werden können. Eines der

Hauptprobleme der von der Gruppe in Berkeley präsentierten Daten ist die geringe Patientenzahl

und die erhebliche Inhomogenität bezüglich Patienten- und Behandlungscharakteristika, ein

allgemein bekanntes Problem der Therapie mit schweren Teilchen [9]. Diese Schwierigkeiten

resultieren oft aus den spezifischen Bedingungen, unter denen Schwerteilchentherapie betrieben

wurde bzw. wird. Diese besondere Form der Strahlentherapie hat sich in der Regel als

„Appendix“ großer physikalischer Beschleunigereinheiten (z.B. mit beschränkten Zugriffszeiten)

fernab von spitalsbezogener Medizin im allgemeinen sowie der (Radio-) Onkologie im

besonderen entwickelt. Des weiteren lag der Schwerpunkt der Forschung häufig auf dem Gebiet

der (Medizin-)Physik und Technik. Im Bereich der klinischen Studien resultierten hieraus meist

kleine Patientenzahlen mit erheblichen Variationen bezogen auf die gesamte klinische Situation

(Tumorvolumen, Tumorausbreitung, Histologie, Ausmaß operativer Verfahren) und bezogen auf

behandlungsrelevante physikalisch-technische und klinisch-biologische Parameter

(Behandlungsvolumina, Behandlungstechnik, Gesamtdosis, Einzeldosis, Fraktionierung und

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 146

Ausmaß der Kombination mit der Photonentherapie). Nicht selten sind die Informationen über

die Dosis-/Volumenbelastung von Normalgewebe nicht ausreichend, ebenso wie

Langzeitnachbeobachtungen bezogen auf Tumorkontrolle, Rezidivmuster, und Strahlentherapie

assoziierte Morbidität nicht immer umfassend vorliegen.

Für die Neutronentherapie lagen über lange Zeiträume (Mitte der 60er bis Mitte der 80er

Jahre) ausschließlich Mitteilungen aus Phase I/II-Studien vor. Als klinische Ergebnisse vorgelegt

wurden, die die Überlegenheit dieser Therapieform unter Verwendung moderner

Bestrahlungsmethoden überzeugend im prospektiv randomisierten Vergleich für einzelne

Tumorgruppen belegten (Prostatakarzinom, Speicheldrüsentumoren), war die Mehrzahl der

Radioonkologen sowohl auf nationaler wie internationaler Ebene hieran aus unterschiedlichsten

Gründen nur noch peripher interessiert. Letztendlich ist der Neutronentherapie der in den 70er

Jahren vorausgesagte richtungsweisende Durchbruch nicht gelungen.

Die Protonentherapie konnte diese Schwierigkeiten zumindest für einige Tumorgruppen wie

Aderhautmelanome, Chordome und Chondrosarkome weitgehend überwinden durch frühzeitige

Präsentation hervorragender Therapieergebnisse mit geringen Variationen der

Behandlungscharakteristika, die zunächst vor allem aus einem Zentrum stammten (Boston,

MGH). Die hervorragenden Ergebnisse der bulbuserhaltenden Protonentherapie bei

Augentumoren wurden rasch von anderen Zentren bestätigt, zudem stand eine alternative

Therapiemethode außer der Enukleation nicht zur Verfügung. Die gesamte 3D-Therapieplanung

der Protonentherapie entwickelte sich zum Paradigma für die moderne 3D-Planung in der

Photonenradiotherapie (Konformation/Stereotaxie). So wurde die Protonentherapie rasch

international anerkannt und zunehmend etabliert. Wegen der besonderen Vorteile der

physikalischen Selektivität und der zunehmenden Zahl zur Verfügung stehender

Therapieeinheiten wurde während des letzten Jahrzehnts das Indikationsspektrum kontinuierlich

erweitert. Neuerdings werden hierbei auch Therapieeinheiten innerhalb von Krankenhäusern

errichtet („hospital based“), die sowohl bezogen auf medizinphysikalische Parameter wie auch

auf die medizinische Infrastruktur einschließlich Patientenaufkommen mit dem Betrieb einer

modernen Strahlentherapieabteilung mit Photonen vergleichbar sind (Loma Linda, Boston

MGH). Tatsächlich müssen sich die klassische Protonentherapie (einfache Strahlführung als

„Appendix“ von Physikbeschleunigern) und letztendlich die moderne Protonentherapie

(Strahlführung in mehreren Richtungen an speziellen Protonenbeschleunigern, spezielle Gantry)

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 147

im direkten Vergleich mit den sich rasch entwickelnden Möglichkeiten der aktuellen

Photonentherapie (Konformationstherapie, stereotaktische Radiotherapie) behaupten und ihre

Überlegenheit unter Beweis stellen.

