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1 23 Der Chirurg Zeitschrift für alle Gebiete der operativen Medizin ISSN 0009-4722 Volume 88 Number 1 Chirurg (2017) 88:37-42 DOI 10.1007/s00104-016-0297-8 Erstbeschreibung einer endoskopischen Vakuumtherapie der ableitenden Harnwege G. Loske, T. Schorsch, R. U. Kiesow & C. T. Müller

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Der ChirurgZeitschrift für alle Gebiete deroperativen Medizin ISSN 0009-4722Volume 88Number 1 Chirurg (2017) 88:37-42DOI 10.1007/s00104-016-0297-8

Erstbeschreibung einer endoskopischenVakuumtherapie der ableitendenHarnwege

G. Loske, T. Schorsch, R. U. Kiesow &C. T. Müller

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Chirurg 2017 · 88:37–42DOI 10.1007/s00104-016-0297-8Online publiziert: 15. Dezember 2016© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016

G. Loske1 · T. Schorsch1 · R. U. Kiesow2 · C. T. Müller1

1 Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie, Katholisches Marienkrankenhaus HamburggGmbH, Hamburg, Deutschland

2Urologische Klinik, Katholisches Marienkrankenhaus Hamburg gGmbH, Hamburg, Deutschland

Erstbeschreibung einerendoskopischen Vakuumtherapieder ableitenden HarnwegeBei großem Harnblasendefekt nachabdomino-perinealer Rektumexstirpation.Videobeitrag

Video online

Die Onlineversion dieses Beitrags (doi:10.1007/s00104-016-0297-8) enthält einVideo zur urologischen endoskopischenVakuumtherapie (uEVT) bei einemgroßen Harnblasendefekt (© G. Loske,Katholisches Marienkrankenhaus HamburggGmbH). Beitrag und Video stehenIhnen im elektronischen Volltextarchivauf SpringerMedizin.de unter http://www.springermedizin.de/der-chirurgzur Verfügung. Sie finden das Video amBeitragsende als „SupplementaryMaterial“.

Es wird über die Erstanwendung derurologischen endoskopischen Vaku-umtherapie (uEVT) mit einer neuenDrainage in der Harnblase bei ei-nem großen Harnblasendefektesberichtet. Für die endoskopischeVakuumtherapie in der gastroen-terologischen Endoskopie wurdeeine neue offenporige Foliendrai-nage (OFD) entwickelt. Ihr geringerAußendurchmesser ermöglicht dasEinführen in kleine Öffnungen.Diese neue Vakuumdrainage lässtsich suprapubisch in der Harnbla-se platzieren. Mit der Anlage einesintravesikalen Vakuums wird einepermanente aktive Urinableitungerreicht. Defekte der Harnblase las-

Die englische Version dieses Beitrags ist unterdoi:10.1007/s00104-016-0318-7zufinden.

sen sich ohne operativen Eingriff zurAbheilung bringen.

Einführung

Nach chirurgischen Eingriffen am Rek-tum ist die Verletzung der Harnblasemit Ausbildung einer Fistel eine seltenepostoperative Komplikation. Ein chirur-gischer Verschluss vesikaler Fisteln nachBestrahlunghat nur eine geringe Erfolgs-rate bei hoher Morbidität- und Morta-litätsrate [1]. Bei Defektpersistenz bleibtnur die permanenteUrin und Stuhlablei-tung über Katheter oder Stomata [2].

Für die interventionelle BehandlungvonLeckagendesGastrointestinaltraktesist die neuartige Methode der endosko-pischen Vakuum Therapie (EVT) entwi-ckelt worden [3–5]. Zunächst wurde siezur Behandlung von Anastomoseninsuf-fizienzen imRektumeingesetzt [6],nach-folgend konnte die EVT insbesondere fürdie Behandlung von Ösophagusdefektenadaptiert werden [7].