Die oben aufgeführten Probleme treffen in besonderem Maße für die Charakterisierung der

Ergebnisse der Leichtionentherapie zu, da sowohl bezüglich der technischen Anlagen wie auch

der klinischen Ergebnisse bisher kein richtungsweisender Durchbruch gelungen ist. Tatsächlich

wurde 1995 eine speziell konstruierte Großanlage in Chiba/Japan eröffnet (eine weitere ist

geplant). Ein klinischer Patientenbetrieb wurde vor kurzem in Darmstadt/Heidelberg an einem

Synchrotron, das für die physikalische Forschung bestimmt ist, aufgenommen. Dort wurden

bislang erst wenige Patienten bestrahlt. In Italien ist ein Protonen- und Leichtionenprojekt in

Planung (TERA). In Nordamerika sind nach der Schließung des Beschleunigers in Berkeley

keine nennenswerten, erfolgversprechenden Anstrengungen in Richtung auf ein

Nachfolgeprojekt zur Leichtionentherapie erkennbar. Diese Situation weist darauf hin, daß die

Ergebnisse der Leichtionentherapie innerhalb der wissenschaftlichen radioonkologischen

„community“ nicht allgemein akzeptiert werden.

Bis vor kurzem war vielmehr unter den Anhängern der Therapie mit schweren Teilchen die

Meinung vorherrschend, daß unter den möglichen Therapien mit schweren Teilchen in Zukunft

die richtungsweisende Bedeutung der Protonentherapie zukommt, insbesondere für eine

eindeutig definierte Gruppe von Patienten mit gut abgrenzbaren, seltenen Tumoren

(Aderhautmelanome, Chordome, Chondrosarkome). Diese Meinung wird allerdings durch die

dynamischen Entwicklungen der Photonentherapie (3D-Planung, spezielle Techniken der

konformalen und stereotaktischen Bestrahlung) und angesichts bisher fehlender Ergebnisse aus

randomisierten klinischen Studien zur Protonentherapie in Frage gestellt.

Parallel zu dieser Entwicklung stellt sich zunehmend die Frage, ob nicht vor allem die

Leichtionentherapie als die richtungsweisende zukünftige Therapieform mit schweren Teilchen

zu verstehen ist, da diese zusätzlich über den Vorteil einer höheren biologischen Effektivität

verfügt. Wenn unterstellt werden kann, daß die Unterschiede zwischen moderner

Protonentherapie und moderner Photonentherapie bezüglich der physikalischen Selektivität

zumindest geringer werden und möglicherweise sogar verwischen, ist eigentlich nur von einer

Therapieform, die zusätzlich über den Vorteil einer höheren biologischen Effektivität verfügt,

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 148

eine richtungsweisende Verbesserung von Therapieergebnissen bei relativ strahlenresistenten

Tumoren zu erwarten.

Angesichts der so gekennzeichneten komplexen technologie-, gesundheits- und

wissenschaftspolitischen Situation, die sich erst langfristig klären wird, erscheint es in

besonderer Weise lohnenswert zu versuchen, die hier aufgezeigten Therapiemöglichkeiten aktiv

zusammenzuführen und im direkten Vergleich miteinander zu untersuchen.

Ein lohnenswerter Vergleich würde erfordern, daß die vielschichtigen typischen Probleme

der Pionierzeiten der Teilchentherapie von vornherein eliminiert würden:

�� die Technologie der verschiedenen Strahlenarten (Photonen, Protonen, Leichtionen) muß

einem vergleichbaren, entwickelten modernen Standard entsprechen;

�� (radio-)onkologische Behandlungen müssen entsprechend der vorgegebenen Standards

über einen bestimmten Zeitraum konsistent durchgeführt werden;

�� prospektiv angelegte klinische Studien müssen von einer erfahrenen kooperativen

Studiengruppe, die eine genügend große Patientenzahl in einem bestimmten,

überschaubaren Zeitraum rekrutieren kann, durchführbar sein.

Wenn eine wissenschaftlich-klinische Evaluation der Leichtionentherapie geplant wird, die

innerhalb der (radio-)onkologischen „scientific community“ methodisch akzeptabel ist, kann eine

derartige Therapieform nur in einem systematischen und prospektiv randomisierten Vorgehen bei

einer ausreichenden Zahl von Patienten mit modernen (radio-)onkologischen

Behandlungsverfahren verglichen werden.

Im Großen und Ganzen ist ein Vorteil einer verbesserten lokalen Behandlung hauptsächlich

bei Tumoren zu erwarten, bei denen die lokale Kontrollrate unzureichend ist und bei denen die

lokale Tumorkontrolle ausschlaggebend ist für den letztendlichen Therapieerfolg.

Entsprechend den strahlenbiologischen Eigenschaften der Leichtionen wird voraussichtlich

ähnlich wie bei den Neutronen am ehesten ein Nutzen für differenzierte, langsam wachsende

Tumoren mit hypoxischen Tumoranteilen zu erzielen sein.

Was die physikalischen Eigenschaften betrifft, wird ein potentieller Erfolg bei eher kleinen,

gut abgrenzbaren Tumoren mit strahlenempfindlichen Strukturen in der Nachbarschaft zu

erwarten sein.

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 149

Gemäß den radioonkologischen Erfahrungen und den wissenschaftlichen

Literaturmitteilungen sind die Haupttumorentitäten, die diese Forderungen in unterschiedlichem

Ausmaß erfüllen, im folgenden aufgeführt.

1. Definitive Behandlung: Behandlung durch schwere Teilchen allein

�� Inoperable Tumoren oder Rezidive von Speicheldrüsentumoren (im besonderen

adenoidzystische Karzinome und gut differenzierte andere Histologien);

�� Chordome und Chondrosarkome GI/GII (Schädelbasis; ggf. am Kreuzbein);

�� Augenmelanome (Aderhaut);

�� (Inoperable) Sarkome (Weichteilsarkome, Knochensarkome) vor allem der Kopf-Hals-

Region, des Achsenskeletts, der Retroperitonealregion bei Erwachsenen, Kindern und

Jugendlichen;

�� Fixierte Lymphknotenmetastasen bei Plattenepithelkarzinomen der Kopf-Hals-Region;

�� Tumoren der Nasennebenhöhlen;

�� Tumoren nahe der Schädelbasis und des Rückenmarkes mit einem hohen lokalen

Rezidivrisiko (nicht komplett resektable Meningeome, atypische bzw. maligne

Meningeome);

�� Rezidivierende Adenokarzinome des Rektums;

�� Inoperable Hautmelanome;

�� Pädiatrische Hirntumoren und Retinoblastome;

�� Pankreaskarzinome;

�� Karzinome der Gallenwege;

�� Bronchuskarzinome (NSCLC Stadium I).

2. Boosttherapie: Behandlung durch Photonen in Kombination mit schweren Teilchen

�� Lokal fortgeschrittene Prostatakarzinome;

�� Nasopharynxkarzinome;

�� Bronchuskarzinome (NSCLC Stadium III);

�� Ösophaguskarzinome;

�� Verschiedene fortgeschrittene Plattenepithelkarzinome der Kopf-Hals-Region (Pharynx,

Mundhöhle).

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 150

Die hier vorgestellten (möglichen) Indikationen beziehen sich auf klinische Erfahrungen,

wissenschaftliche Studien und auf grundsätzliche Überlegungen angesichts unzureichender

Therapieerfolge bei bestimmten Tumorgruppen. Die Mehrzahl der zugrundeliegenden Vergleiche

bezieht sich auf historische Resultate der konventionellen Photonentherapie. Randomisierte

Studien liegen vor für die Überlegenheit der Neutronentherapie bei Speicheldrüsentumoren, lokal

fortgeschrittenen Prostatakarzinomen und bei fixierten Lymphknotenmetastasen von Kopf-Hals-

Malignomen.