Bis heute werden für die EVT of-fenporige, mit einem Drainageschlauchverbundene Polyurethanschäume ver-wendet.DieseVakuumdrainagenwerdenmit einem endoskopischen Greifinstru-ment durch die Defektöffnung hindurchin der extraluminalen Wundhöhle (in-trakavitäre EVT) oder die Defektzoneüberdeckend intraluminal (intralumina-le EVT) platziert [8]. Durch die Anlage

eines kontinuierlichen Unterdrucks miteiner elektronischen Pumpe werdengleichzeitig der Verschluss des Defektesund eine nach luminal gerichtete Drai-nagewirkung herbeigeführt. Der relativgroße Außendurchmesser der Vakuum-drainagen aus Polyurethanschaum vonca. 1,5–3 cm verhinderte bislang dasEinführen in kleinere Öffnungen.

Im Fall einer Peritonitis wird dieUnterdrucktherapie auch intraabdo-minell angewandt. Hierzu wurde einesehr dünne offenporige Folie entwickelt,welche aus zwei voneinander beabstan-deten perforierten Membranen besteht.Dieser Aufbau vermittelt die Wirkungdes angelegten Soges über die gesamteFolienoberfläche.

Mit dieserFolie und einemkonventio-nellen Magensondenschlauch wird dieOFD konstruiert. Sie besitzt somit einensehr geringen Außendurchmesser vonwenigen Millimetern und kann auchdurch kleinste Öffnungen eingeführtwerden.

Erstmals wurde jetzt mit der OFDauch die Anwendung der Vakuumthe-rapie an den Harnwegen möglich. Mitdieser Erstbeschreibung der urologi-schen endoskopischen Vakuumtherapie(uEVT) demonstrieren wir die Anwen-dung bei einem großen postoperativenHarnblasendefekt.

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Abb. 18 a Zystographie undbDiagramm zeigen den Status vor Beginn der urologischenendosko-pischen Vakuumtherapie: Das Kontrastmittel fließt in eine lange sakraleWundhöhle (Sa) und aus derperinealenWunde (Pe) heraus. F Fistel, BHarnblase,mJMono-J-Katheter, uC transurethraler Katether,suC suprapubischer Urinkatether, KNiere

Abb. 29 Endosko-pie entlangderperi-nealenWunde (Pe).E Endoskop

Abb. 38 Links: dünnes nasales Endoskop (nE) und die offenporige Foliendrainage (OFD); rechts: Her-stellung der offenporigen Foliendrainage: offenporige Folie (oF), Drainageschlauch (T)mit seitlichenPerforationen (lP), Naht (S)

Fallbeschreibung

Bei einem 82-jährigen Mann erfolgteeine standardmäßige abdominoperi-neale Exstirpation (APE) des Rektumsaufgrund eines tiefsitzenden Adenokar-zinoms 1 cm oral der Linea dentata. Daspräoperative Tumorstaging beschriebeine uT3-, uN0-Situation. Sechs Jahrezuvor war bei dem Patienten eine retro-pubische Prostatektomie eines Prostata-karzinoms erfolgt. Bei rezidivierendenBlutungen indizierte das interdiziplinäreTumorboard die primäre Operation.

Intraoperativ war die Dissektion desRektums schwierig. In der Region derHarnblasenhinterwand wurde eine ver-mehrte Elektrokoagulation notwendig.Die perineale Wunde wurde primär miteinermehrschichtigenNahtverschlossenund der Urin über einen transurethralenBallonkatheter abgeleitet.

Am 5. postoperativen Tag entleertesich klares kreatininhaltiges Sekret ausder perinalen Wunde. In der Zystogra-phie fand sich ein großer Harnblasende-fektmitAuffüllung einer sakralenWund-höhle und Austritt aus der perinealenWunde (. Abb. 1a). Zystoskopisch be-stätigte sich ein 6 cm durchmessendertransmuraler Defekt der Harnblasenhin-terwand, dieser lag im Trigonum vesicaezwischen beiden Uretermündungen undder Urethraöffnung.

Aufgrund der Größe und Lage desBlasendefektes wurde aus urologischerSicht keine Erfolg versprechende Mög-lichkeit für einen operativen Verschlussgesehen.MitdemZieldieperinealeUrin-sekretion zu reduzieren, wurden zusätz-lich zur transurethralen und suprapubi-schen Urinableitung transurethrale Mo-no-J-Katheter in beide Ureteren bis zumNierenbecken eingeführt (. Abb. 1b).