Ernsthafte klinische Hinweise bezüglich der Überlegenheit der Protonentherapie gibt es für

die Aderhauttumoren und die Chordome/Chondrosarkome. Diese Erfahrungen scheinen

insbesondere für Augentumoren so evident, daß bei einer zunehmenden Anzahl von

ophthalmologischen und radiologischen Onkologen die Behandlung von großen

Augenmelanomen mit Protonen als Behandlung der Wahl angesehen wird.

Diese wachsende (wissenschaftliche) Überzeugung hat zu einer wachsenden Anzahl von

Protonen-Behandlungs-Zentren in Nordamerika, Japan und Europa geführt, die entweder schon

in Betrieb sind oder sich in einer konkreten Planungsphase befinden.

Die Beantwortung der Frage - „Ist die Therapie mit Leichtionen der Photonentherapie

überlegen?“ - ist von erheblicher technologiepolitischer, gesundheitspolitischer und

wissenschaftspolitischer Relevanz. In der Onkologie sind die wesentlichen klinischen Endpunkte

derartiger randomisierter klinischer Studien: die lokale und regionale Tumorkontrolle, das

Überleben der Patienten und die mit der Therapie assoziierte Morbidität.

Die Standardmethode, mit der verglichen werden muß, ist die moderne

Photonenradiotherapie unter besonderer Berücksichtigung der computergestützten

Konformationstherapie und der stereotaktischen Radiotherapie basierend jeweils auf

schnittbildgestützter 3D-Bestrahlungsplanung [19,20].

Mit dieser Methode müssen die Methoden der konformalen Protonenradiotherapie und die

Methoden der konformalen Leichtionenradiotherapie verglichen werden.

Die Hauptfrage, die beantwortet werden muß, ist, ob eine dieser Behandlungsmodalitäten zu

signifikant unterschiedlichen Resultaten bezogen auf Tumorkontrolle, Überlebensrate und

Morbidität führt.

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 151

Um eine derartige Studie zur Evaluation der Leichtionen- und Protonentherapie erfolgreich

durchzuführen, müssen gewisse Überlegungen zur Vorbereitung eines adäquaten klinischen

Studienentwurfes erfolgen.

Zunächst sollten einige der oben aufgeführten Tumorentitäten unter dem Aspekt der

Relevanz, der Durchführbarkeit, der zu erwartenden Verbesserungen und der Möglichkeiten der

Patientenrekrutierung ausgewählt werden.

Einige dieser Tumoren könnten Speicheldrüsentumoren, Aderhautmelanome, Meningeome,

Chordome, lokal fortgeschrittene Prostatakarzinome, nichtkleinzellige Bronchialkarzinome sein.

Ausgehend von den vorliegenden Erfahrungen sind die zu erwartenden Unterschiede für die

einzelnen Tumorentitäten bezogen auf die Tumorkontrolle, die Überlebensrate und die

behandlungsassoziierte Morbidität zu definieren. Die Unterschiede können bezogen auf die

einzelnen Parameter nur wenige Prozent (z.B. Tumorkontrolle bei Aderhautmelanomen) oder

einen nennenswerten Prozentsatz betragen (z.B. Unterschiede von 30-40% in der Tumorkontrolle

von Speicheldrüsentumoren). Bei kleinen zu erwartenden Unterschieden sind große

Patientenzahlen notwendig, die naturgemäß erhebliche Probleme in der Patientenrekrutierung

beinhalten. Bei zu erwartenden Differenzen etwa zwischen 20 und 30 % zwischen verschiedenen

Behandlungsarmen würden Patientenzahlen von maximal einigen 100 Patienten zur eindeutigen

Beantwortung einer Fragestellung genügen. Bei einer angenommenen Patientenzahl von 200 in

einem Therapiearm würde dies z.B. pro Jahr jeweils 50 Patienten für Leichtionentherapie, für

Protonentherapie und für Photonentherapie für jede Tumorentität erfordern. Innerhalb eines

überschaubaren Zeitraumes von z.B. 4 Jahren würde eine entsprechende Patientenanzahl von 200

für die Leichtionentherapie, von 200 für die Protonentherapie und von 200 für die

Photonentherapie erreicht werden. Für eine zu untersuchende Tumorentität, würde entsprechend

dieser Berechnung Platz für ca. 100 Patienten/Jahr an einer Schwerteilchentherapieeinheit und 50

Patienten/Jahr an einer Radiotherapieeinheit zur Verfügung stehen müssen, an der eine moderne

kombinierte konformale und stereotaktische Radiotherapie unter klinischen Bedingungen

evaluiert werden kann.

Die wissenschaftliche Untersuchung von Augentumoren, uvealen Melanomen, die eine

Therapie mit schweren Teilchen z.B. mit einer stereotaktischen Photonentherapie hinsichtlich der

Tumorkontrolle vergleichen möchte, würde viel größere Patientenzahlen erfordern, da nach

vorliegenden Erfahrungen eher nur ein geringer Unterschied, was die lokale Tumorkontrolle

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 152

betrifft - wenn überhaupt -, zu erwarten ist. Hierbei sind die in großem Umfang vorliegenden

exzellenten Langzeitresultate der lokalen Kontrolle bei traditioneller Protonentherapie (> 95%)

und die erst seit kurzem vorliegenden ähnlich guten Resultate der stereotaktischen Radiotherapie

zugrundegelegt [22, 23].

Die Behandlung von Aderhautmelanomen (>5 mm Dicke) mit Protonen wird von einer

zunehmenden Zahl von ophthalmologischen und strahlentherapeutischen Onkologen als

augenerhaltende Therapie der Wahl („Standard“) betrachtet, ist aber im Moment in

Zentralosteuropa nicht verfügbar. Nachdem diese Tumoren selten sind (0,8 neue

Patienten/100.000/Jahr in Österreich), würde das nur zu einer Höchstzahl von etwa 60

Patienten/Jahr in Österreich führen. Nachdem für gewöhnlich nur ein gewisser Prozentsatz an

Patienten derartigen Behandlungen zugeführt wird, wäre es notwendig, zusätzlich Patienten zu

rekrutieren - vor allem aus den angrenzenden Staaten Zentralosteuropas -, um so die

Behandlungszahl realistisch auf etwa 50 bis 100 neue Patienten/Jahr für diese Tumorentität

anzuheben.

Die Frage der möglichen Patientenrekrutierung ist somit aufs engste mit der

Durchführbarkeit klinischer Studien und der Art der möglichen klinischen Fragestellungen

verknüpft.

Mit Ausnahme weniger Tumorentitäten ist die Mehrzahl der Tumorgruppen selten, bei

denen bisher ein Vorteil der Therapie mit schweren Teilchen nachgewiesen wurde (Ausnahme

Prostatakarzinom). Die ausreichende Patientenrekrutierung ist ein bekanntes Problem der

Schwerteilchentherapie, wobei wiederum die Augentumoren eine gewisse Ausnahme darstellen:

an den Protonentherapieeinheiten in Nordamerika und Europa nimmt die Patientenzahl innerhalb

der letzten Jahre kontinuierlich zu.

Um eine derartige Therapieanlage in einen sinnvollen gesundheits- und

wissenschaftspolitischen Zusammenhang zu stellen, scheint es deshalb von vornherein geboten,

eine Integration in die onkologische „Umgebung“ weitestmöglich anzustreben. Auf regionaler,

nationaler und internationaler Ebene sind hiermit gemeint onkologische Zentren (Spitäler) und

Forschungseinrichtungen (Universitäten), radioonkologisch und onkologisch orientierte

Organisationen (z.B. ÖGRO, ACO, Vereinigung für klinische Onkologie, „Krebshilfe“ für

Österreich; entsprechende Organisationen in angrenzenden Staaten; EORTC auf internationaler

europäischer Ebene). Eine kooperative, multizentrische klinische und wissenschaftliche

Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 153

Arbeitsweise scheint die erfolgversprechende Methode, um schon in der Planungsphase die

schließlich notwendige Infrastruktur für eine erfolgversprechende Integration aufzubauen. In

jedem Fall wird es sinnvoll und notwendig sein, daß eine oder mehrere größere onkologische

Einheiten und Forschungseinrichtungen ein derartiges Projekt aktiv unterstützen, wie dies z.B. in

Österreich mit Unterstützung der Gesellschaft für Radioonkologie vorgesehen ist. Darüber

hinaus wird es notwendig sein, onkologische Zentren und Forschungseinrichtungen aus den

angrenzenden Nachbarstaaten aktiv in die Entwicklung dieses Projekts mit einzubinden. Auf

diese Art und Weise wird es möglich werden, ein international bedeutendes Behandlungs- und

Forschungszentrum zu etablieren, das von kompetenten onkologischen Institutionen getragen

wird. Ein derart strukturiertes Zentrum wäre letztendlich auch in der Lage, die medizinische

Infrastruktur bereitzustellen, um wissenschaftliche Studien mit ausreichenden Patientenzahlen in

einem überschaubaren Zeitraum durchzuführen.