TrotzderumfangreichenpassivenKa-theterableitung aller Harnwege persis-tierte einemassiveUrinsekretion entlangder perinealen Wunde.

In dieser schwierigen Situation ent-schiedenwir, indieHarnblasedievonunsentwickelteOFDeinzulegen.Ähnlichwiebei der intraluminalen Vakuumtherapiebei gastrointestinalen Leckagen war dasTherapieziel, die Harnblase vollständigund dauerhaft zu evakuieren. Hierdurchsollte der Urinfluss entlang des Defektes

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Zusammenfassung · Abstract

Chirurg 2017 · 88:37–42 DOI 10.1007/s00104-016-0297-8© Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2016

G. Loske · T. Schorsch · R. U. Kiesow · C. T. Müller

Erstbeschreibung einer endoskopischen Vakuumtherapie der ableitenden Harnwege. Bei großemHarnblasendefekt nach abdomino-perinealer Rektumexstirpation. Videobeitrag

ZusammenfassungZiel. Die Methode der aktiven Urinableitungmittels urologischer endoskopischerVakuumtherapie (uEVT) wird beschrieben.Anhand eines Operationsvideos, welchesonline zur Verfügung steht, wird zudem dieOperationstechnik detailliert dargestellt.Vesikale Fisteln sind eine seltene Komplikationder Rektumchirurgie. Die endoskopischeVakuumtherapie (EVT) ist eine neueinterventionelle endoskopische Methode zurBehandlung gastrointestinaler Defekte. Wirzeigen die Adaptierung dieses endoskopi-schen Verfahrens zur Therapie eines großenHarnblasendefektesmit Urinausfluss aus derperinealenWunde nach abdominoperinealerRektumexstirpation.Material und Methode. Eine neuartigeoffenporige Foliendrainage (OFD) miteinem Außendurchmesser von wenigen

Millimeternwurde aus einer sehr dünnendoppellagigen Drainagefolie und einemAbsaugschlauch konstruiert. Die OFD wurdemittels flexibler Endoskopie in die Harnblaseeingeführt und suprapubisch ausgeleitet.Mit einer elektronischen Vakuumpumpewurde ein Unterdruck angelegt und somit aufaktive Weise der Urin kontinuierlich aus derHarnblase abgesaugt. Während der gesamtenBehandlungsdauer erfolgte gleichzeitigeine passive Katheterableitung des Urinsaus den Nierenbecken über transurethralausgeführte Mono-J-Schienen. Regelmäßigeendoskopische Untersuchungen der Blasedokumentierten den Wundheilungsverlauf.Ergebnisse. Die Ausübung eines kontinu-ierlichen Unterdrucks über die OFD führtezum Kollabieren der Harnblase. Der Urin inder Harnblase wurde vollständig aktiv und

permanent entlang der OFD drainiert. DerUrinaustritt aus der perinealenWunde sistierteunmittelbar nach Anlage des Unterdruckes.Nach 18-tägiger Therapiedauer mit uEVT warder Harnblasendefekt verschlossen. NachEntfernung sämtlicher Katheter hatte derPatient eine normale Miktion.Fazit. Eine neuartige kleinlumige OFD wurdefür die endoskopische Vakuumtherapieentwickelt. Die OFD ermöglicht jetzt auch dieurologische Anwendung der endoskopischenVakuumtherapie. Die uEVT kann eine inter-ventionelle Alternative in der Behandlung vonHarnblasendefekten darstellen.