Im allgemeinen wird es notwendig sein, die Akzeptanz und Unterstützung innerhalb der

nationalen und internationalen radioonkologischen und onkologischen sowie der allgemeinen

gesundheits- und wissenschaftspolitischen Gruppen durch zahlreiche Maßnahmen weiter zu

fördern, um einen positiven politischen Hintergrund für die Realisierung der skizzierten

onkologischen Möglichkeiten zu schaffen.

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Band I.9: Zusammenfassung und Ausblick

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 156

Band I.10: Anhang

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 157

I.10 Anhang

I.10.1 Ausblick auf Band II und III

Im folgenden Band werden die Kapitel der Physik (Beschleunigerphysik und

Medizinphysik), behandelt. Der dritte Band ist der praktischen Umsetzung gewidmet und

behandelt die Machbarkeit in den Bereichen des medizinischen und wissenschaftlichen

Konzeptes, der betrieblichen und baulichen Struktur, der Rechtsfrage, der Personalstruktur, den

Kosten und der regionalen Anbindung, sowie der Architektur, dem zugehörigem Zeitprofil und

der regionalen Einbindung.

I.10.2 Autorenliste Band I

Dr. Thomas Auberger Projektmanager Universitätsklinik für Strahlentherapie und

Radioonkologie der Leopold Franzens Universität Innsbruck

Anichstraße 35 A-6020 Innsbruck DI Dr. Dietmar Georg Universitätsklinik für Strahlentherapie und

Strahlenbiologie des AKH-Wien Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien Univ. Prof. Dr. Arnulf Hackl Vorstand der Universitätsklinik für Radiologie Universitätsklinik Graz Auernbruggernplatz 9 A-8036 Graz

Band I.10: Anhang

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 158

DP Dr. Uwe Haverkamp Clemens Hospital Münster Abteilung für Radiologie Düesberg Weg 124 D-48153 Münster

Universitätsklinik für Strahlentherapie und Strahlenbiologie des AKH-Wien

Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien M.D. Eugen B. Hug Loma Linda University Medical Center Dept. of Radiation Medicine Loma Linda 92354 USA, California Univ. Doz. Dr. Karin Kapp Universitätsklinik für Radiologie Universitätsklinik Graz Auernbruggernplatz 9 A-8036 Graz Univ. Prof. Dr. H. Dieter Kogelnik Vorstand des Instituts für Radiotherapie und

Onkologie der Landeskrankenanstalten Salzburg Müllner Hauptstraße 48 A-5020 Salzburg DP Dr. Wilma Kraft-Weyrather Gesellschaft für Schwerionen Forschung (GSI-

Darmstadt) Planckstraße 1 D-64291 Darmstadt DI Karin Poljanc Med-AUSTRON Projektbüro

Prof. Dr. Stefan Koren - Straße 10 A-2700 Wr. Neustadt

Univ. Prof. Dr. Richard Pötter Projektleiter

Vorstand der Universitätsklinik für Strahlentherapie und Strahlenbiologie des AKH-Wien

Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien

Band I.10: Anhang

Med-AUSTRON Machbarkeitsstudie 159

Dr. Hassan Rahim Institut für Radiotherapie und Onkologie der Landeskrankenanstalten Salzburg

Müllner Hauptstraße 48 A-5020 Salzburg Univ. Prof. DI Dr. Meinhard Regler Verein AUSTRON

Atominstitut der Österreichischen Universitäten Stadionallee 2 A-1020 Wien

Dr. Felix Sedlmayer Institut für Radiotherapie und Onkologie der

Landeskrankenanstalten Salzburg Müllner Hauptstraße 48 A-5020 Salzburg

Dr. Edgar Selzer Universitätsklinik für Strahlentherapie und Strahlenbiologie des AKH-Wien

Währinger Gürtel 18-20 A-1090 Wien

Univ. Prof. Dr. H. A. Tritthart Inst. für Med. Physik und Biophysik, Universität Graz Harrachgasse 21 A-8010 Graz