SchlüsselwörterFistel · Drainage · Gastroenterologie · Katheter ·Video · Rektum · Harnblase

First report of urinary endoscopic vacuum therapy. For large bladder defect after abdomino-perinealexcision of the rectum. Video paper. German version

AbstractPurpose. The technique of active urinary en-doscopic vacuum therapy (uEVT) is described.The surgical technique is demonstrated indetail with the help of a video of the operationand which is available online. Vesical fistulasare a rare complication following rectalsurgery. The EVT technique is a novelmethod for treatment of gastrointestinalleakage. This endoscopic procedure has beenadapted to treat a large bladder defect afterabdominoperineal resection of the rectumwith urine flowing out of the perineal wound.Material andmethod. A new open-pore filmdrainage (OFD) catheter with an externaldiameter of only a few millimeters has beendeveloped and is constructed from a verythin open-pore double-layered film and

a drainage tube. The OFDwas inserted into thebladder by means of flexible endoscopy andchanneled out through a suprapubic incision.Continuous suction was applied with anelectronic vacuum pump to actively drain theurine completely. A passive catheter drainageof urine from the renal pelvis via transurethralsingle J stent was carried out simultaneouslyduring the complete duration of treatment.The healing process was monitored duringand after therapy by intravesical endoscopy.Results. The application of continuousnegative pressure via the OFD resulted intotal collapse of the bladder. The urine inthe bladder was actively and permanentlydrained through the OFD. Urine leakage fromthe perineal wound stopped immediately

after induction of suction. After 18 days oftreatment with the uEVT the bladder defectwas healed. After therapy and removal of thecatheters the patient had normal micturition.Conclusion. A novel small-bore OFD has beendeveloped for EVT. The OFD technique nowallows endoscopic application of negativepressure in the bladder. This first successfulexperience proves uEVT to be a potentinterventional alternative in the treatment ofbladder defects.

KeywordsFistula · Drainage · Gastroenterology ·Catheter · Video · Rectum · Bladder

verhindertwerdenundsomiteineWund-heilungmöglichmachen.DerPatient gabseinEinverständnis, diesen individuellenHeilversuch vornehmen zu lassen.

Material undMethoden

Die endoskopischen Untersuchungender Harnblase wurden entlang der peri-nealen Fistel (. Abb. 2) und des suprapu-

bischen Kanals vorgenommen. Wir ver-wendeten ein Standardgastroskop undein nasales Endoskop (Olympus GIF 160und GIF N 180, Corporation, Tokyo, Ja-pan)mit CO2 als Untersuchungsgas. AlleUntersuchungen wurden in Sedierunggemäß der endoskopischen S3-Leitliniedurchgeführt.

Zur Konstruktion derOFDwurde dasdistale Ende einer 18-Char-Magensonde

(Ventrol, 18 Char, 120 cm, MallinckrodtMedical, Ireland) mit der Drainagefolie(Suprasorb ®CNP, Drainage Film, Loh-mann & Rauscher International GmbH& Co.KG, 56579 Rengsdorf) ummantelt.Die Folie wurde mit einer Naht gesi-chert und eine Fadenschlaufe am Endegeknüpft.Die Schlaufe dient zumGreifender Drainage mit einer endoskopischenBiopsiezange (. Abb. 3).

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Abb. 48 Schematische Darstellung des Therapieprinzips der urologischen endoskopischen Vakuumtherapie (uEVT) undzeitlicher Ablauf der Behandlung. aDiemit einer elektronischenVakuumpumpe (VAC) verbundene offenporige Foliendrai-nage (OFD)wird suprapubisch aus derHarnblase (B) ausgeleitet, vorAnlage des Vakuumsfließt dermeisteUrin (gelb) aus derperinealenWunde (Pe). KNiere,mJMono-J-Katheter, uC transurethraler Katheter.b Tag 4 der uEVT: Die Anlage des Vakuums(–75mmHg) evakuiert die Harnblase, dermeiste Urin fließt jetzt entlang derMono-J-Katheter, die Urinsekretion entlang derperinealenWunde ist versiegt, die sakraleWundhöhle schrumpft. c Tag 18der uEVT: Der Harnblasendefekt ist verheilt, dieOFDwirdgegeneinen suprapubischenUrinkatheter gewechselt,Mono-J- und transurethralerUrinkatheterwerdenentfernt,die uEVTwirdbeendet.d 11 TagenachBeendigungderuEVT: alle Katheterwurdenentfernt, normale transurethraleUrinaus-scheidung

Abb. 58 VerlaufderurologischenendoskopischenVakuumtherapie (uEVT)aus Sichtderperineal durchgeführtenEndosko-pie:aTag0deruEVT,bTag4deruEVT,cTag11deruEVT.Rote PfeileDefektderHarnblasenhinterwand,Sa sakraleWundhöhle,mJMono-J-Katheter in beide Uretherenmündungen eingeführt, uC transurethraler Ballonkatheter,OFD offenporige Folien-drainage

Die Einlage der Vakuumdrainage indie Blase erfolgt in einemDurchzugsma-növer entlang der perinealen Wundöff-nungunter permanenter endoskopischerSicht. Die Drainage wurde aus der su-prapubischen Katheterinzision ausgelei-tet (s. Video online: Urologische endos-kopischeVakuumtherapie (uEVT)bei ei-nem großen Harnblasendefekt) und miteiner kutanenNaht fixiert. Anschließendwurde eine elektronischeVakuumpumpeangeschlossen (KCI V.A.C. Freedome®,KCI USA Inc., San Antonio, Texas, USA,Setting: –75 mm Hg, kontinuierlich, In-tensität 10). Diese Einstellung zur Vaku-umerzeugung entspricht denen der in-

traabdominalen Vakuumtherapie. Eineabschließende endoskopische Lagekon-trolle der OFD in der Blase erfolgte ent-lang der perinealen Wundöffnung.

DasTherapieprinzip ist in. Abb. 4 alsDiagrammdargestelltundderVerlaufderTherapie in Videosequenzen hinterlegt(s. Video online).

Ergebnisse

Die Vakuumausübung führte sofort zurvollständigen und permanenten Evaku-ierung der Blase.Der vorhermengenmä-ßig führende Urinfluss über die perinea-le Wunde sistierte unmittelbar und der

mengenmäßig größte Anteil des Urinsfloss von nun an bei kollabierter Harn-blase entlang der transurethralen Mono-J-Schienen (. Abb. 4b).

Bereits die erste endoskopische Kon-trolle anTag 4 der uEVT zeigte eine deut-liche Verkleinerung der sakralen Wund-höhle (. Abb. 5).

Die Therapiedauer der uEVT betruginsgesamt 18 Tage. Zweimal wurde eineOFD in Durchzugstechnik in die Harn-blaseeingelegt.NachderErsteinlagewur-de die OFD einmal an Tag 7 gewechselt.Sechs endoskopische intravesikale Kon-trollen erfolgten während und nach Ab-schluss der uEVT an Tag 4, 7, 11, 18,

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Abb. 68 Vier Tage nach Beendigung der uro-logischen endoskopischen Vakuumtherapie:Bestätigung des Defektverschlusses durch eineZystographie. suC suprapubischer Katheter,mJMono-J-Katheter, uC transurethraler Katheter

22 und 29 (. Abb. 5). Einmalig spiegel-tenwir über den suprapubischenZugangmit dem nasalen Endoskop unbeabsich-tigt in dieAbdominalhöhle ein, dies bliebbei klinischer Beschwerdefreiheit ohneKonsequenz.

AmdirektenKontakt derFolie zudemUrothelwaren regelmäßigeAnsaugeffek-te des Epithels („pimpled pattern“) an diePoren der Folie zu sehen. Diese Beob-achtungen entsprechen unseren Erfah-rungen am Gastrointestinaltrakt. Bereitswenige Tage nach Ende derTherapie wa-ren die Veränderungen nichtmehr nach-weisbar.

Der Blasendefekt, die perineale Fis-tel sowie die sakrale Wundhöhle verklei-nerten sich kontinuierlich, sodass nach18TagenbeiendoskopischvollständigemDefektverschluss die OFD durch einennormalen suprapubischen Katheter er-setzt wurde.

Vier Tage nachBeendigung derVaku-umtherapie wurde auch zystographischdie vollständige Abheilung des Blasende-fektesnachgewiesen (. Abb. 6).Die rena-len Harnableitungen wurden daraufhinentfernt.

Elf Tage nach Therapieende konnteauch der suprapubische Katether beiguter Spontanmiktion gezogen werden.Bei der urodynamischen Untersuchung(Volumen von 172 ml, Flow von max.10,6 ml/s, Flowdauer von 34,4 sec) warkaum Restharn verblieben.

Inder endoskopischenAbschlusskon-trolle zeigte sich als einziges Residuumdes großen Blasendefektes eine kleineNarbe (s. Video online). Der Patient war

beschwerdefrei und wies ein normalesMiktionsverhalten auf.

Diskussion

Nach unserer Kenntnis ist dies die Erst-beschreibung einer urologischen endo-skopischen Vakuumtherapie (uEVT) derHarnblase.

Die Wirkungsweise der uEVT beruhtauf zwei wichtigen chirurgischen Thera-pieprinzipien:4 Drainage und4 Defektverschluss.

Drainage. Urin lässt sich mit der OFDentlang eines Unterdruckgradienten op-timal aktivdrainieren.MitderuEVTlässtsich hierdurch ein vollständiges Sistierendes Urinflusses bei Defekten des ablei-tendenHarntraktes herbeiführen. DurchdieAusübungeines intravesikalenUnter-druckes unter Nutzung einer OFD kanndie Harnblase praktisch „trockengelegt“werden.Dieses istdiewichtigsteErkennt-nis, die wir aus unserer ersten Erfahrungmit der uEVT ableiten.

Defektverschluss. Der Defektverschlusswird bei der uEVT auf zweifacher Wei-se herbeigeführt. Zum einen können sichdurch den Sog dieWundränder aneinan-der annähern und adaptieren. Zum an-deren ist eine hinreichende Weichteilde-ckung über dem Defekt von entschei-dender Bedeutung. Das von außen demDefektanliegendeGewebe legt sichdurchden intravesikalen Sog über den Defekt.Auf diese Weise werden eine Komparti-mentierungderWundhöhleundeineAb-dichtung herbeigeführt. Diese Erkennt-nisse sind uns bereits aus zahlreichenAnwendungen der EVT bei Defekten imGastrointestinaltrakt bekannt und lassensich auf die uEVT übertragen [12, 13].

Sowohl die optimale aktive Drainageals auch der Defektverschluss sind diesich ergänzenden Wirkprinzipien deruEVT. Bei unserem Patienten bestandeine erhebliche perineale Urinsekretionaufgrund eines großen Harnblasende-fektes nach abdominoperinealer Rek-tumexstirpation. Der Urinausfluss ließsich durch eine konservative Therapiemit umfassenden passiven Urinkatheter-drainagen nicht wesentlich reduzieren.

Aufgrund der Defektgröße und derungünstigen Lage der Defektregion imTrigonumvesicae erschien ein operativerDefektverschluss nicht Erfolg verspre-chend zu sein.

Als Alternative wäre noch eine kom-plettebilateraleNephrostomie infragege-kommen. Es bleibt offen, ob eine solcheMaßnahme zur vollständigen Defekthei-lung geführt hätte.

Die Entwicklung einer neuartigenoffenporigen Foliendrainage (OFD) er-möglichte die Nutzung der endoskopi-schen Vakuumtherapie erstmals auch anden Harnwegen. Durch die Umman-telung eines Drainageschlauches miteiner dünnen doppellagigen offenpori-gen Folie, anstelle eines voluminösenPolyurethanschaumes, lässt sich eineVakuumdrainage mit sehr geringemAußendurchmesser fertigen. Wir ver-wendeten einen Drainageschlauch von18 Char Außendurchmesser; von gas-trointestinalen Anwendungen der OFDwissen wir, dass noch kleinlumigereVakuumdrainagen konstruiert werdenkönnen [9–11].

Die Platzierung der OFD ist durchsehr kleine Öffnungen möglich. Wir zei-gen, dass die OFD über einen suprapubi-schen Zugang, in gleicher Weise wie einsuprapubischerHarnblasenkatether, aus-geleitetwerdenkann.Einmaligspiegeltenwir mit dem nasalen Endoskop entlangder suprapubische Inzision in die Abdo-minalhöhle ein. Möglicherweise wärenzur Befundkontrolle auch die normalenTechnikenderZystoskopie eingeeignetesVerfahren. Außerdem konnte demons-triert werden, dass mit der uEVT Urinkomplett und dauerhaft aus der Blaseevakuiert wird. Mit der uEVT lässt sichdie Harnblase sozusagen vollständig tro-ckenlegen.

Analog zur Vakuumtherapie des Ab-domens verwendeten wir einen Unter-druck von 75 mm Hg. Von weiterenAnwendungen der uEVT wissen wirmittlerweile, dass auch Unterdrücke von25–50 mm Hg ausreichend sind, umdie Harnblase dauerhaft und vollständigzu evakuieren. Je niedriger der ange-legte Sog ist, umso gewebeschonenderdürfte die eingelegte Vakuumdrainagesein. Allerdings würde bei einem Un-terdruck von weniger als 25 mm Hg

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eine Position der Vakuumpumpe überPatientenniveau eine Rolle spielen.

Von Vorteil für die urologische Vaku-umtherapie wäre die Entwicklung einer„Katheterdrainage“, welche sich mit ei-nem blockierenden Ballon in der Blasefixiert. Hiermit wäre auch die transure-thrale Vakuumtherapie mit Einlage derDrainage analog zu einem konventionel-len Urinkatheter möglich.

Fazit

4 Diese erste Falldarstellung demons-triert eindrucksvoll, dass eine Vaku-umtherapie eine Alternative in derBehandlung großer vesikaler Defektesein kann.

4 Der entscheidende Unterschied zukonventionellen Verfahren ist dieaktive Sogwirkung, die zu einerkompletten und kontinuierlichenEvakuierung der Harnblase von Urinführt.

4 Möglich gemacht wird die intravesi-kale endoskopische Vakuumtherapiedurch die Verwendung der offen-porigen Foliendrainage (OFD) alsbaulich minimalisierte Variante einerVakuumdrainage.

Korrespondenzadresse

Dr. med. G. LoskeKlinik für Allgemein-, Viszeral-, Thorax- und Ge-fäßchirurgie, Katholisches MarienkrankenhausHamburg gGmbHAlfredstraße 9, 22087 Hamburg, [email protected]

Danksagung. Wir danken den Mitarbeitern derinterdisziplinären Endoskopie desMarienkrankenhauses Hamburg für dieausgezeichnete Zusammenarbeit. Wir danken demInstitut für diagnostische und interventionelleRadiologie des Marienkrankenhauses für dieradiologischen Bilddokumente.

Interessenkonflikt. G. Loske ist als Berater von Loh-mann&RauscherGmbH&Co.KG tätig. T. Schorsch,R.U. KiesowundC.T.Müller geben an, dass kein Inter-essenkonflikt besteht.

Dieser Beitragbeinhaltet keine vondenAutorendurchgeführten Studien anMenschenoder Tieren.

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Ausgabe der Critical Care Medicine einenComputeralgorithmus vor, der die laufend

erhobenen und in der elektronischen Pati-entenakte gespeichertenRoutinedaten zur

individuellen, minutengenauenAbbildung

des sogenannten „Systemischen Inflam-matorischen Response Syndroms“ (SIRS),

eineswichtigenMerkmalsder Sepsis, nutzt.

Auf dem Algorithmus aufbauend definier-ten die Wissenschaftler zur Erfassung der

Dynamik des SIRS intuitiveMaße, etwadenDurchschnitt und die Änderung der Anzahl

der SIRS-Kriterien über ein Zeitfenster von

24 Stunden.

Bei der praktischen Anwendung dieser

SIRS-Deskriptoren zeigte sich, dass dieseder üblichen punktuellen Erhebung

des SIRS deutlich darin überlegen sind,eine Sepsis bei Polytrauma-Patienten

vorauszusagen. Ihre Trennschärfe bei der

Diagnose der Sepsis im Intensivverlaufreichte sogar an jene von derzeitigen

Sepsis-Biomarkern heran, ohne den

zusätzlichen Testaufwand zu erfordern.

Literatur: Lindner HA, Balaban Ü,Sturm T et al. (2016) An algorithm for

systemic inflammatory response syndrome

criteria-based prediction of sepsis in apolytrauma cohort. Critical Care Medicine,

44:2199, 2016

Quelle: UniversitätsmedizinMannheim, www.umm.de

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